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Es ist e<strong>in</strong>e Anerkennung ...<br />

rung, aber <strong>auch</strong> e<strong>in</strong> Problem. Beson<strong>der</strong>s<br />

wenn man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Land <strong>als</strong><br />

Deutschland geboren ist, sitzt man<br />

zwischen zwei Stühlen. Beispielsweise<br />

s<strong>in</strong>d die türkischen Jugendlichen hier nicht<br />

zu vergleichen mit den jungen Türken <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Türkei. Hier <strong>in</strong> Deutschland s<strong>in</strong>d die<br />

Jugendlichen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zwischenkultur.<br />

Man muss ihnen die Gelegenheit geben,<br />

ihre Identität zu f<strong>in</strong>den. Alle stellen sich <strong>in</strong><br />

dieser Lage die Frage: ‚Wer b<strong>in</strong> ich?' Dazu<br />

muss man beide Kulturen und <strong>auch</strong> beide<br />

Sprachen gut kennen und können.« Ursula<br />

Klee stimmt zu und argumentiert:<br />

»Türkische Schüler s<strong>in</strong>d benachteiligt, was<br />

das Deutsche betrifft. Die Option,<br />

Türkisch wählen zu können, ist e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er<br />

Bonus für sie und erhöht den Stellenwert<br />

<strong>der</strong> Muttersprache.«<br />

Seher Özkartal erzählt, dass sie selbst zwei<br />

Schwestern habe, die beide nicht gut<br />

Türkisch sprechen könnten, da müsse man<br />

früh genug ansetzen, Zweisprachigkeit <strong>als</strong><br />

Bereicherung anerkennen und unbed<strong>in</strong>gt<br />

för<strong>der</strong>n: »H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Jobchancen ist<br />

dies doch <strong>auch</strong> so wichtig! Man kann ja<br />

nicht immer die Türken <strong>als</strong> Beispiel<br />

nehmen, aber sie s<strong>in</strong>d nun e<strong>in</strong>mal die<br />

größte Migrantengruppe <strong>in</strong> Deutschland,<br />

und das darf man e<strong>in</strong>fach nicht mehr<br />

ignorieren.«<br />

Kemal Atik besucht die 12. Stufe des<br />

Ricarda-Huch-Gymnasiums. Der höfliche<br />

und nachdenkliche junge Mann kam 1996<br />

mit se<strong>in</strong>en Eltern aus <strong>der</strong> Türkei nach<br />

Deutschland. Se<strong>in</strong>e Leistungskurse s<strong>in</strong>d<br />

Mathematik und Türkisch. Kemal hatte<br />

anfangs große Probleme mit <strong>der</strong><br />

deutschen Sprache. »Ich hatte immer<br />

starkes Interesse an <strong>der</strong> Mathematik, und<br />

e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Gründe, weshalb ich das Fach so<br />

mochte und später <strong>auch</strong> <strong>als</strong> Leistungskurs<br />

wählte, war e<strong>in</strong>fach, dass es mechanisches<br />

Denken ist und nichts mit Sprache zu tun<br />

hat. <strong>Das</strong> war eben e<strong>in</strong> großer Schwachpunkt<br />

bei mir, den ich mit Mathe umgehen<br />

konnte.«<br />

Oft wusste Kemal nicht, <strong>in</strong> welcher<br />

Sprache er sich auf welche Weise<br />

verständigen sollte. Dies bereitete ihm<br />

nicht nur im Unterricht, son<strong>der</strong>n <strong>auch</strong> im<br />

Umgang mit se<strong>in</strong>en Mitmenschen<br />

Kopfzerbrechen: »Ich war oft <strong>in</strong><br />

Situationen, <strong>in</strong> denen ich etwas auf<br />

Türkisch erzählen wollte und bemerkte,<br />

dass ich immer wie<strong>der</strong> deutsche Wörter<br />

e<strong>in</strong>baute. <strong>Das</strong> g<strong>in</strong>g mir <strong>auch</strong> an<strong>der</strong>sherum<br />

so. Die e<strong>in</strong>e Sprache konnte ich kaum, die<br />

an<strong>der</strong>e wurde vermischt. <strong>Das</strong> war wirklich<br />

e<strong>in</strong> Nachteil.« <strong>Das</strong> än<strong>der</strong>te sich nach<br />

Kem<strong>als</strong> Me<strong>in</strong>ung, seitdem er Türkisch am<br />

Ricarda-Huch-Gymnasium belegt hat.<br />

»Beide Sprachen beherrsche ich nun gut<br />

und auf höherem Niveau, und das för<strong>der</strong>t<br />

me<strong>in</strong> Sprachbewusstse<strong>in</strong>.«<br />

Dr. Ulrich Hillebrand von <strong>der</strong> Bezirksregierung<br />

Münster, zuständig für die<br />

Fächer Türkisch und Englisch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

gymnasialen Oberstufe, ist von dem<br />

Konzept überzeugt: »Der Türkischunterricht<br />

hat <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />

e<strong>in</strong>e ganz eigene Erfolgsstory erlebt, <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren hat sich da sehr viel<br />

getan. Momentan gibt es nur zwei<br />

Türkisch-Leistungskurse, beide s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

