Axel Heil Brause Sause Die sicken Kinder von ... - Galerie Thimme
Axel Heil Brause Sause Die sicken Kinder von ... - Galerie Thimme
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<strong>Axel</strong> <strong>Heil</strong><br />
<strong>Brause</strong> <strong>Sause</strong><br />
<strong>Die</strong> <strong>sicken</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>von</strong> Landau<br />
<strong>Brause</strong> <strong>Sause</strong> verursacht das prickelnde Gefühl auf der Zunge, wenn das Pulver<br />
auf die harte Genusstour ohne Wasser oder Alkohol geschluckt wird. Das bunte<br />
Pülverchen in den kleinen Tütchen sorgt auch unter dem Label “AHOI” bei jeder<br />
Party für sprudelnde Stimmung. Nun bringt <strong>Brause</strong> <strong>Sause</strong> sogar eine Fruchteis‐<br />
Sorte zum <strong>Brause</strong> <strong>Sause</strong>‐Aufpeppen: “Fruchtiger Eisgenuss und lustiger<br />
Prickelspaß in der Quetschtüte.” Das Know‐How <strong>von</strong> Deutschlands drittgrößtem<br />
Eiscremehersteller und die Marketingkraft <strong>von</strong> SUPER RTL bieten in diesem<br />
Sommer der Konsumentenwelt endlich das, was sie dringend braucht: <strong>Die</strong><br />
bessere Mischung.<br />
<strong>Die</strong> nächste Hitzewelle ist absehbar und lässt nach kühler, sprudelnder<br />
Erfrischung verlangen. Im Marketing wird die Revolution der Synästhesie<br />
geprobt und als Eisschlecker freuen wir uns auf die Crazyness der<br />
Lebensmittelchemiker und Grafikdesigner, die unserer sommerlichen Trägheit<br />
mit visuellen Reizen und gutem Geschmack auf die Beine helfen, bis der<br />
Liegestuhl im Schatten wieder unter dem Körper des Mitteleuropäers ächtzt und<br />
die Ruhe des lauen Abends Muße gibt zu erotischen Gedanken über die<br />
Verpackungen und Oberflächen der Medien und Mädchen an der Bar.<br />
Aus diesem Strudel der unkritischen Selbstreflektion reißt der Künstler <strong>Axel</strong> <strong>Heil</strong><br />
die Nachbarn <strong>von</strong> Landau im nahen Karlsruhe und setzt ästhetische<br />
Erfrischungen und humorvolle Polemiken vor, die im Sommersonnenschein<br />
glitzern und selbst‐reflektieren. Vor dem wieder aktuellen Slogan des “ne<br />
travaillez jamais” in der jüngsten Generation der Gegenwartskunst setzt sich<br />
<strong>Axel</strong> <strong>Heil</strong> in die Opposition des “artist artist” und zeigt in der <strong>Galerie</strong> Clemens<br />
<strong>Thimme</strong> neue Werke, die aus der Historie der Avantgarden in Kobenhavn,<br />
Brussles, Amsterdam, Paris und Karlsruhe schöpfen. In unterschiedlichsten<br />
Werkformaten sammelt der Künstler und Grafiker seine Meinungen,<br />
Stimmungen, Fundstücke und Neuigkeiten zur Lage der Medienkultur und<br />
formuliert sowohl figurative wie auch abstrakte Statements in Allround‐<br />
Kompetenz.<br />
Mit dem Ausstellungstitel “<strong>Die</strong> <strong>sicken</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>von</strong> Landau” unterläuft <strong>Axel</strong> <strong>Heil</strong><br />
das Erinnerungsvermögen des Harald‐Schmidt‐Show sozialisierten TV‐Schauers<br />
und Kunstbetrachters, indem er mit minimaler Intervention in der<br />
Morphemstruktur auf die populäre Verunglimpfung der pfälzischen Nachbarn im<br />
abendlichen Unterhaltungsprogramm anspielt und das Übel des billigen Witzes<br />
zerlegt. <strong>Die</strong> nach 199 Sketchen erfolgreich abgesetzte Serie des deutschen<br />
