15.10.2013 Aufrufe

Sound und Musik im Magazin-Beitrag. Glanz und Elend auf dem ...

Sound und Musik im Magazin-Beitrag. Glanz und Elend auf dem ...

Sound und Musik im Magazin-Beitrag. Glanz und Elend auf dem ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung, 4, 2010 / 153<br />

ist in diesen wenigen Tönen sozusagen ‚verschlüsselt’, <strong>dem</strong>entsprechend präzise sind die innerlich erlebten<br />

Bildeindrücke.<br />

Um das Rätsel <strong>auf</strong>zulösen: entnommen ist das musikalische Beispiel mit <strong>dem</strong> Titel Doe Eye <strong>dem</strong> poetischen<br />

Liebesdrama THE BRIDGES OF MADISON COUNTY (DIE BRÜCKEN AM FLUSS, USA 1995) von Clint Eastwood.<br />

Francesca, schlichte Farmersfrau aus Iowa, steht am geöffneten Fenster (!), ihr Blick macht sich an <strong>dem</strong><br />

fremden Fotografen fest, der sich <strong>im</strong> Hof wäscht (Wassertropfen), in ihr regen sich Gefühle der Hoffnung,<br />

aber auch des Zweifels ... eine Frau in jenem kurzen Moment, wo das Herz sich noch nicht sicher ist, ob es<br />

sich verlieben will oder sich nicht verlieben darf. Die häusliche Umgebung ist altmodisch, <strong>und</strong> kurz vorher<br />

hatte Francesca <strong>dem</strong> durchreisenden Robert erzählt, nicht alle Träume ihrer Kindheit seien wahr geworden.<br />

Kurz: Inhalt <strong>und</strong> St<strong>im</strong>mung der Filmbilder passen nahtlos mit Inhalt <strong>und</strong> St<strong>im</strong>mung der musikalisch<br />

evozierten Bilder <strong>auf</strong>einander. <strong>Musik</strong> wird in diesen geglückten, d.h. leider sehr seltenen Augenblicken als<br />

derart richtig empf<strong>und</strong>en, dass man sie deswegen nur unterbewusst wahrn<strong>im</strong>mt. Es ist wie in der Mode oder<br />

be<strong>im</strong> Kochen: die passenden Zutaten sind oft un<strong>auf</strong>fällig.<br />

Freie Hörprotokolle lassen sich an je<strong>dem</strong> beliebigen Ort, zu jeder beliebigen Zeit <strong>und</strong> mit x-beliebigen<br />

Mitspielern durchführen. Wer es also genau nehmen möchte mit der <strong>Musik</strong>, muss die Genauigkeit der<br />

Passform von visueller <strong>und</strong> musikalischer Bildlichkeit <strong>auf</strong> den Prüfstand schicken. Ein freies Hörprotokoll<br />

ist schnell mal durchgeführt mit ein paar Kollegen zum Beispiel oder mit Fre<strong>und</strong>en. Stellt sich dabei heraus,<br />

dass die musikalisch generierte Bild<strong>im</strong>pression nicht deckungsgleich ist mit <strong>dem</strong> Bildeindruck der<br />

Filmszene, kommt diese <strong>Musik</strong> nicht in Frage, sie wird unweigerlich falsch sein. Gleichermaßen wichtig ist<br />

der Umkehrschluss: erst dann sollte man zum <strong>Musik</strong>berater gehen, wenn die Filmsequenz einem freien<br />

Sichtprotokoll unterzogen wurde; aus den <strong>auf</strong> diese Weise gewonnenen Eindrücken entsteht eine Stichwort-<br />

Liste, <strong>auf</strong> die sich der <strong>Musik</strong>berater einen ersten Re<strong>im</strong> machen kann hinsichtlich der gewünschten<br />

Gr<strong>und</strong>st<strong>im</strong>mung oder <strong>Musik</strong>farbe oder des adäquaten musikalischen Gestus.<br />

Der geneigte Leser schüttelt jetzt vielleicht den Kopf ... so viel Aufwand für so wenig Effekt? Richtig. Das<br />

wäre dann ein Argument mehr für die Einsicht, die Finger von der <strong>Musik</strong> zu lassen <strong>und</strong> größere<br />

Aufmerksamkeit der starken Leistungsfähigkeit von Atmos zu widmen. Tröstlich, wenngleich beklagenswert,<br />

mag noch der Hinweis dar<strong>auf</strong> sein, dass selbst die Profis der kommerziellen Filmmusik-Branche solchen<br />

Aufwand nicht treiben, ansonsten würden sie nicht mit unschöner Regelmäßigkeit unpassende <strong>Musik</strong> in<br />

unpassenden Momenten über die Filme kleckern.<br />

Zwar hatte Jack Warner einst dekretiert: „Filme sind Märchen, <strong>und</strong> Märchen brauchen <strong>Musik</strong>“, aber mit<br />

Märchenerzählungen hat ein Großteil heutiger Filme eher wenig zu tun. Und der 2’45“-<strong>Magazin</strong>-<strong>Beitrag</strong> am<br />

Dienstagnachmittag? Ehrlich ... der doch schon mal gar nicht. Oder?

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!