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Die politische Geschichte des Fürstentums Liechtenstein in den ...

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1 *<br />

<strong>Die</strong> <strong>politische</strong> <strong>Geschichte</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong><br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Jahren 1800 — 1815<br />

von<br />

Dr. Georg Mal<strong>in</strong><br />

Im Selbstverlag <strong>des</strong> Historischen Vere<strong>in</strong>s<br />

für das Fürstentum <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong><br />

Vaduz 1953


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort 11<br />

E<strong>in</strong>leitung 12<br />

A. <strong>Die</strong> verfassungsrechtliche Entwicklung<br />

I. Kapitel <strong>Die</strong> alten Verfassungsverhältnisse bis zum Umsturz (1808) 14<br />

1. Verfassungsgrundlagen . . . . . . . 14<br />

a) Lan<strong>des</strong>herrliche Rechte 14<br />

h) Volksrechte 16<br />

2. Der E<strong>in</strong>bruch <strong>des</strong> Absolutismus . • 18<br />

a) Das Reichsfürstentum . . . . . . 18<br />

b) <strong>Die</strong> nachabsolutistische Landammannverfassung 21<br />

11. Kapitel Der Umsturz 30<br />

1. Ursachen . . . . . . . . . 30<br />

2. Vorbereitungen zum Umsturz . . . . . 42<br />

3. <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen vom 7. Okt. 1808 . . . 48<br />

III. Kapitel Das souveräne Fürstentum 50<br />

1. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> im Rhe<strong>in</strong>bund 50<br />

2. <strong>Die</strong> neue Verwaltung 54<br />

B. <strong>Die</strong> Lan<strong>des</strong>verwaltung <strong>des</strong> souveränen <strong>Fürstentums</strong><br />

I. Kapitel <strong>Die</strong> Kirchenpolitik . . . . . . . . 61<br />

II. Kapitel Staat und Schule 71<br />

1. <strong>Die</strong> Schule vor 1805 71<br />

») Schulverhältnisse . 71<br />

b) Reformversuche . . . . . . . 76<br />

2. <strong>Die</strong> neue Schule 79<br />

a) Das österreichische Vorbild . . . . . 79<br />

b) Schulgesetz und Schulplan 81<br />

c) Schulverwaltung . „ . 87<br />

III. Kapitel <strong>Die</strong> Gesetzgebung 94<br />

C. <strong>Die</strong> aussen<strong>politische</strong>u Verhältnisse<br />

I. Kapitel Der Aufstand von 1809 129<br />

1. Ursachen 129<br />

2. Verlauf 133<br />

3. <strong>Die</strong> Erpressungen General Froments . .140


II. Kapitel <strong>Die</strong> Aussenpolitik <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bundstaates . . . . 146<br />

1. Vertrag mit Nassau i von 1806 146<br />

2. Vertrag mit Nassau von 1809 151<br />

III. Kapitel <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> im alliierten Lager .158<br />

1. Garantien für die Souveränität <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s ]5fi<br />

2. <strong>Die</strong> Aufgebote im Fürstentum . . . . . 162<br />

Schlusswort . . . .' . . . . . . . .170<br />

c<br />

/


— 9 -<br />

Vorwort<br />

Das Quellenmaterial zur vorliegen<strong>den</strong> Arbeit wurde zum grüss-<br />

li'ii Teil aus archivalisclien Bestän<strong>den</strong> geschöpft. Reichlich flössen<br />

die Quellen im Regierungsarchiv <strong>in</strong> Vaduz und im Archiv der fürst­<br />

lichen Hofkanzlei <strong>in</strong> Wien; doch konnten im »bischöflichen Archiv<br />

<strong>in</strong> Cliur, dem fürstl. Familienarchiv im Sohloss Vaduz und dem<br />

Lan<strong>des</strong>regienungsarchiv <strong>in</strong> Innsbruck ke<strong>in</strong>e bisher unbeachteten<br />

Quellen gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. An direkt e<strong>in</strong>schlägiger Literatur beste­<br />

hen die kurzen, teils ten<strong>den</strong>ziösen Ausführungen In ider Maurs.<br />

Das Thema konnte <strong>in</strong> der an sich weitausgreifen<strong>den</strong> Art gestellt<br />

wer<strong>den</strong>, weil die Kle<strong>in</strong>räu<strong>in</strong>igkeit <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> e<strong>in</strong>e derartige<br />

Behandlung erlaubte. Als erstes Anliegen galt, <strong>in</strong> '<strong>den</strong> <strong>politische</strong>n<br />

Ereignissen der Jahre 1800 — 1815 das Ende e<strong>in</strong>er geschichtlichen<br />

Epoche aufzuzeigen und <strong>den</strong> Aufbruch e<strong>in</strong>er neuen Ordnung nach­<br />

zuweisen. In i<strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen Kapiteln <strong>in</strong>usste streng die <strong>politische</strong><br />

L<strong>in</strong>ie gewahrt wer<strong>den</strong>: Im Kapitel über die Kirchenpolitik kamen<br />

lediglich Ereignisse zur Behandlung, die <strong>in</strong> Beziehung mit dem neuen<br />

Staat stan<strong>den</strong>; das gleiche gilt für das Kapitel über die Schule; die<br />

Gesetzgebung fand <strong>in</strong>sofern Beachtung, als dadurch der <strong>politische</strong><br />

Umschwung deutlich gemacht wen<strong>den</strong> konnte; im Abschnitt über<br />

die Aussenpolitik schliesslich mussten die Bemühungen um die Si­<br />

cherung der erlangten Souveränität dargestellt wer<strong>den</strong>. Bei der Be­<br />

arbeitung dieser und anderer Probleme galt es immer wieder auf<br />

<strong>den</strong> Zusammenhang mit Ereignissen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Nachbarstaaten h<strong>in</strong>zu­<br />

weisen: <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> war durch <strong>den</strong> Rhe<strong>in</strong>bund und die Person <strong>des</strong><br />

Fürsten eng mit dem Geschehen im Ausland verbun<strong>den</strong>.<br />

An dieser Stelle möchte ich vor allem Herrn Prof. Dr. Oskar<br />

Vasella danken, der die Arbeil leitend überwachte. Auch <strong>den</strong> ver­<br />

schie<strong>den</strong>en Persönlichkeiten, die H<strong>in</strong>weise und Ratschläge gaben,<br />

danke ich herzlich.


11<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

Seit Jahrhunderten bildete das Gebiet <strong>des</strong> heutigen <strong>Fürstentums</strong><br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> mit se<strong>in</strong>en 159,516 km 2<br />

Flächen<strong>in</strong>halt 1<br />

e<strong>in</strong>e feste po­<br />

litische E<strong>in</strong>heit, ohne dass der Verlauf der Grenzen je e<strong>in</strong>e wesent­<br />

liche Änderung erfahren hätte. 2<br />

Wohl aber wechselte die Obrigkeit<br />

im Ablauf der Jahrhunderte: <strong>Die</strong> Grafen von Wer<strong>den</strong>berg 3<br />

schufen<br />

durch die Teilungsurkunde vom 2. Mai 1342 <strong>den</strong> Kern zum Terri­<br />

torium <strong>des</strong> heutigen <strong>Fürstentums</strong>. 4<br />

Adels- und Grafengeschlechter<br />

lösten sich <strong>in</strong>'der Regierung ab. <strong>Die</strong> Freiherren von Brandis herrsch­<br />

ten von 1400 his 1507, 5<br />

die Grafen von Sulz von 1507 bis 1613," die<br />

Grafen von Hohenems 1613—-1712, 7<br />

und endlich folgten die Für­<br />

sten von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>. Bis Mitte <strong>des</strong> • 19. Jahrhunderts besuchte<br />

ke<strong>in</strong> Fürst von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> das Ländchen, weil die grosse Entfer­<br />

nung von der österreichischen Hauptstadt und-die Bedeutungslosig­<br />

keit <strong>des</strong> armen <strong>Fürstentums</strong> e<strong>in</strong>e mühsame, weite Reise nicht lohn­<br />

ten 8<br />

. In<strong>des</strong>sen vertraten Landvögte die regieren<strong>den</strong> Fürsten» <strong>Die</strong>ser<br />

1. W. Fach, Lan<strong>des</strong>kunde <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>, Dornbirn 1938, 6.<br />

2. Vgl. Urbarien, 66 f. Weitere Quellen : LRA. AR. Fasz. 18 XVII, 13. Dez.<br />

1806, Auszug aus dem Vertrag zwischen Kaiser Maximalian und dem Grafen<br />

Rudolf von Sulz anno 1515 im Betreff der Grenzziehung; Jos. Fischer, <strong>Die</strong><br />

älteste Karte vom Fürstentum <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> mit e<strong>in</strong>em Faksimile der Karte.<br />

JB. (1910) 163 ff.; Ritter, Urkun<strong>den</strong>, 96.<br />

3. Vanotti, Gesch. d. Grafen von Montfort u. Wer<strong>den</strong>berg, Mitteilungen zur<br />

vaterländischen <strong>Geschichte</strong> (1845); Paul <strong>Die</strong>bolder, Graf Hertmann III. v.<br />

Wer<strong>den</strong>berg-Sargans, der erste Graf von Vaduz, JB. (1939) 33 ff.; derselbe.<br />

Graf He<strong>in</strong>rich I. v. Wer<strong>den</strong>berg-Sargans zu Vaduz JB. (1935) 3 ff.; derselbe,<br />

Hartmann II. v. Wer<strong>den</strong>berg-Sargans zu Vaduz, JB. (1937) 101 ff.<br />

4. Teilungsurkunde zwischen <strong>den</strong> Grafen Hartmann und Rudolf von Wer<strong>den</strong>berg,<br />

JB. (1908) 99 ff.; ferner: Liecht. Urkun<strong>den</strong>buch 1944, 207 ff; vgl. Jahrbuch<br />

für Schweiz. Gesch. Bd. VIII (1883) 127; A. Ritter, Ansprache gehalten<br />

vom Landtagsvizepräsi<strong>den</strong>ten, JB. (1949) 26.<br />

5. KB. 268 ff.; P. Bütler, Freiherren v. Brandis, JB. (1911) 143 ff.<br />

6. KB. 353 ff.<br />

7. Welti, 104 ff.; KB. 413 ff.<br />

8. F. J. K<strong>in</strong>d, Peter Kaiser, JB. (1905) 27; Fürst Alois besuchte 1842 das Land;<br />

vgl. Kdm. 177, Anmerkung 2.


Umstand brachte <strong>in</strong> gleicher Weise Erschwernisse, wie er die eiger<br />

willige Entwicklung lokaler Rechte förderte — oder auch missver-<br />

steilen Hess. Selbst die Landvögte wohnten nicht immer im Fürsten­<br />

tuni, sondern oft im nahen Feldkirch. 9<br />

So verg<strong>in</strong>gen die Jahrhun­<br />

derte, ohne dass die <strong>politische</strong> Entwicklung im Gebiete <strong>des</strong> Fürsten­<br />

tums sich überstürzt hätte. <strong>Die</strong> Reformation vermochte die Grenzen<br />

<strong>des</strong> heutigen <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s nicht zu überschreiten. 10<br />

Erst die Ge­<br />

schehnisse zu Anfang <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts sollten e<strong>in</strong>en tieferen<br />

E<strong>in</strong>schnitt <strong>in</strong> die <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> br<strong>in</strong>gen. Um 1800 stand die<br />

organisch gewachsene Tradition dem mächtigen obrigkeitlichen Wil­<br />

len gegenüber. Das Ergebnis e<strong>in</strong>er jahrhunderte-langen Entwicklung<br />

fiel e<strong>in</strong>em Willensakt zum Opfer: Durch die <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen vom<br />

vom 7. Okt. 1808 an <strong>den</strong> Landvogt Josef Schuppler wurde e<strong>in</strong>e Ord­<br />

nung menschlichen Zusammenlebens, nach der Generationen ihr<br />

Leben e<strong>in</strong>gerichtet hatten, mit e<strong>in</strong>em Federstrich zerstört. 11<br />

Man kann die Tiefe .und die Gewalt der Umwälzung, von der<br />

das Fürstentum <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> auf verfassungsmässigem Gebiet zu<br />

dieser Zeit ergriffen wurde, nur ermessen, wenn man die alten In­<br />

stitutionen mit <strong>den</strong> neuen Verwaltungsmetho<strong>den</strong> vom Jahre 1808 <strong>in</strong><br />

Vergleich zieht. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> erlebte e<strong>in</strong> ähnliches Schicksal wie<br />

andere europäische Staaten: Europa war von Umwälzungen erfasst<br />

wor<strong>den</strong>; Napoleon herrschte.<br />

9. Menz<strong>in</strong>ger, 33; Vgl. Kehn. 73.<br />

10. Frömmelt, 216 f.<br />

11. DI. 203 ff., Iiier e<strong>in</strong>schlägig besonders die Paragraphen: I, XI, XII, XIII,<br />

DI. 203 ff.


Erster Teil<br />

<strong>Die</strong> verfassungsgeschichtl iche<br />

Entwicklung


I. Kapitel<br />

JMe alten Verfassungs Verhältnisse<br />

bis znni 1 mstiirz (1808)<br />

1. Verfassungsgrundlagen<br />

a) Lan<strong>des</strong>herrliche Rechte<br />

<strong>Die</strong> lan<strong>des</strong>herrlichen Rechte der Besitzer der Grafschaft Vaduz<br />

und der Herrschaft Schellenberg bestan<strong>den</strong> zu Ende <strong>des</strong> Mittelalters<br />

<strong>in</strong> der Lan<strong>des</strong>hoheit, der bürgerlichen und pe<strong>in</strong>lichen Gerichtsbar­<br />

keit, <strong>in</strong> Regalien und nutzbaren Hoheitsrechten, im MannscbaCl.«-<br />

rechte und der Befugnis, Steuern zu erheben. 1<br />

Bestätigungen der obrigkeitlichen Rechte f<strong>in</strong><strong>den</strong> wir <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

zahlreichen Urkun<strong>den</strong>, welche <strong>den</strong> Freiherren von Brandis und ihr^.n<br />

Nachfolgern von verschie<strong>den</strong>en Herrschern ausgestellt wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d. !<br />

Im Jahre 1396 wur<strong>den</strong> die Grafschaft Vaduz und die ihr zugehören­<br />

<strong>den</strong> Gebiete <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er von König Wenzel ausgefertigten Urkunde <strong>den</strong><br />

Grafen von Vaduz als Reichslehen bestätigt. 3<br />

<strong>Die</strong> Urkunde kann als<br />

Ausgangspunkt der brandisischen Freiheiten betrachtet wer<strong>den</strong>. 1<br />

Von ausschlaggebender Bedeutung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Weiterentwicklung<br />

jener Rechte die Urkun<strong>den</strong> König Sigismunds von 1430, die König<br />

Albrcohts von 1439, sowie jene Kaiser Friedrichs III. von 1454 und<br />

die Kaiser Maximilians I. von 1507. 3<br />

<strong>Die</strong> Brandiser verfügten kraft<br />

1. Vgl. KB. 253; Ospelt,.Verfassungsgesch., 11; vgl. Urharien, 19 ff.<br />

2. Vgl. Ritter, Freiheiten, 5 ff.; KB. 336 f.<br />

3. Liechtenst. Urkun<strong>den</strong>huch JB. L, 246 ff.; besonders 247. König Wenzel bestätigte<br />

dem Grafen He<strong>in</strong>rich von Vaduz alle Rechte. «In aller mussen<br />

vml weise als die Jren vorfaren vntz her / <strong>in</strong>gehaht vnd besessen haben<br />

vor allermengklich vngehm<strong>in</strong>dert»; Ritter, Freiheiten, 31; Tschudi, Chronieon<br />

Helveticum, hg. von Isel<strong>in</strong> (1743) 591; Krüger, <strong>Die</strong> Grafen von Wer<strong>den</strong>berg,<br />

Mitteilungen zur vaterländischen <strong>Geschichte</strong>. XII (1887) Nr. 119.<br />

314, 577.<br />

4. Ritter, Freiheiten, 31 ff.<br />

5. LRA, Urkunde, 2. Aug. 1507; vgl. Ritter, Freiheiten, 19 ff.


- 16 -<br />

dieser Freiheiten über: «Gerichtszwenngen, Mauten, Zöllen, Mülen,<br />

Mülstetten, Sta<strong>in</strong>brüchen, Zwynngen, Wai<strong>den</strong>, Hölzern, Wei<strong>den</strong>,<br />

Wassern, Wasserlaiten und annderen obrigkaiten, herligkaiten und<br />

gerechtigkaiten», welche die Herren von ihren Vorfahren erworben<br />

hatten. 6<br />

Desgleichen wurde der Obrigkeit der «pan . . . über das<br />

pluet zurichten» zugestan<strong>den</strong>, 7<br />

übergeben wer<strong>den</strong> konnte. 8<br />

e<strong>in</strong> Recht, das tauglichen Untertanen<br />

<strong>Die</strong> Richter der Herren von Brandis<br />

durften Übeltäter auf dem Gebiete ihrer Herrschaft verhaften, sie<br />

verhören und nach dem Gesetze richten; Entwichene und Fliehende<br />

konnten mit Acht und Bann belegt wer<strong>den</strong>. Jener Spruch kam der<br />

Kraft <strong>des</strong> kaiserlichen Hofgerichtes gleich. 9<br />

<strong>Die</strong> Herren von Brandis<br />

und ihre Untertanen konnten vor ke<strong>in</strong> frem<strong>des</strong> Gericht gela<strong>den</strong> wer­<br />

<strong>den</strong>, «an ka<strong>in</strong> Westfälisches noch annder frömbd gericht» und wer<br />

an «habe und guetern sprucb oder vorderung» hatte, musste die<br />

Untertanen da belangen, wo «dieselben beclagten siezen . . . und<br />

sonnst nynhdert annderswo». «Bastharten und heerkomen lewt», die<br />

im Gebiete derer von Brandis wohnten, mussten ihnen schwören und<br />

huldigen. Den Dörfern, Weilern und Höfen, «die nit or<strong>den</strong>lich ge-<br />

richtsherren haben», war es untersagt, e<strong>in</strong>e andere Herrschaft anzu­<br />

nehmen und zu suchen, als die der Brandiser. Den von der Reichs­<br />

acht Befallenen gestattete man im Gebiete der Herren von Brandis<br />

Aufnahme zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>, wur<strong>den</strong> aber die Geächteten nach der Gerichts­<br />

ordnung belangt, so musste die Herrschaft «recht gegen <strong>in</strong>en gestat­<br />

ten und ergeen lassen». 10<br />

Auf Verlangen der Herrschaft gab ihr der<br />

Kaiser das Recht, alle unrechten Strassen zu sperren und die Zoll-<br />

umfahrer zu pfän<strong>den</strong>. 11<br />

<strong>Die</strong> Verleihung dieser Rechte war ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong> Sonderfall.<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung der lan<strong>des</strong>herrlichen Rechte schritt überall voran,<br />

und die brandisischen Freiheiten stellen nur die logische Folgerung<br />

aus dem Zustand dar, der durch die Bestätigung der Grafschaft Va­<br />

duz und der ihr zugehören<strong>den</strong> Gebiete als Reichslehen durch König<br />

6. Ritter, Freiheiten, die e<strong>in</strong>schlägige Stelle, 20.<br />

7. 1. c.<br />

8. 1. c., 22 f.<br />

9 1. c., 23.<br />

10. Merkwürdigerweise br<strong>in</strong>gt KB. diesen Passus nicht, vgl. KB. 336 f.<br />

11. Ospelt, Yerfassuugsgesch-r 12 f.


- 17 —<br />

Wenzel im Jahre 1396, geschaffen wor<strong>den</strong> war. 12<br />

<strong>Die</strong> Bedeutung der<br />

bran'disischen Freiheiten lag besonders <strong>in</strong> 'der Regelung <strong>des</strong> Rechts­<br />

ganges und der richterlichen Gewalt: es wurde der Weiterzug an<br />

das Hofgericht Rottweil und an das Landgericht Unterrätiens <strong>in</strong><br />

Rankweil verh<strong>in</strong>dert. In der Folge s<strong>in</strong>d die Bestätigungsurkun<strong>den</strong><br />

der brandisischen Freiheiten bis <strong>in</strong> die neuere Zeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zahlreich. 13<br />

Durch die Erhebung der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft<br />

Schellenberg zu e<strong>in</strong>em unmittelbaren Reichsfürstentum. (23. Jan.<br />

1719) 14<br />

unter dem Namen <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> verloren die (brandisischen<br />

Freiheiten an Bedeutung. Der Lan<strong>des</strong>fürst wurde se<strong>in</strong>er neuen Stel­<br />

lung gemäss Träger der unumschränkten lan<strong>des</strong>herrlichen Gewalt, 13<br />

sodass nach der damaligen Reichsverfassung dem Reichsfürsten zur<br />

vollen Souveränität nur mehr der stolze Titel fehlte. 16<br />

Damit war<br />

alle Macht vollkommen <strong>in</strong> der Hand <strong>des</strong> Fürsten zusammengeballt,<br />

und e<strong>in</strong> Kampf gegen die alten Volksrechte musste befürchtet wer­<br />

<strong>den</strong>, zumal der Absolutismus immer mehr Bo<strong>den</strong> gewann und alte<br />

Rechte vernichtete.<br />

b) Volks rechte<br />

• Neben der Festigung der obrigkeitlichen Rechte ist die Ent­<br />

wicklung der Volksrechte zu beachten, die zur Zeit der Grafen von<br />

Sulz im Landbrauch zum erstenmal schriftlich niedergelegt wor<strong>den</strong><br />

waren. Gemäss <strong>den</strong> brandisischen Privilegien mussten alle, die im<br />

Gebiete der Freiherren von Brandis sassen, bei diesen das. Recht<br />

suchen. 17<br />

Dadurch wur<strong>den</strong> die ständischen Unterschiede beseitigt,<br />

und es bildeten sich die Gerichtsgeme<strong>in</strong><strong>den</strong> der Grafschaft Vaduz<br />

und der Herrschaft Schellenberg, 18<br />

die aus e<strong>in</strong>em Dreiervorschlag der<br />

Herrschaft ihren Landammann wählten. 19<br />

12. Ritter, Freiheiten, 31; KB. 228.<br />

Er stand dem Gerichte<br />

13. Ritter, Freiheiten, 9, 27 f.; Liechtenst. Regesten, 108 f., 120 ff., 124 f., 126,<br />

130; Ritter, Urkun<strong>den</strong>, 79 f.; R. Thommen, Urkun<strong>den</strong> zur Sehweizergeseh.<br />

aus österr. Arch. III, 232, ff.<br />

14. Palat<strong>in</strong>atsdiplom, 63 ff.<br />

15. Ospelt, Verfassungsgesch., 17; sowie: In der Maur, Gründl<strong>in</strong>g, 15; KB. 509;<br />

Scha'dler, Entwicklung, 14.<br />

16. KB. 515.<br />

17. KB. 336, Artikel 4; Ospelt, Verfassungsgesch., 12 f.; Ritter Freiheiten, 19 ff.<br />

18. KB. 337.<br />

19. Vgl. Regesten GA., 140.<br />

2


- 18 —<br />

vor, leitete die Verwaltungsangelegenheiten und die Polizei, führte<br />

die Vormundschaft, handhabte das Steuerwesen, als Vorsteher der<br />

Mannschaft organisierte er die Aufgebote, er besiegelte öffentliche<br />

Urkun<strong>den</strong>, vertrat stets die Gerichtsgeme<strong>in</strong>de 20<br />

und führte mit dem<br />

Gericht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>drucksvoller, uralter Zeremonie <strong>den</strong> Stab über Leben<br />

und Tod. 21<br />

Laut kaiserlichen Urkun<strong>den</strong> konnten die Herren von<br />

Brandis die Blutgerichtsbarkeit <strong>den</strong> Landammännern übergeben. 22<br />

Der Landammann nahm auch die Geschworenen <strong>in</strong> Eid, welche <strong>den</strong><br />

Beamten der Herrschaft Untertan waren und die Geschäfte <strong>in</strong> der<br />

Nachbarschaft verwalteten. Hier regelten Geme<strong>in</strong>deordni<strong>in</strong>geu das<br />

Zusammenleben im Dorfe. 23<br />

Das bäuerliche Gewerbe fasste die Fa­<br />

milien zu e<strong>in</strong>er Genossenschaft zusammen mit bestimmten, ängstlich<br />

beachteten und bewachten Rechten und Pflichten. 24<br />

In <strong>den</strong> Nachbar­<br />

schaften, die ihrem Wesen und Ursprung nach eng mit <strong>den</strong> Genos­<br />

senschaften verkettet waren, beaufsichtigten Waldvögte die Ge­<br />

me<strong>in</strong>dewaldungen, Schulvögte die Schule, Kirchenpfleger das Kir-<br />

chenvermögen und Spendvögte das Armenwesen. 25<br />

Zwölf Richter, auf Lebenszeit bestellt, bildeten <strong>in</strong> jeder der<br />

Landschaften e<strong>in</strong> Gericht. <strong>Die</strong> Richter wur<strong>den</strong> aus e<strong>in</strong>em Dreiervor­<br />

schlag <strong>des</strong> Gerichtes von der Herrschaft gewählt. 26<br />

Das or<strong>den</strong>tliche<br />

Gericht, auch Zeitgericht genannt, tagte im Frühl<strong>in</strong>g und im Herbst. 27<br />

Beim Blutgerioht wur<strong>den</strong> der Vorsitzende Landammann und die<br />

Richter, sowie der Landschreiber jeweils vereidigt. Der Landam­<br />

mann und die Richter schworen feierlich, dem Armen wie dem<br />

Reichen gerechte Richter zu se<strong>in</strong> und nach der pe<strong>in</strong>lichen Gerichts-<br />

20. Wenn Kaiser <strong>in</strong> diesem Falle von Geme<strong>in</strong>de spricht (337), so ist darunter<br />

die Gerichtsgeme<strong>in</strong>de zu verstehen, vgl. KB. 256.<br />

21. KB. 337, 406 ff.<br />

22. Ritter, Freiheiten, 22. <strong>Die</strong> e<strong>in</strong>schlägige Stelle <strong>in</strong> der Urkunde von 1507 :<br />

«Auch <strong>den</strong> vorbestimbten pan über das plut zurichten, so offt not se<strong>in</strong><br />

wirdet, <strong>den</strong> irn, die sy zu a<strong>in</strong>er ye<strong>den</strong> zeit nuczlichen bedunnken, und vernunnfft<br />

und schicklichaithalben darczu tuglich und gut se<strong>in</strong>, verner verleyhen<br />

und zu richten hevthk-n Sutten m<strong>in</strong>t] <strong>in</strong>nren . . . . »<br />

23. Vgl. Regesten GA., 160 f. (<strong>Die</strong> Gemeideordnung stammt allerd<strong>in</strong>gs aus dem<br />

Jahre 1779).<br />

24. Büchel, Triesen, 159.<br />

25. Vgl. KB. 403 f.; Büchel, Schaan, 63, über die Tätigkeit derselben.<br />

26. KB. 404.<br />

27. KB. 405; Schädler, Rechtsgewohnheiten, 57 ff.


— 19 -<br />

2 8<br />

Ordnung <strong>des</strong> Kaisers «Rudolf <strong>des</strong> Andern»<br />

nach hestem Vermögen<br />

zu richten. In bürgerlichen Streitigkeiten galt als zweite Instanz das<br />

Hofgerioht der Herrschaft. 29<br />

Das Frevelgericht, 30<br />

sowie das Schuld-<br />

und Gantgerioht 31<br />

gehalten.<br />

wur<strong>den</strong> vom Landammann und se<strong>in</strong>en Richtern<br />

Somit lag im Zeitgericht die Gerichtsbarkeit erster Instanz und<br />

der grössteTeil der Lan<strong>des</strong>verwaltung <strong>in</strong> <strong>den</strong> Hän<strong>den</strong> der vom Volke<br />

gewählten Behör<strong>den</strong>. <strong>Die</strong> bei<strong>den</strong> Landschaften g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> dieser<br />

Rechtsstellung <strong>in</strong> <strong>den</strong> Besitz der Fürsten von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> über.<br />

2. Der E<strong>in</strong>bruch <strong>des</strong> Absolutismus<br />

a) Das Reichsfürstentum<br />

Bei der Erhebung derer von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> .Reiehsfür-<br />

stenstand durch Kaiser Ferd<strong>in</strong>and II. protestierten die altfürstlichen<br />

Häuser, weil die von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> ke<strong>in</strong>e unmittelbaren Reichsherr-<br />

Schäften besassen. 32<br />

Um diesen Mangel zu beheben, kaufte Adam<br />

Andreas 1699 die Herrschaft Schellenberg;<br />

erwarb er sich 1712. 34<br />

schwäbischen Kreis erhalten, 35<br />

3 3<br />

die Grafschaft Vaduz<br />

Hans Adam hatte nun Sitz und Stimme im<br />

aber er starb k<strong>in</strong>derlos schon 1712.<br />

Der junge Josef Wenzel (1696 — 1772) erbte die Herrschaft Schel­<br />

lenberg und die Grafschaft Vaduz. 36<br />

Um <strong>den</strong> Sitz auf der Reichs­<br />

fürstenbank auch für se<strong>in</strong>e Erben zu sichern, tauschte jedoch Anton<br />

Florian mit se<strong>in</strong>em Neffen Wenzel die bei<strong>den</strong> Landschaften gegen<br />

die Herrschaft Rumburg e<strong>in</strong>. 37<br />

Zwar hatte Anton Florian für sich,<br />

dank se<strong>in</strong>es Ansehens, <strong>den</strong> Sitz auf der Reichsfürstenbank schon<br />

1713 erhalten. 38<br />

28. Vgl. Hantsch I, 314 ff.<br />

29. KB. 406.<br />

30. KB. 408.<br />

Weil es der fürstlichen Familie nützlicher schien,<br />

31. Schädler, Rechtsgewohnheiten, 68 ff.<br />

32. KB. 502'f.<br />

33. Kaufbrief, Seh. 43 ff.<br />

34. Kaufbrief, V. 51 ff.<br />

35. Falke, 73.<br />

36. 1. c, 72.<br />

37. Rumburg liegt <strong>in</strong> Böhmen, vgl. Kruetzel, 287 ff.<br />

38. Falke, 74 ff.


— 20 —<br />

die Herrschaft Schellenberg und die Grafschaft Vaduz mit der re­<br />

gieren<strong>den</strong> L<strong>in</strong>ie <strong>des</strong> Hauses zu verb<strong>in</strong><strong>den</strong>, 39<br />

am 5. Sept. 1718 vertragsgemäss 40<br />

übergab Fürst Wenzel<br />

die Gebiete Anton Florian. 41<br />

E<strong>in</strong><br />

Jahr später erhob Kaiser Karl VI. die Herrschaft Schellenberg und<br />

die Grafschaft Vaduz zu e<strong>in</strong>em unmittelbaren «Reichsfürstanthumb» 42<br />

unter dem Namen <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>. 43<br />

<strong>Die</strong> Fürsten von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong><br />

waren nun am Ziele ihres Strebens und konnten an <strong>den</strong> Reichstagen<br />

teilnehmen. 44<br />

Sie durften jetzt sogar Notare ernennen, Uneheliche<br />

legitimieren, M<strong>in</strong>derjährige grossjährig sprechen und «Doctores»,<br />

«Licentiaten», «Baccalaureös» ernennen; die Obrigkeit besas* auch<br />

das Recht, Münzen zu schlagen und Jahrmärkte zu errichten und<br />

andere Rechte mehr: 45<br />

<strong>in</strong> der Hand <strong>des</strong> Fürsten befan<strong>den</strong> sich alle<br />

Hoheitsrechte, die Lan<strong>des</strong>obrigkeit mit «alliglichen effectibus». 46<br />

Das Reich war 1521 <strong>in</strong> 10 Kreise e<strong>in</strong>geteilt wor<strong>den</strong>, welche im<br />

wesentlichen bis 1803 bestehen blieben. 47<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> gehörte als<br />

nunmehriges Reichsfürstentum, wie bis anb<strong>in</strong>, dem schwäbischen<br />

Kreis an, als <strong>des</strong>sen Mitglied sich der regierende Fürst an <strong>den</strong> Kreis­<br />

versammlungen, die <strong>den</strong> Charakter e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en Reichstages auf­<br />

wiesen, vertreten lassen konnte. 48<br />

Auf Grund dieses Stan<strong>des</strong> stellte<br />

das Fürstentum e<strong>in</strong> Kont<strong>in</strong>gent von fünf Soldaten, das sich <strong>in</strong> Kriegs­<br />

zeiten auf acht Mann erhöhte; 49<br />

auch mussten die Beiträge zum<br />

Reichskammergericht erlegt wer<strong>den</strong>, ebenso die verteilten Reichs-<br />

39. Vgl. KB. 504.<br />

40. Der Vertrag lautete auf <strong>den</strong> 12. März 1718, veröffentlicht JB. (1921) 177 ff.<br />

41. Falke, 77, setzt die Übergabe der bei<strong>den</strong> Herrschaften an Anton Florian<br />

aüf <strong>den</strong> 5. Juli 1718 fest, was bestimmt falsch ist; vgl. Schädler, Huldigungsakte,<br />

18 ff.; KB. 504.<br />

42: Palat<strong>in</strong>atsdiplom, 63 ff.<br />

43. Ritter, Freiheiten, 34; Falke, 77 f.<br />

44. Zur E<strong>in</strong>führung auf die Reichsfürstenbank im Jahre 1715 vgl. Falke, 75 f.<br />

45. Palat<strong>in</strong>atsdiplom, 68 ff.<br />

46. LRA. AR. Fasz. I, <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen von 1748, 16. März 1748; HHSTA.,<br />

Kle<strong>in</strong>ere Reichsstände, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 1490 —1815. Fasz. 327, 18. Feb. 1762,<br />

Urkunde zum Blutbann.<br />

47. Schröder, 910; vgl. KB. 335; Hohenems besass zwei Sitze, Welti, 104.<br />

48. Schröder, 913.<br />

49. BF. HK. Wien (1784) L 2 — 14. Rentmeister Fritz behauptete zwar, däss<br />

das F. L. <strong>in</strong> Frie<strong>den</strong>szeiten 7 Mann zu unterhalten habe.. Solange er <strong>in</strong><br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> sei, stelle man nur 3 Mann.


— 21. —<br />

anschlage und die Kosten zum Unterhalt <strong>des</strong> Truppenkont<strong>in</strong>gentes. 50<br />

An <strong>den</strong> Kreistagen selbst vertrat zu se<strong>in</strong>er Zeit Landvogt Grillot<br />

(1752 —1771) 51<br />

jeweils <strong>den</strong> Fürsten, 52<br />

später wur<strong>den</strong>'bei diesen<br />

Tagungen Stimmvertreter unterhalten. Nur 1801 reiste Landvogt<br />

Menz<strong>in</strong>ger zur Kreisversammlung nach Ulm. 53<br />

Das Oberamt wahrte unter <strong>den</strong> Fürsten von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> die<br />

Rechte der Obrigkeit: es zog die fürstlichen E<strong>in</strong>künfte an Regalien<br />

und Lehensgütern e<strong>in</strong> und 'beaufsichtigte das gesamte Staatswesen,<br />

sodass es die eigentliche, dem Fürsten alle<strong>in</strong> verantwortliche Regie­<br />

rung darstellte, an deren Spitze der Landvogt stand, ihm zur Seite<br />

der , Rentmeister und der Landschreiber. Der Landvogt war ver­<br />

pflichtet, über se<strong>in</strong>e wichtigeren Amtshandlungen an die fürstliche<br />

Hofkanzlei <strong>in</strong> Wien Bericht zu erstatten, 54<br />

die ihrerseits <strong>den</strong> Fürsten<br />

im «gehorsamen Vortrag» unterrichtete. Das Amt, wie man die<br />

fürstliche Behörde <strong>in</strong> Vaduz auch nannte, musste wöchentlich an<br />

eiuem bestimmten Tag vorgefallene Frevel und Klagen der Unter­<br />

tanen anhören, 55<br />

wozu noch e<strong>in</strong> besonderer Tag kam, an welchem<br />

Urteile gefällt und regierungsamtliche Schreiben beraten wur<strong>den</strong>. 56<br />

Der Landvogt führte dabei das Präsidium. Alle<strong>in</strong> das Oberamt <strong>in</strong><br />

corpore besass die Macht, obrigkeitliche Angelegenheiten zu besor­<br />

gen. In Frie<strong>den</strong>szeiten verwaltete es geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> Landam-<br />

männern 57<br />

der bei<strong>den</strong> Landschaften das Militärwesen und über­<br />

wachte <strong>den</strong> Abzug der Untertanen. 58<br />

Der fürstlichen Behörde wur­<br />

<strong>den</strong> seit dem Zeitalter <strong>des</strong> Absolutismus immer mehr Rechte zuge-<br />

50 Vgl. Schröder, 912 f.<br />

51. Tschugmell, 52; KB. 588.<br />

52. BF. HK. Wien (1784) L 2 —14.<br />

53. LRA. AR. Fasz. 44 XXXXIII, Hofkanzlei an Menz<strong>in</strong>ger, 31. Okt. 1801. Am<br />

31. Okt. wurde Menz<strong>in</strong>ger vom Fürsten ermächtigt, an der auf <strong>den</strong> 16. Nov.<br />

ausgeschriebenen Kreisversammlung teilzunehmen; Relationen über die<br />

Kreisversammlung im gleichen Fasz.<br />

54. Vgl. Tschugmell, 75 f., Eid <strong>des</strong> Landvogtes.<br />

55. LRA. AR. Fasz. I, Verordnung, 21. Okt. 1772. <strong>Die</strong> Verhörtage sche<strong>in</strong>en oft<br />

e<strong>in</strong>en tumultartigen Charakter angenommen zu haben. Fürst Franz sah sich<br />

<strong>des</strong>halb genötigt 1772 e<strong>in</strong>e scharfe Verordnung zu erlassen.<br />

56. 1. c, <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen, 16. März 1748. Es durften ke<strong>in</strong>e Berichte oder<br />

«Aufsätze» verschickt oder «ad mundum» gebracht wer<strong>den</strong>, ohne dass sie<br />

nicht im Rat genehmigt wor<strong>den</strong> waren.<br />

57. 1. c.<br />

58. 1. c.<br />

2 *


- 22 —<br />

halten und zwar <strong>in</strong> dem Masse, als die Privilegien <strong>des</strong> Volkes und<br />

der von ihm gewählten Behör<strong>den</strong> abnahmen: die Waagschale öber-<br />

amtlicher Macht stieg, wie die der Landammänner sank.<br />

b) <strong>Die</strong> aachabsolutistische Landamman n-<br />

verfassung<br />

<strong>Die</strong> feierliche Übergabe der bei<strong>den</strong> Landschaften an Fürst<br />

Anton Florian im Jahre 1718 gab ihnen erneut Gelegenheit, ihre<br />

ali<strong>in</strong> Rechte vorzubr<strong>in</strong>gen und sie bestätigen zu lassen, 59<br />

wie das<br />

schon anlässlich der erstmaligen Huldigung der Herrschaft Schellen­<br />

berg im Jahre 1699 60<br />

im Jahre 1712 geschehen war. 61<br />

und bei der Huldigung der Grafschaft Vaduz<br />

Doch wur<strong>den</strong> um 1720 die uralte<br />

Institution der Landammänner und der Gerichte beseitigt und die<br />

Gewohnheitsrechte abgeschafft; 62<br />

vier Jahre später wies die Obrig­<br />

keit die Bitte der bei<strong>den</strong> Landschaften um Wiederherstellung der<br />

alten Rechte ab. 63<br />

Man teilte das Fürstentum <strong>in</strong> 6 Amter auf und<br />

versah sie nach obrigkeitlichem Diktat mit Vorgesetzten. Der Um­<br />

sturz war radikal. Revolution wie Absolutismus s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Negation<br />

bestehender Rechte und <strong>in</strong> der Ersetzung derselben durch Theorien<br />

i<strong>den</strong>tisch. 64<br />

So stehen Absolutismus und französische Revolution im<br />

Tiefsten nahe beisammen.<br />

<strong>Die</strong> Landschaften Hessen die D<strong>in</strong>ge nicht auf sich beruhen. AI«<br />

Fürst Wenzel als Vormund <strong>des</strong> Fürsten Johann Karl (1732 —-• 1748)<br />

1732 die Regierung übernommen hatte, reichten sie erneuI e<strong>in</strong>e<br />

Bittschrift e<strong>in</strong>, mit der e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glichen Bitte, die alten Rechte wieder<br />

herzustellen. E<strong>in</strong>e Kommission erschien im Fürstentum. Schliesslich<br />

wurde bei<strong>den</strong> Landschaften am 25. IX. 1733 «nullo alio titulo quuio<br />

grätioso» 65<br />

zugestan<strong>den</strong>, 66<br />

e<strong>in</strong>e reduzierte Art der alten Landammaunverfissung<br />

die bis 1808 <strong>in</strong> Kraft blieb. Fürst Wenzel verordnete,<br />

59. Schädler, Huldigungsakte, 18 ff.; vgl. KB. 504 ff.<br />

60. KB. 484; Schädler, Huldigungsakte, 11 ff.<br />

61. 1. c, 15; KB. 485 ff.<br />

62. KB. 516.<br />

63. Ospelt, Verfassungsgesch., 18 f.<br />

64. Vgl. Schnabel IV, 175.<br />

65. Feger, 95 ff.<br />

66. Liechtenst. Regesten, 133 f.


— 23 —<br />

dass beim Blutgericht der Landammann <strong>den</strong> Beisitz haben dürfe<br />

und <strong>den</strong> Stab zu führen und zu 'brechen habe, sobald der Landschrei-<br />

ber das Urteil verlesen hätte. Den Spruch aber fällte das Oberamt.<br />

Bei gewöhnlichen Verhörtagen besass der Landammann das Recht<br />

auf Beisitz, er wurde ferner befugt, Obligationen auszustellen und<br />

Kontrakte nach vorhergehender Anzeige und Protokollierung beim<br />

Oberamte zu siegeln, er konnte zusammen mit <strong>den</strong> Richtern Frevel­<br />

gerichte halten.<br />

Bei dieser Verfassung dienten sehr wahrsche<strong>in</strong>lich böhmisch-<br />

mährische Verhältnisseals Vorbild, was damit zusammenhängen mag,<br />

dass weite Besitzungen der Fürsten von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> <strong>in</strong> diesem<br />

Raum lagen. 67<br />

Abgesehen davon f<strong>in</strong><strong>den</strong> wir zum Schicksal der liech­<br />

tenste<strong>in</strong>ischen Landammannverfassung <strong>in</strong> <strong>den</strong> österreichischen<br />

Stän<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e Parallele; <strong>den</strong>n auch dort wur<strong>den</strong> die alten, sprö<strong>den</strong><br />

Formen <strong>den</strong> Stän<strong>den</strong> belassen, während die Obrigkeit wichtige<br />

Rechte, wie die Bewilligung von Steuern, der ständischen Verwal­<br />

tung entzog, 68<br />

ordnen, 69<br />

Landtage.<br />

um alles e<strong>in</strong>er «Gott gefälligen Gleichheit» unterzu­<br />

und trotzdem tagten die zur Formsache erniedrigten<br />

Vergleichen wir die neue Rechtsstellung der Volksbehör<strong>den</strong> mit der<br />

früheren, so erkennen wir <strong>den</strong> Widerspruch der äusseren Form zu<br />

<strong>den</strong> wirklich verliehenen Rechten. Früher hatte das Gericht mit dem<br />

Landammann alle Kompetenzen erster Instanz beim Zeitgericht: 70<br />

im Blut- oder Malefizgericht, 71<br />

im Frevelgericht und im Schuld- oder<br />

Gantgericht. 72<br />

Nun blieb dem Landammann im Blutgericht noch die<br />

leere Schale der Zeremonie, 73<br />

Gerichte 74<br />

während er früher <strong>den</strong> Vorsitz aller<br />

geführt hatte, war ihm bei <strong>den</strong> Gerichtsverhandlungen<br />

nur der Beisitz zugestan<strong>den</strong>. Das Malefiz- und Blutgericht wur<strong>den</strong><br />

67. Criste, 163. 1817 konnte e<strong>in</strong>e Zeitschrift feststellen, dass Fürst Johann <strong>in</strong><br />

Mahren <strong>den</strong> 6. Teil dieses Lan<strong>des</strong> besitze. Der Flächen<strong>in</strong>halt der Besitzungen<br />

war 10 mal grösser als die Insel Elba.<br />

68. Huber, 255.<br />

69. Hantsch II, 166.<br />

70. KB. 405 f.<br />

71. KB. 406 ff.<br />

72. KB. 408.<br />

73. Feger, 96, primo.<br />

74. KB. 337 f.


— 24 -<br />

dem Landammann und <strong>den</strong> Richtern entzogen, dafür sollte durch<br />

besondere Gnade <strong>des</strong> Fürsten, um dieselbe «<strong>in</strong> Effektu» zu verspü­<br />

ren, das m<strong>in</strong>der-wichtige Frevelgericht durch <strong>den</strong> Landammann und<br />

die Gerichtsleute gehalten wer<strong>den</strong>. 75<br />

Tatsächlich nur noch e<strong>in</strong> billiger<br />

Rest der alten Rechte! An Stelle <strong>des</strong> ehemaligen Zeitgerichtes 76<br />

ten die allwöchentlichen Verhörtage <strong>des</strong> Oberamtes<br />

7 7<br />

tra­<br />

mit dem re<strong>in</strong><br />

konsultativen und beobachten<strong>den</strong> Beisitz <strong>des</strong> Landammannes. 78<br />

Man<br />

kann also mit Rücksicht auf <strong>den</strong> Erlass vom 25. Sept. 1733 nur mit<br />

grossen Vorbehalten von e<strong>in</strong>er Wiedere<strong>in</strong>führung der alten Verfas­<br />

sung sprechen. Im H<strong>in</strong>blick auf <strong>den</strong> Umfang der Volksrechte vor dem<br />

Erlass <strong>des</strong> Fürsten Wenzel im Jahr 1733 gab das Gesetz vieles dem<br />

Volke zurück. Das Volk war mit dieser Ordnung zufrie<strong>den</strong> und<br />

zeigte e<strong>in</strong>e lebendige Anteilnahme am <strong>in</strong>nen<strong>politische</strong>n Geschehen,<br />

die sich vor allem <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vorgängen auf der Landsgeme<strong>in</strong>de äusserte,<br />

wo bald <strong>in</strong> lärmender Willkür, bald <strong>in</strong> ernstem Verantwortungsbe-<br />

wusstse<strong>in</strong> die Volksvertreter gewählt wur<strong>den</strong>. 79<br />

Zur Zeit der Grafen von Sulz (1507 — 1613) erfolgte die Wahl<br />

der Landammänner auf der Landsgeme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zyklus von<br />

2 Jahren. 80<br />

Später hielt man die Landsgeme<strong>in</strong>de nicht mehr <strong>in</strong> peri­<br />

odisch abgegrenzten Term<strong>in</strong>en, 81<br />

obwohl die schon erwähnte Ver­<br />

ordnung <strong>des</strong> Fürsten Wenzel vom Jahre 1733 e<strong>in</strong>e Amtsdaucr von<br />

