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Nürnberg<br />

»Wir alle geme<strong>in</strong>sam!«<br />

Wie e<strong>in</strong> Stadtteil das Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> lebt und feiert<br />

»Es wäre viel e<strong>in</strong>facher, wenn alle<br />

aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zugehen würden. Viele<br />

ausländische Mitbürger müssten <strong>auch</strong><br />

dazu aufgefor<strong>der</strong>t werden, sich im<br />

Stadtteil zu engagieren. Wenn man<br />

sich e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> vorstellt, werden früh<br />

Barrieren abgebaut. Man kann nicht<br />

still se<strong>in</strong> und erwarten, dass Integration<br />

e<strong>in</strong>fach so funktioniert. Ich<br />

kann mich schließlich nicht alle<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>tegrieren.«<br />

Havva Özcan,<br />

ehem. Bürgervere<strong>in</strong> Wer<strong>der</strong>au e.V.<br />

Es regnet <strong>in</strong> Strömen, die kle<strong>in</strong>en<br />

Zeltstände fegt <strong>der</strong> stürmische<br />

W<strong>in</strong>d be<strong>in</strong>ahe weg. In diesem Jahr<br />

spielt das Wetter nicht wirklich mit. Die<br />

Wer<strong>der</strong>auer kann jedoch nichts so e<strong>in</strong>fach<br />

davon abhalten, ihr Stadtteilfest zu feiern.<br />

Der Bürgervere<strong>in</strong> <strong>steht</strong> neben dem Stand<br />

mit selbst gemachten Wer<strong>der</strong>au-<br />

Kalen<strong>der</strong>n, die K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten präsentieren<br />

Spielstände und Selbstgebasteltes. Die<br />

Ortsvere<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d vertreten, Polizei und<br />

Feuerwehr sorgen für Blaulicht-Action.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> klettern, strahlen und laufen<br />

umher. Mart<strong>in</strong>a Haag <strong>steht</strong> unter e<strong>in</strong>em<br />

Regenschirm und schmunzelt: »Sehen Sie,<br />

ich sagte doch, es ist wie<strong>der</strong> was los hier<br />

auf dem Volckamerplatz.« <strong>Das</strong> dritte<br />

Stadtteilfest <strong>der</strong> <strong>in</strong>selähnlichen Wohnsiedlung<br />

<strong>in</strong> Nürnberg brummt,<br />

selbstgebackene Muff<strong>in</strong>s und frischen<br />

Kaffee, heißen Döner und türkischen Tee<br />

lässt man sich schmecken. Auf <strong>der</strong> Bühne<br />

mo<strong>der</strong>ieren Frau Özcan und Herr Schlapp<br />

<strong>als</strong> e<strong>in</strong>gespieltes Duo. Die <strong>in</strong>ternationale<br />

Flamencogruppe wird unter großem<br />

Beifall angekündigt. Die ganze Wer<strong>der</strong>au<br />

ist wie <strong>in</strong> den letzten beiden Jahren auf den<br />

Be<strong>in</strong>en. Mit dem Unterschied, dass das<br />

erste und zweite Stadtteilfest mit<br />

tatkräftiger Unterstützung von Mart<strong>in</strong>a<br />

Haag und somit <strong>der</strong> Nürnberger<br />

Stadtverwaltung stattfanden. »Die<br />

Bewohner stemmen dieses Fest nun mit<br />

eigener f<strong>in</strong>anzieller Verantwortung und<br />

sehr viel Engagement«, sagt Frau Haag<br />

nicht ohne Stolz auf die Menschen, mit<br />

denen sie seit 2002 zusammen arbeitete,<br />

und die sie nun zum ersten Mal <strong>als</strong> Gast<br />

besucht.<br />

Wenn alles so harmonisch verläuft, wo ist<br />

dann das Problem? Tatsache ist, dass vor<br />

wenigen Jahren dieses Zusammenleben im<br />

E<strong>in</strong>klang durch se<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />

