noir | Nr. 9 - Jugendpresse BW
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Gastfreundschaft und Stupsnasen<br />
Aller fehlenden Planungsliebe zum Trotz,<br />
hat der <strong>BW</strong>L-Student Ali schon ein genaues<br />
Ziel vor Augen: Sobald er sein Studium<br />
abgeschlossen hat, möchte er sich an<br />
der London School Of Economics bewerben.<br />
Und falls das nicht klappt? „Das wird<br />
sich zeigen“, meint Ali, wischt sich mit der<br />
Hand über den Mund und schaut sich um.<br />
Einheimische, Touristen und grellgelbe<br />
Taxis drängeln sich über die Brücke. Ab<br />
und zu hört man ein Hupen und sieht<br />
verschreckte Fußgänger von der Fahrbahn<br />
springen. Auch einige Touristen sind unterwegs<br />
– darunter auch Deutsche. Die<br />
erkennt Ali sofort. „Ich habe einfach ein<br />
Gespür dafür“, sagt er und lacht. Selbst bei<br />
einem Bangladeshi habe er intuitiv auf die<br />
richtige Nationalität getippt. Woran er das<br />
sieht? Deutsche Touristen seien vor allem<br />
an Haar- und Augenfarbe zu erkennen.<br />
„Und an den Nasen, die haben immer so<br />
einen Schwung nach oben.“ Ali kann sich<br />
ein Grinsen nicht verkneifen.<br />
In der Türkei weiß er vor allem die Spontanität<br />
zu schätzen: „Hier kommt es vor,<br />
dass man sonntags beim Nachbarn klingelt<br />
und sagt: ‚Wir kommen heute Abend zum<br />
Essen. Um neun sind wir da’.“ In Deutschland<br />
gelte das als unhöflich. „Dabei macht<br />
doch dieses unerwartete Zusammenkommen<br />
gerade den Reiz aus!“, sagt der 22-Jährige<br />
und schüttelt verständnislos den Kopf.<br />
Wenn er trotzdem etwas von Deutschland<br />
übernehmen würde, so wären es Fahrradwege<br />
– „Und die Autobahnen, die sind einfach<br />
klasse“, nickt er anerkennend.<br />
Ein ganz spezielles Lebensgefühl<br />
Trotz der positiven Seiten, die Ali an<br />
Deutschland sieht – alt werden möchte er<br />
in Istanbul. Keine andere Stadt habe ihn<br />
je so verzaubert, meint er und schaut begeistert<br />
auf das Goldene Horn, den Fluss,<br />
der durch den europäischen Teil Istanbuls<br />
fließt. Istanbul, das sei einfach ein ganz<br />
spezielles Lebensgefühl. Und zum Thema<br />
Deutschland schließt er weise: „Wahrscheinlich<br />
ist das moderne Deutschland<br />
viel zu abwechslungsreich und vielschichtig,<br />
um es in wenige Worte zu fassen.“ Ali<br />
nimmt noch einen letzten Bissen „balik<br />
ekmek“ – eines der Dinge, die ihm neben<br />
seinem Lieblings-Fußballverein „Galatasaray<br />
Istanbul“ in Deutschland auf jeden<br />
Fall fehlen würden.<br />
Fotos: Ann-Katrin Siekemeier<br />
Noir <strong>Nr</strong>. 9 (Februar 2009) 13