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KLINIKMAGAZIN des Universitätsklinikums Jena

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<strong>KLINIKMAGAZIN</strong> <strong>des</strong> <strong>Universitätsklinikums</strong> <strong>Jena</strong><br />

Prof. Dr. Aria Baniahmad im Molekulargenetischen Labor <strong>des</strong> Instituts für Humangenetik;<br />

Foto: Vöckler<br />

Alternsforscher tagten in <strong>Jena</strong>:<br />

Tausend Jahre leben?<br />

"Methusalem war einhundertsiebenundachtzig Jahre alt und zeugte Lamech<br />

und lebte danach siebenhundertzweiundachtzig Jahre und zeugte Söhne<br />

und Töchter, dass sein ganzes Alter ward neunhundertneunundsechzig<br />

Jahre, und starb", heißt es im ersten Buch Mose.<br />

Methusalem ist nicht der einzige Urvater <strong>des</strong> Alten Testaments, der solch ein<br />

wahrhaft "biblisches" Alter erreichte. Doch bald schon wurde das Alter <strong>des</strong><br />

Menschen begrenzt: "Da sprach der Herr: ... Ich will ihm als Lebenszeit<br />

geben einhundertzwanzig Jahre."<br />

Das längste dokumentierte Lebensalter eines Menschen ist das der Französin<br />

Jeanne Calment (1875-1997), die 122 Jahre alt wurde. Der bislang älteste Mann<br />

der Welt starb 1998 im Alter von 115 Jahren. Die in der Bibel zugestandenen 120<br />

Jahre scheinen also tatsächlich das Lebensmaximum <strong>des</strong> Menschen zu sein, und<br />

sehr viel mehr erwarten auch die heutigen Alternsforscher nicht: "Vielleicht 130<br />

Jahre", vermutet der <strong>Jena</strong>er Humangenetiker Prof. Dr. Aria Baniahmad. "Doch<br />

welche genetischen Faktoren unsere Lebenszeit begrenzen, wissen wir nicht. Hier<br />

spielen Genmutationen, die sich im Alter häufen, ebenso eine Rolle wie der<br />

Einfluss von oxidativem Stress, der auch die Alternsprozesse beschleunigt." Prof.<br />

Baniahmad verweist auf Experimente mit Taufliegen, deren Gehirn durch ein<br />

spezielles Gen vor oxidativem Stress geschützt wurde und die daraufhin etwa 30<br />

bis 40 Prozent länger lebten als ihre Artgenossen. Offensichtlich wurde damit ein


<strong>KLINIKMAGAZIN</strong> <strong>des</strong> <strong>Universitätsklinikums</strong> <strong>Jena</strong><br />

wichtiger lebensbegrenzender Faktor gefunden, nicht aber der Stein <strong>des</strong> Weisen.<br />

"Schon beim Fadenwurm", so Prof. Baniahmad, "hat der Hirnschutz allein nicht<br />

funktioniert."<br />

Aktuelle Ergebnisse der genetischen Alternsforschung<br />

diskutiert<br />

Den genetischen Mechanismen <strong>des</strong> Alterns widmete sich auch der Kongress<br />

"Genetics of Aging", <strong>des</strong>sen Präsidentschaft Prof. Dr. Christoph Englert vom<br />

Leibniz Institut für Altersforschung (Fritz-Lipmann-Institut) <strong>Jena</strong> und Prof. Dr. Aria<br />

Baniahmad vom Institut für Humangenetik <strong>des</strong> <strong>Universitätsklinikums</strong> <strong>Jena</strong><br />

übernommen hatten. Vom 11. bis 13. Oktober diskutierten 250 Wissenschaftler<br />

aus dem In- und Ausland aktuelle Ergebnisse der genetischen Alternsforschung.<br />

Ob zelluläre Alterungsprozesse die Entstehung von Krebs unterbinden können?,<br />

fragte Prof. Judith Campisi aus Berkeley, USA. Schon die Frage klingt paradox,<br />

gilt Krebs doch geradezu als Paradebeispiel für altersbedingte Krankheiten.<br />

Allerdings wird mit zunehmendem Alter auch die Fähigkeit der Zellen zur<br />

Zellteilung verringert, und damit eine zentrale Voraussetzung für die<br />

Krebsentstehung. Eine Krankheit, bei der die Rolle der Genetik für den<br />

menschlichen Alterungsprozess besonders anschaulich wird, ist das so genannte<br />

"Werner-Syndrom". Betroffene altern massiv und vorzeitig. Ergraut, überzogen mit<br />

Falten und unter zahlreichen Alterskrankheiten leidend, sterben diese Patienten<br />

sehr viel früher als andere. Verantwortlich für diese Krankheit ist ein<br />

Genreparaturdefekt. Über den Nothobranchius furzeri, einen kleinen afrikanischen<br />