4 Jahren vorgeschrieben hatte. 82<br />

Wahl aus. 83<br />

Das Oberamt schrieb jeweils die<br />

«<strong>Die</strong> Landammannbesetzung, die gewöhnlich und alt­<br />

hergebrachter Massen am Pf<strong>in</strong>gstmontag oder <strong>Die</strong>nstag vorgenom­<br />

men» wurde, so berichtet Rentmeister Fritz, «muss drey Wochen<br />

vorher von Obrigkeitswegen ausgeschrieben und <strong>in</strong> allen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

75. Feger, 96 f. quarto.<br />

76. Ospelt, Verfassungsgesch., 15.<br />

77. LRA. AR. Fasz. I, <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen, 16. Marz 1748.<br />

78. Feger, 96. secundo.<br />

79. Liechtenst. Regesten, 133; BF. HK. Wien (1784) L 2 — 14.<br />

80. KB. 404.<br />

81. LRA. AR. Fasz. XXII 23, Akten 1799. <strong>Die</strong> Wahlterm<strong>in</strong>e variierten zu Ende<br />

<strong>des</strong> 18. Jahrhundert sehr, z. B. bat 1799 Landammann K<strong>in</strong>dle das Oberamt,<br />

se<strong>in</strong> Amt, das er 3 Jahre <strong>in</strong>ne hatte, niederlegen zu dürfen.<br />

82. Feger, 96 f., quarto; G. Matt, <strong>Geschichte</strong> der Matt, Zug 1939 (Selbstverlag),<br />

IV. Bd. 37. Im Jahre 1736 wollten die Untertanen <strong>den</strong> Landammann alle<br />

drei Jahre wählen.<br />

83. Ospelt, Aemterbesetzung, 26 ff.


publiziert wer<strong>den</strong>». 84<br />

- 25 —<br />

Zur Wahl begaben sich alle, die nicht ehr- und<br />

wehrlos waren und das 16. Lebensjahr erreicht hatten, <strong>in</strong> militäri­<br />

scher Ordnung, <strong>in</strong> der Herrschaft Schellenberg nach Bendern, <strong>in</strong> der<br />

Grafschaft Vaduz zum Hauptorte, wo jeweils die Wahl durch offenes<br />

Handmehr erfolgte, 85<br />

e<strong>in</strong> Wahlverfahren, das im 18. Jahrhundert<br />

als «unanständig» abgeschafft wurde. 86<br />

' Nach dem Bericht <strong>des</strong> Land­<br />

schreibers Fritz strömten am Wahltag die Geme<strong>in</strong>deleute jeder<br />

Nachbarschaft mit ihren Richtern, mit Trommeln, Pfeifen und Ge­<br />

wehren, «soviel sie nc<strong>in</strong>lich aufbr<strong>in</strong>gen» konnten, zum Wahlplatz.<br />

<strong>Die</strong> Richter begaben sich zum Amtshaus <strong>des</strong> Landvogtes, um ihn<br />

zum feierlichen Wahlakt abzuholen. Offiziere stellten die Leute auf<br />

dem Landsgeme<strong>in</strong>deplatz ordnungsgemäss auf. Dann defilierten die<br />

Wähler vor dem Amtshaus vorbei, öfters soll es vorgekommen se<strong>in</strong>,<br />

dass die Vorbeimarschieren<strong>den</strong> i<strong>in</strong> Angesicht der Obrigkeit «e<strong>in</strong>­<br />

ander grausam und elend zerschlagen» hätten, weil die Leute der<br />

sonderbaren Me<strong>in</strong>ung waren, dass an diesem Tag e<strong>in</strong> «Freitag» sei<br />

und die Obrigkeit sie für am Wahltage begangene Vergeben nicht<br />

strafen könne. 87<br />

Wie es sche<strong>in</strong>t, fiel es <strong>den</strong> Behör<strong>den</strong> schwer, <strong>in</strong><br />

diesem Tage Ordnung zu halten, weshalb wir <strong>in</strong> <strong>den</strong> Dekreten, durch<br />

welche die Wahl ausgeschrieben wurde, stets polizeiliche Verord­<br />

nungen f<strong>in</strong><strong>den</strong>. 88<br />

Der Landvogt erschien auf dem Wahlplatz beritten,<br />

<strong>in</strong> Begleitung der Richter, von <strong>den</strong>en e<strong>in</strong> jeder e<strong>in</strong>en Degen und<br />

e<strong>in</strong>e Hellebarde trug.<br />

<strong>Die</strong> im Halbkreis versammelte Bürgerschaft schritt nun zur<br />

Wahl. Zu Beg<strong>in</strong>n wurde die Lan<strong>des</strong>offnung verlesen und der Wähler­<br />

schaft die näheren Verhaltungsmassregeln bekanntgegeben. Hierauf<br />

veröffentlichte man die Militärpromotion. Dabei handelte es sich<br />

um die Ernennung e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Truppe, die repräsentativen Cha-<br />

84. BF. HK. Wien (1784) L 2 — 14; Josef Fritz von Dalaas, Vorarlberg. 1775 —<br />

85 Landschreiher. nachher Rentmeister; Tschugmell, 54.<br />

85. BF.HK. Wien (1784) L 2 — 14. Der Wahlplatz <strong>in</strong> Vaduz befand sich <strong>in</strong> der<br />

Nähe der alten Florianskapelle (1870 abgetragen). In Bendern versammelten<br />

sich die Wahlfähigen vor der Statthalterei. <strong>Die</strong> Wahl fand auf dem Platz<br />

oberhalb der Eschebrücke statt. <strong>Die</strong> Behauptung Büchels, Eschen, 12, dass<br />

die Landammanwahl <strong>in</strong> Eschen stattfand, ist nicht richtig. .<br />

86. KB. 524.<br />

87., BF. HK. Wien (1784) L 2 — 14.<br />

88. Vgl. Ospelt, Aemterbesetzung, 27 f.


- 26 -<br />

rakter hatte und dafür sorgen musste, dass die Wahl <strong>in</strong> würdiger<br />

Weise vor sich g<strong>in</strong>g. Im 18. Jahrhundert war e<strong>in</strong> Wahlverfahren ge­<br />

bräuchlich, das an dramatischer Gestaltung <strong>des</strong> Vorganges und der<br />

S<strong>in</strong>nenhaftigkeit <strong>des</strong> Ereignisses kaum se<strong>in</strong>esgleichen f<strong>in</strong>det. <strong>Die</strong> drei<br />

vom Oberamte vorgeschlagenen Kandidaten stellten sich an drei ver­<br />

schie<strong>den</strong>en Stellen <strong>des</strong> Platzes auf: 89<br />

In der oberen Landschaft g<strong>in</strong>g<br />

e<strong>in</strong>er gegen Balzers, der zweite rhe<strong>in</strong>wärts und der dritte zur Hof­<br />

kapelle. 90<br />

Namen und Standort der Kandidaten wur<strong>den</strong> ausgerufen,<br />

und es begann e<strong>in</strong> wil<strong>des</strong> «Laufen»; <strong>den</strong>n jeder Wähler rannte<br />

eilends, dass «man glauben sollte, es müssten alle zu Grunde<br />

gehen,» 91<br />

zur Stelle, die für se<strong>in</strong>en Kandidaten bestimmt wor<strong>den</strong><br />

war. Bekam e<strong>in</strong>er der Kandidaten das offenbare Mehr, so «gab es<br />

just aufm Platz ke<strong>in</strong>e weiteren Händel» oder Ungelegenheiten; war<br />

aber das Ergebnis <strong>des</strong> «Laufens» zweifelhaft, so wurde der Wahlakt<br />

wiederholt. Bei ganz unklarem Stimmenverhältnis musste die Mann­<br />

schaft abgezählt wer<strong>den</strong>, was nicht immer ohne wil<strong>den</strong> Tumult ab­<br />

g<strong>in</strong>g, sodass der entsetzte Berichterstatter gallig bemerkte, man<br />

müsse sich wundern, wenn die «Sache ohne die grössten Unglücke<br />

oder Totschläge» abgehe. 92<br />

Hatten sich die Wählermassen für e<strong>in</strong>en<br />

Kandidaten entschie<strong>den</strong>, so wurde er <strong>in</strong> feierlicher Weise als Land-<br />

ammann vereidigt. Dem Wahlakt folgten Lustbarkeiten und länd­<br />

liche Unterhaltungen; besonders zu Ende <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts war<br />

der Landammann durch Brauch und Sitte verpflichtet, se<strong>in</strong>e Wähler<br />

<strong>in</strong> reichlicher Art zu bewirten, sodass der Anlass, an dem viel We<strong>in</strong><br />

floss, <strong>den</strong> Gewählten bis zu 400 fl. kosten konnte. 93<br />

<strong>Die</strong> Richter dagegen wur<strong>den</strong> nicht auf der Landsgeme<strong>in</strong>de ge­<br />

wählt, doch kam es öfters vor, dass die neu bestellten Richter an-<br />

lässjich der Wahl <strong>des</strong> Landammannes vereidigt wur<strong>den</strong>. Starb e<strong>in</strong><br />

Richter, so reichten Laudammann und Gericht nach altem «Brauch<br />

und Herkommen» dem Oberamte e<strong>in</strong>en Dreiervorschlag e<strong>in</strong>. 94<br />

89. BF. HK. Wien (1784) L 2 —14.<br />

90. Ospelt. Aemterbesetzung, 30.<br />

91. BF. HK. Wien (1784) L 2 — 14.<br />

92. 1. c,<br />

93. LRA. AR. Fasz. I, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 12. Juni 1805.<br />

Aller-<br />

94. 1. c. Fasz. XXII 23. Matr. 1, Akten, 5. Aug. 1797; weitere Akten 1. c. vom<br />

4. Aug. 1798; 27. Juli 1792; 11. Aug. 1793; 23. Mai 1795; Ospelt Aemterbesetzung,<br />

39 ff.


— 27 —<br />

d<strong>in</strong>gs geriet im 18. Jahrhundert diese Gewohnheit <strong>in</strong> der. oberen<br />

Landschaft <strong>in</strong> Verfall: hier legte die Nachbarschaft dem Oberamte<br />

<strong>den</strong> Dreiervorschlag vor und übte wachsam für sich dieses Recht<br />

aus, 95<br />

während <strong>in</strong>. der Herrschaft Schellenberg das Vorschlagsrecht<br />

noch <strong>in</strong> der Kompetenz <strong>des</strong> Gerichtes lag. 96<br />

In der Gewohnheit der<br />

ehemaligen Grafschaft Vaduz liegt zweifellos e<strong>in</strong> Element, das die<br />

allmähliche Verselbständigung der alten Nachbarschaft 97<br />

und ihre<br />

Entwicklung zur Geme<strong>in</strong>de — im Inhalt und Umfang <strong>des</strong> neuen<br />

Worts<strong>in</strong>nes — im Verbände der Gerichtsgeme<strong>in</strong>de vage andeutet.<br />

Wie sehr selbst unmittelbar vor dem Sturze der Landammanu-<br />

<strong>in</strong>stitution die E<strong>in</strong>wohner mit beispielloser Zähigkeit an ihren alten<br />

Rechten h<strong>in</strong>gen, beweist e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Herrschaft Scbellenberg ausge<br />

fochtener Streit wegen der Wahl e<strong>in</strong>es Richters. Als das Oberamt<br />

1799 ke<strong>in</strong>en von <strong>den</strong> drei vorgeschlagenen Richtern als tauglich be­<br />

fun<strong>den</strong> hatte, mit der Begründung, man benötige <strong>in</strong> Kriegszeilen<br />

für das Richteramt e<strong>in</strong>en tüchtigen Mann, da durchg<strong>in</strong>gen Landvogt<br />

• • i*-11 Landammann geme<strong>in</strong>sam «alle Subjekte am Schellenberg» und<br />

fan<strong>den</strong>, «dass unter allen llnterlhaneii . . . ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger hiezu an­<br />

ständig wäre». 98<br />

Das Amt sebzte nun aus eigenem Ermessen e<strong>in</strong>en<br />

Richter e<strong>in</strong>, der im Dreiervorschlag <strong>des</strong> Gerichtes nicht genannt<br />

wor<strong>den</strong> war. 99<br />

E<strong>in</strong> lebhafter Protest <strong>des</strong> Gerichtes war die Folge<br />

davon. 10<br />

" <strong>Die</strong> Nachbarschaft Schellenberg hätte dagegen gerne <strong>den</strong><br />

vom Oberamte vorgeschlagenen Kandidaten angenommen. 101<br />

Damit<br />

stand Nachbarschaft gegen Gericht und Gericht gegen Landvogt.<br />

Schliesslich trat der vom Oberamte ernannte Richter zurück, 102<br />

und<br />

nur auf widerrechtlichen Befehl <strong>des</strong> Oberamtes h<strong>in</strong> erhielt die<br />

Nachbarschaft e<strong>in</strong>e Behörde. 103<br />

Fürsten, 104<br />

Das Gericht wandte sich an <strong>den</strong><br />

der dem Landvogt befahl, erneut e<strong>in</strong>en Dreiervorschlag<br />

95. HK. Wien L 2 — 3, 3, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 24. Dez. 1799.<br />

96. LRA. AR. Fasz. XXII 23. Matr. 1, verschie<strong>den</strong>e Akten.<br />

97. KB. 256, 403 f.<br />

98. LRA. AR. Fasz. XXII 23. Matr. 1, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 9. Nov. 1799.<br />

99. 1. c.<br />

100. 1. c, Aktum, 19. Nov. 1799; siehe Konferenzprotokolle 1799 ff.<br />

101. LRA. AR. Fasz. XXII 23, Matr. 1, Aktum, 29. Nov. 1799; 1. Dez. 1799.<br />

102. 1. c., Aktum, 23. Nov. 1799<br />

103. 1. c., Schreiben Menz<strong>in</strong>gers, 29. Nov. 1799.<br />

104. HK. Wien L 2 — 3, 3, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 24. Dez. 1799.


— -28 —<br />

<strong>des</strong> Gerichtes e<strong>in</strong>zuholen, «um die Unterthanen und Gerichten»<br />

ihren alten Herkommen «nicht zu kränken». 105<br />

Am 4. Okt. 1800<br />

wurde dann' der vom Oberamte bestellte Richter endgültig ent­<br />

lassen: 106<br />

Fürst'Alois stand fest zu <strong>den</strong> überkommenen Gewohnhei­<br />

ten und Rechten <strong>des</strong> Volkes.<br />

. <strong>Die</strong> Besetzung der Geschworenen-Stellen wurde <strong>in</strong> der Herr­<br />

schaft Schellenberg «auf Anlangen» <strong>des</strong> amtieren<strong>den</strong> Landammannes,<br />

«nach althergebrachter Übung» <strong>in</strong> Anwesenheit <strong>des</strong> Landvogtes, <strong>des</strong><br />

Landammannes, <strong>des</strong> Gerichtes, <strong>des</strong> Landweibels, <strong>des</strong> Landschreibers<br />

und "<strong>des</strong> herrschaftlichen Jägers, alljährlich anfangs August vorge­<br />

nommen. 107<br />

Im allgeme<strong>in</strong>en kann festgehalten wer<strong>den</strong>, dass die rechtsge-<br />

schichtliche Entwicklung <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> au6 zwei Quellen ent­<br />

sprungen ist: <strong>Die</strong> Obrigkeit, begünstigt durch die Entwicklung, die<br />

zur Ausbildung <strong>des</strong> Territorialstaates führte, erhielt ihre Rechts-<br />

sa<strong>in</strong>e durch kaiserliche Verfügungen; das Volk konnte sich auf ur­<br />

alte Gewohnheitsrechte berufen, deren Ursprung sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em un-<br />

aufgehellten Dunkel verliert, die aber zu Ende <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts<br />

<strong>in</strong> tiefer Dichte und reichem Masse im Bewusstse<strong>in</strong> <strong>des</strong> Volkes<br />

lebten. 108<br />

<strong>Die</strong> Macht der <strong>Geschichte</strong> und die Ehrfurcht vor der Vergan­<br />

genheit schufen aus der Tradition e<strong>in</strong> Gesetz, dem sich der Bauer<br />

beugte, wohlwissend, dass Überlieferung e<strong>in</strong>e Forderung der Kultur,<br />

wie der Kirche ist. So zeigte das Volk auch im <strong>politische</strong>n Geschehen<br />

e<strong>in</strong>e konservative Haltung. Nicht dass sich etwa die <strong>politische</strong>n Ver­<br />

hältnisse <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> vor 1800 durch ihre Besonderheit ausge­<br />

zeichnet hätten! <strong>Die</strong> Abhängigkeit <strong>des</strong> liechtenste<strong>in</strong>ischen staatlichen<br />

Lebens von vorarlbergischen Verhältnissen ist offensichtlich und<br />

sie kommt schon dar<strong>in</strong> zum Ausdruck, dass z. B. die Erbordnung <strong>des</strong><br />

Blurnenegger Landsbrauches gleichen Wortlautes ist wie die Liech-<br />

105. LRA. AR. Fasz. XXII 23 Matr. 1, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 30. April 1800.<br />

106. 1. c, Entlassungsschreiben, 4. Okt. 1800.<br />

107. 1. c, verschie<strong>den</strong>e Akten, Matr. 4. Vgl. G. Matt, <strong>Geschichte</strong> der Matt, Zug<br />

1939, IV. Bd. 216 ff.<br />

108. Protokolle 1793 ff.


tenste<strong>in</strong>s. 100<br />

- 29 —<br />

Gleiche Kräfte wirkten <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> wie <strong>in</strong> Vorarl­<br />

berg: Lange herrschten die Grafen von Holienems über das Gebiet<br />

<strong>des</strong> heutigen <strong>Fürstentums</strong>, wie über grosse Teile der österreichischen<br />

Nachbarschaft; hier wie dort stan<strong>den</strong> die nach Freiheit streben<strong>den</strong><br />

Kräfte im Banne <strong>des</strong> schweizerischen Vorbil<strong>des</strong>. 110<br />

Das soziale Bild <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> im 18. Jahrhundert entbehrte<br />

nicht e<strong>in</strong>er bunten Vielfalt. Man könnte die liechtenste<strong>in</strong>ischen<br />

Bauern am ehesten als halbfrei bezeichnen, weil sie weder <strong>in</strong> abso­<br />

luter Hörigkeit stan<strong>den</strong>, noch volle Freiheit genossen. Nur die Wal­<br />

liser waren bis zu Ende <strong>des</strong> Mittelalters 111<br />

wenigstens im Abzug und<br />

von Steuern frei. <strong>Die</strong> übrigen Untertanen entrichteten wie «Eigen-<br />

mannen» Steuern, leisteten Frondienste und gaben bis zum 16. Jahrb.<br />

das Besthaupt. H<strong>in</strong>gegen war der Fürst ke<strong>in</strong>eswegs Grundherr <strong>in</strong><br />

dem S<strong>in</strong>n, dass aller Grund und Bo<strong>den</strong> von ihm hätte als Lehen ent­<br />

gegengenommen wer<strong>den</strong> müssen, sondern der Grossteil <strong>des</strong> Bo<strong>den</strong>s<br />

gehörte zu <strong>den</strong> Allnie<strong>in</strong><strong>den</strong> der Nachbarschaften. Daneben waren<br />

auch Klöster Lehensherren, so gut wie die Bauern selbst allodialen<br />

Bo<strong>den</strong> besassen. 112<br />

In der beschränkten Freiheit der Bauern hielten<br />

sich Rechte und Pflichten die Waage. Der Absolutismus durchbrach<br />

das alte Ideal und trat gewaltsam aus der alten Ordnung heraus, und<br />

gerade hiedurch erklärt sich nicht zuletzt die Stagnation der poli­<br />

tischen Kräfte, die zu Ende <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts weit um sich griff.<br />

In diesem Zustand trat das Fürstentum <strong>in</strong> jenes Zeitalter, das<br />

e<strong>in</strong>erseits durch die französische Revolution, anderseits durch e<strong>in</strong>en<br />

übertriebenen Spätabsolutismus bestimmt wurde und <strong>des</strong>sen Gegen­<br />

sätzlichkeit das alte <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> wie zwischen zwei Mühlste<strong>in</strong>en<br />

zermalmte, weil e<strong>in</strong>e fruchtbare Synthese zwischen Alt und Neu im<br />

gewaltigen Aktualisierungsprozess revolutionärer Ideen und <strong>in</strong> der<br />

wogen<strong>den</strong> Unruhe, von der das Abendland erfasst wor<strong>den</strong> war, nicht<br />

möglich war. <strong>Die</strong> Tradition musste niedergerungen wer<strong>den</strong>, um<br />

109. Zösmaier, Monographie üher Blumenegg, Liechtenst. Volksblatt, Jahrg. 1904.<br />

Nr. 28 und 29; Schädler, Rechtsgewohnheiten, 49. Vgl. Landsbraucb 1794<br />

Nr. 10/28 ff.<br />

110. Hirn, 23; vgl. Schupplers Bemerkung <strong>in</strong> der LBS., Nr. 9/52.<br />

111. Joh. Bapt. Büchel, <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>wanderung der Walliser, JB. (1926) 121 ff.<br />

I 12. Zel<strong>in</strong>tlisten, PfA. Benderii; Vgl. Ritter, Urkun<strong>den</strong>, 92 f. G. Matt, <strong>Geschichte</strong><br />

der Matt, Zug 1939 IV. Bd. 38. E<strong>in</strong> Untertan aus der Herrschaft Feldkirch<br />

nannte e<strong>in</strong>en Bürger von Mauren im Jahre 1737 «Stocklaibeigener».


— 30 —<br />

neuen Möglichkeiten Bahn zu schaffen. <strong>Die</strong> Obrigkeit verwarf das<br />

Alte <strong>in</strong> Hoffnung auf das bessere Neue. In der Schweiz wurde die<br />

alte Verfassung durch französische Bajonette gestürzt, 113<br />

<strong>in</strong> Öster­<br />

reich feierte der zentralisierte Staat Triumphe, der Rhe<strong>in</strong>bund, dem<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> beitreten sollte, duldete praktisch die alten Gewohn­<br />

heiten nicht mehr. Ihr Schicksal war vorauszusehen. Was die Um­<br />

wälzung <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> <strong>in</strong> Gang brachte, war mehr die außenpoli­<br />

tische Zwangslage, als eigener Wille <strong>des</strong> Volkes. Dumpfe Ahnung<br />

kommender Umwälzung hatte die liechtenste<strong>in</strong>ischen Bauern vor<br />

1800 erfasst: In Schaan und Garns sollen feurige Kugeln vom Him­<br />

mel gefallen se<strong>in</strong>, die Leute beteten <strong>in</strong>brünstig. 114<br />

113. His, 24 ff.; <strong>Die</strong>rauer, 3 ff.<br />

114. Heibert, 75.


1. Ursachen<br />

— 31 -<br />

II. Kapitel<br />

Der Umsturz<br />

Am 23. Februar 1805 bat Landvogt Menz<strong>in</strong>ger die Geistlich­<br />

keit im Fürstentum <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>, für <strong>den</strong> schwerkrank darnieder­<br />

liegen<strong>den</strong> Fürsten Alois zu beten. 1<br />

Am 24. März 1805 abends<br />

22 Uhr 30 verschied der Regent <strong>des</strong> fürstlichen Hauses, k<strong>in</strong>derlos,<br />

im Alter von nur 45 Jahren. 2<br />

Kriege und wildem Soldaten­<br />

leben war er abgeneigt gewesen: 3<br />

<strong>den</strong>n der ruhige Fürst hatte <strong>in</strong> der<br />

Pflege und Verbesserung se<strong>in</strong>er Güter und <strong>in</strong> der Anteilnahme am<br />

kulturellen und geistigen Leben mehr Freude gefun<strong>den</strong>, als an küh­<br />

nen Ritten und blutigen Schlachten.<br />

Ganz anderen Charakters war se<strong>in</strong> jüngerer Bruder Johann<br />

Josef von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> (1760— 1836), der Nachfolger <strong>des</strong> Dah<strong>in</strong>­<br />

gegangenen. Fürst Johann war Soldat durch und durch. 4<br />

Unter dem<br />

E<strong>in</strong>fluss Feldmarschall Graf Lacy's." der <strong>den</strong> kle<strong>in</strong>en Johann beson­<br />

ders liebte, entschied sich der junge Pr<strong>in</strong>z <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Jugend für <strong>den</strong><br />

Soldatenstand und begann se<strong>in</strong>e Karriere als Leutnant der Anspach-<br />

Kürassiere, wurde kurz darauf Rittmeister, dann Major bei <strong>den</strong><br />

Harrach-Dragonen: «Er war für das Kriegshandwerk geboren . . »,<br />

sagte Metternich. ß<br />

1. Falke, 277, 280. Geboren am 14. Mai 1759, gest. 24. März 1805. Er entstammte<br />

der älteren L<strong>in</strong>ie.<br />

2. HHSTA.. Kle<strong>in</strong>ere Reichsstände, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 1490 —1815, Fasz. 327,<br />

Fürst Johann zeigt <strong>den</strong> Tod se<strong>in</strong>es Bruders an. 26. März 1805; vgl. Büchel.<br />

<strong>Die</strong> Pfarrbücher <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s. (1918) 72 f.<br />

X Falke, 277 ff.<br />

•I. Boliatta X, 89 ff. <strong>Die</strong> Literatur über die militärische Laufbahn <strong>des</strong> Fürsten<br />

ist umfangreich; Crisle, 259 ff.<br />

5. ADB. XVII. 487 ff.; Criste, 3.<br />

6. Metternich. 174.


— 32 —<br />

In <strong>den</strong> Türkenkriegen wurde ihm das Ritterkreuz <strong>des</strong> Maria<br />

Theresienor<strong>den</strong>s zugesprochen, nachdem er 1788 zum Obersten be­<br />

fördert wor<strong>den</strong> war. 7<br />

Dann focht Johann <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> <strong>in</strong> Holland.<br />

Se<strong>in</strong>e Gewandtheit, se<strong>in</strong> Wagemut <strong>in</strong> blitzschnellen Attacken, se<strong>in</strong><br />

Glück im Waffengang machten <strong>den</strong> Kühnen berühmt. 8<br />

Er nahm am<br />

Feldzug <strong>in</strong> Deutschland vom Jahr 1796 teil. <strong>Die</strong> Briefe von der<br />

Front an se<strong>in</strong>e Gatt<strong>in</strong> geben von se<strong>in</strong>er edlen Ges<strong>in</strong>nung, wie von<br />

se<strong>in</strong>em soldatischen Berufsethos e<strong>in</strong> beredtes Zeugnis. 9<br />

In mehr als<br />

100 Schlachten und Gefechten wur<strong>den</strong> ihm während der militäri­<br />

schen Laufbahn 23 Pferde unter dem Leibe weggeschossen. 10<br />

Am 26. September 1796 verlieh ihm Kaiser Franz das Kommandeur-<br />

Kreuz <strong>des</strong> Maria-Theresien-Or<strong>den</strong>s. 11<br />

Nicht weniger zeichnete sich<br />

Johann v. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> im Feldzug <strong>in</strong> Italien aus: In der Schlacht<br />

an der Trebbia vom 19. Juni 1799 hatte der Reitergeneral unter<br />

Suwarows Oberbefehl entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> E<strong>in</strong>fluss auf <strong>den</strong> für die Alli­<br />

ierten günstigen Ausgang der Schlacht; nach dem Kampf umarmte<br />

Suwarow <strong>den</strong> Fürsten und rief: «Le heros de l'Italie.» 12<br />

Nur durch<br />

das entschlossene E<strong>in</strong>greifen <strong>des</strong> Fürsten von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> konnte<br />

<strong>in</strong> der Schlacht bei Hohenl<strong>in</strong><strong>den</strong> vom 3. Dez. 1801 e<strong>in</strong>e völlige Ver­<br />

nichtung der österreichischen Armee verh<strong>in</strong>dert wer<strong>den</strong>, weshalb<br />

der Kaiser der Mutter <strong>des</strong> Fürsten erklärte, ihr Sohn habe bei Ho­<br />

henl<strong>in</strong><strong>den</strong> die halbe österreichische Armee gerettet. 13<br />

Dem Fürsten aber fiel nicht nur die harte Arbeit auf dem<br />

Schachtfeld zu, sondern er war auch ausersehen, mit Napoleon und<br />

mit geriebenen Diplomaten am Verhandlungstisch bis zur Erschöp<br />

fung zu verbandeln. 14<br />

Napoleon Frie<strong>den</strong>sbed<strong>in</strong>gungen. 1;><br />

Am 10. Dez. 1805 besprach er <strong>in</strong> Brünn mit<br />

<strong>Die</strong> Schlacht bei Austerlitz, hatt::<br />

gegen Österreich entschie<strong>den</strong>. Geschwächt an Gesundheit und über-<br />

7. Falke, 286; Jenne, 3. Febr. 1790.<br />

8. Oiste, 9 ff.; Jenne, 4. Aug.; 24. Aug.; 1. Sept. 1798.<br />

9. Briefe bei Falke, 292 ff.<br />

10. ADB. XVIII, 611.<br />

11. Criste, 46.<br />

12. Falke, 301 ff.; Jenne, 29. Juni 1799, Brief an se<strong>in</strong>e Gatt<strong>in</strong> und se<strong>in</strong>e Mutter<br />

vom 21. Juni 1799; Criste,. 57.<br />

13. Criste, 74.<br />

14. 1. e., 95.<br />

15. In der Maur. Johann, 159.


- 33 -<br />

müdet rang der treue Soldat <strong>in</strong> ausgedehnten Debatten mit dem<br />

schlauen Talleyrand um <strong>den</strong> Frie<strong>den</strong> und überbrachte am 31. Dez.<br />

1805 <strong>den</strong> von Kaiser Franz ratifizierten Frie<strong>den</strong> nach Wien. 16<br />

Kämpfe Österreichs gegen Napoleon vom Jahre 1809 sollten die<br />

militärische Laufbahn <strong>des</strong> Fürsten krönen: er wurde Feldmarschall. 17<br />

Se<strong>in</strong> Anteil am Sieg Österreichs bei Aspern war bedeutend. 18<br />

<strong>Die</strong><br />

Nach<br />

der Niederlage Habsburgs bei Wagram wurde dem Fürsten Liech­<br />

tenste<strong>in</strong> das Kommando über die gesamte österreichische Armee<br />

übergeben. 19<br />

Schliesslich bahnte er <strong>den</strong> beschwerlichen Weg zum<br />

Frie<strong>den</strong> von Schönbrunn. In e<strong>in</strong>em Knäuel von Intrigen, <strong>in</strong> Rat­<br />

losigkeit, 20<br />

wie sie nur nach verlorenen Schlachten aufzutreten ver­<br />

mag, tat der Feldmarschall se<strong>in</strong> Bestes. 21<br />

Mit allen Vollmachten aus­<br />

gestattet, 22<br />

unterhandelte er mit Napoleon über <strong>den</strong> Frie<strong>den</strong>, war<br />

aber zu sehr Soldat,-um all die Schliche Napoleons und se<strong>in</strong>er Helfer<br />

zu durchschauen. 23<br />

In glühendem Patriotismus wollte er dem Korsen<br />

°e<strong>in</strong>e Bildergalerie abtreten, falls dieser die' Förderung gegenüber<br />

Österreich herabsetzen würde. 24<br />

Am 14. Oktober 1809 unterzeich­<br />

nete Fürst Johann <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> <strong>den</strong> Frie<strong>den</strong>svertrag für Österreich.<br />

Und Wien jubelte. <strong>Die</strong> Frie<strong>den</strong>smission <strong>des</strong> Fürsten fand verschie­<br />

<strong>den</strong>e Würdigungen. Nach diesen bedeutungsvollen Ereignissen zog<br />

sich Fürst Johann L. am 27. August 1810 <strong>in</strong>s Privatleben zurück. ?5<br />

Der Kriegsdienst hatte <strong>den</strong> Charakter <strong>des</strong> Feldmarschalls ge­<br />

prägt; Fürst Johann war hart, kurz <strong>in</strong> Re<strong>den</strong>, ruhelos, e<strong>in</strong> feuriger<br />

Patriot, beschei<strong>den</strong> und tief ehrlich. 26<br />

Metternich, mit se<strong>in</strong>en aus­<br />

geprägten Menschenikenntnissen, sah im Fürsten <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> <strong>den</strong><br />

16. Falke, 312.<br />

17. Ernennungsschreiben von Kaiser Franz, im Anhang bei Criste, 223; Jenne,<br />

12. Sept. 1809:<br />

18. Criste, 120.<br />

19. 1. c., 210, Brief von Kaiser Franz.<br />

20. Beachte besonders die Zitate von Erzherzog Johann, 1. c, 143.<br />

21. Aufschluss geben hier besonders die Tagebücher von Gentz. <strong>Die</strong> wesentlichen<br />

Fürst <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> betreffen<strong>den</strong> Stellen bei Criste, 229 ff.; vgl.<br />

Falke, 320 ff.<br />

22. Criste, 144, Anmerkung 2.<br />

23. Krones, 143.<br />

24. Criste, 147.<br />

25. .1. c, 172 ff; 148 f.<br />

26. Metternich, 174.<br />

3


«überquellen<strong>den</strong> Eifer für das Gute», er schilderte ihn als begabt<br />

«mit ausgezeichneten Eigenschaften <strong>des</strong> Geistes und e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> jeder<br />

Probe standhalten<strong>den</strong> Tapferkeit». Der grosse Rhe<strong>in</strong>länder bemerkte<br />

im Fürsten auch <strong>den</strong> Mangel an Ruhe, «die erforderlich ist, um die<br />

D<strong>in</strong>ge und die Menschen <strong>in</strong> ihrem richtigen Werte zu erkennen». 2<br />

'<br />

Was die Weltanschauung <strong>des</strong> Fürsten angeht, so war er ke<strong>in</strong>eswegs<br />

ungläubig, e<strong>in</strong>en fa<strong>den</strong> Indifferentismus billigte er nicht. 28<br />

Aber es<br />

muss angenommen wer<strong>den</strong>, dass Fürst Johann bis zu e<strong>in</strong>em gewissen<br />

Grad von josef<strong>in</strong>ischen Ideen e<strong>in</strong>genommen war. 2<br />

" Auch ist im We­<br />

sen <strong>des</strong> Fürsten e<strong>in</strong> romantischer Zug nicht zu verkennen; er Hess<br />

auf se<strong>in</strong>en Gütern Ru<strong>in</strong>en und halb zerfallene Amphitheater bauen.<br />

H<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er überschwänglichen Grosszügigkeit <strong>in</strong> Geldangelegen­<br />

heiten verbarg sich <strong>in</strong> ihm e<strong>in</strong>e geradezu pe<strong>in</strong>liche Sorge für die<br />

unbedeutendsten Geschäfte, und das Fürstentum selbst bekam diesen<br />

Charakterzug <strong>des</strong> Fürsten gelegentlich zu spüren. 30<br />

Das Verhältnis Johanns I. zu se<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Volk bewegte sich<br />

<strong>in</strong> kühler Distanz. Er kannte se<strong>in</strong>e Untertanen nicht, da er nie<br />

im Fürstentum war, ja der Fürst war gezwungen, der grossen In­<br />

anspruchnahme wegen durch die <strong>Die</strong>nste <strong>in</strong> der österreichischen<br />

Armee, die Verwaltung se<strong>in</strong>er Güter, wie die Regierung <strong>des</strong> Fürsten­<br />

tums, weitgehend se<strong>in</strong>en Beamten zu überlassen. Dennoch wurde<br />

se<strong>in</strong> persönlicher Gestaltungswille für das Land von massgebender<br />

Bedeutung. In Anbetracht se<strong>in</strong>er grossen Vorliebe für Ordnung'im<br />

F<strong>in</strong>anzwesen, wie <strong>in</strong> der Verwaltung se<strong>in</strong>er Güter, 31<br />

mussten ihm die<br />

Misstände <strong>in</strong> der Landammannverfassung e<strong>in</strong> Greuel se<strong>in</strong>: Charakter<br />

und Persönlichkeit <strong>des</strong> Fürsten deuteten auf Neuerungen.<br />

In der Tat rechtfertigen zum Teil Misstände die Abschaffung<br />

der alten Verfassung. 32<br />

Zwar s<strong>in</strong>d die Berichte und Urteile obrig­<br />

keitlicher Beamter <strong>in</strong> dieser Beziehung mit Zurückhaltung aufzu-<br />

27. 1. c.<br />

28. Criste, 179.<br />

29. <strong>Die</strong> Beamten vertraten <strong>in</strong> Berichten an <strong>den</strong> Fürsten josef<strong>in</strong>ische Ideen. Was<br />

der Fürst zum vornhere<strong>in</strong> nicht gebilligt hätte, hätten die Beamten nicht<br />

gewagt zu schreiben; HK. Wien (1808) L 2 — 14. E<strong>in</strong> Beispiel josef<strong>in</strong>ischer<br />

Haltung ist Hauers Bericht.<br />

30. LRA. SR. Fasz. 6, verschie<strong>den</strong>e Akten.<br />

31. Falke, 332 f.<br />

32. In der Maur, Johann, 177, Anmerkungen.


— 35 —<br />

nehmen; <strong>den</strong>n das emporstrebende Beamtentum hatte e<strong>in</strong>e hämische<br />

Freude daran, <strong>in</strong> stolzer Überlegenheit die Volksvertreter zu kriti­<br />

sieren und zu bespötteln, nicht zuletzt <strong>in</strong> der versteckten Absicht,<br />

die eigene Leistung dadurch umsomehr hervorzuheben. 33<br />

<strong>Die</strong> Bildung der vom Volk gewählten Männer entsprach aller­<br />

d<strong>in</strong>gs nicht mehr <strong>den</strong> gesteigerten Anforderungen der Zeit. Zwar<br />

hatten die Jesuiten schon um die Mitte <strong>des</strong> 17. Jahrhunderts 34<br />

nahen Feldkirch e<strong>in</strong>e Late<strong>in</strong>schule übernommen, aber die allgeme<strong>in</strong>e<br />

Schulpflicht wurde <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> erst 1805 e<strong>in</strong>geführt. 35<br />

im<br />

Es ist<br />

<strong>des</strong>halb verständlich, dass es Richter gab, die weder lesen noch<br />

schreiben konnten. 36<br />

reich 38<br />

In der benachbarten Schweiz 3<br />

' und <strong>in</strong> Öster­<br />

nahm das Bildungswesen um 1800 e<strong>in</strong>en raschen Aufschwung.<br />

Wie hätte unter diesen Umstän<strong>den</strong> noch e<strong>in</strong> <strong>des</strong> Lesens und Schrei­<br />

bens unkundiger Richter bestehen können! Zahlreiche Richter er­<br />

klärten <strong>des</strong>halb ihren Rücktritt mit der Begründung, <strong>den</strong> Aufgaben<br />

ihres Amtes nicht mehr gewachsen zu se<strong>in</strong>: «Nun da ich weder<br />

schreiben, noch lesen, vierweniger rechnen kann, da ich mit Weib<br />

und K<strong>in</strong>dern bela<strong>den</strong> b<strong>in</strong>, ersuche ich um Entlassung», bat e<strong>in</strong> Rich­<br />

ter <strong>den</strong> Landvogt am 22. W<strong>in</strong>termonat 1808 um Enthebung von<br />

se<strong>in</strong>em Amte. 39<br />

E<strong>in</strong> Bürger aus Schaan verschmähte das Richteramt,<br />

weil ersieh ganz unfähig glaubte, die Abrechnungen über die Kriegs­<br />

schä<strong>den</strong> <strong>in</strong> Ordnung zu br<strong>in</strong>gen. 40<br />

Im Jahre 1799 hielt das Oberamt<br />

ke<strong>in</strong>en der vom Gericht der Landschaft Schellenberg für die Rich­<br />

terstelle vorgeschlagenen Kandidaten für tauglich. 41<br />

Der Säckel­<br />

meister der Nachbarschaft Schellenberg wollte, «wenn nicht e<strong>in</strong><br />

Richter sey, der ihm an die Hand gehen könne», zurücktreten, und<br />

33. BH. HK. Wien, (1808) L 2 — 14, zeigt die erwähnte Ten<strong>den</strong>z deutlich.<br />

34. E. Tomek, Kirchengeschichte Österreichs, II. Teil Innsbruck 1949, 621;<br />

A. Ludewig, Briefe und Akten zur <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Gym. u. Kollegs der<br />

Gesellsch. Jesu <strong>in</strong> Feldkirch, 1908/10; KB. 445; Mayer, 412 ff.<br />

35. LRA. AR. Fasz. XXXIII 24, Erlass der Hofkanzlei. 18. Dez. 1805.<br />

36. Vgl. Büchel, Triesen, 86.<br />

37. His, 634 ff.<br />

38. Hantsch II, 241.<br />

30. HK. Wien L 2 —3, 3, Gesuch, 22. Dez. 1808.<br />

40. 1. c, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 15. Juni 1802.<br />

41. LRA. AR. Fasz. XXII 23, Aktum, 10. Dez. 1799.


- 36 —<br />

der Landvogt fügte h<strong>in</strong>zu: Es «ist auch wahr, <strong>den</strong>n er kann weder<br />

lesen noch schreiben . . .». 42<br />

E<strong>in</strong> weiterer Missbrauch bei Bestellung der Landammänner,<br />

bei der Vereidigung der Volksbehör<strong>den</strong>, sowie bei Erbschaftstei­<br />

lungen durch die Richter 43<br />

bestand dar<strong>in</strong>, dass die Wähler oder die<br />

Beamten zuviel tranken und auf Kosten anderer gut speisten. 44<br />

Landschreiber Fritz .berichtet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nicht gerade sehr glaubwür­<br />

digen Ton, dass die Wähler zur Wahl <strong>des</strong> Landammannes «schon<br />

voll betrunken auf <strong>den</strong> Platz» taumelten. 45<br />

Noch kurz vor dem Sturz<br />

der Landammannverfassung gerieten die Säckelmeister und Richter<br />

<strong>in</strong> der Herrschaft Schellenberg wegen allzu grossen Auslagen bei<br />

der Vereidigung der Geschworenen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en heftigen Streit. 46<br />

Teil­<br />

weise wurde im übrigen die Kosten- und Verpflegungsfrage schon<br />

durch <strong>den</strong> Erlass <strong>des</strong> Fürsten Wenzel vom 25. September 1733 ge­<br />

regelt. 47<br />

Das fürstliche Dekret schaffte die von Landammännern,<br />

Gerichten und Geschworenen «bishero dem geme<strong>in</strong>en Mann und<br />

Land zu Scha<strong>den</strong>» gehaltenen Zehrungen ab und setzte Taggelder<br />

fest. 48<br />

<strong>Die</strong> Bestimmungen sche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der Folge allerd<strong>in</strong>gs nicht ganz<br />

e<strong>in</strong>gehalten wor<strong>den</strong> zu se<strong>in</strong>, 49<br />

zumal auch <strong>in</strong> der Schweiz, besonders<br />

im benachbarten Graubün<strong>den</strong>, die Richter gerne zechten. 50<br />

Neben diesen Misstän<strong>den</strong> lief die alte Verfassung Gefahr, <strong>in</strong>s<br />

Lächerliche und Komische abzugleiten. Verschie<strong>den</strong>e Differenzen<br />

und Streitigkeiten, die sich zu Ende <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts bei Rich­<br />

terwahlen zutrugen, glichen e<strong>in</strong>em bäuerlichen Karneval. <strong>Die</strong> Zän-<br />

42. HK. Wien L 2 — 3, 3, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 24. Dez. 1799.<br />

43. LRA. SR. Fasz. L 3 346/pol., Bericht Schupplers, 27. Juli 1809.<br />

44. 1. c, AR. Fasz. I, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 12. Juni 1805.<br />

45. BF. HK. Wien (1784) L 2 — 14. Landschreiber Fritz macht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Bericht<br />

durchaus <strong>den</strong> E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>es naiven und ungebildeten Schreibers.<br />

46. HK. Wien, L2-3,8, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 29. Nov. 1793.<br />

47. Feger, 96.<br />

48. 1. c, 98.<br />

49. HK. Wien L 2 — 3, 8, Bericht Menz<strong>in</strong>gers 29. Nov. 1793. Das Gericht<br />

nahm bei Geschworenenbesatzung Mahlzeiten e<strong>in</strong>.<br />

50. Gagliardi, 1175.


kereien bildeten e<strong>in</strong>e Kette: 51<br />

— 37. -<br />

Richter stan<strong>den</strong> gegen Säckelmeister,<br />

Geme<strong>in</strong>de gegen Richter, 52<br />

Richter gegen Richter, 53<br />

Landvogt gegen<br />

Richter, Gericht gegen Landvogt, 54<br />

Richter gegen Altlandammann, 55<br />

e<strong>in</strong> buntes Gewebe unflätigen Zwistes, Stoff für W<strong>in</strong>kel-Juristen und<br />

Zänkereigeschrei für <strong>den</strong> klagehören<strong>den</strong> Fürsten. Landvogt Men­<br />

z<strong>in</strong>ger, <strong>des</strong>sen Gutmütigkeit 'bekannt war, 56<br />

hcsass <strong>in</strong> <strong>den</strong> krausen<br />

Streitigkeiten zu wenig Autorität, um der bornierten Haltung und<br />

dem sturen Eigendünkel eigens<strong>in</strong>niger Volksvertreter beizukommen.<br />

Solche Zwistigkeiten wirkten wie Sand im Räderwerk der Verwal­<br />

tung, und manchmal litten die Leute unter <strong>den</strong> geschilderten Zu­<br />

stän<strong>den</strong>; 57<br />

es kam sogar vor, dass sich Oberamt und Hofkanzlei ver­<br />

anlasst sahen, mit Bitten und Drohungen das alte Herkommen zu<br />

stützen, <strong>in</strong>dem amtsmüde Richter aufgemuntert wur<strong>den</strong>, von ihren<br />

Demissionsabsichten abzusehen. 58<br />

Den Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> sollte der Scha­<br />

<strong>den</strong>, der ihnen durch e<strong>in</strong>e lange Verwaisung <strong>des</strong> Richteramtes ent­<br />

stan<strong>den</strong> war, erspart wer<strong>den</strong>. 59<br />

Zum Sturz der Landammannverfas­<br />

sung mag auch beigetragen haben, dass sich die Nachbarschaften<br />

über die ursprüngliche Aufgabe <strong>in</strong>nerhalb der Gerichtsgeme<strong>in</strong>de<br />

h<strong>in</strong>aus entwickelt hatten: 60<br />

<strong>in</strong> der oberen Landschaft schlug die<br />

Nachbarschaft <strong>den</strong> Richter vor und nicht das Gericht. Wie weit die<br />

Streitigkeiten der e<strong>in</strong>zelnen Nachbarschaften unter sich deren Selb­<br />

ständigkeit förderten und sie dadurch, gewiss ungewollt, beitrugen,<br />

die alten E<strong>in</strong>richtungen zu unterhöhlen, ist schwer festzustellen. 61<br />

51. LRA. AR. Fasz. XXII, 23 Matr. 4, Streit wegen Mahlzeiten und Unkosten,<br />

21. Dez. 1794: HK. Wien L 2 — 3, 3 Streit um die Richterbestellung.<br />

24. Dez. 1799; LRA. AR. Fasz. XXII 23 Matr. 1, Streit mit Richter Kieber!<br />

mehrere Akten.<br />

52. 1. c, mehrere Akten.<br />

53. 1. c, Richter Kieber opponierte gegen die Richter.<br />

54. 1. c, Klage <strong>des</strong> Gerichtes der Herrschaft Schellenberg an <strong>den</strong> Fürsten,<br />

die Antwort darauf, 20. April 1800.<br />

55. 1. c, Matr. 1, Schreiben Menz<strong>in</strong>gers, 17. Aug. 1801.<br />

56. Büchel, Eschen, 47; Menz<strong>in</strong>ger, 34 f.<br />

57. HK. Wien L 2 — 3, 3, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 31. Jan. 1807. Menz<strong>in</strong>ger schrieb<br />

an die Hofkanzlei, dass die Nachbarschaft Schellenberg ausseror<strong>den</strong>tlich<br />

gelitten habe, da sie ke<strong>in</strong>en Richter hatte.<br />

58. 1. c, Schreiben Menz<strong>in</strong>gers, 21. Juli 1806.<br />

59. 1. c, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 31. Jan. 1807.<br />

60. 1. c, <strong>des</strong>gleichen, 24. Dez. 1799.<br />

61. Vgl. Heibert, 96, 120 f.; Regesten GM., 162 f.; Liechtenst. Regesten, 137 ff.<br />

3*


- 38 -<br />

Dazu kam noch e<strong>in</strong> Weiteres: <strong>Die</strong> Normen, nach <strong>den</strong>en die<br />

Volksvertreter ihre Amtshandlungen vornahmen, enthielt der Lands-<br />

braueh. 62<br />

Mann kann ihn als Zusammenfassung alter, lokaler Ge­<br />

wohnheitsrechte bezeichnen. Er war <strong>in</strong> mancher H<strong>in</strong>sicht veraltet<br />

und etwelche Unklarheiten <strong>in</strong> ihm verursachten kostspielige Pro­<br />

zesse, sodass sich die fürstlichen Beamten über missbräuchliche Deu­<br />

tung <strong>des</strong> Landsibrauches beklagten. 63<br />

Es ist jedoch unrichtig, die Festlichkeiten, die im Zusammen­<br />

hang mit <strong>den</strong> Wahlen und Gerichtssitzungen der Volksbehör<strong>den</strong><br />

stan<strong>den</strong>, als Grund für die Ausrottung der alten Gewohnheiten zu<br />

bezeichnen. 64<br />

Gerne wer<strong>den</strong> Misstände, gerade was diese Zeit be­<br />

trifft, um <strong>den</strong> Aufbruch <strong>des</strong> Neuen zu rechtfertigen, mit e<strong>in</strong>em Ge­<br />

fühl von Befriedigung wie e<strong>in</strong> bunter Teppich ausgebreitet. Aber<br />

die tiefsten Gründe, die zu e<strong>in</strong>em Abs<strong>in</strong>ken der alten E<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> massgebend beitrugen, liegen zum Teil weit zurück<br />

und nicht bloss <strong>in</strong> <strong>den</strong> erwähnten Mängeln. Ob die Misstände nicht<br />

vielmehr Auswirkungen e<strong>in</strong>er viel tieferen Ursache s<strong>in</strong>d? Man<br />

könnte an die Aushöhlung der alten Verfassung durch <strong>den</strong> Abso­<br />

lutismus <strong>den</strong>ken, 65<br />

der nur noch die alte Form, <strong>in</strong> der die Volks­<br />

rechte gelegen waren, zurückliess. Schon bei e<strong>in</strong>em Vergleich <strong>des</strong><br />

Inhaltsverzeichnisses e<strong>in</strong>es vorabsolutistischen Landsbrauches 66<br />

dem Landsbrauch vom Jahre 1794 67<br />

mit<br />

erkennen wir die grosse Lücke:<br />

Beim Landsbrauch von 1794 fehlt das Malefizgericht. <strong>Die</strong> tiefen<br />

E<strong>in</strong>griffe <strong>des</strong> Absolutismus <strong>in</strong> die Landammanuverfassung legten ihr<br />

e<strong>in</strong>en, tödlichen Keim <strong>in</strong>s Mark. Der kräftigste Anstoss zum Um­<br />

sturz musste von aussen kommen. <strong>Die</strong> französische Invasion steht<br />

an erster Stelle.<br />

62. Schädler, Rechtsgewohnheiten, 39 ff.<br />

63. LRA. AR. Fasz. I Matr. 13, Schreiben Menz<strong>in</strong>gers, 19. Dez. 1801.<br />

64. Vgl. In der Maur, Johann, 176 f.; In der Maur stütze sich ganz auf die<br />

Darlegungen <strong>des</strong> Landvogtes Schuppler, besonders anf <strong>den</strong> Bericht Schupplers<br />

vom 27. Juli 1809. LRA. SR. Fasz. L 3, 346/pol.<br />

65. Vgl. Liechtenst. Regesten, 133 f.; Feger, 96 f.<br />

66. Ehemaliges Exemplar <strong>des</strong> Pfarrarchives Bendern (1682).<br />

67. Schädler, Rechtsgewohnheiten, 43; Landsbrauch, 1794, Nr. 10/28 ff.; Orig<strong>in</strong>al,<br />

LRA.


