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noir | Nr. 9 - Jugendpresse BW

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16<br />

BRITEN AUSSER RAND UND BAND<br />

Man nehme einen steilen Hang, einen Laib Käse und eine Menge verrückter Engländer. Das ergibt einen<br />

skurrilen Wettkampf mit langer Tradition und vielen Verletzten<br />

Schon in geraumer Vorzeit stellte ein<br />

Gallier namens Obelix fest: „Die spinnen,<br />

die Briten!“ Dies hat sich wohl auch<br />

bis in die Gegenwart vererbt. Das beste<br />

Beispiel dieser gewagten These stellt das<br />

sogenannte „Cheese Rolling“ dar.<br />

Seit 200 Jahren lassen jene Bewohner<br />

der Insel im Atlantik von einem 45 Grad<br />

steilen Hang in Brockworth im Südwesten<br />

Englands einen Laib Käse herunterrollen.<br />

Und nicht nur der Käse muss den Coopers<br />

Hill hinab. Auch hunderte verrückte<br />

Menschen, die nur ein Ziel haben: den<br />

Käselaib zu fangen. Er wird mit einem<br />

kleinen Vorsprung den Hang heruntergerollt,<br />

nur Sekunden später rollen die<br />

Teilnehmer hinterher. Ja richtig: sie rollen!<br />

Der Hang, auf dem die Verfolgung<br />

in Angriff genommen wird, ist unglaublich<br />

steil. Wenn man von unten auf den<br />

in Wahrheit 45 Grad steilen Hügel blickt,<br />

Noir <strong>Nr</strong>. 9 (Februar 2009) 20 2009) 20 09) 09 0<br />

könnte man meinen, er sei nahezu senkrecht.<br />

Wer am schnellsten runterrollt, gewinnt<br />

den Käse. Ein vernünftiger Mensch würde<br />

denn Hügel wohl nur<br />

auf allen Vieren hi-<br />

nabklettern, doch der<br />

gejagte Käse ist leider<br />

circa 110 Kilometer<br />

pro Stunde schnell.<br />

Da ist es unmöglich,<br />

den Käse zu schnappen.<br />

So gewinnt meist<br />

derjenige, der am<br />

schnellsten unverletzt unten ankommt.<br />

Zu rennen kann man hier allerdings vergessen,<br />

oft werden über 20 Überschläge<br />

benötigt, um endgültig unten zu sein.<br />

Von außen betrachtet mag dieses Gepurzel<br />

und Gestolper eine gewisse Komik<br />

haben, doch das als Volksfest angesehene<br />

Treiben ist extrem gefährlich. Jedes Jahr<br />

gibt es Verletzte. Besonders wenn an den<br />

Tagen zuvor britisches Regenwetter<br />

herrschte und der ganze Hang<br />

regelrecht aufgeweicht ist.<br />

Allein im Jahr 2008 gab<br />

Sie jagen dem<br />

Käse einen 45°<br />

steilen Berg nach.<br />

es 19 Verletze und vielerlei Blessuren, im<br />

Vergleich zu den letzten Jahren sind sie<br />

noch sehr glimpflich davongekommen:<br />

Knochenbrüche und Verstauchungen sind<br />

normalerweise an der<br />

Tagesordnung. Wer<br />

wissen will, was an<br />

Käse und Schmerzen<br />

so toll ist, muss wohl<br />

einmal da gewesen<br />

sein, denn als Außenstehender<br />

ist einem<br />

das nur schwer begreiflich.<br />

Der Wettbewerb aus Großbritannien<br />

findet immer mehr Anhänger: In einigen<br />

europäischen Ländern gibt es Nachahmerwettbewerbe.<br />

In Bayern sagte die Justiz<br />

eine geplante Veranstaltung allerdings aus<br />

gesundheitlichen Bedenken ab.<br />

Im Mutterland des „Cheese Rolling“<br />

kann aber wohl niemand etwas gegen diese<br />

Traditionsveranstaltung tun, und so<br />

werden wohl auch im nächsten Jahr wieder<br />

hunderte Zuschauer zum Coopers Hill<br />

pilgern und vielerlei Verrückte einem einfachen<br />

Käselaib hinterher rollen, ohne die<br />

Aussicht einer Chance, ihn zu erreichen.<br />

Lukas Ramsaier<br />

Foto: Luca Leicht

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