Die öffentlich-rechtliche Vereinbarung (Zweckvereinbarung)
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RBEITSGRUPPE<br />
KAA<br />
KOMMUNALPOLITIK<br />
D-53170 Bonn<br />
Telefax 0228/88 36 95<br />
Wegbeschreibung für die<br />
kommunale Praxis<br />
<strong>Die</strong> <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong> <strong>Vereinbarung</strong><br />
(<strong>Zweckvereinbarung</strong>)<br />
S 2<br />
(Kommunale<br />
Sonderaufgaben)<br />
1. Was ist eine <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong> <strong>Vereinbarung</strong> (<strong>Zweckvereinbarung</strong>)?<br />
<strong>Die</strong> <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong> <strong>Vereinbarung</strong> (<strong>Zweckvereinbarung</strong>) ist keine <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong> Körperschaft. Dadurch unterscheidet<br />
sie sich ganz wesentlich vom kommunalen Zweckverband. <strong>Die</strong> <strong>Zweckvereinbarung</strong> ist ein <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong>r Vertrag<br />
(vgl. 54 ff. VwVfG). Durch sie können gemeindliche Aufgaben an einen der Beteiligten rechtsverbindlich übertragen werden.<br />
<strong>Die</strong> Besonderheit der <strong>Zweckvereinbarung</strong> besteht darin, daß nach dem freien Willen der beteiligten Gemeinden und/oder<br />
Landkreise<br />
1.1 eine Aufgabe in die Zuständigkeit eines Beteiligten übernommen wird<br />
(<strong>Die</strong> übernehmende Gemeinde wird zuständig und voll verantwortlich für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgabe.<br />
Sie ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die richtige Beklagte. <strong>Die</strong> abgebenden Gemeinden besitzen keine Zuständigkeit<br />
mehr und können allenfalls die <strong>Vereinbarung</strong> aufkündigen.) oder<br />
1.2 eine Aufgabe für die übrigen Beteiligten durchgeführt wird<br />
(<strong>Die</strong> Rechte und Pflichten der übrigen Beteiligten – als Träger der Aufgabe – bleiben hier völlig unberührt. <strong>Die</strong> die Aufgabe<br />
durchführende Gemeinde handelt in fremdem Namen. Richtige Beklagte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bleiben die<br />
für die Aufgabe zuständigen Gemeinden.) oder<br />
1.3 Mitwirkungsrechte eingeräumt werden können<br />
(Welcher Art dieses Mitwirkungsrecht sein soll, ist ausschließlich dem Willen der Beteiligten überlassen. In Betracht kommen<br />
vor allem Zustimmungsvorbehalte für bestimmte Maßnahmen. Denkbar ist auch die Beteiligung von stimmberechtigten Vertretern<br />
der mitwirkungsberechtigten Gebietskörperschaften in den Kollegialorganen der erfüllenden Körperschaft. Das Mitwirkungsrecht<br />
kann aber auch in der Bereitstellung von <strong>Die</strong>nstkräften bestehen.)<br />
<strong>Die</strong> Aufgabenübertragung ist in zweifacher Art und Weise möglich.<br />
■ Durch Delegation: Einer der Beteiligten übernimmt eine einzelne Aufgabe der übrigen Beteiligten in seine Zuständigkeit.<br />
<strong>Die</strong> übernehmende Gemeinde wird im Außenverhältnis in vollem Umfang allein zuständig und ist damit verantwortlich<br />
für die Durchführung der Aufgabe. <strong>Die</strong> Aufgabe betreffende Hoheitsbefugnisse, etwa den Erlaß von Satzungen,<br />
gehen im Hinblick auf diese Aufgabe auf die übernehmende Gemeinde über.<br />