- 39 —<br />

<strong>Die</strong> unendliche Fülle der Ereignisse um 1800 lässt sich mit we­<br />

nigen Begriffen umreissen: <strong>Die</strong> Revohitionsjahre und der E<strong>in</strong>bruch<br />

der französischen Streitkräfte <strong>in</strong> Mitteleuropa. Das Fürstentum<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> litt unter <strong>den</strong> Geschehnissen ausseror<strong>den</strong>tlich: Auf­<br />

gebote, 08<br />

Besetzungen, Plünderungen, Gefechte und alles, was mit<br />

militärischen Invasionen von Revolutionsheeren zusammenhängt,<br />

zehrten an <strong>den</strong> wirtschaftlichen Kräften <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> und halfen mit,<br />

die alten E<strong>in</strong>richtungen aufzulösen. <strong>Die</strong> unmittelbare Folge der<br />

französischen Invasion war e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Tiefstand, der <strong>den</strong><br />

entschlossenen Zugriff der Obrigkeit und die Abschaffung der alten<br />

E<strong>in</strong>richtungen rechtfertigte. 69<br />

<strong>Die</strong> Kriegsschä<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Jahren 1794<br />

bis 1802 sollen fast e<strong>in</strong>e Mallion Gul<strong>den</strong> betragen haben; 70<br />

die Bilanz<br />

<strong>des</strong> fürstlichen Rentamtes schloss <strong>in</strong> diesen Jahren stets mit e<strong>in</strong>em<br />

Defizit ab. 71<br />

Doch übte die Besetzung <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> durch französische<br />

Truppen im Jahre 1799 ke<strong>in</strong>en nachweisbaren E<strong>in</strong>fluss auf die Ge­<br />

staltung der <strong>politische</strong>n Verhältnisse im Fürstentum aus. Durch<br />

diese Geschehnisse aber wur<strong>den</strong> revolutionäre Ideen bis an die<br />

Grenzen <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> getragen. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> ist zu kle<strong>in</strong>, als<br />

dass es auf lange Zeit h<strong>in</strong> ausländischen E<strong>in</strong>flüssen widerstehen<br />

könnte. Auch wenn sich die Bewohner <strong>des</strong> damaligen <strong>Fürstentums</strong><br />

ke<strong>in</strong>eswegs revolutionären Ideen erschlossen, so hörte man doch im<br />

Fürstentum von Umwälzungen, man sah <strong>den</strong> Verlauf der D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong><br />

der schweizerischen Nachbarschaft, was als psychologische Vorbe­<br />

reitung zu ähnlichen Ereignissen im Fürstentum nicht unterschätzt<br />

wer<strong>den</strong> darf. Im Jahre 1795 forderten die liechtenste<strong>in</strong>ischen Un­<br />

tertanen die Befreiung vom Novalzehnten <strong>des</strong> Abtes von Bendern; 72<br />

<strong>den</strong>n das zauberische Wort «Freiheit» war <strong>in</strong> aller Leute Mund. Der<br />

68. KB. 538.<br />

69. DI. 203 ff.<br />

70. KB. 558.<br />

71. LRA. Rentamtsrechnung 1803. <strong>Die</strong> Rechnungen <strong>des</strong> Rentamtes schlössen<br />

vor der Ankunft Schupplers gewöhnlich mit e<strong>in</strong>em Defizit von e<strong>in</strong>igen<br />

tausend fl. ab; z. B. betrugen 1803 die E<strong>in</strong>nahmen 10'266 fl. 52 kr., die<br />

Ausgaben 13'333 fl. 5 kr.<br />

72. HK. Wien L 2 — 1, 9, Schreiben <strong>des</strong> Fürsten an <strong>den</strong> Abt von Bendern.<br />

3. Juli 1795. Der Fürst versicherte dem Abt entgegen dem Wunsch der<br />

Untertanen die Beibehaltung <strong>des</strong> Novalzehnten.


- 40 —<br />

liechtenste<strong>in</strong>ische Clirunist Helbert nannte zwar diese Freiheit <strong>den</strong><br />

französischen «Freiheitsteufel». 73<br />

Um 1809 musste Schuppler <strong>den</strong><br />

fürstlichen Untertanen zurufen: «Ihr seid ke<strong>in</strong>e Republikaner . .»' 4<br />

Unruhe und Angst überfluteten schon 1794 die Lan<strong>des</strong>grenzen. 75<br />

Aufgelbote Hessen die E<strong>in</strong>wohner nicht zur Ruhe kommen. 76<br />

Aufzeichnung der waffenfähigen Mannschaft brachte die Leute <strong>in</strong><br />

hellen Aufruhr. Den Geschworenen, <strong>den</strong>en die Aufzeichnung über­<br />

tragen wor<strong>den</strong> war, drohte man nachts mit Mord und Brand, und sie<br />

schrieben ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Mann auf. Schliesslich reisten die Land­<br />

ammänner nach Ulm, um sich dort zu entschuldigen. 77<br />

<strong>Die</strong><br />

E<strong>in</strong> neueä<br />

Aufgebot an Mannschaft g<strong>in</strong>g nach ihrer Rückkunft ab. <strong>Die</strong> Unruhe<br />

wuchs. Bald fürchtete sich das Oberamt vor se<strong>in</strong>en eigenen Unter­<br />

tanen, 78<br />

bald wur<strong>den</strong> Verteidigungspläne geschmiedet; wie Wechsel­<br />

fieber löste kalte Angst heisse Hoffnung ab. Der Landvogt floh vor<br />

<strong>den</strong> heranrücken<strong>den</strong> Franzosen <strong>in</strong> die Schweiz. 79<br />

Endlich brachte<br />

der Friede von Campo Formio (1797) e<strong>in</strong>e Entspannung der Lage.<br />

In<strong>des</strong>sen besetzten die" Franzosen die Schweiz, und im nahen Wer­<br />

<strong>den</strong>berg und Grabs wur<strong>den</strong> 1798 Freiheitsbäume errichtet. 80<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> aber zogen kaiserliche Soldaten e<strong>in</strong>.<br />

los. 81<br />

<strong>Die</strong> Verhandlungen der Grossen <strong>in</strong> Rastatt verliefen ergebnis­<br />

Das Fürstentum geriet im zweiten Koalitionskrieg (1799 —<br />

1802) <strong>in</strong> das Operationsgebiet der Armeen: Massena rückte <strong>in</strong> der<br />

Nacht vom 5. auf <strong>den</strong> 6. März 1799 <strong>in</strong> Trübbach e<strong>in</strong>; 82<br />

gen die Franzosen bei Balzers e<strong>in</strong>e Brücke. 83<br />

In<br />

am 6. schlu­<br />

E<strong>in</strong>e zweite Kolonne<br />

französischer Streitkräfte stiess bei Bendern über <strong>den</strong> Rhe<strong>in</strong> und<br />

73. Helbert, 96.<br />

74. Proklamation, 211.<br />

75. Büchel, Triesen, 87.<br />

76. Helbert, 94 f.<br />

77. 1. c. 95; KB. 540 f.<br />

78. HK. Wien L 2 — 3, 17, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 5. Juni 1796.<br />

79. Helbert, 98.<br />

80. 1. c, 101.<br />

81. Hantsch II, 268 ff.<br />

82. Strickler III, 1312.<br />

83. Büchel, Triesen, 88. Der Chronist Pfarrer Schmidt von Triesen setzte die<br />

Uberquerung <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>es durch die Franzosen falscherweise auf <strong>den</strong> 7.<br />

März fest.


plünderte die Statthalterei, 84<br />

- 41 -<br />

zur gleichen Zeit überquerte, e<strong>in</strong>e dritte<br />

Abteilung <strong>den</strong> Rhe<strong>in</strong> im Rücken der Feste Luzieusteig. Damit fiel<br />

die Feste <strong>in</strong> die Hände der Franzosen. Oud<strong>in</strong>ot griff darauf Feld­<br />

kirch an. <strong>Die</strong> Franzosen wur<strong>den</strong> aber geworfen: E<strong>in</strong>en zweiten gross-<br />

angelegten Angriff Massenas auf Feldkirch schlugen die Österreicher<br />

wiederum blutig zurück. 85<br />

<strong>Die</strong> Herrschaft der Franzosen hatte 1799 volle 18 Tage gedau­<br />

ert. Als sie abzogen, folgten ihnen die Kaiserlichen auf dem Fuss.<br />

<strong>Die</strong> Dörfer der Herrschaft Schellenberg hatten alle, ausser Ruggell,<br />

schwer gelitten. 86<br />

<strong>Die</strong> neue Besetzung wirkte wenig erleichternd:<br />

die Luziensteig sollte unter Hotzes Führung <strong>den</strong> Franzosen abge­<br />

rungen wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong> erster Angriff der Österreicher misslang, wäh­<br />

rend e<strong>in</strong> zweiter Sturm, trotz energischer Vorkehrungen Massenas, 87<br />

erfolgreich verlief. Damit wur<strong>den</strong> die Franzosen gezwungen, über<br />

Wallenstadt und das Toggenburg nach Zürich zurückzuweichen. Hun­<br />

gernde Russen durchzogen das Land und stahlen Lebensmittel,<br />

Früchte und Kleider. Im Fürstentum selbst lagen die Kaiserlichen.<br />

Um 1800 zogen durch <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> abermals Armeen, <strong>in</strong> der<br />

Nacht auf <strong>den</strong> 13. Juli 1800 rückten die Franzosen über <strong>den</strong> Rhe<strong>in</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Österreicher flohen. 88<br />

Der Friede von Luneville (9. Febr. 1801)<br />

brachte wieder Ruhe. Es war e<strong>in</strong>e unheimliche. Stille, so, wie sie<br />

Katastrophen vorangeht. Bald traf e<strong>in</strong> <strong>politische</strong>r Entschluss Napo­<br />

leons von europäischer Bedeutung auch das Fürstentum und be­<br />

stimmte gewaltvoll se<strong>in</strong> weiteres Schicksal.<br />

<strong>Die</strong> Ohnmacht <strong>des</strong> deutschen Reiches trat nach 1800 deutlich<br />

zutage, sodass die Niederlage Österreichs bei Austerlitz folgenschwer<br />

wurde. 89<br />

Durch <strong>den</strong> Frie<strong>den</strong> von Pressburg (26. Dez. 1805) erlitt<br />

Österreich ungeheure Verluste. 90<br />

84. Büchel, Bendern, 69 f.<br />

Im Jahre 1805 eigneten sich Bay-<br />

85. KB. 551; P. Stapfer, Der Franzosene<strong>in</strong>fall von 1799, Meran 1887; Jos. v.<br />

Bitschnau, Darstellung der französischen Kriege von 1796 — 1805, Bregenz<br />

1807.<br />

86. Helbert, 106.<br />

87. Büchel, Triesen 261 f.; KB. 548 ff.<br />

88. Helbert, 111 ff.<br />

89. Bitterauf, 257 ff.; Treitschke, 225 ff.<br />

90. Hantsch II, 279.


- 42 -<br />

ern, Württemberg und Ba<strong>den</strong>, jeglichem Reichsrechte Hahn spre­<br />

chend, die Souveränität an. 91<br />

Napoleon fand <strong>in</strong> Deutschland zur Ver­<br />

wirklichung se<strong>in</strong>er Pläne bereitwillige Helfer, an deren Spitze Karl<br />

Th. Dalberg. 92<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n <strong>des</strong> Jahres 1806 verbreitete sich die Mel­<br />

dung, e<strong>in</strong>e neue Mediatisierung sei im Wer<strong>den</strong>; die Gesandten vieler<br />

deutscher Fürsten eilten nach Paris, wo sie <strong>in</strong> aller Deutlichkeit ihre<br />

hilflose Lage erfahren mussten. 93<br />

Ohne dass sich Napoleon auf nä­<br />

here Verhandlungen e<strong>in</strong>gelassen hätte, mussten die Gesandten e<strong>in</strong>er<br />

Anzahl deutscher Fürsten auf das Datum vom 12. Juli 1806 die<br />

ihnen vorgelegten Rhe<strong>in</strong>hundakte unterzeichnen, und viele der Ge­<br />

sandten, die <strong>den</strong> Vertrag unterschrieben, konnten ihn vorher nicht<br />

e<strong>in</strong>mal lesen, 94<br />

sondern mussten sich mit e<strong>in</strong>er summarischen Auf­<br />

klärung zufrie<strong>den</strong> geben. Damit war der Rhe<strong>in</strong>bund geschaffen.<br />

Artikel 11 der Rhe<strong>in</strong>bundakte sah e<strong>in</strong> Fundamentalstatut vor; 95<br />

trotz der Bemühungen Dalbergs um dieses Dokument, berücksich­<br />

tigte der mächtige Protektor <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong>, wie sich Napoleon<br />

nannte, diesen Artikel der Rhe<strong>in</strong>buudakte nicht. 96<br />

<strong>Die</strong> vagen und<br />

<strong>den</strong> Stempel der Eilfertigkeit tragen<strong>den</strong> Rhe<strong>in</strong>bundakte mussten<br />

genügen: Napoleons Verfügungsgewalt <strong>in</strong>nerhalb der «Föderation <strong>des</strong><br />

Souvera<strong>in</strong>s du Rh<strong>in</strong>» 9<br />

' war damit nur weniger umrissen und dehn­<br />

bar. 98<br />

In e<strong>in</strong>er Note vom ersten August 1806 sagten sich die Rhe<strong>in</strong>-<br />

buudfiirsten <strong>in</strong> aller Form vom Reichsverbande los. 99<br />

Das Reich<br />

wurde zur blossen Farce, und am 6. August legte Kaiser Franz die<br />

Kaiserkrone <strong>des</strong> alten deutschen Reiches nieder. 100<br />

91. Zachariä. 150 f.<br />

92. Bitterauf, 259 f.; Bastgen. besonders 153 und 241 ff.; Perthes, 355 ff.:<br />

Schröder, 981 ff.<br />

93.. Treitschke, 231 ff. '<br />

94. Bitterauf. 397: vgl. Beck, 4 ff.; Le Für, 92.<br />

95. Altmanu, 2 f.; Bastgen, 263 ff.<br />

96. 1. r.. 266 ff.; Beck. 23 ff.<br />

97. Bitterauf, 379.<br />

98. Kon föderationsakte. 109 f.. Schreiben Napoleons an <strong>den</strong> Fürstprimas <strong>des</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> vom 11. Sept. 1806; zur Bedeutung <strong>des</strong> Protektors; Correspoiidance,<br />

Tome XIII, 83 f.<br />

99. Bitlerauf, 408 ff.; Konföderationsakte. 34 ff. Urkunde. Schmitz Grollenbürg,<br />

der spätere Gesandte <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s beim Rhe<strong>in</strong>bund, unterzeichnete<br />

diese Erklärung für Hohenzollern-Hech<strong>in</strong>gen und das Gesamthaus Hohen-<br />

'/ollem.<br />

100. W<strong>in</strong>kopp, Heft I, 44 ff.; Treitschke, 235; Beck, 8.


43 -<br />

<strong>Die</strong>se Vorgange, fern der Grenzen <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s, wur<strong>den</strong> fü?<br />

das Fürstentum von grosser Bedeutung. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> befand sich<br />

ohne eigenes Zutun, zu se<strong>in</strong>er eigenen Überraschung, unter <strong>den</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>bundstaaten. Das deutsche Reich, dem <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> als Mit­<br />

glied <strong>des</strong> schwäbischen Bun<strong>des</strong> angehört halte, bestand nicht mehr.<br />

<strong>Die</strong> alte Verfassung schien aufs äussersle gefährdet. Es gab ke<strong>in</strong>en<br />

Schutz <strong>des</strong> Reiches mehr. Das Land wurde <strong>in</strong> <strong>den</strong> Wirbel <strong>des</strong><br />

Weltgeschehens h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gerissen.<br />

2. Vorbereitungen zum Umsturz<br />

<strong>Die</strong> Pflichten, die mit der Zugehörigkeit <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s zum<br />

Rhe<strong>in</strong>bund zusammenh<strong>in</strong>gen, bed<strong>in</strong>gten die Abschaffung der alten<br />

Verfassung. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> musste für Napoleon e<strong>in</strong> Kont<strong>in</strong>gent von<br />

40 Mann stellen. 101<br />

welches nach der üblichen Berechnung für die<br />

E<strong>in</strong>wohnerzahl <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s viel zu hoch war: <strong>den</strong>n das Fürsten­<br />

tum zählte nicht 6050 Seelen, 102<br />

sondern bloss 5002. ,(w<br />

wie damals angenommen wurde,<br />

So kam es, das« <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>, da auf 155<br />

E<strong>in</strong>wohner e<strong>in</strong> Mann gestellt wer<strong>den</strong> musste, 104<br />

etwa acht Soldaten<br />

zuviel unterhielt. <strong>Die</strong> Auslagen für das Kont<strong>in</strong>gent erforderten e<strong>in</strong>e<br />

stärkere Inanspruchnahme der Steuerkraft und die Zentralisierung<br />

der Verwaltung, damit kam der Ste<strong>in</strong> <strong>in</strong>s Rollen: Hofrat Georg<br />

Hauer <strong>in</strong>spizierte das Fürstentum, der alte Landvogt wurde entlassen.<br />

Schuppler kam, ihm wur<strong>den</strong> <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>strnktionen erteilt, die das alte<br />

Herkommen völlig beseitigten.<br />

An der Spitze der Verwaltung aller fürstlichen Güter stan<strong>den</strong><br />

<strong>in</strong> der Hofkanzlei <strong>des</strong> Fürsten <strong>in</strong> Wien zwei junge Hofräte namens<br />

Walberg und Georg Hauer. 1<br />

" 3<br />

Sie waren überzeugt, dass im Fürsten­<br />

tuni die Verfassung e<strong>in</strong>er durchgreifen<strong>den</strong> Reform bedürfe: <strong>des</strong>halb<br />

wurde Georg Hauer vom Fürsten beauftragt, die Verhältnisse <strong>in</strong><br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> zu untersuchen und wirksame Vorschläge zur Reform<br />

101. LRA. SR. Fasz. C 1. Hofkanzlei an das Oberamt. 21. Okt. 1806.<br />

102. W<strong>in</strong>kopp, Heft 7, 95.<br />

103. W<strong>in</strong>kopp, Heft 4—6, 412; Pölitz, 381 f.<br />

104. W<strong>in</strong>kopp, Heft 7. 95.<br />

105. Falke, 331.


zu unterbreiten. 106<br />

— 44 —<br />

Hauer war mit scharfem Verstand begabt, phar.<br />

tasiereich und e<strong>in</strong> guter Rechner, <strong>in</strong> absolutistischen Anschauungen<br />

ganz befangen, stand er unter dem E<strong>in</strong>fluss josef<strong>in</strong>ischer Ideen. <strong>Die</strong><br />

Inspektionsreise <strong>des</strong> fürstlichen Hofrates, welche er anlässlich e<strong>in</strong>er<br />

Schweizerreise unternahm, sollte für <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> von entschei<strong>den</strong>­<br />

der Bedeutung wer<strong>den</strong>. 107<br />

Hofrat Georg Hauer leitete die gesamte<br />

Ökonomie <strong>des</strong> fürstlichen Besitzes, und es ist <strong>des</strong>halb verständlich,<br />

dass er aus dem mit stetem Defizit für die fürstliche Rentkasse<br />

arbeiten<strong>den</strong> Fürstentum 108<br />

aufzuholen und die E<strong>in</strong>künfte zu erhöhen. 109<br />

alles herausholen wollte, um Rückstände<br />

Aus doktr<strong>in</strong>ärer Auf­<br />

fassung heraus wollte der Hofrat gestalten, was praktisch später<br />

unter grossen Opfern <strong>des</strong> Volkes vollzogen wurde.<br />

Am 19. Juni 1808 traf Georg Hauer über Ulm kommend im<br />

Fürstentum e<strong>in</strong>. Von ökonomischen Gesichtspunkten aus begann<br />

er mit ausländischer Überlegenheit se<strong>in</strong>e Untersuchungen und über­<br />

dachte von <strong>den</strong> fürstlichen We<strong>in</strong>kellerungen an bis zu <strong>den</strong> kirch­<br />

lichen Verhältnissen alles. <strong>Die</strong> Lage der D<strong>in</strong>ge im "Fürstentum fand<br />

er unvorstellbar primitiv: «Wenn der Schöpfer seyn Schöpfungs­<br />

werk vollendet und die ersten Menschen zur Kultur <strong>des</strong> Bo<strong>den</strong>s an­<br />

gesetzt hätte, so könnte -man nicht weiter zurück «e<strong>in</strong>.» Schuld an<br />

diesen unmittelbar nachparadisischen Zustän<strong>den</strong> waren nach der<br />

Me<strong>in</strong>ung <strong>des</strong> Inspektors die alte Verfassung und die untätigen fürst­<br />

lichen Beamten. Mit scharfem Blick erkannte der stolze Inspektor<br />

<strong>den</strong> Mangel an Berufstätigen und das heillose Klebenbleiben am<br />

Stückchen Bo<strong>den</strong>, der <strong>in</strong> endloser Kette durch Erbschaft weiter auf­<br />

geteilt wurde, sodass die Grundstücke m<strong>in</strong>uziöse Formen annahmen;<br />

es gab «Bäume, die 29 Inhaber haben», und der Hofrat fügte spot­<br />

tend h<strong>in</strong>zu, wenn die Besitzer «sterben, so wer<strong>den</strong> bei zahlreichen<br />

Familien so viele Theilnehmer anwachsen, als Blätter am Baum<br />

1 1 0<br />

s<strong>in</strong>d».<br />

<strong>Die</strong> teilweise sehr nützlichen und weitscbauen<strong>den</strong> Vor-<br />

106. BH. HK. Wien (1808) L 2 — 14, 41. <strong>Die</strong> Beobachtungen fasste Hauer <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em längeren Bericht zusammen, der wertvolle Angaben enthält.<br />

107. Vgl. KB. 567 ff.<br />

108. BH. HK. Wien (1808) L 2 — 14, 41. <strong>Die</strong> Guthaben <strong>des</strong> Fürsten <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong><br />

betrugen nach Hauers Angaben 104'000 fl.<br />

109. Tatsächlich steigerte der neue Landvogt die E<strong>in</strong>nahmen auf 7'000 fl.<br />

jährlich.<br />

110. BH. HK. Wien (1808) L 2 —14, 4li


—y 45 —<br />

schlage Hauers sahen die E<strong>in</strong>führung verschie<strong>den</strong>er neuer Gesetze<br />

vor. Im gleichen Atemzug sprach der Hof rat das To<strong>des</strong>urteil über die<br />

uralte Verfassung aus. Jedem geschichtlichen Wer<strong>den</strong> fremd, 111<br />

em­<br />

pfand er die Rechte <strong>des</strong> Volkes als erschlichene Privilegien und<br />

usurpierte Hoheitsrechte; er handelte nach e<strong>in</strong>em Gutachten für<br />

<strong>den</strong> souveränen Fürsten, wor<strong>in</strong> erklärt wurde: «Se<strong>in</strong>er Durchlaucht<br />

Wille ist das höchste Gesetz und von der Befolgung befreyt ke<strong>in</strong>e<br />

Macht.» 112<br />

Mitten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er eifrigen Arbeit wurde 'der Hofrat von e<strong>in</strong>em<br />

heftigen Fieber überfallen, das se<strong>in</strong>e kritische Stimmung noch stei­<br />

gerte. Er wetterte über kirchliche Verhältnisse. 113<br />

Das Fieber stellte<br />

<strong>den</strong> Kranken auf harte Probe, und vor allem entbehrte er <strong>des</strong> —<br />

Kaffees: «Wenn ich doch Kaffee tr<strong>in</strong>ken dürfte», schrieb er, «so<br />

wäre es doch das, wodurch das Leben gestärkt wer<strong>den</strong> könnte, aber<br />

der Zucker sieht wie mit Ochsenblut Übergossen aus, ist sauer statt<br />

süss. Dass ich doch bald werde fortkommen können . . !» In Un­<br />

mut und Eile beendigte der Hofrat nach se<strong>in</strong>er Genesung die Arbeit<br />

und reiste <strong>in</strong> die Schweiz weiter. Se<strong>in</strong>e Vorschläge entwickelten sich<br />

recht bald. <strong>Die</strong> Folgen waren absehbar.<br />

Das Urteil <strong>des</strong> Inspektors über <strong>den</strong> alten Landvogt war so ver­<br />

nichtend, dass mit se<strong>in</strong>er Pensionierung gerechnet wer<strong>den</strong> musste.<br />

Franz Xaver Menz<strong>in</strong>ger war am 1. Juni 1740 zu Möskirch als Sohn<br />

e<strong>in</strong>es Kastenvogtes geboren und kam 1788 als Landvogt nach Liech­<br />

tenste<strong>in</strong>.<br />

1 1 4<br />

Er galt als e<strong>in</strong> Mann konzilianten S<strong>in</strong>nes, war etwas von<br />

sich e<strong>in</strong>genommen, aber hilfsbereit, langmütig und verständnisvoll. 115<br />

Während der Franzosenkriege hatte er sich als guter und verdienst­<br />

voller Unterhändler erwiesen. 116<br />

Auch kannte er die alten Urkun<strong>den</strong><br />

111. HK. Wien L 2 — 14, 32, Note, 26. Nov. 1804. Um 1804 erklärte e<strong>in</strong> Ratgeber<br />

<strong>des</strong> Fürsten, dass die Reform «ohne vorläufige Lokalkenntnisse<br />

durchgeführt wer<strong>den</strong> könne.»<br />

112. 1. e., L 2 —4, 1, Gutachten, 18. Nov. 1806.<br />

113. <strong>Die</strong> meisten Ausführungen Hauers über dieses Thema s<strong>in</strong>d wenig respektvoll.<br />

114. Tschugmell, 52, datiert <strong>den</strong> Amtsantritt Menz<strong>in</strong>gers auf 1788; KB. 588 auf<br />

1797; Menz<strong>in</strong>ger, 33; vgl. Büchel, Schaan, 80.<br />

115. Kaiser, 500. Kaiser nennt Menz<strong>in</strong>ger e<strong>in</strong>en ebenso «kennlnisvollen als gerechten<br />

Beamten.»<br />

116. Büchel, Schaan, 60.


— 46 —<br />

sehr gut, und um da« Archiv erwarb er sich grosse Verdienste, <strong>in</strong>dem<br />

er die von <strong>den</strong> Franzosen anlässlich der Plünderung <strong>des</strong> Schlosses<br />

Vaduz über die Felsen h<strong>in</strong>untergeworfenen Urkun<strong>den</strong> wieder sam­<br />

meln und registrieren Hess. 117<br />

Ebenso müssen dem Landvogt um das<br />

Schulwesen grosse Verdienste zugesprochen wer<strong>den</strong>.<br />

Als 1805 der alte Rentmeister Fritz gestorben war" 8<br />

und der<br />

cholerische Schmieth se<strong>in</strong> Nachfolger wurde, entstan<strong>den</strong> zwischen<br />

dem altern<strong>den</strong> Landvogt und dem ehrgeizigen, neuen Rentmeister<br />

endlose Streitereien. Von bei<strong>den</strong> Seiten g<strong>in</strong>gen erregte Klageschrei­<br />

ben nach Wien: «Er verfolgt mich . . » «Er verkauft Urkun<strong>den</strong>», 119<br />

klagte der Landvogt; er «erschwert und verzögert alles . . », be­<br />

hauptete der Rentmeister. Erst fand der Landvogt <strong>in</strong> Wien Gehör, 120<br />

und Rentmeister Schmieth wurde scharf zurechtgewiesen, ja man<br />

drohte ihm mit Entlassung. Aber Fürst Johann notierte <strong>in</strong> lako­<br />

nischer Kürze: «Bleyht 'bey dem Schmieth.» Schliesslich gewann<br />

der Rentmeister bei <strong>den</strong> Vorgesetzten <strong>in</strong> Wien die Oberhand, da er<br />

bemüht war, die Rückstände der fürstlichen Rentkasse e<strong>in</strong>zutreiben.<br />

In<strong>des</strong>sen musste der Landvogt Verweise wegen nachlässiger Amts­<br />

führung e<strong>in</strong>stecken. 121<br />

Der ungünstige Bericht Hauers über <strong>den</strong><br />

Landvogt führte zu <strong>des</strong>sen Entlassung. Menz<strong>in</strong>ger sei, wie se<strong>in</strong>e<br />

Gegner behaupteten, alternd <strong>in</strong> das Schlepptau e<strong>in</strong>iger Dorfmata-<br />

dore 122<br />

gekommen; er sei e<strong>in</strong> «alter, <strong>des</strong>criptiver, verdrüsslicher<br />

Mann» und im Vergleich mit <strong>den</strong> Beamten <strong>in</strong> Wien «e<strong>in</strong> Tiro».<br />

Ganz übel rechnete Hauer dem Landvogt an, dass er <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong><br />

nur als e<strong>in</strong> «Honorifikum» betrachtete, 123<br />

das dem Fürsten ke<strong>in</strong>en<br />

Gew<strong>in</strong>n br<strong>in</strong>gen müsse. So wurde Menz<strong>in</strong>ger am 1. Okt. 1808 durch<br />

e<strong>in</strong> vornehmes Schreiben <strong>des</strong> Fürsten <strong>in</strong> die Pension versetzt. 124<br />

117. Menz<strong>in</strong>ger, 34.<br />

118. HK. Wien. L 2 — 12. 13, Menz<strong>in</strong>ger an <strong>den</strong> Fürsten, 12. Aug. 1805.<br />

119. LRA. SR. Fasz. Z 1, Bericht Schupplers, 6. Jan. 1816. Schuppler nannte<br />

Schmieth e<strong>in</strong>en «gewissenlosen Beamten . . . ».<br />

120. HK. Wien L 2 —12, 13, Hofkanzlei an dasOberamt, 16. Okt. 1806.<br />

121. 1. c. L 2 — 14. 32. Hofkanzlei an Menz<strong>in</strong>ger. 31. März 1807; LRA. SR.<br />

Fasz. R 1, 28/pol.. <strong>des</strong>gleichen. 14. Sept. 1808.<br />

122. BH. HK. Wien (1808) L 2 — 14, 41. Geme<strong>in</strong>t ist damit der unfähige Arzt<br />

Grass mit se<strong>in</strong>en Anhängern.<br />

123. Vgl. Falke, 72 ff. Tatsächlich war früher <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> für <strong>den</strong> Fürsten<br />

mehr oder weniger e<strong>in</strong> «Honorifikum».<br />

124. LRA. SR. Fasz. B 3. 50/pol., Fürst an Menz<strong>in</strong>ger, I. Okt. 1808.


- 47 —<br />

Zweifellos wäre der alte Landvogt nach se<strong>in</strong>er 20jährigen <strong>Die</strong>nst­<br />

zeit <strong>den</strong> gesteigerten Anforderungen, die an se<strong>in</strong>en Nachfolger ge­<br />

stellt wur<strong>den</strong>, nicht mehr gewachsen gewesen. Im April <strong>des</strong> folgen­<br />

<strong>den</strong> Jahres starb er <strong>in</strong> Feldkirch im Alter von 69 Jahren. 125<br />

<strong>Die</strong> Hofkanzlei schlug dem Fürsten für die Stelle <strong>des</strong> Landvog­<br />

tes drei der tüchtigsten Beamten vor: Den Rabensberger Justitiar<br />

Höss,, 126<br />

kroner 128<br />

<strong>den</strong> Sternberger Justitiär Schmid, 127<br />

sowie <strong>den</strong> Lands-<br />

Rentmeister und Justitiär Josef Schuppler. Den letzten<br />

empfahlen die leiten<strong>den</strong> Hofkanzlisten ganz besonders, <strong>in</strong>dem sie<br />

se<strong>in</strong>e «Kenntnisse, Macht und Kraft» rühmten, und nach ihrer<br />

Me<strong>in</strong>ung war er der geeignetste Mann, die «schlummernde Bewerb-<br />

samkeit» <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> zu wecken. Fürst Johann setzte am 7.<br />

Sept. 1808 h<strong>in</strong>zu: «Mit allem e<strong>in</strong>verstan<strong>den</strong>.» 129<br />

Schuppler sträubte sich anfänglich gegen <strong>den</strong> fürstlichen Be­<br />

fehl, weil er nicht gerne so weit von der Heimat wegzog, aber am<br />

8. Nov. wurde er vereidigt. Mit etwas Verspätung traf der erst<br />

32jährige Böhme im Fürstentum <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> e<strong>in</strong>, 130<br />

um nach<br />

böhmisch-österreichischen Vorbildern die Befehle der Obrigkeit zu<br />

verwirklichen. 131<br />

Schuppler handelte gemäss <strong>den</strong> <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktio­<br />

nen und unter dem E<strong>in</strong>fluss spätabsolutistischer Ideen. 132<br />

Nach jose­<br />

f<strong>in</strong>ischen Pr<strong>in</strong>zipien musste er erbarmungslos e<strong>in</strong>e homogene Staats­<br />

e<strong>in</strong>heit erzw<strong>in</strong>gen. 133<br />

E<strong>in</strong> Rationalismus, der an Hobbes er<strong>in</strong>nert,<br />

Verständnislosigkeit für altes Herkommen, Überschätzung der Ver­<br />

nunft, e<strong>in</strong> unerbittliches Abwägen der D<strong>in</strong>ge auf ihre Nützlichkeit,<br />

aufdr<strong>in</strong>gliche Sorge um das re<strong>in</strong> Materielle 134<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Kriterien,<br />

die Schupplers geistige Haltung als josef<strong>in</strong>isch zu bezeichnet nrlau-<br />

125. Menz<strong>in</strong>ger, 35.<br />

126. Kratzet, 278 ff., Rabensberg liegt <strong>in</strong> Niederösterreich.<br />

127. 1. o.. 300 ff., Sternberg liegt <strong>in</strong> Mähren.<br />

128. 1. c, 247 ff. Das Gut Landskron liegt <strong>in</strong> Böhmen und kam 1588 <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Besitz derer von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>.<br />

129. HK. Wien L 2 — 14, 18, Vortrag der Hofkanzlei. 7. Sept. 1808.<br />

130. LRA. SR. Fasz. B 2, Reisekosten Schupplers.<br />

131. 1. r.. Fasz. L 6, Bericht Schupplers, um 1817. Vom Jahre 1809 ab wurde<br />

die Verfassung nach <strong>den</strong> Regierungs-Grnndsätzen der österreichischen<br />

Erbländer e<strong>in</strong>geführt.<br />

132. Vgl. Schnabel I, 158 f.<br />

133. BH. HK. Wien (1808) L 2 — 14, 41.<br />

134. Vgl. Hantsch II, 219 ff.


— 48 —<br />

ben. Auch verachtete er <strong>den</strong> Grossteil <strong>des</strong> Klerus <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>,<br />

•da die meisten Priester, so schrieb der Landvogt, «heuchlerische<br />

Idioten» seien, «die ihren Beruf mechanisch behandeln und die nicht<br />

1 3 5<br />

über die Grenzen ihrer S<strong>in</strong>ne h<strong>in</strong>aus gekommen s<strong>in</strong>d».<br />

Man darf<br />

jedoch aus diesem Ausspruch nicht etwa auf Religionslosigkeit <strong>des</strong><br />

Landvogtes schliessen; <strong>in</strong> <strong>den</strong> Augen Schupplers waren die Geist­<br />

lichen Beamte <strong>des</strong> Staates 136<br />

und <strong>des</strong>sen rechter Arm <strong>in</strong> der Bildung<br />

<strong>des</strong> dummen Volkes. In vielem aber muss die Nachwelt dem tätigen<br />

Landvogt recht geben. Durch se<strong>in</strong>e Bestrebungen Handel und Ge­<br />

werbe zu fördern, durch se<strong>in</strong>e Pläne zur Urbarisierung <strong>des</strong> Bo<strong>den</strong>s,<br />

durch die E<strong>in</strong>führung <strong>des</strong> Grundbuches und neuer Gesetze erwarb<br />

sich der Landvogt grosse Verdienste. 137<br />

Sonst kennzeichnen Tradi-<br />

tionslosigkeit und e<strong>in</strong>e fast totale Entrechtung <strong>des</strong> Volkes die erste<br />

Hälfte der Amtszeit Josef Schupplers. Der Landvogt war nur Voll­<br />

strecker fürstlicher Befehle und begegnete se<strong>in</strong>en Untergebenen mit<br />

Verachtung. Der <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>er sei e<strong>in</strong> Müssiggänger und huldige<br />

«ziegelloser Freiheit», <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Charakter sei er «s<strong>in</strong>nlich, falsch,<br />

eigennützig, streit- und zanksüchtig», <strong>in</strong> der Familie wie <strong>in</strong> der Ge­<br />

me<strong>in</strong>schaft «unverträglich, unsittlich, unmässig <strong>in</strong> Speis und Tränk»,<br />

se<strong>in</strong>'Äusseres sei «schmutzig, abgeschmackt, ungeschickt und bis<br />

zum Ekel schleppend»; 138<br />

nur die Sparsamkeit im Haushalt wusste<br />

der tschechische Sittenrichter zu loben, aber der Grund der Spar­<br />

samkeit sei nur die nackte Not. 139<br />

Alle diese Untugen<strong>den</strong> seien<br />

schwer auszurotten wegen der alten Gewohnheiten und der «benach­<br />

barten Schweiz, wo man ke<strong>in</strong>e Subord<strong>in</strong>ation gegen obrigkeitliche<br />

Beamte» kenne. Unter diesen Umstän<strong>den</strong> musste e<strong>in</strong>e Abneigung<br />

auch von Seiten <strong>des</strong> Volkes gegen <strong>den</strong> Landvogt entstehen: Schupp­<br />

ler war e<strong>in</strong>e Beamtenseele.<br />

135. LBS. LRA; (diese Stelle ist nicht veröffentlicht).<br />

136. LRA. SR. Fa6z. P 2, Aufschluss geben darüber die sehr schön kl<strong>in</strong>gen<strong>den</strong><br />

Re<strong>den</strong> <strong>des</strong> Landvogtes bei Pfarrer<strong>in</strong>stallationen.<br />

137. In der Maur, Johann, 170 ff. In der Mauer übersteigerte Schupplers<br />

Verdienste.<br />

138. LBS. Nr. 7/44.<br />

139. 1. c, Nr. 9/52.


