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Jugend bewegt (sich) ...<br />

Alle Mädchen haben e<strong>in</strong>e profunde<br />

Ausbildungsphase bestritten, die ihnen<br />

Diszipl<strong>in</strong>, Zuverlässigkeit und Engagement<br />

abverlangt hat: Rechtliche<br />

Unterweisung, Erste-Hilfe-Kurs, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>wöchiges<br />

Ausbildungssem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Sportheim, sechswöchiges Praktikum <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong>. Bei Bestehen w<strong>in</strong>kt die<br />

JuLeiCa, die Jugendleitercard, die ab 16<br />

Jahren die Lizenz zur Sportassistent<strong>in</strong><br />

offiziell macht. Trotzdem war es den<br />

ehrgeizigen Mädchen nie zuviel, wie die<br />

16jährige Assma, e<strong>in</strong>e lebendige und<br />

selbstbewusste Schüler<strong>in</strong> libanesischpaläst<strong>in</strong>ensischer<br />

Herkunft, lachend sagt:<br />

»Beim Ausbildungssem<strong>in</strong>ar haben wir bis<br />

fast zehn Uhr abends gelernt, dann haben<br />

wir zusammen nur getanzt und gefeiert …<br />

geschlafen haben wir nicht viel.«<br />

Eigentlich war es ke<strong>in</strong>e Absicht, dass nur<br />

Mädchen für die Ausbildung ausgesucht<br />

wurden. Aber es hatte im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

wichtige Bedeutung: Die e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

muslimische Schüler<strong>in</strong> hatte das E<strong>in</strong>verständnis<br />

<strong>der</strong> Eltern nur bekommen, weil<br />

sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit nur unter Mädchen und<br />

ohne Jungen war. So konnten sie sich e<strong>in</strong>en<br />

Freiraum schaffen, ohne dass die Eltern<br />

sich große Sorgen machten. Es wurden<br />

Infozettel verteilt und Fragen beantwortet.<br />

Wo es noch Misstrauen gab, stand<br />

Christ<strong>in</strong>e Eschemann selbst auf <strong>der</strong> Matte:<br />

»Da hilft nur das persönliche Gespräch<br />

und das Überzeugen <strong>der</strong> Eltern. Es gibt<br />

schließlich ke<strong>in</strong>e rechtliche Handhabe.«<br />

Doch gerade hier birgt das Projekt e<strong>in</strong><br />

weiteres Anliegen: »Für die Mädchen ist es<br />

e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Türchen zu <strong>der</strong> Gesellschaft, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> sie eigentlich leben. Und das leben sie<br />

dann <strong>auch</strong> ihren Geschwistern vor. Sie<br />

bekommen Lob, Anerkennung und vor<br />

allem e<strong>in</strong>e berufliche Qualifizierung.<br />

Und das stärkt das Selbstbewusstse<strong>in</strong><br />

sehr.«<br />

Sport sei <strong>auch</strong> das ideale Kontaktund<br />

Integrationsmedium, ist<br />

Eschemann überzeugt: »Mit dieser<br />

Tätigkeit kommen die Mädchen <strong>in</strong> zu<br />

90 Prozent mit Deutschen besetzte<br />

Strukturen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, sie arbeiten im<br />

Sport mit fast nur deutschen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n. <strong>Das</strong> ist Integration durch<br />

den Arbeitsalltag. Die Vere<strong>in</strong>e hier<br />

suchen hän<strong>der</strong><strong>in</strong>gend nach<br />

Menschen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund,<br />

die dann <strong>auch</strong> an<strong>der</strong>e<br />

anziehen.«<br />

Jugendleiter<strong>in</strong> Assma sieht hier<br />

gerade <strong>als</strong> Kopftuchträger<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Multiplikator<strong>in</strong>nenfunktion: »Es<br />

kommen <strong>auch</strong> schon Mütter mit<br />

Kopftuch mit ihren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zum<br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong><strong>der</strong>turnen, weil sie mich<br />

sehen und Vertrauen haben.«<br />

Astrid Touray vom Landessportbund<br />

Bremen hat es sich ebenfalls<br />

zum Ziel gemacht, neue Mitglie<strong>der</strong><br />

mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund <strong>in</strong> die<br />