Gelsenkirchen. E<strong>in</strong> dritter, ebenfalls <strong>in</strong><br />

Gelsenkirchen, kommt im Schuljahr<br />

2006/07 h<strong>in</strong>zu, aber es ist wünschenswert,<br />

wenn sich dies <strong>in</strong> NRW noch<br />

ausbaut.« <strong>Das</strong> Ricarda-Huch-Gymnasium<br />

hat da e<strong>in</strong>e klare Vorreiterfunktion.<br />

Jörg Reimann, stellvertreten<strong>der</strong> Sprecher<br />

<strong>der</strong> SPD Gelsenkirchen und im dortigen<br />

Ausschuss für Bildung engagiert, blickt <strong>in</strong><br />

die Zukunft: »Die demografische<br />

Entwicklung <strong>in</strong> ganz Deutschland, nicht<br />

nur im Ruhrgebiet, erfor<strong>der</strong>t gerade <strong>auch</strong><br />

im bildungspolitischen Bereich e<strong>in</strong><br />

grundlegendes Umdenken. Zurzeit stellt<br />

das Ricarda-Huch-Gymnasium mit<br />

se<strong>in</strong>em hohen Migrantenanteil zwar noch<br />

e<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heit dar. Aber die Zukunft<br />

wird ähnliche Zahlen <strong>in</strong> allen an<strong>der</strong>en<br />

Gymnasien erwarten lassen, wenn allen,<br />

<strong>auch</strong> den Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern mit<br />

Migrationsh<strong>in</strong>tergrund, die Möglichkeit<br />

gegeben wird, im Nachmittagsbereich<br />

<strong>in</strong>dividuell Defizite abzubauen und e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>tensive För<strong>der</strong>ung zu erreichen.«<br />

Im Leistungskurs wird Hochtürkisch<br />

gelehrt, erklärt Kemal. Dort lernt er über<br />

die heimatliche Kultur, Medien,<br />

Geschichte und Politik: »Dieses Wissen<br />

diskutieren wir und vergleichen es mit dem<br />

deutschen System. Es macht Spaß, ist aber<br />

<strong>auch</strong> sehr wichtig auf dem Weg, sich selbst<br />

und se<strong>in</strong>en Platz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft zu<br />

f<strong>in</strong>den.« Dafür nimmt Kemal jeden<br />

Morgen die lange Anreise aus Düsseldorf<br />

auf sich, um am Ricarda-Huch-Gymnasium<br />

zu lernen: »Der Türkischunterricht ist für<br />

mich so wichtig und so lehrreich, weil ich<br />

dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung f<strong>in</strong>de zwischen dem,<br />

was ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Familie und me<strong>in</strong>er Kultur<br />

mache, und auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite zu<br />

me<strong>in</strong>em Leben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule und <strong>in</strong> dieser<br />

Gesellschaft.«<br />

Ähnliches wird die junge Referendar<strong>in</strong><br />

Seher Özkartal <strong>als</strong> Schüler<strong>in</strong> empfunden<br />

haben. Sie ist froh, dies nun an ihre<br />

Schülerschaft weiterzugeben: »Dieser<br />

Unterricht eröffnet Zukunftschancen für<br />

diese Jugendlichen, Mehrsprachigkeit und<br />

<strong>in</strong>terkulturelle Kompetenz werden auf dem<br />

Arbeitsmarkt immer wichtiger. Außerdem<br />

bekommen die Schüler das so wichtige<br />

Gefühl <strong>der</strong> Wertschätzung ihrer Kultur und<br />

Sprache vermittelt. Und diese Anerkennung<br />

muss noch viel mehr im zwischenmenschlichen<br />

Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> herausgearbeitet<br />

werden!«<br />

FÖRDERUNG IN DER SCHULE<br />

Ansprechpartner<br />

Ursula Klee<br />

Schulleiter<strong>in</strong><br />

Ricarda-Huch-Gymnasium<br />

Gelsenkirchen<br />

Telefon 0209 - 957 000<br />

rhg@rhg-ge.de<br />

www.rhg-ge.de<br />

Dr. Ulrich Hillebrand<br />

Bezirksregierung Münster<br />

Telefon 0251 - 411 4154<br />

ulrich.hillebrand@brms.nrw.de<br />

www.bezreg-muenster.nrw.de<br />

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