Fisch, der innerhalb weniger Monate seinen kompletten Lebenszyklus durchläuft,<br />

berichtete Dr. Alessandro Cellerino vom Fritz-Lipmann-Institut. Durch einen<br />

Genomvergleich zwischen dieser kurzlebigen und einer verwandten langlebigeren<br />

Art erhoffen sich die Wissenschaftler wichtige Aufschlüsse über Gene, die für die<br />

Verkürzung der Lebensspanne verantwortlich sind.<br />

Immuntherapeutische Behandlungswege bei Alzheimer<br />

vorgestellt<br />

Als besonders ergiebiges Forschungsfeld bei der Lösung <strong>des</strong> Alterungsrätsels<br />

erweist sich die Telomer-Forschung. Telomere sind schleifenförmige DNA-<br />

Fortsätze an den Enden von Chromosomen, die sich von Zellteilung zu Zellteilung<br />

verkürzen. Haben sie eine bestimmte Kürze erreicht, hören die Zellen auf, sich zu<br />

teilen. Die DNA kann dann nicht mehr kopiert werden, und dieser Kopierschutz<br />

verhindert die Wucherung "alter" Zellen, die sich bereits häufig geteilt haben. Bei<br />

Krebszellen ist dieser hochwirksame Zellschutz ausgeschaltet. Verantwortlich<br />

dafür ist die Telomerase, ein Enzym, das dafür sorgt, dass die Telomer-Enden<br />

erhalten bleiben und die Zelle "unsterblich" wird. Die Aktivität dieses Enzyms ist<br />

also eine Voraussetzung für die Entstehung von Krebs. In den USA laufen bereits<br />

klinische Studien zur Hemmung der Telomerase-Aktivität.<br />

Für Alternsforscher und Onkologen gleichermaßen interessant ist die Wirkung<br />

bestimmter Tumor-Suppressor-Proteine, die Zellschäden beheben und dafür<br />

sorgen, dass die Krebsentstehung verhindert wird und Alterungsprozesse<br />

aufgehalten werden können. Mit Hilfe transgener Mäuse, in denen die Wirkung<br />

solcher Anti-Krebs-Proteine verstärkt wurde, ist es bereits gelungen, die<br />

Anfälligkeit dieser Tiere für Krebs zu vermindern und gleichzeitig deren<br />

durchschnittliche Lebensspanne deutlich zu verlängern.


<strong>KLINIKMAGAZIN</strong> <strong>des</strong> <strong>Universitätsklinikums</strong> <strong>Jena</strong><br />

In einem öffentlichen Abendvortrag hatte der renommierte Alzheimer-Forscher<br />

Prof. Dr. Christian Haass aus München mögliche immuntherapeutische<br />

Behandlungswege dieser häufigsten und tödlich verlaufenden Form der Demenz<br />

vorgestellt. Alzheimer wird von verklumpten Protein-Fäden, so genannten beta-<br />

Amyloid-Plaques, verursacht. Durch die Impfung mit entsprechenden Antikörpern<br />

ist es möglich, diese hirnschädigenden Plaques zu beseitigen und den Verlust an<br />

Hirnsubstanz und geistiger Leistungsfähigkeit aufzuhalten. Wesentlich besser<br />

kontrolliert werden können mit den Impfstoffen der zweiten Generation laut Haass<br />

die gravierenden Nebenwirkungen, die bisher bei der Alzheimer-Behandlung mit<br />

Antikörpern auftraten.<br />

Unterschiede in der Lebensweise sind entscheidend<br />

Dass Frauen eine deutlich höhere durchschnittliche Lebenserwartung als Männer<br />

haben, hat übrigens nicht unbedingt genetischen Ursachen. "Zum einen liegt die<br />

Kindersterblichkeit bei Mädchen um etwa drei Prozent unter der der Jungen und<br />

zum anderen hat das weibliche Hormon Östrogen möglicherweise eine wichtige<br />

Schutzwirkung gegen Herzkreislauf- und andere Erkrankungen. Die um fast 10<br />

Prozent höhere durchschnittliche Lebenserwartung erklärt dies aber nur zum Teil",<br />

sagt Prof. Baniahmad. "Entscheidend sind die Unterschiede in der Lebensweise:<br />

der sehr viel stärker ausgeprägte Alkohol- und Nikotinmissbrauch bei Männern –<br />

Lungenkrebs ist hier die häufigste Krebsto<strong>des</strong>art –, eine weitaus größere Zahl an<br />

tödlichen Unfällen und eine deutlich höhere Suizidrate."<br />

Unendlich alt, das wissen wir seit Moses, werden wir aber auch mit den besten<br />

Genen und der gesün<strong>des</strong>ten Lebensweise nicht. mv<br />

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