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P.b.b., Verlagspostamt 1070, Vetragsnummer 09Z038106 M<br />
www.<strong>das</strong><strong>biber</strong>.at<br />
<strong>Magazin</strong> für neue Österreicher<br />
mit scharf<br />
AUSTRO<br />
JIHAD<br />
OKTOBER<br />
<strong>2013</strong><br />
kost soviel<br />
du willst<br />
WIE EXTREMISTEN JUNGE ÖSTERREICHER<br />
FÜR DEN KAMPF IN SYRIEN REKRUTIEREN
Ich vertraue meinem<br />
Nahversorger.<br />
Gewählt zur vertrauenswürdigsten Versicherung Österreichs.<br />
Unsere KundInnen<br />
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MitarbeiterInnen<br />
17 Sprachen sprechen.<br />
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OELSNER,STEFAN / Action Press / picturedesk.com<br />
3 MIN MIT<br />
CHARLES M. HUBER<br />
„ICH WAR<br />
EIN HIPPIE“<br />
Erst Zahntechniker, dann Schauspieler, jetzt Politiker.<br />
In den 80ern spielte Charles M. Huber den Kommissar-<br />
Assistenten in der deutschen Kult-Krimiserie „Der Alte“.<br />
Jetzt sitzt der stolze Bayer im deutschen Bundestag. Der<br />
CDU-Abgeordnete pflegt zur Kanzlerin eine gute Beziehung,<br />
erzählt er <strong>biber</strong>.<br />
Von Delna Antia<br />
3‘<br />
Herzlichen Glückwunsch, Sie machen jetzt Politik<br />
in Berlin! Wissen Sie schon, neben wem Sie im<br />
Bundestag sitzen werden?<br />
Das kann man sich nicht aussuchen! (lacht) Aber<br />
die erste Reihe ist wohl vom vorigen Kabinett besetzt.<br />
Sie bezeichnen sich selbst als Afrodeutschen. Warum<br />
nicht nur Deutschen, Sie sind ja in München<br />
geboren und in Bayern aufgewachsen?<br />
„Afrodeutscher“ ist die soziologische Bezeichnung.<br />
Aus meiner Perspektive bin ich regulärer<br />
Deutscher. Überhaupt, ich bin für die Abschaffung<br />
dieser Begrie. Auch die Bezeichnung „Migrant“<br />
ist im Grunde der Integration abträglich<br />
und man grenzt die Leute damit nur aus.<br />
Sie haben in Ihrer Autobiographie „Ein Niederbayer<br />
im Senegal“ beschrieben, wie es war, als<br />
Schwarzer im tiefsten Bayern der 50er, 60er Jahre<br />
aufzuwachsen. Welche Rolle spielt Ihre Hautfarbe<br />
in der Politik?<br />
Keine! Ich habe in meinem Wahlkampf kein<br />
Wort über Hautfarbe gehört. Ich bin der Huber<br />
und werde immer als der Bayer in Hessen<br />
wahrgenommen. Daran merkt man, <strong>das</strong>s sich<br />
Deutschland verändert.<br />
Ihre politische Lauahn ist abwechslungsreich.<br />
Erklären Sie die Reihenfolge: SPD, CSU, CDU?<br />
In der SPD war ich nie aktiv, ich war ihr nur zugewandt,<br />
weil ich dort als Berater tätig war. Die<br />
CSU, nun ja, ich war in Bayern daheim. Aber mit<br />
56 wollte ich nicht warten, bis ich eine 6 vorm<br />
Alter stehen habe. Zur Kanzlerin hatte ich schon<br />
vorher eine gute Beziehung und als man mich<br />
2012 fragte, ob ich für die CDU Darmstadt kandidieren<br />
wollte, sagte ich ja.<br />
Sie haben sich schon in jungen Jahren politisch<br />
engagiert. Warum?<br />
Ich bin ein Kind der 60er, 70er Jahre. Politisches<br />
Bewusstsein entsprach damals dem Zeitgeist. Ich<br />
war ein Hippie und wollte die Welt verändern.<br />
Als ausgebildeter Zahntechniker: Wer im deutschen<br />
Bundestag hat besonders schöne Zähne?<br />
(lacht) Da fällt mir keiner ein! Obwohl, im Hessischen<br />
Landtag gibt es eine Dame – aber die<br />
sieht insgesamt gut aus.<br />
Wer ist er:<br />
Name: Karl-Heinz Huber (Künstlername<br />
Charles Muhamed Huber)<br />
Beruf: Deutscher Politiker (CDU)<br />
Alter: 56<br />
Geburtsort: München<br />
Wurzeln: Sohn eines senegalesischen<br />
Diplomaten und einer deutschen Hausangestellten<br />
Besonderes: In Wien isst er am liebsten<br />
Käsekrainer.
4<br />
08<br />
32<br />
ALTERNATIVE MUCKE<br />
E-Gitarre vermischt mit Jazz und Reggae statt Turbofolk: Die<br />
Ex-Yu-Band S.A.R.S. setzt auf Frieden und Liebe statt auf<br />
Plastikbrüste und Beats aus der Konserve.<br />
ALTE TATTOOS<br />
Auf der Haut alter Omis gibt es in Bosnien einiges zu entdecken.<br />
Die katholischen Frauen wurden als Kinder mit religiösen Symbolen<br />
tätowiert. Zum Schutz vor den Osmanen.<br />
14<br />
26<br />
AUSTRO JIHAD<br />
Unbemerkt werden junge Österreicher für den Kampf gegen<br />
Bashar al-Assad rekrutiert. Radikale Gruppen in Österreich suchen<br />
systematisch Zuwachs für den Kampf in Syrien.<br />
BROKKOLI UND ZIEGENMILCH<br />
Artur mag nur grünes Gemüse, Emanuel ist heiß auf Süßkartoffeln<br />
und Didi trinkt nur Ziegenmilch. Ein neuer Trend grei um<br />
sich: Junge Männer machen Diät.
AM WIND GEDREHT<br />
Nix für Luschen: Eli und Bernhard sind Meister der drehenden<br />
Winde in schwindelerregender Höhe. Sie nehmen<br />
uns mit auf ihr Arbeitsgerät, super Ausblick inklusive.<br />
48 KAYA SCHLECHT DRAUF<br />
Nicht so gut gelaunt wie er aussieht: Der Spaßvogel Kaya<br />
Yanar ndet seine Inspiration bei älteren Menschen auf<br />
Kreuzfahrten und meint: Er muss öers nach Wien.<br />
67<br />
INHALT<br />
03 3 Minuten mit dem „Assi vom Alten“:<br />
Charles M. Huber<br />
12 Ivanas Welt: Das blaue Wunder<br />
POLITIKA<br />
14 „Talentscouts“ suchen im Flex, in Wettlokalen,<br />
Moscheen und auf der Straße nach Kämpfern<br />
für Syrien. Wie Extremisten junge Österreicher<br />
rekrutieren.<br />
20 „Wo bleiben die Jugos?“, fragt sich Redakteurin<br />
Alexandra Stanić. Während – ić-Namen den Fußball<br />
und die <strong>biber</strong>-Redaktion bereichern, fehlen sie in der<br />
heimischen Politik gänzlich.<br />
22 1.000.000 € Idee fand Stronach: Ein Oberösterreicher<br />
hat plötzlich viel Geld und viele Freunde, deren<br />
Nachnamen er nicht kennt.<br />
RAMBAZAMBA<br />
26 Sie essen lieber grünes Gemüse und Süßkartoffeln<br />
statt Omas Schnitzel mit Pommes. Die Diät-Männer<br />
krempeln ihren Ernährungsplan um und schockieren<br />
die Frauenwelt.<br />
32 Katholische Omis mit Tattoos aus Muttermilch, Ruß,<br />
Spucke und Tinte? Nein, keine glühende Fantasie –<br />
alles echt, mitten in Bosnien. Ein Brauch zum Schutz<br />
gegen die Osmanen.<br />
40 Farsi, Tagalog, Ungarisch oder Deutsch: Auf den<br />
Spielplätzen Wiens lässt sich jeden Tag die biblische<br />
Sage von Babel beobachten. Bilinguale Erziehung im<br />
Realitätscheck.<br />
ÖKO-SPECIAL<br />
48 Mörderischer Selbsttest: Redakteur Amar wagt sich<br />
in fast 100 Meter Höhe und besucht dort Ely und<br />
Bernhard bei ihrer Arbeit als Windrad-Techniker.<br />
52 Lohnender Selbstversuch: Vintage ist nicht nur<br />
„in“, sondern auch günstig und ökologisch. Die<br />
Redakteurinnen Melissa und Asmaa testeten die<br />
besten Tausch-Plattformen im Internet.<br />
KOLUMNE<br />
78 Die Leiden des jungen Todor: „Oooommm, ich spüre<br />
meine linke Zehe.“<br />
CoverIllustration: Dieter Auracher<br />
Fotos: AFP/Getty Images, Susanne Einzenberger, Marko Mestrović, Igor Miljković<br />
5
6 EDITORIAL<br />
MANN MANN MANN<br />
Ist er nicht schnucke? Das ist<br />
Adam, unser neuester Redaktionszuwachs.<br />
Wir sind ganz<br />
hingerissen von dem schicken<br />
Feger! (Das Auto in der Mitte,<br />
der Opel Adam, ist gemeint –<br />
nicht der Kerl an der Fahrerseite.<br />
Der heißt auch Adam<br />
und ist natürlich auch schnucke.)<br />
Wir haben aber nicht<br />
nur Adams im He , sondern<br />
richtige Adonisse. Die Diät-<br />
Männer sind so schön, weil<br />
ihr Hobby Rohkost und Kalorienzählen<br />
ist.<br />
Neben dem jungen Gemüse wartet eine Bombenstory auf euch: Unser Chefe<br />
hat höchstpersönlich eine Aufdecker-Geschichte gemacht. Junge Österreicher<br />
werden von radikalen Gruppen für den Jihad in Syrien rekrutiert.<br />
Auf der Parndorfer Platte war unser Vize-Chef zugegen. Dort kroch er todesmutig<br />
auf ein 90 Meter großes Windrad, um herauszu nden: „Wie tickt<br />
so ein Ding?“<br />
Um dieses „Männer-He “ komplett zu machen, geht es natürlich auch noch<br />
um Frauen, Tattoos und Drogen. In Bosnien entdeckte Redakteurin Alexandra<br />
Stanic bei alten Omis religiöse Symbole auf Händen und Armen. Im<br />
Fakebook postet Walter „Heisenberg“ White aus der Serie „Breaking Bad“<br />
seine Kochtipps.<br />
Haut’s rein und viel Spaß beim Lesen!<br />
Die <strong>biber</strong>-Redaktion<br />
Marko Mestrović<br />
IMPRESSUM<br />
MEDIENINHABER:<br />
Biber Verlagsgesellscha mbH, Quartier 21,<br />
Museumsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien<br />
HERAUSGEBER & CHEFREDAKTEUR:<br />
Simon Kravagna<br />
STV. CHEFREDAKTEUR:<br />
Amar Rajković<br />
ONLINE:<br />
Teoman Ti ik<br />
CHEFICA VOM DIENST:<br />
Delna Antia<br />
REPORTERIN:<br />
Marina Delcheva<br />
AKADEMIELEITUNG:<br />
Marina Delcheva<br />
KOLUMNIST/INNEN:<br />
Ivana Martinović, Todor Ovtcharov<br />
FOTOCHEF:<br />
Marko Mestrović<br />
MARKETING & ÖFFENTLICHKEITSARBEIT:<br />
Irina Obushtarova<br />
REDAKTION & FOTOGRAFIE:<br />
Sarah Al-Hashimi, Melisa Aljović, Kardelen<br />
Ari, Stephanie de la Barra, Lucia Bartl,<br />
Muhamed Beganović, Adam Bezeczky, Milena<br />
Borovska, Ayper Cetin, Amélie Chapalain,<br />
Maida Dedagić, Amra Ducić, Ali Cem Deniz,<br />
Nana Egger, Susanne Einzenberger, Armand<br />
Feka, omas Frank, Matthias Fuchs, Menerva<br />
Hammad, Tina Herzl, Markus Hollo, Mahir<br />
Jamal, Anna Koisser, Fabian Kretschmer,<br />
Reinhard Lang, Lyudmila Gyurova, Sophie<br />
Kirchner, Andreas Marinović, Maria Matthies,<br />
Marko Mestrović, Ivana Martinović, Jeta<br />
Muarami, Momčilo Nikolić, Marie-Noel Ntwa,<br />
Elsa Okazaki, Aurora Orso, Anastasia Osipova,<br />
Todor Ovtcharov, Jelena Pantic, Michele Pauty,<br />
Senad Pintol, Magdalena Possert, Marian<br />
Smetana, Vanessa Spanbauer, Daniel Spreitzer,<br />
Alexandra Stanić, Julia Svinka, Reka Tercza,<br />
Teoman Ti ik, Bahar Tugrul, Aleksandra<br />
Tulej, Filiz Türkmen, Magdalena Vachova,<br />
René Wallentin, Artur Zolkiewicz<br />
ART DIRECTOR: Dieter Auracher<br />
LAYOUT: Dieter Auracher, Viktoria Platzer<br />
LEKTORAT: Eldina Slipac<br />
ANZEIGEN: Bernhard Friedrich,<br />
Irina Obushtarova<br />
BUSINESS DEVELOPMENT: Andreas Wiesmüller<br />
GESCHÄFTSFÜHRUNG:<br />
Wilfried Wiesinger, Simon Kravagna,<br />
Bernhard Friedrich.<br />
KONTAKT: <strong>biber</strong> Verlagsgesellscha mbH<br />
Quartier 21, Museumsplatz 1, E-1.4,<br />
1070 Wien<br />
Tel: +43/1/ 9577528<br />
redaktion@<strong>das</strong><strong>biber</strong>.at<br />
marketing@<strong>das</strong><strong>biber</strong>.at<br />
INTERNET: www.<strong>das</strong><strong>biber</strong>.at<br />
AUFLAGE: 65.000 Stück
MIT SCHARF<br />
7 MAL HOCHSPANNUNG MADE IN AUSTRIA<br />
ab DI 1. OKT 21:05<br />
7
8 FACES OF THE MONTH<br />
Igor Miljkovic<br />
FACES OF THE MONTH<br />
SATRIANIS AMPUTIERTER ARM<br />
AUF IHREN KONZERTEN BEKOMMST DU GARANTIERT KEINEN TURBO-FOLK ZU HÖREN. DAS<br />
MUSIKSPEKTRUM DER SERBISCHEN ALTERNATIVE-BAND S.A.R.S. PENDELT IRGENDWO<br />
ZWISCHEN KARIBIK, NEW ORLEANS UND BELGRAD. Von Alexandra Stanic
Im <strong>November</strong> kommt die serbische<br />
Rock-Band S.A.R.S. nach Wien (Konzerttermin<br />
steht noch nicht fest) und<br />
stellt ihr neues Album „kuća čast“ vor.<br />
Statt auf Turbo-Folk setzt die Kombo<br />
auf E-Gitarre, Jazz, Reggae und den<br />
einen oder anderen Balkan-Klang. Mit<br />
vollem Namen heißt die Band „Sveže<br />
Amputirana Ruka Satrijanija“ – zu<br />
Deutsch: „Der frisch amputierte Arm<br />
von Satriani“. Der US-Gitarrist Joe<br />
Satriani ist nämlich <strong>das</strong> größte Idol<br />
des S.A.R.S. Gitarristen Aleksandar<br />
Luković. Die rockenden Serben sind<br />
schon im März 2012 im Wiener Ostklub<br />
aufgetreten. „Die Häle der Besucher<br />
waren Österreicher und die sind<br />
fast mehr abgegangen als die Jugos,<br />
FACE OF THE MONTH<br />
die unsere Texte auch verstehen. Da<br />
war ein älterer Österreicher mit Glatze,<br />
der mir in Erinnerung geblieben<br />
ist. Nach dem Konzert hat er mir die<br />
Hand geschüttelt und war ganz begeistert<br />
von uns – dabei hat er ja kein Wort<br />
von dem, was wir vermitteln wollen,<br />
verstanden“, erzählt, der Lead-Sänger<br />
Žarko Kovačević von S.A.R.S.<br />
Kein Grund, traurig zu sein - Die serbischen Alternative-Rocker SARS kommen im <strong>November</strong> nach Wien.<br />
9
10 FOTO DES MONATS<br />
HASHTAG #MITSCHARF<br />
Hast du <strong>biber</strong> schon auf Instagram geaddet, auf<br />
facebook geliked und folgst du uns auf twitter?<br />
Nein?<br />
Dann aber hajde hajde...<br />
FOTO von DamirDz<br />
Ab kommender Ausgabe drucken wir <strong>das</strong><br />
Instagram Foto des Monats ab!<br />
Wie du uns deine coolen Bildern schickst?<br />
Du musst uns einfach taggen!<br />
Jeden Monat suchen wir die besten<br />
Fotos mit dem Hashtag #mitscharf und<br />
veröffentlichen sie.<br />
Folgt uns<br />
≥ auf Instagram: <strong>biber</strong>_mitscharf<br />
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Verbrauch gesamt in l / 100 km: 5,0 – 5,5; CO 2 -Emission in g / km: 118 –130<br />
MIT SCHARF<br />
11
12 MIT SCHARF<br />
IVANAS<br />
WELT<br />
Foto: Igor Minić<br />
Von Ivana Martinović<br />
In Ivanas WELT berichtet<br />
<strong>biber</strong>-Redakteurin<br />
Ivana Martinović<br />
über ihr daily life.<br />
DER BLAUE SACK<br />
Das ist die Geschichte dreier Frauen nach einer Pyjama-Party und was passiert,<br />
wenn ein Fremder dir einen blauen Sack vor die Haustür legt.<br />
Unsere schlechteren Hälften waren gemeinsam verreist. Drei Schwägerinnen<br />
ergriffen die Gelegenheit für eine Pyjama-Party. Am Morgen danach hieß es: Raus<br />
aus dem Haus, frische Kipferl holen. Und da stand er, vor der Haustüre meiner<br />
Schwägerin: ein riesiger, blauer Sack. Eigentlich wäre die erste Reaktion, nachzuschauen,<br />
aber keine traute sich. Warum gerade ihre Haustür und haben sie sich im<br />
Haus „Feinde“ gemacht? Schwarzer Humor überkam mich. „Vielleicht ist es eine<br />
Bombe, oder traut ihr euch etwa, an öffentlichen Plätzen herumliegende Sackerl<br />
zu durchwühlen?“ Der war nicht lustig, ich weiß, sagte auch Schwägerin M. und<br />
fügte hinzu: „Kein Schwein kennt uns, so wichtig sind wir nicht für ein Bombe,<br />
aber es ist sicher etwas Grausiges!“ Ihre Worte ließen uns zu noch feigeren Säuen<br />
werden, als wir eh schon so beschämt da standen. „Wer traut sich?“<br />
TAUBE ODER MEERSCHWEINCHEN?<br />
M. riskierte einen Blick und schreckte zurück: „Wääh, ich sehe lange Haare!“ Ach<br />
du Scheiße! Mir schossen hunderte Gedanken durch den Kopf. Jetzt machten wir<br />
uns noch mehr in die Hose. Wir leben in einer kranken Welt und ein abgetrennter<br />
Kopf von irgendetwas oder irgendwem war auch Teil der Gedankenblitze, wie ich<br />
zugeben muss. Und dann bewegte sich <strong>das</strong> Ding im Sack! Wir schreckten zurück,<br />
kreischten durch die Gegend.<br />
„Es ist sicher ein Tier“, sagte Schwägerin A. „Aber fasst es nicht an, es ist wahrscheinlich<br />
verletzt oder krank.“ Unser nächster Plan – die Tierrettung anrufen. Was<br />
es ist, fragten sie. Tja, so genau wussten wir <strong>das</strong> noch nicht. „Ihr müsst schon<br />
nachschauen. Wegen einer toten Taube, mit der sich irgendwer einen Scherz erlaubt<br />
, kommen wir nicht“, war die Antwort. Ok, da blieb uns nichts anderes übrig.<br />
A. holte Gummihandschuhe und einen Besenstock, um irgendwie einen Blick in<br />
den Sack zu erhaschen. Nur standen wir wie versteinert davor und keine traute<br />
sich. Nun hieß es bei den Nachbarn durchzuklingeln und zu sehen, ob sich irgendein<br />
Mutiger nden lässt. Fehlanzeige! Trotz Geräusche hinter ein paar Haustüren,<br />
ließ sich keiner blicken. Das ist Wien!<br />
SYRISCHER KATASTROPHENEINSATZ<br />
Nächster Schritt, Polizeinotruf. „Na, wos is es denn?“, fragte der Polizist. Das<br />
wissen wir nicht, guter Mann. Irgendwas Großes, mit langen Haaren. „Na, reinschauen<br />
müsst ihr schon, wenn’s ka Schlange is, brauch’ma ned kumman. Sonst<br />
könn’ma euch net helfen.“<br />
Auch die Polizei wollte nicht anrücken. Nächster Plan: Wir rufen wieder die Tierrettung<br />
an und behaupten, <strong>das</strong> Tier lebe noch und es sei ein Meerschweinchen, wie<br />
M. spekulierte. Sie verwiesen uns aufs Veterinäramt. Wir riefen an, es war Samstag<br />
und schon halb drei. Sie versprachen, jemanden zu schicken, taten es aber nicht,<br />
weil um drei <strong>das</strong> Veterinäramt schließt. Eh klar.<br />
„Wir rufen Cousin M. an!“, schlug ich vor. „Der war in Syrien, hat schon alles<br />
gesehen und scheißt sich sicher nicht an.“ Und er kam. Unser Syrien-Soldat, der<br />
gerade abgerückt war, ließ seinen Kaffee im San Marco stehen und kam als Retter<br />
in der Not. Dabei rettete er nicht nur uns, sondern auch die zwei süßen Meerschweinchen,<br />
die weder verletzt noch grausig anzusehen waren. Nach konkreten<br />
Angaben kam danach auch die Tierrettung und holte sie ab. Und Cousin M. sagte:<br />
„Erzählt <strong>das</strong> niemandem weiter, ist ja peinlich!“ Ja, klar, lieber Cousin.<br />
P.S.: Was sind <strong>das</strong> für Trottel, die sich Tiere anschaffen und dann vor fremden<br />
Haustüren aussetzen? Dafür gibt’s die Tierrettung und <strong>das</strong> Tierschutzhaus, ihr<br />
Wappler!