— 49 —<br />

3. <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen vom 7. Oktober 1808.<br />

Im Fürstentum vermochten die Ereignisse seit dem Frie<strong>den</strong> von<br />

Pressburg (22. Dez. 1805) nur e<strong>in</strong>e gedrückte Stimmung zu erzeugen.<br />

Der alte Menz<strong>in</strong>ger schrieb an die Hofkanzlei <strong>in</strong> Wien von beunru­<br />

higen<strong>den</strong> Nachrichten, die zufolge <strong>des</strong> Frie<strong>den</strong>s von Pressburg im<br />

Fürstentum umg<strong>in</strong>gen. 140<br />

<strong>Die</strong> Geistlichkeit und die Geme<strong>in</strong>devor­<br />

steher sandten, von Angst erfüllt, e<strong>in</strong>e Huldigungsschrift an <strong>den</strong><br />

Fürsten <strong>in</strong> Wien, wor<strong>in</strong> sie «Gehorsam, Liebe und Untertänigkeit»<br />

feierlichst gelobten. Schlaglichtartig beleuchtet der kurzatmige Satz<br />

im genannten Schreiben die Stimmung der Bewohner: «Wir fürch­<br />

ten —- ahnen zwar — aber hoffen doch . . j» 141<br />

Fürst Johann be­<br />

ruhigte zwar se<strong>in</strong>e Untertanen und sprach die Hoffnung aus, dass<br />

die alten Gerechtsame unangetastet bleiben möchten.* 42<br />

In <strong>den</strong><br />

Kirchen wur<strong>den</strong> Gottesdienste gehalten, um aus dem «Wirrwar der<br />

Schicksale» gut herausgeführt zu wer<strong>den</strong>. 143<br />

Bei der Übernahme se<strong>in</strong>es Amtes erhielt der junge Landvogt<br />

Josef Schuppler ,von se<strong>in</strong>en Vorgesetzten genaueste <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struk­<br />

tionen, 144<br />

die sich zum grössten Teil auf <strong>den</strong> erwähnten Bericht<br />

Georg Hauers stützten. Durch Artikel 1 der Instruktionen wurde<br />

die Landammannverfassung und «derley hergebrachte Gewohnhei­<br />

ten» abgeschafft und zudem wur<strong>den</strong> Vorschläge zur wirtschaftlichen<br />

Reform unterbreitet, sowie H<strong>in</strong>weise zur Umgestaltung der politi­<br />

schen Verhältnisse gegeben.<br />

Bei e<strong>in</strong>gehender Betrachtung der <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen ergibt<br />

sich, dass das ganze Fürstentum als e<strong>in</strong> Objekt <strong>des</strong> obrigkeitlichen<br />

Willens angesehen wurde nach dem Grundsatz: Regis voluntas su-<br />

prema lex. 145<br />

<strong>Die</strong> staatliche Macht und das öffentliche Recht waren<br />

140. HK. Wien L 2 —14, 29, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 9. Januar 1806.<br />

141. 1. c, Huldigungsschreiben, 29. Juni'1806.<br />

142. Hirn, 12, 19. E<strong>in</strong>e überraschend gleichläutende Erklärung gab der bayrische<br />

König se<strong>in</strong>en neuen Untertanen im nahen Vorarlberg; HK. Wien L 2 — 12, ^<br />

30, Schreiben der Hofkanzlei, 12. Juni. 1806.<br />

143. LRA. AR. Fasz. I. Matr. 37, Schreiben e<strong>in</strong>iger Geistlichen an Menz<strong>in</strong>ger,<br />

10. Juli 1806; HK. Wien L 2 — 14, 30, Menz<strong>in</strong>ger an <strong>den</strong> Fürsten, 1. Juli<br />

1806.<br />

144. LRA. SR. Fasz. Gl, <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen, 7. Okt. 1808; teilweise abgedruckt,<br />

DI. 203 ff.<br />

145. HK. Wien L 2 — 14, 1, Gutachten, 18. Nov. 1806.


nun, wie schon Hobbes lehrte, 146<br />

— 50 —<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Fürsten verlegt wor<strong>den</strong>,<br />

während früher e<strong>in</strong> Dualismus von Rechten <strong>des</strong> Volkes und Rechten<br />

der Obrigkeit geherrscht hatte. 147<br />

Ziel: «Regularite methodique de l'edifice.» 148<br />

Nun hiess das erstrebenswerte<br />

Wie <strong>in</strong> andern Rhe<strong>in</strong>­<br />

hundstaaten die ständischen Freiheiten dah<strong>in</strong>fielen, 'so wurde <strong>in</strong><br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> die Landammannverfassung verworfen und e<strong>in</strong>e Liste<br />

von Souveränitätsrechten aufgestellt, 149<br />

trugen. 150<br />

die Züge <strong>des</strong> Absolutismus<br />

Der Rechtsanwalt <strong>des</strong> Fürsten, von Erstenberg, 151<br />

erklärte<br />

im Jahre 1806, dass dem Fürsten kraft der Souveränität ^unum­<br />

schränkte Regentengewalt» zukomme, es läge ganz <strong>in</strong> der Macht <strong>des</strong><br />

Fürsten, die bisherige Verfassung <strong>den</strong> «nunmehrigen Verhältnissen<br />

gemäss» umzuformen. 1<br />

' 12<br />

Es frägt sich, <strong>in</strong>wieweit man nach der Beseitigung <strong>des</strong> Lands­<br />

brauches im Jahre 1809 noch von e<strong>in</strong>er Verfassung im eigentlichen<br />

S<strong>in</strong>n <strong>des</strong> Wortes sprechen kann. Man musste die <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen<br />

als Verfassung bezeichnen, die nicht e<strong>in</strong>mal die Unterschrift <strong>des</strong><br />

Fürsten tragen; 153<br />

auch wurde das Schriftstück nicht veröffentlicht,<br />

sondern es galt lediglich als Leitfa<strong>den</strong> für <strong>den</strong> Landvogt zur Aus­<br />

arbeitung e<strong>in</strong>iger Gesetze. Somit besass <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> vom 1. Januar<br />

1809 ab bis zur E<strong>in</strong>führung der landständischen Verfassung vom<br />

9. Nov. 1818 154<br />

ke<strong>in</strong>e geschriebene Verfassung. <strong>Die</strong> Totalität <strong>des</strong><br />

Umsturzes Hess diesen Mangel im neuen Souveränen Fürstentum<br />

kaum zum Bewusstse<strong>in</strong> kommen.<br />

146. Jell<strong>in</strong>ek, 146.<br />

147. Vgl. Landsbrauch, 1794 Nr. 10728 ff.<br />

148. Vgl. Schnabel I, 151 f.<br />

149. Altmann, 6.<br />

150. Vgl. Jell<strong>in</strong>ek, 468 f.<br />

151. HK. Wien L 2 — 14, 31, Schreiben Erstenbergs, 9. Sept. 1806. Erstenberg<br />

nannte sich «Euer Durchlaucht Rechtsanwalt».<br />

152. HK. Wien L 2 —14, 1, Gutachten, 18. Nov. 1806.<br />

153. Schnabel II, 125. Schnabel bezeichnet die Verfassung als e<strong>in</strong> feierliches<br />

Gesetz.<br />

154. JB. (1905) 213 ff.


— 51 —<br />

III. Kapitel<br />

Das souveräne Fürstentum<br />

1. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> im Rhe<strong>in</strong>bund<br />

Das Verhältnis <strong>des</strong> Fürsten zu allen Ereignissen <strong>in</strong> Deutschland<br />

und <strong>in</strong> Paris, die im Zusammenhang mit dem Rhe<strong>in</strong>bund stan<strong>den</strong>,<br />

war höchst sonderbar. Wohl f<strong>in</strong><strong>den</strong> wir <strong>den</strong> Namen <strong>des</strong> Fürsten von<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> unter <strong>den</strong> <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>leitung der Rhe<strong>in</strong>bundakte 1<br />

mentlich genannten Souveräne; aber das Dokument trägt weder die<br />

Unterschrift <strong>des</strong> Fürsten noch die e<strong>in</strong>es bevollmächtigten Gesand­<br />

ten," 2<br />

1806. 3<br />

so auch die Erklärung der Rhe<strong>in</strong>bundfürsten vom 1. August<br />

Napoleon nahm <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> ohne Wissen Johanns I. <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>bund auf, was man als e<strong>in</strong>e besondere Gunst <strong>des</strong> französischen<br />

Kaisers gegenüber dem Fürsten von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> deuten darf. 4<br />

zumal Bayern heftig gegen e<strong>in</strong>e Aufnahme <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>bund opponierte. 5<br />

na­<br />

Napoleon wollte auf diese Weise <strong>den</strong> Für­<br />

sten für sich gew<strong>in</strong>nen, nachdem er ihn als österreichischen Bevoll­<br />

mächtigten <strong>in</strong> Unterbandlungen kennen und schätzen gelernt hatte. 0<br />

Auch suchte der französische Gesandte La Rochefoucauld gerade<br />

zur Zeit, als der Rhe<strong>in</strong>bund entstand, eifrig die Gesellschaft <strong>des</strong><br />

Fürsten von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> auf und versicherte ihn unermüdlich <strong>des</strong><br />

besonderen Wohlwollens Napoleons. Der französische Kaiser hätte<br />

<strong>den</strong> Fürsten am liebsten als Gesandten Österreichs <strong>in</strong> Paris gesehen. 7<br />

Fürst Johann wich <strong>den</strong> Vorschlägen <strong>in</strong> vornehmer, aber entschie­<br />

<strong>den</strong>er Weise aus. Diplomatisch erklärte Napoleon, dass er ke<strong>in</strong>em<br />

1. Altmann, 1.<br />

2. W<strong>in</strong>kopp, Heft 4—6, 408; Zacharia, 152 f., Anmerkung 10; Pölitz, 381.<br />

3. W<strong>in</strong>kopp, Heft 4—6, 408.<br />

4. Criste, 101 ff.<br />

5. Bitterauf, 392.<br />

6. Criste, 94 ff.<br />

7. 1. e., 101.


- 52 —<br />

Fürsten <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> grössere Rücksichten entgegenbr<strong>in</strong>ge als<br />

Johann <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>, und dass er ihn lieber unter se<strong>in</strong>en Generalen<br />

als unter se<strong>in</strong>en Fe<strong>in</strong><strong>den</strong> wissen wollte. 8<br />

tete d'alouette» nannte, 9<br />

Wenn er ihn e<strong>in</strong>mal «une<br />

so schätzte er doch se<strong>in</strong>e Tapferkeit sehr<br />

und sah <strong>in</strong> ihm e<strong>in</strong>en der wütendsten Gegner. 10<br />

Fürst Johann drückte<br />

se<strong>in</strong> Missfallen gegenüber dem Rhe<strong>in</strong>bund nicht nur durch die Ver­<br />

weigerung der Unterschrift unter die Erklärung vom 1. August 1806<br />

aus, sondern er machte noch Gebrauch von Artikel 7 der Rhe<strong>in</strong>­<br />

bundakte 11<br />

und übergab formell die Regierung <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> am<br />

27. Sept. 1806 se<strong>in</strong>em drei-Jahre alten Sohn Karl. 12<br />

<strong>Die</strong> fürstliche<br />

Hofkanzlei begründete diesen Schritt damit, dass der Fürst, der <strong>in</strong><br />

österreichisch-kaiserlichen Kriegsdiensten stehe, «die von <strong>des</strong> fran­<br />

zösischen Kaisers und Königs Majestät zugedachte Ehr nicht für<br />

se<strong>in</strong>e Person annehmen könne». 13<br />

Der genannte Artikel der Rhe<strong>in</strong>­<br />

1 4<br />

bundakte verbot überdies <strong>Die</strong>nste an andern Höfen.<br />

derte der Rücktritt wenig, 15<br />

Praktisch än­<br />

da «während der M<strong>in</strong>derjährigkeit<br />

dero Herrn Sohnes die Vormundschaft und Vertretung derselben»<br />

von Fürst Johann geführt wurde. 16<br />

Nach dem Zerfall <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>­<br />

bun<strong>des</strong> fiel die Vormundschaft dah<strong>in</strong>. Anderen gegenüber soll Jo­<br />

hann I. erklärt haben, er hätte se<strong>in</strong>en dreijährigen Sohn mit der<br />

Regentschaft betraut, weil dieser am spätesten dazukomme, die<br />

Waffen für Napoleon zu ergreifen. 17<br />

<strong>Die</strong> ganze Angelegenheit wurde<br />

von Talleyrand Napoleon unterbreitet, der das Gesuch genehmigte 18<br />

und zugleich befahl, alles dem Bun<strong>des</strong>tag <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> vorzu­<br />

legen; doch die Bun<strong>des</strong>versammlung trat nie zusammen, 19<br />

8. 1.- c, 102.<br />

9. Krones, 149, Anmerkung.<br />

10. Briefe Napoleons I. 3. Aufl., Stuttgart 1910, III, 26.<br />

11. Altmann, 2 f.<br />

12. Falke, 337; Criste, 102.<br />

13. LRA. SR. Fasz. C 1, Hofkanzlei an <strong>den</strong> Landvogt, 21. Okt. 1806.<br />

und es<br />

14. Altmann, 2, . . . «et ne pourront consequemment prendre du Service<br />

d'aucun genre ...»<br />

15. In der Maur, Johann,' 171.<br />

16. LRA. SR. Fasz. C 1, Hofkanzlei an <strong>den</strong> Landvogt, 21. Okt. 1806.<br />

17. Criste, 102 f.<br />

18. W<strong>in</strong>kopp, Heft 4 — 6, 411. «Sa Mayeste ne voit rien, qui ne soit conforme<br />

aux stipulations du traite de la confederation . . . », Note Bachers.<br />

. 19. Zachariä, 157, Anmerkung; Le Für, 93 ff.


- 53 -<br />

'blieb beim Entscheid Napoleons. <strong>Die</strong> Gunsterweisungen <strong>des</strong> franzö­<br />

sischen Kaisers gegenüber dem Fürsten von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>' erregten<br />

<strong>in</strong> Deutschland grosses Aufsehen. 20<br />

AHe<strong>in</strong> das Ansehen <strong>des</strong> Fürsten<br />

Johann <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> Hess das Land <strong>den</strong> Sturm der Mediatisierung<br />

überdauern.<br />

Zum Gesandten <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s beim Rhe<strong>in</strong>bund wurde Schmitz<br />

Grollenburg ernannt, 21<br />

der auf E<strong>in</strong>ladung <strong>des</strong> Fürstprimas <strong>des</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> dem Landvogt sogleich empfahl, die glorreichen Siege<br />

der französischen Heere <strong>in</strong> allen Kirchen durch e<strong>in</strong> Lobamt und<br />

Te Deum zu feiern, 22<br />

was am 12. Nov. 1806 <strong>in</strong> Vaduz geschah. 1<br />

''<br />

<strong>Die</strong> durch die Rhe<strong>in</strong>bundakte erlangte Souveränität 24<br />

wurde <strong>in</strong><br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> ohne Feier, <strong>in</strong> toter Stille und banger Erwartung <strong>des</strong><br />

Künftigen h<strong>in</strong>genommen, obwohl im Fürstentum e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uier­<br />

liche Entwicklung schon seit dem Absolutismus zur Souveränität<br />

h<strong>in</strong>geführt hätte.<br />

Dem Inhalt nach wur<strong>den</strong> die Souveränitätsrechte <strong>in</strong> <strong>den</strong> Rhe<strong>in</strong>­<br />

bundakten wie folgt umschrieben: 25<br />

ceux de legislation, 28<br />

de conscription militaire 29<br />

de Jurisdiction supreme,* 7<br />

«Les droits de ?o.tivera<strong>in</strong>ete sont<br />

de haute police, 28<br />

ou de recrutement et d'impot.» 30<br />

Im Vere<strong>in</strong> mit der Selbständigkeit wur<strong>den</strong> <strong>den</strong> Rhe<strong>in</strong>bund­<br />

fürsten auch Verpflichtungen gegenüber dem französischen Protek­<br />

tor auferlegt; 31<br />

<strong>den</strong>noch ist die ausschliessliche Fähigkeit rechtlicher<br />

Selbstbestimmung als e<strong>in</strong> Wesensmerkmal der Souveränität <strong>in</strong> jener<br />

20. Criste, 102.<br />

21. Vgl. W<strong>in</strong>kopp, Heft 1, 54.<br />

22. LRA. AR. Fasz. XVIII 18, Gesandter an <strong>den</strong> Landvogt, 6. Nov. 1806. <strong>Die</strong><br />

E<strong>in</strong>ladung g<strong>in</strong>g auf Napoleon zurück; vgl. Correspondance, Tome XIII, 540.<br />

23. Notiz im «Schwäbischen Merkur», 28. Nov. 1806, Exemplar im LRA.<br />

24. Altmann, 6; Jell<strong>in</strong>ek, 435 ff., 448, 481, 502 ff., über <strong>den</strong> Begriff der Souveränität;<br />

e<strong>in</strong>ige dem Rhe<strong>in</strong>band zugehörende Staaten wur<strong>den</strong> schon durch<br />

<strong>den</strong> Frie<strong>den</strong> von Pressburg souverän.'<br />

25. Altmann, 6.<br />

26. W<strong>in</strong>kopp, Heft 10, 71.<br />

27. 1. c, 72.<br />

28. 1. c, 73.<br />

29. 1. c, 73 f.<br />

30. 1. c, 74.<br />

31. Le Für, 95; Altmann, 8. <strong>Die</strong> Rhe<strong>in</strong>bundstaaten mussten im Kriegsfall<br />

63'0OÖ Mann stellen.<br />


- 54 —<br />

der Rhe<strong>in</strong>bundfürsten deutlich erkennbar. 32<br />

Laut <strong>den</strong> Bun<strong>des</strong>akten<br />

waren die Herrscher, wenigstens dem Buchstaben nach, von jeder<br />

frem<strong>den</strong> Macht völlig unabhängig. 33<br />

<strong>Die</strong> Souveränität erforderte<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt die Abschaffung der alten Verfassung, 34<br />

wohl aber<br />

verloren Gesetze und Institutionen, soweit sie nur mit dem alten<br />

Reiche <strong>in</strong> Zusammenhang stan<strong>den</strong>, 35<br />

ihre Gültigkeit. 36<br />

Von e<strong>in</strong>iger Bedeutung für das Fürstentum <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> wur­<br />

de der Verzichtartikel der Rhe<strong>in</strong>bundakte, weil danach jeder Souve­<br />

rän auf Jurisdiktions- und andere Hoheitsrechte im Gebiet e<strong>in</strong>es<br />

andern Staates verzichten musste. 37<br />

alte Steuervertrag mit Feldkirch dah<strong>in</strong>. 38<br />

So fiel für <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> der<br />

H<strong>in</strong>gegen blieben die Pa-<br />

tronatsrechte, die Zebntgerechtsame, nutzbare unwesentliche Rega­<br />

lien durch <strong>den</strong> Verzichtartikel unberührt; <strong>des</strong>gleichen wur<strong>den</strong> auch<br />

Schuldforderungen, Servitute und bewegliches Eigentum im Gebiete<br />

e<strong>in</strong>es andern Bun<strong>des</strong>fürsten nicht angetastet. 39<br />

dern, 40<br />

Demnach blieben das Patronatsrecht über die Pfarrei Ben­<br />

sowie die ehemaligen Besitzungen <strong>des</strong> Klosters St. Luzi samt<br />

<strong>den</strong> E<strong>in</strong>künften an Zehnten 41<br />

32. Vgl. Jell<strong>in</strong>ek, 481.<br />

nach wechselvoller Vergangenheit<br />

33. Konföderationsakte, 111, Napoleon an Dalberg, «<strong>Die</strong> Fürsten <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong><br />

s<strong>in</strong>d Souvera<strong>in</strong>s . . . Wir haben sie als solche anerkannt.'<br />

34. Zachariä, 164 ff.<br />

35. Vgl. Schröder, 983. Verschie<strong>den</strong>e Schwierigkeiten, die durch die Mediatisierung<br />

entstan<strong>den</strong>, traten <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> nicht auf. So gab es ke<strong>in</strong>e<br />

Reichslehen, kaiserliche Exspektanzen oder Anwartschaften; vgl. Zachariä.<br />

166 ff.<br />

36. 1. c, 163.<br />

37. Altmann, 7. «Les rois, grands ducs, ducs et pr<strong>in</strong>ces confederes renoncenl<br />

chacun d'eux pour soi. ses heritiers et successeurs ä tout droit actuel . . . »<br />

38. LRA. SR. Fasz. XVII 18, Vertrag, 1614. <strong>Die</strong> Steuern mussten danach nicht<br />

jener Behörde bezahlt wer<strong>den</strong>, wo der Bo<strong>den</strong> lag, sondern dorth<strong>in</strong>, wo der<br />

Besitzer wohnte. Abschrift <strong>des</strong> Vertrages.<br />

39. Zachariä, 159 ff.<br />

40. Büchel, Bendern. 94 ff.<br />

41. Vgl. 1. c, Lehensurkun<strong>den</strong>, 123 ff.; über <strong>den</strong> Zehnt, 1. c, 135 ff.; Strickler<br />

IX, 1068. Der Ertrag der Schupflehen soll jährlich 475 fl. ausgemacht haben.


- 55<br />

bis 1814 bei Bayern, 42<br />

das seit 1806 auch das Patronatsrecht und die<br />

E<strong>in</strong>künfte an Zehnten <strong>in</strong> Mauren beanspruchte. 43<br />

Unklarer lagen<br />

die Rechtsverhältnisse bei der Feste Gutenberg, wo das Oberamt<br />

die Gefälle wegen Rechtsunsicherheit deponieren Hess, 44<br />

berg 1814 wieder Österreich zugesprochen wurde. 45<br />

bis Guten­<br />

Dem liechten­<br />

ste<strong>in</strong>ischen Oberamte war für die Güter die Steuer zu entrichten.<br />

E<strong>in</strong>e Tatsache aber muss deutlich hervorgehoben wer­<br />

<strong>den</strong>: Vom Reichsverbande losgelöst, wurde <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 1806 kraft<br />

der durch die Rhe<strong>in</strong>bundakte verliehenen Souveränität e<strong>in</strong> selb­<br />

ständiger und unabhängiger Staat. 46<br />

2. <strong>Die</strong> neue Verwaltung<br />

<strong>Die</strong> Betonung der absoluten Souveränität <strong>des</strong> Fürsten fand <strong>in</strong><br />

der neuen Verwaltung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> e<strong>in</strong>en starken Niederschlag. Das<br />

Oberamt <strong>in</strong> Vaduz vertrat wie bisher <strong>den</strong> Fürsten und bestand au»<br />

Landvogt, Rentmeister und Gerichtsaktuar, 47<br />

es war die dem Für­<br />

sten verantwortliche Regierung <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s und Gerichtsbehörde<br />

erster Instanz. 48<br />

Es gab ke<strong>in</strong>e Gewaltentrennung. Der Kläger oder<br />

der Beklagte konnte nur noch an <strong>den</strong> Fürsten <strong>in</strong> Wien appellieren:<br />

<strong>den</strong>n die Möglichkeit der Appellation an e<strong>in</strong> Reichsgericht bestand<br />

42. Strickler, IX., 1070, 1072, 1119. Nach dem Frie<strong>den</strong> von Luneville (1801)<br />

kamen die Besitzungen von St. Luzi <strong>in</strong> Bendern an Oranien-Nassau, 1804<br />

an Österreich, 1805 an Bayern. Graubün<strong>den</strong> protestierte gegen diesen<br />

Wechsel und hoffte die Besitzungen zu bekommen. Schon früh aber erkannte<br />

das Departement für Auswärtiges, dass Bendern «nicht mehr zu<br />

retten sei». Bendern sei nie e<strong>in</strong> Kloster gewesen, sondern nur e<strong>in</strong>e Pfarrei,<br />

die 1192 an St. Luzi vergabt wor<strong>den</strong> sei.<br />

43. Büchel, Mauren I, 84. Seit 1714 besass Feldkirch das Präsentationsrecht<br />

<strong>in</strong> Mauren; Büchel, 1. c, 100 ff., über <strong>den</strong> Zehnten.<br />

44. Büchel, Gutenberg bei Balzers, JB. (1914) 97; LBS.. Nr. 12/60.<br />

45. HK. Wien, L 2 — 1, 35, Schuppler an <strong>den</strong> Fürsten, 1. Okt. 1810. Als Vorarlberg<br />

1805 an Bayern fiel, beanspruchte der bayrische König Gutenberg.<br />

Österreich protestierte gegen das Ans<strong>in</strong>nen Bayerns. Darauf nahm das<br />

liechtenste<strong>in</strong>ische Oheramt die Gefälle Gutenbergs «ad depositum». (1814<br />

gestand Montgelas die Güter wieder Österreich zu.) Zur Zeit <strong>des</strong> Streites<br />

lagen die Patronatsrechte <strong>in</strong> Balzers im Unklaren.<br />

46. In der Maur, Gründung, 32; A. Ritter, Ansprache z. Er<strong>in</strong>nerung an die<br />

erste Huldigung der Unterländer an das Fürstenhaus von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>.<br />

JB. 1949, 31.<br />

47. Art. XI, DI. 205 f.<br />

48. In der Maur, Johann, 199, Anmerkung 2. <strong>Die</strong> Trennung von Justiz und Ver.<br />

waltung wurde im F. L. erst 1871 durchgeführt.


nicht mehr. 49<br />

— 56 -<br />

<strong>Die</strong> Richter der e<strong>in</strong>zelnen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> durften ke<strong>in</strong>e<br />

Urteile fällen, sondern sie mussten sich "mit der Schlichtung der<br />

Streitfälle begnügen. 50<br />

Nur bei polizeilichen und pe<strong>in</strong>lichen Ver­<br />

handlungen sollte jeweils der Ortsrichter der Geme<strong>in</strong>de, aus welcher<br />

der Del<strong>in</strong>quent stammte,'beigezogen wer<strong>den</strong>. 51<br />

<strong>Die</strong> Verwaltung der<br />

Geme<strong>in</strong>de lag <strong>in</strong> <strong>den</strong> Hän<strong>den</strong> e<strong>in</strong>es Richters, e<strong>in</strong>es Bürgermeisters, 52<br />

e<strong>in</strong>es Säckelmeisters und mehrerer Geschworener. Für das Richter­<br />

amt schlug die Geme<strong>in</strong>de jährlich 53<br />

Oberamt <strong>den</strong> tüchtigsten auswählte. 54<br />

drei Männer vor, aus <strong>den</strong>en das<br />

Das Ortsgericht überwachte<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> die Erfüllung der Gesetze, verwaltete das Ge­<br />

me<strong>in</strong>devermögen, zog die Steuern und Kameralabgaben e<strong>in</strong>, 55<br />

ver­<br />

trat die Geme<strong>in</strong>de vor dem Oberamt und führte die Geme<strong>in</strong>derech­<br />

nung, die alljährlich dem Amt vorgelegt wurde. Auch Geme<strong>in</strong>de­<br />

versammlungen sah der Landvogt vor, an <strong>den</strong>en aber ke<strong>in</strong>e Be­<br />

schlüsse über das Vermögen der Geme<strong>in</strong>de gefasst wer<strong>den</strong> durften.<br />

Lediglich die Beamten der Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> konnten über Ausgaben im<br />

Betrag bis zu.fünf Flor<strong>in</strong> verfügen; handelte es sich um höhere Be­<br />

träge, musste das Oberamt angefragt wer<strong>den</strong>. 56<br />

Der Zweck der Ge­<br />

me<strong>in</strong>deversammlung war, die oberamtlichen Verfügungen anzuhören.<br />

In Vorarlberg, wo ähnliche Zustände herrschten, galt die für Liech­<br />

tenste<strong>in</strong> ebenso gültige gesetzliche Bestimmung: «<strong>Die</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Ausübung ihrer Rechte wie die M<strong>in</strong>derjährigen be­<br />

schränkt.» 57<br />

49. Konföderationsakte, 111; «<strong>Die</strong> Zwistigkeiten, <strong>in</strong> welche sie mit ihren Untertanen<br />

verwickelt wer<strong>den</strong> könnten, dürfen daher an ke<strong>in</strong>en frem<strong>den</strong> Gerichtshof<br />

gezogen wer<strong>den</strong>.»<br />

50. LRA. SR. Fasz. unnummeriert, Schupplers Rede beim Amtsantritt,<br />

51. Art. XI, DI. 206.<br />

52. ' <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen sahen e<strong>in</strong>en Bürgermeister vor. In <strong>den</strong> Akten aber<br />

traf ich nie auf diese Amtsperson.<br />

53. Kaiser. 501, spricht von e<strong>in</strong>er Amtsdauer der Richter von 2 Jahren. Vgl,<br />

Art. XIII, DJ. 206. <strong>Die</strong> DI. schreiben aber e<strong>in</strong>e jährliche Bestellung der<br />

Richter vor.<br />

54. KB. 568. <strong>Die</strong> Behauptung Büchels, die Wahl der Geme<strong>in</strong>defunktionäre läge<br />

bei der Geme<strong>in</strong>de, gilt nur <strong>in</strong>-beschränktem Umfang, vgl. Art. XIII, DI. 206.<br />

55. Art. XXXXI, LRA. SR. Fasz. G 1, <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen, (nicht veröffentl.)<br />

7. Okt. 1808. <strong>Die</strong> alten Herkommen blieben, soweit sie der Obrigkeit e<strong>in</strong>träglich<br />

schienen.<br />

56. 1. c, SR. Fasz. unnummeriert, Antrittsrede Schupplers, 1808, zu <strong>den</strong><br />

Schuldforderungen.<br />

57. Hirn, 39.


- 57 -<br />

Bei e<strong>in</strong>em Vergleich der neuen Verwaltung mit der alten Ver­<br />

fassung wer<strong>den</strong> wir <strong>des</strong> gewaltigen Umsturzes bewusst, der durch<br />

die <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen im Fürstentum veranlasst wurde. <strong>Die</strong> alte<br />

Verfassung fiel völlig dah<strong>in</strong>, 58<br />

und mit ihr verschwan<strong>den</strong> die jahr-<br />

hunderte alten Gerichtsgeme<strong>in</strong><strong>den</strong> der Grafschaft Vaduz 59<br />

Herrschaft Schellenberg, 60<br />

und der<br />

die zu e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heit zusammenschmolzen.<br />

<strong>Die</strong> früheren Nachbarschaften wur<strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> 61<br />

im heutigen<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>des</strong> Wortes. Amteten ursprünglich die Geschworenen als<br />

Funktionäre <strong>in</strong>nerhalb der Nachbarschaft, 62<br />

während die Richter<br />

ihre Aufgabe <strong>in</strong>nerhalb der Gerichtsgeme<strong>in</strong>de zu erfüllen hatten, 63<br />

so trat nun an die Stelle der Geschworenen <strong>in</strong> jeder Geme<strong>in</strong>de 64<br />

der<br />

«Richter, . . . und nach der Grösse der Population die nötigen<br />

Hilfsgeschworenen». 60<br />

Verwalteten ehedem der Landämmann und<br />

die Richter die bei<strong>den</strong> Landschaften, so waren jetzt die Ortsgerichte<br />

unter Aufsicht <strong>des</strong> Landvogtes für das Geme<strong>in</strong>devermögen besorgt.<br />

Das Kollegium der Richter bestand nicht mehr. 66<br />

Alle<strong>in</strong> das Ofoer-<br />

amt übte die Gerichtsbarkeit aus. Der Beisitz <strong>des</strong> Landammannes hei<br />

58. An. I, DI. 203 f.<br />

59. KU. 337 f., zur urspünglichen Gestaltung dieser Gerichtsgeme<strong>in</strong><strong>den</strong>; Büchel,<br />

Triesen, 159. Der erste nachweisbare Landammann <strong>in</strong> der Grafschaft Vaduz<br />

ist .Takoli Spiegel um 1390; Joh. Georg Mayer, Teiiungsurkunde zwischen<br />

Graf Hartmann und Rudolf von Wer<strong>den</strong>berg vom 2. Mai 1342, JB. (1908)<br />

99 ff.; Schädler, Huldigungsakte, 7 ff.; Kaufbrief, V., 51 ff.<br />

60. LRA. 10. April 1443; Kauf der Burg durch Brandis; P. Butler. <strong>Die</strong> Freiherren<br />

von Brandis, JB. (1911) 143 ff.; Kaufbrief Sch., 43 ff.; Büchel, <strong>Geschichte</strong><br />

der Herren von Schellenberg, JB. (1907) 5 ff., (1908) 1 ff., (1909)<br />

27 ff.; derselbe, <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Eschnerbergs, JB. (1920) 5 ff.; derselbe,<br />

Regesten zur <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Eschnerbergs, JB. (1920) 5 ff.; derselbe, Regesten<br />

zur <strong>Geschichte</strong> der Herren von Schellenberg, JB. (1901) 177 f..<br />

(1903) 101 ff., (1904) 169 ff., (1905) 87 ff., (1906) 69 ff.<br />

61. Art. XIII, DI. 206; <strong>Die</strong>rauer, 43 f. Selbst <strong>in</strong> der Schweiz war der Umsturz<br />

während der Helvetik nicht so radikal. <strong>Die</strong> Unterscheidung von Bürgergeme<strong>in</strong>de<br />

und polit. Geme<strong>in</strong>de milderte <strong>den</strong> Wechsel.<br />

62. Büchel, Triesen, 159. <strong>Die</strong> Richter arbeiteten wohl oft <strong>in</strong> ihrer Nachbarschaft,<br />

aber ihre Stellung war nicht durch die Nachbarschaft gegeben; LRA. AR.<br />

Fasz. XXII 23; HK. Wien, L 2 — 3, 3 mehrere Akten, 1799 — 1807.<br />

63. KB. 337. <strong>Die</strong> Richter wur<strong>den</strong> nicht von der Nacharschaft bestellt.<br />

64. Art. XIII, DI. 206. Vgl. Schnabel I, 151, zu Verhältnissen <strong>in</strong> Bayern. <strong>Die</strong><br />

Privilegien der e<strong>in</strong>zelnen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> verschwan<strong>den</strong>. <strong>Die</strong> Kommunen unterschie<strong>den</strong><br />

sich nur quantitativ.<br />

65. Art. XIII, DI. 206.<br />

66. Art. I, Art. XII, DI. 203, 206.


Verhörtagen fiel dah<strong>in</strong>. 67<br />

Recht beim Blutgericht. 68<br />

- 58 -<br />

und damit erlosch se<strong>in</strong> repräsentatives<br />

Das Oberamt übernahm das Recht <strong>des</strong><br />

Landammannes, Verträge zu besiegeln: die Steuern trieb nicht mehr<br />

der Landammann, sondern die neuen Beamten e<strong>in</strong>. Kurz, alle<br />

Rechte, die dem Volke seit der teilweisen Wiedere<strong>in</strong>führung der<br />

alten Verfassung durch Fürst Wenzel im Jahre 1733 noch verblieben<br />

waren, g<strong>in</strong>gen nun verloren.<br />

Der neuen Verwaltung liegt wohl das französische Vorbild nahe.<br />

<strong>Die</strong> Zentralisation der liechtenste<strong>in</strong>ischen Verwaltung er<strong>in</strong>nert an<br />

das Gesetz vom 17. Febr. 1800, das für manche Verfassung grund­<br />

legend wurde. 69<br />

In ihm f<strong>in</strong><strong>den</strong> wir jene berühmte Abstufung von<br />

l'iäfekt, Unterpräfekt und Maire, ähnlich der Verfassung der hel­<br />

vetischen Republick. 70<br />

Der E<strong>in</strong>fluss französischen Gedankengutes<br />

auf die Staaten <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> war ungewöhnlich gross: mancher­<br />

orts wurde der Code Napoleon übernommen: 71<br />

Grundgesetze <strong>in</strong> vie­<br />

len Staaten widerspiegeln französische Gedanken. 72<br />

Vor allem s<strong>in</strong>d<br />

Anhaltspunkte für die liechtenste<strong>in</strong>ische Verwaltung <strong>in</strong> Österreich<br />

zu suchen, wo die Vorstellung vom souveränen Herrscher e<strong>in</strong>e staat­<br />

liche E<strong>in</strong>heit erzwungen hatte.' 3<br />

die nicht ohne E<strong>in</strong>druck auf <strong>den</strong><br />

Fürsten bleiben konnte: man kann behaupten, dass der unmittelbare<br />

E<strong>in</strong>fluss Österreichs grösser war, als der Frankreichs, obgleich Liech­<br />

tenste<strong>in</strong> Mitglied <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> war und <strong>in</strong> der Schweiz franzö­<br />

sische Staatsideen ihre Verwirklichung fan<strong>den</strong>.<br />

In der neuen Verwaltung s<strong>in</strong>d die Ansätze zum modernen Staat<br />

erkennbar. Was Jahrhunderte überdauert hatte, wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

«Revolution von oben», im Gegensatz zu dem, was <strong>in</strong> Frankreich<br />

die Masse erreicht hatte, 74<br />

beseitigt. Im Fürsten konzentrierte sich<br />

e<strong>in</strong>e Machtfülle, die weder e<strong>in</strong> Kaiser <strong>des</strong> Reiches noch e<strong>in</strong> Lan<strong>des</strong>­<br />

herr je besessen hatte. 75<br />

67. Feger, 96, Secundo.<br />

68. 1. c., 96, Primo.<br />

69. Vgl. Schnabel I, 136.<br />

70. Gagliardi. 1120 ff.; His. 24 ff.<br />

71. Usee, 13.<br />

72. 1. e., 21 ff. besonders <strong>in</strong> Bayern.<br />

73. Vgl. Jell<strong>in</strong>ek. .466 ff.; LRA. SR. Fasz. L 6, Schuppler an die Hofkanzlei<br />

um 1817, über <strong>den</strong> E<strong>in</strong>fluss österreichischer Verhältnisse <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>.<br />

74. Vgl. Schnabel I, 146.<br />

75. Vgl. Hirn, besonders 19 ff.


Zweiter Teil<br />

<strong>Die</strong> Lan<strong>des</strong>verwaltung<br />

<strong>des</strong> souveränen <strong>Fürstentums</strong>


— 61 —<br />

I. Kapitel<br />

<strong>Die</strong> Kirchenpolitik<br />

Im religiös-kulturellen Gebiete behauptete sich die Tradition<br />

weit stärker als im <strong>politische</strong>n. Gewiss, auch <strong>in</strong>i staatlichen Leben<br />

waren schon vor dem Umsturz Ansätze zu e<strong>in</strong>er <strong>politische</strong>n Ent­<br />

wicklung zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>, die später ihre Vollendung im souveränen Für­<br />

stentum fan<strong>den</strong>; aber im Geistesleben erhielten Ideen ihre feste<br />

Normierung, ehe sie kraft der Souveränität <strong>des</strong> Fürsten als Gesetz<br />

aufgestellt wor<strong>den</strong> waren: die Grenzen s<strong>in</strong>d hier fliessender als im<br />

<strong>politische</strong>n, wo Erlasse die Entwicklung e<strong>in</strong>deutig markieren.<br />

Der Macht neuartiger Ideen konnte sich die liechtenste<strong>in</strong>ische<br />

Obrigkeit zu Anfang <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts nicht entziehen, weil <strong>in</strong><br />

Österreich neue Anschauungen über Kirche und Staat mächtig <strong>in</strong><br />

das kirchliche Leben e<strong>in</strong>griffen. Schon unter Maria Theresia (1740<br />

—. 1780) schufen jansenistische und kartesianische Ideen, 1<br />

vom holländischen Leibarzt der Kaiser<strong>in</strong>, van Swietan, 2<br />

lothr<strong>in</strong>gischen Haus, 3<br />

gefördert<br />

und dem<br />

e<strong>in</strong>en günstigen Bo<strong>den</strong> zur Verbreitung <strong>des</strong><br />

Josef<strong>in</strong>ismus. <strong>Die</strong> Aufklärung und die staatskirchlichen Bestrebun­<br />

gen <strong>des</strong> Febronianismus, 4<br />

<strong>in</strong>sbesonders das Buch «De statu ecclesiae<br />

et legitima potestati Romani Pontificis» trugen Wesentliches zum<br />

Aufkommen der Neuerung bei. Der Kampf begann gegen die Jesui-<br />

ten. 5<br />

'<strong>Die</strong> Entwicklung trieb unter Kaiser Josef II. ihrem Höhepunkt<br />

entgegen. Eigenmächtig hob der Monarch Klöster auf, 6<br />

1. Holzknecht, 4.<br />

2. Hantsch II, 197.<br />

3. W<strong>in</strong>ter, 32 ff.<br />

4. 1. c., 42 ff.<br />

und was<br />

5. 1. c., 46; Ferd. Maass, Der Josef<strong>in</strong>ismus, Quellen zu se<strong>in</strong>er Gesch. <strong>in</strong><br />

österr. I. Bd, Fontes rerum Astriacarum Bd. 71, Wien 1951; vgl. besonders<br />

368 ff.<br />

6. LThK. V, 573.


— 62 —<br />

nicht Rechtfertigung <strong>in</strong> der eisigen Vernunft <strong>des</strong> Kaisers fand, was<br />

«nicht dogmatische und <strong>in</strong>nerliche, die Seele alle<strong>in</strong> angehende D<strong>in</strong>ge»<br />

betraf, 7<br />

regelt: 8<br />

wurde durch <strong>den</strong> rechnen<strong>den</strong> Utilitarismus <strong>des</strong> Kaisers ge­<br />

Das Vermögen der Bruderschaften übernahm der Staat,"<br />

der Staat überwachte die Heranbildung der Priester, der Staat gab<br />

Vorschriften über kirchliche Zeremonien, der Staat schrieb <strong>den</strong><br />

Geistlichen ihre Pflichten vor. Der josef<strong>in</strong>ische Pfarrer sollte e<strong>in</strong><br />

Dorfvater wer<strong>den</strong>, der für das leibliche Wohl se<strong>in</strong>er Pfarrk<strong>in</strong>der<br />

ebenso zu sorgen hatte, wie für ihr Seelenheil. 1<br />

" Säkularisiertes<br />

Christentum lähmte <strong>den</strong> Höhenflug christlichen Geistes. E<strong>in</strong> Schat­<br />

ten der neuen Ideen fiel auf <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>.<br />

<strong>Die</strong> Beziehungen <strong>des</strong> souveränen <strong>Fürstentums</strong> zur Kirche stan­<br />

<strong>den</strong> unter dem E<strong>in</strong>fluss josef<strong>in</strong>ischer Ideen, was sich <strong>in</strong> der rück­<br />

sichtslosen Zentralisation aller staatlichen Kräfte und <strong>in</strong> der Beto­<br />

nung der absoluten Macht <strong>des</strong> Staates offenbarte. Freilich hatte sich<br />

das Verhältnis von Kirche und Staat <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> zur Zeit <strong>des</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> nicht derart geändert, dass mau, wie <strong>in</strong> Frankreich,<br />

M<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er totalen Umwälzung re<strong>den</strong> könnte: <strong>den</strong>n die <strong>in</strong>nere, reli­<br />

giöse Haltung <strong>des</strong> Volkes vermochten zeitbed<strong>in</strong>gte Auffassungen<br />

nicht zu ändern. Wenn Schuppler hie und da auf die «geläuterten<br />

Grundsätze der Gottesverehrung», 11<br />

f<strong>in</strong>ischen Redewendung, 12<br />

die .Neuerung.<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er übrigens typisch jose­<br />

h<strong>in</strong>wies, so tat er das aus Sympathie für<br />

<strong>Die</strong> Bemühungen der Obrigkeit, von der Betonung der Lan<strong>des</strong>­<br />

grenzen und der Souveränität abgesehen, brachten die Entwicklung<br />

dah<strong>in</strong>, dass <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> e<strong>in</strong> Lan<strong>des</strong>vikariat wurde, ohne dass e<strong>in</strong><br />

eigens hiezu abgefasstes Dokument vorhan<strong>den</strong> wäre. 13<br />

Vor 1717 ge­<br />

hörten die bei<strong>den</strong> Landschaften zum «Kapitel unter der Landqoiart»,<br />

alsdann schlössen sie sich dem Kapitel <strong>des</strong> Wallgaues an. 14<br />

7. 1. c. 572.<br />

8. W<strong>in</strong>ter, 127 ff.; Holzknecht. 66 ff.<br />

9. W<strong>in</strong>ter, 131, 242 ff.<br />

10. I. c. 159 ff., 175 ff.<br />

11. l.RA. Fasz. PI 245/pol. Schuppler an <strong>den</strong> Bischof, 12. April 1809.<br />

12. W<strong>in</strong>ter, 129.<br />

13. Frommelt, 213 f.<br />

14. Hist. Atlas d. Schweiz. Aarau 1951, Karte 11: Büchel, Schaan. 32.<br />

Neben


- 63 —<br />

staats<strong>politische</strong>n Grün<strong>den</strong> mochte die Anwesenheit von Kanonikus<br />

Dr. Anton Mayer 15<br />

<strong>in</strong> Schaan, Dekan <strong>des</strong> drusianischen Kapitels,<br />

die Entwicklung zum Lan<strong>des</strong>vikariat gefördert haben, sodass 1819<br />

von e<strong>in</strong>em «vicarius Episcop. per districtum Pr<strong>in</strong>cipatus Liechten-<br />

ste<strong>in</strong>ani» die Rede ist. 1<br />

' 1<br />

Es drang damit <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> das damals<br />

übliche Bestreben durch, die Organisation der kirchlichen Verwal­<br />

tung <strong>den</strong> Grenzen der Staaten anzupassen.<br />

<strong>Die</strong> Obrigkeit schenkte <strong>den</strong> Problemen, an <strong>den</strong>en Kirche und'<br />

Staat <strong>in</strong>teressiert waren e<strong>in</strong>e rege Aufmerksamkeit. Geflissentlich<br />

überwachte der Landvogt die alten obrigkeitlichen Patronats- und<br />

Präsentationsreohte. Zwar präsentierte der Fürst <strong>den</strong> Pfarrer nur<br />

<strong>in</strong> Triesen 17<br />

und Triesenberg. 18<br />

Der Landvogt aber verlangte, dass<br />

bei der Besetzung aller Pfarrstellen die obrigkeitliche Genehmigung<br />

e<strong>in</strong>geholt werde. 10<br />

In der Folge entspann sich 1810 zwischen dem Bischof von Chur<br />

und dem aufmerksamen Landvogt wegen der Benutzung der Pfrün­<br />

<strong>den</strong> <strong>in</strong> Schaan e<strong>in</strong> heftiger Streit. Das Domkapitel war durch die<br />

österreichische Inkamierung (3. Dez. 1803) sehr geschädigt wor<strong>den</strong> 20<br />

und fristete <strong>in</strong> Chur e<strong>in</strong> ärmliches Dase<strong>in</strong>. 21<br />

Unter diesen Umstän­<br />

<strong>den</strong> gestattete der Nuntius dem Kanonikus Dr. Jakob Ballella,<br />

Pfarrer <strong>in</strong> Schaan, der <strong>den</strong> Ruf <strong>in</strong>s Domkapitel erhalten hatte, di>-<br />

Pfründe <strong>in</strong> Schaan 22<br />

weiterh<strong>in</strong> zu gemessen und sich durch etneii<br />

Vikar <strong>in</strong> der Pfarrei vertreten zu lassen.'-' 3<br />

Alle<strong>in</strong> der Landvogt war<br />

über dieses Vorgehen äusserst erbost. <strong>Die</strong> Bewilligung <strong>des</strong> Nuntius<br />

nannte er zornig «Arroganz», und die Absicht <strong>des</strong> Bischofs schien<br />

15. Büchel, Schaan. 37 f. Dr. theol. Josef Anton Mayer war früher Pfarrer <strong>in</strong><br />

Feldkirch.<br />

16. Frommelt, 214.<br />

17. Büchel Triesen. 46 ff.. 81; vgl. LRA. Fasz. P 2, mehrere Akten.<br />

18. Feger, 99 ff.; HK. Wien L-2 — 1. 6, Akten zur Besetzung der Pfarrstellen.<br />

19. LRA. SK. Fasz. P 2, Beispiel aus Balzers. 27. Sept. 1820.<br />

20. His, 427 f.: Bündner Monatsblatt. 1924. 315, 347.<br />

'21. Mayer, 552 ff.<br />

22. Schädler, Landtag, 97. Uber Jak. Balletta. s. J. Simonet, <strong>Die</strong> kath. Weltgeistl.<br />

Graubs. Jahresber. d. hist. ant. Ges. 1920 SH. S. 32, Dompropst s.<br />

1. c. 1904, 24.<br />

23. Sehreihen <strong>des</strong> Nuntius <strong>den</strong> <strong>in</strong> Anmerkung 24 zitierten Akten beiliegend.


— 64 —<br />

ihm unehrlich. 24<br />

Schuppler fand beim Fürsten Zustimmung -und dir<br />

Auffassung <strong>des</strong> Bischofs, dass es um die Aufrechterhaltung <strong>des</strong><br />

«ältesten aller deutschen Hochstifte» gehe und der Pfarrer von<br />

Schaan bloss als Vikar <strong>des</strong> Kapitels die Pfarrei versehe, während das<br />

Kapitel wirklicher Pfarrer sei, 25<br />

nung. 26<br />

fand beim Fürsten ke<strong>in</strong>e Anerken­<br />

Der Bischof musste nachgeben. Dr. Balletta blieb noch<br />

4 Jahre <strong>in</strong> Schaan; nach se<strong>in</strong>er Ankunft <strong>in</strong> Chur starb er.1814 an<br />

Typhus. 27<br />

E<strong>in</strong>e weitere kirchen<strong>politische</strong> Frage verwickelte <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong><br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Streit mit dem Kanton St. Gallen. Das Kloster St. Johann<br />

im Thurtal, 28<br />

dem der Abt von St. Gallen vorstand, besass <strong>in</strong> Liech­<br />

tenste<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ige Güter, besonders Rebberge. 29<br />

fe<strong>in</strong>dliche Helvetik das Stift aufgehoben hatte, 30<br />

Nachdem die kloster­<br />

beanspruchte die<br />

St. Galler Regierung <strong>den</strong> Besitz <strong>des</strong> Klosters <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>. Auch<br />

der Abt- forderte die Güter. Fürst Johann jedoch liess sie mit Se­<br />

quester belegen. Daraus entspann sich e<strong>in</strong>e langjährige Ause<strong>in</strong>ander­<br />

setzung zwischen der Hofkanzlei <strong>des</strong> Fürsten <strong>in</strong> Wien und der Kan­<br />

tonsregierung von St. Gallen. 31<br />

Hartnäckig beharrte der Abt auf<br />

se<strong>in</strong>er Forderung, focht aber trotz der Unterstützung <strong>des</strong> Fürsten<br />

auf verlorenem Posten, nachdem auch die Mediation die Wiederher­<br />

stellung <strong>des</strong> Klosters abgelehnt hatte. 32<br />

E<strong>in</strong> Schreiben <strong>des</strong> Land­<br />

ammann Merian an <strong>den</strong> Fürsten Johann gab <strong>den</strong> letzten Stoss zur<br />

Aufhebung <strong>des</strong> Sequesters. 33<br />

Im April 1808 hob der Fürst die Sperre<br />

der Güter auf, als Beweis «nachbarlicher Freundschaft». 34<br />

Menz<strong>in</strong>ger<br />

24. HK. Wien, L 2 — 1, 20, Schuppler an <strong>den</strong> Fürsten, 1. Okt. 1810; 1. c,<br />

zweites Schreiben Schupplers, 31. Okt. 1810.<br />

25. .1. c, Bischof an <strong>den</strong> Fürsten, 26. Okt. 1810.<br />

26. 1. c, Fürst an <strong>den</strong> Bischof, 28. Nov. 1810.<br />

27. Büchel, Schaan, 33, 37.<br />

28. Vgl. Joh. Bapt. Büchel, Urkun<strong>den</strong> aus d. Urb. d. Klosters St. Johann im<br />

Thurtal, JB. (1918) 27 ff.; LBS., Nr. 13/63.<br />

29. LRA. AR. Fasz. XIV 15, Menz<strong>in</strong>ger an die Hofkanzlei, 15. März 1804.<br />

30. His, 414.<br />

31. HK. Wien L 2 — 1, 20, mehrere Schreiben der Regierung <strong>des</strong> Kantons<br />

St. Gallen, 1804—1807.<br />

32. Vgl. His, 414 f.<br />

33. HK. Wien L 2 — 1, 20, Merian an <strong>den</strong> Fürsten, 21. April, 1806.<br />

31. l! c. Fürst an Merian, 28. April 1806.


