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Dr. A. Zobel

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13. Juli 2008 – Zugspitze 2944 m<br />

Extremberglauf<br />

Alfred <strong>Zobel</strong>


Trauma Center Murnau<br />

Ausschreibung<br />

Streckenlänge 16,1 km, Höhendifferenz 2100 m,<br />

Streckenrekord Martin Ashley Cox 2005 2.03.02 Std.,<br />

Petra Summer 2005 2.28.48 Std.<br />

Teilnehmer die auf der Strecke aufgeben, haben dies unverzüglich dem nächsten<br />

Streckenposten oder der Bergrettung zu melden.<br />

Durchgangs-Zeitschluß: 12.15 Uhr Gatterl (Landesgrenze), später ankommende<br />

Teilnehmer genießen keine Überwachung durch die Bergrettung.


Trauma Center Murnau<br />

Ausschreibung<br />

4-5 Verpflegungsstellen: Ehrwalder Alm, Hochfeldern<br />

Alm, Felderer Joch, Knorrhütte, Sonnalpin, Bergstation<br />

Tiroler Zugspitzbahn<br />

Läufer, die das Sonnalpin nicht bis spätestens 13.30 Uhr erreicht haben, werden für<br />

restliche Strecke zum Gipfel nicht mehr zugelassen.<br />

Kleidertransport: pro Teilnehmer ein Gepäckstück (Tagesrucksack) wird zum Ziel<br />

transportiert (mit Name und Startnummer beschriftet).


Trauma Center Murnau<br />

644 gemeldete Athleten<br />

Startschuß 9.00 Uhr<br />

Ehrwald, Martinsplatz<br />

„Die Athleten“


Trauma Center Murnau<br />

„Die Athleten“<br />

E. Clemens,<br />

amtierende Bayerische<br />

Meisterin im Berglauf


Trauma Center Murnau<br />

Wettervorhersage<br />

8.25 Uhr: leichter Regen auf dem Gipfel<br />

9.05 Uhr: Dauerregen, 3° Celsius<br />

9.45 Uhr: mäßiger Schneeregen bei 2° Celsius<br />

10.25 Uhr: Schneefall bei minus 1,5° Celsius bis auf 2200 m<br />

14.00 Uhr: noch leichter Schneefall<br />

15.00 Uhr: kein Niederschlag mehr, null Grad


Trauma Center Murnau<br />

Organisierter Rettungsdienst<br />

Vorhaltung Bergrettung Ehrwald<br />

26 Bergrettungsmänner zwischen<br />

Ehrwald und Gatterl<br />

(Landesgrenze)<br />

Bereits bis zur Hochfeldern Alm haben 20 Teilnehmer abgebrochen


Trauma Center Murnau<br />

Organisierter Rettungsdienst<br />

Bergwacht Garmisch-Partenkirchen<br />

1 Mann Gatterl (Landesgrenze), 2 Mann<br />

Knorrhütte, 2 Mann zwischen, 2 Mann<br />

Sonnalpin<br />

1 Teilnehmer hat das Rennen an der Knorrhütte abgebrochen


Trauma Center Murnau<br />

Organisierter Rettungsdienst<br />

Bergwacht Grainau<br />

9 Bergwachtmänner zwischen Sonnalpin<br />

und Zugspitzgipfel<br />

Ca. 150 Läufer erreichten den Gipfel, 15-20 mußten von BW-Männern hinauf<br />

getragen werden, 30 Läufer benötigten am Gipfel medizinische Hilfe.