■ Bei der Übertragung eines Mandats bleibt die Zuständigkeit zur Wahrnehmung einer Aufgabe unberührt. Einem Beteiligten<br />
wird lediglich die Durchführung dieser Aufgaben übertragen. <strong>Die</strong> übertragende Gemeinde bleibt gegenüber<br />
dem Bürger verantwortlich. Sie wird lediglich von der übernehmenden Gemeinde in der Durchführung vertreten.<br />
Ihrer Rechtsnatur nach ist die <strong>Zweckvereinbarung</strong> als koordinations<strong>rechtliche</strong>r verwaltungs<strong>rechtliche</strong>r Vertrag anzusehen<br />
(§ 54 Satz 1 VwVfG). Er bezieht sich auf einen <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong>n Gegenstand und wird von gleichgeordneten Rechtsträgern<br />
abgeschlossen, deren Willenserklärung gleichwertig sind (vgl. GemSenOGB vom 10.04.1986, BGHZ 97, 312 = NJW<br />
1986, 2539). Weil Aufgaben und Befugnisse übetragen werden, kommt der <strong>Zweckvereinbarung</strong> auch Rechtsnormcharakter<br />
zu. Subordinations<strong>rechtliche</strong> Verträge werden zwischen Parteien geschlossen, die in einem Über-/Unterordnungsverhältnis<br />
zueinander stehen.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Zweckvereinbarung</strong> besitzt Außenwirkung gegenüber jedermann.<br />
2. Arten von <strong>Zweckvereinbarung</strong>en<br />
Bei der <strong>Zweckvereinbarung</strong> existiert neben dem freiwilligen Zusammenschluß die Möglichkeit, die Aufgabenerfüllung mittels<br />
einer Pflichtzweckvereinbarung durch die Aufsichtsbehörde zu erzwingen. <strong>Die</strong>s kann dann erforderlich werden, wenn<br />
davon auszugehen ist, daß „eine kommunale Gebietskörperschaft eine bezeichnete Aufgabe nicht ordnungsgemäß erfüllen<br />
kann, ihre Erfüllung jedoch im dringenden <strong>öffentlich</strong>en Interesse geboten ist“.
3. <strong>Die</strong> Rechtsgrundlagen und der Geltungsbereich<br />
Regelungen über die <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong> <strong>Vereinbarung</strong> (<strong>Zweckvereinbarung</strong>) enthalten die Zweckverbandsgesetze der Länder<br />
(vgl. Art. 8 KomZG Bay; § 25 f. GKZ BW; 23 f. GKG Bran, 24 f. KGG Hess, 165 f. GO MeVo, 13, 14 Nds; 23 GKG NRW,<br />
12 ZwVG RhPf, 17 f. KGG Saarl, 71 f. Sächs. KomZG, 14 f. KGG SachsAn, 18 f. GKZ SchlH, 7 f. KGG Thür). Nur Niedersachsen<br />
kennt dieses Rechtsinstitut nicht.<br />
Durch den Abschluß der <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong>n <strong>Vereinbarung</strong> (<strong>Zweckvereinbarung</strong>) entsteht kein neues Rechtssubjekt und es<br />
gibt – mit Ausnahme der Möglichkeit der Bildung eines gemeinsamen Ausschusses in Baden-Württemberg (§ 25 Abs. 2 GKZ BW)<br />
und Sachsen (§ 72 Abs. 2 Sächs. KomZG) – auch keine Organe.<br />
<strong>Die</strong> kommunale <strong>Vereinbarung</strong> bewirkt nicht nur <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong> Beziehungen zwischen den beteiligten Kommunen,<br />
sondern auch eine für Dritte verbindliche Rechtslage. Im Regelfall gelten die Satzungen, welche die Aufgabe durchführende<br />
Gemeinde A erläßt, nicht nur für deren Gebiet, sondern auch in den Gebieten der Gemeinde B, C, D und F, die an der kommunalen<br />
<strong>Vereinbarung</strong> beteiligt sind.<br />
4. <strong>Die</strong> zu übertragenden / zu übernehmenden Aufgaben<br />
Bei den Aufgaben, die, wie unter 1.1 bis 1.3 dargestellt, wahrgenommen werden können, handelt es sich ausschließlich um<br />