Foto von Marko Mestrović<br />
„WIR SIND ÜBERINTEGRIERT.“<br />
POLITIKA<br />
13
14<br />
AFP/Getty Images<br />
POLITIKA<br />
AUSTRO<br />
JIHADISTEN
Rund 50 Österreicher kämpfen in<br />
Syrien gegen <strong>das</strong> Regime von Baschar<br />
al-Assad. Bald könnten es mehr sein.<br />
Extremistische Gruppen rekrutieren im<br />
Untergrund systematisch Nachwuchs<br />
für den Jihad. Die Behörden haben fünf<br />
Wiener Moscheen im Visier, die Justiz<br />
ermittelt in den ersten Fällen gegen<br />
österreichische Staatsbürger.<br />
Der Verdacht: Mitgliedschaft in einer<br />
terroristischen Organisation.<br />
Von Simon Kravagna<br />
POLITIKA<br />
15
16 POLITIKA<br />
Rebellen der Al-Nusra-Front: Der Al-Kaida-Ableger gewinnt im syrischen Bürgerkrieg an militärischer Bedeutung<br />
FRÜH MORGENS GING DER JUNGE WIENER wie jeden Tag zur<br />
Arbeit. Am Abend kam er nicht mehr nach Hause. Seitdem ist der Lehrling<br />
weg. Das war irgendwann im Juni. Nur wenige Wochen vor seiner<br />
Gesellenprüfung. Die hat der 20-Jährige sausen lassen – für den Jihad in<br />
Syrien. Da war sich die Familie damals sicher.<br />
Bereits seit Monaten war Achmed (Anm.: Name von der Redaktion<br />
geändert) immer seltsamer geworden, oder besser gesagt: immer fundamentalistischer,<br />
immer radikaler. Erst hatte sich Achmed den Bart lang<br />
wachsen lassen. Dann schimpe er die ohnehin muslimische Familie<br />
als „gottlos“. Fast täglich gab es Streit zu Hause, über <strong>das</strong> richtige Leben,<br />
die richtige Kleidung und warum man als wahrer Moslem nicht in Wien<br />
sitzen, sondern in Syrien kämpfen sollte.<br />
GELÄCHTER AUF DEM REVIER<br />
Als die Familie Tage nach dem Verschwinden von Achmed zur Polizei<br />
ging, gab es Gelächter auf dem Revier. „Warum sollte ein 20-jähriger<br />
Österreicher freiwillig nach Syrien gehen?“, fragte der diensthabende<br />
Inspektor ungläubig. Heute läu bei der Staatsanwaltscha Wien ein<br />
Ermittlungsverfahren gegen den Lehrling, auf Basis des § 278b des<br />
Strafgesetzbuches: Verdacht auf Mitgliedscha in einer terroristischen<br />
Organisation. Strafrahmen: ein bis zehn Jahre Ha. Mehr will die Sprecherin<br />
der Staatsanwaltscha nicht sagen: „Einzelne Ermittlungsschritte<br />
werden nicht kommuniziert.“<br />
RÜCKKEHRER AUS SYRIEN<br />
Laut <strong>biber</strong>-Recherchen laufen in Wien und in den Bundesländern zumindest<br />
neun Verfahren gegen Österreicher, die mit militanten Gruppen<br />
in engem Kontakt stehen, oder bereits wieder aus Syrien zurück<br />
sind. Wie etwa Omar. Auch sein Name wurde für diesen Artikel ge-<br />
ändert. Für den Österreicher türkischer Herkun endete sein erster<br />
Einsatz als Jihad-Kämpfer bereits nach wenigen Stunden beinahe tödlich.<br />
Der PKW, mit dem er in ein Camp der islamistischen Rebellen<br />
gebracht werden sollte, kam unmittelbar nach der türkisch-syrischen<br />
Grenze unter Beschuss. Omar überlebte den Angri – schwer verletzt.<br />
Nach Monaten der Genesung in einem türkischen Spital, kehrte Omar<br />
vor wenigen Wochen nach Wien zurück. Jetzt lebt er wieder mit seiner<br />
Familie im 20. Bezirk und hat angeblich nach wie vor Kontakt zur radikalen<br />
Jihad-Szene.<br />
ISLAMISTISCHE „TALENTSCOUTS“<br />
Erst Anfang September hatte der Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz<br />
und Terrorismusbekämpfung (BVT), Peter Gridling,<br />
Alarm geschlagen. Rund 50 in Österreich beheimatete Personen seien<br />
derzeit im syrischen Bürgerkrieg im Kampfeinsatz. Noch nie sei die Bereitscha<br />
von österreichischen Staatsbürgern so hoch gewesen, an solchen<br />
kriegerischen Handlungen teilzunehmen.<br />
Und die Radikalisierung nimmt zu. <strong>biber</strong>-Recherchen zeigen, <strong>das</strong>s<br />
extremistische Gruppen, die sich auf den Islam berufen, in Wien systematisch<br />
Kämpfer für Syrien rekrutieren. Junge Menschen wie Achmed<br />
oder Omar werden nicht über Nacht zu „Jihadisten“. Sie werden gezielt<br />
dazu gemacht, nicht nur mittels einschlägiger Internet-Foren. „Talentscouts“<br />
suchen nach jungen Muslimen, die für extremistische Botschaften<br />
empfänglich sind – auf der Straße, in Wettlokalen, bis vor dem Flex<br />
am Donaukanal. Immer auf der Suche nach jungen Männern, die sich<br />
innerlich leer fühlen, familiäre Probleme haben, vielleicht zudem Drogen<br />
konsumieren oder sich generell nach einer Gemeinscha oder höheren<br />
Aufgabe sehnen.<br />
AFP/Getty Images
youtube.com<br />
GEBETSRÄUME UNTER BEOBACHTUNG<br />
Aktuell stehen in Wien fünf Gebetsräume unter Beobachtung des<br />
Verfassungsschutzes. Es sind keine normalen Gebetsräume oder Moscheen.<br />
Es sind Versammlungspunkte, die unter der Kontrolle von Radikalen<br />
stehen. In einigen davon soll im Vorjahr der deutsche „Hassprediger“<br />
Abu Dujana zu Besuch gewesen sein. Auch Trepunkte in der<br />
Steiermark, Salzburg und Oberösterreich sind dem Verfassungsschutz<br />
bekannt.<br />
In Deutschland ist die Situation ähnlich. Syrien sei „<strong>das</strong> zentrale<br />
Ausreiseziel für Jihadisten aus Deutschland“, erklärte Hans-Georg<br />
Maaßen, Präsident des deutschen Verfassungsschutzes, im Sommer.<br />
Mehr als 120 Islamisten aus Deutschland seien nach Erkenntnissen der<br />
deutschen Behörden bisher in den Nahen Osten gereist, um sich am syrischen<br />
Bürgerkrieg zu beteiligen. Mehr säßen auf „gepackten Koern,<br />
um in Syrien Kampferfahrung zu sammeln“.<br />
MÖCHTEGERN-JIHADISTEN<br />
Anders als in Deutschland hat <strong>das</strong> österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz<br />
und Terrorismusbekämpfung (BVT) aber so gut wie keine<br />
rechtliche Handhabe gegen die Jihadisten (siehe Infos Seite 18). Es ist<br />
nicht straar, zu erklären, man wolle in den Jihad gehen. Strafrechtlich<br />
relevant wird es erst, wenn man sich tatsächlich an Kampandlungen<br />
beteiligt, oder einer terroristischen Organisation anschließt. Und <strong>das</strong><br />
müssen die österreichischen Behörden erst einmal beweisen können.<br />
Dabei gelten vor allem Heimkehrer aus Kriegsgebieten als „tickende<br />
Zeitbombe“, wie es Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) formuliert<br />
hat. Sie sind mitunter Idole in der Szene und Anlaufpunkt für<br />
neue Möchtegern-Jihadisten.<br />
ARABISCH FÜR ANFÄNGER<br />
Damit kein falsches Bild auommt: Die österreichischen Jihadisten<br />
sind keine ausgebildeten Kämpfer und spielen in Syrien praktisch keine<br />
Rolle. Dort kämpfen hartgesottene Afghanistan-Veteranen und tschetschenische<br />
Bürgerkriegspros in einem brutalen Krieg gegen <strong>das</strong> Regime,<br />
aber auch gegen Gegner innerhalb der Opposition (siehe Infos<br />
rechts). Da kommt den jungen Rekruten aus Wien in der Regel höchstens<br />
die Rolle von Nebendarstellern zu. Sie sollen logistische Aufga-<br />
POLITIKA<br />
Laut seinem Facebook-Profil<br />
gefällt Austro-Jihadist Achmed<br />
diese Seite: „Wir wollen, <strong>das</strong>s<br />
Gottes Religion die herrschende<br />
ist. Entweder wir fallen dafür<br />
oder wir siegen.“<br />
WER KÄMPFT IN SYRIEN?<br />
Der Bürgerkrieg in Syrien ist eine militärische<br />
Auseinandersetzung zwischen Truppen der Regierung<br />
von Präsident Baschar al-Assad und den<br />
Kämpfern verschiedener Oppositionsgruppen.<br />
Den kriegerischen Konflikten ging monatelang<br />
ein friedlicher Protest der Opposition voraus, der<br />
vom Regime gnadenlos bekämpft wurde. Dominierte<br />
anfangs die „Freie Syrische Armee“ den<br />
Widerstand gegen <strong>das</strong> Assad-Regime, gewannen<br />
in den vergangenen Monaten immer mehr<br />
radikale, islamistische Fraktionen wie etwa die<br />
al-Nusra-Front an militärischen Einfluss. Al-<br />
Nusra gilt als syrischer Ableger der Al-Kaida, ist<br />
aber auch in sozialen Einrichtungen tätig. Zudem<br />
aktiv: Die Bewegung „Islamischer Staat im<br />
Irak und der Levante“ (ISIL), eine jihadistischsalafistische<br />
Organisation, die ihren Ursprung im<br />
irakischen Widerstand hat und sich zur Al-Qaida<br />
bekennt. Vor kurzem kam es zu militärischen<br />
Konfrontationen zwischen der zivilstaatlich<br />
orientierten Freien Syrischen Armee und jihadistischen<br />
Gruppen. In den Kurdenregionen agiert<br />
zudem die kurdische YPG (Einheit der Volksverteidigung),<br />
ein militärischer Arm der kurdischen<br />
Partei in Syrien.<br />
17
18 POLITIKA<br />
ben übernehmen – in Syrien oder aber auch in der Türkei. Um besser<br />
kommunizieren zu können, werden einige zuvor auf „Sprachkurs“ nach<br />
Ägypten geschickt, um Arabisch zu lernen. Vor dem Abug wird der<br />
Bart abrasiert und die traditionelle islamische Kleidung abgelegt, damit<br />
die Grenzbeamten nicht Verdacht schöpfen.<br />
Der Grund, warum die Zahl von österreichischen Jihadisten in Syrien<br />
relativ groß ist, hat auch mit der günstigen geograschen Lage zu<br />
tun. Anders als Afghanistan ist Syrien geograsch einfach zu erreichen.<br />
Ein Flug nach Istanbul kostet knapp über Hundert Euro. Von dort geht<br />
es weiter zu Gastfamilien, die Freiwillige aus aller Welt beherbergen. Die<br />
türkisch-syrische Grenze ist mehr als 900 Kilometer lang. Da ndet sich<br />
leicht eine Möglichkeit, nach Syrien einzusickern.<br />
FAMILIEN OHNE HILFE<br />
Die zurückbleibenden Familien sind verzweifelt. In den von ihren Kindern<br />
frequentierten Radikal-Moscheen stellt man sich dumm: „Wenn<br />
du nicht weißt, wo dein Sohn ist, woher sollen wir <strong>das</strong> wissen?“, wurde<br />
ein Vater abgewiesen. Die lokale Polizei ist o keine Hilfe, ja, zeigt selbst<br />
Angst: „Diese Islamisten sind gefährlich. Da gehen wir sicher nicht hin“,<br />
soll ein Kriminalpolizist im 22. Bezirk einem Familienmitglied gesagt<br />
haben. Der Verfassungsschutz wiederum hat wenig Kompetenzen. Omals<br />
nehmen die Familien daher selbst die Suche nach ihren verführten<br />
Kindern in die Hand. Manchmal mit Erfolg. Ein Linzer Vater holte angeblich<br />
seine beiden Söhne wieder aus einem Rebellen-Camp in der<br />
Türkei zurück.<br />
DIENER ALLAHS<br />
Auch Achmed soll mittlerweile von seinem Vater in der Türkei gefunden<br />
worden sein. Angeblich ist er niemals nach Syrien eingereist.<br />
Und angeblich ist jetzt alles in Ordnung. Auf seiner Facebook-Seite hat<br />
Achmed trotzdem erst vor wenigen Tagen eine Jihadisten-Seite „geliked“.<br />
Und in seinem Facebook-Prol gibt der Wiener unter der Rubrik<br />
„Unternehmen“ weiterhin an, als „Diener Allahs“ zu arbeiten. Welche<br />
Rolle er und Omar in diesem Unternehmen wirklich spielen, müssen<br />
die Behörden klären – sofern sie dazu rechtlich überhaupt in der Lage<br />
sind. Die Familien sind in dieser Krise jedenfalls völlig auf sich alleine<br />
gestellt.<br />
Koransure und „Gotteskrieger“:<br />
Bilder wie diese verzieren<br />
die Facebook-Seiten<br />
österreichischer Jihadisten.<br />
WER ÜBERWACHT<br />
DIE ISLAMISTEN?<br />
Die islamistische Szene in Österreich wird<br />
vom Bundesamt für Verfassungsschutz und<br />
Terrorismusbekämpfung (BVT) beobachtet.<br />
Bereits vor Wochen informierte <strong>das</strong> BVT die<br />
Öffentlichkeit über österreichische Kämpfer<br />
in Syrien. Die gesetzlichen Möglichkeiten<br />
der Überwachung sind begrenzt. Solange<br />
nicht ein strafrechtlicher Verdacht vorliegt,<br />
können die Verfassungsschützer im Rahmen<br />
der „Gefahrenerforschung“ verdächtige<br />
Islamisten nur mit Zustimmung eines<br />
Rechtsschutzbeauftragten überwachen. Das<br />
darf maximal neun Monate dauern. Liegen<br />
bis dahin keine Hinweise auf eine konkrete<br />
Gefahr oder bevorstehende Straftat vor,<br />
müssen alle gesammelten Daten gelöscht<br />
werden. Eine systematische Erfassung<br />
extremistischer Tätigkeiten ist dadurch<br />
extrem eingeschränkt.<br />
HELPLINE:<br />
Du hast Freunde oder Familienangehörige, die in Syrien<br />
sind? Oder die dort hingehen wollen? Wenn du Hilfe<br />
brauchst, schick uns ein Mail mit deiner Telefonnummer.<br />
Wir vermitteln dich an die richtige Stelle.<br />
Mail an: redaktion@<strong>das</strong><strong>biber</strong>.at<br />
youtube.com, Mirjam Reither / picturedesk.com
POLITIKA<br />
„SYRIEN BRAUCHT KEINE KÄMPFER AUS ÖSTERREICH“<br />
Der syrischstämmige<br />
Imam Tarafa Baghajati<br />
verurteilt die Rekrutierung<br />
junger Österreicher<br />
für den Kampf in Syrien.<br />
<strong>biber</strong>: Herr Baghajati, braucht Syrien Jihadisten aus<br />
Österreich?<br />
Baghajati: Nein. Syrien braucht Unterstützung, aber<br />
keine Kämpfer. Jeder kann sich auf humanitäre Art<br />
einbringen. Das Letzte, was Syrien braucht, sind jugendliche<br />
Kämpfer aus Österreich. Sie stellen dort<br />
nur eine Last dar. Politisch sind ausländische Kämpfer<br />
zudem ein großes Problem. Die Syrier wollen<br />
<strong>das</strong> nicht. Vor allem nicht, wenn ausländische Extremisten,<br />
die sich fälschlicherweise auf den Islam<br />
berufen, dort einen eigenen Staat oder ähnliches errichten<br />
wollen. Wir rufen in der Moschee dazu auf,<br />
nicht dorthin zu gehen.<br />
Es gibt in Wien einige Moscheen, die junge Österreicher<br />
für Syrien rekrutieren.<br />
Das sind keine Moscheen bzw. nur eine, höchstens<br />
zwei, und keine, die von der Islamischen Glaubensgemeinscha<br />
anerkannt sind. Wir lehnen diese Rekrutierungen<br />
ab, können dagegen aber nichts unternehmen.<br />
Das ist Sache des Verfassungsschutzes.<br />
Erklären Sie bitte, wofür der Jihad im Islam steht?<br />
Der Begri Jihad hat im Wesentlichen zwei Bedeu-<br />
www.wgkk.at<br />
WGKK - Information für Studierende ohne Versicherungsschutz<br />
Für Tausende junge Menschen startet ein neues Jahr an der Uni oder der FH.<br />
Einige davon haben keinen Schutz durch die gesetzliche Krankenversicherung,<br />
weil sie aus dem Ausland für <strong>das</strong> Studium nach Wien kommen oder<br />
keine Möglichkeit der Mitversicherung haben.<br />
Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) gibt auf ihrer<br />
Website Auskunft, welche Versicherungs-<br />
möglichkeiten diese Studentinnen<br />
und Studenten haben.<br />
Weitere Informationen zum Thema findest du hier:<br />
www.wgkk.at Selbstversicherung Studierende<br />
tungen: Einerseits steht er für <strong>das</strong> Bemühen jedes<br />
Gläubigen, den eigenen Schweinehund zu besiegen<br />
und ein gutes Leben zu führen. Im militärischen<br />
Sinn steht er für den Freiheitskampf – für eine gerechte<br />
Sache, als Selbstverteidigung, nicht als Angriskrieg.<br />
Das macht es auch so schwierig. Während<br />
im Westen der Jihad mit dem Terrorismus<br />
gleichgesetzt wird, ist er für Muslime prinzipiell<br />
etwas Positives. Terroristen, die angeblich den Jihad<br />
führen, missbrauchen den Begri.<br />
Was soll man mit jenen jungen Menschen machen,<br />
die wieder aus Syrien zurück sind?<br />
Nicht kriminalisieren. Das führt erst recht zu einer<br />
Radikalisierung. Es sind junge Menschen, die<br />
meist im Glauben an eine gute Sache gegangen<br />
sind. Sie wurden von Hintermännern oenkundig<br />
missbraucht. Im Notfall können sich Familien und<br />
Betroene aber auch an uns wenden. Nach unserer<br />
Möglichkeit versuchen wir Aulärungsarbeit zu<br />
leisten.<br />
Tarafa Baghajati ist Imam in Wien und Obmann der Initiative<br />
muslimischer ÖsterreicherInnen.<br />
19
WO<br />
SIND DIE<br />
JUGOS?<br />
20 POLITIKA<br />
Die Wahl ist geschlagen. Der Nationalrat hat mit<br />
Alev Korun, Aygül Berivan Aslan (beide Grüne),<br />
Nurten Yilmaz (SPÖ) und Asdin El Habbassi (ÖVP)<br />
vier Politiker mit Wurzeln außerhalb Österreichs.<br />
Drei davon sind aus der Türkei, einer, El Habbassi,<br />
mit marokkanischem Vater. Parlamentarier mit<br />
Wurzeln aus Ex-Jugoslawien sucht man vergebens.<br />
Von Alexandra Stanić<br />
WIEN, 20 UHR: Ein Plauscherl unter Freunden mit<br />
Wein und Bier, ein gewöhnlicher Freitagabend. Wie<br />
<strong>das</strong> bei meinen Leuten aus Ex-Jugoslawien so ist,<br />
kommt nach dem fünen Glas Wein immer <strong>das</strong> gleiche<br />
ema auf den Tisch: Politik. Da wir den Balkankrieg<br />
aus den 90er Jahren schon o durchgekaut haben,<br />
verrückt der Fokus auf die österreichische Politik<br />
und die Frage: Warum gibt es keinen Politiker, dessen<br />
Name auf –ić endet? Sind wir Jugos schlicht faul und<br />
desinteressiert, oder sind die Wunden des Kriegs noch<br />
zu frisch, um wieder Vertrauen in die Politik zu haben?<br />
In Österreich leben 1,579 Millionen Menschen<br />
mit Migrationshintergrund. Davon sind 32 Prozent<br />
aus dem ehemaligen Jugoslawien, also rund<br />
500.000. Und wie viele sitzen im Parlament? Null,<br />
nada, ništa! Zum Vergleich: Rund 17% der Migranten<br />
haben türkische Wurzeln. Und sie haben<br />
