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Textsemantische Grundlagen der Analyse von Musikszenen und ...

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wissensbasiert sind <strong>und</strong> spezielle Wissenshorizonte voraussetzen. Wenn also<br />

Zuschauer das Dies Irae des Titels <strong>von</strong> Stanley Kubricks THE SHINING<br />

(SHINING, USA 1980) 4 nicht mehr in <strong>der</strong> katholischen Liturgie <strong>der</strong><br />

Totenmesse verankern können, so fehlt ihnen ein ganz wesentliches<br />

Interpretament <strong>der</strong> Szene; trotzdem bleibt die Integration <strong>von</strong> Musik <strong>und</strong><br />

Bild hier möglich, die Nicht-Stimmigkeit <strong>der</strong> beiden Elemente spürbar; <strong>der</strong><br />

an- <strong>und</strong> verkündigende Charakter des Anfangs aber, den man<br />

potentiellerweise ableiten könnte – die Ankündigung des Zorns des Herrn –,<br />

geht verloren. Ähnliches ließe sich auch mit den nur anspielend<br />

erschlossenen Horizonten <strong>von</strong> Rock- o<strong>der</strong> Pop-Songs illustrieren, die oft<br />

wohl nur <strong>von</strong> Zeitgenossen angemessen ausgearbeitet werden können, die<br />

bis ins Biographische hinein allusive Höfe öffnen. Auch hier aber sind<br />

Bedeutungsbeziehungen im Spiel. Wenn also in WALTZ WITH BASHIR<br />

(Israel [...] 2008, Ari Folman) <strong>der</strong> Vormarsch israelischer Truppen auf Beirut<br />

mit einer Musik unterlegt ist, die auf die amerikanischen Protestlie<strong>der</strong> des<br />

Vietnam-Krieges anspielt, so öffnet das Lied die Szene (resp. den ganzen<br />

Film) sogar in die Dimension politischer Argumentation. 5<br />

4 Es handelt sich um eine düstere Neukomposition des Dies-Irae-Motivs aus <strong>der</strong><br />

Symphonie Fantastique <strong>von</strong> Hector Berlioz, die Wendy Carlos (Synthesizer) <strong>und</strong><br />

Rachel Elkind (vokale Effekte) ausgearbeitet haben. Vgl. dazu die allerdings<br />

oberflächliche Beschreibung bei Barham (2007, 11) sowie die aufschlussreichen<br />

Produktionsnotizen bei Bodde (2002, insbes. 280f). Zur Verwendung des Dies-Irae-<br />

Motivs im Film im allgemeinen vgl. Schubert 1998.<br />

5 Der Einsatz <strong>der</strong> Musiken in WALTZ WITH BASHIR erfolgt strikt segmental, dient<br />

dazu, die einzelnen Szenen (resp. Gedächtnis- o<strong>der</strong> Erzählungsepisoden)<br />

gegeneinan<strong>der</strong> abzugrenzen, sie aber auch modal-affektiv zu kennzeichnen. Dabei<br />

werden die pragmatischen Kontexte, denen die Musiken zugehören, allusiv<br />

eingemischt. Die oben erwähnte Szene ist unterlegt mit einer fröhlichen Musik, die<br />

den Beginn des Feldzugs begleitet (0:26), das Lied, das die Verwüstung des<br />

Libanons fast wie ein kindliches Spiel vorwegnimmt (<strong>und</strong> das z.B. an das Anti-<br />

Vietnam-Lied I-Feel-Like-I'm-Fixin'-To-Die Rag <strong>von</strong> Country Joe and the Fish,<br />

1965, erinnert).<br />

Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung, 9, 2013 // 235

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