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Beim Boxen s<strong>in</strong>d alle gleich ...<br />

»Der pädagogische Anspruch muss beim<br />

Boxtra<strong>in</strong>er unbed<strong>in</strong>gt da se<strong>in</strong>, Boxen ist<br />

mehr <strong>als</strong> Kampf. Es ist <strong>auch</strong> vollkommen<br />

okay, mal zu verlieren. <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d<br />

Lernprozesse fürs Leben, die wir hier<br />

vermitteln. Es stärkt die Kommunikationsfähigkeit<br />

und die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die<br />

Gesellschaft entscheidend.«<br />

Die Teilnehmer s<strong>in</strong>d zu e<strong>in</strong>em großen<br />

Prozentsatz Jugendliche mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund:<br />

»Offene Jugendarbeit ist<br />

Migrationsarbeit, das muss man so mal<br />

sagen«, ist Malik überzeugt. Aber unter<br />

ihnen muss mehr E<strong>in</strong>igkeit geschaffen<br />

werden, das Spannungsverhältnis beschränkt<br />

sich nicht nur auf Deutsche und<br />

Nicht-Deutsche. Zum ersten Mal kommen<br />

Jugendliche aus rivalisierenden<br />

Stadteilen und Banden zusammen und<br />

begegnen sich friedlich und respektvoll.<br />

Malik kennt die Strukturen <strong>in</strong> Offenbach<br />

wie se<strong>in</strong>e eigene Westentasche und erklärt<br />

se<strong>in</strong> daraus resultierendes Bild von<br />

Integration: »Man sprach früher immer<br />

nur von Toleranz auf deutscher Seite.<br />

Doch das ist nicht das ganze Bild. Auch<br />

Deutsche wurden und werden ausgegrenzt.<br />

In <strong>der</strong> Verfassung verankerte<br />

Grundsätze wie die Gleichberechtigung<br />

von Mann und Frau, die viele Jugendliche<br />

hier nicht verstehen wollen, diskutiere ich<br />

nicht mehr mit ihnen. So kann Integration<br />

nicht funktionieren. Jedes System hat se<strong>in</strong>e<br />

Werte, und das hier geltende ist mit Recht<br />

Programm. Je<strong>der</strong> hat sich danach zu<br />

orientieren. Auch das vermitteln wir <strong>in</strong><br />

dem Projekt, aber wir vermitteln <strong>auch</strong> die<br />

Instrumente dazu.«<br />

Der pädagogische Ansatz ist <strong>als</strong>o <strong>der</strong><br />

Erfolgspunkt des Projektvorhabens: Malik<br />

tritt se<strong>in</strong>en Schützl<strong>in</strong>gen <strong>als</strong> gleichwertig<br />

und wertschätzend gegenüber und<br />

gew<strong>in</strong>nt so seit langen Jahren das<br />

Vertrauen <strong>der</strong> Jugendlichen. Er hat e<strong>in</strong><br />

offenes Ohr bei schulischen und privaten<br />

Problemen und vermittelt Hilfe und<br />

weitere Beratung.<br />

Auch Boxtra<strong>in</strong>er Peter Firner sieht <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Arbeit e<strong>in</strong>e Philosophie: »Integration<br />

f<strong>in</strong>det nicht von selbst statt. Beim<br />

Boxen, allgeme<strong>in</strong> beim Sport, treffen sich<br />

verschiedenste Welten auf e<strong>in</strong>er respektvollen<br />

Ebene. Auf Wunsch <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

s<strong>in</strong>d wir nun e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> <strong>auch</strong> an<br />