Sportvere<strong>in</strong>e zu br<strong>in</strong>gen. Ihre<br />

Organisation unterstützt das Projekt<br />

f<strong>in</strong>anziell, geme<strong>in</strong>sam mit LOS-<br />

Mitteln des Stadtteilprojekts<br />

Tenever. Der Tenor bisher, so<br />

Touray, sei: »,Du bist Migrant, du bist<br />

schwach, du sprichst ke<strong>in</strong> Deutsch!’<br />

– Dann ist doch klar, dass sich viel <strong>in</strong><br />

die f<strong>als</strong>che Richtung entwickelt. Es<br />

muss heißen: ,Ich traue dir was zu!<br />

Ich for<strong>der</strong>e dich, weil ich dich achte.’<br />

Man muss die positiven Energien<br />

dieser Jugendlichen bündeln.«<br />

<strong>Das</strong> Schulzentrum Koblenzer Straße<br />

unterrichtet etwa 650 Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schüler <strong>in</strong> den Jahrgangsstufen 5 bis 10.<br />

Die Fremdheit untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, aber <strong>auch</strong><br />

die E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Deutschland führen<br />

dazu, dass das Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ständig geübt<br />

und geför<strong>der</strong>t werden muss. Dies prägt<br />

<strong>auch</strong> den gesamten Stadtteil Tenever.<br />

Dennoch spürt Barbara Matuschewski<br />

von <strong>der</strong> Stadtteil<strong>in</strong>itiative, dass die<br />

Teneveraner das Kulturgemisch <strong>als</strong><br />

Chance wahrnehmen: »Hier ist e<strong>in</strong> sehr<br />

dichtes kulturelles und soziales Netzwerk.<br />

<strong>Das</strong> ist erstaunlich.« Die ehemalige SPD-<br />

Fraktionsvorsitzende e<strong>in</strong>es Bremer<br />

Stadtteils zeigt sich optimistisch: »Es<br />

geschieht so viel <strong>in</strong> den Kommunen, aber<br />

viele Politiker sehen das nicht. Hier erlebe<br />

ich zum ersten Mal Demokratie von unten<br />

hautnah. Man lebt hier e<strong>in</strong> gewöhntes<br />

Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, dass zum Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

wird. Die Menschen hier s<strong>in</strong>d engagiert<br />

und helfen e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Von denen können<br />

und sollten wir lernen.«<br />

Ist das Projekt e<strong>in</strong> Erfolg? Eschemann:<br />

»Absolut. Wir werden auf jeden Fall<br />

weitermachen und neue Jugendliche<br />

ausbilden und ihnen so soziale Kompetenzen<br />

vermitteln.«<br />

Iram, 17, Jugendleiter<strong>in</strong> pakistanischer<br />

Herkunft, schaut e<strong>in</strong> wenig zurückhaltend<br />

auf die Tischplatte, <strong>als</strong> sie erzählt, wie gern<br />

sie <strong>in</strong> ihrer Freizeit draußen Fußball und<br />

Basketball spielt, wo nun e<strong>in</strong>mal <strong>auch</strong> ab<br />

und zu Jungen mitspielen. Ob es ihren<br />

Vater stören würde, wenn er das wüsste?<br />

Iram lächelt verschmitzt: »Ja, aber das<br />

kann ich schon aushalten.«<br />

Ansprechpartner<br />

Gerd Menkens<br />

Schulleiter<br />

Schulzentrum Koblenzer Straße<br />

Telefon 0421- 361 3029<br />

www.szk-bremen.de<br />

Jörg Hermen<strong>in</strong>g<br />

Projektgruppe Tenever<br />

Telefon 0421 - 42 57 69<br />

projektgruppe@bremen-tenever.de<br />

www.bremen-tenever.de<br />

Astrid Touray<br />

Integrationsabteilung<br />

Landessportbund Bremen e.V.<br />

Telefon 0421 - 792 8725<br />

touray@lsb-bremen.de<br />

www.lsb-bremen.de<br />

Ute Brunzel<br />

TSV Osterholz-Tenever e.V.<br />

Telefon 0421 - 42 54 71<br />

ot@otbremen.de<br />

www.otbremen.de<br />

POTENZIALE VON JUGENDLICHEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND WECKEN<br />

Iram mit <strong>der</strong> »Juleica«<br />

»Früher mochten mich viele Schüler nicht so und<br />

dachten: Die mit dem Kopftuch ist komisch.<br />

Aber das ist jetzt an<strong>der</strong>s, sie haben mehr<br />

Respekt vor mir. Ich b<strong>in</strong> stärker.«<br />

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