13.10.2013 Aufrufe

Das Dokument steht Ihnen auch online in der DigiBib der FES als ...

Das Dokument steht Ihnen auch online in der DigiBib der FES als ...

Das Dokument steht Ihnen auch online in der DigiBib der FES als ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Berl<strong>in</strong><br />

»Cocuk yuvasi – wie e<strong>in</strong> Nest für K<strong>in</strong><strong>der</strong>«<br />

Wie e<strong>in</strong>e Kita die Muttersprache ebenso wie die Zweitsprache för<strong>der</strong>t<br />

»Die sprachliche Bildung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des<br />

ist e<strong>in</strong> ganzheitlicher Prozess. Daher<br />

wird <strong>in</strong> unseren Kitas die Erstsprache<br />

genau so anerkannt und wertgeschätzt<br />

wie die Zweitsprache. Gerade<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> heutigen Zeit ist Mehrsprachigkeit<br />

e<strong>in</strong>e so wichtige Ressource, die<br />

sich im frühen Alter gut för<strong>der</strong>n lässt.«<br />

Edith Giere, Leiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kita<br />

SPRACHERWERB IM VOR- UND GRUNDSCHULBEREICH FÖRDERN<br />

Na klar weiß ich, wo wir hier drauf<br />

s<strong>in</strong>d!« Deniz spr<strong>in</strong>gt begeistert<br />

auf und drückt se<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Nase<br />

an dem Plakat an <strong>der</strong> Wand be<strong>in</strong>ahe platt.<br />

Es zeigt Berl<strong>in</strong> aus <strong>der</strong> Vogelperspektive.<br />

Der 5jährige Junge mit dem dichten<br />

schwarzen Haar und dem entscheidungsstarken<br />

Gesichtsausdruck fachsimpelt<br />

darüber, wo denn nun die K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

zu f<strong>in</strong>den sei, wo se<strong>in</strong> Zuhause und<br />

wo <strong>der</strong> lange Fluss lägen. Alle F<strong>in</strong>gerzeige<br />

s<strong>in</strong>d kartografisch zwar knapp daneben,<br />

Deniz' Deutsch ist dafür jedoch fast<br />

fließend, und er hört schon gar nicht mehr<br />

auf, sich <strong>als</strong> Touristenführer auf dem<br />

verwirrenden Plakat auszugeben. Dann<br />

wird er von se<strong>in</strong>em deutschsprachigen<br />

Erzieher zurück <strong>in</strong> die Kuschelecke<br />

gerufen und liest mit ihm geme<strong>in</strong>sam<br />

»Gökkuşağı Balığı Artık Korkmuyor –<br />

Der Regenbogenfisch hat ke<strong>in</strong>e Angst<br />

mehr«.<br />

Edith Giere streichelt Deniz über den<br />

Kopf: »<strong>Das</strong> ist uns ganz beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig: Die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die <strong>in</strong> dieser Kita s<strong>in</strong>d,<br />

lernen deutsch, aber sie hören und<br />

sprechen hier <strong>auch</strong> ihre Muttersprache.«<br />

Edith Giere ist e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> beiden Leiter<strong>in</strong>nen<br />

des deutsch-türkischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong>-Kreuzberg. Ihre Kolleg<strong>in</strong> Nurgün<br />

Karhan zeigt e<strong>in</strong>zelne Räume mit<br />

Zeichnungen, Bil<strong>der</strong>n, Büchern,<br />

Basteleien und an<strong>der</strong>en Gegenständen:<br />

Alles ist <strong>in</strong> zwei Sprachen gekennzeichnet,<br />

auf Deutsch und auf Türkisch: »In<br />

unserem Konzept setzen wir beson<strong>der</strong>e<br />

Betonung darauf, dass die Gleichwertigkeit<br />

<strong>der</strong> türkischen und <strong>der</strong> deutschen<br />

Kultur und Sprache zu erfahren ist.«<br />

Lange bevor dieses Konzept im Berl<strong>in</strong>er<br />

Bildungsprogramm verankert wurde, war<br />

es bereits wesentlicher Bestandteil im<br />

Kita-Alltag des Vere<strong>in</strong>s zur För<strong>der</strong>ung<br />

ausländischer und deutscher K<strong>in</strong><strong>der</strong> e. V.<br />

(VAK): die gleichberechtigte Spracherziehung<br />

und Sprachför<strong>der</strong>ung. 1971<br />

gegründet, setzt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> sich seither für<br />

die zweisprachige, <strong>in</strong>terkulturelle<br />

Erziehung und die För<strong>der</strong>ung von<br />

ausländischen und deutschen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>. Zwei Kitas <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Kreuzberg<br />

beherbergen momentan 170 K<strong>in</strong><strong>der</strong> im<br />

Alter von e<strong>in</strong> bis sechs Jahren.<br />

In diesen K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten s<strong>in</strong>d<br />

deutsche wie <strong>auch</strong> türkische Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

beschäftigt. Sie arbeiten jeweils <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Zweierteam: E<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong><br />

spricht mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ausschließlich<br />

Türkisch, die an<strong>der</strong>e ausschließlich<br />

Deutsch nach dem Pr<strong>in</strong>zip: e<strong>in</strong>e Person –<br />

e<strong>in</strong>e Sprache. »Die K<strong>in</strong><strong>der</strong>müssen erleben<br />

können, dass ihre Erstsprache von großer<br />

Wichtigkeit ist und geför<strong>der</strong>t wird, ohne<br />

dass dabei das Erlernen <strong>der</strong> deutschen<br />

Sprache beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t wird o<strong>der</strong> zu kurz<br />

kommt«, erklärt Edith Giere das Pr<strong>in</strong>zip<br />

des Konzepts. Die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

sprechen <strong>in</strong> ihrer jeweiligen Muttersprache<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die meisten beherrschen<br />

beide Sprachen. E<strong>in</strong>ige deutsche<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d bereits so lange im<br />

Team, dass sie gut türkisch sprechen<br />

können.<br />

In Berl<strong>in</strong>-Kreuzberg wohnen gut 200<br />

Nationalitäten auf engstem Raum<br />

zusammen, 51 000 Bewohner, etwas über<br />

e<strong>in</strong> Drittel ist nicht-deutscher Herkunft,<br />

von denen 30 000 e<strong>in</strong>en türkischen<br />

H<strong>in</strong>tergrund haben. Dies erklärt, weshalb<br />

das E<strong>in</strong>zugsgebiet <strong>der</strong> beiden Kitas schon<br />

immer e<strong>in</strong>e stark deutsch-türkische<br />

Prägung hatte.<br />

Edith Giere geht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit zurück:<br />

»Ursprünglich hatten beson<strong>der</strong>s die<br />

türkischen Anwohner nicht daran<br />

gedacht, <strong>in</strong> Deutschland zu bleiben, <strong>als</strong>o<br />

waren sie mit e<strong>in</strong>er monol<strong>in</strong>gualen,<br />

türkischen Kita sehr zufrieden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> das<br />

K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Erstsprache nicht verlernen<br />

konnte.« Als sich die Situation wandelte<br />

und <strong>der</strong> langfristige Verbleib <strong>in</strong><br />

Deutschland abzusehen war, än<strong>der</strong>ten<br />

sich die sprachlichen Anfor<strong>der</strong>ungen:<br />

12 13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!