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noir | Nr. 9 - Jugendpresse BW

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SÄNK YOU TRÄWELING WIS<br />

FOR DEUTSCHE BAHN<br />

Es ist sechs Uhr<br />

morgens. Schlaftrunken<br />

taste ich<br />

nach meinem Radiowecker,<br />

aus dem<br />

gerade eine Stimme<br />

fragt, ob ich mich<br />

heute stark fühle.<br />

Ja, stark muss man<br />

wirklich sein, wenn<br />

man sich um sechs Uhr in den Ferien<br />

aus dem Bett quält und die Aussicht auf<br />

drei Nächte Turnhalle hat. „Naja, ein<br />

Journalist muss hart sein“, denk ich mir,<br />

als mich unter die eiskalte Dusche stelle.<br />

Eine gute halbe Stunde später stehe<br />

ich am Bahnhof, an dem sich die Pendler<br />

um jeden Quadratmeter auf dem<br />

Alltäglicher WG-Wahnsinn<br />

Dr. Motte und die drei ???<br />

Die Klausurenphase beginnt in unserer<br />

WG mit der Loveparade. Die uez-uez-uezt<br />

direkt durch unseren Flur als ich nach Hause<br />

komme. „Zum Abreagieren!“, versucht<br />

Jule den Beat zu überdröhnen, während sie<br />

über verstreute Aktenordner, Formelsammlungen,<br />

Papier und Textmarker zur Kaffeemaschine<br />

ravt. „Willst du auch Kaffee?“ Ich<br />

will, dass die Klausuren vorbei sind. Ich will<br />

meine WG zurück, abends barfuss am offenen<br />

Fenster sitzen, Rotwein trinken und<br />

Santana hören. Stattdessen wohne ich mit<br />

Dr. Motte in einem verwüsteten Schreibwarenladen.<br />

Ich kontere mit meinen „Drei<br />

???“-CDs.<br />

Eine ganze Woche lang mischt sich im<br />

WG-Flur die Stimme von Justus Jonas mit unnachgiebigen<br />

Techno. Eines Morgens wechsle<br />

ich gerade CDs, als ich es höre: Nichts. Ich<br />

lausche für einen Moment bis es an meiner<br />

Zimmertür klopft. Jule steht grinsend mit zwei<br />

Tassen Kaffee in einem ordentlichen Flur, frei<br />

von Papier und Kulis. „Ich habe aufgeräumt“,<br />

sagt sie. „Und gebacken.“ Sprachlos nehme<br />

ich meine Tasse. Die drei ??? lösen jeden Fall.<br />

Doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was<br />

die Loveparade kann. Georgia Hädicke<br />

Bahnsteig streiten.<br />

Plötzlich erschallt<br />

eine Durchsage:<br />

„Meine Damen und<br />

Herren, zu Ihrer eigenen<br />

Sicherheit hat<br />

die Deutsche Bahn<br />

sämtliche Fahrzeuge<br />

der ICE-T Baureihe<br />

zu Routineuntersuchungen<br />

eingezogen. An Gleis 5 steht<br />

jetzt ein Ersatzzug für Sie bereit." Nachdem<br />

ich meine 20 Kilo schwere Tasche<br />

durch den halben Bahnhof gehievt<br />

habe, stelle ich schockiert fest, dass uns<br />

eine uralte Regionalbahn als ICE verkauft<br />

wird.<br />

So komme ich dann nach 90 statt<br />

der üblichen 60 Minuten in Stuttgart<br />

an. Natürlich ist mein Anschlusszug in<br />

Stuttgart längst abgefahren. Da ich so<br />

ein tolles Dauer-Spezial-Angebot gebucht<br />

habe, ist das ein echtes Problem, da ich<br />

eine Zugbindung einzuhalten habe. Ich<br />

suche mir kompetente Hilfe: „Entschuldigung.<br />

Ich habe da so ein Dauer-Spezial<br />

und muss aber irgendwie weiter kommen.“<br />

„Tschuldige, aber da kann ick Ihnen<br />

nücht weiterhelfen.“ „Herrgott, Sie<br />

sind doch von der Deutschen Bahn!“<br />

Mein erstes Mal<br />

Beim Schönheitswettbewerb<br />

Großes Schaulaufen. Spannung liegt in der<br />

Luft. Männlein und Weiblein in Reih und<br />

Glied. Sie wissen schon, von was ich rede.<br />

Ein harter Wettbewerb, bei dem es um alles<br />

geht! Eine erfahrene Jury bewertet die Kandidatinnen<br />

und Kandidaten anhand eines<br />

strengen Katalogs. Es geht um Maße: nicht<br />

zu klein, aber auch nicht zu groß, und schon<br />

gar nicht zu dürr. Bulimie war gestern. Nur<br />

„rassig sollten sie sein“, so ein Jurymitglied.<br />

Am besten blond, mit graziösem Gang und<br />

großen, melancholischen Augen, denen niemand<br />

widerstehen kann.<br />

Mit einstudiertem Lächeln geht es zur Jury.<br />

Hier kann kein Dieter Bohlen seinem Seelenleben<br />

Ausdruck verschaffen. Es hagelt keine<br />

20 Noir <strong>Nr</strong>. 9 (Februar 2009) Fotos: Gerd Altmann/pixelio.de (oben); photocase.de/User:tanala (unten)<br />

„Sorry, men Jung, aber ich bin nur von<br />

der Bahnhofsmission. Gehen Se doch<br />

einfach mal zum Service Point, da wird<br />

Ihnen bestimmt geholfen!“<br />

Also wieder die Tasche schultern und<br />

nach 20 Minuten Wartezeit bin ich am<br />

Schalter. „Tut mir Leid, aber ich bin<br />

Baustelle, Reklamationen bitte bei meiner<br />

Kollegin.“ „Ja sie sind wirklich Baustelle“,<br />

denke ich mir.<br />

Nach einer weiteren halben Stunde<br />

sitze ich im InterCity in Richtung Karlsruhe.<br />

Ja, ich sitze wirklich, allerdings<br />

auf meiner Tasche. Zum Glück liegt der<br />

Schlafsack oben drauf. Flurplatz erste<br />

Klasse! In Karlsruhe angekommen tut<br />

mir trotzdem der Hintern weh.<br />

Kaum bin ich ausgestiegen, erschallt<br />

die nächste Durchsage, die nichts Gutes<br />

verheißt: „Auf Grund von Bauarbeiten<br />

ist der InterCity nach Hamburg leider<br />

um voraussichtlich 30 Minuten zu spät.<br />

Zwei Stunden später, es ist bereits<br />

Abend, höre ich in Mainz folgende<br />

Durchsage nach einer Fahrt in einem<br />

unbequemen, stinkigen Großraumwagen:<br />

„Ladies and Gentleman sänk you<br />

for träweling wis Deutsche Bahn!“<br />

Danke. Nächstes Mal fahr ich per Anhalter!<br />

Lukas Ramsaier<br />

bösen Sprüche, selbst Anfeindungen der<br />

Teilnehmer untereinander sind<br />

hier nicht zu finden.<br />

„Super gut“, meint<br />

die Jury. Ein freundliches<br />

Wesen, gut<br />

gebogener Behang,<br />

aber etwas<br />

wenig Stop. Die<br />

Golden-Retriever-Hündin<br />

Luna ist trotzdem<br />

zufrieden<br />

und wedelt erhobenen<br />

Hauptes<br />

davon. js

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