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Offenbach am Ma<strong>in</strong><br />

»Beim Boxen s<strong>in</strong>d alle gleich«<br />

Schlagkräftige Argumente für Integration<br />

»Irgendwann muss sich je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>n.<br />

Ich habe e<strong>in</strong>e unheimliche<br />

Motivation verspürt, me<strong>in</strong> Leben zu<br />

verän<strong>der</strong>n. Und das habe ich<br />

geschafft.«<br />

Zijad Dolican<strong>in</strong>, Hessenmeister im<br />

Superschwergewicht<br />

(mit Boxtra<strong>in</strong>er Peter Fichter)<br />

POTENZIALE VON JUGENDLICHEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND WECKEN<br />

Die Halle ist voll von Jugendlichen,<br />

so weit das Auge reicht, bis <strong>in</strong> die<br />

letzte Ecke. Alle schwitzen sie,<br />

machen Auflockerungsübungen, Seilspr<strong>in</strong>gen,<br />

Sit-ups und haben e<strong>in</strong>en<br />

verbissenen Blick. Je<strong>der</strong> ist mit voller<br />

Konzentration bei <strong>der</strong> Sache. Wie <strong>auch</strong><br />

Boxtra<strong>in</strong>er Peter Firner, <strong>der</strong> vor ihnen<br />

<strong>steht</strong>, die Übungen vormacht und sie bei<br />

den Kräfte zehrenden Übungen anfeuert.<br />

Als die Jugendlichen vom Boden<br />

aufstehen, schnappen sie nach Luft, e<strong>in</strong>ige<br />

lächeln zufrieden. »Wann geht's denn ans<br />

Boxen?«, ruft e<strong>in</strong>er von h<strong>in</strong>ten. Alle s<strong>in</strong>d<br />

sie hochmotiviert und diszipl<strong>in</strong>iert. Und<br />

sie haben e<strong>in</strong> großes Vorbild aus ihren<br />

eigenen Reihen.<br />

Zijad schaut mit selbstbewusstem Blick <strong>in</strong><br />

die Menge, se<strong>in</strong>e Hände <strong>in</strong> Boxhandschuhen<br />

schützend vor den Kopf haltend.<br />

Der 21jährige körperlich imposante<br />

Hessenmeister im Superschwergewicht<br />

machte von Anfang an im Projekt mit und<br />

wurde nach <strong>der</strong> Entdeckung se<strong>in</strong>es<br />

Talents im JUZ, dem Jugendzentrum im<br />

Nordend <strong>der</strong> Stadt Offenbach, auf se<strong>in</strong>en<br />

Titel h<strong>in</strong>tra<strong>in</strong>iert.<br />

»Früher habe ich diese ganzen männlichen<br />

Machtspiele auf <strong>der</strong> Straße mitgespielt, ich<br />

war so e<strong>in</strong> Rudelführer, habe fast jeden<br />

Tag geprügelt wegen nichts und total<br />

s<strong>in</strong>nlos. Bis ich 2003 im Boxprojekt anf<strong>in</strong>g,<br />

fair zu boxen.« Auch Wolfgang Malik,<br />

engagierter Sozialarbeiter im JUZ,<br />

begleitete Zijad auf se<strong>in</strong>em Weg. »Er ist<br />

unser absolutes Erfolgsvorbild für dieses<br />

Projekt. Und Vorbild für unsere<br />

Jugendlichen hier.«<br />

Doch e<strong>in</strong>e Sekunde muss man schon<br />

<strong>in</strong>nehalten: Kampfsport? <strong>Das</strong> soll zu<br />

e<strong>in</strong>em besseren und <strong>in</strong>tegrierten Leben <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Kommune beitragen?<br />

Genau das. Seit Mai 2003 arbeitet<br />

Wolfgang Malik mit dem Pädagogikstudenten<br />

und Boxer Peter Firner <strong>als</strong><br />

Tra<strong>in</strong>er im Boxprojekt des JUZ. Gut 40<br />

motivierte Jungs und mittlerweile <strong>auch</strong><br />

drei neugierige Mädchen zwischen 12 und<br />

25 Jahren tra<strong>in</strong>ieren drei- bis viermal <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Woche mehrere Stunden nicht nur ihre<br />

kampfsporttechnischen Fähigkeiten. Für<br />

die Jugendlichen des Stadtteils ist das<br />

Boxen e<strong>in</strong> wichtiger Bestandteil, e<strong>in</strong><br />

Fixpunkt ihres Alltags geworden. Früher<br />

h<strong>in</strong>gen sie auf <strong>der</strong> Straße herum und<br />

ließen ihre Energien oft an<strong>der</strong>weitig aus.<br />

Friedlicher Kontakt zu an<strong>der</strong>en Gruppen<br />

o<strong>der</strong> gar deutschen Jugendlichen war<br />

kaum möglich.<br />

Malik war von Anfang an von <strong>der</strong> Idee<br />

überzeugt, die e<strong>in</strong> Amateurboxer mit ihm<br />

entwickelte: »Boxen ist <strong>der</strong> Aufhänger, um<br />

Jugendliche für Jugendarbeit zu<br />

<strong>in</strong>teressieren. Aber alles, was man zum<br />

Boxen br<strong>auch</strong>t, ist soziale Kompetenz.<br />

Man muss vielen den Unterschied<br />

zwischen Angst und Respekt zeigen.«<br />

Und tatsächlich ist es e<strong>in</strong>e tolle Erfahrung<br />

<strong>als</strong> jemand, <strong>der</strong> während des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />

durch die Tür des JUZ kommt, von jedem<br />

respektvoll mit Handschlag und Lächeln<br />

begrüßt zu werden: »Am Anfang ist das<br />

e<strong>in</strong>e Respektübung, später kommt es von<br />

Herzen.«<br />

Regelmäßiges Ersche<strong>in</strong>en und frühzeitige<br />

Abmeldung beim Leiter schreibt die Regel<br />

vor. Bei Verstößen wird nicht zimperlich<br />

vorgegangen. Es herrschen strikte Grundsätze<br />

wie Verlässlichkeit, Diszipl<strong>in</strong>,<br />

gegenseitige Wertschätzung, Fairness,<br />

Verb<strong>in</strong>dlichkeit. E<strong>in</strong>mal die Woche darf<br />

man anfangs mittra<strong>in</strong>ieren. Wer öfter<br />

mitmachen will, muss se<strong>in</strong>e Ernsthaftigkeit<br />

beweisen. Jemand, <strong>der</strong> sich<br />

außerhalb des Boxtra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs schlägt, wird<br />

auf immer ausgeschlossen.<br />

Dies hört sich sehr hart an, aber es<br />

funktioniert, weil die Jugendlichen sich<br />

beweisen und nach diesen Regeln leben<br />

möchten. Diese Grundsätze nehmen sie<br />

<strong>als</strong> soziale Kompetenzen aus dem JUZ mit<br />

nach Hause und <strong>in</strong> die Schule. Wolfgang<br />

Malik unterstreicht diese Zielsetzung:<br />

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