— 65, —<br />

übergab am 10. Juni die umstrittenen Besitzungen <strong>den</strong> Vertretern<br />

der Regierung <strong>des</strong> Kantons St. Gallen. 35<br />

Von weit grösserer Bedeutung als die geschilderten Differen­<br />

zen War Schupplers E<strong>in</strong>mischung <strong>in</strong> die Taufpraxis der Kirche. Der<br />

Landvogt verbot <strong>den</strong> Geistlichen, ohne vorherige Benachrichtigung<br />

<strong>des</strong> Oberamtes, an E<strong>in</strong>heimische wie an Ausländer Taufsche<strong>in</strong>e aus­<br />

zustellen. Viel zu weit g<strong>in</strong>g der Landvogt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Eifer, als er<br />

1823 die Taufe unehelicher und heimatloser K<strong>in</strong>der, ohne Vorwis­<br />

sen der <strong>politische</strong>n Behörde, verbot, damit daraus nicht e<strong>in</strong> bürger­<br />

liches Recht, wie das der <strong>politische</strong>n Zugehörigkeit, abgeleitet wer­<br />

3 4<br />

<strong>den</strong>, könne.<br />

In der Ehegesetzgebung stiessen die Interessen <strong>des</strong> neuen Staa­<br />

tes mit <strong>den</strong>en der Kirche ebenfalls zusammen. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>führung der<br />

Zivilehe <strong>in</strong> Frankreich zur Zeit der franz. Revolution brach e<strong>in</strong>e<br />

grosse Bresche <strong>in</strong> die kirchliche Ehegerichtsbarkeit, 37<br />

da nun die Ehe<br />

<strong>in</strong> Frankreich als zivilrechtlicher Vertrag angesehen wurde. 38<br />

Auch<br />

katholische Fürsten, die im Banne <strong>des</strong> Josef<strong>in</strong>ismus 39<br />

stan<strong>den</strong>, förder­<br />

ten die Säkularisierung der Ehe. 40<br />

Das Interesse der liechtenste<strong>in</strong>i­<br />

schen Obrigkeit an der Ehegesetzgebung wurde durch e<strong>in</strong>e Verordnung<br />

der fürstlichen Hofkanzlei vom 14. Oktober 1804 bekundet. 41<br />

Der<br />

Bischof von Chur nahm <strong>den</strong> Antrag der Hofkanzlei, die Ehe erst<br />

nach weltlicher Genehmigung e<strong>in</strong>zusegnen, ohne weiteres an, 42<br />

aber<br />

die Geistlichen <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> umg<strong>in</strong>gen oft das obrigkeitliche Ge­<br />

bot. Laridvogt Menz<strong>in</strong>ger betonte wiederholt die Notwendigkeit <strong>des</strong><br />

35. LRA. AR. Fasz. XIV 15, Landvogt an die Hofkanzlei. 13. Juni 1806.<br />

36. Vgl. Mayer, 619.<br />

37; LThK. III, 560:<br />

38. His, 369.<br />

39. Holzknecht, 63.<br />

40. LThK. III, 560.<br />

41. Das Orig<strong>in</strong>al dieser Verordnung ist nicht mehr im LRA. Das Vorbild für<br />

die Verordnung vom 14. Okt. 1805 ist sehr wahrsche<strong>in</strong>lich das Ehepatent<br />

<strong>in</strong> Österreich vom. 16. Jan. 1783. Vgl. G. Matt, <strong>Geschichte</strong> der Matt, Zug<br />

1939, IV. ;Bd. 27. Im Jahre 1704 wird e<strong>in</strong> Mann, der sich ohne Vorwissen<br />

der Obrigkeit verkün<strong>den</strong> Hess, bestraft.<br />

42. LRA. SR. Fasz. Alte Norm., Bischof an die Obrigkeit, 15. Dez. 1804. «<strong>Die</strong><br />

Anordnung im Bezug auf die E<strong>in</strong>segnung .der Ehen erforderliche, je<strong>des</strong>malige<br />

vorläufige obrigkeitliche Erlaubnis» werde der Bischof <strong>den</strong> Geistlichen<br />

<strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> mitteilen.<br />

5


amtlichen Lizenzsohe<strong>in</strong>es. 43<br />

— 66 -<br />

Künftigh<strong>in</strong> dürfe ke<strong>in</strong>e Ehe mehr ge­<br />

schlossen wer<strong>den</strong>, «es sey dan, man sehe, dass sich solche Leute an­<br />

ständig zu ernähren im Stande seyen.» 44<br />

Schuppler drang noch mehr<br />

als se<strong>in</strong> Vorgänger auf die E<strong>in</strong>holung der oberamtlichen Bewilligung.<br />

Er warf <strong>den</strong> Geistlichen vor, «Brautleute ohne amtliche Heuraths-<br />

bewilliguug» zu trauen, 45<br />

tiger Entlassung aus ihrem Amte 46<br />

drohte <strong>den</strong> fehlbaren Priestern mit sofor­<br />

achtung gesetzlicher Vorschriften beim Bischof, 47<br />

se<strong>in</strong>er Unterstützung versicherte. 48<br />

und verklagte sie wegen Miss­<br />

der die Obrigkeit<br />

Damit war e<strong>in</strong>e Kompetenz mehr<br />

<strong>in</strong> der Hand <strong>des</strong> Oberamtes. Das neue Recht musste früher oder<br />

später zu Konflikten führen, die <strong>in</strong> der Tat nicht ausblieben. 49<br />

Der<br />

Chronist Helbert hatte im amtlichen Bewilligungssche<strong>in</strong> das fiska­<br />

lische Motiv mit sicherem und argwöhnischem Scharfblick erkannt:<br />

. . . «und wenn e<strong>in</strong> ziemliches Vermögen da ist, so müssen sie wie­<br />

der 50 bis 70 fl. bezahlen.» 50<br />

Schon früh begann <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> der Kampf der Obrigkeit<br />

gegen die vielen Prozessionen und Wallfahrten. 51<br />

<strong>Die</strong> weltliche wie<br />

die geistliche Obrigkeit g<strong>in</strong>g besonders gegen die Prozessionen der<br />

bei<strong>den</strong> Landschaften nach Rankweil und die dabei vorkommen<strong>den</strong><br />

Mis c<br />

bräuche vor. <strong>Die</strong> «Wallfahren<strong>den</strong> Saufbrüder und Zechschwe­<br />

stern»,, so berichtete Landvogt Grillot um 1768, hätten mehr die<br />

Wirtshäuser als die Gotteshäuser gefüllt, und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en» bissigen<br />

Wortspiel fügte er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er aufklärerischen Kritik bei, dass die<br />

Beter das Kreuz nur bis «<strong>in</strong>s Heiligkreuz», e<strong>in</strong>er Wirtschaft <strong>in</strong> Feld­<br />

kirch, begleiteten. 52<br />

Bischof Dionysius verbot nun <strong>den</strong> Pfarrk<strong>in</strong>dern<br />

von Schaan die Wallfahrt nach Rankweil, aber die Schaaner zogen<br />

43. BF. HK. Wien (1784) L 2 — 14. Schon Rentmeister Fritz beklagte sich, dass<br />

<strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> ohne die Obrigkeit zu fragen, geheiratet werde.<br />

44. LRA. AR. Fasz. 1, Menz<strong>in</strong>ger an <strong>den</strong> Kanzler Baal, 8. Jan. 1805.<br />

45. 1. c, SR. Fasz. C 1, 129/pol., Schuppler an die Geistlichkeit, 2. März 1811.<br />

46. 1. c, Fasz. P 1, 10/pol., Schuppler an die Geistlichkeit, 14. Jan. 1811.<br />

47. 1. c, Fasz. G 1, 130/pol., Scbuppler an <strong>den</strong> BiBchof, 2. März 1811.<br />

48. Vgl. Dekret Tametsi Sess. XXIV cap. 1. de ref. matr; zitiert aus LThK. III,<br />

557; vgl. LRA. SR. Fasz. G 1, 129/pol., 144/pol. mehrere Akten.<br />

49. Mayer, 619.<br />

50. Helbert, 135.<br />

51. Vgl. Büchel, Schaan, 64 ff.<br />

52. 1. c, Verzeichnis der Prozessionen, 64 f.


— 67 —<br />

trotz <strong>des</strong> Verbotes ohne Pfarrer zur Wallfahrt. 53<br />

Schliesslich unter­<br />

sagte 1789 der Bischof allgeme<strong>in</strong>, die Wallfahrten ausserhalb der<br />

Lan<strong>des</strong>grenzen zu führen, was <strong>in</strong> der Herrschaft Schellenberg e<strong>in</strong>e<br />

tiefe Erregung verursachte. Hier zogen die Leute <strong>in</strong> grosser Anzahl<br />

und bester Ordnung, ohne <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gasthaus zu gehen, «wie sonst ge­<br />

wöhnlich», auf <strong>den</strong> «Frauenberg» nach Rankweil. <strong>Die</strong> Geistlichen<br />

blieben daheim. 94<br />

Bis zum Jahre 1807 zogen die Leute aus der Herr­<br />

schaft Schellenberg <strong>in</strong> Wallfahrten alljährlich nach Rankweil. Dann<br />

verbot sie die bayrische Regierung. Enttäuscht schrieb Helbert:<br />

«Nun Gott erbarms, hat diese herrliche Prozession jetzt auch e<strong>in</strong><br />

Ende.» 55<br />

Dem Landvogt Schuppler erschienen überhaupt alle Pro­<br />

zessionen bei schönem Wetter als e<strong>in</strong>e «wahre Sünde», selbst nur<br />

geplante oder <strong>in</strong> Gerüchten angekündigte Prozessionen vermochten<br />

der Feder <strong>des</strong> Eifrigen geharnischte Dekrete zu entlocken. 58<br />

Auch die vielen Feiertage waren der Obrigkeit e<strong>in</strong> Dorn im<br />

Auge. Im Jahre 1789 gab das Breve Clemens XIV. der liechtenstei­<br />

nischen Obrigkeit Anlass zum Versuch, die Feiertage auf die im<br />

Breve festgesetzte Zahl e<strong>in</strong>zuschränken. 57<br />

Bischof Dionysius er­<br />

klärte sich mit dem Vorhaben Menz<strong>in</strong>gers e<strong>in</strong>verstan<strong>den</strong>. 58<br />

Alle<strong>in</strong><br />

der Landvogt wagte <strong>den</strong> Beschluss aus Angst vor Unruhen nicht<br />

durchzuführen. 59<br />

Schliesslich wollte Menz<strong>in</strong>ger im Jahre 1801 45 —<br />

47 Feiertage, die Wallfahrtstage nicht e<strong>in</strong>gerechnet, abschaffen,<br />

mit der Absicht, <strong>den</strong> Leuten mehr Möglichkeit zum Arbeiten zu ge­<br />

ben. 60<br />

stan<strong>den</strong>. 61<br />

Fürst Alois war mit dem Vorhaben <strong>des</strong> Landvogtes e<strong>in</strong>ver­<br />

53. 1. c, 66 f.<br />

54. Helbert, 89.<br />

55. 1. c, 126.<br />

56. 1. c, 126.<br />

<strong>Die</strong> Geistlichkeit und die Landammänner baten <strong>den</strong> Für-<br />

56. LRA. SR. Fasz. P 1, Akten.<br />

57. 1. c, AR. Fasz. XXIII 24 Matr. 4, Mandat <strong>des</strong> Fürsten, 28. April 1789;<br />

Staatswörterbuch II, 11 f., zum Breve.<br />

58. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, 9. Juli 1789, der Bischof versicherte, die Feiertage<br />

zu Anfang <strong>des</strong> Jahres 1790 abschaffen zu wollen.<br />

59. 1. c, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 29. Dez. 1801.<br />

60. 1. c, Menz<strong>in</strong>ger rechnete aus, dass man durch die vielen Feiertage e<strong>in</strong>en<br />

jährlichen Ausfall an Verdienst von 20000 fl. habe; die Bulle br<strong>in</strong>ge Gew<strong>in</strong>n;<br />

vgl. dazu, Holzknecht, 89, Anmerkung 1.<br />

61. LRA. AR. Fasz. XXIII 24. Sehreiben <strong>des</strong> Fürsten. 15. Jan. 1802.


— 68 —<br />

sten aber, nicht alle Feiertage zu beseitigen, sondern hur jene, die<br />

von <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> selbst gewählt wor<strong>den</strong> waren, so: Agatha,<br />

Osterdienstag, Pf<strong>in</strong>gstdienstag, Magdalena usw. Es handelte sich<br />

dabei um 13 bis 15 Feiertage; 62<br />

die übrigen, wie sämtliche Festtage<br />

<strong>des</strong> Herrn und der heiligen Jungfrau Maria und jene der heiligen<br />

Apostel, sollten nebst e<strong>in</strong>igen andern Festtagen belassen wer<strong>den</strong>.<br />

Der Bischof wäre an sich nicht gegen e<strong>in</strong>e Herabsetzung der Feiertage<br />

im S<strong>in</strong>ne <strong>des</strong> päpstlichen Breves gewesen. Er empfahl jedoch<br />

dem Fürsten, dem Wunsch der Geistlichen und der Landammänner<br />

nachzukommen. 63<br />

Fürst Alois gab nach und hob die Feiertage auf,<br />

«welche die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> sich selbst gewählt und gemacht haben». 64<br />

Anders wurde es, nachdem Fürst Johann und se<strong>in</strong> Landvogt Josef<br />

Schuppler" die Regierung <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> übernommen hatten.<br />

Schon Georg Hauer bekam anlässiich se<strong>in</strong>er Inspektion <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong><br />

<strong>den</strong> E<strong>in</strong>druck, es habe <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> zu viele Geistliche, die<br />

ihre Beschäftigung <strong>in</strong> <strong>den</strong> zahlreichen Feiertagen suchen müssten,<br />

sowie «<strong>in</strong> Prozessionen und derley Gaukeleyen». 65<br />

<strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen<br />

schrieben dem Landvogt <strong>des</strong>halb vor, für die E<strong>in</strong>schrän­<br />

kung der Feiertage zu wirken. 66<br />

Schuppler wartete nicht lange mit<br />

der Erfüllung. <strong>des</strong> Auftrages. In e<strong>in</strong>em Schreiben an <strong>den</strong> Bischof<br />

von Ghur,suchte der Landvogt 1809 um die Abschaffung verschie<strong>den</strong>er<br />

Feiertage nach, was ihm umso leichter fiel, als «das Ländchen<br />

r<strong>in</strong>gsherum das E<strong>in</strong>zige sei», welches noch so viele Feiertage halte. 67<br />

Der Bischof versicherte dem Landvogt, anfangs <strong>des</strong> nächsten Jahres<br />

dem Wunsohe nachzukommen. 68<br />

Doch Schuppler musste warten. 69<br />

Bischof Karl Rudolf wurde wegen angeblichen Umtrieben gegen<br />

Bayern und Frankreich durch <strong>den</strong> Landammann der Schweiz <strong>in</strong><br />

62. Das E<strong>in</strong>schreiben der Geistlichen lautet auf <strong>den</strong> 12. Febr. 1802, das der<br />

Landammänner auf <strong>den</strong> 13. Febr. 1802.<br />

63. HK. Wien L 2 — 1, 19, Bischof an <strong>den</strong> Fürsten, 14. Mai 1802.<br />

64. LRA. AR. Fasz. XXIII 24 Matr. 4, Schreiben der Hofkanzlei, 8. Mai 1802.<br />

65. BH. HK. Wien (1808) L 2 —4«, 41.<br />

66. Art. VII, DI. 205.<br />

67; LRA. SR. Fasz. P 1* 245/pol., Schuppler an <strong>den</strong> Bischof, 12. April 1809.<br />

68. 1. c, 290/pol.,'Bischof an Schuppler, 30. Mai 1809.<br />

69. 1. c, Schreiben <strong>des</strong> Officiums, 9. Dez. 1809, das bischöfliche Officium antwortete,<br />

der Bischof -sei abwesend.


Solothurri <strong>in</strong>terniert.- 70<br />

— 69 —<br />

Nach se<strong>in</strong>er Befreiung verordnete er 1810,<br />

folgende Tage seien ab Feiertage zu halten: Neujahr, Drei-König,<br />

Maria-Lichtmess, Josef, Maria-Verkündigung, .Ostermontag, Auf­<br />

fahrt, Pf<strong>in</strong>gstmontag, Fronleichnam, Johann der Täufer, Peter und<br />

Paul und das An<strong>den</strong>ken der übrigen hl. Apostel, Maria Himmelfahrt,<br />

Maria Geburt, Allerheiligen, Maria Empfängnis, Weihnachten, Ste-<br />

phanstag, Luzius nebst dem Patron <strong>des</strong> jeweiligen Pfarrortes. H<strong>in</strong>­<br />

gegen bestand an über zehn bisher noch gebotenen Feiertagen nur<br />

mehr die Pflicht, die hl. Messe zu hören, während jede Arbeit er­<br />

laubt war. 71<br />

Damit war wohl e<strong>in</strong> Schritt zur Verm<strong>in</strong>derung der<br />

Feiertage getan. Aber für <strong>den</strong> Landvogt musste es ärgerlich gewe­<br />

sen se<strong>in</strong>, wenn e<strong>in</strong>ige Halibfeiertage ohne Arbeit zugebracht wur<strong>den</strong> 7<br />

- 2<br />

und e<strong>in</strong> Ausfall an Verdienst entstand; <strong>den</strong>n dem Josef<strong>in</strong>er war das<br />

materielle Glück der Untertanen Staatszweck. Schuppler gelangte<br />

<strong>des</strong>halb 1815 erneut an <strong>den</strong> Bischof von Chur mit der Bitte, auch<br />

die Halbfeiertage abzuschaffen. 73<br />

Dem entsprach der Bischof. 74<br />

Moralisierend überwachte die Obrigkeit die öffentliche Ord­<br />

nung. Der Landvogt griff auf Klagen der Geistlichen energisch gegen<br />

herumschwärmende Nachtbuben e<strong>in</strong> und verbot das «Ausschällen»<br />

(e<strong>in</strong>e Art Katzenmusik, mit «Plump-Schällen», die unter Pfeifen<br />

und Lärm nachts geschwungen wur<strong>den</strong>, wenn e<strong>in</strong>e entlaufene Frau<br />

wieder zu ihrem Mann zurückgekehrt war.) Desgleichen g<strong>in</strong>g<br />

Schuppler gegen <strong>den</strong> E<strong>in</strong>kauf vor, (e<strong>in</strong> nächtliches Tr<strong>in</strong>kgelage le­<br />

diger Burschen, das von e<strong>in</strong>em auswärtigen Freier, der e<strong>in</strong>e Dorf­<br />

schöne heiraten wollte, <strong>den</strong> ortsansässigen Jüngl<strong>in</strong>gen verabreicht<br />

wer<strong>den</strong> musste.) 75<br />

Auch um die Beerdigungsvorschriften kümmerte sich die Ob­<br />

rigkeit und erliess 1798 e<strong>in</strong>e «für die Menschheit so nothwendige<br />

Verfügung», wonach die Toten erst 48 Stun<strong>den</strong> nach ihrem Ableben<br />

beerdigt wer<strong>den</strong> durften. 76<br />

70. Mayer, 588 f.; His, 427, Anmerkung 260.<br />

7). LRA. SR. Fasz. P 1, ad 37/pol., Schreiben <strong>des</strong> Bischofs 23. Jan. 1810.<br />

72. LBS; Nr. 7/44.<br />

73. LRA. SR. Fasz. P 1, 7/pol., Schuppler an <strong>den</strong> Bischof, 20. Jan. 1815.<br />

74. 1. c, ad 7/pol„ Bischof an Schuppler, 31. Jan. 1815.<br />

75. 1. c, Verschie<strong>den</strong>e Akten, Pfarrer v. Balzers an Schuppler.<br />

76. 1. c. AR. Fasz. XXIII 24, Verordnung, 15. Dez. 1789.<br />

5 *


— 70 —<br />

<strong>Die</strong> Quersumme dieser historischen Details, die vom Kampf<br />

und der Ause<strong>in</strong>andersetzung zweier polaren Mächte, nämlich der<br />

Kirche und dem säkularisierten Staat berichten, dürfte wohl dar<strong>in</strong><br />

bestehen, dass der Fürst zur Zeit <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> von Gesetzen<br />

völlig unabhängig niemand Rechenschaft schuldete als Gott, der ihm<br />

der theokratisch-absolutistischen Auffassung gemäss die Macht direkt<br />

verliehen hatte. 77<br />

Dadurch war e<strong>in</strong> Entgegenkommen der Kirche<br />

dem weltlichen Arm gegenüber bed<strong>in</strong>gt, der <strong>in</strong> <strong>den</strong> früher ausschliesslich<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Machtbereich der Kirohe gehören<strong>den</strong> Belangen,<br />

wie zum Beispiel <strong>in</strong> der Ehe (res mixtae), se<strong>in</strong>e Positionen festigte<br />

und e<strong>in</strong>er Entwicklung Raum verschuf, die direkt <strong>in</strong>s 20. Jahrhundert<br />

führte.<br />

77. Holzknecht, 24 ff.


1. <strong>Die</strong> Schule vor 1805<br />

a) Schulverhältnisse<br />

— 71 —<br />

II. Kapitel<br />

Staat und Schule<br />

<strong>Die</strong> Glaubensboten waren auch die ersten Lehrer im weiteren<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>des</strong> Wortes. E<strong>in</strong>e Kirchenversammlung aus dem Jahr 680 be­<br />

stimmte: «Presbyteri per villas et vicos Scholas habeant.» 1<br />

Nachher<br />

unterrichteten die Pfarrer das Volk. Als im 12. Jahrh. der aufblü­<br />

hende Handel e<strong>in</strong>ige Kenntnisse im" Lesen und Schreiben erfordert«*,<br />

wur<strong>den</strong> die Schulen, <strong>den</strong>en die Seelsorger vorstan<strong>den</strong>, 2<br />

zahlreicher.<br />

<strong>Die</strong> Bildung <strong>des</strong> Volkes war während <strong>des</strong> ganzen Mittelalters weit­<br />

gehend Pflicht der Geistlichen, wie das Schulwesen überhaupt <strong>in</strong> die<br />

Domäne der Kirche gehörte.<br />

E<strong>in</strong>e grundlegende Änderung im Bildungswesen trat erst im<br />

18. Jahrhundert e<strong>in</strong>. Da nach der aufklärerischen Anschauung die<br />

Geistlichen die Schulung <strong>des</strong> Volkes vernachlässigten, griff die welt­<br />

liche Obrigkeit auch <strong>in</strong> katholischen Gegen<strong>den</strong> meist im S<strong>in</strong>ne <strong>des</strong><br />

grossen Felbiger e<strong>in</strong>. 3<br />

Mächtig entfachte die Aufklärung <strong>den</strong> Bil­<br />

dungseifer. Analysierend und selbstsicher glaubte sie, <strong>in</strong> der Beto­<br />

nung <strong>des</strong> Wissens, <strong>in</strong> der Bildung <strong>des</strong> Intellekts und <strong>in</strong> der Verherr­<br />

lichung der Vernunft <strong>den</strong> Menschen e<strong>in</strong> ungeahntes Glück zu ver­<br />

schaffen; ungeachtet <strong>des</strong>sen verstieg sich jener kalte Wahn, allem<br />

Irrationalen abhold, bis zu <strong>den</strong> Exzessen der Revolutionstribunale<br />

und Wohlfahrtsausschüsse. 4<br />

1. Walther, 43.<br />

2. Schnürer G., Katholische Kirche u. Kultur im 18. Jahrh., Paderborn 1941,<br />

374.<br />

3. Walther, 44 ff.<br />

4. Schnabel II, 10.


— 72 —<br />

Neben aufklärerischen Anschauungen förderten neue Staats­<br />

ideen das Schulwesen: der Staat sollte nicht nur e<strong>in</strong> Rechts<strong>in</strong>stitut,<br />

sondern auch e<strong>in</strong>e Kulturgeme<strong>in</strong>schaft se<strong>in</strong>. Der neue Staatsgedanke<br />

stand <strong>in</strong> enger Beziehung zum Bildungsgedanken, 5<br />

und <strong>in</strong>dem der<br />

Staat die Schulung se<strong>in</strong>er Bürger übernahm, musste notwendig e<strong>in</strong>e<br />

zentralisierte E<strong>in</strong>heitsschule entstehen. Ferner lenkte der Physio-<br />

kratismus mit se<strong>in</strong>er schwärmerischen Verehrung für <strong>den</strong> Bauern­<br />

stand, der sich auch Fürst Johann nicht entziehen konnte, die Auf­<br />

merksamkeit der Obrigkeit auf <strong>den</strong> Landmann h<strong>in</strong>, um <strong>des</strong>sen Schu­<br />

lung man sich nun ernstlich bemühte. 6<br />

In <strong>den</strong> Nachbarstaaten setzte sich die Obrigkeit unter dem<br />

E<strong>in</strong>fluss dieser Ideen für die Schule e<strong>in</strong>. 7<br />

Doch bestand das Bil­<br />

dungsziel nicht mehr so sehr <strong>in</strong> der religiösen Durchbildung <strong>des</strong><br />

jungen Christen und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Formung zu e<strong>in</strong>em dienen<strong>den</strong> Glied<br />

<strong>in</strong> Kirche, Gesellschaft und Heimat, als vielmehr <strong>in</strong> der Erziehung<br />

zu e<strong>in</strong>em nützlichen Glied <strong>des</strong> Staates, zu e<strong>in</strong>em glückseligen, auto­<br />

nomen und diesseitsgerichteten Menschen, <strong>des</strong>sen Wille vernehmlich<br />

Pr<strong>in</strong>zip aller moralischen Gesetze und Verpflichtungen war.<br />

<strong>Die</strong> neuen Bildungsideäle fan<strong>den</strong> nicht überall ungeteilte Auf­<br />

nahme. Auch <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> stand ihnen die bäuerliche Bevölke­<br />

rung oft fe<strong>in</strong>dlich gegenüber. Mangeln<strong>des</strong> Bedürfnis nach Schule und<br />

Bildung gestaltete dem Landmann die Schule ke<strong>in</strong>eswegs zu e<strong>in</strong>er<br />

angenehmen E<strong>in</strong>richtung, besonders dann nicht, wenn Arbeit auf<br />

dem Feld <strong>den</strong> E<strong>in</strong>satz der schulpflichtigen Jugend erforderte. Dem<br />

aber stand das Obligatorium <strong>des</strong> Unterrichtes entgegen. Und wenn<br />

Pflicht an Stelle der Freiwilligkeit tritt, wird das anfänglich als<br />

drückend empfun<strong>den</strong>. Wo immer die Obrigkeit ihren Willen durch'<br />

setzen wollte, erhob sich auf diese Weise H<strong>in</strong>dernis auf H<strong>in</strong>dernis:<br />

Der Mangel an gebildeten Lehrern, Mangel an Erfahrung, ke<strong>in</strong>e<br />

Schulräume, ke<strong>in</strong>e Unterrichtsmaterialien, wenig Geld und vor al­<br />

lem wenig Liebe zur Schule wirkten hemmend.<br />

5. Schnabel I, 410.<br />

6. Hug, 172; Criste, 154.<br />

7. Schnabel I, 421 ff.; Hantsch II, 200 f."; R. Lug<strong>in</strong>bübl, Philipp A. Stapfer.<br />

M<strong>in</strong>ister der Künste und Wissenschaften, Basel 1902.


— 73 —<br />

Im Fürstentum rang die Obrigkeit mit fast unüberw<strong>in</strong>dbareu<br />

Schwierigkeiten. Zwar ist über das Schulwesen im Fürstentum vor<br />

1800 wenig bekannt. E<strong>in</strong>ige Namen von Schulmeistern mit wenigen<br />

Nachrichten über ihr karges Auskommen und ihren mühevollen<br />

und fruchtlosen Schulbetrieb ist fast alles, was Urkun<strong>den</strong> und Akten<br />

berichten. <strong>Die</strong> Organisation <strong>des</strong> Schulwesens lag <strong>in</strong> der Hand der<br />

Nachbarschaft, e<strong>in</strong> Umstand, der das fast völlige Fehlen von Akten<br />

erklärt, da vieles Schreiben <strong>den</strong> Bauern nicht liegt. Gewöhnlich be­<br />

aufsichtigte der Schulvogt <strong>in</strong> der Nachbarschaft das Bildungswesen.<br />

In Schaan wurde im Jahre 1700 e<strong>in</strong> solcher ernannt und musste da­<br />

für sorgen, dass der Lehrer «mit Behausung nach Nothwendigkeit<br />

versehen werde» und an der Schulwohnung nichts «verbösere und<br />

verdörlbe», noch solches durch die K<strong>in</strong>der geschehen lasse. Ferner<br />

war er verpflichtet, für die Bezahlung <strong>des</strong> Gehaltes an <strong>den</strong> Schul­<br />

meister, sowie für die Aufbr<strong>in</strong>gung anderer Subsidien besorgt zu<br />

se<strong>in</strong>. Der Schulvogt leistete die Arbeit «zur Ehre Gottes und Liebe<br />

der K<strong>in</strong>derzucht freywillig und gratis». 8<br />

Der Unterrichtsbetrieb muss mehr als beschei<strong>den</strong> gewesen se<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong>igen Aufschluss gibt lediglich e<strong>in</strong>e Unterredung <strong>des</strong> Landvogtes<br />

Menz<strong>in</strong>ger mit dem jungen Lehrer Karl Wolf aus Vaduz. 9<br />

Danach<br />

war die Unterrichtsmethode Felbigers jm Fürstentum noch ke<strong>in</strong>es­<br />

wegs heimisch gewor<strong>den</strong>. <strong>Die</strong> Bauern, voll Argwohn, bekämpften die<br />

neue Lehrart: «Heuer habe er angefangen, se<strong>in</strong>e Schul zu eröffnen,<br />

dermal müsse er noch nach alter Lehrart fürgehen, <strong>den</strong>n die Bauern<br />

halten die neue Lehre für lutherisch 10<br />

, er hätte ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der <strong>in</strong><br />

die Lehr bekommen, wenn er die neue Lehr angefangen hätte. Er<br />

habe die Lehrart zu Götzis profitiert und sich auch <strong>in</strong> Bregenz<br />

exam<strong>in</strong>ieren lassen ...» Der Unterricht war meist nur e<strong>in</strong> mecha­<br />

nisches Auswendiglernen aus wenigen und widrigen Büchern nach<br />

falscher Methode, e<strong>in</strong> Buchstabieren und Syllabieren, sodass e<strong>in</strong><br />

stetes Summen im Schulzimmer herrschte, das bei wenig Diszipl<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> lautes Plaudern und Lärmen ausartete. Lehrer Wolf erteilte auch<br />

8. PfA. Schaan 9, Instruktionen an <strong>den</strong> Schulvogt, 1700; vgl. Büchel, Schaan.<br />

63 f.<br />

9. Tschugmell, Vaduzer Geschlechter, JB. (1949) 78; LRA. AR. Fasz. XXIII<br />

24, Bericht Menz<strong>in</strong>gers. •<br />

10. Vgl. Hug, 240 f.


— 74 —<br />

Religionsunterricht. Damit unterstützte der Lehrer <strong>den</strong> Pfarrer,<br />

welcher auf Grund der Beschlüsse <strong>des</strong> Konzils von Trient wenigstens<br />

«an allen Sonn- und Festtagen die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> Anfangsgrün<strong>den</strong><br />

<strong>des</strong> Glauhens und dem Gehorsam gegen Gott und die Eltern unter­<br />

weisen» musste. 11<br />

Ferner sche<strong>in</strong>t Lehrer Wolf se<strong>in</strong>en Schülern Rech­<br />

neri und Schreiben beigebracht zu haben, was hoch e<strong>in</strong>zuschätzen ist,<br />

wenn man be<strong>den</strong>kt, dass <strong>in</strong> schweizerischen Verhältnissen <strong>des</strong> 18.<br />

Jahrh. Rechnen und Schreiben bloss fakultative Unterrichtsfächer<br />

waren. 12<br />

<strong>Die</strong> Interesselosigkeit, mit der die Bevölkerung der Schule be­<br />

gegnete, tritt besonders klar <strong>in</strong> der Schulverwaltung zu Tage. <strong>Die</strong><br />

Nachbarschaften stellten die Lehrer an. In Vaduz suchte e<strong>in</strong> Schrei­<br />

ner se<strong>in</strong> Auskommen als Pädagoge. 13<br />

E<strong>in</strong> «Josef Wolf», der sich<br />

ebenfalls damit abgebe, «sey aber wenig zu Hause und überlasse die<br />

Stelle se<strong>in</strong>em Sohn, welcher selbst noch <strong>in</strong> die Schule gehen sollte». 14<br />

War nicht e<strong>in</strong> geschulter Lehrer zur Stelle, so begnügte man sich<br />

mit e<strong>in</strong>em Handwerker oder Bauern, der sich um die Stelle bewer­<br />

ben musste, und wenn er nicht zuviel Besoldung verlangte und etwas<br />

schreiben und lesen konnte, wurde er angestellt. Wohl <strong>des</strong>halb<br />

schrieb das Oberamt an die Hofkanzlei, dass «im ganzen Lande<br />

ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Schule sey, die <strong>den</strong> Namen verdiene». 15<br />

Noch im Jähre<br />

1805 verkündete der Pfarrer von Triesenberg zu Anfang <strong>des</strong> Schul­<br />

jahres <strong>in</strong> der Kirche: :«Wer Lust hat die Schul zu halten, möge sich<br />

zeigen und äussern.» 16<br />

Ausser Handwerkern, Bauern und Lehrern<br />

bemühten sich auch Geistliche um die Bildung der Jugend. Der<br />

Pfarrgehilfe Pümpel hielt <strong>in</strong> Triesen nicht zur allgeme<strong>in</strong>en Zufrie­<br />

<strong>den</strong>heit Schule und wurde <strong>in</strong> Chur beim bischöflichen Ord<strong>in</strong>ariate<br />

verklagt, worauf er sich rechtfertigte: So genau müsse man die<br />

Schule nicht nehmen; dass die Diszipl<strong>in</strong> nicht die beste sei, sei nicht<br />

11. P. Sialm. Das Unterrichts- und Erziehungswesen i. d. schwyz. Teilen d.<br />

Kantons Waldstatten und L<strong>in</strong>th z. Z. d. Helvetik (1798 —1803) Diss..<br />

Frihourg 1949, 159.<br />

12. Hug, 214.<br />

13. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, ohne Datum.<br />

14. 1. c.<br />

15. 1. c, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 17. Juli 1789.<br />

16. 1. c, Klage e<strong>in</strong>es gewissen Türer an das Oberamt gegen <strong>den</strong> Pfarrer von '•<br />

Triesenberg, 2. Nov. 1805.


— 75 —<br />

se<strong>in</strong>e Schuld, sondern die der Eltern, die ihre K<strong>in</strong>der zu Kälbern<br />

erziehen wür<strong>den</strong>. Auf <strong>den</strong> Vorwurf, er leiste nichts, antwortete er,<br />

die dummen Bauern könnten das gar nicht beurteilen, von <strong>den</strong> Rich­<br />

tern selbst könnten die meisten weder lesen noch schreiben, alle<br />

sollten das Maul halten, er könne aus Ochsen und Eseln ke<strong>in</strong>e Nach­<br />

tigallen machen. 17<br />

Dem selbstbewussten Kooperator s<strong>in</strong>d die ger<strong>in</strong>gen<br />

Fortschritte <strong>in</strong> der Schule nicht allzu strenge anzurechnen, schrieb<br />

er doch: «Zu me<strong>in</strong>er jetzigen Zeit ist vom Berg nur etwan e<strong>in</strong> oder<br />

das andere K<strong>in</strong>d wegen der Weite <strong>des</strong> Weges und Rauheit <strong>des</strong> Wet­<br />

ters, teils wegen Abgang der Lehrmittel, teils auch wegen Verfolgung<br />

und Verspottung von Seite der hiesigen K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> die Schule heran­<br />

gekommen.» 18<br />

<strong>Die</strong> Besoldung der Lehrer war ke<strong>in</strong>eswegs hoch. In e<strong>in</strong>zelnen<br />

Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> bestan<strong>den</strong> Stiftungen, <strong>in</strong> Schaan-Vaduz die <strong>des</strong> Hof­<br />

kaplans Karl Negele (gest. 1711) im Betrag von 500 fl., 19<br />

die kle<strong>in</strong>e Stiftung <strong>des</strong> Dom<strong>in</strong>icas Banzer 20<br />

<strong>in</strong> Triesen<br />

und <strong>in</strong> Schaan die der<br />

Barbara Hopp und <strong>des</strong> Johannes Tressel im Betrag von 300 fl.* 1<br />

Im<br />

allgeme<strong>in</strong>en aber unterhielt die Nachbarschaft <strong>den</strong> Lehrer. So be­<br />

kam 1699 der Schulmeister Ber<strong>in</strong>ger <strong>in</strong> Schaan Wohnung, Holz, Ge­<br />

me<strong>in</strong>deanteil und an Geld jährlich 70 fl., ferner: 40 Viertel We<strong>in</strong>most,<br />

e<strong>in</strong> Viertel Schmalz und 30 fl. für das Orgelschlagen. In Vaduz er­<br />

hielt e<strong>in</strong> Lehrer vor 1800 etwa 25 fl. im Jahr und für je<strong>des</strong> K<strong>in</strong>d<br />

15 Kreuzer, während der junge Lehrer Karl Wolf sich mit jährlich<br />

zwei Fudern Holz und mit Vertröstungen auf spätere, bessere Be­<br />

soldung begnügen musste. Dem Kooperator Pümpel <strong>in</strong> Triesen be­<br />

zahlte je<strong>des</strong> K<strong>in</strong>d 26 Kreuzer und gab etliche Kreuz Sch<strong>in</strong>deln. 22<br />

Mit <strong>den</strong> Schullokalen gab man sich bald zufrie<strong>den</strong>. Oft genügte<br />

e<strong>in</strong> Zimmer <strong>in</strong> irgend e<strong>in</strong>em Haus. 2<br />

'' In <strong>den</strong> Nachbarschaften wur<strong>den</strong><br />

17. Büchel. Triesen, 86.<br />

18. 1. c, Anmerkung.<br />

19. PfA. Schaan 9, Akt zur Stiftung, 1739.<br />

20. Regesten GA., 162.<br />

21 Marxer, Schule, 150.<br />

22. Büchel, Triesen, 86; Büchel, Schaan, 63. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Bericht<br />

Menz<strong>in</strong>gers.<br />

23. Marxer, Volksschule. 141. G. Matt, <strong>Geschichte</strong> der Matt, Zug 1939, IV. Bd..<br />

91. Im Jahre 1781 ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Urteil von e<strong>in</strong>em Schulhaus <strong>in</strong> Mauren die<br />

Rede.


— 76 —<br />

erst nach 1805 eigentliche Schulhäuser gebaut. Manchmal erhie!<br />

der Lehrer e<strong>in</strong>e Wohnung, <strong>in</strong> der. er die Schüler unterrichten musste,<br />

wie das um 1700 <strong>in</strong> Schaan zutraf. <strong>Die</strong> Leute waren <strong>in</strong> ihrer Armut<br />

nicht bereit, das rare Geld für die verhasste Schule auszuge­<br />

hen. So klagte Kaplan Denis Kissl<strong>in</strong>g 24<br />

<strong>in</strong> Schaan beim Landvogt<br />

über die brutale Abweisung e<strong>in</strong>es Gesuches für <strong>den</strong> Bau e<strong>in</strong>es neuen<br />

Schulhauses. Dabei fielen die bitteren Worte: «Der Teufel soll alle<br />

diejenigen fortschleppen, welche immer zu diesem Bau helfen.» 25<br />

In Eschen bemühte sich 1794 die Nachbarschaft, auf Grund e<strong>in</strong>es<br />

alten Hofstattrechtes <strong>in</strong> der «Fronenbünd» e<strong>in</strong> Schulhaus zu bauen,<br />

alle<strong>in</strong> die Bürger von Mauren weigerten sich, aus der Bauwaldung<br />

das Holz zu liefern. 26<br />

An Unterrichtsmaterial fehlte das Notwendigste. Bücher hatten<br />

noch zu Schupplers Zeiten lange nicht alle Schüler. Der genannte<br />

Lehrer Karl Wolf erwähnt nur, dass er für <strong>den</strong> Unterricht e<strong>in</strong><br />

«Metho<strong>den</strong>buch» besitze. 27<br />

«kle<strong>in</strong>en Normalkateehismus».<br />

b)Beformversuche<br />

Im Religionsunterricht verwende er <strong>den</strong><br />

Fürst Alois I. (1781 — 1805) ergriff die Initiative, e<strong>in</strong> geord­<br />

netes Schulwesen für se<strong>in</strong>e Untertanen aufzubauen, zwar erst sachte,<br />

mehr fragend und ratend. An die strenge Durchführung e<strong>in</strong>es Schul­<br />

planes konnte nach dem Sturze <strong>des</strong> Landsbrauches (1808) und nach<br />

der Zentralisation der Regierungsgewalt weit besser gedacht wer<strong>den</strong>,<br />

als zur Regierungszeit <strong>des</strong> Fürsten Alois. Der tatkräftige Feldherr<br />

Fürst Johann I. und se<strong>in</strong> Landvogt Schuppler brachten die Entwick­<br />

lung <strong>des</strong> Schulwesens zu e<strong>in</strong>em gewissen Absohluss. <strong>Die</strong> Bemühun­<br />

gen, e<strong>in</strong> Schulgesetz zu schaffen, bil<strong>den</strong> e<strong>in</strong>en wichtigen Teil <strong>in</strong> der<br />

Entwicklung der liechtenste<strong>in</strong>ischen Volksschulen. Das Planen und<br />

Beraten setzte schon früh e<strong>in</strong>. Man sandte Entwürfe nach Wien und<br />

unterbreitete dem Fürsten Vorschläge. Allenthalben f<strong>in</strong><strong>den</strong> wir <strong>in</strong><br />

24. Büchel, Schaan, 76, 49.<br />

25. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Kissl<strong>in</strong>g an <strong>den</strong> Landvogt, 27. Dez. 1793.<br />

26. GM. Eschen, 11/213, Menz<strong>in</strong>ger an die Geme<strong>in</strong>de Eschen, 4. Feb. 1794.<br />

27. Vgl. Hug. 195. Dabei handelt es sich wohl um das 1775 erschienene Werk<br />

Felbigers.


— 77 —<br />

diesen Projekten e<strong>in</strong>e tastende Unsicherheit und e<strong>in</strong>e Angst vor der<br />

Grösse <strong>des</strong> Problems, das die Schulgesetzgebung damals darstellte.<br />

Das Oberamt musste zur Zeit Menz<strong>in</strong>gers gezwungenermassen, trotz<br />

der Ungeduld <strong>des</strong> Fürsten, <strong>in</strong> der Neugestaltung der Schule Zurück­<br />

haltung üben. Im nahen Vorarlberg trieb der traditionslose Josefi­<br />

nismus die Bauern zu hellem Aufruhr. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> lag im Strah­<br />

lungskreis der rebellischen Stimmung. 28<br />

Schon im Jahre 1784 be­<br />

richtet der liechtenste<strong>in</strong>ische Chronist Helbert: «<strong>Die</strong> neue Lehre ist<br />

noch immer im Fortgang. Es s<strong>in</strong>d wiederum neulich <strong>in</strong> ganz Öster­<br />

reich die Häuser genummeriert wor<strong>den</strong> und haben die Nummern ob<br />

<strong>den</strong> Haustüren; auch ist verboten wor<strong>den</strong>, Nüstern (Rosenkränze)<br />

zu kaufen, ausser vom Pfarrherr.» 2<br />

" «Gott weiss woh<strong>in</strong> das alles<br />

noch führen wird.» 30<br />

Um 1790 drohten die umliegen<strong>den</strong> Grafschaf­<br />

ten und Herrschaften <strong>in</strong> Österreich, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en allgeme<strong>in</strong>en Aufstand<br />

zu treten. «In Feldkirch brach die Empörung auch wirklich aus.» 31<br />

E<strong>in</strong>e Szene von urtümlicher Kraft und bäuerlicher Wut spielte sich<br />

<strong>in</strong> Götzis ab: Wütende Weiber rissen josef<strong>in</strong>ischen Beamten die<br />

Zöpfe aus und vernichteten obrigkeitliche Verordnungen; gewalt­<br />

voll erzwangen die Männer schriftliche Garantien für die Beibe­<br />

haltung religiöser Bräuche. 32<br />

Im gleichen Jahr verjagten die Bauern<br />

<strong>in</strong> Schruns die von der Obrigkeit e<strong>in</strong>gesetzten Lehrer und verbrann­<br />

ten, weil sie die neue Lehrart «nicht e<strong>in</strong>geführt wissen wollten»,<br />

die Schulbücher <strong>in</strong> lei<strong>den</strong>schaftlicher Wut. 33<br />

Immer wieder zitterte<br />

<strong>in</strong> Menz<strong>in</strong>gers Berichten an <strong>den</strong> Fürsten die Angst vor dem üblen<br />

«Beispiel der Nachbarschaft» nach. Auf die fiebernde Unruhe der<br />

Franzosenzeit folgte, wie es sche<strong>in</strong>t, eher e<strong>in</strong> Zustand der Apathie<br />

und Widerstandslosigkeit gegen obrigkeitliche Verordnungen. <strong>Die</strong>­<br />

ser Zeitpunkt war günstig, auch <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> das tief <strong>in</strong> die alte<br />

Freiheit e<strong>in</strong>greifende Schulgesetz durchzuführen. Alle Versuche<br />

aber, die Schule durch Beschaffung geeigneter Lehrmittel, durch<br />

28. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 7. Nov. 1789-<br />

29. Helbert. 78.<br />

30. KB. 535.<br />

31. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 7. Növ. 1789.<br />

32. KB. 536 f.; Helbert, 90 f.; vgl. Hirn F., Widerstandsversuche gegen die<br />

kirchenpolizeilichen Verordnungen der josef.- bayrischen Zeit, Archiv für<br />

Gesch. u. Lan<strong>des</strong>kunde. Vorarlbergs II, 1906, 49 fF.<br />

33. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 2. März 1790.


