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Textsemantische Grundlagen der Analyse von Musikszenen und ...

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einer fast unirdisch anmutenden Intimität <strong>und</strong> Eigenrealität des Tanzes<br />

auslösen. Die Szene endet mit einem langen Abschwenk auf einen Diener,<br />

<strong>der</strong> die Kerzen löscht, das Paar ist inzwischen allein, nur noch ein Pianist<br />

spielt dazu.<br />

Manchmal wird <strong>der</strong> Kontrast <strong>der</strong> Körpermodi zum Thema <strong>von</strong> Szenen. Im<br />

letzten Drittel des englischen Kurzfilms MOMMA DON'T ALLOW (1955,<br />

Karel Reisz, Tony Richardson) besuchen zwei Paare, die offensichtlich <strong>der</strong><br />

Mittelschicht zugehören <strong>und</strong> deutlich älter sind als die an<strong>der</strong>en Besucher,<br />

den Londoner Jazz-Club, in dem die Chris-Barber-Band eine Mischung <strong>von</strong><br />

Swing-, Blues- <strong>und</strong> Dixie-Titeln spielt. Der Tanzstil, den die jungen Leute<br />

pflegen, ist eine Mischung <strong>von</strong> Rock‘n‘Roll-Bewegungen, zahllosen, oft<br />

rasend schnell ausgeführten Drehungen <strong>der</strong> Tänzer, bei aller Lässigkeit <strong>und</strong><br />

Coolness eine erkennbar hohe Konzentration auf die Performance. Viele<br />

schauen zu, bewun<strong>der</strong>nd, halb interessiert. Es ist ein Moment <strong>von</strong> Sich-<br />

Darstellen ebenso wie Die-Performer-Beobachten im Spiel. Als sich die<br />

middle-class-Besucher unter die Tanzenden mischen, ist auch bei ihnen<br />

selbst deutlich spürbar, dass sie den Bewegungsmodus <strong>der</strong> Tänzer nicht<br />

aufnehmen können – sie ahmen ihn nach, signalisieren gleichzeitig, dass es<br />

nicht »ihr« Stil ist. Ihre eigenen Tanzbewegungen sind voller Signale <strong>der</strong><br />

Rollendistanz, zeigend, dass sie tanzen, sich <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en aber auch zeigend,<br />

dass sie den Tanz nicht beherrschen, dass sie sich amüsieren, dass sie aber<br />

eine klar abgegrenzte in-group unter den an<strong>der</strong>en Besuchern des Clubs<br />

bilden. Wahl <strong>und</strong> Beherrschung <strong>von</strong> Tanzstilen signalisiert die<br />

Zugehörigkeit zu Gruppen, soll das besagen; es sagt aber auch etwas aus<br />

über den Modus <strong>der</strong> eigenen Körperwahrnehmung, in diesem beson<strong>der</strong>en<br />

Fall über die Bereitschaft zu Ekstase, die Fähigkeit, sich auf eine so fremde<br />

Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung, 9, 2013 // 281

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