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Magazin: das biber - November 2013

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50 ÖKO-SPEZIAL<br />

Ich habe Schwierigkeiten, Bernhards 1x1 des<br />

Windrades zu folgen, zu groß ist die Angst vor<br />

dem bevorstehenden Aufstieg. Mein Körper<br />

geht schon in Abwehrhaltung, die Handäche<br />

wird so feucht, <strong>das</strong>s mir der Kugelschreiber aus<br />

der Hand iegt.<br />

STADTSCHEU<br />

Wir nehmen die Autobahnausfahrt und fahren<br />

auf einem Feldweg weiter. Ein letztes Mal quält<br />

sich der alte BMW über Stein und Geröll, bis<br />

er vor dem Propellergiganten halt macht. Aus<br />

der Entfernung sehen Windräder wie winzige<br />

Büroventilatoren aus, dieser Eindruck legt sich<br />

aber schnell. Bernhard und sein Partner Ely<br />

Moubueya arbeiten für <strong>das</strong> Energieunternehmen<br />

„Ökostrom“. Die Firma betreibt 16 Windräder,<br />

darunter die einzige Anlage in Wien, am<br />

Hafen Freudenau. Warum die Stadt nicht von<br />

Windrädern übersät ist, liegt am erzeugten<br />

Lärm und den strengen Sicherheitsauagen:<br />

„Im Winter bilden sich Eisplatten auf den Rotorächen,<br />

die beim Schmelzen zu tödlichen<br />

Geschossen werden können“, so Bernhard.<br />

Ich sehe mich schon als tollkühnen Reporter,<br />

der trotz Höhenangst da raulettern will, um<br />

dann von einem Eiszapfen erschlagen zu werden.<br />

Zum Glück ist nicht Winter.<br />

ANGSTSCHWEISS UND ROTORENLÄRM<br />

Einmal wöchentlich inspizieren Bernhard und<br />

Ely die Windradanlagen. „Gewöhnlich sind es<br />

zwei Anlagen, maximal fünf “, grenzt Bernhard<br />

sein Arbeitspensum ein, während er mir mit<br />

dem Anlegen des Sicherheitsgurtes hil. Die<br />

Gesundheit der Windtechniker hat oberste<br />

Priorität, ein falscher Schritt kann den Tod bedeuten.<br />

Deswegen ist es auch verboten, alleine<br />

auf den Turm zu klettern – ähnlich wie beim<br />

„Buddy“-System im Tauchen. Noch Handschuhe<br />

überziehen, kurze Einschulung und<br />

los geht’s! Ely schwingt sich als Erster auf die<br />

Leiter. Er ist schnell auf den Beinen und macht<br />

mühelos Höhenmeter gut. Ich versuche mich<br />

gar nicht stressen zu lassen, merke aber, <strong>das</strong>s<br />

selbst mein Fotograf hinter mir ungeduldig<br />

wird. Marko, du Verräter, dabei dachte ich,<br />

du hast auch Höhenangst! Ich lasse ihn vorbeiziehen.<br />

Hinter mir ist nur mehr Bernhard,<br />

der mich wie ein Fels in der Brandung mit Gesprächen<br />

ablenkt und mir auch jederzeit den<br />

Abstieg anbietet. „Du musst dich wohlfühlen,<br />

ich möchte dich nicht wie einen Bekannten<br />

runterholen müssen, der vom Festkrallen an<br />

der Leiter einen Abdruck auf den Händen hatte.“<br />

In diesem Moment erfasst mich der Angstschweiß.<br />

Wir legen nach der zweiten Luke eine<br />

Pause ein. Plötzlich wird es ganz laut. Bernhards<br />

Augen fangen an zu funkeln: „Hörst du<br />

<strong>das</strong>?“, fragt er mich. „Das sind die Rotoren,<br />

„Beim ersten Aufstieg hatte ich Todesangst, jetzt kann ich mir nichts Besseres vorstellen.“<br />

Ely, 29, Windradtechniker.<br />

WINDENERGIE –<br />

MEHR ALS EIN LAUES LÜFTCHEN?<br />

Windenergie deckt 6% des Strombedarfs österreichweit.<br />

Rund 65.000 Windräder gibt es europaweit, 772 in Österreich<br />

(Quelle: IG Windkraft).<br />

Eine moderne Windkraftanlage mit drei Megawatt Leistung erzeugt<br />

pro Jahr Strom für den Verbrauch von mehr als 1.800 Haushalten<br />

oder 5.700 Personen, diese entspricht der Größe von Melk, NÖ.<br />

Mehr als eine Million Haushalte beziehen Windenergie (30% der<br />

österreichischen Haushalte).<br />

Die Anschaffung eines Windrades kostet rund zwei Millionen Euro.<br />

die Anlage wurde gerade hochgefahren.“ Na<br />

toll. Zur Höhenangst kommt jetzt auch noch<br />

die Seekrankheit. Der ganze Turm wackelt wie<br />

ein angeschlagener Boxer, <strong>das</strong> Ganze hat etwas<br />

von Ridley Scott‘s „Alien“ – Stahl, Platzangst,<br />

Lärm. Zum Glück sind wir gleich ganz oben,<br />

in der Gondel.<br />

ÜBER DEN FELDERN<br />

Im Herzstück der Anlage steht ein riesiger<br />

Generator, der die durch Wind gewonnene<br />

Energie ins Stromnetz einspeist. Dahinter<br />

<strong>das</strong> Getriebe, rechts davon ein Computer mit<br />

Anzeigen zur Windgeschwindigkeit gewonnener<br />

Energie und anderen Parametern, die<br />

nur Fachmännern etwas sagen düren (Nein,<br />

ich bin keiner). In der Gondel ist jeder Schritt<br />

gut überlegt und ich bin froh, als Ely die Luke<br />

zur Freiheit aufmacht. Es wird endlich wieder<br />

hell. Die gigantischen Rotorblätter rauschen<br />

knapp an meinem bosnischen Riesenschädel<br />

vorbei. Der Ausblick aus 86 Metern Höhe ist<br />

überwältigend. Sowohl Bratislava als auch der<br />

Neusiedlersee verzieren <strong>das</strong> Panoramabild.<br />

Am Horizont rotieren schier unzählige andere<br />

Windanlagen um die Wette, <strong>das</strong> hat etwas

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