— 78 —<br />

Verbesserung der Organisation und durch soziale Besserstellung<br />

der Lehrer zu heben, blieben vor 1805 erfolglos. <strong>Die</strong> Obrigkeit er-<br />

liess auf Grund der gespannten Lage ke<strong>in</strong>e Schulgesetze; <strong>den</strong> Bauern<br />

aber war die alte Schule gut genug. Trotzdem versuchte der Fürst<br />

immer wieder, die Untertanen für das neue Bildungswesen zu ge­<br />

w<strong>in</strong>nen. Verschie<strong>den</strong>e Hofkapläne sollten an der Verbesserung <strong>des</strong><br />

Unterrichtes arbeiten. Unter anderem trat durch se<strong>in</strong>e Bemühungen<br />

besonders Dr. theol. Josef Anton Fuetscher hervor, der apostoli­<br />

scher Notar war, früher Pfarrprovisor <strong>in</strong> Flums, nachher Pfarrer<br />

<strong>in</strong> Schruns und schliesslich Hofkaplan <strong>in</strong> Vaduz. 34<br />

Im Jahre 1800<br />

präsentierte Fürst Alois Jakob Konstant<strong>in</strong> Steiger, ehemals Profes­<br />

sor der Rhetorik <strong>in</strong> Feldkirch, «<strong>in</strong> Rücksicht der so nötigen Unter­<br />

richtung der Jugend» als Hofkaplan. 35<br />

Um das nötige Geld zu beschaffen, wur<strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>e Pro­<br />

jekte ausgearbeitet. Zu Ende <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts frug Fürst Alois<br />

das Oberamt an, ob es nicht tunlich wäre, das Geld, das bei E<strong>in</strong>­<br />

bürgerungen <strong>in</strong> die Nachbarschaft <strong>in</strong> die Hände der Untertanen<br />

komme, als Fonds zur F<strong>in</strong>anzierung der Schulen anzulegen. 38<br />

Summen wür<strong>den</strong> ohneh<strong>in</strong> <strong>in</strong> ausgelassenen Festlichkeiten und wil<strong>den</strong><br />

Tr<strong>in</strong>kgelagen zu Ehren <strong>des</strong> neuen Bürgers zum grossen Teil nutzlos<br />

vergeudet. Menz<strong>in</strong>ger unterbreitete dem Fürsten e<strong>in</strong>en andern Vor­<br />

schlag, <strong>in</strong>dem er mit Geldgeschäften e<strong>in</strong>e ansehnliche Summe als<br />

Schulfonds erwerben wollte. Beide Pläne wur<strong>den</strong> e<strong>in</strong>stweilen nicht<br />

verwirklicht. 3<br />

'<br />

Auch die Bemühungen um Beschaffung von Lehrbüchern<br />

und Schulmaterial s<strong>in</strong>d schon vor der E<strong>in</strong>führung der Normalschule<br />

zu beachten, 1789 übergab Hofkaplan Fuetscher anlässlich e<strong>in</strong>er<br />

Konferenz im Oberamte dem Landvogt e<strong>in</strong>e «Heilige <strong>Geschichte</strong> <strong>in</strong><br />

Erzählungen». Das Buch wurde durch die Zensur <strong>des</strong> bischöflichen<br />

Ord<strong>in</strong>ariates <strong>in</strong> Chur, weil es mit pantheistischen Ideen durchsetzt<br />

.'U. Hüchel. Schaan, 9:> f.<br />

3.1. I. c, 103.<br />

36. I.RA. AR. Fasz. XXIII 24, Hofkanzlei an das Oberamt, 6. Aug. 1789.<br />

37. I.


gewesen sei, abgewiesen. 38<br />

— 79 —<br />

<strong>Die</strong> Hofkanzlei pflichtete dem bischöf­<br />

lichen Ord<strong>in</strong>ariate bei, da ihr die Gründe zur Verwerfung, entgegen<br />

der Me<strong>in</strong>ung <strong>des</strong> Landvogtes, «allerd<strong>in</strong>g« erheblich» schienen. 39<br />

Dem häufigen Ausbleiben der K<strong>in</strong>der vom Unterricht konnte<br />

die Obrigkeit ohne gesetzliche Verordnung nicht beikommen. In <strong>den</strong><br />

Schülerverzeichnissen f<strong>in</strong><strong>den</strong> sich oft Bemerkungen wie, «ahsens <strong>in</strong><br />

Suevia». 40<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong>der wur<strong>den</strong> damals gerne <strong>in</strong>s Schwabenland ge­<br />

schickt, wo sie Gänse hüten oder Aehren lesen mussten. <strong>Die</strong>ses De­<br />

tail ist bezeichnend: <strong>den</strong> Eltern war alles wichtiger, <strong>den</strong> K<strong>in</strong>dern<br />

alles lieber, als die Schule.<br />

So lassen sich die Bestrebungen zur Reform <strong>des</strong> Schulwesens <strong>in</strong><br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> vor 1800 dah<strong>in</strong> deuten, dass wohl manches versucht<br />

wurde, e<strong>in</strong>e bessere Schule aufzubauen. Alle Pläne brachen jedoch<br />

unter der Ungunst der Zeit und anderer Umstände halber zusammen<br />

und Hessen die Schule <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zustand, der an Dürftigkeit reich,<br />

an Fortschritt ger<strong>in</strong>g, im Unterricht ungeschickt und <strong>in</strong> der Organi­<br />

sation mangelhaft war.<br />

2. <strong>Die</strong> neue Schule<br />

a) Das österreichische Vorbild<br />

<strong>Die</strong> Volksschulen Österreichs wur<strong>den</strong> im 18. Jahrhundert stark<br />

vom Geiste und <strong>den</strong> Ideen <strong>des</strong> Abtes Felbiger geformt. <strong>Die</strong> Methode<br />

Felbigers ist besonders durch vier Merkmale gekennzeichnet: Durch<br />

<strong>den</strong> Klassenunterricht, durch das Katechisieren, durch die Buch-<br />

stabenmethode und durch das Tabellarisieren. Der Klassenunter-<br />

richt stellte <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>e Neuerung dar, als die K<strong>in</strong>der früher e<strong>in</strong>­<br />

zeln vom Lehrer unterrichtet wur<strong>den</strong>. Beim Katechisieren sollte<br />

durch stetes Fragen und Antworten e<strong>in</strong> leiern<strong>des</strong> Auswendiglernen<br />

verhütet wer<strong>den</strong>. <strong>Die</strong> Tabellenmethode 41<br />

1<br />

aber war nach der Ansicht<br />

38. I. c, Schreiben der bischöflichen Kanzlei, 19. Herbstmonat 1789.<br />

39. 1. c, Schreiben der Hofkanzlei, 6. März 1790.<br />

40. PFA. Schaan, 9, Sehülerverzeichnis, 1801.<br />

41. Hug. 185 ff.


— 80 —<br />

Felbigers dazu geschaffen* <strong>in</strong> übersichtlichen Tabellen <strong>den</strong> Lehr<br />

Stoff <strong>den</strong> K<strong>in</strong>dern vor Augen zu führen, während die Buchstaben­<br />

methode 42<br />

e<strong>in</strong>e Art Mnemotechnik darstellte.<br />

<strong>Die</strong> Tätigkeit Felbigers entsprang se<strong>in</strong>er katholischen Welt­<br />

anschauung. 43<br />

Jedoch spielte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Denken e<strong>in</strong> rationalistischer<br />

Zug mit, der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ausgeprägten Neigung zum System, <strong>in</strong> der ge­<br />

r<strong>in</strong>gen Wertschätzung von Gefühl und Phantasie zu Gunsten e<strong>in</strong>er<br />

Überbetonung .<strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> deutlich hervortritt. Am erfolgreich­<br />

sten war Felbiger als Praktiker und Organisator. In se<strong>in</strong>er Schul­<br />

ordnung vom 6. Dez. 1774 forderte er <strong>den</strong> Schulzwang, die Auf­<br />

stellung von Schulkommissionen, für jede österreichische Prov<strong>in</strong>z<br />

e<strong>in</strong>e. Nörmalschule, für je<strong>den</strong> Kreis e<strong>in</strong>e Hauptschule und für alle<br />

Orte mit Pfarr- oder Filialkirche e<strong>in</strong>e Trivialschule. 44<br />

Damit war e<strong>in</strong><br />

System geschaffen, das durch die verschie<strong>den</strong>sten Länder Europas<br />

<strong>den</strong> Siegeszug antrat. 45<br />

Das Bild von <strong>den</strong> Anfängen der liechten­<br />

ste<strong>in</strong>ischen Schulen wäre äusserst unvollständig, wollte man nicht<br />

die. frappante Abhängigkeit, der liechtenste<strong>in</strong>ischen Schulgesetzge­<br />

bung von jener Österreichs unterstreichen. Peter Kaiser fühlte <strong>den</strong><br />

österreichischen E<strong>in</strong>fluss und kritisierte offenen Herzens: «Es ent­<br />

stan<strong>den</strong> Schulen nach e<strong>in</strong>em Muster e<strong>in</strong>es anderen grossen Staates,<br />

der hier<strong>in</strong> nicht Muster se<strong>in</strong> konnte . . .» 4fi<br />

<strong>Die</strong> Abhängigkeit der liechtenste<strong>in</strong>ischen Schulen vom öster­<br />

reichischen Vorbild trat klar <strong>in</strong> der Organisation <strong>des</strong> Schulwesens<br />

zu Tage, ohne dass der grosszügigen Anlage <strong>in</strong> allen Forderungen<br />

Genüge geleistet wor<strong>den</strong> wäre. Wohl waren die e<strong>in</strong>zelnen Schulen<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> liechtenste<strong>in</strong>ischen Dörfern, um die österreichischen Term<strong>in</strong>i<br />

zu gebrauchen, gewöhnliche Trivialschul<strong>den</strong>, die im josef<strong>in</strong>ischen<br />

Habsburgerreich bei jeder Pfärr- oder Filialkirche bestun<strong>den</strong>; 47<br />

aber die damalige Schule <strong>in</strong> Vaduz e<strong>in</strong>e «Hauptschule» 48<br />

zu nennen,<br />

konnte nur e<strong>in</strong>er Vorstellung im H<strong>in</strong>blick auf das österreichische<br />

42. Walthcr, 76 f.<br />

43. 1. c, 29.<br />

44. Staatswörterbuch IV, 829 ff.<br />

45. Hug, 198 ff.<br />

46. Kaiser, 504.<br />

47. Staatswörterbuch IV, 829. .<br />

48. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, verschie<strong>den</strong>e Akten.


— 81 —<br />

Vorbild entspr<strong>in</strong>gen, ohne dass man sich um <strong>den</strong> näheren Inhalt <strong>des</strong><br />

Begriffes gekümmert hätte: für Hauptschulen war e<strong>in</strong> erwei­<br />

terter Lehrplan mit Late<strong>in</strong>, Geographie, <strong>Geschichte</strong> und Geometrie<br />

usw. 49<br />

erforderlich, was <strong>in</strong> der «Hauptschule Vaduz» nicht e<strong>in</strong>mal<br />

geplant war. So f<strong>in</strong><strong>den</strong> wir <strong>in</strong> <strong>den</strong> Anfängen der liechtenste<strong>in</strong>ischen<br />

Schulen überall e<strong>in</strong> krampfhaftes Bemühen, es dem österreichischen<br />

Vorbild gleich zu tun. 50<br />

Mit <strong>den</strong> erwähnten Formen wurde auch der ideelle Gehalt über­<br />

nommen mit all <strong>den</strong> josef<strong>in</strong>ischen Ideen. Man trat auf Tradition<br />

und' Eigenrechte, als ob es gegolten hätte, Unkraut <strong>in</strong> <strong>den</strong> Bo<strong>den</strong> zu<br />

stampfen. Schuppler wollte «E<strong>in</strong>heit und Gleichheit» im Schulwesen<br />

erzw<strong>in</strong>gen. 51<br />

Gerne betonte Kaiser Josef, dass es «je<strong>des</strong> Bürgers<br />

wichtigste Pflicht» sei, «für <strong>den</strong> Staatsdienst tauglich zu wer<strong>den</strong>». 52<br />

<strong>Die</strong> liechtenste<strong>in</strong>ische Obrigkeit strebte nach gleichen Zielen: im<br />

Fürstentum wurde die «.Bildung <strong>des</strong> Gehorsams» <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>des</strong>­<br />

halb geboten, damit die K<strong>in</strong>der zu tüchtigen Untertanen <strong>des</strong> Staates<br />

erzogen wür<strong>den</strong>. 53<br />

In der «Musterschule Vaduz» unternahm man<br />

e<strong>in</strong>en ersten Versuch, das österreichische Vorbild zu verwirklichen.<br />

b) Schulgesetz und Schulplan<br />

Menz<strong>in</strong>ger wollte die Schule <strong>in</strong> Abhängigkeit vom Oberamle<br />

br<strong>in</strong>gen. Selbst <strong>den</strong> Geistlichen durfte nach der Me<strong>in</strong>ung <strong>des</strong> Land­<br />

vogtes nicht zu viel E<strong>in</strong>fluss gewährt wer<strong>den</strong>. H<strong>in</strong>gegen waren die<br />

f<strong>in</strong>anziellen Schwierigkeiten zur Errichtung von Schulen unter der<br />

Aufsicht <strong>des</strong> Oberamtes sehr gross. Deshalb suchte der Landvogt,<br />

wenigstens e<strong>in</strong>e <strong>den</strong> Wünschen <strong>des</strong> Oberamtes entsprechende Schule<br />

<strong>in</strong> Vaduz zu eröffnen. Den Nachbarschaften sollte dadurch das Bei­<br />

spiel e<strong>in</strong>es or<strong>den</strong>tlichen Schulbetriebes gegeben wer<strong>den</strong>. Weiter vor­<br />

an kam die Obrigkeit <strong>in</strong> ihren Bemühungen um das Schulwesen<br />

49. Staatswörterbuch IV, 829.<br />

50. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 16. April 1793. Schon 1793<br />

schrieb der Landvogt au die Hofkanzlei, <strong>in</strong> Anlehnung an das österreichische<br />

Vorbild, dass wenigstens der Hauptort e<strong>in</strong>e vom Oberamt abhängige<br />

Schule bekommen sollte.<br />

51. LRA. SR. Fasz. S 1, Schulplan Schlipplers; Marxer, Schule, 152 ff.<br />

52. Hantsch II, 241.<br />

53. LRA. SR. Fasz. S 1, Schulplan Schupplers.<br />

6


— 82 —<br />

e<strong>in</strong>stweilen nicht. Widersprüche verh<strong>in</strong>derten <strong>den</strong> Fortschritt: e<strong>in</strong>er­<br />

seits sollte die Schule ganz vom Oberamte abhängig se<strong>in</strong>, 54<br />

ander­<br />

seits aber hätten die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> die Geldmittel zum Unterhalt der<br />

Lehrer aufzubr<strong>in</strong>gen gehabt. An diesem Dilemma scheiterte die<br />

Schulgesetzgebung Menz<strong>in</strong>gers lange Jahre.<br />

In<strong>des</strong>sen suchte der Landvogt neue Mittel und Wege, um we­<br />

nigstens <strong>in</strong> Vaduz die Musterschule aufbauen zu 'können. Zur Dek-<br />

kung der Ausgaben wurde die Bruderschaft der hl. Anna <strong>in</strong> Vaduz<br />

um Geldspen<strong>den</strong> gebeten. 55<br />

<strong>Die</strong> Geistlichkeit wäre mit der Vergabung<br />

<strong>des</strong> Stiftungsgel<strong>des</strong> «aus hl. Seeleneifer» e<strong>in</strong>verstan<strong>den</strong> gewesen.''"<br />

Menz<strong>in</strong>ger verlangte 1000 fl. samt dem e<strong>in</strong>jährigen Z<strong>in</strong>s. Dafür hätte<br />

Vaduz die K<strong>in</strong>der der oberen Landschaft unentgeltlich <strong>in</strong> die Schule<br />

aufnehmen müssen. Konsequent aber hielt auch hier der Landvogt<br />

ah der zentralistischen Idee fest. Im Jahre 1802 betonte er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Schreiben an <strong>den</strong> Hofkaplan Steiger, die Schule falle unter das Res­<br />

sort der Polizeianstalten und stehe daher unter der Befehlsgewalt<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>herrn. Zweitens dürfe der Lehrer ke<strong>in</strong>en Nebenberuf aus­<br />

üben; er soll «weder von e<strong>in</strong>er Profession noch vom Acker leben<br />

und ausser e<strong>in</strong>em Garten ke<strong>in</strong> Fehl haben». Er müsse drittens ver­<br />

heiratet se<strong>in</strong>, damit die Frau <strong>den</strong> Mädchen Frauenarbeit beibr<strong>in</strong>gen<br />

könne. Viertens dürfe «er von ke<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de oder Bauern de-<br />

pendieren». 5<br />

" Hofkaplan Steiger empfahl, dass der Fürst zur Ver­<br />

wirklichung <strong>des</strong> Projektes «e<strong>in</strong> ziemliches beytragen» möge. Der<br />

Lan<strong>des</strong>herr müsste <strong>den</strong> Oberlehrer unterhalten, während der Unter­<br />

lehrer aus der Stiftung <strong>des</strong> Kaplans Negele weitgehend besoldet<br />

wer<strong>den</strong> könnte. 58<br />

Was die Gelder der Bruderschaft der hl. Anna be­<br />

traf, so riet der Hofkaplan «behutsames» Vorgehen. 5<br />

" <strong>Die</strong> Bruder­<br />

schaft der hl. Anna wollte nur 50 fl. für die Schule schenken. Trotz­<br />

dem gelang demLandvogt die Errichtung der neuen Schule <strong>in</strong> Vaduz.<br />

54. 1. c, AR. Fasz. XXIII 24, Menz<strong>in</strong>ger an <strong>den</strong> Hofkaplan, 12. Jan. 1802.<br />

55. Vgl. Büchel, Schaan, 105 f.<br />

56. LKA. AR. Fasz. XXIII 24, Schreiben mehrerer Geistlichen, 2. Herlistmonat<br />

1801.<br />

57. 1. c, Menz<strong>in</strong>ger an <strong>den</strong> Hofkaplan Steiger, 12. Jan. 1802.<br />

58. Vgl. Büchel, Schaan, 99 f.<br />

59. I.RA. AR. Fasz. XXIII 24, Hofkaplan Steiger an Menz<strong>in</strong>ger, 20. Jan. 1802.


— 83 —<br />

Um 1801 wurde die Musterschule <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er «Darstellung und<br />

Übersicht der verbesserten Schulanstalt im Hoch- und Reichsfürst­<br />

lichen Marktflecken <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>» folgender Massen beschrieben:<br />

<strong>Die</strong> zwei Klassen wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> folgen<strong>den</strong> Gegenstän<strong>den</strong> unterrichtet:<br />

1. Klasse: <strong>in</strong> Religion, wohlgesittetem Betragen, Erlernung der Buch­<br />

staben, wie auch im Lesen und Schreiben. 2. Klasse: <strong>in</strong> Religion,<br />

wohlgesittetem Betragen, im Schön- und Rechtschreiben, im Diktat­<br />

schreiben, im Lesen <strong>des</strong> Gedruckten und Geschriebenen und im<br />

Rechnen. 60<br />

Im Wesentlichen wurde der Stun<strong>den</strong>plan der Muster­<br />

schule <strong>in</strong> <strong>den</strong> Jahren 1806 — 1807 01<br />

Landschaften e<strong>in</strong>geführt.<br />

<strong>in</strong> allen Schulen der bei<strong>den</strong><br />

<strong>Die</strong> Entwicklung <strong>des</strong> Schulwesens schritt unaufhaltsam weiter:<br />

<strong>den</strong>n die Schulidee war auf Wachstum angelegt, e<strong>in</strong> Vorbild, wie<br />

es die Schule <strong>in</strong> Vaduz ja se<strong>in</strong> sollte, wäre ohne die Empfehlung<br />

zur Nachahmung e<strong>in</strong> Widerspruch <strong>in</strong> sich gewesen: das Vorbild ge­<br />

nügt sich selbst nicht. Auch deutete das massgebende Beispiel <strong>in</strong><br />

Österreich auf e<strong>in</strong>e ähnliche Entwicklung <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> h<strong>in</strong>; 1771<br />

war <strong>in</strong> Wien e<strong>in</strong>e Normalschule errichtet wor<strong>den</strong>, damit sie «<strong>in</strong> und<br />

vor der Stadt und auch auf dem Lande zum Muster diene . . .». 62<br />

<strong>Die</strong> Schweiz hatte schon e<strong>in</strong> ausgeprägtes Schulwesen erhalten.<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> durfte ke<strong>in</strong>e Insel mehr oder weniger ausgesprochener<br />

Analphabeten se<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> Entscheidung fiel 1805. 63<br />

Durch <strong>den</strong> Erlass der fürstlichen Hofkanzlei vom 18. September<br />

1805 wurde der Grundste<strong>in</strong> zur neuen Schule gelegt. 64<br />

<strong>Die</strong> sieben<br />

Artikel umfassende Verordnung stammt fast wörtlich aus e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>­<br />

gabe, die Pfarrer Wolfgang Benedikt Schmidt 65<br />

im Namen der Geist­<br />

lichen der oberen Landschaft verfasst hatte. 00<br />

<strong>Die</strong> Artikel lauten:<br />

60. 1. c, Stun<strong>den</strong>plan, 1801.<br />

61. <strong>Die</strong>s trifft besonders nach der E<strong>in</strong>führung der allg. Schulpflicht zu.<br />

62. Hug, 180.<br />

63. LRA. RA. Fasz. XXIII 24, Schreiben der Hofkanzlei zur E<strong>in</strong>führung der<br />

allg. Schulpflicht. 18. Sept. 1805.<br />

64. 1. c.<br />

65. Küchel, Triesen, 87, 89, Schaan, 77. Wolfgang Benedikt Schmidt stammte<br />

aus Forchheim <strong>in</strong> Bayern, war Erzfrauziskaner <strong>in</strong> Viktorsberg, dann Prof.<br />

der Grammatik <strong>in</strong> Feldkirch, schliesslich Pfarrer <strong>in</strong> Triesen und seit dem<br />

18. Marz 1807 Hofkaplan <strong>in</strong> Schaan, wo er im gleichen Jahre starb.<br />

66. LRA. AR. Fasz. XXIII 24. Geistlichkeit der oberen Landschaft an Menz<strong>in</strong>ger.<br />

7. Juni 1805.


— 84 —<br />

1. In jeder Geme<strong>in</strong>de muss e<strong>in</strong> tauglicher Lehrer «e<strong>in</strong>.<br />

2. <strong>Die</strong> Anstellung und Absetzung <strong>des</strong> Lehrers geschieht durch die<br />

Lan<strong>des</strong>obrigkeit und <strong>den</strong> Ortsgeistlichen.<br />

3. <strong>Die</strong> W<strong>in</strong>terschule soll von Mart<strong>in</strong>i bis Georgi dauern. 67<br />

4. Jede Geme<strong>in</strong>de muss sich zur Besoldung der Lehrer über e<strong>in</strong>en<br />

Schutfonds ausweisen können.<br />

5. Jede Geme<strong>in</strong>de hat e<strong>in</strong> Schulhaus zu bauen:<br />

6. <strong>Die</strong> Eltern müssen die K<strong>in</strong>der -vom 7. bis zum 13. Lebensjahr<br />

<strong>in</strong> die Schule schicken. •<br />

7. Es muse e<strong>in</strong> Schulplan entworfen und e<strong>in</strong>gerichtet wer<strong>den</strong>. 68<br />

Somit war laut Artikel 6 der Schulzwang e<strong>in</strong>geführt. <strong>Die</strong> Schule<br />

und die Lehrerschaft wur<strong>den</strong> aus der Abhängigkeit der Geme<strong>in</strong>de<br />

gelöst. Nur der Ortspfarrer konnte <strong>in</strong> Schulsachen die Interessen<br />

der Geme<strong>in</strong>de wirksam vertreten. <strong>Die</strong> Verordnung gab dem Land­<br />

vogt e<strong>in</strong> Gesetzes<strong>in</strong>strument <strong>in</strong> die Hand, das Säumige mit lan<strong>des</strong>­<br />

fürstlicher Ungnade bedrohte, Teilnamslöse aufrüttelte und Eifrige<br />

<strong>in</strong> ihrer Tätigkeit für die Schule aufmunterte.<br />

Wie aus <strong>den</strong> Akten'erschlossen wer<strong>den</strong> kann, beschränkte sich<br />

der Landvogt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Bemühungen, das neue Schulgesetz zu ver­<br />

wirklichen, e<strong>in</strong>stweilen auf die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> der ehemaligen Graf­<br />

schaft Vaduz; <strong>in</strong> der Herrschaft Schellenberg erstrebte er die Durch­<br />

führung <strong>des</strong> Gesetzes im folgen<strong>den</strong> Jahre. Wohl <strong>des</strong>halb vermerkt<br />

der aufmerksame Eschner Chronist Helbert <strong>in</strong> lakonischer Kürze<br />

erst im Jahre 1806: «In der liechtenste<strong>in</strong>ischen Herrschaft ist jetzt<br />

die Normalschule e<strong>in</strong>geführt wor<strong>den</strong>». 69<br />

E<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> das damalige Schulwesen gewährt der <strong>in</strong> der<br />

Verordnung vom 18. Sept. 1805 <strong>in</strong> Auftrag gegebene Schulplan. 70<br />

67. Mart<strong>in</strong>i ist am 11. Nov., Georgi am .23. April.<br />

68. LRA. AR. Fasz. XXIII. 24, Erlass der Hofkanzlei. 18. Sept. 1805.<br />

69. Helbert, 125.<br />

70. Art. VII <strong>des</strong> Erlass es vom 18. Sept. 1805. Das Orig<strong>in</strong>al <strong>des</strong> alten Schulplanes<br />

g<strong>in</strong>g verloren. Wie weit man- Schupplers Aufzeichnungen zum allen<br />

Schtilplan vertrauen kann, ist schwer abzugrenzen. Je<strong>den</strong>falls kannte er<br />

ihn aus' der Praxis. Erst am 1. Aug. 1822 wurde der alte durch e<strong>in</strong>en<br />

neuen ersetzt. (Marxer, Schule, 152 f.) Vgl. die Akten LRA. SR. Fasz. S 1,<br />

341/pol., 31. Juli 1809, 373/pol., 24. Aug. 1809. <strong>Die</strong> Ause<strong>in</strong>andersetzung- be<br />

weist, dass Schuppler <strong>den</strong> alten Schulplan nicht gut kannte. Überhaupt<br />

sche<strong>in</strong>t der Schulplan nur teilweise e<strong>in</strong>gebalten wor<strong>den</strong> zu se<strong>in</strong>.


I.ehrgegenstände<br />

— 85 —<br />

1. «<strong>Die</strong> Religion und derselben <strong>Geschichte</strong> nebst Sittenlehre, dem<br />

Katechismus und dem Lesebuch.»<br />

2. «Das Lesen, Buchstabieren, Lesen gedruckter und geschriebener<br />

Sachen, die Kurrentschrift, von der Rechenkunst, die fünf<br />

Spezies.»<br />

<strong>Die</strong> W<strong>in</strong>terschule<br />

1. Sie dauert von Mart<strong>in</strong>i bis Georgi.<br />

2. Ausser Sonn- und Feiertagen wird alle Tage Schule gehalten.<br />

3. Am <strong>Die</strong>nstag und Donnerstag ist nachmittags Vakanz, jedoch<br />

nur dort, wo die Sonn- und Feiertagsschule e<strong>in</strong>geführt ist. Be­<br />

steht aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dorfe ke<strong>in</strong>e Sonn- und Feiertagsschule, so<br />

ist <strong>in</strong> jeder Woche nur der Donnerstag schulfrei.<br />

4. Fällt unter die Woche e<strong>in</strong> gebotener Feiertag, so -wird an e<strong>in</strong>em<br />

der obigen Vakanztage, der dem Feiertag am nächsten ist, Schule<br />

gehalten. Am Namenstag <strong>des</strong> Fürsten und der Fürst<strong>in</strong> ist schul­<br />

frei; am Namensfeste <strong>des</strong> Landvogtes und <strong>des</strong> Schul<strong>in</strong>spektors<br />

kann der Ortspfarrer Vakanz geben.<br />

5. <strong>Die</strong> Schüler sollen sich um V2 8 Uhr versammeln, dann mögen<br />

sie <strong>in</strong> Begleitung <strong>des</strong> Lehrers <strong>in</strong> die Kirche gehen. Der Unterricht<br />

beg<strong>in</strong>nt um 8 Uhr, nachmittags dauert er von 1 bis 3 Uhr.<br />

<strong>Die</strong> Sommerschule<br />

1. Sie dauert von Georgi bis Mart<strong>in</strong>i.<br />

2. Es wird dreimal <strong>in</strong> der Woche Schule gehalten: Montag, Mitt­<br />

woch, Freitag.<br />

3. <strong>Die</strong> Schüler der 3. Kl. sammeln sich um 6 Uhr <strong>in</strong> der Schule,<br />

gehen dann <strong>in</strong> Begleitung <strong>des</strong> Lehrers <strong>in</strong> die Kirche, und um<br />

V2 7 Uhr beg<strong>in</strong>nt der Unterricht, der bis V2 9 Uhr dauert.<br />

4. <strong>Die</strong> Schüler der 1. und 2. Klasse kommen alsdann <strong>in</strong> die Schule.<br />

Ihr Unterricht dauert von 9 bis 11 Uhr.<br />

5. Zur Zeit der Heuernte s<strong>in</strong>d 14 Tage Vakanz e<strong>in</strong>zuschieben, da­<br />

6 *<br />

mit die K<strong>in</strong>der <strong>den</strong> «Eltern helfen können».


Sonntagsschule<br />

— 86 —<br />

1. <strong>Die</strong> Sonntagsschule wird von Jüngl<strong>in</strong>gen und Mädchen im Alter<br />

von 12 bis 20 Jahren besucht. Alle Sonntage wird zwei Stun<strong>den</strong><br />

Wiederholungsuntericht gegeben.<br />

2. <strong>Die</strong> Mädchen und Knaben besuchen abwechslungsweise die<br />

Sonntagsschule.<br />

Schulbesuch<br />

<strong>Die</strong> Schule muss von allen K<strong>in</strong>dern vom 7. bis zum 12. voll­<br />

endeten Altersjahr besucht wer<strong>den</strong>. Der Lehrer bat Absenzlisten zu<br />

führen, die alle Monate dem Pfarrer übergeben wer<strong>den</strong> müssen, der<br />

sie an das Oberamt weiterleitet.<br />

Schulaufsicht<br />

1. Höchste Inspektion steht dem Oberamte zu.<br />

2. <strong>Die</strong> untergeordnete Aufsicht wird dem jeweiligen Ortspfarrer<br />

übertragen, der die Lehrer beaufsichtigt und <strong>den</strong> Unterricht<br />

kontrolliert. Dem Pfarrer fällt auch die Stun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>teilung zu;<br />

ihm wird die Verwaltung der Schule <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de überlassen:<br />

er muss die Buchhaltung führen, Namenlisten aufstellen, Prü­<br />

fungen veranstalten usw.<br />

Lehrmethode<br />

<strong>Die</strong> Normalschule besteht aus drei Klassen je nach Alter und<br />

Fähigkeit. Der Unterricht wird klassenweise erteilt.<br />

Schulzücht<br />

Besonderer Wert wird auf die Bildung <strong>des</strong> Gehorsams gelegt;<br />

als weitere Bildungsideale wer<strong>den</strong> angeführt: <strong>Die</strong> Liebe zur Ord­<br />

nung, die Übung <strong>des</strong> Willens, die Pflege der Re<strong>in</strong>lichkeit, das Stre­<br />

ben nach Wahrhaftigkeit, die Veredlung <strong>des</strong> Gefühls, die Erziehung<br />

zur Schamhaftigkeit und höflichen Gefälligkeit.


— 87 —<br />

Wichtig <strong>in</strong> diesem Schulplan ist die vollendete Zentralisation<br />

<strong>des</strong> Schulwesens. Daneben aber s<strong>in</strong>d die grossen Befugnisse der Orts-<br />

geistlichen nicht ausser acht zu lassen. Auch <strong>in</strong> Österreich nahm die<br />

Entwicklung <strong>des</strong> Schulwesens unter Kaiser Franz (1804 —1835)<br />

e<strong>in</strong>en für die Kirche günstigen Verlauf. 71<br />

Als methodische Neue­<br />

rung ist besonders der Klassenunterricht als vorteilhaft hervorzuhe­<br />

ben. Uber das Unterrichtsmaterial, wie etwa Bücher, geben die<br />

Quellen wenig Auskunft. In<strong>des</strong>sen bekun<strong>den</strong> die Akten die grosse<br />

Mühe, die sich die Obrigkeit <strong>in</strong> der Verwaltung der Schulen kosten<br />

Hess.<br />

c) Schulvcrwaltung<br />

Am meisten musste die Obrigkeit um die Erledigung der all­<br />

täglichen Schulfragen kämpfen, wie um die Anstellung von Lehrern,<br />

um deren Auskommen, um <strong>den</strong> Bau von Schulhäusern und um die<br />

Erfüllung der Schulgesetze. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong>der wur<strong>den</strong> ermahnt, fleissig <strong>in</strong><br />

die Schule zu gehen, die Pfarrer verpflichtet, stets für die Schuh-<br />

besorgt zu se<strong>in</strong>, 72<br />

anzulegen.<br />

<strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> wurde befohlen, e<strong>in</strong>en Schulfonds<br />

Der Auswahl und Anstellung der Lehrer schenkten die Land­<br />

vögte e<strong>in</strong>e besondere Aufmerksamkeit. Balzers stellte e<strong>in</strong>en mit guten<br />

Zeugnissen versehenen Lehrer an, während der alte, e<strong>in</strong> «eisgrauer<br />

Mann», weichen musste. In Mauren hatte der Pfarrer zu un­<br />

tersuchen, ob der alte Lehrer nicht e<strong>in</strong>er jüngeren Kraft Platz<br />

machen sollte. 73<br />

stellung e<strong>in</strong>es neuen Lehrers, 74<br />

In Triesenberg dachte man schon 1805 an die An­<br />

während die Geme<strong>in</strong>de Balzers durch<br />

die m<strong>in</strong>derwertigen moralischen Qualitäten e<strong>in</strong>es neuen Lehrers <strong>in</strong><br />

Verlegenheit geriet. 73<br />

71. Staatswörterbuch IV., 830.<br />

Anderseits aber war der anfängliche Maugel<br />

72. LRA. AR. Fasz. G 1, Landvogt an die Geistlichen <strong>des</strong> Ueterlan<strong>des</strong>, 23.<br />

März 1810.<br />

73. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Menz<strong>in</strong>ger an <strong>den</strong> Pfarrer von Mauren, 6. Nov.<br />

1807; 1. c, SR. Fasz. Sl, 131/pol., Protokoll, 14. Dez. 1808; vgl. Marxer,<br />

Schule, 150.<br />

74. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Aktum, 26. Nov. 1805.<br />

75. 1. c, SR. Fasz. Sl, verschie<strong>den</strong>e Akten, 1808.


88 —<br />

an tauglichen Lehrkräften im Laufe der Amtszeit Landvogt Schupp­<br />

lers hehoben wor<strong>den</strong> und 1810 meldeten sich für e<strong>in</strong>e ausgeschrie­<br />

bene Lehrstelle drei Bewerber. 76<br />

Der Obrigkeit verursachte die Errichtung e<strong>in</strong>es Schulfonds <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>, der zur Entlohnung der dortigen Lehrer<br />

geschaffen wen<strong>den</strong> sollte, grosse Mühen. Balzers war die erste<br />

Geme<strong>in</strong>de, die aus eigenen Mitteln e<strong>in</strong>en Schulfonds aufzuweisen<br />

hatte. Sie verteilte Geme<strong>in</strong>debo<strong>den</strong> unter die Bürger, und jeder<br />

Pächter musste e<strong>in</strong>e Summe Gel<strong>des</strong> für Sohulzwecke entrichten. In<br />

Triesen wurde gegen die Anlegung' e<strong>in</strong>es Schulfonds passiver Wider­<br />

stand geleistet. Doch konnten die meisten Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> schon 1808<br />

e<strong>in</strong>en Fonds aufweisen, der fast immer durch Belastung <strong>des</strong> Ge­<br />

me<strong>in</strong>debo<strong>den</strong>s entstan<strong>den</strong> war. 77<br />

Vor allem Landvogt Schuppler war für die soziale Besserstel­<br />

lung der Lehrer besorgt und plante die Errichtung e<strong>in</strong>es Lan<strong>des</strong>-<br />

schulfonds. Zu diesem Zweck griff er die Kapitalien frommer<br />

Stiftungen an. <strong>Die</strong> Verlockung, sich dieser ansehnlichen Summen im<br />

Namen <strong>des</strong> Fürsten zu bemächtigen, war zu gross, als dass der Land-<br />

vogt ihr hätte widerstehen können. Berechnung und Nützlichkeit<br />

war das Gesetz se<strong>in</strong>es Handelns. <strong>Die</strong> Notwendigkeit <strong>des</strong> Fonds galt<br />

als Entschuldigung, die über Be<strong>den</strong>ken h<strong>in</strong>weg half. Der Endzweck<br />

<strong>des</strong> frommen <strong>Die</strong>bstahls war ja die Förderung der Bildung und die<br />

Schulung der Untertanen zu tugendhaften Bürgern. In Vor­<br />

arlberg hatte der alles bemutternde Staat die Verwaltung der Stif­<br />

tungsgelder übernommen. 78<br />

reich geschehen. 79<br />

Ähnliches war im josef<strong>in</strong>ischen Öster­<br />

Das schlechte Beispiel diente dem Landvogt als<br />

aneifernde Rechtfertigung se<strong>in</strong>es Vorgehens. Waren die Mittel zwei­<br />

felhaft, so war doch der Zweck gut. E<strong>in</strong> Argument jagte so das<br />

andere. Am 1. Juli 1812 erliess der Landvogt folgende Anfrage an<br />

die Geistlichen <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong>: Was für geistliehe Bruderschaften<br />

bestehen im Fürstentum <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>? Wieviel Vermögen besitzen<br />

sie? Mit welchen jährlichen Stiftungen und Verpflichtungen s<strong>in</strong>d die<br />

76. 1. c, 335/pol., 15. Sept. 1812; 389/pol., 16. Nov. 1812.<br />

77. 1. c. AR. Fasz. XXIII 24, Schreiben der e<strong>in</strong>zelnen Geme<strong>in</strong>devorsteher.<br />

1805 — 1808; Marxer, Schule, 151 f.<br />

78. Hirn, 42 ff.<br />

79. W<strong>in</strong>ter, 242 ff., Grundsätze Josefs II., 141.


Kapitalien behaftet? 80<br />

— 89 —<br />

Selbst <strong>in</strong> die Bezirke der Kirche griff die<br />

Hand <strong>des</strong> bürokratischen Staates. E<strong>in</strong>en namhaften Betrag hatte<br />

die Kapelle auf Dux, die Bruderschaft der hl. Anna <strong>in</strong> Vaduz und<br />

e<strong>in</strong>e Schützengesellschaft <strong>in</strong> Eschen aufzuweisen. Der Landvogt<br />

wollte <strong>den</strong> Stiftungen nur soviel Geld lassen, als sie zur Erfüllung<br />

ihrer Pflichten notwendig besitzen mussten. Besonders hart wurde<br />

durch die neue Verordnung die Kapelle auf Dux getroffen. 81<br />

Stiftungsvermögen betrug 6302 fl., davon sollten 4302 fl. für die<br />

Schule verwendet wer<strong>den</strong> und über die restlichen 2000 fl. verlangte<br />

der Landvogt die Oberaufsicht. Es durften ohne Erlaubnis der Ob­<br />

rigkeit ke<strong>in</strong>e Ausgaben gemacht wer<strong>den</strong>. Bei Nichtbeachtung ober­<br />

amtlicher Vorschriften drohte der Landvogt mit dem E<strong>in</strong>zug <strong>des</strong><br />

noch verbliebenen Restes. 82<br />

Ihr<br />

Durch dieses Vorgehen kam besonders<br />

die Pfarrkirche von Schaan zu Scha<strong>den</strong>, die seit 1806 mit Erlaubnis<br />

<strong>des</strong> Officiums <strong>in</strong> Chur weitgehend die Z<strong>in</strong>sen jenes Kapitals genoss. 83<br />

Der St. Annabruderschaft wur<strong>den</strong> von 1559 fl. Vermögen 919 fl.<br />

für <strong>den</strong> Schulfonds <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> abgenommen. <strong>Die</strong> Schützengesell­<br />

schaft <strong>in</strong> Eschen kam um ihr gesamtes Vermögen im Betrage von<br />

116 fl. Um <strong>den</strong> Fonds zu erhöhen, musste je<strong>des</strong> Brautpaar bei der<br />

E<strong>in</strong>holung <strong>des</strong> oberamtliohen Konsenses 2 fl. zahlen. <strong>Die</strong> Z<strong>in</strong>sen und<br />

E<strong>in</strong>nahmen aus <strong>den</strong> Schulfonds der Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> sollten der Besol­<br />

dung der Lehrer dienen. Der Plan Schupplers fand am 6. Oktober<br />

1812 die Zustimmung <strong>des</strong> Fürsten. 84<br />

Im Jahre 1807 begann man <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> mit dem<br />

Bau von Schulhäusern. Der Landvogt drängte überall: Den Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

Balzers und Schaan wurde befohlen, mit dem Bau von Schulhäusern<br />

endlich anzufangen. Mauren bat <strong>den</strong> Fürsten um <strong>den</strong> Bauplatz. 85<br />

<strong>Die</strong> Bürger der Geme<strong>in</strong>de Triesen suchten um fürstliche Unter­<br />

stützung nach, da sie sich wegen der «Kriegserlittenheitsausgleich-<br />

80. LRA. SR. Fasz. Sl, 181/pol., an die Geistlichkeit im Fürstentum. 1. Juli<br />

1812; vgl. Marxer, Schule, 151.<br />

81. Büchel, Schaan, 60 ff.<br />

82. PfA. Schaan, 25, Schupplers Verfügungen über die Stiftung, 26. Okt. 1812.<br />

83. 1, c, Verordnung <strong>des</strong> Officiums (Schreiben Baals), 21. Mai 1806.<br />

84. Schädler, Entwicklung, 22; Helbert, 138, . . item jede Hochzeit muss 2 fl.<br />

dazuzahlen . . »; Büchel, Schaan, 106, Annabruderschaft.<br />

85. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Bittschreiben Maurens an <strong>den</strong> Fürsten. 20. März<br />

1807; vgl. Büchel, Mauren II, 28; Marxer, Volksschule, 142.


— 90 —<br />

schul<strong>den</strong>» für unfähig erklärten, dun Bau e<strong>in</strong>es Schulhauses aus<br />

eigenen Mitteln f<strong>in</strong>anzieren zu können. 80<br />

Uni 1806 g<strong>in</strong>g Land-<br />

vogt Menz<strong>in</strong>ger der letzte Rest von Geduld gegen die saumseligen<br />

Schaaner aus. In ungehaltenem Zorn schrieb er: Schon seit zwei<br />

Jahren hätten ihn die Schaancr .getäuscht, <strong>in</strong>dem sie vorgaben, e<strong>in</strong><br />

Schulhaus zu hauen, aber niemand <strong>in</strong> Schaan <strong>den</strong>ke daran, die Ver­<br />

pflichtungen zu erfüllen. 8<br />

' <strong>Die</strong> Klage Menz<strong>in</strong>gers kann nur als echt<br />

empfun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>: «Es ist hart, etwas zu erzielen.» 88<br />

Dabei flössen<br />

die fürstlichen Spen<strong>den</strong> wegen der Ungunst der Zeit nicht mehr all­<br />

zu reich. 8<br />

"Lediglich zum Abbruch der altehrwiirdigen St. Wolfgangs­<br />

kapelle <strong>in</strong> Triesen"" gab die Hofkanzlei <strong>in</strong> Wien die Erlaubnis, um<br />

<strong>den</strong> Triesnern Material zum Bau <strong>des</strong> Schulhauses zu verschaffen. 91<br />

Trotzdem waren die Bemühungen Menz<strong>in</strong>gers, <strong>in</strong> jeder Geme<strong>in</strong>de<br />

e<strong>in</strong> Schulbaus zu bauen, oder wenigstens e<strong>in</strong> Lokal für <strong>den</strong> Unter­<br />

richt bereitzustellen, im grossen und ganzen von Erfolg gekrönt.<br />

Das Oberamt führte e<strong>in</strong>en unerbittlichen Kampf zur Rechtfer­<br />

tigung der neuen Schule. In e<strong>in</strong>em Schreiben an die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> der<br />

untern Landschaft beschwerte sich der Landvogt, dass e<strong>in</strong>ige Eltern<br />

<strong>in</strong> der Herrschaft Schellenberg über die Schule schimpften und die<br />

Lehrart, die sie gar nicht verstän<strong>den</strong>, kritisierten. 92<br />

Empf<strong>in</strong>dlich<br />

reagierte die Obrigkeit auf jede abschätzige Äusserung gegen das<br />

ITildungswesen. E<strong>in</strong> Bürger aus Eschen nannte 1808 im Jähzorn die<br />

Schule e<strong>in</strong>e «Spitzbubenschule», was de<strong>in</strong> Oberamt h<strong>in</strong>terbracht<br />

wurde, und der zornesmütige Bürger hatte vor dem Oberamt zu er­<br />

sche<strong>in</strong>en."'' Auch die Leiter der Ortsschulen, die Pfarrer, mussten<br />

Verweise e<strong>in</strong>stecken. Dem Pfarrer von Balzers wurde vorgeworfen,<br />

86. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Bittschreiben der Geme<strong>in</strong>de Triesen an <strong>den</strong><br />

Fürsten, 24. Aug. 1807.<br />

87. 1. c. Menz<strong>in</strong>ger an Schaan, 5. Juni 1807.<br />

88. 1. c. derselbe an <strong>den</strong> Pfarrer von Triesenberg, 15. Sept. 1807.<br />

89. 1. c, Hofkanzlei an das Oberamt, 13. Marz 1808.<br />

90. Büchel, Triesen, 51, 61; Kdm., 136 ff.<br />

91. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Hofkanzlei an das Oberamt, 6. Aug. 1808; Kdm.,<br />

136 Anmerkung.<br />

92. LHA. AR. Fasz. XXIII 24, Menz<strong>in</strong>ger an die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> Eschen, Mauren<br />

und Bendern, 3. Jan. 1807.<br />

>>3. I. c, Schreiben Menz<strong>in</strong>gers, 18. März 1808.