Geschichte <strong>in</strong>s Wanken geriet. Die<br />

Wer<strong>der</strong>au wurde Anfang des 20.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts <strong>als</strong> Werkssiedlung <strong>der</strong> Firma<br />

MAN gegründet. Arbeiter wie <strong>auch</strong><br />

Verwaltungsangestellte des Unternehmens<br />

lebten jahrzehntelang geme<strong>in</strong>sam<br />

auf e<strong>in</strong>em Areal. Die Idee e<strong>in</strong>er<br />

DER STADTTEIL ALS ORT SOZIALRÄUMLICHER KONFLIKTE<br />

Gartenstadt mit eigenem Marktplatz und<br />

Erholungsmöglichkeiten verwirklichte<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em starken Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

und e<strong>in</strong>em ausgeprägten<br />

Engagement <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wohnsiedlung. Für<br />

Wohnungsangelegenheiten war die<br />

Baugesellschaft Wer<strong>der</strong>au zuständig, die<br />

<strong>auch</strong> das soziale Klima mitbestimmte. <strong>Das</strong><br />

geme<strong>in</strong>same Leben und die Vertrautheit<br />

untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> wurden <strong>in</strong> den 1990er<br />

Jahren durch den plötzlichen Verkauf <strong>der</strong><br />

Wohne<strong>in</strong>heiten an e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Gesellschaft<br />

empf<strong>in</strong>dlich gestört. Dies war <strong>der</strong><br />

Anfang e<strong>in</strong>es unglücklichen mehrfachen<br />

Eigentümerwechsels, <strong>der</strong> den alte<strong>in</strong>gesessenen<br />

Wer<strong>der</strong>auern <strong>auch</strong> das<br />

lebenslange Mietrecht streitig machte,<br />

erklärt Mart<strong>in</strong>a Haag: »Der häppchenweise<br />

Verkauf <strong>der</strong> 1270 Wohne<strong>in</strong>heiten<br />

an verschiedene neue Eigentümer Ende<br />

<strong>der</strong> 90er Jahre brachte e<strong>in</strong>e große<br />

Verunsicherung auf.«<br />

Die Wer<strong>der</strong>au barg für manchen<br />

Nürnberger attraktive Eigenschaften:<br />

preiswerte Wohnflächen und eigene<br />

Gärten. So zogen neue Wohnungseigentümer<br />

<strong>in</strong> die Siedlung, darunter viele<br />

k<strong>in</strong><strong>der</strong>reiche und ausländische, vor allem<br />

türkische Familien. Die traditionellen<br />

Wer<strong>der</strong>auer erfuhren diese rasche<br />

Entwicklung <strong>als</strong> Störung des Alltags:<br />

»Alles, was man gewohnt war, verän<strong>der</strong>te<br />

sich. Plötzlich waren so viele neue<br />

Gesichter hier, das war nicht e<strong>in</strong>fach nach<br />

dem, was wir hier gekannt hatten. <strong>Das</strong> ist<br />

doch ganz verständlich, o<strong>der</strong> etwa nicht?«,<br />

erzählt e<strong>in</strong> Mann, <strong>der</strong> bereits seit 1974 <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Wer<strong>der</strong>au lebt.<br />

Idyllisch mutet <strong>der</strong> Stadtteil bei e<strong>in</strong>em<br />

Rundgang an. Verträumte Häuser und<br />

kle<strong>in</strong>e, aber fe<strong>in</strong>e und gepflegte H<strong>in</strong>tergärten<br />

reihen sich ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Be<strong>in</strong>ahe<br />

jedes Gebäude sieht an<strong>der</strong>s aus, doch das<br />

tut <strong>der</strong> Harmonie nichts, son<strong>der</strong>n verleiht<br />

e<strong>in</strong>e charmante Note <strong>der</strong> Individualität.<br />

Die Häuser und Gärten stehen sehr nahe<br />

beie<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, so dass man vermuten<br />

könnte, es gäbe kaum Privatsphäre.<br />

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