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Textsemantische Grundlagen der Analyse von Musikszenen und ...

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Wenn man also in DAS WIRTSHAUS IM SPESSART (BRD 1958, Kurt<br />

Hoffmann) zwei Banditen sieht, die in einer slapstickartig übertreibenden<br />

Aktion in einen Schuppen hineinstürmen <strong>und</strong> man dazu das »Auf in den<br />

Kampf«-Motiv aus <strong>der</strong> Bizet-Oper Carmen hört, dann gilt es, auch in <strong>der</strong><br />

Handlungs-Musik-Koordination die groteske Differenz zwischen Anlass <strong>und</strong><br />

musikalisch ausgedrücktem (emotionalem) Aufwand zu identifizieren. Man<br />

darf da<strong>von</strong> ausgehen, dass dem zeitgenössischen Publikum das Opern-Stück<br />

ausreichend bekannt gewesen sein dürfte (auch wenn man die Oper selbst<br />

nicht kannte), dass man – den stürmischen Charakter <strong>der</strong> Musik<br />

einberechnend – die inneren Wi<strong>der</strong>sprüche <strong>der</strong> Szene also entschlüsseln<br />

konnte. Der Charakter <strong>der</strong> Slapstickiade, die man <strong>der</strong> kleinen Szene<br />

zuschreiben möchte, resultiert so nicht nur aus dem mode of acting <strong>der</strong><br />

Handelnden, son<strong>der</strong>n auch aus dem übertreibenden Gestus <strong>der</strong> Musik – so<br />

könnte man zumindest auf einer ersten Ebene sagen; tritt allerdings das<br />

Wissen um den (zumindest latent) heroischen Modus <strong>der</strong> Quelle (Carmen)<br />

dazu, vertieft sich <strong>der</strong> Eindruck des Ironischen – es entfaltet sich die sonst<br />

kaum zugängliche Ebene einer Kritik <strong>der</strong> Darstellungsmodi: Dies ist<br />

Komödie <strong>und</strong> auf jeden Fall abzusetzen gegen die Ernsthaftigkeit <strong>der</strong> Oper!<br />

Ein ganz an<strong>der</strong>es Beispiel für eine hoch-ironische Verwendung entstammt<br />

<strong>der</strong> Alten-Screwball-Comedy THE BUCKET LIST (DAS BESTE KOMMT<br />

ZUM SCHLUSS, USA 2007, Rob Reiner): Zwei betagte Männer, beide<br />

krebskrank, im Krankenhaus. Der eine ist reich, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e arm. An eine<br />

Heilung ist nicht zu denken. Sie stellen eine Liste <strong>der</strong> Dinge zusammen, die<br />

sie vor ihrem Tode noch tun wollen, die sie nie realisiert haben o<strong>der</strong> nie<br />

allgemeinen), die sich nicht mit rein morphologischer <strong>Analyse</strong> befassen will,<br />

son<strong>der</strong>n die signifikativen Prozesse zu modellieren trachtet, in die Filmmusik<br />

eingeb<strong>und</strong>en ist, nicht um die pragmasemiotischen Aspekte <strong>von</strong> Musiknutzung (im<br />

Film <strong>und</strong> in <strong>der</strong> alltäglichen Praxis) herumkommen wird.<br />

Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung, 9, 2013 // 254

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