Oldiemarkt-Magazin September 2007 - FunWithMusic
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Ougenweide: Die letzten Alben Oldie-Markt 8/07 21<br />
Ohrenschmaus<br />
Auch nach ihren klassischen<br />
Alben blieben Ougenweide<br />
ihrem Rezept treu und stellten<br />
nach wie vor ausgezeichnete<br />
Folkrock-Platten her.<br />
Trendsetter zu sein kann nicht nur enorm<br />
einträglich sein – es kann auch zu einer<br />
schweren Belastung für eine Band werden,<br />
ist man doch beinahe gezwungen, den<br />
einmal etablierten Stil beizubehalten.<br />
Nachdem Ougenweide Anfang der 70er<br />
Jahre aus einem Feierabend-Musizierkreis,<br />
der Texte von Walther von der Vogelweide<br />
vertonen wollte, nicht nur zu einer festen,<br />
sondern vor allem zu einer enorm<br />
erfolgreichen Gruppe geworden war, stellte<br />
sich irgendwann die Frage, ob man sich auf<br />
das Mittelalter festnageln lassen wollte.<br />
Nach vier LPs von 1973-1976 legte man<br />
1977 mit Ungezwungen (Bear Family BCD<br />
16141) den Mitschnitt der vergangenen Tour<br />
vor, der gleichzeitig so etwas wie ein<br />
Resümee der vergangenen vier Jahre<br />
darstellte. Noch einmal spielte man das<br />
Material, das zurecht so beliebt geworden<br />
war, von solchen Evergreens wie Wol mich<br />
der Stunde, Bald anders oder Der Fuchs bis<br />
zu Instrumentals wie Ronde oder<br />
Wintertanz, die die ganze Breite der immer<br />
wieder erstaunlich vielseitigen Band zeigten,<br />
wobei mit am beeindruckendsten war, dass<br />
das Ganze im Konzert ebenso perfekt klang<br />
wie im Studio. Die vielen Instrumente, die<br />
da zum Einsatz kamen, ließen die<br />
Hamburger fast wie die deutsche Ausgabe<br />
von Gentle Giant wirken.<br />
Doch danach musste ein Bruch mit der<br />
Vergangenheit erfolgen. Wenn man nicht für<br />
alle Ewigkeit im Mittelalter hängen bleiben<br />
wollte, musste man sich einen neuen Weg<br />
ausdenken und da kam die Fernsehserie des<br />
ZDF, Dokumente deutschen Daseins 1978<br />
gerade richtig. Diese Sendereihe beleuchtete<br />
die deutsche Geschichte über 300 Jahre<br />
hinweg auch anhand der Musik und dafür<br />
zeichneten Ougenweide verantwortlich.<br />
Passé waren die mittelhochdeutschen Texte,<br />
da sie vom Publikum verstanden werden<br />
sollten und zudem konnte man sich bis ins<br />
19. Jahrhundert bewegen. So schlug Fryheit<br />
/Ousflug (Bear Family BCD 15962) einen<br />
Bogen vom späten Mittelalter bis ins 19.<br />
Jahrhundert, für die Lützows wilde,<br />
verwegene Jagd oder Schwarz, Rot, Gold<br />
standen. Das wirkte wie ein<br />
Befreiungsschlag und prompt folgte mit dem<br />
1979er Opus Ousflug ein ähnlicher Mix, der<br />
allerdings durchaus die Bedürfnisse der<br />
Fangemeinde berücksichtigte: Zu einem Text<br />
aus dem Jahr 1879 kamen Lieder und<br />
Instrumentals wie Gerhart Atze, Maienzit oder<br />
Basse Danse La Gatta. Die Mischung gelang so<br />
gut, dass dieses Album ein ganz neues Feld für<br />
die Formation eröffnete.<br />
Mit Ousflug war nicht nur stilistisch ein neues<br />
Fass aufgemacht worden, sondern dazu hatte<br />
man sich auch in jeder Hinsicht selbständig<br />
gemacht, weil dieses Album das erste war, was<br />
die Band selbst produzierte. So konnte es keine<br />
Überraschung sein, dass Ja-Markt und Noch<br />
aber ist April (Bear Family BCD 15974)<br />
einen ganz neuen Weg einschlugen – auch vom<br />
Coverdesign her: So stand bei Ja-Markt der<br />
Strichcode im Zentrum, aus dem das Gesicht<br />
von Minne Graw herausblickte. Doch die<br />
eigentliche Überraschung bot das Tracklisting:<br />
Mit einer Ausnahme stammten alle Songs und<br />
Texte von der Formation, im Gegensatz zu<br />
früher stand man nun tatsächlich auf den<br />
eigenen Füßen. Das war natürlich auch<br />
musikalisch ein Bruch mit der eigenen<br />
Vergangenheit. Der Folkrock aus den 70ern<br />
blieb 1980 auf der Strecke, das war deutlich<br />
mehr Rock und Einflüsse der aktuellen<br />
Musikszene flossen ebenfalls. Insgesamt war<br />
das beileibe nicht schlecht, aber auf der anderen<br />
Seite gaben die Hanseaten damit ihren<br />
unverwechselbaren Stil auf. Dasselbe galt auch<br />
für die 1981 erschienene Platte Noch aber ist<br />
April, die mit Knopp im Ohr sogar ein Lied in<br />
Richtung NDW enthielt. Doch es war absehbar,<br />
dass man damit in ein Niemandsland geraten<br />
war und so löste man sich auf, woran allerdings<br />
auch die Entwicklung der Musiker selbst Schuld<br />
hatte, da sie sich einfach in den vergangenen 10<br />
Jahren auseinander gelebt hatten. Mit diesen<br />
drei CDs besitzt man die zweite Phase der Band,<br />
die Folkrock auf eine Art und Weise gespielt<br />
hat, wie er hierzulande sonst nicht zu hören war.<br />
Die modernen Folkrockbands hierzulande<br />
basieren mehr oder weniger alle auf dem, was<br />
Ougenweide in den 70ern vorlegte.