immerhin drei Vertreter seit den Nationalratswahlen<br />
im Parlament. Die SPÖ-Politikerin Yilmaz<br />
und Grüne-Juristin Aslan aus Tirol gesellen sich zur<br />
Integrationssprecherin der Grünen, Alev Korun,<br />
die vor fünf Jahren als erste Migrantin im Hohen<br />
Haus Geschichte schrieb. Von Ivanas, Josips oder<br />
Edins keine Spur im Machtzentrum Österreichs.<br />
„WIR JUGOS HALTEN ZUSAMMEN“<br />
Einer der Gründe ist die jüngere Vergangenheit der<br />
ehemaligen Länder des Jugoslawienbundes. Der<br />
Balkankrieg (1992-1995) hängt tief im Knochenmark,<br />
die Angehörigen der verschiedenen Ethnien<br />
bewerfen sich noch immer mit Schuldzuweisungen.<br />
„Ihr habt den Krieg angefangen!“ – „Nein, ihr!“<br />
Žarko Radulović sieht genau dort die Bremse für<br />
politische Jugo-Emanzipation. Der Chefredakteur<br />
der „Medien-Servicestelle Neue ÖsterreicherInnen“<br />
ist ein Kenner der Community: „Es gibt eine Jugosphäre<br />
auf kultureller und wirtschalicher Ebene“,<br />
so Radulović. „Aber bei Politik hört <strong>das</strong> Ganze<br />
auf.“ Im österreichischen Fußball sind Jugos Leis-
tirol.gruene.at, Marko Mestrovic, Götz Schrage<br />
„Wir Jugos halten zusammen!“ - Davon ist auf der politischen Landkarte wenig zu merken.<br />
tungsträger des Nationalteams. Oder könnt ihr<br />
euch unser Team ohne Arnautović, Dragović oder<br />
Junuzović vorstellen? Wahrscheinlich nicht. Leider<br />
sieht die Sache bei der demokratischen Anteilnahme<br />
anders aus. Dino Šoše, Herausgeber von „BUM“,<br />
einer Zeitschri auf B/K/S und Türkisch, glaubt<br />
ebenfalls, <strong>das</strong>s der Krieg ausschlaggebend für <strong>das</strong><br />
politische Desinteresse sei. Der SPÖ-Jungpolitiker<br />
Nedeljko Savić pichtet ihm bei. In der Community<br />
bekomme er o zu hören, <strong>das</strong>s „Politik eh<br />
nix bringt“. Savić war im vergangenen Wahlkampf<br />
auf einem Listenplatz jenseits von 300 gereiht. Er<br />
machte mit dem Plakat „Wir Jugos halten zusammen“<br />
auf sich aufmerksam. Darauf sieht man einen<br />
Mann, der ein T-Shirt mit der Aufschri „Beograd“<br />
sowohl in lateinischer als auch kyrillischer Schri<br />
trägt. Die Farbkomposition – weiße Buchstaben auf<br />
rotem Untergrund – erinnert an glorreiche Zeiten<br />
unter Tito. Ein krasser Kontrast zur derzeitigen politischen<br />
Partizipation.<br />
ÜBERINTEGRIERT<br />
Die ÖVP-Kandidatin Tatjana Kukić-Jank rief in<br />
der <strong>biber</strong>-Redaktion an und klagte über einseitige<br />
Berichterstattung. Immer würden wir über Politiker<br />
mit türkischen Wurzeln berichten, nie über<br />
die Kollegen aus Ex-Jugoslawien. Was Frau Kukić-<br />
Jank vergisst: Es liegt an ihrer Partei, sie auf einen<br />
aussichtsreichen Listenplatz aufzustellen. Aus diesem<br />
Grund schae Aygül Berivan Aslan von den<br />
Grünen als erste Abgeordnete kurdischer Herkun<br />
den Sprung ins Hohe Haus. Sie stand auf dem zweiten<br />
Listenplatz in Tirol und feiert mit dem gewonnenen<br />
Direktmandat den Einzug ins Parlament. Die<br />
31-Jährige sieht in der geringen Partizipation der<br />
Balkanesen kein Problem, im Gegenteil: „In Tirol<br />
fallen Türken eher auf als Menschen aus Ex-Jugoslawien.“<br />
Sie seien besser in der Gesellscha eingegliedert<br />
und brauchen deswegen kein Sprachrohr.<br />
Hans Arsenović, Landessprecher der Grünen<br />
Wirtscha in Wien, schlägt in dieselbe Kerbe. Probleme<br />
wie <strong>das</strong> Kopuchthema hätten Jugos nicht.<br />
Die Integration sei fortgeschrittener, es gäbe in diesem<br />
Bereich weniger Probleme als bei türkischen<br />
Migranten. Deswegen ist auch „keiner von ihnen“<br />
in der Politik nötig. Das heißt, wir sind solche Streber<br />
und so unauällig, <strong>das</strong>s es sich nicht lohnt, sich<br />
um uns zu kümmern? Damit könnte ich leben.<br />
Zurück zu meinem Freundeskreis. Wir sind<br />
schon beim sechsten Glas angekommen. Wir trällern<br />
Ex-Yu-Rock-Lieder und sind längst vom Polit-<br />
ema weggekommen, ist sowieso zu frustrierend<br />
und passt nicht ins fröhliche Freitagabend-Ambiente.<br />
Das überlassen wir dann doch lieber den anderen…<br />
POLITIKA<br />
Zarko Radulovic: „Jugosphäre<br />
funktioniert nur auf kultureller und<br />
wirtschaftlicher Ebene.“<br />
Nr-Abgeordnete Aslan: „In Tirol fallen<br />
Türken eher auf als Menschen aus Ex-<br />
Jugoslawien.“<br />
21
22 POLITIKA<br />
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SEBASTIAN HILSCHER<br />
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Stolz zeigt uns Sebastian Hilscher sein Bewerbungsvideo<br />
für den Ideenwettbewerb am Handy.<br />
Er hat es in der Lagerhalle seines Familienbetriebs<br />
welche Fertigschalungen in Oberösterreich<br />
produziert und verkau aufgenommen. Darin<br />
erklärt er seine Idee, die ihn zu einem jungen<br />
Mann ohne Zukun ssorgen machen sollte. Er<br />
gab ihr den Titel „Demokratie 2.0“. „Ich will Bürgern<br />
eine Plattform bieten, Politiker und deren<br />
Gesetzesvorschläge zu bewerten“, so der 24-jährige<br />
Oberösterreicher. Eine Art interaktives Spielchen.<br />
Der direkte Draht zwischen Bevölkerung<br />
und Politik soll im Vordergrund stehen. Das ge-<br />
el Frank Stronach und seiner Jury so gut, <strong>das</strong>s<br />
Sebastian sich am Ende gegen 690 Mitbewerber<br />
durchsetzte und den 100.000-Euro-Scheck als<br />
Belohnung einheimste. Stronach hat sich nach<br />
den Wahlen nicht mehr gemeldet. Vielleicht weil<br />
B R I T I S H & A M E R I C A N E N G L I S H<br />
F O R<br />
P L E A S U R E & B U S I N E S S<br />
er weiß, <strong>das</strong>s er lieber Sebastians Idee zum Wahlkamp<br />
hema hätte machen sollen, anstatt bizarrer<br />
Forderungen nach der Todesstrafe.<br />
ROLEX, WENN ER WILL<br />
Dabei wollte er anfangs gar nicht mitmachen.<br />
Erst ein guter Freund überzeugte Sebastian davon,<br />
beim Ideenwettbewerb seine Visionen von<br />
der Politik der ganzen Welt mitzuteilen. Jetzt, als<br />
100.000-Euro-Mann, genießt er es, in der Stadt<br />
bummeln zu gehen und in die Schaufenster von<br />
noblen Juwelieren und Uhrmachern zu blicken.<br />
Nicht weil er vor hat, eine 5000 Euro teure Uhr<br />
tatsächlich zu kaufen – aber allein dieses Gefühl,<br />
sich Luxusartikel, um die er früher einen großen<br />
Bogen machte, kaufen zu KÖNNEN, streichelt<br />
Sebastians Ego gewaltig.<br />
„SEBASTIAN, ALTER FREUND...“<br />
Seit der überraschende Geldregen einsetzte, klingelt<br />
<strong>das</strong> Telefon des Glückspilzes ununterbrochen.<br />
Glückwünsche und Leute, die sich plötzlich<br />
melden und bei denen sich Sebastian wundert,<br />
<strong>das</strong>s sie überhaupt seinen Nachnamen wussten.<br />
Ihr Geldgeier da draußen, ihr könnt eure<br />
Charmeo ensive gleich vergessen, weil Sebastian<br />
kein Geld zum verschenken hat. Lediglich der<br />
Freund, der ihn zum Mitmachen bewegte, wird<br />
auf einen unvergesslichen Urlaub eingeladen. Um<br />
Kosten und Logis kümmert sich Sebastian. Der<br />
Rest des Vermögens wird ganz nach der Stronach-Philosophie<br />
in die elterliche Firma für neue<br />
Maschinen investiert.
Fotos: Dieter Steinbach, Fotolia<br />
Es ist so weit! Natascha und Max ziehen in ihre Wohnung ein.<br />
Natürlich – ein bisserl müssen sie aufs Geld schauen, aber sie können<br />
sich ihr Zuhause leisten. Weil sie – so wie rund 1 Million andere<br />
Wienerinnen und Wiener auch – eine geförderte Wohnung haben. Ob<br />
mit den Gemeindebauten und Genossenschaftswohnungen oder mit<br />
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25
26 RAMBAZAMBA<br />
DIE<br />
DIÄT-MÄNNER<br />
Am liebsten essen sie Brokkoli, Süßkartoffeln und Thunfisch. Sie wissen, wie viele<br />
Kilokalorien eine Scheibe Toastbrot besitzt und warum Ziegenmilch einfach besser ist.<br />
Junge Männer machen Gesundheit zum Trend und Körperkult zur Gemüsesache.<br />
Von Delna Antia und Marko Mestrović (Fotos)
DER TREND – DIE FRAUENPERSPEKTIVE<br />
„Hey, lange nicht gesehen. Frisch siehst du aus!“,<br />
begrüße ich den hübschen Barkeeper in meinem<br />
Stammcafé. „Danke“, antwortet er und strahlt.<br />
„Ich habe meine Ernährung umgestellt.“ Oh<br />
Gott, denke ich, noch so einer.<br />
Ja, Mädels – Emanzipation geht auch andersherum.<br />
Was früher noch alleiniges Territorium<br />
der „Brigitte“ war, ist heute Basiswissen unseres<br />
Bruders, Kollegen und Barmanns. Ernährungsexpertise,<br />
Kalorienkonzepte und Rohkost sind<br />
neuerdings Männersache. Wo einst noch <strong>das</strong><br />
Motto „Fleisch ist mein Gemüse“ galt und sich<br />
<strong>das</strong> Rezept-Repertoire auf Eierspeise in jeglichen<br />
Variationen komprimierte, wird heute Quinoa<br />
gekocht und Brokkoli geknabbert.<br />
Nicht Yoga-Anhänger oder Mittfünfziger mit<br />
Burnout-Nachwehen und Midlife-Crisis, sondern<br />
junge Typen zwischen 20 und 35 entdecken<br />
gerade leidenschalich ihr „Körperbewusstsein“.<br />
Sie essen „saisonal“ und „regional“, bestellen sich<br />
wöchentlich ihr Biokisterl und verehren die Süßkartoel.<br />
Das allgemeine Mantra lautet „grünes<br />
Gemüse“ und „no Carb!“ (keine Kohlenhydrate).<br />
FRISCH GEPRESST UND PROVOKANT<br />
In meinem Freundeskreis grei dieser Trend<br />
bereits an sämtlichen, wenn auch unerwarteten<br />
Ecken um sich und auch in der <strong>biber</strong>-Redaktion<br />
hält er Einzug. Während ich morgens meinen<br />
Caè Latte schlürfe, kippt mein Kollege demonstrativ<br />
(bzw. provokant) seinen halben Liter<br />
frisch gepressten Granatapfel-Orangensa in<br />
sich hinein, wenn ich mittags Tandoori-Chicken<br />
bestelle, entscheidet er sich für die Ingwer-Karottensuppe.<br />
Seine Freundin nennt er Trash-Queen,<br />
nur weil sie noch den Genuss von Cheese Balls<br />
kennt. Ein anderer Kollege setzt sich eines Mittags<br />
zu mir, ich verputze gerade Kärntner Kasnudeln,<br />
und sagt mit ernsten Augen: „Delna, ich<br />
möchte meine Ernährung umstellen – aber ich<br />
weiß einfach nicht, wie <strong>das</strong> geht?!“ Ich verschlucke<br />
mich vor Staunen: Es gibt sogar Peer Pressure<br />
im Brokkoli-Klub.<br />
DER SAISONGESUNDE<br />
Sani, 27, IT-Projektmanager, Größe: 1,77m, Gewicht: 79kg,<br />
Körperfett: 8%<br />
Von März bis September hat Sani Saison, vielmehr sein Bauch. Der Perser<br />
trägt im Sommer ein perfektes Sixpack. Dafür achtet er in diesen Monaten<br />
besonders auf seine Ernährung. Seit zwei Jahren macht er die „Low-Carb-<br />
Diät“: Er reduziert Nudeln, Reis, Kartoffeln und Weißbrot. Stattdessen gibt<br />
es Müsli mit Banane, Thunfischsalat und natürlich ganz viele Karotten,<br />
Gurken und Salat. Auch Säfte lässt er weg, stattdessen nur stilles Wasser.<br />
Diese Diät gefällt Sani am besten. „Ich brauche nicht zu verzichten“, sagt<br />
er. Außerdem spürt er den Effekt: Die Antriebslosigkeit in der Früh sei weg,<br />
die Haut schöner, er sei fitter und schwitze weniger. „Der Körpergeruch<br />
geht zurück.“ Man soll es aber nicht übertreiben, weiß Sani. Vorletztes<br />
Jahr wollte er für den Türkei-Urlaub sein Sixpack besonders verschönern,<br />
da schlug die Dät ins Gegenteil um: Er war gestresst und schlecht<br />
gelaunt. Inzwischen hat sich der IT-Experte ganz gut eingependelt – und<br />
freut sich auch schon auf die Wintersaison mit den weiteren Pullis. „Mein<br />
Lieblingsessen ist und bleibt Pasta“, lacht er. Was er sich wünscht? Mehr<br />
ernährungsbewusste Restaurants. „Ich kann leider nicht gut kochen und<br />
esse als Single fast immer draußen.“<br />
RAMBAZAMBA<br />
POPEYE ALS VORBILD<br />
Das Beruhigende an diesem Trend: Selbst Männer<br />
werden von Diäten nicht unbedingt dünner.<br />
Im Gegenteil, Masse ist Klasse, solange <strong>das</strong><br />
Gewicht auf der Waage durch den Sixpack und<br />
Bizeps bestimmt wird. Popeye wird zum Posterboy.<br />
Schon er wusste, <strong>das</strong>s Spinat Muckis macht.<br />
Wenn sich der eigene Freund also plötzlich für<br />
die inneren Werte von Karotten und Sellerie<br />
interessiert, musst du dich nicht sorgen, <strong>das</strong>s er<br />
bald zu knochig zum Anlehnen wird. Ganz und<br />
gar nicht, die „Diät-Männer“ – Diät ist hier bitte<br />
rein griechisch als „Lebensweise“ und nicht<br />
als „Hungermaßnahme“ zu verstehen – lieben<br />
Training. Sie rennen ins Fitnessstudio, als ob sie<br />
täglich aufs Cover der Men’s Health kommen. Sie<br />
heben, stemmen und pressen Gewichte, am besten<br />
täglich, ansonsten nur 5-6 Mal die Woche.<br />
Warum? Weil sie sich dadurch „gut“ fühlen – t,<br />
vital, energetisch.<br />
ROLLENDIEBSTAHL!<br />
Ist doch wundervoll! Der moderne, junge Mann<br />
emanzipiert sich von Schnitzel und Sofa und<br />
interpretiert seine „Ernährer-Rolle“ neu: Statt<br />
zu jagen, wird gekocht. Trotzdem, mir ist die<br />
Sache nicht ganz geheuer. Einerseits lösen Unterhaltungen<br />
mit den Gesundheitsprachtkerlen<br />
bei mir <strong>das</strong> Bedürfnis aus, auf der Stelle in einen<br />
Cheeseburger beißen zu müssen. Ich komme<br />
einfach nicht damit klar, ernstha mit Männern<br />
über <strong>das</strong> Dünsten von Gemüse zu diskutieren.<br />
Das ist doch Rollendiebstahl. Frauen hatten immer<br />
schon die Rohkost-Expertise für sich gepachtet.<br />
Außerdem haben wir gerade unseren<br />
Kurvenkörper lieben gelernt und es gescha,<br />
vier Kugeln Eiscreme ohne schlechtes Gewissen<br />
zu verputzen. Wir überwanden <strong>das</strong> Diät-Diktat<br />
aller Frauenzeitschrien und fanden, Essen soll<br />
wieder Spaß machen. Doch umsonst, nun bringen<br />
unsere Männer den Salat durch die Hintertür<br />
wieder hinein. Zudem, <strong>das</strong> gebe ich zu, verspüre<br />
ich Neid. Diese perfekte Disziplin und diese geballte<br />
Umsetzungskra, mit denen die Kerle ihre<br />
Ernährung verfolgen, <strong>das</strong> ist doch unnatürlich.<br />
Wo bitte bleibt der Jo-Jo-Eekt?<br />
Doch abgesehen von solch altmodischem Rollendenken,<br />
bringt <strong>das</strong> grüne Testosteron-Spektakel<br />
natürlich nur Vorteile: Erstens, die Typen<br />
werden fescher, weil frischer. Vitamine machen<br />
wirklich schön und Training wirklich stark. Zweitens,<br />
nachhaltig betrachtet, hat man mehr vom<br />
Mann. Denn je gesünder er isst, umso länger lebt<br />
er. Drittens, die meisten Männer sind missionarische<br />
Esser, sprich: Früher oder später isst du, was<br />
er isst. Mit der Konsequenz: Auch du wirst länger<br />
frisch, t und fesch sein. Es lebe der Brokkoli!<br />
Zur Veranschaulichung des Diät-Trends haben wir<br />
vier Prachtexemplare zum Interview gebeten und sie beim<br />
Fotoshooting in ihr Lieblingsgrünzeug gebettet. Mit dieser<br />
Deko wurden sie dann auch bezahlt. Was sie wirklich<br />
glücklich stimmte.<br />
27
28 RAMBAZAMBA<br />
DER FASTENKÖNIG<br />
Artur, 28, Student, Größe: 1,88m, Gewicht: 88kg, Körperfett: 6,5 %<br />
Zum Frühstück macht sich Artur gern ein Omelette mit fettreduziertem Käse, Brokkoli und Spinat.<br />
Das ist um 16 Uhr. Da beginnt Arturs „Ess-Phase“ des Tages. Der in Polen geborene Karate-Trainer<br />
macht seit gut einem Jahr die sogenannte „Intermitten Fasting“-Diät. Das bedeutet, er fastet täglich<br />
16 Stunden und verteilt danach alle Mahlzeiten auf 8 Stunden. Artur war selbst skeptisch, als er<br />
von dem Konzept hörte. „Die Umgewöhnung war am Angang schwer, vor allem auf <strong>das</strong> Frühstück zu<br />
verzichten. Früher bekam ich ja Panik, wenn ich nicht alle drei Stunden zum Essen kam.“ Das ist<br />
nämlich die gängige Regel aller Muskel-Aufbauer und Fitness-Junkies. Jetzt fühlt sich Artur pudelwohl.<br />
Während die anderen nach dem Mittagessen müde werden, weil der Blutzucker sinkt, strotzt er<br />
vor Energie: „Ich bin kontinuierlich produktiver und schlafe viel besser.“ Wenn er isst, dann gesund.<br />
Alles was grün ist, ist gut, lautet sein Motto. Seine Lieblinge sind Brokkoli, Selleriestangen und<br />
Süßkartoffeln – und natürlich Fisch. Den am besten täglich. Unter der Woche isst er „Low Carb“, am<br />
Wochenende, wenn Schwergewichte auf seinem Trainingsplan stehen, dürfen es aber mehr Kohlenhydrate<br />
sein: braunes Brot und Reis – natürlich kein Zucker. Ab und zu schummelt Artur aber schon.<br />
An seinen „Cheat-Days“ gönnt er sich gerne eine Pizza. Mit der Konsequenz: Am nächsten Tag wird<br />
24h gefastet. Bei all der Disziplin, er ist kein Schoko-Feind! Ernährung war nur schon immer sein<br />
Ding. Seit seiner Kindheit isst er kein Fleisch. „Als Vegetarier in Polen war ich immer skurril.“
DER STEINZEITMANN<br />
Didi, 30, Technischer Angestellter, Körpergröße: 1,83m, Gewicht: 79 kg, Körperfett: 14%<br />
Zum Kochen benützt Didi immer andere Fette. „Zu viel Olivenöl ist toxisch!“ Besser soll man<br />
