15.10.2013 Aufrufe

Sound und Musik im Magazin-Beitrag. Glanz und Elend auf dem ...

Sound und Musik im Magazin-Beitrag. Glanz und Elend auf dem ...

Sound und Musik im Magazin-Beitrag. Glanz und Elend auf dem ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung, 4, 2010 / 121<br />

Rezeptionsverweigerung. Die Idee, l<strong>auf</strong>ende Texte mit l<strong>auf</strong>ender <strong>Musik</strong> zu verknüpfen, ist in der geistigen<br />

Tiefebene von Kneipenbetreibern angesiedelt, die <strong>dem</strong> kindlichen Glauben anhängen, unablässige<br />

Hintergr<strong>und</strong>musik steigere das Wohlbefinden der Gäste <strong>und</strong> den Bierkonsum. Wiederholtes „Ausschleichen“<br />

von Kneipenmusik führte jedoch stets dazu, dass die Absenz von <strong>Musik</strong> a) von nieman<strong>dem</strong> bemerkt, b) von<br />

nieman<strong>dem</strong> beklagt wurde <strong>und</strong> c) der Lautstärkepegel von Tischgesprächen sich absenkte, was – wörtlich<br />

bezeugt – zur Steigerung des Wohlbefindens der Gäste führte <strong>und</strong> damit vermutlich zur Steigerung des<br />

Umsatzes. Prost!<br />

Liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen in den Redaktionen, freizusprechen seid Ihr ein viertes Mal. Aber nur <strong>im</strong><br />

Falle eines zivilen Ungehorsams gegen oben erwähnte Schnapsideen. Es ist ganz einfach: wenn die <strong>Musik</strong><br />

spielt, darf man nicht reden. Und wenn einer redet, hat <strong>Musik</strong> zu schweigen.<br />

Die Sache mit <strong>dem</strong> verunglückten Transfer<br />

Langsam schleiche ich mein Thema an. Angenommen, man würde etwas genauer hinhören, während man <strong>im</strong><br />

Kino sitzt <strong>und</strong> sich gleichsam <strong>auf</strong>löst, um selbstvergessen in den Film hineinzuwandern, Teil zu werden von<br />

dessen Geschichte, teilzuhaben an den Schicksalen von anderen Menschen ganz <strong>im</strong> Sinne des aristotelischen<br />

‚eleos’ <strong>und</strong> ‚phobos’ (d.h. mitzuleiden mit den Figuren <strong>und</strong> zu fürchten, Ähnliches könne einem selbst<br />

passieren). Angenommen, man spitzte die Ohren <strong>und</strong> stellte – ausnahmsweise – dieses feine musikalische<br />

Zitat fest oder jenen brüchigen Klang in genau diesem szenischen Moment, wo einem das richtig erschiene<br />

<strong>und</strong> gut. Nehmen wir an, bei einer Szene, wo Menschen in Gefahr geraten ... verloren gehen ... sich<br />

fürchten ... finstere Gedanken hegen ... Sehnsüchte haben ... sich verlieben ... sich verlieren ... hadern <strong>und</strong><br />

trauern ... sich empören ... sich ergeben. Gesetzt, wir würden merken, dass bei derart elementaren Emotionen<br />

nun die <strong>Musik</strong> – gottlob die richtige <strong>im</strong> richtigen Augenblick – zu Hilfe eilt, um auszudrücken, was die<br />

Leinwandfigur weder gestisch noch sprachlich ausdrücken kann, weil uns Menschen die Sprache<br />

ausgerechnet dann versagt, wenn besonders viel zu sagen wäre. Plötzlich machen wir die Erfahrung, dass<br />

uns die <strong>Musik</strong> fühlen lässt, was uns die Bilder zu fühlen nahelegen – eine w<strong>und</strong>ervolle Erfahrung, einer der<br />

besten <strong>und</strong> stärksten Momente von Filmmusik.<br />

Bloß hat die Sache einen Haken ... abends sitzen wir <strong>im</strong> warmen Kino, mittags <strong>im</strong> kühlen Schneideraum; die<br />

Rede ist vom großen Film, nicht vom kleinen <strong>Magazin</strong>-<strong>Beitrag</strong>. Gemeint sind lodernde Passionen wie<br />

Betrug, Hoffnung, Liebe, Verzweiflung, Furcht, Wut oder Resignation – nicht solche albernen, trivialen<br />

<strong>Magazin</strong>-Geschichten von der Wahl einer Bürgermeisterin, von Renovierungen alter Mühlen oder von<br />

verwahrlosten Schulstuben. Was nicht gelingt <strong>und</strong> auch nicht gelingen kann, ist der Transfer von Einsichten,<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> Erlebnissen, die wir mit der <strong>Musik</strong> <strong>im</strong> Spielfilm machen, wenn wir sie denn machen.<br />

Anders gesagt: welche Hilfe bietet mir die Lektüre von Thomas Manns Der Zauberberg oder von Robert

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!