— 91 —<br />

dass er zu -wenig für die Schule sorge: «<strong>den</strong>n für e<strong>in</strong>es kommen die<br />

K<strong>in</strong>der sehr unzeitlich, die e<strong>in</strong>en früher, die andern später, die an­<br />

dern gar nicht; e<strong>in</strong>ige haben Bücher, andere gar nicht»." 4<br />

Das Oberamt nahm auch die Mühen der Visitationen auf sich.<br />

In Mauren habe es die Schule ziemlich gut befun<strong>den</strong>, auf Schellen­<br />

berg untl Ruggell «e<strong>in</strong>igermassen passabel», zu Gampriu aber<br />

«elend»; die beste Schule traf das Amt <strong>in</strong> Eschen an. 9<br />

° Oft waren<br />

die Klagen, die an das Oberamt kamen, von geradezu schrecklicher<br />

Langweiligkeit. 90<br />

Aus <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Zurechtweisungen <strong>des</strong><br />

Oberamtes an die Gerichte von Eschen." 7<br />

Herrschaft Schellenberg 98<br />

an die Geistlichen der<br />

und an mehrere Nachbarschaften ist er­<br />

sichtlich, auf welchen Widerstand die Verordnungen über <strong>den</strong> Schul­<br />

zwang stiess. Noch 1815 klagte der Pfarrer von Triesenberg, der<br />

Schulbesuch werde von Jahr zu Jahr schlechter: «Es soll K<strong>in</strong>der<br />

gegeben haben, die kaum <strong>den</strong> 3. oder 4. Teil <strong>des</strong> Unterrichtes mit­<br />

machten. Züchtigt der Lehrer e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>der, so bleiben sie <strong>des</strong>to<br />

mehr aus, droht er ihnen mit Geldbussen, so lachen sie.» 99<br />

Im Überblick ist festzuhalten, dass für die ganze spätere Ent­<br />

wicklung <strong>des</strong> Schulwesens die Verordnung vom 18. September 1805<br />

entschei<strong>den</strong>d wurde. Man kann dieses Datum als <strong>den</strong> Geburtstag der<br />

liechtenste<strong>in</strong>ischen Schule bezeichnen: Hier wur<strong>den</strong> die Richtl<strong>in</strong>ien<br />

für die Organisation <strong>des</strong> Schulwesens gegeben. <strong>Die</strong> Schulgesetzge­<br />

bung fand hier ihren eigentlichen Anfang. 100<br />

Hier siegte die zentra-<br />

listische Idee. Den Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> blieb <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> jede E<strong>in</strong>fluss-<br />

nahme auf die Schule versagt; sie mussten zum Unterhalt der Lehrer<br />

beitragen und Schulhäuser bauen. Nur die Stimme <strong>des</strong> Pfarrers war<br />

94. 1. c. Menz<strong>in</strong>ger an <strong>den</strong> Pfarrvikar Auer, 16. Hornung 1807.<br />

95. 1. c.. Notiz Menz<strong>in</strong>gers, 14. März 1807.<br />

96. 1. c., SR. Fasz. Sl, 42/pol., Sehreiben <strong>des</strong> Frühmessers Frömmelt an d< n<br />

Landvogt, 1. Hornung 1810. Der Frühmesser rechtfertigt <strong>in</strong> lapidarem Stil<br />

se<strong>in</strong> Verhalten nnd droht dem Landvogt, er werde ihm <strong>den</strong> «Ludimagisterdienst<br />

heimstellen».<br />

97. 1. c, 203/pol., Schreiben <strong>des</strong> Landvogtes nach Eschen, 19. Mai 1810.<br />

98. 1. c, 209/pol., Schreiben Schupplers, 23. März 1810.<br />

Der Landvogt schreibt, dass «zu Mauren weder Sommer- noch W<strong>in</strong>tersehule<br />

gehalten werde,» <strong>des</strong>gleichen <strong>in</strong> <strong>den</strong> andern Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> der unteren Landschaft.<br />

99. 1. c. 227/pol., Pfarrer von Triesenberg an das Oberamt, 1. Dez. 1815.<br />

100. Marxer, Volksschule, 141 ff., zur Entwicklung nach Schuppler.


— 92<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Pfarrei von Gewicht. 101<br />

ganz im S<strong>in</strong>ne Felbigers, 102<br />

<strong>Die</strong> Schule blieb noch weitgehend,<br />

e<strong>in</strong>e Angelegenheit der Kirche. Der<br />

Staat aber verschaffte «ich durch vermehrte Unterstützung <strong>des</strong> Un-<br />

terichtswesens grosse Rechte.<br />

Damit war e<strong>in</strong> neues, freilich wenig orig<strong>in</strong>elles Schulsystem<br />

aufgebaut, das <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Struktur, mit josef<strong>in</strong>ischen, utilitaristischen<br />

und manchen philanthropischen Gedanken durchsetzt, allzusehr <strong>den</strong><br />

österreichischen Vater verriet. Den pädagogischen Eiferern schie­<br />

nen die Stiftungsgelder <strong>in</strong> Schulfonds besser angelegt als im Unter­<br />

halt von Kirchen und Kapellen. Aber wir f<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Anfängen<br />

<strong>des</strong> liechtenste<strong>in</strong>ischen Schulwesens viel Grosszügiges, das leider oft<br />

nur Plan und Projekt blieb. Der tätigen Obrigkeit entg<strong>in</strong>gen die<br />

Mängel der neuen Institution nicht. Sie sah wachen Auges die noch<br />

nicht überwun<strong>den</strong>en K<strong>in</strong>derkrankheiten der neuen E<strong>in</strong>richtungen<br />

und deckte mit schonungsloser Offenheit Schä<strong>den</strong> auf. 103<br />

<strong>Die</strong> häufi­<br />

gen Geldstrafen für unentschuldigtes Ausbleiben vom Unterricht, die<br />

Verständnislosigkeit der Lan<strong>des</strong>bevölkerung jeder Bildung gegen­<br />

über, der Mangel an F<strong>in</strong>anzen mochten <strong>den</strong> Zukunftsglauben der<br />

Obrigkeit manchmal erschüttert haben, nichts vermochte ihren Op­<br />

timismus zu zerstören. Und Sohuppler schrieb: «So kann die Bildung,<br />

da soviele H<strong>in</strong>dernisse bekämpft wer<strong>den</strong> müssen, nur langsam vor­<br />

wärts schreiten, weswegen ihr Gutes erst <strong>in</strong> künftigen Generationen<br />

bemerkbar se<strong>in</strong> wird.» 104<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung der Schule <strong>in</strong> <strong>den</strong> Amtsperio<strong>den</strong> Menz<strong>in</strong>gers und<br />

Schupplers ist ohne Zweifel bedeutend. <strong>Die</strong> D<strong>in</strong>ge verhalten sich so.<br />

dass Schupplers Tätigkeit im Schulwesen, ohne die se<strong>in</strong>es Vorgän­<br />

gers zu kennen, nicht verstan<strong>den</strong> oder dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong> falsches Licht ge­<br />

rückt wer<strong>den</strong> könnte. Gerne wer<strong>den</strong> Schupplers Verdienste hervor­<br />

gehoben, die Menz<strong>in</strong>gers aber blieben vergessen. 100<br />

Damit geschieht<br />

101. Derselbe, Schule, 155; LRA. AR. Fasz. XXIII 24, 16. April 1793; dies trifft<br />

trotz der* Angst Menz<strong>in</strong>gers vor dem E<strong>in</strong>fluss <strong>des</strong> Geistlichen zu.<br />

102. Walther, 44.<br />

103. LBS., Nr. 7/44.<br />

104. 1. e.<br />

105. Marxer, Volksschule, 141 ff; derselbe, Schule, 139 ff.


— 93 —<br />

Sehuppler wie Menz<strong>in</strong>ger Unrecht: dem ersten wer<strong>den</strong> Verdienste<br />

zugesprochen, die er nicht besitzt, dem letzteren etwelche vorent­<br />

halten. Landvogt Schuppler konnte die aufkeimende Saat se<strong>in</strong>es<br />

Vorgängers pflegen und veredeln. Er hatte leichtere Arbeit. Unter<br />

Sehuppler hätte das Volk ke<strong>in</strong> Recht, sondern nur die Pflicht zum<br />

Gehorsam. Gegen Menz<strong>in</strong>ger konnten alte Rechte geltend gemacht<br />

wer<strong>den</strong>, nicht mehr gegen Sehuppler. Dennoch war Menz<strong>in</strong>ger der<br />

Organisator <strong>des</strong> liechtenste<strong>in</strong>ischen Schulwesens, Schuppler aber<br />

Erbe.


III. Kapitel<br />

<strong>Die</strong> Gesetzgebung;<br />

E<strong>in</strong>e Reihe von Gesetzen sorgte <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> zur Zeit <strong>des</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> für die rücksichtslose Durchführung e<strong>in</strong>es Nivellier-<br />

ungs- und Zentralisationssystems. Freilich, manches der neuen Ge­<br />

setze sollte von segensreicher Wirkung se<strong>in</strong>, manches Bittere er­<br />

zwangen Not und Umstände, anderes aber, wie die E<strong>in</strong>führung <strong>des</strong><br />

Grundbuches, geschah aus Weitblick der Obrigkeit. Nicht <strong>in</strong> der<br />

Neuschöpfung der e<strong>in</strong>geführten Gesetze, — es handelt sich meist<br />

um Nachahmung österreichischer Vorbilder, — sondern <strong>in</strong> der<br />

Durchführung der Erlasse liegt das grösste Verdienst der Obrigkeit. 1<br />

Steuergesetz<br />

E<strong>in</strong>es der ersten Gesetze, das mit Berufung auf die Souve-<br />

länilät <strong>des</strong> Fürsten erlassen wurde, ist das Steuergesetz vom Jahre<br />

1807. Das neue Gesetz kam nicht ohne vorbereitende Beratung zu­<br />

stande. Der Landvogt, der Gesandte Schmitz Grollenburg und die<br />

Hofkanzlei erörterten e<strong>in</strong>gehend die Probleme, die durch diu<br />

Zwangslage <strong>des</strong> Augenblickes gestellt wur<strong>den</strong>: das Truppenkont<strong>in</strong>­<br />

gent für Napoleon musste bezahlt wer<strong>den</strong>.<br />

• Bei e<strong>in</strong>er grundsätzlichen Betrachtung <strong>des</strong> Steuerproblems muss<br />

<strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> vor 1807 e<strong>in</strong>e Lan<strong>des</strong>steuer und der «Schnitz» un­<br />

terschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>, obwohl sich die Unterscheidung nicht immer<br />

säuberlich durchführen lässt.<br />

<strong>Die</strong> Lan<strong>des</strong>steuer wird erstmals <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Urbar <strong>des</strong> Jahres 1507<br />

für die Grafschaft Vaduz mit 89 Pfd. angegeben, <strong>in</strong> der Herrschaft<br />

1. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>teilung der folgen<strong>den</strong> Gesetze geschieht nach chronologischem<br />

Gesichtspunkt. H<strong>in</strong>gegen wer<strong>den</strong> Erlasse, die <strong>in</strong> ihrem Wer<strong>den</strong> e<strong>in</strong>ander<br />

bed<strong>in</strong>gen, aufe<strong>in</strong>anderfolgend behandelt.


Schellenberg betrug sie 77 Pfd. 2<br />

— 95 —<br />

Landvogt Menz<strong>in</strong>ger berichtet, dass<br />

niemand wusste, woher diese Steuer gekommen war; 3<br />

<strong>den</strong>n sie wurde<br />

durch die Jahrhunderte <strong>in</strong> <strong>den</strong> obrigkeitlichen Rechnungen mitge­<br />

schleppt, ohne dass man sich weiter um diesen Betrag gekümmert<br />

hätte. So stand um 1800 der Term<strong>in</strong>us «Lan<strong>des</strong>steuer» noch <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Rentrecbnungen. obwohl man damals etwas ganz anderes dar­<br />

unter verstand. 4<br />

Im Pr<strong>in</strong>zip steuerfrei waren die Güter der Obrig­<br />

keit, alte Rittergüter. Widumgüter der Pfarreien und Hofkaplanei,<br />

sowie die durch e<strong>in</strong>en Vertrag zwischen der Herrschaft Schellenberg<br />

und der Grafschaft Feldkirch vom Jahre 1614 ausgeschlossenen Gü­<br />

ter <strong>in</strong> der Herrschaft Schellenberg. 1<br />

'<br />

<strong>Die</strong> ausseror<strong>den</strong>tlichen Abgaben an Kreis und Reich erforder­<br />

ten die E<strong>in</strong>führung <strong>des</strong> «Schnitzes», 11<br />

angelegt wurde. 7<br />

wozu e<strong>in</strong> eigenes Steuerbuch<br />

<strong>Die</strong> Untertanen hatten ihr steuerbares Vermögen<br />

anzugeben und durften die Schul<strong>den</strong> davon abziehen. Auch die<br />

Geistlichen und Klöster trugen mit Abgaben zu dieser Steuer bei,<br />

ohne dass ihr steuerbares Vermögen angegeben wor<strong>den</strong> wäre. 8<br />

bei<strong>den</strong> Landschaften wur<strong>den</strong> das erste Mal 1584 anlässlich e<strong>in</strong>er<br />

Türkensteuer mit e<strong>in</strong>er Reichsauflage beschwert. CJ<br />

<strong>Die</strong><br />

Im Jahre 1613<br />

brach mit Graf Kaspar von Hohenems e<strong>in</strong> Streit wegen <strong>des</strong> «Schnit­<br />

zes» aus, demzufolge zahlten die bei<strong>den</strong> Landschaften jährlich<br />

1276 fl, und der Graf versprach dafür, alle Reichs- und Kreislasten<br />

zu begleichen.'" Der Vertrag wurde grössten Teils am 9. April<br />

1688 bestätigt," nachdem er schon 1651 von Graf Franz Wilhelm<br />

2. Urbarien. 57: Landschaftsrechnungen. 30.<br />

3. H K . Wien L 2 — 4. 1, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 14. Mai 1807; Vgl. Urbarien, 38.<br />

57; Rentamtsrechnung 1786, 15.<br />

1. Unter de<strong>in</strong> Hegriff «Lan<strong>des</strong>stener» wur<strong>den</strong> damals besonders die Abgaben<br />

an <strong>den</strong> Kreis und das Reich verstan<strong>den</strong>.<br />

5. I.RA. AR. Fasz. .XVII. 18. Bericht Menz<strong>in</strong>gers zur Steuerfreiheit, 12. Jan.<br />

1807.<br />

6. Steuerbuch. 9.<br />

7. K B . 381.<br />

8. Steuerbuch, 38.<br />

9. K B . 381.<br />

10. 1. c, 417; Regesten G M . , 123, e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>erer Streitfall wegen Steuergeldern<br />

zwischen Schaan-Vaduz und der unteren Landschaft.<br />

11. K B . 471 ff.


angenommen wor<strong>den</strong> war; 12<br />

— 96 —<br />

aber die Differenzen mit <strong>den</strong> arg ver­<br />

schuldeten Hohenemsern schienen bald das Vertragswerk zu zer­<br />

stören. 13<br />

Im Jabre 1696'kam es wegen untragbarer Zustände, zufolge<br />

der haltlosen F<strong>in</strong>anzpolitik der Hohenemser und <strong>den</strong> traurigen<br />

Kriegsereignissen zu e<strong>in</strong>em Vergleich, wonach die bei<strong>den</strong> Landschaf­<br />

ten <strong>in</strong> Zukunft alle Reichs- und Kreislasten übernahmen und von<br />

dem durch die Verträge von 1614 und 1688 auferlegten «Schnitz»<br />

freigesprochen wur<strong>den</strong>. 14<br />

Seither führten die Untertanen die<br />

Reichs- und Kreislasten «unmittelbar selbst an <strong>den</strong> Kreis ab». 13<br />

Nach <strong>den</strong> alten Schätzungen <strong>des</strong> unbeweglichen Vermögens wur<strong>den</strong> die.<br />

Reichs- und Kreislasten während der Franzosenkriege verteilt, was<br />

Grund zu Ungerechtigkeiten wurde. 16<br />

Der Steueranschlag betrug<br />

524 469 fl, e<strong>in</strong>en Drittel trug die untere, zwei Drittel die obere<br />

Landschaft. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> war durch die Franzosenkriege sehr arm<br />

gewor<strong>den</strong>, <strong>den</strong>n General Massena lag mit mehreren tausend Mann<br />

längere Zeit im Fürstentum. 17<br />

Überdies war die Jährliche Abgabe<br />

an <strong>den</strong> Kreis und das Reich, die früher nur 600 — 700 fl. ausge­<br />

macht hatte, während der ersten Koalitions-Kriege sehr erhöht wor­<br />

<strong>den</strong>. 18<br />

Und es ist verständlich, dass der Wegfall der verhassten<br />

Römermonate, 19<br />

nachdem <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> Mitglied <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong><br />

gewor<strong>den</strong> war, mit Erleichterung aufgenommen wurde und die<br />

Rückstände <strong>in</strong> diesen Zahlungen sehr ungern beglichen wur<strong>den</strong>. 20<br />

E<strong>in</strong> Überblick über das alte Steuerwesen zeigt, dass die Steuer­<br />

gewohnheiten auf unklaren Grundlagen ruhten. Zudem war die<br />

12. Regesten GM., 128. <strong>Die</strong>se Urkunde widerspricht teilweise dem Vertrag.<br />

13. 1. c, 146 ff.; Welti, 150 ff.<br />

14. 'Regesten GM., 150 f.; KB. 482 f.<br />

15. LRA. AR. Fasz. XVII 18, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 12. Jan. 1807.<br />

16. HK. Wien L 2 —4, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 11. Feh. 1805.<br />

17. KB. 548 ff.<br />

18. HK. Wien L 2 — 4, 1, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 21. Juni 1804; vgl. Landschafts-<br />

. rechnnngen, 49 ff.<br />

19. W<strong>in</strong>kopp, Heft 4—6, 410. Der Ansatz zu e<strong>in</strong>em Römermonat betrug für<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 19 fl.; Schröder, 920., Welti, 256, Römermonat ist der für<br />

e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes Kont<strong>in</strong>gent im ganzen erforderliche Monatssold.<br />

20. LRA. AR. Fasz. XVII 18, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 13. Dez. 1806; HK. Wien<br />

L 2 — 4, 3, Schreiben <strong>des</strong> Fürsten an <strong>den</strong> König von Württemberg, 22. Jan.<br />

1807. E<strong>in</strong>e grössere Anzahl von Römermonaten musste nachbezahlt wer<strong>den</strong>.


— 97, —<br />

Steuer vor <strong>den</strong> Franzosenkriegen so ger<strong>in</strong>g, dass die Untertanen<br />

darum gestritten hätten, wie Menz<strong>in</strong>ger berichtet, mehr zu zahlen,<br />

da jene, die grössere Summen erlegten, beim Rodfuhrwesen mehr<br />

verdienen durften. <strong>Die</strong> letzte Verbesserung am «Steueranschlag»<br />

wurde <strong>in</strong> der oberen Landschaft 1779, <strong>in</strong> der unteren 1743 vorge­<br />

nommen, 21<br />

«man ersieht daraus, wie wenig man sich aus der Steuer<br />

- gemacht hat», sagt Menz<strong>in</strong>ger. 2<br />

' 2<br />

<strong>Die</strong> Souveränität musste vom Fürstentum teuer bezahlt wer<strong>den</strong>.<br />

<strong>Die</strong> von Napoleon geforderten Truppen 83<br />

wur<strong>den</strong> auf Grund e<strong>in</strong>es<br />

Militärvertrages mit Nassau gegen entsprechende Bezahlung von<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> ausgelöst. 24<br />

Nach Artikel 26 der Rhe<strong>in</strong>bundakte fiel<br />

das Recht der Besteuerung unter die Souveränitätsrechte. 23<br />

So musste<br />

e<strong>in</strong>e Neuerung erwartet wer<strong>den</strong>, zumal Menz<strong>in</strong>ger vergebens die<br />

schweren Abgaben für das Kont<strong>in</strong>gent nach dem alten Steuerfuss<br />

e<strong>in</strong>zutreiben versuchte. 20<br />

Nach dem Vertrag vom Jahre 1614 zwischen der Herrschaft<br />

Schellenberg und Feldkirch war, für die Entrichtung der Steuer der<br />

Wohnort der Eigentümer <strong>des</strong> Bo<strong>den</strong>s massgebend. Da nun die Öster­<br />

reicher <strong>in</strong> der Herrschaft Schellehberg Güter im Betrag von 40000 fl.<br />

besessen, die schellenbergischen"Untertanen aber nur solche im Be­<br />

trag von 4000 fl. <strong>in</strong> Österreich aufzuweisen hatten,' entstand für<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> e<strong>in</strong> empf<strong>in</strong>dlicher Verlust an Steuern. Der Vertrag<br />

fiel durch die Bestimmungen <strong>des</strong> Artikels 34 der Rhe<strong>in</strong>bundakte<br />

dah<strong>in</strong>. 27<br />

Desgleichen konnten die- Güter der Statthalterei Bendern.<br />

die ehemaligen Güter der Abteien St. Gallen, Ottobeuren und der<br />

Besitz <strong>des</strong> Klosters Pfäfers als ausländischer Besitz der Steuer un­<br />

terworfen wer<strong>den</strong>. Damit waren die Wege geebnet, um nach dem<br />

haugewitz'sehen Pr<strong>in</strong>zip der «gottgefälligen Gleichheit» das neue<br />

21. Regesten GM., 161; HK. Wien L 2 — 4, 1, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 11. Feh.<br />

1805.<br />

22. 1. c.<br />

2.1. Aitmann, 8.<br />

24. LRA. SR. Fasz., Cl, vom 17. Okt. 1806 und 12. März 1809.<br />

25. Altmann, 6.<br />

26. LRA. AR. Fasz. XVII 18, mehrere Schreiben Menz<strong>in</strong>gers, 21. Okt. 1806;<br />

5. Dez. 1806.<br />

27. Altmann, 7 f.<br />

7


System e<strong>in</strong>zuführen. 28<br />

— 98 —<br />

Am 22. April 1807 unterzeichnete Fürst Jo­<br />

hann <strong>in</strong> Ausübung der Souveränitätsrechte se<strong>in</strong>es Sohnes Karl das<br />

neue Steuergesetz. 29<br />

Der alte Steueransatz wurde aufgehoben. :i0<br />

Je<strong>des</strong> unbewegliche<br />

Vermögen, E<strong>in</strong>heimischer wie Fremder, der Geistlichen wie der<br />

La ien, wurde der gewöhnlichen und permanenten Steuer unterwor­<br />

fen.'" Als unbewegliches Gut galten auch alle auf gerichtliche Hy­<br />

pothek angelegten Kapitalien. Sämtliche Immobilien mussten ge­<br />

schätzt wer<strong>den</strong>; 32<br />

von ihnen sollte e<strong>in</strong> «Simplum» <strong>in</strong> der Höhe e<strong>in</strong>er<br />

e<strong>in</strong>prozentigen Abgabe erhoben wer<strong>den</strong>.' 13<br />

Im übrigen h<strong>in</strong>g die Höhe<br />

der Steuer von <strong>den</strong> Bedürfnissen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> ab. Alle Bettler und<br />

deren K<strong>in</strong>der im Alter von über achtzehn Jahren mussten e<strong>in</strong> fikti­<br />

ves Vermögen von 150 fl., «<strong>des</strong> lan<strong>des</strong>herrlichen Schutzes wegen;»<br />

versteuern, die <strong>Die</strong>nstboten e<strong>in</strong> solches von 100 fl., Pächter das e<strong>in</strong>­<br />

jährige Erträgnis <strong>des</strong> gepachteten Bo<strong>den</strong>s. 3<br />

' In gleicher Härte wur­<br />

<strong>den</strong> die mit Schul<strong>den</strong> bela<strong>den</strong>en Untertanen vom Gesetz erfasst, da<br />

die Schul<strong>den</strong>, die auf dem Besitze hafteten, vom steuerbaren Vermö­<br />

gen nicht abgezogen wur<strong>den</strong>. 3<br />

'' Der Ertrag der gewöhnlichen Steuer<br />

sollte die Auslagen der Lan<strong>des</strong>verwaltung decken, sowie dem Unter­<br />

halt <strong>des</strong> Gesandten beim Rhe<strong>in</strong>bund dienen. 3<br />

" Zur permanenten<br />

28. Hanisch II, 16f> f.; Huber, 243 ff.<br />

29. I.RA. AR. Fasz. I, Matr. 12, E<strong>in</strong>leitung zum Steuergesetz, 22. April 1807;<br />

1. c. Gesandter an Menz<strong>in</strong>ger. 31. Dez. 1806; 1. c, Gesandter an die Hofkanzlei,<br />

28. Jan. 1807; 1. r., Schreiben der Hofkanzlei, 12. Feh. 1807. <strong>Die</strong>se<br />

Schreiben beweisen <strong>den</strong> E<strong>in</strong>fluss <strong>des</strong> tiesandten auf die Steuergesetzgebung.<br />

30. Art. 1 <strong>des</strong> Gesetzes.<br />

31. Art. II und III.<br />

32.. HK. Wien L 2 — 4, 1. Gesuch, 24. Juni 1807. <strong>Die</strong> Schätzung der Güter<br />

konnte dann nicht durchgeführt wer<strong>den</strong>, die Bürger nahmen gegen mehrere<br />

Artikel <strong>des</strong> Gesetzes Stellung; 1. c, Schreiben der Hofkanzlei. Am 2. Sept.<br />

1807 sah die Hofkanzlei von e<strong>in</strong>er Schätzung aller Güter ab. <strong>Die</strong> Untertanen<br />

mussten das Vermögen angeben.<br />

33. Art. IV und V <strong>des</strong> Gesetzes; vgl. W<strong>in</strong>kopp, Heft 4 — 6, 177 f.; 171. Verhältnisse<br />

<strong>in</strong> Bayern.<br />

31. Art. VI: Schädler. Landtag. 120. Das Lan<strong>des</strong>sehutzgeld wurde <strong>in</strong> der Folge<br />

nicht erhoben. LRA. SR. Fasz. Gl. 123/pol.. Verordnung, 10. Okt. 1807.<br />

Es wurde die Besteuerung <strong>des</strong> gepachteten Bo<strong>den</strong>s, <strong>des</strong> Zehnten und der<br />

bayrischen Güter umschrieben.<br />

3f>. Art. VII; Hirn, f>ü; Helbok, 168. Verhältnisse <strong>in</strong> Vorarlberg.<br />

36. Art. X.


— 99 —<br />

Steuer kam noch die ausseror<strong>den</strong>tliche zur Bestreitung der Kont<strong>in</strong>­<br />

gentskosten. Der Fürst versprach, mit se<strong>in</strong>en Gütern dazu beizu­<br />

tragen.''<br />

Manche Artikel <strong>des</strong> neuen Steuergesetzes, wie die kurze Fri6t,<br />

die <strong>in</strong> allen Belangen zur Durchführung <strong>des</strong> Gesetzes e<strong>in</strong>beraumt<br />

war, die fast unmöglich zu erfüllende Steuerpflicht der Armen, die<br />

e<strong>in</strong>schnei<strong>den</strong>de Besteuerung der Geme<strong>in</strong>degüter und der Alpen und<br />

die Höhe <strong>des</strong> jeweiligen Steuerfusses wur<strong>den</strong> von <strong>den</strong> Untertanen<br />

als besonders hart empfun<strong>den</strong>. 38<br />

<strong>Die</strong> Geistlichen gelangten <strong>in</strong> Bitt­<br />

gesuchen an <strong>den</strong> Fürsten, 31<br />

' da der Klerus durch das Gesetz sehr be­<br />

nachteiligt wurde; er musste die Pfrundgüter so versteuern, als ob<br />

diese se<strong>in</strong> Eigentum gewesen wären. 40<br />

Doch das Gesuch der Geist­<br />

lichen vom 18. Sept. 1807 um Milderung der Härten fand ke<strong>in</strong><br />

Gehör. <strong>Die</strong> Abweisung wurde damit begründet, dass «e<strong>in</strong>e dem gan­<br />

zen nachteilige Ausnahme nicht gestattet» wer<strong>den</strong> könne, sollten die<br />

Priester für <strong>den</strong> Lebensunterhalt nichts mehr übrig haben, dann<br />

würde der Fürst «ad personam ex gratia» e<strong>in</strong>e Gehaltszulage geben. 41<br />

Im Jahr 1809 schrieben die Geistlichen an Schuppler,- dass sie<br />

Steuern zahlen müssten, «die weder der Staatsbeamte noch der Ge­<br />

me<strong>in</strong>dediener zu leisten hätte». 42<br />

Der Klerus musste sich, gemäss <strong>den</strong><br />

josef<strong>in</strong>ischen Anschauungen der Obrigkeit, ganz dem Staat unter­<br />

ordnen. <strong>Die</strong> übrigen Untertanen aber sahen die Besteuerung der<br />

kirchlichen Güter recht gerne; <strong>den</strong>n der arme Bauer glaubte da­<br />

durch se<strong>in</strong>e Abgaben verm<strong>in</strong>dern zu können. 43<br />

Überblickt man das neue Steuerwesen und trägt man <strong>den</strong> Umstän­<br />

<strong>den</strong> Rechnung, so kann manches Harte und fast Rücksichtslose da-<br />

37. Art. XII.<br />

38. HK. Wien L 2 — 4. 1. Gesuch, 24. Juni 1807.<br />

39. LRA. SR. Fasz. Gl, ad 123/pol.. Gesuch. 30. Sept. 1807; HK. Wien L 2 —<br />

14, 41. Gesuch, 1. Juli 1808.<br />

40. LRA. SR., Fasz. G 1, Gesuch, 18. Sept. 1807; 1. c. Schreiben der Hofkanzlei<br />

zur Pfrundbesteuerung, 1. Juli 1808; 1. c. Verordnung, 123/pol.<br />

10. Okt. 1807.<br />

11. I.. . .. Fasz. Gl, 123/pol., Schreiben der Hofkanzlei. 10. Okt. 1807.<br />

42. I. , 90/pol.. Geistlichkeit an Schuppler, 5. Feb. 1809.<br />

43. I. c. 293/pol.. Hofkanzlei an Schuppler, 26. Aug. 1809. <strong>Die</strong> Hofkanzlei berichtete,<br />

die Untertanen sähen es gerne, wenn auch die Güter der Geistlichen<br />

mit Steuern belegt wür<strong>den</strong>; 1. c, ad 156/pol.. Bericht Schuppten,<br />

f.. April 1809.


— 100 -<br />

r<strong>in</strong> begriffen wer<strong>den</strong>. Man be<strong>den</strong>ke, das« die Guthaben <strong>des</strong> Fürsten<br />

bei <strong>den</strong> Bewohnern <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> eich auf über 100 000 fl. beliefen<br />

und das Kont<strong>in</strong>gent bezahlt wer<strong>den</strong> musste. Auch galt es angesichts<br />

der Neuheit <strong>des</strong> Gesetzes, erst Erfahrungen auf dem Gebiete <strong>des</strong><br />

Steuerwesens zu sammeln.<br />

Doch lagen im neuen System Elemente, die <strong>den</strong> re<strong>in</strong>sten Ab­<br />

solutismus bezeugten. <strong>Die</strong>se Tatsache trat nach dem Sturze der<br />

Landammahnverfassung geradezu offen ans Licht; nun hörte jede<br />

Kontrolle von Seiten <strong>des</strong> Volkes über die Verwendung wie auch über<br />

die Bewilligung der Steuern auf. 44<br />

Zudem betrug die Ver­<br />

mögenssteuer- 2% <strong>des</strong> geschätzten unbeweglichen Gutes, was<br />

selbst Schuppler viel schien. 45<br />

Allerd<strong>in</strong>gs ist zu bemerken, dass je­<br />

weils nur e<strong>in</strong> Drittel <strong>des</strong> geschätzten Wertes e<strong>in</strong>es Grundstückes<br />

versteuert wer<strong>den</strong> musste. 46<br />

Doch die Güter der Obrigkeit wur<strong>den</strong><br />

nicht der Steuer unterworfen. 47<br />

Wenn man ferner be<strong>den</strong>kt, dass von<br />

1000 Familien, die <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> damals aufzuweisen hatte, e<strong>in</strong> Drit­<br />

tel sehr arm war und sich nicht 20 im Lande befan<strong>den</strong>, die man zur<br />

Klasse der mittelmassig begüterten Bürger hätte zählen können,<br />

dann nimmt das Steuergesetz die Maske eherner Härte an. 48<br />

Um<br />

1817 verhalf neben Missernten die elende Armut dem Hunger zu<br />

grausamer To<strong>des</strong>ernte. 49<br />

<strong>Die</strong> Untertanen mussten nun die alten<br />

Lasten <strong>des</strong> feudalen Staates neben <strong>den</strong> neuen Abgaben tragen. Men­<br />

z<strong>in</strong>ger war dem neuen Gesetz nie freundlich ges<strong>in</strong>nt. Hofrat Georg<br />

Hauer fühlte das bei se<strong>in</strong>er Inspektion <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> und schrieb<br />

dem Fürsten, der. Landvogt stünde der Angelegenheit fremd ge­<br />

genüber, als ob es sich um die Sache <strong>des</strong> «Moguls von Indien<br />

handelte». 60<br />

44. Vgl. Hirn, 61.<br />

45. LRA. SR. Fasz. S5, ad 17/poL, Bericht Schupplers, 10. Jan. 1810; 1. c,<br />

AR. Fasz. XVII 18, Schreiben <strong>des</strong> Gesandten Grollenburg, 28. Jan. 1807;<br />

ferner W<strong>in</strong>kopp, Heft 4 — 6, 161 ff.; vgl. Huber, 312 ff.; alle Vergleiche<br />

zeigen die e<strong>in</strong>schnei<strong>den</strong>de Höhe <strong>des</strong> liechtenste<strong>in</strong>ischen Steuerfusses.<br />

46. Schädler, Landtag, 120 f.<br />

47. LRA. SR. Fasz. SS, ad 17/pol., Bericht Schupplers, 10. Jan. 1810.<br />

48. 1. c.<br />

49. Büchel, Bendern, 160 f.; Schädler,: Das Hungerjahr 1817 <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>.<br />

JB. (1918) 9 ff.<br />

50. BH. HK. Wien (1808) L 2 — 14.


Papierstempelordnung '<br />

— 101 —<br />

Am 20. März 1809 wurde, um die «grösseren Bedürfnisse» zu<br />

decken, die aus <strong>den</strong> «dermaligen <strong>politische</strong>n Verhältnissen» ent­<br />

sprangen, das Stempelpatent e<strong>in</strong>geführt. 51<br />

Wohl wahr die E<strong>in</strong>füh­<br />

rung <strong>des</strong> Gesetzes unter dem genannten Datum vom Füret befohlen<br />

wor<strong>den</strong>, aber H<strong>in</strong>dernisse und die kriegerischen Ereignisse <strong>des</strong> näm­<br />

lichen Jahres verzögerten <strong>den</strong> Ankauf <strong>des</strong> Papieres <strong>in</strong> Wien. Das<br />

Stempelpatent trat praktisch erst zu Anfang <strong>des</strong> Jahres 1810'<strong>in</strong><br />

Gebrauch. 52<br />

Jede Urkunde, auch wenn sie «aussergerichtlich gestellt und<br />

gefertigt wurde», unterlag der Stempelgebühr. 53<br />

• -<br />

Quittungen, Testa­<br />

mente, Vollmachten, Reverse, Zessionen und Verträge jeder Art,<br />

je<strong>des</strong> Bittgesuch, alle Anzeigen und dergleichen mehr waren e<strong>in</strong>er<br />

Steuer unterworfen. Nur gewisse amtliche Dokumente oder bedeu­<br />

tungslose Schriftstücke, wie Haushaltungsbücher usw. unterlagen<br />

nicht der Steuer. 54<br />

E<strong>in</strong>e geschickte Abstufung regelte <strong>den</strong> jeweiligen<br />

Betrag der Papiersteuer, je nach dem Wert <strong>des</strong> Schriftstückes und<br />

der sozialen Stellung <strong>des</strong> Ausfertigers der Urkunde. 55<br />

Um 1816 zahlte man <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> sogar e<strong>in</strong>e höhere Papier­<br />

steuer, als im Kanton St. Gallen und <strong>in</strong> Bayern, während <strong>in</strong> Grau-<br />

bün<strong>den</strong> nach der Angabe <strong>des</strong> Landvogtes ke<strong>in</strong>e derartige Steuer<br />

erhoben wurde. Schuppler bekannte, das 1810 e<strong>in</strong>geführte Stempel­<br />

patent sei für die Untertanen «am drückendsten». Im Jahre 1816<br />

sollen die Bewohner <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s sogar <strong>den</strong> Plan gefasst haben,<br />

e<strong>in</strong>e Delegation zum Fürsten nach Wien zu sen<strong>den</strong>, um die Auf­<br />

hebung oder Milderung <strong>des</strong> Patentes zu erwirken. 56<br />

Trotz entschie­<br />

<strong>den</strong>er und begründeter Fürbitte <strong>des</strong> Landvogtes beim Fürsten,<br />

diese Steuer zu erniedrigen, wurde sie nicht abgeschafft, sondern<br />

51. LRA. SR. Fasz. Alte Norm., E<strong>in</strong>leitung zur Papierstempelordnung, 1. Jan.<br />

1809.<br />

52. 1. c., Fasz. S6, 55/pol., Hofkanzlei an Schuppler, 30. Jan. 1810.<br />

53. Art. I <strong>des</strong> Gesetzes.<br />

54. Art. XXII.<br />

55. 2 fl. mussten bezahlt wer<strong>den</strong>, wenn es sich um Quittungen oder Verträge<br />

von über 1000 fl. handelte; e<strong>in</strong> fl. für über 500 fl.; 15 Kr. für über 100 fl:<br />

3 Kr. für weniger als 100 fl.<br />

56. LRA. SR. Fasz. S6, Bericht Schupplers, 10. April 1816.<br />

7 *


— 102 —<br />

beträchtlich erhöht. <strong>Die</strong> energischen Gegenargumente de« Land­<br />

vogtes wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> W<strong>in</strong>d geschlagen. Aiber die Struktur <strong>des</strong>. Pa­<br />

tentes war für die späteren, abgeänderten Erlasse dieser Art grund­<br />

legend. 57<br />

Auswanderungspatent<br />

In älterer Zeit bestand über die Gebühren bei E<strong>in</strong>kauf und Ab­<br />

zug der Untertanen ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche, klare Norm. Um 1513 ver­<br />

ordnete der Graf von Sulz, dass jeder aus der Genossenschaft Ab­<br />

ziehende ihr <strong>den</strong> 30. Teil se<strong>in</strong>es Gutes zu entrichten habe. Wer aber<br />

über das Gebiet zog, das vom Bo<strong>den</strong>see, dem Arlberg und dem<br />

Wallensee umgrenzt wird, musste <strong>den</strong> Leibschill<strong>in</strong>g entrichten. Wer<br />

von der Herrschaft Schellenberg sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Genossame der Graf­<br />

schaft Vaduz niederliess, gab dem Lan<strong>des</strong>herrn und der Nachbar­<br />

schaft 4 Gul<strong>den</strong>. Auch mussten die Obrigkeit und die Nachbarschaft<br />

heim E<strong>in</strong>zug um Erlaubnis gefragt wer<strong>den</strong>. 58<br />

Neu E<strong>in</strong>ziehende ent­<br />

richteten die lan<strong>des</strong>üblichen Abgaben. In der Grafschaft Vaduz be­<br />

stand um 1600 die Gewohnheit, dass der Untertan beim Abzug vom<br />

verkauften Gut, das im Herrschaftsbereich <strong>des</strong> Grafen lag, <strong>den</strong> zehn­<br />

ten und der Geme<strong>in</strong>de <strong>den</strong> fünften Teil <strong>des</strong> Erlöses entrichtete. 0<br />

"<br />

Wer <strong>in</strong> der Grafschaft «haushäblich» wurde, musste der Geme<strong>in</strong>de<br />

und der Herrschaft <strong>den</strong> E<strong>in</strong>zug zahlen und <strong>den</strong> üblichen Abgabe­<br />

pflichten nachkommen. 60<br />

<strong>Die</strong> obrigkeitlichen Rechte beim Abzug und E<strong>in</strong>zug von Unter­<br />

tanen vor dem Erlasse vom Jahre 1808 wur<strong>den</strong> folgendermassen<br />

gehandhabt: In <strong>den</strong> meisten Fällen musste dem Fürsten e<strong>in</strong>e Abzugs­<br />

taxe von 10% <strong>des</strong> Vermögens entrichtet wer<strong>den</strong>. Dabei ist zu beach­<br />

ten, dass der Vertrag vom Jahre 1513 zwischen Kaiser Maximilian<br />

und Graf Rudolf von Sulz, demzufolge zwischen der Grafschaft<br />

Feldkirch und dem dazugehörigen Gericht Rankweil und Sulz und<br />

der Herrschaft Schellenberg Freizügigkeit bestand, noch gültig war.<br />

Auch war die Erbmasse von Geistlichen, vermöge <strong>des</strong> Gewohnheits-<br />

57. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>isches Lan<strong>des</strong>gesetzhlatt Nr. 5, 1883; In der Maur, Johann. 186.<br />

58. Büchel, <strong>Die</strong> Urkun<strong>den</strong> <strong>des</strong> Pfarrarehives zu Bendern, JB. (1912) 102 ff.<br />

59. Urbarien, 28, 57.<br />

60. 1. . .. 28. Anmerkung 2 — 7.


— 103 —<br />

rechtes, nicht der Abzugssteuer unterworfen, ebenso nicht die «Heu-<br />

rathsgüter», die als Schenkung angesehen wur<strong>den</strong>. Das gleiche galt<br />

für die Fahrnis, «wiewohl <strong>in</strong> jüngeren Zeiten hierauf nicht mehr<br />

reflektiert wurde». 3<br />

' Im Jahre 1808 wurde durch Reskript, was das<br />

lan<strong>des</strong>herrliche Ahzugsrecht betrifft, allgeme<strong>in</strong>e Freizügigkeit gegen<br />

alle föderierten rheiubüiidischen Staaten e<strong>in</strong>geführt, sofern diese<br />

Gegenrecht hielten. Sonst verlangte der Fürst noch e<strong>in</strong>e Abzugstaxe<br />

von 3°/« <strong>des</strong> ausgeführten Gutes. 62<br />

Am 9. April 1809 trat das neue<br />

Gesetz für E<strong>in</strong>- und Abzug <strong>in</strong> Kraft. Für Kriegsdienst <strong>in</strong> <strong>den</strong> Staaten<br />

<strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> bestand ke<strong>in</strong>e Schwierigkeit mehr. 63<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell<br />

war das Auswandern immer gestattet. <strong>Die</strong> Abzugstaxe von 3 %<br />

lies Besitzes konnte je nach dem Ziel <strong>des</strong> Auswanderers erhöbt wer­<br />

<strong>den</strong>. Strafparagraphen sorgten für .die Gewährleistung e<strong>in</strong>es scharf<br />

kontrollierten Abzuges. 6<br />

'' <strong>Die</strong> Bussen gegen Zuwiderhandelnde waren<br />

sehr empf<strong>in</strong>dlich: besonders scharfe Massnahmen kündigte das Ge­<br />

setz gegen Werbungen für fremde Kriegsdienste sowie gegen Bei­<br />

hilfe dazu an. 66<br />

Den e<strong>in</strong>zelnen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> aber 'blieben ihre Rechte<br />

unbenommen, und sie 'konnten sie frei ausüben, aber nicht für lange.<br />

<strong>Die</strong> Nachbarschaften verlangten vor 1810 gewöhnlich e<strong>in</strong>e Ab­<br />

zugstaxe von 5 %> <strong>des</strong> verkauften Gutes. Das Oberamt besass <strong>in</strong><br />

Angelegenheiten <strong>des</strong> Ab- und E<strong>in</strong>zuges <strong>in</strong>nerhalb der Nachbar­<br />

schaften ke<strong>in</strong>e Rechte, besonders dann nicht, wenn es sich um e<strong>in</strong>en<br />

Wechsel <strong>des</strong> Wohnortes <strong>in</strong>nerhalb <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> handelte. In <strong>den</strong><br />

Nachbarschaften regelten eigene Abmachungen <strong>den</strong> Abzug und E<strong>in</strong>­<br />

kauf, 67<br />

und die Summe für die Aufnahme <strong>in</strong> die Nachbarschaften<br />

war nicht für das ganze Land e<strong>in</strong>deutig und verpflichtend festgesetzt,<br />

sodass e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>kauf für je<strong>den</strong> Gcnossanien e<strong>in</strong> frohes Fest gewesen<br />

se<strong>in</strong> muss. Nicht selten waren die Neubürger verpflichtet, grosse<br />

61. LRA. SR. Fasz. uiiiiu<strong>in</strong>meriert, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 19. Juni 1808.<br />

62. 1. e.. Reskript. 30. Sept. 1808.<br />

63. Art. I <strong>des</strong> Gesetzes; LRA. SR. Fasz. unnummeriert, 238/pol., Gesetz, 9.<br />

April 1809; GM. Eschen IL/2; GM. Schaan 25 — 6, 9. Gesetz, April 1809.<br />

64. Art. II und III.<br />

65. Vgl. Art. IV, VIII, IX, X.<br />

66. Art. XI. XII. XIII.<br />

67. GM. Eschen, IL/12. 98/109. Verträge. 24. März 1764; Regesten GM., 156.<br />

157, 158, 160 f.<br />

6 4


— 104 —<br />

Summen Gel<strong>des</strong> für die «Verabreichung e<strong>in</strong>es Trunkes» zu stiften, 68<br />

bei dem die Säckelmeister die Rechnung führten, die Ausgaben<br />

überwachten und auf Kosten <strong>des</strong> Neubürgers die Zeche bezahlten.<br />

So blieb e<strong>in</strong> breiter Raum für das launische Spiel der Genossamen,<br />

was <strong>in</strong> <strong>den</strong> Augen der Untertanen angenehm se<strong>in</strong> mochte, aber für<br />

je<strong>den</strong> damals modernen Beamten e<strong>in</strong>en Greuel darstellte.<br />

E<strong>in</strong>en starken Schlag gegen die alte Geme<strong>in</strong>deordnung, die noch<br />

dem Pr<strong>in</strong>zip der Genossenschaft verpflichtet war, stellte die Verord­<br />

nung <strong>des</strong> Fürsten vom 22. Juni 1810 dar, wonach <strong>in</strong>nerhalb <strong>des</strong><br />

Lan<strong>des</strong> Freizügigkeit herrschen musste, weil die komplizierten Be­<br />

d<strong>in</strong>gungen der Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> gegenüber <strong>den</strong> Nachbargeme<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Fürstentums</strong> nach der Ansicht <strong>des</strong> Fürsten nur «die gleichen Rechte<br />

der Unterthanen» beschränkt hatten. 69<br />

<strong>Die</strong> zählreichen Abmachun­<br />

gen der alten Nachbarschaften fielen damit dah<strong>in</strong>. Wer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an­<br />

dere Geme<strong>in</strong>de zog, musste nur e<strong>in</strong> «Bürgerhaus, samt soviel Ver­<br />

mögen» besitzen, dass er sich ernähren konnte. 70<br />

Bei der Heirat<br />

durfte niemand von Geme<strong>in</strong>derechten verdrängt wer<strong>den</strong>, auch nicht<br />

bei Verehelichung mit e<strong>in</strong>er Person aus e<strong>in</strong>er andern Geme<strong>in</strong>de oder<br />

e<strong>in</strong>er Frem<strong>den</strong>. Nur bei Heirat mit ausländischen Personen musste<br />

das E<strong>in</strong>kaufsgeld bezahlt wer<strong>den</strong>. 71<br />

Ferner war es nicht gestattet,<br />

<strong>in</strong> zwei Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>utzen zu beziehen. 72<br />

Artikel 4<br />

der Verordnung gebot, dass nur Fremde die Taxe für E<strong>in</strong>kauf zu<br />

entrichten hätten. Ebenso verbot das neue Gesetz <strong>den</strong> Besitz von<br />

Geme<strong>in</strong>derechten und Häusern <strong>in</strong> zwei verschie<strong>den</strong>en Geme<strong>in</strong><strong>den</strong>,<br />

sodass der Besitzer e<strong>in</strong>es ererbten, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er andern Geme<strong>in</strong>de liegen­<br />

<strong>den</strong> Hauses genötigt war, dieses Haus an e<strong>in</strong>en Bürger jener Ge­<br />

me<strong>in</strong>de zu verkaufen. 73<br />

68. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 24. Juli 1789; GM. Eschen,,<br />

Il./lOa, Akten, 27. März 1803. Dr. Schädler zahlte 1803 bei se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>bürgerung<br />

<strong>in</strong> Eschen 200 fl., <strong>den</strong> Gerichtsvorstehern e<strong>in</strong>e Mahlzeit und jedem<br />

Bürger We<strong>in</strong> und für je 2 Kreuzer Käse und Brot. Vgl. Tschugmell, 70, Anmerkung<br />

2.<br />

69. LRA. SR. Fasz. Gl, 261/pol.; Erlass, 22. Juni 1810, E<strong>in</strong>leitung zum Erlass.<br />

besonders auch Art. I.<br />

70. Art. I. II.<br />

71. Art. III.<br />

72. Art. V .<br />

. 73. Art. VI.