wechseln, zwischen nicht pasteurisierter Butter, Schmalz und Cocosfett. Didi macht seit sechs<br />
Monaten die sogenannte „Paleo-Diät“, die Steinzeit-Diät. Das heißt: Er isst nur Fleisch von Tieren,<br />
die mit Gras gefüttert wurden. Statt Getreide und Kartoffeln kommt Quinoa auf seinen Teller, dazu<br />
viel Gemüse, Nüsse und Samen. Aber Didi schummelt auch ein bisschen und hält sich nicht ganz an<br />
<strong>das</strong> strenge Diät-Konzept. „Ich erlaube mir auch Milchprodukte, zum Beispiel Käse, der älter als 10<br />
Monate ist, Heu- und Ziegenmilch.“ Für den 30-Jährigen war es bei der Umstellung am schwersten,<br />
seinen Zuckerkonsum zu eliminieren. Vorher lag stets ein halbes Kilo Milka-Schokolade im<br />
Auto, Allzeit bereit für den täglichen Bedarf. Jetzt bestellt Didi sich wöchentlich sein „Bio-Kisterl“<br />
im Internet. Das wichtigste für ihn sind hochwertige Produkte. Er geht etwa zu „denn’s Biomarkt“<br />
und bestellt Bio-Rind beim Murauer. Seine Ernährung kostet ihn 100-150 Euro die Woche. Doch so<br />
aufwendig sie ist, es lohnt sich: „Die Leute verstehen nie, warum man <strong>das</strong> macht. Mein Energielevel<br />
ist ganz anders, ich bin nie müde und die Verdauung funktioniert wie neu.“<br />
RAMBAZAMBA<br />
29
30 RAMBAZAMBA<br />
DER MISSIONAR<br />
Emanuel, 22, Barkeeper, Größe: 1,87 m, Gewicht: 84 kg, Körperfett: weiß er nicht<br />
Früher konnte Emanuel Sauerkraut und Karotten nicht leiden, heute genießt er jeden Tag seinen<br />
frisch gepressten Karottensaft bei der Arbeit. Der Barkeeper hat vor fünf Monaten seine<br />
Ernährung umgestellt. Das Konzept: So gesund wie möglich. Fast Food und Fertiggerichte<br />
hat er komplett vom Speiseplan verbannt, Gemüse dafür hinzugefügt. Das soll am besten Bio<br />
sein, er achtet auf „regionale und saisonale Ernte“. Der 22-Jährige ernährt sich so bewusst,<br />
um gesund zu sein und nicht krank zu werden. „Ich halte nicht viel von Pharma-Medizin“,<br />
meint er und spricht weise: „Lasst unsere Medizin unsere Nahrung sein und unsere Nahrung<br />
unsere Medizin.“ Zu seiner „Medizin“ gehören Fleisch (Rind und Pute), Fisch und Gemüse.<br />
Er verzichtet weitgehend auf Brot, nur in der Früh soll es ein bisschen „dunkles Brot gefüllt<br />
mit Bulgur“ sein. Als zweites Frühstück mag er Rührei – eine nette Portion aus 5 Eiern.<br />
Emanuel trainiert nämlich „CrossFit“. Daher brauche er fünf Mahlzeiten am Tag, damit der<br />
Körper ständig Energie habe. Wenn <strong>das</strong> nicht reicht, „snackt“ Emanuel einfach eine Paprika<br />
zwischendurch. Der Barkeeper wirkt euphorisch, seine Freundin habe er schon missioniert.<br />
„Wenn ich aufstehe, bin ich nicht mehr so fertig. Ich fühle mich vitaler und stärker. Du bist,<br />
was du isst!“
FÜR JEDEN TYP DIE PASSENDE DIÄT<br />
Du findest, die Diät-Männer übertreiben mit ihrer besonderen Ernährung?<br />
Dann hast du noch nichts von den Freeganern und der „Warrior-Diät“ gehört.<br />
Alexandra Tulej gibt einen Überblick über die skurrilsten Diäten.<br />
• ÜBERFAHRENE TIERE<br />
Der Brite Jonathan McGowan isst<br />
nach eigenen Angaben <strong>das</strong> Fleisch<br />
überfahrener Tiere, weil er der industriellen<br />
Fleischproduktion kritisch gegenübersteht.<br />
„Es ist grausam, wie Tiere mitunter gehalten<br />
werden und in einem Schlachthaus sterben<br />
müssen. Dieses Fleisch enthält o Hormone<br />
und andere Zusatzstoe», sagt er. Sein<br />
Essverhalten begründet er damit, <strong>das</strong>s die<br />
Menschen seit Jahrtausenden wilde Tiere<br />
gegessen haben, und nur weil die Tiere<br />
überfahren sind, wird es nicht schlecht. Na<br />
Mahlzeit!<br />
• NICHTS<br />
Ein 81-jähriger Mann in Indien hat seit<br />
70 Jahren nichts gegessen und getrunken.<br />
Tests ergaben, <strong>das</strong>s sein Gehirn die<br />
Leistungsfähigkeit eines 25-Jährigen hat, es<br />
gebe keine Anzeichen für eine Alterung. Der<br />
Mann hatte laut eigener Aussage noch nie<br />
medizinische Probleme. Allein eine Hindu-<br />
Göttin gebe ihm die Kra zum Leben.<br />
• FRUTARIER<br />
glauben, durch den Verzicht auf tierische<br />
Lebensmittel im Einklang mit der Natur zu<br />
leben. Eine besonders außergewöhnliche Form<br />
der Frutarier ernährt sich ausschließlich von<br />
Fallobst, also von Obst, <strong>das</strong> bereits von Bäumen<br />
heruntergefallen ist. Denn ihrer Meinung nach<br />
wird den Panzen beim Pücken Schmerz<br />
zugefügt. Meine Frage: Was ist, wenn eine<br />
Katze vom Baum hinunterfällt?<br />
RAMBAZAMBA<br />
• FREEGANER<br />
essen aus dem Müll – sie essen <strong>das</strong>, was<br />
andere wegwerfen. Dabei sind es nicht<br />
unbedingt nanzielle Nöte, die die Freeganer<br />
an die Müllcontainer treiben, es ist der Protest<br />
gegen die Wegwerfgesellscha.<br />
• WARRIOR-DIÄT<br />
Speisen, wenn es dämmert – kein Frühstück,<br />
kein Mittagessen, dafür abends dann <strong>das</strong><br />
große Fressen. Die Anhänger der „Warrior-<br />
Diät“ versprechen sich davon ein aktives,<br />
gesundes und schlankes Leben. Das Prinzip:<br />
Durch <strong>das</strong> Fasten während des Tages wird<br />
der Körper in eine Hungerphase versetzt. So<br />
soll <strong>das</strong> menschliche Nervensystem angeregt<br />
werden und der Stowechsel auf Hochtouren<br />
laufen. Beim abendlichen Schlemmen soll <strong>das</strong><br />
Nervensystem dann auf eine andere Weise<br />
angeregt werden und für Ruhe, Regeneration<br />
und Erholung sorgen.<br />
• MONSIEUR MANGETOUT (HERR<br />
ALLESFRESSER)<br />
Der Franzose Michel Lotito hat von 1966 bis<br />
2007 18 Fahrräder, 15 Supermarktwagen,<br />
sieben Fernseher, sechs Leuchter, zwei Betten,<br />
ein Paar Ski, ein Leichtugzeug vom Typ<br />
Cessna 150, einen Computer und einen Sarg<br />
(mit den Grien) gegessen. Er zerkleinerte<br />
die Gegenstände mit einer Elektrosäge in<br />
mundgerechte Happen, die er dann einfach<br />
hinunterschlucken konnte. „Die Fahrradkette“,<br />
soll er gesagt haben, „ist am leckersten<br />
gewesen.“<br />
• ESSEN, DAS LEBT<br />
In China werden Tiere (vorzugsweise<br />
Meerestiere wie Fische, Oktopusse, usw.), die<br />
zum Zeitpunkt des Verzehrs noch ganz oder<br />
zumindest teilweise am Leben sind, verspeist.<br />
Dabei sehen die Tiere quasi selber zu, wie sie<br />
gegessen werden.<br />
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8. Oktober bis 5. <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />
Öffnungszeiten Mo – Fr 11 – 19 Uhr<br />
Eintritt frei<br />
Humor gegen Vorurteile! Die Ausstellung<br />
So ist Afrika! nimmt mit<br />
Augenzwinkern die typischen Afrika-<br />
Klischees unter die Lupe und teilt<br />
Seitenhiebe auf Projektionen aus.<br />
Programm bei freiem Eintritt<br />
Dienstag, 8. Oktober <strong>2013</strong><br />
18:00 Führung durch die Ausstellung<br />
19:00 Vernissage, Auszüge aus dem<br />
Kabarett „Soso lernt Deutsch“<br />
Dienstag, 15. Oktober <strong>2013</strong><br />
10:00 Führung durch die Ausstellung<br />
für Schulklassen<br />
Dienstag, 22. Oktober <strong>2013</strong><br />
10:00 Führung durch die Ausstellung<br />
für Schulklassen<br />
11:00 Filmscreening „Das Fest des<br />
Huhnes“<br />
anschließend Künstlergespräch mit<br />
Frank Oladeinde (Hauptdarsteller)<br />
Dienstag, 29. Oktober <strong>2013</strong><br />
10:00 Führung durch die Ausstellung<br />
für Schulklassen<br />
18:00 Führung durch die Ausstellung<br />
19:00 Kabarett „Schmäh gegen<br />
Rassismus“ mit Soso & friends<br />
anschließend Podiumsdiskussion<br />
„Alternative Afrikabilder in den<br />
Medien und in der Kommunikation“<br />
mit „Soso“ Simplice Mugiraneza<br />
(Kabarettist), Joanna Adesuwa<br />
Reiterer (Autorin) und Thomas<br />
Haunschmid (Journalist, Kommunikationsleiter<br />
bei CARE Österreich)<br />
Dienstag, 5. <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />
18:00 Führung durch die Ausstellung<br />
Ein Projekt von<br />
kulturen in bewegung<br />
die Kulturinitiative von<br />
VIDC<br />
Mehr Informationen auf<br />
kultureninbewegung.org
32<br />
RAMBAZAMBA<br />
VERBLASSTE TINTE AUS MUTTERMILCH, SPUCKE UND RUSS UNTER DER<br />
HAUT ALTER FRAUEN. IN BOSNIEN-HERZEGOWINA WURDEN FRÜHER<br />
KATHOLISCHE FRAUEN MIT RELIGIÖSEN SYMBOLEN TÄTOWIERT. ÜBER DEN<br />
ALTEN KULT, DER HEUTE WIEDER NEUE ANHÄNGERINNEN FINDET.<br />
Von Alexandra Stanić und Marko Mestrović (Fotos)
RAMBAZAMBA<br />
33
34 RAMBAZAMBA<br />
WIEN. NICOL LOVRIĆ ZUPFT an ihrem Pullover,<br />
streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.<br />
In ihrer Hand hält sie ein altes, vergilbtes<br />
Foto. „Das sind meine Oma und ich“, sagt sie<br />
mit traurigem Lächeln. „Sie ist gestorben, als ich<br />
sechs war.“<br />
Nicols Vater erzählt der 23-Jährigen immer,<br />
wie ähnlich sie ihrer toten Großmutter sei. Genauso<br />
aurausend und stur. Sie hat <strong>das</strong> gleiche<br />
Grübchen, wenn sie lacht und dieselben strahlenden<br />
Augen. Auf dem Foto erkennt man ein<br />
Tattoo auf der Hand ihrer verstorbenen Großmutter.<br />
„Ich will es mir unbedingt nachstechen<br />
lassen“, erklärt die Sonderschullehrerin. „Es ist<br />
nicht nur ein Symbol für meine Oma, sondern<br />
auch ein Zeichen der Zugehörigkeit und die Erhaltung<br />
einer Tradition.“<br />
SPIRITUELLER SCHUTZ VOR OSMANEN<br />
Die genaue Zahl an traditionell tätowierten, katholischen<br />
Frauen am Balkan ist nicht bekannt.<br />
Tea Mihajlović begann 2008 mit der Recherche<br />
über den 2000 Jahre alten Brauch. Sie machte<br />
sich die Nachforschung des alten Katholikenkults<br />
zum Hobby, weil sie die Tradition ihrer Vorfahren<br />
fasziniert. Die 29-Jährige hat mit etwa 200<br />
traditionell tätowierten Frauen gesprochen. „Es<br />
ist mehr als nur Dekoration, es dient zur Identitätserkennung“,<br />
erklärt sie.<br />
Katholische Gemeinden in Bosnien und Herzegowina<br />
litten während der osmanischen Herrscha.<br />
Viele der Katholiken konvertierten zum<br />
Islam, Kinder wurden entführt und Mädchen<br />
zwangsverheiratet. Junge Frauen tätowierten<br />
sich gegenseitig Kreuze und andere historische<br />
Zeichen auf Hände, Brust, Rücken und Stirn. So<br />
kennzeichneten sie sich für den Fall einer Entführung<br />
und verwendeten die Kreuze und Ornamente<br />
als spirituellen Schutz vor Osmanen.<br />
DIE STOLZE KATHOLIKIN<br />
Ganze Gruppen von Mädchen im Alter zwischen<br />
drei und sechs wurden meist am 19. März, dem<br />
Tag des Heiligen Josip, oder am 25. März, „blagovijest“,<br />
der „Maria Verkündung“ tätowiert. Beide<br />
Termine sind wichtige katholische Feiertage in<br />
der Karwoche.<br />
Ruža Jonjić war bei ihrer ersten Tätowierung,<br />
am 19. März 1949, sechs Jahre alt. Die heute<br />
70-Jährige ist in Kupres geboren und aufgewachsen.<br />
Hier hat sie geheiratet, Kinder bekommen<br />
und ihren Mann verloren. Jeden Sonntag besucht<br />
sie die gleiche Kirche, seit über 60 Jahren. Ruža<br />
blickt auf ihren Handrücken. Sie empndet ihre<br />
Tätowierung als Verbindung zu ihrer Religion.<br />
Der alte Tattoo-Kult ist<br />
Teas Hobby geworden. Auch<br />
verewigt auf ihrem Arm.
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RAMBAZAMBA<br />
Mit 13 Jahren bekam Zora ihr<br />
erstes Tattoo: aus Ruß, Honig,<br />
Spucke und Kohle gestochen.
„Ich bin sehr stolz auf meine Tattoos“, erklärt sie.<br />
Sie grei nach dem Anhänger an ihrer goldenen<br />
Halskette, es ist ein Kreuz. „Als Katholikin gehören<br />
sie zu mir.“ Ihre Stimme wird bestimmter. „Es<br />
wäre eine Schande, würde ich mich dafür schämen,<br />
oder sie gar verstecken.“<br />
Die Tattoos sind verzierte Kreuze oder Ornamente.<br />
Die genaue Bedeutung kennen selbst die<br />
tätowierten Frauen nicht. Es war ein Brauch, der<br />
über Jahrtausende eingehalten wurde. Die beliebtesten<br />
Stellen zum Stechen waren Unterarme,<br />
Hände und Finger. Kreuze auf Brust und Stirn<br />
waren seltener, kamen aber auch vor, gerade bei<br />
den älteren Generationen. Katholische Kennzeichnungen<br />
zierten einst auch Männer, die sind<br />
aber tot.<br />
RUSS, HONIG, SPUCKE UND MUTTERMILCH<br />
Die 82-jährige Zora Stojanović bekam wie Ruža<br />
ihr erstes Tattoo am 19. März, im Jahre 1944, gestochen.<br />
„Ich war damals 13 Jahre alt“, erzählt die<br />
20-fache Großmutter mit schelmischem Lachen.<br />
Für <strong>das</strong> Stechen der Tätowierungen wurden<br />
eine einfache Nadel und eine Mischung aus<br />
Ziegen- oder Muttermilch einer Frau, deren<br />
Erstgeborenes männlich war, verwendet. Hinzu<br />
kam entweder Ruß, Honig, Spucke oder Kohle.<br />
Je nach Region unterschied sich die Mixtur. Die<br />
meisten traditionell tätowierten Frauen leben in<br />
den bosnischen Städten Kupres, Prozor, Travnik<br />
und Jajce.<br />
Zora wohnt in einem Dorf in den Bergen der<br />
Region Rama in der Herzegowina. Sie hat ein<br />
kleines Häuschen und nur einen direkten Nachbarn.<br />
Die Fahrt in die nächstgelegene Stadt Prozor<br />
dauert 20 Minuten. „Hier in der Gegend hat<br />
jede Frau in meinem Alter mindestens ein Tattoo“,<br />
sagt sie und schenkt sich eine Tasse schwarzen<br />
Kaee ein. „Es war damals einfach eine<br />
Kennzeichnung von katholischen Mädchen.“<br />
EINE LEGENDE BESAGT…<br />
„Eine alte Legende besagt, <strong>das</strong>s ein katholisches<br />
Mädchen vor langer Zeit von einem Osmanen<br />
entführt wurde. Er befahl ihr, <strong>das</strong>s tätowierte<br />
Kreuz von ihrer Haut zu kratzen. Sie folgte seinem<br />
Befehl und entdeckte ein in ihre Knochen<br />
geritztes Kreuz“, beginnt Milica Simić ihre Erzählung.<br />
Die 76-Jährige richtet ihre Frisur, strei ihr<br />
schwarzes Kleid glatt. Milicas Einfamilienhaus<br />
ist groß und wirkt aufgeräumt. Im Wohnzimmer<br />
hängt ein großes Kreuz aus Holz, in der Küche<br />
ein Foto des Papstes.<br />
Milica hatte nie Probleme wegen ihrer Tattoos,<br />
obwohl der Kommunismus diesem Brauch<br />
Eine moderne Variante der alten<br />
Symbolik: Dieses Tattoo wird Maja<br />
immer an ihre Großmutter erinnern.<br />
RAMBAZAMBA<br />
37
38 RAMBAZAMBA<br />
Ruza ist stolz auf ihre Tattoos.<br />
Sie war sechs Jahre alt, als<br />
sie ihr gemacht wurden.<br />
ein Ende setzte. Frauen verloren ihre Arbeitsplätze.<br />
Junge Mädchen wurden gehänselt.<br />
„Mich haben sie nie schikaniert“, erinnert sich<br />
die Witwe. „Aber ich kannte viele Mädchen,<br />
die aufgrund der Zeichen ausgelacht wurden.“<br />
Ein Grund, warum die letzte traditionell tätowierte<br />
Frau 1984 gestochen wurde, erklärt Tea.<br />
Die 76-jährige Milica bekam ihr erstes Tattoo<br />
mit sieben. Heute sind ihre Hände rau und<br />
ledern, die gestochenen Symbole schwer zu erkennen.<br />
„Damals hat man sie besser erkannt“,<br />
erzählt die praktizierende Katholikin. „Aber<br />
ich habe meine Hände eben all die Jahre genutzt,<br />
meine Haut ist verbraucht.“<br />
DER GROSSMUTTER HULDIGEND<br />
Nicols Hände sind jung, unverbraucht und<br />
gepegt. Bald soll die Innenseite ihres Unterarms<br />
<strong>das</strong> gleiche Symbol tragen wie <strong>das</strong> ihrer<br />
verstorbenen Großmutter. „Zwischen meiner<br />
Oma und mir gab es immer eine besondere<br />
Verbindung“, sagt Nicol und legt <strong>das</strong> Bild der<br />
beiden beiseite.<br />
Der Vater der 23-Jährigen teilt die Begeisterung<br />
seiner Tochter. Mit Freunden hat sie<br />
noch nicht darüber gesprochen. „Es ist eher<br />
eine familiäre Angelegenheit.“ Nicol will die<br />
Tradition ihrer Großmutter aufrechterhalten.<br />
Sie will verhindern, <strong>das</strong>s der katholische Kult<br />
in Vergessenheit gerät. Sie wird still, wirkt<br />
gedankenverloren. „Meine Oma wäre sicher<br />
glücklich über mein Tattoo.“<br />
Wie Nicol hatte auch Maja Brkan eine außergewöhnliche<br />
Beziehung zu ihrer Großmutter.<br />
Den Rücken der jungen Frau schmückt<br />
ein Ornament, <strong>das</strong> aussieht wie ein Traumfänger.<br />
Für Maja ist <strong>das</strong> Tattoo mehr als nur eine<br />
Kennzeichnung ihres Glaubens. „Meine Oma<br />
hatte auch eines und ich war als Kind immer<br />
so fasziniert davon“, schwelgt die 21-Jährige<br />
in Kindheitserinnerungen. „Deswegen habe<br />
ich mich auch für ein Symbol aus dieser Zeit<br />
entschieden.“<br />
Tattoos sind im 21. Jahrhundert keine Besonderheit<br />
mehr, im Gegenteil, sie wurden zur<br />
Modeerscheinung. Mädchen wie Maja und<br />
Nicol nutzen die Tradition vergangener Generationen,<br />
um ihre eigenen Tätowierungen<br />
einzigartig zu machen. Sie verbinden Vergangenes<br />
mit dem Trend von heute und drücken<br />
so ihre Zugehörigkeit aus – ähnlich wie es ihre<br />
Großmütter einst taten. Maja wird im <strong>November</strong><br />
heiraten. „Ich habe mein Hochzeitskleid<br />
extra so ausgesucht, <strong>das</strong>s mein Tattoo zu sehen<br />
ist“, erzählt die zukünige Ehefrau.