Trauma Center Murnau<br />

„Schleichende Entwicklung der<br />

Katastrophe erschwert Beurteilung“<br />

„Die Länge der Einsatzstelle<br />

lässt keinen Überblick zu“


Trauma Center Murnau<br />

„ … ich muß schnell Hilfe<br />

holen …“<br />

„ … ich lief in einen Tunnel<br />

hinein und erlebte eine<br />

Traumwelt, die Menschen<br />

taumelten … irgendwas<br />

läuft hier falsch …“


Trauma Center Murnau<br />

Alarmierung<br />

11.47 Uhr: Unterkühlte Person mit Krämpfen<br />

12.02 Uhr: Kollaps auf der Strecke (?)<br />

12.18 Uhr: 4 weitere unterkühlte Personen<br />

12.50 Uhr: Alarmierung Christoph Murnau<br />

13.10 Uhr: Landung Zugspitzplatt/Sonnalpin , - 4 °C


Trauma Center Murnau<br />

Situation vor Ort - Triage<br />

NA zum BW-Raum: 59 jhr Frau, apathisch, unruhig,<br />

krampfend + 1-2 weitere ansprechbar frierende Personen<br />

NA weiter zur Gaststube Sonnalpin – Kontaktaufnahme EL<br />

Bergwacht: 56 jhr Mann, ansprechbar, zitternd, Ganzkörperkrampf<br />

(von teilnehmendem Arzt versorgt), weitere 3 stärker unterkühlte<br />

Personen (28,44,59), insgesamt ca. 70-80 Läufer nackt, in Decken,<br />

Alufolien gehüllt, frierend


Trauma Center Murnau<br />

Diagnosen<br />

Unterschiedlich stark unterkühlte Personen<br />

(zwischen 28° und 35° Celsius)<br />

Extreme Elektrolytentgleisung, Dehydratation


Trauma Center Murnau<br />

Hypothermie<br />

Stadium Klinische Symptome Körperkerntemperatur<br />

I Patient ansprechbar mit<br />

Muskelzittern<br />

II Patient somnolent ohne<br />

Muskelzittern<br />

35 - 32<br />

32 - 28<br />

III Patient nicht ansprechbar 28 - 24<br />

IV Patient im Atemstillstand < 24<br />

Schweizer Stadieneinteilung der Hypothermie


Trauma Center Murnau<br />

Stadieneinteilung und organspezifische<br />

Symptome<br />

A. 35° bis 32 ° KKT<br />

Verwirrtheit, Amnesie - Tachykardie,Vasokonstriktion,<br />

gesteigertes Herzzeitvolumen, erhöhter Blutdruck –<br />

Tachypnoe – Kältediurese – „Shivering“


Trauma Center Murnau<br />

Stadieneinteilung und organspezifische<br />

Symptome<br />

B. 32° bis 28 ° KKT<br />

Halluzinationen, Bewusstseinsverlust, Verlust der<br />

Pupillenreflexe – Bradykardie, reduz. Herzzeitvolumen,<br />

Arrhythmie (EKG: J-Welle) – Hypoventilation, reduz.<br />

O 2 - Verbrauch, reduz. CO 2 - Produktion, Verlust<br />

Hustenreflex – Kältediurese - Hyporeflexie


Trauma Center Murnau<br />

Stadieneinteilung und organspezifische<br />

Symptoime<br />

C. < 28 ° KKT<br />

Koma – Arrhythmie, Kammerflimmern/Asystolie – Apnoe,<br />

Lungenödem – Oligurie, reduz. Nierendurchblutung –<br />

Areflexie, „Pseudo-rigor-mortis“


Trauma Center Murnau<br />

Mechanismen der Wärmeabgabe –<br />

Entstehung der Unterkühlung<br />

Evaporation (Verdunstung)<br />

Kühlung durch Verdunstungskälte bei nasser Haut<br />

Radiation (Wärmestrahlung)<br />

Prinzip eines Heizkörpers


Trauma Center Murnau<br />

Mechanismen der Wärmeabgabe –<br />

Entstehung der Unterkühlung<br />

Konvektion (Wärmeströmung)<br />

Wind trägt das über der Haut entstandene warme<br />

Luftpolster weg<br />

Konduktion (Wärmeleitung)<br />

Patient liegt auf kaltem Boden


Trauma Center Murnau<br />

Hypothermie<br />

Mittlere Abkühlung während einer Lawinenverschüttung 3°C/h<br />

(8°C) – abhängig von wärmeisolierender Bekleidung<br />

Geschätzte Abkühlung bei Schneesturm 3°C/30 min (gemessene<br />

Temperatur bei Athleten 34 - 28°C) – abhängig von<br />

Laufgeschwindigkeit und Anstrengung<br />

Lebensbedrohende Hypothermie bei 32° C KKT mit<br />

Herzrhythmusstörungen, Kreislaufinstabilitäten (bei mittleren<br />

Abkühlung von 3°C/h nach etwa 90 min erreicht)


Trauma Center Murnau<br />

Therapie<br />

Entfernung durchnäßter Kleidung, Abtrocknen des<br />

Patienten<br />

Vermeidung weiterer Auskühlung (Hiblerpackung,<br />

Wärmesack)<br />

Gabe von warmen, gezuckerten Getränken<br />

Anlage eines periphervenösen Zugangs, Infusion<br />

von Voll-Elektrolytlösungen (21° Celsius) und teils<br />

Glucose 40%


Trauma Center Murnau<br />

Hibler-Packung


Trauma Center Murnau<br />

Mitteilung bewußtlose Person zwischen Knorrhütte und<br />

Sonnalpin – Pat. wurde apathisch, aber ansprechbar mit<br />

Hubschrauber abgeborgen, weiterhin 73 jhr regungsloser Mann<br />

auf dem Weg zum Sonnalpin mit V.a. Myokardinfarkt<br />

ca 15:00 Uhr 1. Mitteilung<br />

Reanimation, 41 jhr Mann, auf dem<br />

Weg zum Gipfel, mit Hubschrauber<br />

abgeborgen (NA nicht beteiligt)<br />

kurze Zeit später weitere Mitteilung einer Reanimation, 45<br />

jhr Mann, auf dem Weg zum Gipfel, Versuch einer<br />

Hubschrauberbergung scheitert (NA RK2 terrestrisch vom<br />

Gipfel)


Trauma Center Murnau<br />

„Das <strong>Dr</strong>ama“<br />

Nach verlängerten Wiederbelebungsversuchen wurde aufgrund<br />

der Wettersituation und einer geschätzten Abtransportzeit > 3<br />

Stunden in ein Zielkrankenhaus mit EKZ trotz Hypothermie die<br />

Maßnahmen als aussichtslos gewertet und eingestellt.<br />

Aufnahme vom 15. juli 2008


Trauma Center Murnau<br />

Diskussion<br />

• Katastrophenbeginn schleichend, exponentielle Dynamik<br />

• Unfallstelle ca. 7 km lang – Knorrhütte bis Sonnalpin zum Gipfel<br />

• Eingeschränkte Kommunikationsmittel (BOS Funk, Handy)<br />

• Zusammenarbeit unterschiedlicher Rettungsorganisationen<br />

• Fehlende Struktur einer übergeordneten Einsatzleitung, LNA<br />

• Bewußtsein einer professionellen Pressearbeit<br />

• Verbindliche präventive Beratungsfunktion


Trauma Center Murnau


Trauma Center Murnau


Trauma Center Murnau<br />

„Danke an alle fleißigen Bienen<br />

und nicht genannten Helfer“


Trauma Center Murnau<br />

„ Der Wille des Menschen kann so<br />

stark sein, dass er sich zu tode<br />

läuft !? „


Trauma Center Murnau<br />

„Wer die Macht der Natur nicht<br />

respektiert, läuft Gefahr bestraft<br />

zu werden.“

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