Wettkämpfen teilnehmen kann. Sie treffen<br />

nun mit Leuten zusammen, mit denen sie<br />

sonst nie geredet hätten. Und das Wir-<br />

Gefühl ist überwältigend. Die Jungs haben<br />

e<strong>in</strong> ganz an<strong>der</strong>es Selbstwertgefühl und<br />

arbeiten konzentriert an e<strong>in</strong>er Sache.<br />

Darum geht es.«<br />

<strong>Das</strong> hat <strong>auch</strong> die Stadt Offenbach<br />

gesehen. Schon zu Anfang des Projekts<br />

f<strong>in</strong>anzierte sie mit Mitteln aus dem<br />

Präventionsrat das Vorhaben und die<br />

Zielsetzung von Wolfgang Malik und<br />

se<strong>in</strong>en Kollegen, das <strong>auch</strong> <strong>der</strong> Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e<br />

funktionierende Integration von Jugendlichen<br />

mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund Rechnung<br />

trägt. Mittlerweile gehört das<br />

Boxprojekt zu e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> erfolgreichsten<br />

Projekte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt mit <strong>der</strong> höchsten<br />

Migrantenrate Deutschlands. Da die<br />

BoxerInnen nun e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d, wird das<br />

Projekt zusätzlich mit Spenden- und<br />

För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong>n unterstützt.<br />

Atacan, 17, hat heute se<strong>in</strong>e Sportklamotten<br />

vergessen. Trotzdem ist er da<br />

und schaut aufmerksam beim Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g zu.<br />

Er macht e<strong>in</strong>en stolzen E<strong>in</strong>druck, <strong>als</strong> er<br />

von se<strong>in</strong>en Sportkameraden erzählt. »Wir<br />

lernen hier Solidarität und Fairness. Man<br />

muss sich nicht wegen allem prügeln. Ich<br />

habe e<strong>in</strong> sichereres Auftreten und fühle<br />

mich wirklich besser. Ich habe etwas zu<br />

bieten.« Auf die Frage, wer hier alles<br />

mitmache, verweist er auf das Gesamtbild<br />

<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam tra<strong>in</strong>ierenden Jugendlichen:<br />

»Hier ist es total egal, ob du<br />

Moslem bist, Jude, Christ, Mädchen,<br />

Junge, dick, dünn, schlau, doof, weiß o<strong>der</strong><br />

schwarz, deutsch o<strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>. Guck<br />

doch, wir arbeiten alle zusammen und<br />

passen auf uns auf.«<br />

Peter Firner kann dies bestätigen: »Wir<br />

<strong>in</strong>tegrieren Jugendliche unabhängig von<br />

Nationalität, Religion, Talent o<strong>der</strong> Geschlecht<br />

und selektieren nicht. Es kommen<br />

daher viele zu uns und fühlen sich<br />

hier heimisch. Hier reichen sich alle die<br />

Hand. Wir för<strong>der</strong>n <strong>in</strong>dividuell, aber wir<br />

for<strong>der</strong>n <strong>auch</strong>.«<br />

Zu Vorbild Zijad, dessen Eltern aus Ex-<br />

Jugoslawien stammen, schauen viele <strong>der</strong><br />

Jugendlichen auf: Er ist durch das Projekt<br />

Hessenmeister im Superschwergewicht<br />

geworden und kommt aus ihren eigenen<br />

Reihen. Man kennt sich noch gut aus<br />

raueren Zeiten auf <strong>der</strong> Straße. Und »e<strong>in</strong>er<br />

wie er« hat es geschafft. E<strong>in</strong> Ansporn für<br />

viele. »Obwohl ich <strong>in</strong> Deutschland<br />

geboren b<strong>in</strong>, habe ich oft das Gefühl<br />

gehabt, nicht gleichwertig betrachtet zu<br />

werden. Ich habe fünf Geschwister und<br />

dachte irgendwann, <strong>als</strong> ich im Projekt<br />

anf<strong>in</strong>g, dass das Leben sich än<strong>der</strong>n muss.«<br />

