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Textsemantische Grundlagen der Analyse von Musikszenen und ...

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– Es gibt eine zweite Konvention, <strong>der</strong>zufolge Macht als höherstehend<br />

inszeniert wird; <strong>der</strong> Thron ist darum meist auf einem Podest gegenüber<br />

den Untergebenen erhöht.<br />

Wird beides kombiniert (<strong>und</strong> wird dann noch eine Opferfigur aus Untersicht<br />

präsentiert, also in Differenz zu den beiden Deutungs-Regeln), entsteht eine<br />

Kollusion <strong>von</strong> Hinweisreizen, die als signifikative Komplex-Einheit<br />

ausgearbeitet werden muss. Die gleiche Leistung wird dem Rezipienten<br />

manchmal auch im Umgang mit <strong>der</strong> Filmmusik abverlangt: Wird ein<br />

Walzer, <strong>der</strong> gemeinhin »Festlichkeit«, »Bewegungslust«, ja sogar »Liebe«<br />

konnotiert, unmittelbar vor einem Freitod eingesetzt <strong>und</strong> signifiziert dann<br />

einen letzten Moment <strong>der</strong> Freiheit (wie im letzten Flug des Protagonisten<br />

am Ende <strong>von</strong> BERLINGER, BRD 1975, Alf Brustellin, Bernhard Sinkel),<br />

entsteht ein offener Bruch zwischen <strong>der</strong> Bedeutungssphäre des Walzers <strong>und</strong><br />

dem kontextuellen Wert <strong>der</strong> Szene, <strong>der</strong> nach Erklärung verlangt. Wird<br />

wie<strong>der</strong>um ein Walzer als subjektiv belegter Indikator für Freude gesetzt,<br />

dann aber <strong>von</strong> <strong>der</strong> fatalen Unglücklichkeit des Geschehens konterkariert<br />

(wie am Ende <strong>von</strong> LE SALAIR DE LA PEUR, LOHN DER ANGST,<br />

Frankreich/Italien 1953, Henri-Georges Clouzot, als <strong>der</strong> einzige<br />

Überlebende des Nitroglyzerin-Transports in Erwartung seiner Rückkehr<br />

nach Frankreich einen Walzer im Radio hört, mit dem Lastwagen den<br />

Walzertakt nachzuahmen sucht <strong>und</strong> dabei tödlich verunglückt), ist genau<br />

dieser Kontrast <strong>der</strong> Deutungssphären <strong>der</strong> Ausgangspunkt zur Formierung<br />

<strong>der</strong> Schluss-Emotion des ganzen Films.<br />

Wie schon gesagt: Nicht jede Rezeption nutzt im einzelnen alle<br />

Bedeutungsmöglichkeiten. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass die<br />

Intensität <strong>der</strong> Rezeption schwanken kann, son<strong>der</strong>n auch damit, dass manche<br />

<strong>der</strong> semiotischen, insbeson<strong>der</strong>e semantischen Potentiale des Films<br />

Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung, 9, 2013 // 234

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