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SPIELPLATZ ähnelt dem auf der biblischen<br />
Baustelle von Babel. Eine Mutter spricht mit<br />
ihrem schaukelnden Kind Japanisch, um sich<br />
gleich darauf weiter mit ihrer Freundin auf<br />
Deutsch zu unterhalten. Ein türkischer Junge<br />
auf der Rutsche schimp mit einem nigerianischen<br />
Mädchen, <strong>das</strong>s es schneller rutschen<br />
soll. Die beiden diskutieren <strong>das</strong> Rutsch-Tempolimit<br />
auf Deutsch; mit ihren Eltern sprechen<br />
sie deren jeweilige Muttersprache. Und<br />
mittendrin spielt meine zweijährige Tochter<br />
Ball mit einem österreichischen Mädchen.<br />
Dessen Mutter ndet es schade, <strong>das</strong>s sie und<br />
ihr Mann „nur“ Deutsch sprechen. Ihrer Meinung<br />
nach wäre es viel besser für ihr Kind,<br />
wenn es mehrsprachig aufwachsen würde.<br />
„Möglichst viele Fremdsprachen“ – so<br />
steht es im Anforderungsprol für beinahe jeden<br />
Job. Dabei haben diejenigen einen großen<br />
Vorsprung, die von Geburt an zwei oder gar<br />
drei Sprachen gelernt haben. Wie zum Bei-<br />
spiel meine Tochter: Sie ist in Wien geboren<br />
und hat zwei Staatsbürgerschaen, meine<br />
deutsche und die ungarische meiner Frau.<br />
Obwohl meine Frau perfekt Deutsch spricht,<br />
stand es für uns außer Frage, <strong>das</strong>s unsere<br />
Tochter von Geburt an beide Sprachen lernen<br />
soll. Schließlich wollen wir, <strong>das</strong>s die Kleine<br />
später auch mit ihren ungarischen Verwandten<br />
ungehindert plaudern kann.<br />
DOPPELTE DOSIS<br />
Im Alltag spricht meine Frau mit unserer<br />
Tochter Ungarisch und ich mit ihr Deutsch.<br />
Das Gute dabei: Während unsere Tochter Ungarisch<br />
lernt, tue ich es so langsam auch – weil<br />
meine Frau immerzu die gleichen Wörter wiederholt<br />
und aus den gleichen Büchern vorliest.<br />
Wenn wir mit unserer Tochter eißig Wörter<br />
wie nein/nem, Tisch/asztal oder Staubsauger/<br />
porszívó wiederholen, bekommt sie stets die<br />
doppelte Dosis. Solche Situationen waren anfangs<br />
gewöhnungsbedürig für mich, da ich<br />
RAMBAZAMBA<br />
<strong>das</strong> Gefühl hatte, <strong>das</strong>s meine Frau mit ihrem<br />
Ungarisch stets <strong>das</strong> letzte Wort behielt und<br />
ihres „richtiger“ wäre als meins. Das hat sich<br />
inzwischen gelegt, aber ich habe gemerkt, wie<br />
herausfordernd Zweisprachigkeit auch für Eltern<br />
ist.<br />
Es wird höchste Zeit, <strong>das</strong>s ich Ungarisch<br />
lerne – ndet auch Sigrid Spenger. Sie ist Lebens-<br />
und Sozialberaterin mit Schwerpunkt<br />
Erziehungsberatung und leitet die Familienakademie<br />
der Wiener Kinderfreunde. In dieser<br />
Funktion bildet sie regelmäßig mehrsprachige<br />
Elternbegleiter aus. „Wenn ein Partner die<br />
Sprache der Umgebung spricht, so kann ihn<br />
der andere ruhig bitten, zumindest Grundkenntnisse<br />
in seiner Sprache zu erwerben“,<br />
empehlt sie. Das sehe ich ein und wiederhole<br />
brav mit meiner Tochter: Tisch heißt asztal.<br />
Anders handhaben es die Österreicherin<br />
Diana und ihr griechischer Ehemann Ehymios:<br />
Beide sprechen sowohl Deutsch als<br />
auch Griechisch, haben aber entschieden, nur<br />
41
42 RAMBAZAMBA<br />
„Schneller, schneller!“ Schaukelanweisungen<br />
werden am Spielplatz auf deutsch gegeben.<br />
Griechisch miteinander zu reden, wenn ihre<br />
Kinder Leoni<strong>das</strong> und Alexandros bei ihnen<br />
sind. „Die beiden kommen in Österreich viel<br />
zu selten mit der griechischen Sprache in Kontakt,<br />
deshalb sollen sie sie zumindest zu Hause<br />
hören“, ndet Mama Diana.<br />
DREI AUF EINEN STREICH<br />
Wenn Mama und Papa verschiedene Sprachen<br />
sprechen, hil es manchmal, eine dritte ins<br />
Spiel zu bringen. So machen es die Mexikanerin<br />
Sandra und ihr deutscher Mann Jürgen. Als<br />
die beiden sich kennenlernten, sprach Sandra<br />
kein Deutsch und Jürgen kein Spanisch. So<br />
mussten sie sich mit Englisch behelfen. Heute<br />
ist ihr ältester Sohn André sieben Jahre alt,<br />
Sandra kann Deutsch, Jürgen versteht Spanisch<br />
– und trotzdem reden die beiden noch<br />
immer Englisch miteinander. „Wir haben es<br />
vor ein paar Jahren probiert, auf Deutsch umzusteigen“,<br />
sagt Sandra, „aber es war seltsam,<br />
und so sind wir schnell wieder zu Englisch<br />
übergegangen“. Der Vorteil dabei: Weil ihre Eltern<br />
jeweils in ihrer Muttersprache mit ihnen<br />
reden, lernen André und sein einjähriger Bruder<br />
Kai von klein auf drei Sprachen.<br />
WER, WAS, WO, MIT WEM?<br />
Um zwei- oder gar dreisprachig aufwachsende<br />
Kinder gut zu unterstützen, kann es hilfreich<br />
sein, ihnen klare Vorgaben darüber zu geben,<br />
wann welche Sprache gesprochen wird. „Es gibt<br />
zwei Methoden mehrsprachiger Erziehung, die<br />
empfohlen werden“, sagt Sigrid Spenger. Die<br />
erste heißt „Eine Person – eine Sprache“ und<br />
sieht vor, <strong>das</strong>s Mutter und Vater ihre jeweilige<br />
Muttersprache verwenden, wenn sie mit ihrem<br />
Kind sprechen. Die zweite wird „Familiensprache<br />
– Umgebungssprache“ genannt. „Dabei<br />
wird zu Hause eine andere Sprache gesprochen<br />
als außerhalb“, erklärt Frau Spenger. Die Eltern<br />
Arkin und Neviem, zwei Türken aus Bulgarien,<br />
machen es so: Sie sprechen in den eigenen<br />
vier Wänden mit ihrer zweijährigen Tochter<br />
Alena nur Türkisch, und draußen wechseln sie<br />
konsequent zur deutschen Sprache – die beide<br />
allerdings nicht gerade optimal beherrschen.<br />
Ob es in diesem Fall empfehlenswert ist, <strong>das</strong>s<br />
die Eltern ihre mäßigen Sprachkenntnisse an<br />
ihr Kind weitergeben, kann nicht eindeutig<br />
beantwortet werden. „Es wird immer wieder<br />
beobachtet, <strong>das</strong>s Kinder, deren Eltern in guter<br />
Absicht kein einwandfreies Deutsch mit ihnen<br />
sprechen, massive Probleme haben, sich akzentfrei<br />
und grammatikalisch richtig auszudrücken“,<br />
meint Expertin Spenger. Allerdings<br />
sei es für ein Kind vor allem wichtig, „Nahrung“<br />
für die Sprachentwicklung zu erhalten,<br />
egal in welcher Sprache und egal wie gut gesprochen<br />
– hauptsache „sprechen“! Übrigens:<br />
Obwohl die beiden auch Bulgarisch sprechen,<br />
tun sie dies nicht mit ihrer Tochter. „Wir wollen<br />
Alena nicht mit drei Sprachen überfordern“,<br />
so Mutter Neviem.<br />
SPRACHVERWEIGERUNG<br />
Interessante sprachliche Verhältnisse herrschen<br />
bei Julia und Filip. Er ist Serbe, sie Österreicherin<br />
mit vietnamesischen Wurzeln. Die<br />
beiden sind seit fünf Jahren zusammen, vor<br />
drei Jahren kam ihr Sohn Aleksandar zur Welt.<br />
Der könnte eigentlich auch drei Sprachen<br />
lernen, nur: Mutter Julia mag die serbische<br />
Sprache nicht. Außerdem ist sie der Meinung,<br />
<strong>das</strong>s Aleksandar als erste und vorerst einzige<br />
Fremdsprache Vietnamesisch lernen sollte,<br />
„weil es die seltenere und schwierigere Sprache<br />
ist“. Und sie fügt hinzu: „Serbisch kann er in<br />
Wien überall und jederzeit lernen.“ Papa Filip<br />
ist notgedrungen damit einverstanden, denn<br />
Julia drohte rigoros mit Trennung, wenn er<br />
zu Hause Serbisch sprechen sollte. Ob damit<br />
zusammenhängt, <strong>das</strong>s Aleksandar nur selten<br />
spricht, wird sich allerdings schwer herausnden<br />
lassen.<br />
Generell kann es irgendwann dazu kommen,<br />
<strong>das</strong>s ein mehrsprachig aufwachsendes<br />
Kind <strong>das</strong> Sprechen verweigert. Der wahrscheinlichste<br />
Zeitpunkt hierfür ist der Eintritt<br />
in den Kindergarten, weil <strong>das</strong> Kind dort häug<br />
<strong>das</strong> einzige ist, <strong>das</strong> seine Sprache spricht. Der<br />
vierjährige Max zum Beispiel, Sohn einer Österreicherin<br />
und eines Chinesen, möchte seitdem<br />
kein Chinesisch mehr sprechen. Aber damit<br />
nicht genug: Er wehrt sich gegen alles, was<br />
mit der Heimat seines Vaters zu tun hat, also<br />
auch gegen dessen Kultur, seinen Nachnamen<br />
– er verweigert sogar chinesisches Essen. „In<br />
Fällen wie diesem ist es ratsam für die Eltern,<br />
keinen Druck auszuüben und nicht darauf zu<br />
bestehen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Kind die von ihnen gewollte<br />
Sprache spricht“, beurteilt Sigrid Spenger die<br />
Situation.<br />
Meine Tochter hat noch ein bisschen Zeit<br />
bis zum Kindergarten. Ohnehin hat sie gerade<br />
einiges damit zu tun, sich ihre eigene Sprache<br />
zusammenzubauen. Ist ihr nämlich ein deutsches<br />
Wort zu schwer, dann benutzt sie eben<br />
<strong>das</strong> ungarische – und umgekehrt. Wochenlang<br />
hat sie sich mit dem Wort „Milch“ abgemüht,<br />
dann ist sie einfach auf „tej“ umgestiegen, weil<br />
es für sie einfacher war. Manchmal kreiert sie<br />
auch Wörter, die nur noch entfernt an die erinnern,<br />
die meine Frau und ich verwenden.<br />
Wir treten regelmäßig Freunden gegenüber als<br />
Dolmetscher für unsere Tochter auf und tendieren<br />
selbst dazu, Wörter aus ihrer „Sprache“<br />
zu verwenden, wenn wir unter uns sind. Dann<br />
wird „Danke“ gerne mal zu „Dandi“,„Wasser“<br />
zu „Waja“ und „Ketchup“ zu „Dibat“. Wir hätten<br />
wohl ganz gut nach Babel gepasst.<br />
Egal was daheim gesprochen wird: Den Bau von Sandburgen zu planen geht in jeder Sprache.
MIT SCHARF<br />
43
44 RAMBAZAMBA<br />
KLANG MIT ZUKUNFT<br />
Cātālin Bâțu ist in den<br />
Kinderheimen Rumäniens<br />
aufgewachsen<br />
und studiert heute<br />
Horn in Wien. Eines<br />
Tages will er bei den<br />
Philharmonikern spielen.<br />
Dafür gibt er alles<br />
und übt täglich stundenlang.<br />
Unterstützt<br />
wird er von „CONCOR-<br />
DIA Sozialprojekte“.<br />
Unterstütze die Hilfsprojekte von<br />
CONCORDIA und hilf anderen Kindern wie<br />
Cātālin, ihr Potenzial auszuschöpfen.<br />
Spendenkonto: Concordia Sozialprojekte<br />
Raiffeisenbank Wien<br />
Kontonummer.: 7034499<br />
Bankleitzahl: 32000<br />
www.concordia.or.at<br />
Von Adam Bezeczky<br />
Susanne Einzenberger
DIE KINDHEIT von Cātālin verläu alles andere als harmonisch:<br />
Mit zweieinhalb Jahren bringt ihn seine Mutter schweren Herzens<br />
zur staatlichen Fürsorge im rumänischen Sinaia. Es ist der einzige<br />
Weg, um den schwierigen Verhältnissen zu Hause zu entkommen.<br />
Die siebenköpge Familie lebt in einer Wohnung mit zwei Zimmern,<br />
der Vater ist Alkoholiker. Cātālin sagt verständnisvoll: „Meine Mutter<br />
musste eine Lösung für uns Kinder nden.“ Insgesamt fünf der sieben<br />
Geschwister kommen in staatlichen Einrichtungen unter.<br />
KINDERHEIME<br />
Kinderheime sind keine Luxushotels, besonders nicht in Rumänien.<br />
Anfang der 90er Jahre steckt <strong>das</strong> Land in einer tiefen Wirtschaskrise<br />
und hat kein Geld für die Ärmsten der Gesellscha. Viele Kinder<br />
wurden in der Ära des Diktators Ceaușescu, also vor 1989, geboren.<br />
Sie konnten von ihren überforderten, verarmten Eltern nicht versorgt<br />
werden. Auch Cātālin durchlebt einige Stationen: Als er alt genug ist,<br />
kommt er ins Jugendheim in Bușteni. Die Erzieher entdecken schnell,<br />
was in ihm steckt: Cātālin hat eine herausragende Stimme, sein musikalisches<br />
Talent sticht beim Singen im Chor hervor. Er wird schnell<br />
zum besten Sänger, zum Solisten bei Konzerten, die vom Heim veranstaltet<br />
werden. Dann wird <strong>das</strong> Jugenheim zugesperrt, Cātālin wird<br />
wieder verlegt.<br />
Aber jetzt darf er in die „Stadt der Kinder“ übersiedeln. Das ist<br />
ein besonderer Ort in Rumänien. Errichtet wurde die Einrichtung<br />
von CONCORDIA. Dieses Sozialprojekt wurde 1991 von Pater Georg<br />
Sporschill gegründet, um Kindern aus schwierigen Verhältnissen<br />
zu helfen und ihnen ein Zuhause zu geben. Hier leben Kinder<br />
und Jugendliche mit fürsorglichen Betreuern in Kleingruppen. Viele<br />
von ihnen erleben zum ersten Mal, wie <strong>das</strong> Leben in einer „richtigen“<br />
Familie ist. Sie besuchen die Regelschule im Ort. Mit 14 Jahren<br />
steht Cātālin vor einer großen Entscheidung: Entweder kann er zu<br />
seinen Eltern zurückkehren, oder weiter bei CONCORDIA bleiben.<br />
Er entscheidet sich für CONCORDIA, mit seinen Geschwistern und<br />
seinen Eltern hält er aber trotzdem den Kontakt. Bei CONCORDIA<br />
bekommt Cātālin <strong>das</strong> erste Mal in seinem Leben Unterricht von Musikprofessor<br />
Liviu Săvuță. Er nimmt den begabten Cātālin unter seine<br />
Fittiche und stellt ihm verschiedene Musikinstrumente vor.<br />
DAS LEBEN BEIM HORN PACKEN<br />
„Das Horn hat mich gefunden“, gesteht Cātālin lachend. „Es ist ein<br />
fast unbekanntes Instrument bei uns“, erzählt er. „Musik wird in Rumänien<br />
eher mit der Klarinette, mit der Geige oder mit dem Zymbal<br />
gemacht.“ Doch Cātālin ist motiviert, er übt in jeder freien Minute<br />
auf dem Instrument. Der Erfolg lässt nicht auf sich warten: 2005<br />
gewinnt er <strong>das</strong> erste Mal den nationalen Nachwuchsmusikerwettbewerb<br />
in Rumänien. „Das hat mir bestätigt, <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> Richtige mache“,<br />
sagt Cātālin. 2007 gewinnt er den Wettbewerb zum zweiten Mal.<br />
Nach dem jährlichen Benezkonzert von CONCORDIA in Wien<br />
erhält Cātālin die große Chance, sein Studium in Wien fortzusetzen.<br />
Familie Oberlechner und Günter Kerner unterstützen ihn dabei. An<br />
der Universität für Musik und darstellende Kunst soll er im Instrumentalstudium<br />
Horn ausgebildet werden.<br />
Dafür lernt er die deutsche Sprache und muss die schwere Aufnahmeprüfung<br />
schaen. Cātālin setzt sich gegen die starke Konkurrenz<br />
aus der ganzen Welt durch und beginnt mit dem Studium des Wiener<br />
Horns. Dieses Instrument verwenden nur die besten Orchester der<br />
Welt, weil es so schwierig zu spielen ist. Es ist sein größter Traum,<br />
nach dem Studium bei den Wiener Philharmonikern als Berufsmusiker<br />
zu spielen. Um <strong>das</strong> zu schaen, übt er täglich drei bis vier Stunden.<br />
Zusätzlich dazu arbeitet Cātālin neun Stunden die Woche für ein<br />
Unternehmen in der Materialprüfung. Sein Fleiß und seine Ausdauer<br />
sind wichtige Grundsteine für weitere Erfolge in der Zukun.<br />
Deutsch und 30 Fremdsprachen<br />
www.sprachenzentrum.at<br />
www.deutschlernen.at<br />
RAMBAZAMBA<br />
WENN SICH ALLES DREHT<br />
Von Marina Delcheva<br />
Senad Hergić ist 17 Jahre alt, als der Krieg seine bosnische Heimat<br />
erobert. Bleiben kann er nicht, also kriecht er durch einen geheimen<br />
Tunnel, der unter Sarajevos Flughafen verläuft, an den Stadtrand. Er<br />
trägt nur einen Rucksack am Rücken und blickt ein letztes Mal auf<br />
seine zerstörte Heimatstadt. Das ist der Moment, der sein Leben verändert<br />
hat.<br />
„Als ich diese Geschichte gehört habe, wusste ich, ich muss etwas<br />
machen“, erzählt Brigitte Lendl, Co-Autorin des Buchs „… und dann<br />
war alles anders.“. Das Werk erzählt von den wichtigsten Momenten<br />