So drückte <strong>der</strong> große und selbstbewusste<br />

junge Mann konsequent die Schulbank bis<br />

zum Fachabitur (er kennt sonst niemanden<br />

aus se<strong>in</strong>em Freundeskreis mit<br />

vergleichbarem Abschluss) und will<br />

e<strong>in</strong>mal Sozialpädagogik studieren, beson<strong>der</strong>s<br />

weil er die Situation vieler Jugendlicher<br />

verän<strong>der</strong>n und <strong>als</strong> authentisches<br />

Beispiel vor ihnen stehen will.<br />

»Viele sehen mich und machen nun ihre<br />

Schule weiter. Respekt und Diszipl<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d<br />

sehr wichtig.« Nun macht er Zivildienst im<br />

JUZ und eifert se<strong>in</strong>em Chef Wolfgang<br />

Malik nach. »Viele ausländische<br />

Jugendliche fühlen hier Ausgrenzung und<br />

werden demotiviert, sich <strong>in</strong> die<br />

Gesellschaft e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Durch die<br />

richtige Sozialarbeit wie dieses Projekt<br />

bekommen sie Schlüsselqualifikationen,<br />

und das spiegelt sich beruflich und sozial<br />

wi<strong>der</strong>. So schafft man Zukunft und<br />

Perspektive. Irgendwann muss man sich<br />

e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>n, so geht das doch nicht<br />

weiter. Aber die Kommunen müssen <strong>auch</strong><br />

Anreize bieten. Die Politik sieht immer<br />

nur, was los ist, aber nicht, was <strong>der</strong><br />

H<strong>in</strong>tergrund ist.«<br />

Wolfgang Malik, kommunalpolitisch<br />

selbst stark engagiert, sieht dies ähnlich:<br />

»Die Mittel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kommune s<strong>in</strong>d knapp,<br />

aber das Ehrenamt muss stärker geför<strong>der</strong>t<br />

werden. Wir haben drei Tra<strong>in</strong>er, davon<br />

arbeiten zwei ehrenamtlich. Die Leute<br />

müssen kommen, Projekte wie unseres<br />

sehen, erfahren, dass es klappt. <strong>Das</strong><br />

motiviert. Die Kommunalpolitik muss<br />

s<strong>in</strong>nlich erfahren, dass wir zur sozialen<br />

Entwicklung beitragen, zur Integration,<br />

zum sozialen Frieden, und dass wir mit<br />

solchen Maßnahmen Perspektiven<br />

schaffen. Solche Projekte s<strong>in</strong>d Investitionen<br />

<strong>in</strong> die Zukunft. <strong>Das</strong> können wir<br />

POTENZIALE VON JUGENDLICHEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND WECKEN<br />

nachweisen, wenn man sich unsere<br />

Jugendlichen anschaut.«<br />

Zijad stimmt dem zu und möchte darauf<br />

h<strong>in</strong>arbeiten. E<strong>in</strong>es möchte er aber noch<br />

h<strong>in</strong>zufügen: »Wenn wir uns jetzt mal kurz<br />

<strong>in</strong> ,Deutsche’ und ,Nicht-Deutsche’<br />

e<strong>in</strong>teilen«, schmunzelt er, »dann können<br />

wir uns e<strong>in</strong>iges von den Deutschen<br />

abgucken: Aufstiegsdrang, Pünktlichkeit,<br />

Organisation. Aber die Verantwortung<br />

für und durch Familie, das Teilen … da<br />

können die Deutschen sich e<strong>in</strong>e Scheibe<br />

von den Nicht-Deutschen abschneiden.«<br />

Ansprechpartner<br />

Wolfgang Malik<br />

Sozialarbeiter und Leiter des JUZ<br />

Nordend<br />

Jugendamt <strong>der</strong> Stadt Offenbach<br />

Telefon 069 - 8236 3904<br />

Fax 069 - 8236 3906<br />

wolfgang.malik@jugendamt-of.de<br />

Mehr Informationen im Internet<br />

www.offenbach.de/offenbach/<br />

themen/leben-<strong>in</strong>-offenbach/stadtteileund-quartiersmanagement/nordend/<br />

e<strong>in</strong>richtung/juz-nordend.html<br />

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