Klamauk bot seit 1995 Anlass, mit Guido, Petra und Ronnie die Welt des<br />
identitätsscheuen dicken Jugendlichen emphatisch mitzuleiden und im stillen<br />
Vorwurf an einschlägige <strong>Brause</strong>produzenten das eigene Körpergewicht<br />
schönzureden. Das Clichée der dicken <strong>Kinder</strong> steht als Metapher über der<br />
glitzernden Erinnerung an die goldenen Neunziger, bevor die bunte und knallige
Welt des 21. Jahrunderts mit schwungvollen Anglizismen und netten<br />
Anlageberatern die gute Ausicht auf die kommende Finanzkrise verstellte.<br />
Am Rande dieser melancholischen Gemütslage steht das künstlerische Werk <strong>von</strong><br />
<strong>Axel</strong> <strong>Heil</strong> mit seinen “Begleiterscheinungen”, sensiblen Beobachtungen des<br />
Abdingbaren und fröhlichen Seitenhieben in die Speckpolster des bildersatten<br />
Betrachters. “Sans doute” und “Kein Gesetz ohne Strafe” sind Werktitel einer<br />
Serie <strong>von</strong> Zeichnungen, die seit 1988 entstanden ist und nebst neuen Arbeiten<br />
auf Papier in der Ausstellung gezeigt werden. Das Absurde und Surreale<br />
Moment seiner Motive resultiert aus dem Sampling <strong>von</strong> Fragmenten eines<br />
Alltagslogos und den Images und Slogans globaler Markenwerbung und<br />
Entertainmentindustrie. Durch die Aneignung dieser merkantilen Verheißungen<br />
erzeugt <strong>Axel</strong> <strong>Heil</strong> neue, multifokale Botschaften: “Selten, aber manchmal klappt<br />
es nicht.” Über die Heiterkeit der deutschen Sprache hinaus mischt der Künstler<br />
die Sprachen der europäischen Kunstmetropolen <strong>von</strong> Paris bis Landau in der<br />
Pfalz. Das Werk <strong>von</strong> <strong>Axel</strong> <strong>Heil</strong> ist kulturhistorischer Zeuge und Spurensuche in<br />
der Biografie der Popkultur, eine Jonglage mit den eindeutigen Zeichen des<br />
Mainstream, bei der die fallenden Bälle zum Werk gehören. <strong>Die</strong> Fotografie “Ein<br />
Teil der Beute/ Mouthful Booty part I,II,III” ist signifikant für die Ironie des<br />
Künstlers, auch ohne Gitarren‐Saiten auf der Klaviatur des Humors zu spielen.<br />
Das Vorbild anderer Künstler taucht immer wieder auf, wird transformiert und<br />
mit freundlicher Geste bis zum “Selbstportrait als Badender” angeeignet. Mit<br />
seiner jüngsten Skulptur “asunziazione” vereinigt <strong>Axel</strong> <strong>Heil</strong> die Epiphanie der<br />
<strong>Heil</strong>sgeschichte mit dem bodenständigen Traum vom Fliegen: Der Corpus Christi<br />
in der Himmelfahrt mit bunten Heliumballons. Durch die Kunst wird die Balance<br />
zwischen Märtyrium und Party gehalten.<br />
Mit der Ausstellung “<strong>Brause</strong> <strong>Sause</strong>. <strong>Die</strong> <strong>sicken</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>von</strong> Landau” gibt <strong>Axel</strong> <strong>Heil</strong><br />
in der <strong>Galerie</strong> Clemens <strong>Thimme</strong> einen Einblick in sein Werk seit 1988 und zeigt<br />
mehr als 20 Jahre guter Kondition im Verfolgen und Ausspielen <strong>von</strong> klassischer<br />
Kunst und orgineller Bestandsaufnahme der Gegenwartskultur. “Es lacht die<br />
Henne, oder auch nicht…”<br />
<strong>Axel</strong> <strong>Heil</strong> (geb 1965) ist Professor für Experimentelle Transferverfahren an der<br />
Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe.