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Gelsenkirchen<br />

»Es ist e<strong>in</strong>e Anerkennung unserer Muttersprache!«<br />

Mehrsprachigkeit <strong>als</strong> Reichtum und nicht <strong>als</strong> Defizit<br />

»Zweisprachigkeit ist e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Ressource, die man för<strong>der</strong>n muss!<br />

Außerdem soll e<strong>in</strong>e gelungene<br />

Integration <strong>in</strong> die deutschen Gesellschaft<br />

ja nicht die Des<strong>in</strong>tegration <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Heimat bedeuten: Ich will <strong>auch</strong> gut<br />

Türkisch sprechen können, um <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Türkei ke<strong>in</strong>e Ausgrenzung erfahren zu<br />

müssen! Der Unterricht und die<br />

Anerkennung <strong>der</strong> Muttersprache s<strong>in</strong>d<br />

da sehr wichtig.«<br />

Seher Özkartal, Referendar<strong>in</strong><br />

<strong>Das</strong> Ricarda-Huch-Gymnasium<br />

ersche<strong>in</strong>t auf den ersten Blick<br />

eigentlich wie jede an<strong>der</strong>e<br />

weiterführende Schule. E<strong>in</strong>e lange Allee<br />

im Gelsenkirchener Stadtteil Bulmke-<br />

Hüllen führt auf sie zu, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pause stehen<br />

viele Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler mit<br />

Butterbroten und Getränken draußen und<br />

unterhalten sich: über Musik, das an<strong>der</strong>e<br />

Geschlecht, den Unterricht und natürlich<br />

die Fußballweltmeisterschaft. Themen,<br />

die alle Jugendlichen geme<strong>in</strong>sam haben<br />

und <strong>in</strong> verschiedenen Sprachen diskutieren.<br />

Auf die Frage, ob er sich auf dem<br />

Schulhof nur Deutsch <strong>als</strong> vorgeschriebene<br />

Sprache vorstellen könne, hebt Philip, 17,<br />

nur lässig die Schultern: »Ach, ich weiß<br />

nicht. Warum? Viele Schüler hier sprechen<br />

zuhause <strong>auch</strong> an<strong>der</strong>e Sprachen, und wir<br />

lernen hier Fremdsprachen wie Englisch,<br />

Late<strong>in</strong> und Französisch. Also warum soll<br />

das nicht <strong>auch</strong> auf dem Schulhof so se<strong>in</strong>?<br />

Und Türkisch wird hier ja <strong>auch</strong> <strong>als</strong><br />

Unterrichtsfach angeboten.«<br />

Und genau hier unterscheidet sich das<br />

Ricarda-Huch-Gymnasium doch von<br />

an<strong>der</strong>en weiterführenden Schulen. »Wir<br />

unterrichten hier rund 920 Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler aus 27 Nationen, <strong>in</strong>sgesamt<br />

mit e<strong>in</strong>em Migrantenanteil von knapp<br />

unter 30 Prozent, das ist für e<strong>in</strong><br />

Gymnasium ungewöhnlich hoch«, erklärt<br />

Schulleiter<strong>in</strong> Ursula Klee, während sie<br />

durch die Gänge <strong>der</strong> Schule führt. Sie<br />

erläutert <strong>auch</strong>, dass die Schülerzahlen<br />

s<strong>in</strong>ken, es gebe <strong>in</strong> Gelsenkirchen e<strong>in</strong>e<br />

Arbeitslosenquote von gut 25 Prozent. Bei<br />

<strong>der</strong> Aufnahme von Migrantenk<strong>in</strong><strong>der</strong>n sei<br />

die Tendenz an dieser Schule jedoch<br />

steigend.<br />

Ursula Klee dreht die Zeit zurück und<br />

erzählt vom Werdegang des Unterrichtsfachs<br />

Türkisch an ihrer Schule: »Dieses<br />

Fach hat schon e<strong>in</strong>e gewisse Tradition bei<br />

uns. Vor ungefähr 25 Jahren bekamen<br />

türkische K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die hier aufgenommen<br />

wurden, muttersprachlichen Ergänzungsunterricht.<br />

Bald erhielten sie <strong>auch</strong> die<br />

FÖRDERUNG IN DER SCHULE<br />

Möglichkeit, Türkisch <strong>als</strong> zweite<br />

Fremdsprache <strong>als</strong> Alternative zu Französisch<br />

o<strong>der</strong> Late<strong>in</strong> zu wählen. Damit<br />

verbunden war die Option, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Oberstufe <strong>auch</strong> e<strong>in</strong>en Leistungskurs zu<br />

belegen.«<br />

In Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen ist das Ricarda-<br />

Huch-Gymnasium nicht das e<strong>in</strong>zige, das<br />

Türkisch <strong>als</strong> Unterrichtsfach anbietet,<br />

wohl aber die e<strong>in</strong>zige Schule bundesweit,<br />

die <strong>in</strong> dieser Sprache Leistungskurse<br />

formiert hat. So wurden e<strong>in</strong> Konzept und<br />

Richtl<strong>in</strong>ien für e<strong>in</strong>en Türkisch-Leistungskurs<br />

<strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen erstellt, an<br />

<strong>der</strong>en Ausarbeitung das Ricarda-Huch-<br />

Gymnasium teilhatte. Doch wozu ist das<br />

Unterrichtsfach Türkisch, geschweige<br />

denn e<strong>in</strong> Leistungskurs, gut?<br />

Ursula Klee spricht mittlerweile von <strong>der</strong><br />

vierten Generation türkischer Schüler. Sie<br />

hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit bemerkt, dass die<br />

muttersprachlichen Kenntnisse stark<br />

abgenommen hätten. »Für den Erwerb<br />

e<strong>in</strong>er Fremdsprache muss e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d erst<br />

e<strong>in</strong>mal se<strong>in</strong>e Muttersprache so gut wie<br />

möglich beherrschen. Daher ist <strong>der</strong><br />

Türkischunterricht so wichtig. Oft f<strong>in</strong>det<br />

man <strong>auch</strong> Schüler vor, die we<strong>der</strong> das<br />

Türkische noch das Deutsche ausreichend<br />

beherrschen. Wie soll dann noch e<strong>in</strong>e<br />

zusätzliche Sprache s<strong>in</strong>nvoll gelernt<br />

werden können?«<br />

Seher Özkartal, <strong>der</strong>zeit Referendar<strong>in</strong> am<br />

Ricarda-Huch-Gymnasium, weiß dies aus<br />

eigener Erfahrung: »Ich war selbst<br />

Schüler<strong>in</strong> an dieser Schule, und <strong>der</strong><br />

Türkisch-Leistungskurs hat mich persönlich<br />

so weit gebracht, dass ich mich dazu<br />

entschloss, Türkisch zu studieren. Es ist<br />

wirklich e<strong>in</strong> Glück, wenn man se<strong>in</strong>e eigene<br />

Muttersprache studieren kann.« Die<br />

selbstbewusste junge Frau <strong>steht</strong> nun selbst<br />

vor <strong>der</strong> Schülerschaft und br<strong>in</strong>gt ihr beide<br />

Sprachen und Kulturen, die deutsche und<br />

die türkische, bei. Beides zu beherrschen,<br />

käme nicht e<strong>in</strong>fach von selbst: »Zwischen<br />

zwei Sprachen zu se<strong>in</strong>, ist e<strong>in</strong>e Bereiche-<br />

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