solche „kommunaler“ Art. Sie werden auch nur dann übertragen / übernommen, wenn es von der Natur der Sache her<br />
zweckmäßiger und wirtschaftlicher ist, wenn eine Aufgabe beispielsweise nicht von vier Gemeinden unzureichend, sondern<br />
von einer Gemeinde optimal auch für die anderen drei mit durchgeführt wird.<br />
Bei den Aufgaben die von einer Gemeinde auch für die anderen beteiligten Kommunen durchgeführt werden können, kann<br />
es sich beispielsweise handeln um:<br />
■ den Um- und Ausbau oder die laufende Unterhaltung, Instandhaltung im Zuge von Bundes- und Landesstraßen,<br />
■ die Benutzung von Abwasseranlagen wie beispielsweise Kanalisation und Klärwerke,<br />
■ die Durchführung der Abfallbeseitigung oder/und Abfallverbrennung für alle beteiligten Gemeinden,<br />
■ die <strong>Vereinbarung</strong> über ein gemeinsames Veterinäramt,<br />
■ die gemeinsame Nutzung eines Friedhofes,<br />
■ den Bau und die Unterhaltung eines Freibades,<br />
■ die Übernahme der Aufgaben eines Schulträgers,<br />
■ den Bau und die Unterhaltung einer zentralen Sportanlage u.a.m.<br />
5. Inhalt und Genehmigung des <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong>n Vertrages<br />
Der schriftlich abzuschließende <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong> Vertrag (vgl. 57 VwVfG) sollte über folgenden „Mindest“inhalt verfügen:<br />
■ <strong>Die</strong> Namen der Beteiligten,<br />
■ die genaue Bezeichnung der Aufgaben,<br />
■ die Bezeichnung der Gemeinde (Landkreis), die die Aufgaben übernimmt und durchführt,<br />
■ die Übertragung der Befugnis, Satzungen anstelle der übrigen Beteiligten für deren Gebiet zu erlassen,<br />
■ die Bestimmung des Mitwirkungsrechts der übrigen Beteiligten, sofern ein solches eingeräumt wird,<br />
■ die Regelung des Kostenausgleichs,<br />
■ die Art der <strong>öffentlich</strong>en Bekanntmachung sowie<br />
■ die Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen die <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong> <strong>Vereinbarung</strong> (<strong>Zweckvereinbarung</strong>) von<br />
den Beteiligten gekündigt werden kann und wie sich die Abwicklung zu vollziehen hat.<br />
Nicht Gegenstand einer kommunalen <strong>Vereinbarung</strong> kann die Befugnis sein, für andere Beteiligte Bebauungspläne nach § 10<br />
BauGB zu erlassen. <strong>Die</strong>se Aufgabe kann nur von einem Zweckverband oder einem Planungsverband nach § 205 BauGB<br />
wahrgenommen werden.<br />
Da durch die <strong>Zweckvereinbarung</strong> <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong> Wirkungen unmittelbar für und gegen jedermann entstehen, kommt<br />
ihrem Inhalt Rechtsnatur und der <strong>Vereinbarung</strong> selbst die Eigenschaft einer Quelle des <strong>öffentlich</strong>en Rechts zu. Der genannten<br />
Gründe wegen bedarf die kommunale <strong>Vereinbarung</strong>, bei der Aufgaben und Zuständigkeiten übergehen, der Genehmigung<br />
durch die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde. <strong>Die</strong> Genehmigung ist ortsüblich bekanntzumachen.<br />
6. <strong>Die</strong> Kosten-, Satzungs- und Bekanntmachungsregelung<br />
6.1 <strong>Die</strong> Kosten, die der Gemeinde entstehen, die die Aufgabe durchführt, sind aufzulisten und nach einem bestimmten<br />
Schlüssel unter den beteiligten Kommunen aufzuteilen. <strong>Die</strong> Aufteilung, in der auch die Einnahmen aus Gebühren, Beiträgen<br />