im Leben von 39 Menschen unterschiedlicher Herkunft. Momente, die<br />
ihr Leben verändert haben, sie zu neuen Menschen gemacht oder ihr<br />
Leben zerstört haben. Der heute 23-jährigen Irma wurde beispielsweise<br />
erst dann bewusst, <strong>das</strong>s der Balkankrieg ihr Leben verändert hat,<br />
als sie ihre abgemagerte und verängstigte Tante nach langer Zeit auf<br />
einem Wiener Spielplatz wieder trifft. Aleksandra Izdebska, die Gründerin<br />
von DiTech, erzählt, wie es ist, in einem vollen Klassenzimmer<br />
zu sitzen und keine Silbe zu verstehen. Neben Izdebska kommen auch<br />
andere Promis wie Arabella Kiesbauer, Ioan Holender und Stefano Bernardin<br />
zu Wort. Die Herausgeber Brigitte Lendl, Susanne Athanasiadis<br />
und Stefan Gormász haben diese 39 Geschichten gesammelt und verschriftlicht.<br />
„… und dann war alles<br />
anders.“ erscheint<br />
am 15. Oktober im<br />
„echomedia“ Verlag.<br />
19,80 Euro im<br />
Buchhandel.<br />
45
46 MIT SCHARF
Foto von Sebatian Freiler<br />
RAUS AUS DER<br />
WEGWERF-GESELLSCHAFT!<br />
ÖKO-SPEZIAL<br />
47
48<br />
ÖKO-SPEZIAL<br />
HART AM
WIND<br />
NICHTS FÜR PAMPERS-TRÄGER:<br />
BIBER-REDAKTEUR AMAR RAJKOVIĆ FOLGT ZWEI<br />
WINDRADTECHNIKERN AUF IHREM TÄGLICHEN<br />
AUFSTIEG IN 100 METER HÖHE. SICHERHEITSGURTE<br />
AN, STOSSGEBET ZUM HIMMEL UND LOS GEHT’S!<br />
Fotos: Marko Mestrović<br />
Posen in luftiger Höhe:<br />
Für Ely (links) und Bernhard<br />
(rechts) ein Kinderspiel.<br />
ÖKO-SPEZIAL<br />
„ALLES DAS, WAS AUS DER STECKDOSE<br />
HERAUSKOMMT.“ Aha, jetzt habe ich endlich<br />
eine Ahnung, welche Fachhochschule Bernhard<br />
Rasinger absolviert hat. Dem 31-jährigen<br />
Windradtechniker und Dipl. Ingenieur für Infrastrukturwirtscha<br />
steht bei unserer Begrüßung<br />
um acht Uhr morgens der Schlaf noch deutlich<br />
im Gesicht geschrieben. Kaum vorstellbar, <strong>das</strong>s<br />
dieser Kerl mit hagerer Gestalt in einer Stunde<br />
unsere Lebensversicherung in knapp 100 Meter<br />
Höhe sein wird. Dann geht es nämlich senkrecht<br />
auf <strong>das</strong> Windrad hinauf – auf einer Leiter, gesichert<br />
und in Anwesenheit von Pros. Eigentlich<br />
kein Grund zur Sorge, wäre da nicht die Höhenangst,<br />
die sowohl dem Fotografen als auch mir in<br />
der Nacht davor Albträume beschert hat. Aber<br />
irgendwie muss ich gegen diese Phobie ankämpfen,<br />
allein um zu vermeiden, immer wieder vom<br />
plötzlich aufreißenden Erdboden verschluckt zu<br />
werden.<br />
WIND-O-RADO<br />
Unsere Destination ist Parndorf. Während Otto<br />
Normalverbraucher <strong>das</strong> beschauliche Dorf im<br />
Burgenland mit Marken zu Discount-Preisen<br />
verbindet, lässt die Parndorfer Platte <strong>das</strong> Herz<br />
jedes Windkenners höher schlagen. Sie zählt mit<br />
300 Windrädern zu den windreichsten Binnenregionen<br />
Europas, die aus dem Landschasbild<br />
nicht wegzudenken sind. Die Anspannung steigt,<br />
Bernhard ist mittlerweile aus der Morgenapathie<br />
erwacht und wir mit Fachwissen um sich. Das<br />
Windrad habe eine Spitzenleistung von 1,2 Megawatt,<br />
die Höhe der Gondel beträgt 86 Meter. Dort<br />
benden sich der Generator und <strong>das</strong> Getriebe.<br />
49
50 ÖKO-SPEZIAL<br />
Ich habe Schwierigkeiten, Bernhards 1x1 des<br />
Windrades zu folgen, zu groß ist die Angst vor<br />
dem bevorstehenden Aufstieg. Mein Körper<br />
geht schon in Abwehrhaltung, die Handäche<br />
wird so feucht, <strong>das</strong>s mir der Kugelschreiber aus<br />
der Hand iegt.<br />
STADTSCHEU<br />
Wir nehmen die Autobahnausfahrt und fahren<br />
auf einem Feldweg weiter. Ein letztes Mal quält<br />
sich der alte BMW über Stein und Geröll, bis<br />
er vor dem Propellergiganten halt macht. Aus<br />
der Entfernung sehen Windräder wie winzige<br />
Büroventilatoren aus, dieser Eindruck legt sich<br />
aber schnell. Bernhard und sein Partner Ely<br />
Moubueya arbeiten für <strong>das</strong> Energieunternehmen<br />
„Ökostrom“. Die Firma betreibt 16 Windräder,<br />
darunter die einzige Anlage in Wien, am<br />
Hafen Freudenau. Warum die Stadt nicht von<br />
Windrädern übersät ist, liegt am erzeugten<br />
Lärm und den strengen Sicherheitsauagen:<br />
„Im Winter bilden sich Eisplatten auf den Rotorächen,<br />
die beim Schmelzen zu tödlichen<br />
Geschossen werden können“, so Bernhard.<br />
Ich sehe mich schon als tollkühnen Reporter,<br />
der trotz Höhenangst da raulettern will, um<br />
dann von einem Eiszapfen erschlagen zu werden.<br />
Zum Glück ist nicht Winter.<br />
ANGSTSCHWEISS UND ROTORENLÄRM<br />
Einmal wöchentlich inspizieren Bernhard und<br />
Ely die Windradanlagen. „Gewöhnlich sind es<br />
zwei Anlagen, maximal fünf “, grenzt Bernhard<br />
sein Arbeitspensum ein, während er mir mit<br />
dem Anlegen des Sicherheitsgurtes hil. Die<br />
Gesundheit der Windtechniker hat oberste<br />
Priorität, ein falscher Schritt kann den Tod bedeuten.<br />
Deswegen ist es auch verboten, alleine<br />
auf den Turm zu klettern – ähnlich wie beim<br />
„Buddy“-System im Tauchen. Noch Handschuhe<br />
überziehen, kurze Einschulung und<br />
los geht’s! Ely schwingt sich als Erster auf die<br />
Leiter. Er ist schnell auf den Beinen und macht<br />
mühelos Höhenmeter gut. Ich versuche mich<br />
gar nicht stressen zu lassen, merke aber, <strong>das</strong>s<br />
selbst mein Fotograf hinter mir ungeduldig<br />
wird. Marko, du Verräter, dabei dachte ich,<br />
du hast auch Höhenangst! Ich lasse ihn vorbeiziehen.<br />
Hinter mir ist nur mehr Bernhard,<br />
der mich wie ein Fels in der Brandung mit Gesprächen<br />
ablenkt und mir auch jederzeit den<br />
Abstieg anbietet. „Du musst dich wohlfühlen,<br />
ich möchte dich nicht wie einen Bekannten<br />
runterholen müssen, der vom Festkrallen an<br />
der Leiter einen Abdruck auf den Händen hatte.“<br />
In diesem Moment erfasst mich der Angstschweiß.<br />
Wir legen nach der zweiten Luke eine<br />
Pause ein. Plötzlich wird es ganz laut. Bernhards<br />
Augen fangen an zu funkeln: „Hörst du<br />
<strong>das</strong>?“, fragt er mich. „Das sind die Rotoren,<br />
„Beim ersten Aufstieg hatte ich Todesangst, jetzt kann ich mir nichts Besseres vorstellen.“<br />
Ely, 29, Windradtechniker.<br />
WINDENERGIE –<br />
MEHR ALS EIN LAUES LÜFTCHEN?<br />
Windenergie deckt 6% des Strombedarfs österreichweit.<br />
Rund 65.000 Windräder gibt es europaweit, 772 in Österreich<br />
(Quelle: IG Windkraft).<br />
Eine moderne Windkraftanlage mit drei Megawatt Leistung erzeugt<br />
pro Jahr Strom für den Verbrauch von mehr als 1.800 Haushalten<br />
oder 5.700 Personen, diese entspricht der Größe von Melk, NÖ.<br />
Mehr als eine Million Haushalte beziehen Windenergie (30% der<br />
österreichischen Haushalte).<br />
Die Anschaffung eines Windrades kostet rund zwei Millionen Euro.<br />
die Anlage wurde gerade hochgefahren.“ Na<br />
toll. Zur Höhenangst kommt jetzt auch noch<br />
die Seekrankheit. Der ganze Turm wackelt wie<br />
ein angeschlagener Boxer, <strong>das</strong> Ganze hat etwas<br />
von Ridley Scott‘s „Alien“ – Stahl, Platzangst,<br />
Lärm. Zum Glück sind wir gleich ganz oben,<br />
in der Gondel.<br />
ÜBER DEN FELDERN<br />
Im Herzstück der Anlage steht ein riesiger<br />
Generator, der die durch Wind gewonnene<br />
Energie ins Stromnetz einspeist. Dahinter<br />
<strong>das</strong> Getriebe, rechts davon ein Computer mit<br />
Anzeigen zur Windgeschwindigkeit gewonnener<br />
Energie und anderen Parametern, die<br />
nur Fachmännern etwas sagen düren (Nein,<br />
ich bin keiner). In der Gondel ist jeder Schritt<br />
gut überlegt und ich bin froh, als Ely die Luke<br />
zur Freiheit aufmacht. Es wird endlich wieder<br />
hell. Die gigantischen Rotorblätter rauschen<br />
knapp an meinem bosnischen Riesenschädel<br />
vorbei. Der Ausblick aus 86 Metern Höhe ist<br />
überwältigend. Sowohl Bratislava als auch der<br />
Neusiedlersee verzieren <strong>das</strong> Panoramabild.<br />
Am Horizont rotieren schier unzählige andere<br />
Windanlagen um die Wette, <strong>das</strong> hat etwas
Hypnotisches. Petrus ist uns an diesem<br />
Tag wohlgesonnen und lässt <strong>das</strong> ganze<br />
Parndorfer Becken im Sonnenschein erstrahlen.<br />
Immer wieder dreht sich die<br />
Gondel in die Richtung des Windes, selbst<br />
die drei 60 Meter langen Rotorblätter können<br />
sich drehen. Erst jetzt wird mir klar,<br />
was für Hightech-Geräte die dreiblättrigen<br />
Riesen tatsächlich sind und welche<br />
verantwortungsvolle Aufgabe Ely und<br />
Bernhard bei ihrer Arbeit übernehmen.<br />
Ganze 500 Mal hat der Hobbymusiker seit<br />
2009 ein Windrad bestiegen. Er steigt auf<br />
die Decke der Gondel und streckt seine<br />
Arme zu den Rotoren: „Hier beginnt <strong>das</strong>,<br />
was du aus der Steckdose herauskriegst.“<br />
So simpel und doch so faszinierend. Sein<br />
Kollege Ely nickt: „Ich habe beim ersten<br />
Einsatz Gott gebeten, mir meine Sünden<br />
zu verzeihen, weil ich Todesangst hatte.<br />
Jetzt kann ich mir keinen besseren Job<br />
vorstellen.“ Die Jungs lieben ihre Arbeit.<br />
Und ich meine. Besonders nachdem ich<br />
den festen Boden unter meinen Füssen<br />
wieder spürte.<br />
PS: Ich fordere eine Gehaltserhöhung!<br />
Wie komme ich<br />
als Unternehmerin<br />
an Förderungen?<br />
Richtige Antwort:<br />
Förderreferat<br />
der Wirtschaftskammer<br />
Wien<br />
01/514 50-1055<br />
wienerfoerderungen@wkw.at<br />
Nur noch 283 Stufen bis zum Ziel. Übrigens, Redakteur Amar hat seine Höhenangst NICHT besiegt.<br />
Unternehmer haben nichts zu verschenken. Das Förderreferat der Wirt schaftskammer<br />
Wien berät Sie kostenlos, wie Sie zu passenden Förderungen kommen.<br />
Informieren Sie sich jetzt: T 01/514 50-1055, E wienerfoerderungen@wkw.at<br />
ÖKO-SPEZIAL<br />
51<br />
Weiter kommen.
52 ÖKO-SPEZIAL<br />
SCHENKEN, KAUFEN, HABEN<br />
MEINS!
ÖKO-SPEZIAL<br />
EINEN WINTERMANTEL UM 20 EURO ERGATTERT UND DER ALTE TISCH IST ENDLICH WEG<br />
– IM NETZ KÖNNEN WIR GANZ LEICHT ALTE SACHEN LOSWERDEN UND GÜNSTIG NEUE<br />
BEKOMMEN. DOCH HALTEN DIE PLATTFORMEN AUCH DAS, WAS SIE VERSPRECHEN?<br />
WIR TESTEN FÜR EUCH DEN ONLINE-BÖRSENMARKT.<br />
Von Melissa Fabian, Asmaa Hemdan und Amelie Chapalain (Fotos)<br />
WEGWERFEN UND NEU KAUFEN war gestern. Vintage ist nicht<br />
nur hip, sondern ökologisch. Second-Hand-Shops, Tauschbörsen und<br />
„Verschenk-Plattformen“ sprießen auch im Internet aus allen Löchern.<br />
Die <strong>biber</strong>-Redakteurinnen Melissa Fabian und Asmaa Hemdan haben<br />
für euch die besten Online-Seiten getestet.<br />
PRINZESSIN AUF DER PLATTFORM –<br />
WIENER SHOPPINGBÖRSE<br />
Die „Wiener Shoppingbörse“ ist eine von Frauen für Frauen entwickelte<br />
Gruppe auf Facebook. Alte Kleider, Schuhe und Taschen werden hier<br />
verkau, getauscht und verschenkt. Zuerst tritt man der FB-Gruppe bei,<br />
dann stellst du beispielsweise ein Bild von deinem letztjährigen Wintermantel<br />
online und wer Interesse hat, kommentiert dein Bild. Die Kaufdetails<br />
wickelt ihr per Privatnachricht ab. Eigentlich wurden hier nur<br />
Kleidung und Schmuck gehandelt. Heute ndest du alles: von Tieren,<br />
Nägel machen bis zur verschreibungspichtigen Pille alles. Letztere solltest<br />
du aber wirklich nicht über <strong>das</strong> Netz kaufen.<br />
Wir testen:<br />
Melissa möchte ihren alten Glas-Couchtisch loswerden. Wir stellen also<br />
ein Foto in die Gruppe und ehe wir uns versehen, ist er auch schon<br />
verkau: Um fünf Euro und mit Selbstabholung geht er weg. Ein junges<br />
Paar freut sich über den „neuen“ Couchtisch für seine erste, gemeinsame<br />
Wohnung.<br />
Jede Frau muss einen Parka-Mantel im Kleiderschrank haben. Dieser<br />
ist aber unter 50 Euro nirgends zu bekommen. Umso mehr freuen wir<br />
uns, als wir einen praktisch unbenutzten Parka auf der „Wiener Shoppingbörse“<br />
nden. Zwei Tage später sind wir Besitzerinnen eines Parkas<br />
im Wert von knapp 60 Euro und nur 20 Euro ärmer. Jetzt müssen wir<br />
uns nur noch streiten, wer ihn bekommen soll. Julia B., die Verkäuferin,<br />
erzählte uns, <strong>das</strong>s sie schon viele, alte Sachen hier losgeworden ist. Die<br />
17-jährige Schülerin stockt hier ihr Taschengeld regelmäßig auf. Das<br />
Geschä läu aber nicht immer unkompliziert. „Viele der Interessenten<br />
melden sich plötzlich nicht mehr, oder tauchen am vereinbarten Trepunkt<br />
nicht auf “, erzählt sie.<br />
FASHION-KARUSSEL<br />
DER KLEIDERKREISEL<br />
Im Gegensatz zur „Wiener Shoppingbörse“ ist die Suche auf der Homepage<br />
des „Kleiderkreisel“ wesentlich einfacher. Hier wird nicht nur<br />
nach bestimmten Kleidungsstücken, sondern auch nach Marken, Farben,<br />
Preisen und sogar nach Standort gegliedert. „Kleiderkreisel“ bietet<br />
großteils nur Kleidung und Accessoires an. Neben dem Shoppen kannst<br />
du auch Blogs zum ema Reisen, Essen und Schönheit folgen – Blödsinn<br />
exklusive.<br />
Wir testen:<br />
Nach einer halben Stunde stöbern, springt uns eine hübsche Bluse ins<br />
Auge. Neben dem Foto gibt es eine kleine Box mit Infos zu Größe, Aufenthaltsort<br />
und einen „Anfrage“-Button. Wie in einem Chat poppt ein<br />
Fenster auf, in dem du den Verkäufer anschreiben kannst.<br />
Wir machen uns also Ort und Zeit aus. Am ausgemachten Tag ändert<br />
die Verkäuferin aber vier Mal den Trepunkt. Nach fünf (!) Ö-<br />
Fahrten und insgesamt drei Stunden hin und her hat die Bluse endlich<br />
ihren Besitzer gewechselt. Dann der nächste Schock: Statt der versprochenen<br />
Größe 36, hat <strong>das</strong> gute Stück die Größe Large und wir müssen<br />
sie zusammen tragen, um sie auszufüllen. Die ausgegebenen zehn Euro<br />
hätten wir besser investieren können. Um der Website noch eine Chance<br />
zu geben, suchen wir nach einem Bikini für einen Türkei-Urlaub im<br />
Oktober. Da die Verkäuferin derzeit in einem anderen Bundesland ist,<br />
schickt sie uns den Bikini erfolgreich und pannenlos per Post zu.<br />
3. - 7. Oktober <strong>2013</strong><br />
www.suncompany.at<br />
53
54 ÖKO-SPEZIAL<br />
„GEBE DEINEM NÄCHSTEN“<br />
SHARE & CARE<br />
„Share & Care“ ist eine Facebook-Gruppe, in der alles mögliche verschenkt<br />
wird. Die Gruppenmitglieder stellen ihre Sachen online und<br />
warten auf Interessenten. Wie bei jeder anderen Facebook-Gruppe<br />
postest du eine Artikelbeschreibung mit Foto. Wenn du etwas haben<br />
möchtest, kommentierst du einfach einen Beitrag, oder schickst dem<br />
Schenker eine Privatnachricht.<br />
Wir testen:<br />
Asmaa möchte vier alte Studienbücher loswerden, die sie Gott sei Dank<br />
nie wieder lesen muss. Schon nach einer halben Stunde meldet sich<br />
die erste Interessentin. Bei der genauen Ortsvereinbarung war sie leider<br />
nicht so schnell: Nach vier Stunden sind wir uns endlich einig, <strong>das</strong>s<br />
wir uns am Westbahnhof tre en, um die Bücher zu übergeben und <strong>das</strong><br />
war‘s – dachten wir.<br />