etc. aufzuführen sind, sollten auf jeden Fall Gegenstand der <strong>Zweckvereinbarung</strong> sein.<br />
6.2 <strong>Die</strong> zur Erfüllung der gemeinsamen Aufgabe verpflichtete Gemeinde besitzt im Rahmen der ihr übertragenen Aufgabengebiete<br />
die Satzungshoheit für das gesamte Gebiet der Beteiligten. Sie kann beispielsweise Benutzungs- und Benutzungsgebührensatzungen<br />
für eine <strong>öffentlich</strong>e Einrichtung erlassen. In Bayern (Art. 11 Abs. 2 KomZG Bay), Sachsen-Anhalt (§ 15 Abs.<br />
2 GKG), Schleswig-Holstein (§ 19 Abs. 1 GKG) und Thüringen (§ 10 KGG) kann der zur Erfüllung verpflichteten Körperschaft<br />
unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Verordnungsrecht verliehen werden.<br />
6.3 Von den an der <strong>Zweckvereinbarung</strong> Beteiligten ist im <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong>n Vertrag schriftlich niederzulegen, welches<br />
„Bekanntmachungsrecht“ anzuwenden ist, wenn beispielsweise eine Satzung bekanntzumachen ist, die auch im Gebiet der<br />
anderen Gemeinden gelten soll.
7. <strong>Die</strong> Regelung der Geltungsdauer, Kündigung und Form der Abwicklung<br />
7.1 Es obliegt allein der Entscheidung der an der <strong>Zweckvereinbarung</strong> beteiligten Kommunen, in dem <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong>n<br />
Vertrag eine Frist für die Geltungsdauer der Zusammenarbeit festzusetzen oder aber, sie „un“befristet gelten zu lassen.<br />
7.2 <strong>Die</strong> <strong>Zweckvereinbarung</strong> sollte detaillierte Bestimmungen darüber enthalten, beim Vorliegen welcher Voraussetzungen<br />
und in welcher Form sie von einem oder von allen Beteiligten gekündigt werden kann. <strong>Die</strong>serhalb sollte auch festgelegt<br />
werden, daß die Kündigung der Schriftform (vg. 126 BGB) bedarf und die Kündigungsfrist ein Jahr beträgt. Eine „kürzere“<br />
Kündigungsfrist dürfte sich nach den Erfahrungen nicht empfehlen. Im übrigen besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht<br />
aus wichtigem Grund.<br />
7.3 Einer detaillierten Regelung bedarf die Abwicklung der kommunalen <strong>Vereinbarung</strong> nach deren Kündigung. Hierbei ist<br />
zu bedenken, daß die Gemeinde, die für die anderen eine Aufgabe in ihre Zuständigkeit übernimmt oder für die anderen<br />
durchführt, entsprechende Einrichtungen schaffen mußte, an deren Kosten die Beteiligten anteilmäßig beteiligt worden sind.<br />
8. <strong>Die</strong> <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong> <strong>Vereinbarung</strong> (<strong>Zweckvereinbarung</strong>) im Überblick<br />
Rechtsnatur ■ <strong>öffentlich</strong>-<strong>rechtliche</strong>r Vertrag<br />
Arten ■ freiwilliger Zusammenschluß<br />
■ Pflichtzweckvereinbarung<br />
Aufgaben Mitnutzung von<br />
■ Ver- und Entsorgungseinrichtungen<br />
■ Infrastruktureinrichtungen<br />
Mitglieder ■ Gemeinde<br />
■ Gemeindeverbände<br />
Organisation ■ Delegation<br />
■ Mandat<br />
Finanzierung ■ Gebühren/Beiträge<br />
■ Umlagen<br />
Eignung ■ für Aufgaben mit hohem Verbindlichkeitsgrad ohne eigene Rechtspersönlichkeit<br />
gut geeignet<br />
Das vorliegende Faltblatt ist Teil einer Loseblattsammlung, die laufend ergänzt wird. <strong>Die</strong> systematische Übersicht und weitere Faltblätter erhalten Sie auf Anfrage.<br />
Stand: Juli 1996