Am selben Abend teilt uns eine Dame mit, <strong>das</strong>s sie sich übergangen<br />
fühlt, da nicht sie, sondern jemand anderes die Bücher bekommen<br />
hat. Auch wir versuchten erfolglos unser Glück bei einer Bluse, einem<br />
P egeset und einem Rucksack. Beschenkt zu werden ist gar nicht so<br />
einfach. Regeln gibt es keine. Du kannst der Erste sein, der Interesse<br />
zeigt und trotzdem nichts bekommen. Außer du hast Glück und ndest<br />
Leute, die nach dem Prinzip „ rst come, rst served“ handeln. Sonst<br />
musst du um Sympathie buhlen. Die Seite ist super um alte Sachen zu<br />
verschenken, aber verlasse dich nicht auf eine Gegenleistung.<br />
Red Bull Music Academy<br />
Bass Camp Stage<br />
aplot<br />
beware<br />
dizzy womack<br />
florian blauensteiner<br />
visual concept<br />
by<br />
functionist<br />
janefon<strong>das</strong><br />
joyce muniz<br />
ken hayakawa<br />
„BITTE, ICH WILL´S HABEN!“<br />
WILLHABEN.AT<br />
tickets gibt’s OUT bei OF wienxtra AUT – jugendinfo (babenbergerstr.), in jeder bank austria mit ermäßigung für megacard-members,<br />
über www.oeticket.com oder unter +43 1 96 0 96. vvk eur 13,- / ak 16,-<br />
Mit über einer Million Anzeigen ist „willhaben.at“ der größte, kostenlose<br />
Online-Marktplatz Österreichs. Hier gibt es alles – vom Top appen<br />
bis zum Porsche oder Schlafzimmerkasten. Die Seite bietet neben den<br />
„Marktplatz“-Kategorien auch Immobilien-, Auto- & Motor-, Job- &<br />
Karriere- und sogar Urlaubsangebote. Übrigens: „willhaben.at“ wird<br />
von den österreichischen Tageszeitungen „Die Presse“ und der „Kleinen<br />
Zeitung“ betrieben und ist seit 2007 aktiv.<br />
Wir testen:<br />
Wir stellen Asmaas gebrauchten Acer-Laptop für 180 Euro online. Ein<br />
Wiener möchte gleich am nächsten Tag vorbeikommen und sich <strong>das</strong><br />
Notebook anschauen. Der reparaturbedür ige Laptop sei für seine kleine<br />
Tochter. Nach langem Hin und Her wollen wir dann doch so ehrlich<br />
sein und raten dem Mann vom Kauf ab. So viel ist <strong>das</strong> alte Teil<br />
doch nicht wert. Schon am nächsten Tag kommt die zweite Anfrage von<br />
einem IT-Pro . Ihm können wir nichts vormachen und gehen mit dem<br />
Preis runter. Er sagt zu und Asmaa ist um 140 Euro reicher.<br />
Unser Fazit:<br />
Bei den Vintage-Online-Angeboten hapert es noch ein wenig an der<br />
Umsetzung. Im Großen und Ganzen ist es aber eine gute Alternative um<br />
Geld zu sparen und schnell welches zu machen.<br />
Online-Shoppingbörsen: schnell und günstig, so why not?<br />
eine nacht der elektronischen musikkultur<br />
im wiener rathaus freitag 08. 11. 13 ab 22:00<br />
kristian davidek<br />
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MIT SCHARF<br />
55
56 SPECIAL<br />
BIZ NEWS<br />
Hält oft länger als es<br />
drauf steht: Ulli Sima<br />
fordert, <strong>das</strong>s Lebensmittel<br />
nicht einfach so<br />
in der Tonne landen.<br />
VERPUTZEN STATT<br />
WEGSCHMEISSEN<br />
Jährlich schmeißt jeder Wiener Haushalt im Schni 400 Euro an genießbaren<br />
Lebensmieln in den Müll. Das sind etwa 40 Kilogramm pro Person. Mit der<br />
Kampagne „Verputzen sta Verschwenden!“ ru Umweltstadträtin Ulli Sima<br />
zu einem bewussteren Umgang mit Essen auf. Viele Lebensmiel landen ungeönet<br />
im Restmüll, weil ihr Ablaufdatum überschrien ist, obwohl diese noch<br />
genießbar wären. Neben dem ethischen Aspekt belastet <strong>das</strong> auch die Umwelt.<br />
Deshalb sollten Kunden nur so viel einkaufen, wie sie brauchen. Auf www.wenigermist.at<br />
gibt es Tipps zur besseren Verwertung und Restl-Rezepte.<br />
Daumen hoch! Das Auto einfach mal stehen lassen und stattdessen<br />
auf Rad und Bahn umsteigen.<br />
ÖKOSTROM FÜR UPC<br />
Der Kabelnetzbetreiber UPC verpichtet sich<br />
bis Ende des Jahres österreichweit nur noch<br />
Ökostrom für alle unternehmenseigenen Büros,<br />
Server- und Technikzentren zu beziehen. Für seine<br />
Niederlassung in Wien hat UPC schon auf Ökostrom<br />
umgestellt. Die grüne Energie wird von mehreren<br />
Anbietern bezogen und beinhaltet nur Energie, die<br />
aus erneuerbaren Quellen stammt – also aus Sonne,<br />
Wind und Wasser. Zudem fanden am 6. September<br />
bei UPC die „Corporate Responsibility“-Tage sta:<br />
Für jeden Mitarbeiter, der am 6. September mit dem<br />
Rad zur Arbeit kam, spendete UPC zehn Euro an die<br />
Wiener Gru.<br />
Happy: Martin Blum, Radverkehrsbeauftragter für<br />
Wien, Ingrid Rachbauer, Caritas Wien, und Silvia<br />
Schöpf, UPC Bereichsleiterin Customer Operations,<br />
freuen sich über <strong>das</strong> gesammelte Geld.<br />
EUROPÄISCHE<br />
MOBILITÄTSWOCHE<br />
IN WIEN<br />
Vom 16. bis zum 22. September fand in Wien erneut die<br />
Mobilitätswoche sta. In dieser Zeit sollen sich Menschen<br />
mit einer autofreien Umwelt auseinandersetzen<br />
und ihr Bewusstsein dafür sensibilisieren. Der autofreie<br />
22. September war der Höhepunkt des Programms. Der<br />
erste „autofreie Tag“ fand übrigens am 22. September<br />
1998 in Frankreich sta. Damals schlossen sich gleich<br />
35 Gemeinden der Initiative an. Seit 2002 gibt es in ganz<br />
Europa eine Mobilitätswoche. Im Vorjahr haben 2150<br />
Städte aus 35 Ländern mitgemacht. Unterstützer der österreichischen<br />
Mobilitätswoche waren <strong>das</strong> Lebensministerium,<br />
<strong>das</strong> Klimabündnis Österreich und die ÖBB.<br />
Fotos: Praschl/ÖBB/Klimabündnis, UPC / keinrath.com, pid/jobst
EIN PAAR CENT<br />
FÜR DIE GUTE<br />
SACHE<br />
Am 9. September hat REWE gemeinsam<br />
mit der Caritas die Aktion „Aufrunder<br />
bewirken Wunder“ gestartet. Kunden von<br />
Billa, Merkur, Bipa und Penny sind dazu<br />
aufgerufen, den fälligen Betrag auf die<br />
nächsthöhere Cent-Summe aufzurunden.<br />
Wenn also die Einkaufssumme 10,46<br />
Euro beträgt, kann man an der Kassa<br />
„Aufrunden, bi e!“ sagen und zahlt 10,50<br />
Euro. Die Di erenz, hier die vier Cent,<br />
kommen unterschiedlichen Caritas-<br />
Projekten zugute. Billa unterstützt dabei<br />
die Familienhilfefonds der 36 Caritas<br />
Sozialberatungsstellen. Merkur sammelt<br />
für die Lerncafés. Bipa förderte die Mu er-<br />
Kind-Häuser der Caritas. Und Penny<br />
nanzierte mit den Kundenspenden<br />
Fonds für ältere Menschen in Not.<br />
HOFER GOES<br />
GRÜNSTROM<br />
Bereits zu Jahresbeginn haben Hofer und<br />
die Partner rma „oekostrom“ Grünstrom<br />
an den Kunden gebracht. Nun wird im<br />
Rahmen der Nachhaltigkeitsinitiative<br />
„Projekt 2020“ ein weiteres Mal mit einer<br />
Grünstrom-Aktion geworben. Seit<br />
dem 18. September gibt es saubere Energie<br />
zum Discountpreis. 90 Prozent<br />
des Stroms kommen dabei aus österreichischen<br />
Kleinwasserkra werken, neun<br />
Prozent aus Windkra werken und ein<br />
Prozent wird aus Lichtenergie mi els Solarzellen<br />
bezogen. Zudem können Hofer-<br />
Kunden seit dem 26. September Geräte<br />
kaufen, die beim Energiesparen helfen<br />
– von der sparsamen Waschmaschine<br />
bis zum Heizkörperthermostat. Der Discounter<br />
selbst stellte Anfang <strong>2013</strong> auf<br />
Grünstrom aus Österreich um.<br />
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Grundausbildung. Danach vermittelt <strong>biber</strong> ein Praktikum bei einem österreichischen<br />
Leitmedium oder einer renommierten Presse- oder Kommunikationsabteilung. Das Ziel<br />
der „mit scharf“-Akademie ist es, die journalistische Elite des neuen Österreichs zu<br />
rekrutieren und auszubilden. Das Stipendium ist mit 600 Euro monatlich dotiert.<br />
Bist du interessiert und zwischen 18 und 28 Jahre alt? Schick uns deinen Lebenslauf<br />
und sag uns, warum du <strong>das</strong> Stipendium bekommen sollst und welche Storys du gerne<br />
schreiben würdest. Die österreichische Staatsbürgerschaft ist keine Voraussetzung.<br />
Für uns zählen deine Motivation und deine Ideen, nicht deine Nationalität.<br />
Bewerbung an: redaktion@<strong>das</strong><strong>biber</strong>.at<br />
Das Projekt der „mit scharf“-Akademie wird finanziell gefördert von Bundesministerium für Inneres, Novomatic,<br />
OMV, der Industriellenvereinigung sowie der Bawag/PSK. Wir danken unseren Sponsoren.
ÖKO-SPEZIAL<br />
LAND DER FÖRDERUNGEN<br />
DAMIT UMWELTSCHUTZ UND<br />
ÖKO-ENERGIE NICHT ZUM<br />
UNERSCHWINGLICHEN LU-<br />
XUS WERDEN, SPONSERN<br />
LAND, BUND UND MINISTE-<br />
RIEN DIE ANSCHAFFUNG VON<br />
SOLARZELLEN ODER DEN FEN-<br />
STERTAUSCH.<br />
GELD FÜRS WÄRME SPAREN<br />
Das Lebensministerium und <strong>das</strong> Wirtschasministerium fördern<br />
mit bis zu 5.000 Euro die termische Sanierung von alten Häusern.<br />
Hauseigentümer, Wohnungseigentümer und sogar Mieter können<br />
einen Zuschlag für den Fensterwechsel, die Dämmung der Außenfassade<br />
und vieles mehr beantragen. Übernommen werden bis zu<br />
20 Prozent der Sanierungskosten, aber nicht mehr als 5.000 Euro.<br />
Voraussetzung: Das Wohnhaus muss älter als 20 Jahre sein. Wer<br />
sein Wärmeerzeugungssystem erneuern möchte, kann eine Förderung<br />
bis zu 2.000 Euro beantragen. Und wer Dämmstoe aus nachwachsenden<br />
Rohstoen verwendet, oder Holzfenster wählt, kann<br />
jeweils einen Zuschlag von 500 Euro beantragen. Alle Infos unter:<br />
http://bit.ly/16e4HwN<br />
DIE KRAFT DER SONNE<br />
Bis Ende <strong>November</strong> vergibt <strong>das</strong> Land Wien Förderungen für die<br />
Errichtung von Solarstromanlagen an private Haushalte. Wiener<br />
Wohnungseigentümer können damit bis zu 40 Prozent der Anschaungskosten<br />
sparen. Gefördert werden nur Anlagen, die über<br />
5kW peak hinausgehen, also 5.000 Kilowatt Strom pro Jahr erzeugen.<br />
Achtung: Für die ersten 5kW peak muss ein Antrag im Rahmen der<br />
Förderaktion des Klima- und Energiefonds <strong>2013</strong> gestellt werden.<br />
Alle Infos unter: http://bit.ly/1bvuO38<br />
NACHHALTIG PRODUZIEREN<br />
Auch für kleine und mittlere Unternehmen, die in ihren Betrieben<br />
ressourcen- und umweltschonende Maschinen verwenden, gibt es<br />
eine Vielzahl an Förderungen. Das Lebensministerium fördert beispielsweise<br />
bis Ende des Jahres die Umstellung auf energiesparende<br />
LED-Systeme und LED-Leuchtmittel. Gefördert werden maximal<br />
zehn Standorte mit 300 bis 700 Euro pro Kilowatt oder 30 Prozent<br />
der Kosten. Geld gibt es auch für Unternehmen, die auf Kühl- und<br />
Ventilationsmaschinen mit Antriebsenergie aus erneuerbaren Energieträgern<br />
umsteigen. Diese bekommen bis zu 35 Prozent der<br />
Kosten vergütet. Alle Infos unter: http://bit.ly/17OHu18<br />
GELD FÜR DEN MARKTEINTRITT<br />
Die „Forschungsförderungsgesellscha“ (FFG) vergibt günstige<br />
und fast zinsfreie Darlehen an junge, innovative Unternehmer für<br />
den Markteintritt ihrer Produkte. In Österreich wird zwar viel in<br />
die Forschung, Entwicklung und Innovation investiert, aber jedes<br />
zweite Produkt scha wegen Kapitalmangels nicht den Markteintritt.<br />
Im Rahmen des Programms „Markt Start“ können Unternehmen<br />
mit bis zu 50 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von<br />
maximal zehn Millionen Euro Darlehen bis zu einer Million Euro<br />
beantragen. Voraussetzung ist, <strong>das</strong>s die Entwicklung des Produktes<br />
im Rahmen der FFG bereits gefördert wurde und <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Unternehmen<br />
nicht älter als sechs Jahre alt ist. Alle Infos unter: http://<br />
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Österreich spart Energie<br />
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59
60 ÖKO-SPEZIAL<br />
STROM FÜR WENIG KOHLE<br />
Von Adam Bezeczky<br />
MINDESTENS EINMAL IM JAHR<br />
DENKT MAN AN DIE STROM-<br />
PREISE. GENAU DANN, WENN DIE<br />
JAHRESABRECHNUNG INS POST-<br />
KASTL FLATTERT. ELEKTRISIERT<br />
VON NACHZAHLUNGEN UND ER-<br />
HÖHTEN TEILBETRÄGEN VERZWEI-<br />
FELT MAN: „BIN ICH WIRKLICH<br />
BEIM GÜNSTIGSTEN ANBIETER?“<br />
HEUER war‘s bis weit in den März hinein kalt. Das<br />
zeigt sich auf der Jahresabrechnung: Eine saige<br />
Nachzahlung verheizt die Kohle auf dem Konto.<br />
Was tun? Die Nona-Antwort lautet – sparsamer<br />
sein. Aber auch ein Wechsel des Energieversorgers<br />
kann sich auszahlen. Bloß, wie funktioniert <strong>das</strong> und<br />
was muss man beachten?<br />
WENIGER WIDERSTAND FÜR WECHSLER<br />
Seit Oktober 2002 ist der Energiemarkt in Österreich<br />
vollständig freigegeben. Wie beim Handyvertrag<br />
können Kunden aus vielen Anbietern frei wählen.<br />
Für eine schnelle Übersicht über Preise und Stromanbieter<br />
verwendet man am besten <strong>das</strong> Internet.<br />
Auf Vergleichsportalen kann man entweder die vebrauchten<br />
Mengen in Kilowattstunden (den Betrag<br />
ndet man auf der Jahresabrechnung!), oder Haus-<br />
haltsgröße eingeben. Bei letzterem wird der Verbrauch<br />
einfach geschätzt. Nach einer kurzen Suche scheinen<br />
die günstigsten Anbieter auf. Viele Anbieter vergeben<br />
üppige Neukunden-Rabatte für Wechsler.<br />
GRÜN GEGEN GRAU<br />
Grüner Ökostrom steht im Wettbewerb zu Graustrom.<br />
Ersterer wird nachhaltig, umweltfreundlich durch<br />
Wind- und Wasserkra erzeugt – bei Graustrom ist<br />
der Ursprung ungewiss, <strong>das</strong> bedeutet, die Energie kann<br />
auch aus Kohle- und Atomkrawerken stammen. Wie<br />
bei Bio-Lebensmitteln gibt’s auch bei Ökostrom eine<br />
Ursprungsgarantie: Durch die Stromkennzeichnungspicht<br />
muss jeder Verkäufer angeben, wie „sein“ Strom<br />
erzeugt worden ist. Der Trend, sich einen neuen, grünen<br />
und günstigeren Anbieter zu checken, wird immer<br />
stärker.<br />
Dass sich <strong>das</strong> auszahlt, merkt man nach einer<br />
kurzen Suche mit dem Tarialkulator. Bis zu einhundert<br />
Euro kann man sich bei einem unkomplizierten<br />
Wechsel sparen. Einfach neuen Anbieter auswählen,<br />
Vertrag zuschicken lassen, unterschreiben – fertig! Der<br />
neue Lieferant sorgt für die Kündigung des alten Vertrags<br />
und versorgt innerhalb von wenigen Wochen mit<br />
günstigerer Energie.<br />
<strong>2013</strong> ist <strong>das</strong> Jahr der Wechsler: „Innerhalb von sechs<br />
Monaten haben beinahe so viele Kunden ihren Stromanbieter<br />
gewechselt wie im gesamten vergangenen<br />
Jahr“, sagt Vorstandsmitglied Energie-Control Austria,<br />
Martin Graf.<br />
VERGLEICHSPORTALE<br />
IM INTERNET:<br />
www.e-control.at<br />
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Solarenergie statt Atomstrom aus Zwentendorf. Hans Ringhofer / picturedesk.com
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MIT SCHARF<br />
– MONIKA J.<br />
Wien<br />
61
62<br />
OUT OF AUT<br />
XXX<br />
ISHAK<br />
JEDES JAHR PILGERN<br />
ÜBER DREI MILLIONEN<br />
MUSLIME NACH MEKKA,<br />
DARUNTER RUND 1500<br />
ÖSTERREICHER. BEVOR<br />
DIE REISE LOSGEHT,<br />
ORGANISIERT ISHAK<br />
AHMETOVIĆ DEN FEST-<br />
LICHEN ABSCHIED FÜR<br />
ZUKÜNFTIGE „HADŽIJE“<br />
IN EINER MOSCHEE<br />
IN WIEN MEIDLING –<br />
INKLUSIVE BUREK,<br />
KUCHEN UND VISUM<br />
FÜR SAUDI-ARABIEN.
Zum Abschied der Pilger war die Moschee in Wien Meidling rappelvoll - genau wie die Schuhregale<br />
ES IST STICKIG UND DIE MOSCHEE in Wien Meidling platzt aus<br />
allen Nähten. Schweißperlen rinnen den Besuchern von der Stirn<br />
herunter. „Schaltet die Klimaanlage an!“, hört man von hinten eine<br />
Stimme, die ihre liebe Not mit den tropischen Bedingungen hat. Ishak<br />
Ahmetović ist für <strong>das</strong> Zusammenkommen verantwortlich. Er trägt einen<br />
Bart, eine weiße Gebetskappe und schreitet ununterbrochen mit<br />
einem Lächeln durch die Gebetsräume. Er hat einen Stapel Reisepässe<br />
in der Hand, die er ihren Besitzern zurückgeben muss. Das Reiseziel:<br />
Mekka, Saudi-Arabien. Der Grund: Hadsch, die Pilgerfahrt, die jeder<br />
Moslem einmal im Leben unternehmen muss. Das geschäige Treiben<br />
und Plaudern lässt uns nur vermuten, wie viele Menschen zur Verabschiedung<br />
der Pilger in die „Gazi Husrev Beg“-Moschee in der Arndtstraße<br />
gekommen sind. Zwischen 500-600 Angehörige, Freunde, Gläubige<br />
und Familienmitglieder müssten sich in den engen Räumen und<br />
Gängen tummeln. Aus den Boxen ertönt eine männliche Stimme, die<br />
Suren aus dem Koran rezitiert. Es wird still.<br />
DIE MARKTLÜCKE FÜLLEN<br />
23 Männer und Frauen aus Wien werden dieses Jahr, mit Ishak als Reiseleiter,<br />
die Pilgerfahrt nach Mekka antreten. Sie werden zum ersten<br />
OUT OF AUT<br />
UND SEINE PILGER<br />
Von Muhamed Beganović und Christoph Liebentritt (Fotos)<br />
Mal die Kaaba in der Heiligen Moschee in Mekka sieben Mal umkreisen<br />
und als Höhepunkt den Berg Arafat aufsuchen. Die Pilger feiern<br />
<strong>das</strong> wichtigste islamische Fest, Kurban Bayram, auch als Opferfest bekannt.<br />
Ishak ist für <strong>das</strong> Wohl der Pilger auf der Reise verantwortlich.<br />
Der 40-jährige Bosnier veranstaltet seit 20 Jahren Pilgerreisen. Seit<br />
2012 kooperiert er mit dem Mobarak KEG Reisebüro im 17. Wiener<br />
Bezirk. Damals, 1993, hatte er gerade sein Studium in Saudi-Arabien<br />
abgeschlossen, als ihm Bekannte dazu rieten, Pilgerreisen nach Mekka<br />
zu veranstalten. Während seines Aufenthaltes habe er so einiges über<br />
die Geschichte der Orte, die Bedeutung der Pilgerfahrt und die Landessprache<br />
Arabisch gelernt. „Menschen, die wussten, <strong>das</strong>s ich in Saudi-<br />
Arabien studiert habe, kamen auf mich zu und meinten, ich solle bosnischsprachige<br />
Reisen nach Mekka organisieren“, so der Imam. Zu dieser<br />
Zeit boten nur türkische oder arabische Veranstalter Pilgerfahrten an,<br />
so<strong>das</strong>s bosnische Gläubige während der Pilgerfahrt sprachlich im<br />
Nachteil waren. Er füllte damit eine lang übersehene Marktlücke. Der<br />
Selfmade-Reiseführer ließ sich beim saudischen Konsulat registrieren<br />
und zertizieren. Seit 2012 ist er auch der ozielle Pilgerreiseleiter des<br />
„Islamischen Zentrums Wien“.<br />
Zu Ishaks Tätigkeiten gehören nicht nur die Führungen vor Ort. Bü-<br />
63
64 OUT OF AUT<br />
Rund 1.500 österreichische Pilger reisen jährlich nach Mekka. Reiseveranstalter<br />
Ishak kümmert sich um 45 von ihnen, die Job-Description beinhaltet<br />
auch <strong>das</strong> umständige Visa-Ansuchen beim Konsulat Saudiarabiens.<br />
rokratische Dinge wie Visum-Anträge für alle Reisenden, Dokumente<br />
kopieren, abgeben, nachreichen, ins Konsulat fahren, nachtelefonieren,<br />
E-Mails beantworten und für die aufgeregten Pilger immer ein oenes<br />
Ohr haben – über Langeweile kann Ishak nicht klagen. So steht ihm<br />
auch die Müdigkeit ins Gesicht geschrieben, als er sich <strong>das</strong> Mikrofon<br />
schnappt und zur Menschenmenge spricht. Er redet über die Picht des<br />
Hadsch und zählt dann die Namen der 23 Pilger auf. „Der halbe Vorstand<br />
dieser Moschee iegt mit“, bemerkt er mit einem Grinsen.<br />
MEHR PILGER IN MEKKA ALS BEWOHNER IN<br />
BOSNIEN<br />
In Österreich gibt es insgesamt sieben Wallfahrt-Organisationen. Drei<br />
aus der türkischen, zwei aus der arabischen und zwei aus der Ex-Yu-<br />
Community. Wie viele Personen die Pilgerfahrt machen dürfen, wird<br />
vom Hadsch-Ministerium in Saudi-Arabien geregelt. Ein Prozent der<br />
Bevölkerung eines Landes, in der es ein saudi-arabisches Konsulat gibt,<br />
dürfen jährlich den Hadsch absolvieren. „eoretisch dürfen jährlich<br />
80.000 Menschen aus Österreich die Pilgerfahrt machen.“ In der Praxis<br />
sind es etwa 1.500 Personen. Zwischen 600-700 aus der türkischen, 400-<br />
500 aus der arabischen, 120 aus der mazedonischen und bis zu 150 aus<br />
der bosnischen Community“, gibt uns Ishak einen Einblick. Mit ihm<br />
als Gruppenleiter iegen jährlich rund 50 Menschen. „Die Zahl ist stets<br />
Ishak (rechts im Bild) hat schon über 20 Jahre Pilgerfahrt-Erfahrung.<br />
konstant geblieben“, sagt er. Heuer sind es 45 Pilger. 23 aus Wien und<br />
22 aus Oberösterreich, der Steiermark und Niederösterreich. Die Pilger<br />
schätzen Ishak aufgrund seiner profunden Sprachkenntnisse und des<br />
weitreichenden Wissens über die Stätten in Mekka und Medina. Das<br />
kann nützlich sein, wenn es darum geht, stundenlange Menschenschlangen<br />
zu vermeiden und stattdessen eine Abkürzung durch die dunkle<br />
Seitengasse zu nehmen. In Mekka leben etwa zwei Millionen Menschen<br />
auf einer Fläche von 1.200 Quadratkilometern, <strong>das</strong> entspricht ca. der<br />
Fläche von New York. Für die paar Wochen anlässlich der Pilgerreise<br />
wächst die Bevölkerung um drei bis vier Millionen.<br />
VIEL GELD FÜR KOMFORT UND NÄHE<br />
Rasim Selimović iegt heuer zum ersten Mal zum Hadsch und nimmt<br />
seine Ehefrau mit. Der Bauarbeiter und Alleinverdiener musste mehrere<br />
Jahre sparen, um die Reisekosten von 3.750 Euro zu berappen, pro<br />
Person wohlgemerkt. Auch er wird die Kaaba im Innenhof der Heiligen<br />
Moschee in Mekka sieben Mal gegen den Uhrzeigersinn umrunden,<br />
den Arafat-Berg besuchen und knapp ein Dutzend weiterer Rituale verrichten.<br />
Über den Verlauf hat der 43-jährige Bosnier viel recherchiert.<br />
„Ich habe mir Audio-CDs und Broschüren zum ema Hadsch besorgt<br />
und alle Infos wie ein Schwamm aufgesaugt“, so Rasim. Während des<br />
dreiwöchigen Aufenthaltes ist ein Arzt stets anwesend. „Die klimatische<br />
Umstellung und extreme Menschendichte überfordern manche der älteren<br />
Pilger. Es kommt dadurch zu Erkrankungen oder Verletzungen“,<br />
begründet Ishak die Anwesenheit des Arztes. Rasim erwartet sich „riesige<br />
Menschenschlangen, Drängeleien, Stress, aber auch Streit“, auch<br />
wenn letzteres während des Hadsch streng verboten ist. Aus seiner<br />
engsten Familie haben fast alle den Hadsch schon absolviert. Der saftige<br />
Preis und manche Horrorszenarien stören ihn nicht. „Die Nähe zur<br />
Kaaba entschädigt für alles“, sagt er lächelnd. Die Redner haben mittlerweile<br />
<strong>das</strong> Mikrofon abgelegt und <strong>das</strong> Bittgebet, die „ikrar dova“, ausgesprochen.<br />
Fleisch, Burek, Kuchen, Süßigkeiten. Ein letztes Mal genießen<br />
die Pilger den bosnischen Kaee, bevor es Richtung Mekka geht und die<br />
Männer und Frauen zu „Hadzije“ werden.
Bevor <strong>das</strong> Essen aufgetischt wird, gibt es ein Bittgebet für die Pilger.<br />
WIEN<br />
VORAUSSETZUNGEN:<br />
Mindestalter von 15 Jahren und Beendi-<br />
gung der Schulpflicht (9 Schuljahre)<br />
Wohnsitz in Wien<br />
Bereitschaft zur regelmasigen<br />
Teilnahme am Unterricht<br />
MEKKA<br />
OUT OF AUT<br />
Der Hadsch ist die Wallfahrt der Muslime nach Mekka und Medina<br />
(Saudi-Arabien) und stellt die fünfte Säule des Islams dar. Jeder<br />
Gläubige, der die dazu benötigten finanziellen Mittel besitzt, ist<br />
verpflichtet, die Pilgerreise zu absolvieren. So steht es im Koran<br />
(Sure 3, Vers 97). Der Hadsch kann nur zwischen dem achten und<br />
zwölften Tag des letzten islamischen Monats dhu l-hiddscha vollzogen<br />
werden. 2012 absolvierten etwa 3,1 Millionen Gläubige den Hadsch.<br />
Pflichtschulabschluss gratis nachholen<br />
DURCHSCHNITTLICHE DAUER: 10 Monate<br />
UNTERRICHTSZEITEN:<br />
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65
66 MIT SCHARF<br />
<strong>biber</strong> KOPFSCHAU DES MONATS<br />
WIR PRÄSENTIEREN DIE STERNCHEN AM BIBER-HIMMEL.<br />
TEILE UND<br />
HERRSCHE<br />
Kommentar: Frenkie, 31, Rapper.<br />
Die kürzlich veröentlichte Umfrage, die anlässlich der „Babylution“<br />
in Bosnien und Herzegowina rund um die Identikationsnummer für<br />
Neugeborene (siehe S. 17, <strong>biber</strong> 07/<strong>2013</strong>) durchgeführt wurde, zeigt<br />
eines: Politische Proteste sind nicht umsonst! Endlich kann die Welt<br />
sehen, in welcher Zwangsjacke <strong>das</strong> politische System in Bosnien und<br />
Herzegowina steckt. Das geht soweit, <strong>das</strong>s selbst Babys Opfer von<br />
Machtspielen und nationalistischen Interessen werden.<br />
Auf die Frage „Sind die Proteste um die Identikationsnummer<br />
gegen die serbischen Politiker gerichtet?“,<br />
antworteten 70% der Befragten mit NEIN.<br />
Im Klartext heißt <strong>das</strong>: Die Demonstrationen richten<br />
sich gegen alle Politiker des Landes, egal ob Moslem,<br />
Kroate oder Serbe. Es geht nicht um die Nationalität,<br />
vielmehr gegen <strong>das</strong> von Korruption zerfressene Land.<br />
Zuerst war ich über <strong>das</strong> Ergebnis verwundert, später<br />
glücklich und stolz. Diese Prozentzahlen beweisen,<br />
<strong>das</strong>s die Manipulationsversuche unserer Politiker<br />
diesmal erfolglos blieben und die Menschen endlich<br />
anfangen, selbstständig zu denken.<br />
DER BÖSE FEIND<br />
Die Welt wird immer kleiner, <strong>das</strong> Beschaen von<br />
Informationen ist heutzutage einfacher denn je. Ich<br />
gehe davon aus, <strong>das</strong>s jeder junge Mensch unter seinen<br />
FB-Freunden zumindest zehn von denen hat, die in<br />
anderen Städten, Staaten und Kontinenten leben und<br />
<strong>das</strong>s sie mit Hilfe einer kurzen „Message“ an die wahrhae<br />
Info aus erster Hand kommen können. Social<br />
Media, die <strong>das</strong> Hauptwerkzeug unserer, aber auch der<br />
Proteste auf der ganzen Welt bildeten, entblößten die<br />
großen Medien, deren Chefredakteure in Parlamenten<br />
und Ministerien, nicht in Zeitungsredaktionen<br />
sitzen. Wie wir alle wissen, erwarten uns 2014 Wahlen<br />
in Bosnien und Herzegowina. Ich hoe sehr, <strong>das</strong>s die<br />
jungen Menschen anhand dieses „Babylution“-Beispiels<br />
erkannt haben, wie unsere Politiker ticken und<br />
welche Methoden sie benutzen. Nichts Neues bieten<br />
sie, divide et impera („Teile und herrsche“) ist <strong>das</strong> altbewährte<br />
Leitmotto. Dieses grei seit den 90ern – und<br />
zwar bis heute. Unabhängig davon, ob man in Bosnien<br />
oder anderswo lebt: Den einen großen Feind, der uns<br />
etwas Böses antun möchte, gibt es überall. Jemanden,<br />
der unsere Entität auösen will, unser Land spalten<br />
möchte, einen Fremden, einen Andersfarbigen, einen<br />
Andersgläubigen.<br />
Und wenn es immer noch Unschlüssige gibt, die<br />
daran denken, am Wahltag daheim zu bleiben, oder<br />
zum Kaeekränzchen zu gehen – diesen Menschen<br />
lege ich folgendes ans Herz: Der Wahlboykott ist ein<br />
Schuss nach hinten – wenn ihr glaubt, dadurch eure<br />
Stimme niemandem zu geben, dann täuscht ihr euch<br />
gewaltig! Ihr gebt eure Stimme sehr wohl, und zwar<br />
denjenigen, die versucht haben, euch die Geschichte<br />
mit den Mamis und Babys, die Politiker bedrohen,<br />
unterzujubeln. Ich bin ein Vater und habe selbst zwei Babys. Glaubt<br />
mir – die tun euch nichts!<br />
KRITIK ODER LOB GEFÄLLIG? REDAKTION@DASBIBER.AT<br />
Vanja Lisac, Susanne Einzenberger
DER LUSTIGE<br />
AUSLÄNDER<br />
CHINA, KANADA ODER BRASILIEN. DER „WAS<br />
GUCKST DU?!“-STAR KAYA YANAR IST VIEL<br />
RUMGEKOMMEN UND NIMMT IN SEINEM NEUEN<br />
PROGRAMM „AROUND THE WORD“ NICHT NUR<br />
DEUTSCHE UND TÜRKEN AUF DIE SCHIPPE.<br />
Von Ayper Cetin<br />
<strong>biber</strong>: Nervt es nicht immer lustig sein zu müssen, auch an<br />
schlechten Tagen?<br />
KAYA YANAR: Ich muss nicht immer lustig sein. Ich laufe<br />
nicht die Straße entlang und erzähle den Leuten Witze.<br />
Und wenn man dir sagt: Hey Kaya, mach den Ranjid!<br />
Wenn ich keine Lust habe, mache ich es dann auch nicht.<br />
Die meisten, die mich auf der Straße ansprechen, freuen<br />
sich einfach darüber mich erkannt zu haben.<br />
Hast du einmal einen Witz bereut?<br />
Ja, <strong>das</strong> war als ich jung war. Da habe ich auf einer Hochzeit<br />
Stand-up-Comedy gemacht und über Scheidungsraten gewitzelt.<br />
Ich fand‘s lustig, die anderen weniger. Die haben<br />
die Ironie dahinter nicht verstanden. Ich hätte mich mit<br />
meinem Humor an ihren anpassen sollen, habe <strong>das</strong> dann<br />
im Nachhinein bereut. Das war ganz am Anfang meiner<br />
Karriere, ich war erst 25 Jahre alt.<br />
In deinen Programmen baust du alle möglichen Nationalitäten<br />
ein. Kommt da auch mal ein Österreicher dazu?<br />
Ja, ich will <strong>das</strong> schon sehr lange, aber ich verbringe viel zu<br />
wenig Zeit in Österreich.<br />
Woher nimmst du dir deine Inspiration für deine Figuren?<br />
Aus dem Alltag. Ich beobachte Menschen auf meinen Reisen,<br />
wie sie sich bewegen, was sie essen, usw. Ich bin letztens<br />
auf einer Kreuzfahrt aufgetreten und habe da einige<br />
ältere Menschen beobachtet. Wenn etwas Lustiges kleben<br />
bleibt, dann mache ich etwas daraus.<br />
Und wenn du eine Idee hast, mit wem teilst du sie zuerst?<br />
Ich nerve zuerst meine Freunde damit. Wenn sie grinsen,<br />
dann bin ich auf dem richtigen Weg.<br />
Was ist anders an deiner neuen Show?<br />
Gar nichts, ich nehme die ganzen alten Witze und verkaufe<br />
sie nochmal neu. Wie andere Kollegen in Deutschland,<br />
die haben einen Riesenerfolg damit. Nein, im Ernst: Ich<br />
bleibe dem Konzept schon treu, <strong>das</strong>s ich durch die Welt<br />
reise und mir Kulturen und Länder anschaue. Ich bin irgendwie<br />
zum lustigen Reiseführer geworden, <strong>das</strong> hat sich<br />
so entwickelt. Vor zehn Jahren war ich noch der lustige<br />
Türke, heute bin ich der lustige Ausländer, der durch die<br />
Welt reist.<br />
Was fällt dir spontan zu Österreich ein?<br />
Türken vor Wien.<br />
Wer ist er?<br />
Name: Kaya Yanar<br />
Alter: 40<br />
Geburtsort: Frankfurt am Main, Deutschland<br />
Beruf: Komiker und Fernsehmoderator<br />
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70 MIT SCHARF<br />
Von Todor Ovtcharov<br />
OMMM…<br />
ICH HABE LETZTE WOCHE zum er-<br />
sten Mal in meinem Leben einen Yogakurs<br />
besucht. Ich bin der unbegabteste<br />
Yoga-Schüler seit Menschengedenken.<br />
Wir wissen alle, <strong>das</strong>s Yoga zur innerlichen<br />
Harmonie führen soll. Mich hat sie nur<br />
angestrengt. Ich dachte, <strong>das</strong>s in einem<br />
Anfängerkurs die Sachen langsam erklärt<br />
werden. Die Yoga-Lehrerin wollte, <strong>das</strong>s<br />
ich all meine Gedanken in meine Zehen<br />
richte. Ich fragte mich innerlich, ob sie<br />
die Zehen am linken oder am rechten<br />
Bein meinte? Ich habe seit Kindesalter ein<br />
Orientierungsproblem. Ich hatte gerade<br />
<strong>das</strong> Bein gewählt und versuchte, meine<br />
Gedanken zu den Zehen zu richten und<br />
dann sollte ich schon auf die Waden übergehen.<br />
Es hat so viel Mühe gekostet, meine<br />
Gedanken zu fokussieren und schon<br />
sollte ich die Position wechseln. Ich fühlte<br />
mich betrogen, keine Spur von der erho -<br />
ten Harmonie. Außerdem hatte ich enorme<br />
Angst davor, beim Dehnen plötzlich<br />
laut zu furzen und somit nicht nur meinen<br />
innerlichen Frieden, sondern auch<br />
den Frieden der anderen Kursteilnehmer<br />
zu zerstören.<br />
YOGA MACHT KNACKIG<br />
Zu diesem Kurs brachte mich Mira. Sie<br />
unterrichtet auch Yoga. Mira hat eine<br />
Riesentransformation durchlebt. Ich<br />
kenne sie aus der Schule, da war sie als<br />
Mädchen mit freizügigem Verhalten bekannt.<br />
Sie liebte Partys und alles, was<br />
damit verbunden ist. Vor einigen Jahren<br />
hörte Mira damit auf und ng an, sich mit<br />
dieser fernöstlichen Enstpannungstechnik<br />
zu beschä igen. Alle meine Freunde<br />
betrachteten <strong>das</strong> mit einem Lächeln. Wir<br />
versuchten ihr zu erklären, <strong>das</strong>s die Yoga-<br />
Menschen nur ihr Geld wollten. Sie hörte<br />
nicht auf uns. Gott sei Dank! Sie lebte<br />
für sechs Monate in Indien, ohne Warmwasser<br />
und Elektrizität. Sie rasierte ihren<br />
Kopf kahl. Sie widmete sich ganz der Metaphysik.<br />
Und die Metaphysik veränderte<br />
ihre Physik! Sie sieht jetzt wunderschön<br />
aus – wie jemand, der tatsächlich seine<br />
innere Harmonie gefunden hat. Mira hat<br />
sich vom Chaos des Lebens gerettet.<br />
Jetzt will Mira auch mich retten. Ich<br />
lebe ja mehr oder weniger asketisch. Es<br />
geht nicht anders mit einem Verdienst unter<br />
der Armutsgrenze. Ich bin zufrieden<br />
mit dem, was mir <strong>das</strong> Leben gibt. Besonders<br />
wenn es genug Bier gibt. Ich kenne<br />
meine Nachteile und versuche sie als Vorteile<br />
zu sehen, indem ich sie in diesen Kolumnen<br />
beschreibe. Ich sehne mich nicht<br />
nach schnellem Ruhm und kurzfristigem<br />
Spaß. Allerdings würde es mich freuen,<br />
wenn ihr so zahlreich wie möglich zur<br />
Präsentation meiner gesammelten Kolumnen<br />
„Die Leiden des jungen Todor“<br />
am 16.10. erscheint! Dann seht ihr in mir<br />
einen, der seinen innerlichen Frieden und<br />
seine Harmonie fast gefunden hat. Ich<br />
kann mich aber leider immer noch nicht<br />
auf meine Zehenspitzen konzentrieren.<br />
Aber ich werde die Anweisungen von<br />
Mira weiter befolgen! Ich werde mir sogar<br />
merken, welches mein linkes und welches<br />
mein rechtes Bein ist.<br />
Ommm!<br />
Präsentation der gesammelten<br />
Kolumnen „Die Leiden<br />
des jungen Todor“ am<br />
16. Oktober, 20 Uhr,<br />
Cafè „phil“.<br />
Gumpendorferstr. 10–12
MIT SCHARF<br />
H2OMV<br />
Wo nimmt die Mobilität in Zukunft nur die Energie her?<br />
Sicher auch von der OMV. Wenn bis zum Jahr 2050 der CO2-Ausstoß im Straßenverkehr<br />
um 60 Prozent reduziert werden soll, sind neue Mobilitätskonzepte gefordert. Die OMV<br />
forscht daher schon heute zum Thema Wasserstoff. Denn Wasserstoff-Fahrzeuge sind<br />
nicht nur zu 60, sondern zu 100 Prozent schadstofffrei.<br />
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