— 105 —<br />

Im Vergleich mit <strong>den</strong> alten-Gewohnheiten ist im neuen Gesetz<br />

die Idee <strong>des</strong> modernen'E<strong>in</strong>heitsstaates deutlich erkennbar. <strong>Die</strong> Be­<br />

schränkung und Abschliessung der e<strong>in</strong>zelnen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> durch enge<br />

und kle<strong>in</strong>liche Vorschriften bestand nicht mehr, und damit wurde<br />

der genossenschaftliche Aufbau der ehemaligen Nachbarschaften<br />

weitgehend gelockert. Das Gesetz passte sich ganz <strong>den</strong> damals mo­<br />

dernsten Forderungen und Verhältnissen an. 74<br />

Konkursordnung und Schuldbetreibung<br />

Vor dem Sturze der alten Verfassung regelte e<strong>in</strong> dem Lands­<br />

brauch beigefügtes «Verzeichnus der Gant» die Schuldbetreibung<br />

und <strong>den</strong> Konkurs. 75<br />

Wer e<strong>in</strong>e Schuld forderte, musste sich an <strong>den</strong><br />

Weibel wen<strong>den</strong>, welcher nach e<strong>in</strong>er bestimmten Ordnung <strong>den</strong> säu­<br />

migen Schuldner erst mahnte, geschah das erfolglos, wurde gepfän­<br />

det. Der Ablauf der Amtshandlungen war an genau festgesetzte<br />

Term<strong>in</strong>e gebun<strong>den</strong>. 76<br />

Anfänglich wurde der Hausrat gepfändet:<br />

«Kesse, Hafen, Pfannen, Geschiff und Geschirr, Bet und Bethess,<br />

Korn, Salz, Schmalz, Käs, We<strong>in</strong> . . ,». 77<br />

Reichte das zur Deckung<br />

der Schuld nicht aus, so nahm der Weibel das Pfand im Stall, 78<br />

dann<br />

pfändete er <strong>den</strong> «ligen<strong>den</strong> Bo<strong>den</strong>»; <strong>in</strong> diesem Fall musste der Gläu­<br />

biger an das Gericht <strong>des</strong> Landammannes gelangen und von ihm Sie­<br />

gel und Brief zur Pfändung erreichen. Erst wenn der Schuldner die<br />

vier Wochen, die ihm zur Tilgung se<strong>in</strong>er Schuld nochmals e<strong>in</strong>ge­<br />

räumt wur<strong>den</strong>, unbenutzt gelassen hatte, konnte der Gläubiger <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Besitz <strong>des</strong> gepfändeten Gutes kommen, über das er nun nach<br />

se<strong>in</strong>en Willen verfügen durfte. Durch die Annullierung <strong>des</strong> Lands­<br />

brauches verfiel 'das Gewohnheitsrecht. <strong>Die</strong> neue Konkursordnung<br />

trat auf <strong>den</strong> 1. Januar 1809 <strong>in</strong> Kraft. 79<br />

74. Vgl. His, 479 ff.<br />

75. Schädler, Rechtsgewohnheiten, 68 ff.<br />

76. Schädler, Landtag, 117 f.<br />

77. Schädler, Rechtsgewohnheiten, 69.<br />

78. 1. c, 69. Bei der Pfändung im Stall wurde besonders «Heu. Omet. Stroh<br />

und was auf dem Stall ist» gepfändet. .<br />

79. LRA. SR. Fasz. Alte Norm., Konkursordnung, 1. Jan. 1809; In der Maur.<br />

Gründung, 33; derselbe, Johann, 178; Schädler, Entwicklung, 18.


— 106 —<br />

Das Oberami übernahm <strong>in</strong> straffer Ordnung im Zuge der Zen­<br />

tralisation Rechte, die früher ganz der Vertretung <strong>des</strong> Volkes gehört<br />

halten."" <strong>Die</strong> or<strong>den</strong>tlichen Taxen für Schuldbetreibung'" mussten<br />

jetzt dem Oberamte entrichtet wer<strong>den</strong>. Im Falle <strong>des</strong> Konkurses<br />

mussten die lan<strong>des</strong>herrlichen Forderungen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie berück­<br />

sichtigt wer<strong>den</strong>." 3<br />

Den Ortsgerichten blieb es vorbehalten, — gleich­<br />

sam e<strong>in</strong> letzter Rest der alten Gantordnung — Schuldangelegen­<br />

heiten unter 25 fl. durch Zwangsmittel zu begleichen, sofern der<br />

Schuldner se<strong>in</strong>e Schuld gestand.*'<br />

Erbfolgeordnung<br />

<strong>Die</strong> alte. Erhordni<strong>in</strong>g lässt sich ziemlich weit zurückverfolgen:<br />

1531 erliess Graf Rudolf von Sulz e<strong>in</strong>e Verfügung zum Erbrecht," 1<br />

die aber bereits 1577 wieder revidiert wurde. Auch diese Ordnung<br />

galt nur für kurze Zeit: <strong>den</strong>n um 1600 fand wiederum e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>ge­<br />

hende Revision durch e<strong>in</strong>en kaiserlichen Notar und e<strong>in</strong>en Rechts-<br />

gelebrten statt, 8<br />

'' und <strong>in</strong> jener Form blieb das Erbrecht im Wesent­<br />

lichen bis zum Jahre 1809. Zu Anfang <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts machten<br />

sich <strong>in</strong> dem alten, dem Lanilsbrauch e<strong>in</strong>verleibten Gewohnheitsrecht<br />

verschie<strong>den</strong>e Mängel empf<strong>in</strong>dlich geltend, 8<br />

" sodass noch 1808 e<strong>in</strong>e<br />

ger<strong>in</strong>ge Abänderung notwendig gewesen war. 8<br />

'<br />

Nachdem Landvogt Sehuppler <strong>in</strong> Vaduz e<strong>in</strong>gezogen war, er­<br />

schien ihm überhaupt die ganze Geschäftsführung im Fürstentum<br />

verworren und zeitwidrig. Der eifrige Landvogt sah nicht gerne,<br />

dass die Handhabung der alten Gewohnheit <strong>in</strong> <strong>den</strong> Hän<strong>den</strong> der Rich-<br />

80. LRA. SR. Fasz. Alte Norm.. Gesetz, 1. Jan. 1809. Tschugmell. 91. Art. V.<br />

Dem Weibel oblag die Schätzung und Pfändung kraft <strong>des</strong> Landsbrauehes.<br />

81. Vgl. Art. XXX der Konkursordnung; Tschugmell.. 89 f, 94.<br />

82. Art. IX und X der Konkursordnung.<br />

83. Proklamation. 211; Schädler. Landtag. 116 f.. Abänderungen zum Schuldbetrieb.:<br />

LRA. SR. Fasz. unnummeriert. Antrittsrede Schupplers, 1808.<br />

8-1. Schädler. Rechtsgewohnheiten, 44 ff; ; vgl. KB. 383'ff.; W. Beck, Eheliches<br />

Güterrecht und Ehegattenerbrecht. JB. (1917) 107 ff.; zum Erbrecht der<br />

Grafen; Urbanen. 29.<br />

8.Y Schädler. Recbtsgewohnheiten, 49 f.<br />

86. LRA. AR. Fasz. XXXV 36, Streitigkeiten wegen Erbschaftsteilungen, Aktenstoss;<br />

1. c. Fasz. I. Matr. II, Bericht Menz<strong>in</strong>gers. 28. April 1801.<br />

87. 1. c. SR. Fasz. Cl, Schreiben der Hofkanzlei. 20. März 1808. Der 10. Fall<br />

<strong>des</strong> 2. Titels wurde 1808 aufgehoben. Vgl. Landsbrauch Nr. 10/28 ff.. 1794.


— 107 —<br />

ler lag, weil dieses Recht «ihrem Eigendünkel am zuträglichsten»<br />

sei. Schuppler wusste, dass er mit der Kritik <strong>in</strong> Wien Beifall fand,<br />

hatte doch Georg Hauer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Bericht e<strong>in</strong>e neue Erbordnung<br />

empfohlen. 88<br />

Kurz nach se<strong>in</strong>em Amtsantritt legte der Landvogt<br />

e<strong>in</strong>en Entwurf zum Erbschaftspatent dem Fürsten zur Sanktionier­<br />

ung vor, 8<br />

" der <strong>den</strong> Entwurf mit ger<strong>in</strong>gen Abänderungen annahm<br />

und ihn rückwirkend auf <strong>den</strong> 1. Jänner 1809 als Gesetz erklärte.""<br />

<strong>Die</strong> Abhängigkeit <strong>des</strong> Patentes vom österreichischen Vorbild<br />

wurde vom Landvogt ehrlich zugegeben, <strong>in</strong>dem er sich als «Nach­<br />

schreiber und Sammler der österreichischen Abhandlungsvorschrif­<br />

ten» bezeichnete." 1<br />

Das Gesetz zeigte drei Quellen, die zur Erbfolge<br />

berechtigten: Erbverträge, letztwillige Verfügungen und gesetzliche<br />

Nachfolge. 82<br />

<strong>Die</strong> Pflichtteilrechte <strong>des</strong> zurückgebliebenen Eheteils<br />

sowie der K<strong>in</strong>der wurde genau umschrieben. 9<br />

* Ferner war das Recht<br />

zur Enterbung missratener K<strong>in</strong>der, die Anfertigung von Testamen­<br />

ten scharf umrissen wor<strong>den</strong>. E<strong>in</strong> besonderes Augenmerk verdient<br />

die Bestimmung, dass Or<strong>den</strong>sgeistliche ke<strong>in</strong>e Grundstücke erben<br />

durften. Klöster konnten «weder durch Handlung unter Leben<strong>den</strong><br />

noch auf <strong>den</strong> To<strong>des</strong>fall Vermögen erben», es sei <strong>den</strong>n durch fromme<br />

Stiftungen, und wer <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kloster trat, musste sich mit e<strong>in</strong>em «Do­<br />

tationsbetrag» von 500 fl. begnügen. 94<br />

An Hand dieses Erlasses ist der sprunghafte Wechsel von altem<br />

Herkommen zum neuen Gesetz deutlich erkennbar. Freilich war das<br />

alte Erbrecht <strong>in</strong> mancher Beziehung unklar, 93<br />

und durch die lockere<br />

Amtsführung unfähiger Richter wurde manchem Prozess Vorschub<br />

geleistet; aber der harte Schlag voller Entrechtung traf das Volk<br />

durch das neue Erbgesetz, das <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ten<strong>den</strong>z zur Zentralisation<br />

unerbittlich war.""<br />

88. HH. HK. Wien (1808) I, 2 — 11. 41.<br />

89. LRA. SR. Fasz. Gl. 235/pol.. Entwurf Schupplers. 8. April 1809.<br />

90. 1. c. gedrucktes Exemplar, 1. Jan. 1809; Liechtenst. Regesten. 141.<br />

91. LRA. SR. Fasz. Gl. Bericht Schlipplers. 16. Dez. 1808.<br />

92. Art. I. <strong>des</strong> Gesetzes.<br />

93. Art. VII und VIII.<br />

94. Art. XXV. Absatz 2 und 3: vgl. österreichisches allgeme<strong>in</strong>es bürgerliche*<br />

Gesetzbuch. Wien 1811. Art. ">52 ff.<br />

9"). LRA. AR. Fasz. XXXV 36. Aktensloss zu Unklarheiten bei Erli-clwiftsfragen.<br />


Das Patent vom 18. Febr. 1812<br />

— 108 —<br />

Durch das Patent vom 18. Febr. 1812 führte Fürst Jobann das<br />

österreichische allgeme<strong>in</strong>e, bürgerliche Gesetzbuch, die österreichi­<br />

sche allgeme<strong>in</strong>e Gerichtsordnung und das österreichische Gesetzbuch<br />

über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen e<strong>in</strong>. 97<br />

<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>­<br />

führung dieser Gesetze war notwendig gewor<strong>den</strong>, nachdem der<br />

Landsbrauch nicht mehr bestand. Schon am 8. April 1809 6an.dte der<br />

Landvogt dem Fürsten e<strong>in</strong>en Entwurf zu e<strong>in</strong>em bürgerlichen Gesetz­<br />

buch mit der Bitte, ihn zu prüfen und ihn darauf als Gesetz zu er­<br />

klären; zugleich bat der Landvogt <strong>den</strong> Fürsten, e<strong>in</strong>stweilen nach <strong>den</strong><br />

Grundsätzen <strong>des</strong> Entwurfes Recht sprechen zu dürfen. 98<br />

Zweifellos war z. B. die alte Polizeiordnung samt dem Gerichts-<br />

\ erfahren für damalige Verhältnisse überholt: So griff man bei der<br />

Polizeiordnung auf spätmittelalterliche Reichsabschiede 99<br />

zurück.<br />

<strong>Die</strong> andern derartigen abgeänderten Erlasse brachten /wenig<br />

Neues. Nicht besser stand es mit der bürgerlichen Gesetzgebung.<br />

Mit welch herausfordernder Missachtung z. B. polizeiliche Vor­<br />

schriften vor der E<strong>in</strong>führung <strong>des</strong> Gesetzbuches über Verbrechen<br />

beobachtet wur<strong>den</strong>, erhellt aus folgendem Beispiel: Landvogt Men­<br />

z<strong>in</strong>ger sah sich 1791 genötigt, e<strong>in</strong>e Verordnung gegen Misstände <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Wirtshäusern zu erlassen und stützte sich,dabei auf die Polizei­<br />

ordnung <strong>des</strong> Fürsten Adam vom. Jahre 1732. Das.Oberamt Hess das<br />

Dekret <strong>in</strong> <strong>den</strong> Kirolien publizieren, aber ohne Erfolg, da sich die<br />

Zechlustigeu lachend entschuldigten, sie hätten die alte Sprache<br />

nicht verstan<strong>den</strong>. 100<br />

<strong>Die</strong> Formulierung österreichischer Gesetze war nun unniissver-<br />

ständlich und das Wirrnis alter Gewohnheitsrechte war besei­<br />

tigt. H<strong>in</strong>gegen blieb die 1809 <strong>in</strong> Kraft getretene Konkurs- und Erb­<br />

folgeordnung nach wie vor <strong>in</strong> Geltung. 101<br />

97. LRA. SR. Fasz. Ahe Norm., 81/pol., Schreiben der Hofkanzlei, 18. Feb. 1812.<br />

98. 1. c., Fasz. Gl, 235/pol., Bericht Schupplers, 8. April 1809.<br />

99. Schädler, Rechtsgewohnheiten, 72.<br />

100. LRA. AR. Fasz. XXII 23, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 12. Dez. 1791.<br />

101. 1. c, SR. Fasz. Alte Norm., Verordnung, 18. Feb. 1812.


— 109 —<br />

<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>des</strong> Grundbuches<br />

Vor dem Sturz der alte.n Verfassung wäre die Anlegung <strong>des</strong><br />

Grundbuches unmöglich gewesen. <strong>Die</strong> obrigkeitliche Macht war zu<br />

gebun<strong>den</strong>, der alte Landvogt hätte zu wenig Energie besessen, um<br />

gegen <strong>den</strong> Willen der Bauern <strong>den</strong> gefährlichen Entwurf durchzu­<br />

führen." 12<br />

Es wäre sehr notwendig, Grundbücher anzulegen, schrie­<br />

ben die damaligen "fürstlichen Beamten nach Wien, bei diesem Wun­<br />

sche aber blieb es. <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen an <strong>den</strong> Landvogt Schupp­<br />

ler vom Jahre 1808 geboten die Inangriffnahme der beschwerlichen<br />

Arbeit, 103<br />

und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er programmatischen Antrittsrede kündigte der<br />

neue Landvogt die Durchführung <strong>des</strong> fürstlichen Befehles an.<br />

fallen die Vendienste um dieses Werk fast ausschliesslich Landvogt<br />

Schuppler zu, de<strong>in</strong> böhmische Verhältnisse bei der Arbeit als Vor­<br />

bild dienten. 106<br />

<strong>Die</strong> Tragweite der E<strong>in</strong>führung <strong>des</strong> Grundbuches ist ausseror­<br />

<strong>den</strong>tlich, da (lie Sicherung <strong>des</strong> Privatbesitzes, die genaue Regelung<br />

der Marken, die Hebung <strong>des</strong> Kredites für <strong>den</strong> Landniann, die Re­<br />

vision der Kapitalbriefe und die genaue Aufzeicluiung der Hypothe­<br />

karschul<strong>den</strong> die unmittelbaren Folgen waren, die sich aus dem<br />

Grundbuch ergaben. Dennoch geschah die Durchführung <strong>des</strong> vor­<br />

züglichen Gesetzes gegen <strong>den</strong> Willen der meisten Untertanen.<br />

Schon um 1808 bekundete die Obrigkeit durch e<strong>in</strong>en Erlass die<br />

Sorge um das bäuerliche Wohlergehen. <strong>Die</strong> Hofkanzlei verbot, bei<br />

Erbschaften <strong>den</strong> Bo<strong>den</strong> aufzuteilen und untersagte, «Grundstücke,<br />

We<strong>in</strong>berge, Felder, Wiesen und Gärten» zu zerstückeln. Wurde e<strong>in</strong>e<br />

Parzelle verkauft, so musste dem Anstösser das Vorkaufsrecht ge­<br />

währt wer<strong>den</strong>, und um die Anlegung grösserer Grundstücke wirksam<br />

zu fördern, mussten kle<strong>in</strong>ere mit e<strong>in</strong>er «Vere<strong>in</strong>igungssteuer» belastet<br />

wer<strong>den</strong>. 100<br />

Allerd<strong>in</strong>gs sche<strong>in</strong>t dieser Erlass gar nicht oder nur teil­<br />

weise e<strong>in</strong>gehalten wor<strong>den</strong> zu se<strong>in</strong>. 107<br />

102. 1. c, AR. Fasz. XXII 23, Rentmeister Frilz an die Hofkanzlei, 9. Jan. 17


— 110 -<br />

Im Frühjahr 1809 legte Schuppler <strong>den</strong> Entwurf <strong>des</strong> Grundbu­<br />

ches dem Fürsten vor mit der Bitte, ihn zu prüfen und sonach als<br />

Gesetz zu erklären. Der Landvogt beklagte sich über das Fehlen<br />

jeglicher Urkun<strong>den</strong>: er besass «ke<strong>in</strong>e andere Quelle als die Lokali­<br />

tät selbst und die e<strong>in</strong>seitigen Angaben der Individuen». Als e<strong>in</strong><br />

weiteres H<strong>in</strong>dernis kann zweifellos die starke Belastung <strong>des</strong> Bo<strong>den</strong>s<br />

durch Hypotheken angesehen wer<strong>den</strong>: <strong>den</strong>n fast je<strong>des</strong> Grundstück<br />

war «verschuldet, es kann dies bei e<strong>in</strong>em Schul<strong>den</strong>stand von e<strong>in</strong>er<br />

Million und darüber h<strong>in</strong>aus nicht anders seyn», schrieb der Land­<br />

vogt. Il,s<br />

Am 18. Februar 1809 wurde der Entwurf zum Gesetz erklärt. 1<br />

"''<br />

Das Grundbuch zerfiel <strong>in</strong> zwei Teile, <strong>in</strong> das eigentliche Grundbuch<br />

und das Urkun<strong>den</strong>buoh."" In das erstere sollten alle Güter nebst<br />

ihren Besitzern, die Lasten und das Flächenmass e<strong>in</strong>getragen wer­<br />

<strong>den</strong>. Das Gesetz sah e<strong>in</strong>e weitere Unterteilung <strong>des</strong> eigentlichen<br />

Grundbuches für vom Hause trennbare und untrennbare Güter<br />

vor. 1<br />

" Als untrennbar galten der dem Hause zugeteilte Geme<strong>in</strong>de-<br />

bo<strong>den</strong>, -die Hausbünten (Umschwung), sowie die vom Oberamt an<br />

Ort und Stelle als untrennbar erklärten Grundstücke. Es musste<br />

nach dem Grundsatz vorgegangen wer<strong>den</strong>, wonach zwei Drittel <strong>des</strong><br />

Bo<strong>den</strong>s, vornehmlich die grossen Stücke, als untrennbar erklärt<br />

wur<strong>den</strong>."- Aufs genaueste wurde der E<strong>in</strong>trag <strong>in</strong> das Grundbuch, die<br />

Verwaltung <strong>des</strong>selben und dergleichen mehr geregelt.<br />

Das Oheranit begann schon 1809 mit der dornenvollen und<br />

langwierigen Arbeit, <strong>in</strong> <strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>den</strong> Plan zu ver­<br />

wirklichen. <strong>Die</strong> Bewohner setzten sich heftig und mit bäuerlicher<br />

Zähigkeit gegen die Neuerung zur Wehr. Mit Geschick und guten<br />

Grün<strong>den</strong> griffen die Bauern die Bestimmung an, dass «zwey Drit-<br />

theile» <strong>des</strong> Bo<strong>den</strong>s als untrennbar beim Hause belassen wer<strong>den</strong><br />

<strong>in</strong>üssten und gelangten im Vere<strong>in</strong> mit <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong>devorstehern und<br />

zwei Altlandammännern an <strong>den</strong> Fürsten, <strong>in</strong>dem sie behaupteten, die<br />

108. I.


— 111 —<br />

Verordnung sei verfehlt, weil zu wenig Bo<strong>den</strong> vorhan<strong>den</strong> sei, als<br />

dass sich e<strong>in</strong> grosser Teil der Bevölkerung, die sich mit e<strong>in</strong>em Drit­<br />

tel begnügen sollte, davon leben könnte. Auch müsse das Vermögen<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Fällen <strong>in</strong> mehr als zwei Teile geteilt wer<strong>den</strong>, und der<br />

Inhaber der zwei Drittel wäre niemals im Stande, die Ansprüche der<br />

anderen Erben mit Geld zu begleichen. <strong>Die</strong> enormen Schul<strong>den</strong> seien<br />

der Grund dafür. Zudem bestehe für Handel und Gewerbe im Für­<br />

stentum wenig Gelegenheit. <strong>Die</strong> Bevölkerung müsse von <strong>den</strong> kargen<br />

Erzeugnissen der eigenen Landwirtschaft leben. Schliesslich würde<br />

die Verfügung e<strong>in</strong>en Sturz <strong>des</strong> Bo<strong>den</strong>preises herbeiführen, weil<br />

die dem Hause zugeschriebenen Bodeiisliieke nicht für jedermann<br />

käuflich wären: dies aber käme e<strong>in</strong>er Verm<strong>in</strong>derung der Nachfrage<br />

gleich."' .<br />

Sehuppler legte diesem Bittgesuch e<strong>in</strong>e hochnäsige und wortge­<br />

schliffene Entgegnung bei und berichtete vom Misstrauen der Be­<br />

völkerung gegen die oheramtlicheu Verfügungen. Das Volk glaubte<br />

aller Bo<strong>den</strong> käme, nachdem se<strong>in</strong> Wert festgestellt sei, <strong>in</strong> lan<strong>des</strong>­<br />

fürstlichen Besitz. Im To<strong>des</strong>fall müsse wieder die beste Kuh der<br />

Obrigkeit gegeben wer<strong>den</strong>. Altci verhassle Abgabepflichten tauch­<br />

ten wie e<strong>in</strong> subversives Element <strong>in</strong> der geängstigten Volksme<strong>in</strong>ung<br />

empor, ja die Leute glaubten, «ihre künftige Generation würde<br />

durch das Grundbuch unglücklich wer<strong>den</strong>». Mit unverhaltenem<br />

Missmut erklärte Sehuppler: «Sie trimmen die uns<strong>in</strong>nigsten Sehlus.s-<br />

l'olgernngen.» Auf <strong>den</strong> E<strong>in</strong>wand der Bauern, es könnten nach der<br />

fürstlichen Verordnung nicht alle von <strong>den</strong> Erzeugnissen der hei­<br />

mischen Landwirtschaft leben, antwortete der Landvogt, dass die<br />

andern Geschwister sich durch Gewerbe <strong>den</strong> Lebensunterhalt ver­<br />

dienen sollten, «welches System <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten gesitteten Ländern<br />

mit untrüglich gutem Erfolg gekrönt wor<strong>den</strong> ist»." 4<br />

<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>wände der Bauern sche<strong>in</strong>en aber so begründet gewesen<br />

zu se<strong>in</strong>, dass die Obrigkeit sich gezwungen sah, <strong>den</strong> Vorstellungen<br />

Rechnung zu tragen. Je<strong>den</strong>falls liess der Landvogt nicht die nackte<br />

Strenge <strong>des</strong> Gesetzes und Buchstabens walten. <strong>Die</strong> Unruhen im Jahre<br />

113. LKA. Sli. Fasz. B2. 2807|i»l.. Geme<strong>in</strong>devorsteher an <strong>den</strong> Fürsten 14 .März<br />

1809.<br />

114. I. e.. ad 280/pol.. Begleitschreiben Schuppte». 23. Mär/ 1801.


— 112 —<br />

1 1 5<br />

1809 mochten dabei mit im Spiele gestan<strong>den</strong> «e<strong>in</strong>.<br />

Schuppler gp _.<br />

<strong>in</strong> wesentlichen Punkten nach und erliess an die Geme<strong>in</strong>devorsteher<br />

e<strong>in</strong>e Proklamation: «Ihr werdet die Unterthanen belehren, dass,<br />

wenngleich vorgeschrieben wurde, dass zwei Dritteyle <strong>des</strong> Bo<strong>den</strong>s<br />

zum Hause als untrennbares Gut zugeschrieben wer<strong>den</strong>, das Amt<br />

von diesem Grundsatz bei der Geme<strong>in</strong>de Vaduz, wo es das Grund­<br />

buch bereits verlegt hat, abg<strong>in</strong>g und nebst dem Geme<strong>in</strong>debo<strong>den</strong> nach<br />

Umstän<strong>den</strong> bald e<strong>in</strong>ige Stücke eigenen Bo<strong>den</strong>s, bald gar nichts dazu<br />

nahm, je nachdem die Besitzer ihre Erklärung'dazu gegeben haben.»<br />

Das Entgegenkommen aüf das Ansuchen der Ortsvorsteher tritt hier<br />

ganz klar hervor.<br />

-Trotz der Ablehnung <strong>des</strong> Fürsten, die kle<strong>in</strong>en Grundstücke auf<br />

die Bo<strong>den</strong>f.läche von 400 Klaftern zu vere<strong>in</strong>igen, 116<br />

fuhr der Landvogt<br />

angestrengt fort, diesen Grundsatz zü verwirklichen und g<strong>in</strong>g so<br />

weit, dass er diejenigen, die e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Grundstück besassen, zwang,<br />

das <strong>des</strong> Nachbars zu kaufen oder das ihrige dem Anstösser zu ver­<br />

kaufen. Wurde der Verordnung nicht nachgelebt, so konnte das<br />

Grundstück um die Hälfte der «zu erheben<strong>den</strong> Schätzung ohne wei­<br />

teres e<strong>in</strong>em sich anmel<strong>den</strong><strong>den</strong> Anstösser .h<strong>in</strong>gegeben wer<strong>den</strong>»; iro­<br />

nisch,- fast zynisch bemerkte der Landvogt dazu: «<strong>Die</strong>sen Scha<strong>den</strong><br />

kann jeder sich selbst zuschreiben.» 117<br />

Kurz darauf brachte der<br />

Aufstand von 1809 das Land an <strong>den</strong> Rand <strong>des</strong> Verderbens. <strong>Die</strong> Un­<br />

zufrie<strong>den</strong>en forderten rücksichtsvolleres Vorgehen. Auch hier<strong>in</strong><br />

musste der Landvogt der drohen<strong>den</strong> Haltung <strong>des</strong> Volkes nach­<br />

geben. 118<br />

Neben der E<strong>in</strong>führung <strong>des</strong> Grundbuches bemühte sich die<br />

Obrigkeit um die Aufteilung <strong>des</strong> Geme<strong>in</strong>debo<strong>den</strong>s. Das teilweise<br />

versumpfte Gelände der genossenschaftlich ausgewerteten Wei<strong>den</strong><br />

sollte urbar gemacht wer<strong>den</strong>, <strong>in</strong>dem 'die neuen Eigentümer <strong>des</strong> ver­<br />

teilten Bo<strong>den</strong>s Gräben und Kanäle anlegen mussten. <strong>Die</strong> Trocken­<br />

legung <strong>des</strong> Bo<strong>den</strong>s sollte <strong>in</strong>nert drei Jahren bei «Verlust <strong>des</strong> Grün-<br />

US. Vgl. Proklamation, 212.<br />

llf,. I.KA. SK. Fasz. Gl, 161/pol.. Schreiben der Hofkanzlci. 18. Feb. 1809.<br />

117. 1. c. 260/|>ol., Oberaml an die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> Vaduz und Schaan, 19. April<br />

1809.<br />

118. I. c, 28/pol.. Oberamt an die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> Triesen und Triesenberg, 15. Jan.<br />

1810.


8<br />

<strong>des</strong>» bewerkstelligt wer<strong>den</strong>. 119<br />

I— 113, —<br />

Durch <strong>den</strong> Erlass wurde der ge­<br />

nossenschaftliche Charakter der Nachbarschaft grösstenteils ver­<br />

nichtet.<br />

<strong>Die</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> sträubten sich vergebens gegen <strong>den</strong> obrigkeit­<br />

lichen Willen. So gelangten 1810 die Bürger der Geme<strong>in</strong>de Balzers<br />

an <strong>den</strong> Fürsten mit der Bitte, von der Aufteilung <strong>des</strong> Geme<strong>in</strong>de­<br />

bo<strong>den</strong>s abzusehen. Der Landvogt, wegen <strong>des</strong> Gesuches empört, er­<br />

klärte, Gewalttätigkeit sei ohneh<strong>in</strong> die zweite Natur der Liechten­<br />

ste<strong>in</strong>er; die hassenswerte Eigenschaft f<strong>in</strong>de <strong>in</strong> der Schweiz Nahrung,<br />

weil die fürstlichen Untertanen «ununterbrochen jene Freiheit, die<br />

ihre Nachbaren gemessen, anstreben oder affektieren». 120<br />

Das Ge­<br />

such- wurde abgewiesen. <strong>Die</strong> Geme<strong>in</strong>ide widersetzte sich trotzdem<br />

dem oberamtlichen Befehl. Der Landvogt beorderte darauf vier Po­<br />

lizeisoldaten auf Kosten der Geme<strong>in</strong>de nach Balzers. 121<br />

Alsdann<br />

wur<strong>den</strong> e<strong>in</strong>ige Anstalten getroffen, um <strong>den</strong> Forderungen der Obrig­<br />

keit nachzukommen. Im allgeme<strong>in</strong>en aber blieb es beim Versprechen.<br />

Es kam das Frühjahr 1811, nichts geschah. Der Landvogt mahnte,<br />

drohte und warnte. Neuerlich wurde die Geme<strong>in</strong>de mit Exekution<br />

belegt. <strong>Die</strong> Vermessungsbeamten fan<strong>den</strong> ke<strong>in</strong>e Unterstützung. <strong>Die</strong><br />

Bürger leisteten passiven Widersland. Schliesslich mussten sich die<br />

Riohter der Geme<strong>in</strong>de herbeilassen und <strong>den</strong> Vermessungsbeamten<br />

helfen. <strong>Die</strong> Drohungen <strong>des</strong> Landvogtes wur<strong>den</strong> immer massiver, so­<br />

dass die Bürger versprachen, dem. Befehl <strong>des</strong> Oberamtes nachzu­<br />

kommen. Schuppler glaubte; aber anstatt mit der Aufteilung <strong>des</strong><br />

Geme<strong>in</strong>delbo<strong>den</strong>s zu beg<strong>in</strong>nen, gelangten sie mit e<strong>in</strong>em neuen Gesuch<br />

an <strong>den</strong> Fürsten. Das Katze- und Mausspiel schien ke<strong>in</strong> Ende zu neh­<br />

men, bis die erneute Ablehnung <strong>des</strong> Gesuches im Jahre 1812 dem<br />

Treiben e<strong>in</strong> Ende setzte und das Oberamt «amtliche Schärfe» ge­<br />

brauchte.<br />

Parallel zur E<strong>in</strong>führung <strong>des</strong> Grundbuches verliefen die Bemü­<br />

hungen der Obrigkeit, Gewerbe und Industrie zu fördern. Klar sah<br />

der Landvogt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Antrittsrede das Fehlen jeglicher gewerb­<br />

licher Betätigung. <strong>Die</strong> Bauern <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s rängen der Erde <strong>den</strong><br />

119. Art. IV, DI. 204 f.<br />

120. LRA. SR. Fasz. B6, 77/pol., Begleitschreiben <strong>des</strong> Landvogtes zum Gesuch<br />

der Geme<strong>in</strong>de Balzers, 2. März 1810.<br />

121. 1. c., 454/pol., Landvogt an Balzers, 20. Dez. 1810.


— 114 —<br />

kargen Lebensunterhalt ab, und die Not mache sie gegen jede hö­<br />

here Kultur stumpf. 12<br />

"' Mit rhetorischer Geste erklärte Schuppler:<br />

«Haben wir nicht Naturerzeugnisse genug, die, zweckmässig ver­<br />

arbeitet, dem fleissigen Familienvater se<strong>in</strong>e verwendete Mühe und<br />

Arbeit zureichend lohnen würde?» Es sollte <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> die<br />

Sp<strong>in</strong>nerei und Weberei e<strong>in</strong>geführt wer<strong>den</strong>, 123<br />

womit <strong>in</strong> aneifernder<br />

Weise auf ostschweizerische und vorarlbergischc Verhältnisse h<strong>in</strong>­<br />

gewiesen wurde. Vor allem aber war für die Ausbildung «der nötig­<br />

sten Professionisten» zu sorgen.' 24<br />

Bei e<strong>in</strong>em regen wirtschaftlichen<br />

Leben erhoffte das Oberamt auch grössere E<strong>in</strong>nahmen für <strong>den</strong><br />

Staat, war damals doch im ganzen Fürstentum ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Kauf­<br />

mann oder Fabrikant tätig! 12<br />

''<br />

Dessen ungeachtet mussten auf Befehl Napoleons 12li<br />

die Kolo­<br />

nialwaren, die zum Verbrauch im Innern <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> bestimmt wa­<br />

ren, nach der französischen Tarifordnung vom 5. August 1810 ver­<br />

zollt wer<strong>den</strong>. 127<br />

Im Zuge der Jagd nach englischen Waren mittels<br />

<strong>des</strong> Dekretes von Trianon fahndete man auch <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> nach<br />

englischen Kolonialwaren. E<strong>in</strong> Fass Zucker und 2 Sack Pfeffer so­<br />

wie 72 Ballen Baumwolle wur<strong>den</strong> mit Sequester belegt. <strong>Die</strong> be­<br />

schlagnahmte Baumwolle führte später noch zu e<strong>in</strong>er Intervention<br />

Metternichs beim Fürsten. 128<br />

Manche Erlasse der Obrigkeit erstrebten e<strong>in</strong>e Intensivierung<br />

<strong>des</strong> wirtschaftlichen Löbens im Lichte <strong>des</strong> Fortschrittsgedankens:<br />

Mit allen Reizmitteln sollten die Industrie, das Gewerbe und der<br />

rentable Bauernbetrieb gefördert wer<strong>den</strong>. Aber die überstürzten<br />

Neuerungen mussten auf Widerstand stossen, weil der Wechsel von<br />

Alt und Neu nicht organisch wuchs, sondern von der Obrigkeit auf­<br />

gedrängt wurde. In ihren Plänen war sie der konservativen Land­<br />

bevölkerung weit voraus. So erkennen wir immer wieder scblaglicht-<br />

122. 1. c, Fasz. unnummeriert, Antrittsrede Schupplers, 1800.<br />

123. Art. V, DI. 205.<br />

124. Art. VI, DI. 205.<br />

125. Vgl. BF. HK. Wien (1784) L 2 — 14; LRA. SR. Fasz. ZI. Berieht Schupplers,<br />

27. Nov. 1810.<br />

126. 1. c, 341/pol., Schmitz Crollenburg an Schuppler, 24. Aug. 1810.<br />

127. 1. c, ad 383/pol., Erlass, 26. Okt. 1810.<br />

128. HHSTA. Kle<strong>in</strong>ere Betreffe, dipl. Korrespon<strong>den</strong>z, 6a, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 1806 —<br />

1840, Schreiben Metternichs, 2. Nov. 1812.


— 115 —<br />

artig die ausgesprochene wirtschaftliche Schwäche <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong><br />

zu Anfang <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts. Jedoch waren die Folgen der Kon­<br />

t<strong>in</strong>entalsperre unter diesen Umstän<strong>den</strong> weniger e<strong>in</strong>schnei<strong>den</strong>d, als<br />

<strong>in</strong> der Schweiz: 121<br />

' e<strong>in</strong>geführt wurde <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> sehr wenig.<br />

Angesichts dieser Lage erfasste <strong>den</strong> fürstlichen Inspektor Georg<br />

Hauer anlässlich se<strong>in</strong>es Aufenthaltes <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> e<strong>in</strong> Grauen,<br />

als er üher die wirtschaftlichen Verhältnisse nach Wien Bericht<br />

erstattete. 1<br />

' 50<br />

Bau- und Feuerlöschordnung<br />

Vor dem Jahre 1812 bestan<strong>den</strong> oberamtliche Schutzvorschrif­<br />

ten, die als Vorläufer der vom Fürsten unterzeichneten Feuerlösch-<br />

orduung gelten können. Um 1800 berichtete der damalige Landvogt<br />

Menz<strong>in</strong>ger, dass nur drei alte «Feuerkiehcl» im Schlosse zur Bekämp­<br />

fung <strong>des</strong> Feuers im Unglücksfalle vorhan<strong>den</strong> seien, weder e<strong>in</strong>e Lei­<br />

1 3 1<br />

ter, noch e<strong>in</strong>e Spritze stünde zur Verfügung.<br />

Das Oberamt sah sich<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er grossen Zahl von Dekreten veranlasst, <strong>den</strong> Untertanen <strong>in</strong><br />

befehlendem und mahnendem Ton Vorsicht beim Umgang mit Feuer<br />

zu empfehlen; 13<br />

'- trotz der Dekrete und Verordnungen fehlte e<strong>in</strong><br />

allgeme<strong>in</strong> verpflichten<strong>des</strong> Gesetz.<br />

E<strong>in</strong>en wichtigen Schritt <strong>in</strong> 'der Entwicklung der Feuergesetzge-<br />

liung stellen die <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktioneu enthaltenen Anweisun­<br />

gen zur Ausarbeitung e<strong>in</strong>er Feuerlösohordiiung dar. 133<br />

Vorerst über<br />

begnügte sich das Oheramt mit e<strong>in</strong>er Verordnung, <strong>in</strong> der <strong>den</strong> Ge­<br />

richten vermehrte Aufmerksamkeit auf die Feuerstätten <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Häusern befohlen wurde. 134<br />

Im Jahre 1812 sanktionierte Fürst Johann e<strong>in</strong>e neue Feuerlösch-<br />

ordnimg. 1!<br />

'' Sie ist <strong>in</strong> 4 Kapitel e<strong>in</strong>geteilt, wovon das erste die Ver­<br />

h<strong>in</strong>derung der Feiicrsbri<strong>in</strong>ste behandelt, das zweite die rechtzeitige<br />

120. fiagliardi, 1187 ff.<br />

130. BH. HK. Wien 1808, L 2 — 11, 41.<br />

131. LRA. AR. Fasz. XX1I1 24, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 17. Juli 1789.<br />

132. 1. c. Fasz. XXVI 27. Dekret, 15. Dez. 1790; <strong>des</strong>gleichen, 18. Dez. 1800.<br />

133. Art. XXXVII, DI. 207.<br />

131. Regesten CM., 164. Das Rauchen wurde an feuergefährlichen Stellen<br />

verboten.<br />

135. LRA. SR. Fasz. unnummeriert. 287/|iol., Feuerlöschordnung, 10. Okt. 1812.


— 116 —<br />

Entdeckung der Brände, das dritte die Bekämpfung <strong>des</strong> Feuers und<br />

das vierte die Vorsichtsmassnahmen schildert, die nach der Brand­<br />

katastrophe au beobachten s<strong>in</strong>d. Im e<strong>in</strong>zelnen wurde die Aufstellung<br />

von Nachtwächtern vorgesehen, die Art <strong>des</strong> Alarmschlagens be­<br />

schrieben, die Anlegung von Teichen (Feuerkasten) geboten und die<br />

Anschaffung von Löschgeräten, Feuerleitern und anderen Materi­<br />

alien dr<strong>in</strong>gend empfohlen. Das Gesetz umschrieb auch die Pflichten<br />

der Vorgesetzten und der Bürger bei Feuersbrünsten.<br />

Von e<strong>in</strong>iger Bedeutung für die spätere Baugesetzgebung ist<br />

zweifellos das 1. Kapitel der Feuerlöschordnung. Schon <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Erlass <strong>des</strong> Fürsten vom. Jahr 1806 bef<strong>in</strong><strong>den</strong> sich etliche Bauvor­<br />

schriften, die für das Fürstentum erstmalig s<strong>in</strong>d und allgeme<strong>in</strong>e<br />

Gültigkeit erhalten sollten, im Gegensatz zu <strong>den</strong> vermutlichen. Bau­<br />

vorschriften der e<strong>in</strong>zelnen Nachbarschaften. 136<br />

Der Fürst verbot<br />

1806 die Erstellung neuer Häuser, sowie die Verdoppelung derselben<br />

durch Scheidewände ^ohne obrigkeitliche Erlaubnis, weil sonst zu<br />

viele Bürger <strong>den</strong> Geme<strong>in</strong>idebo<strong>den</strong> mutzen, was <strong>den</strong> Untertanen zum<br />

Scha<strong>den</strong> gereichen müsste. 1<br />

* 37<br />

<strong>Die</strong> Feuerlöschordnung vervollstän­<br />

digte diese Vorschriften: Nun war es nicht mehr gestattet, hölzerne<br />

Kam<strong>in</strong>e zu errichten, beim Kam<strong>in</strong>bau mussten Fachleute beigezogen<br />

wer<strong>den</strong>; abermals wurde auf die Notwendigkeit der obrigkeitlichen<br />

Erlaubnis beim Neubau von Häusern und grösseren baulichen Re­<br />

paraturen h<strong>in</strong>gewiesen, auch die Art der Dachdeckung wurde vor­<br />

geschrieben.<br />

Da <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> damals ke<strong>in</strong>e Brandversicherung bestand,<br />

gew<strong>in</strong>nt die Feuerlöschordnung an Bedeutung. Jede Feuersbrunst<br />

wurde für die betroffene Familie zum schwersten Unglück, <strong>Die</strong><br />

Feuerlösohordnung stellt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>en Appell zur Vorsicht<br />

beim Umgang mit Feuer dar.<br />

136. Vgl. Büchel, Zur liechtenste<strong>in</strong>ischen Bauordnung, JB. (1932) 44; Hier muss<br />

der H<strong>in</strong>weis auf S. 157 statt auf S. 238 <strong>des</strong> JB. (1908) lanten; vgl. Büchel,<br />

Triesen, 238 f.<br />

137. LRA. SR. Fasz. Alte Norm., ErlaBS, 27. Okt. 1806.


Gesundheitswesen<br />

— 117 —<br />

In e<strong>in</strong>em Bericht vom Jahre 1771 <strong>des</strong> fürstlichen Adm<strong>in</strong>istra­<br />

tors, Pater Gabriel Re<strong>in</strong>hard, <strong>des</strong> Priors von St. Johann <strong>in</strong> Feldkirch,<br />

heisst es, das ganze Fürstentum leide darunter, dass weder e<strong>in</strong><br />

«Medikus noch e<strong>in</strong> erfahrener Chirurgus, ja nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e ge­<br />

lehrte Hebamme vorhan<strong>den</strong> sei». Der Adm<strong>in</strong>istrator empfahl dem<br />

Fürsten, e<strong>in</strong>en Arzt <strong>in</strong>s Land zu sen<strong>den</strong>, und da dieser aber ohne<br />

fürstliche Unterstützung' kaum vier Wochen leben könnte, so möge<br />

die Obrigkeit mit Geld nachhelfen. 138<br />

Im Jahre 1789 beklagte «ich<br />

Landvogt Menz<strong>in</strong>ger, es sei im ganzen Lande ke<strong>in</strong>e Hebamme, daher<br />

«soviele grippelhafte K<strong>in</strong>der, vernachlässigte Weiber» die Unter­<br />

tanen belasteten. <strong>Die</strong> Ausbildung der Hebammen möge jeweils aus<br />

der E<strong>in</strong>kaufssumme von E<strong>in</strong>bürgerungen <strong>in</strong> die Nachbarschaft be­<br />

stritten wer<strong>den</strong>; diese Gelder wür<strong>den</strong> ohneh<strong>in</strong> für wilde Tr<strong>in</strong>kgelage<br />

verwendet. 139<br />

Grass», 140<br />

Zwar amtete <strong>in</strong> Vaduz e<strong>in</strong> gewisser «Ghyrargus<br />

aber nicht zur allgeme<strong>in</strong>en Zufrie<strong>den</strong>heit; <strong>den</strong>n neben<br />

se<strong>in</strong>em mediz<strong>in</strong>ischen Beruf versah er auch <strong>den</strong> Posten e<strong>in</strong>es Stras-<br />

sen<strong>in</strong>spektors. 141<br />

Menz<strong>in</strong>ger kam <strong>in</strong> Abhängigkeit von diesem<br />

schlauen Chirurgen. Georg Hauer, der fürstliche Inspektor, schrieb<br />

<strong>des</strong>wegen dem Fürsten, dieser Grass sei der «erste Regent <strong>des</strong> Für­<br />

stentums». 142<br />

Nach der Ankunft Schupplers <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> im<br />

Jahre 1809 wurde Grass als Landschaftsarzt entlassen. 143<br />

E<strong>in</strong>e Besserung <strong>in</strong> dieser Beziehung trat durch die Praxis <strong>des</strong>"<br />

Wundarztes Gebhard Schädler e<strong>in</strong>. Er studierte an der Universität<br />

Freiburg <strong>in</strong> Breisgau, diente <strong>in</strong> Holland und kam 1801 nach Liech­<br />

tenste<strong>in</strong>, wo er sich anfänglich <strong>in</strong> Nendeln niederliess. 144<br />

Am 16.<br />

138. M. Thiefenthaler, P. Gabriel Re<strong>in</strong>hard, Prior zu St. Johann Feldkirch,<br />

Adm<strong>in</strong>istrator <strong>des</strong> Fürstent. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>, JB. (1935) 125.<br />

139. LRA. AR. Fasz. XXIII 24, Bericht Menz<strong>in</strong>gers, 17. Juli 1789.<br />

140. Tschugmell, 66.<br />

141. 1. c, Anmerkung 2.<br />

142. BH. HK. Wien (1808) L 2 —14, 41.<br />

143. Amtsprotokoll, Jan. 1809; vgl. LRA. SR. Fasz. B2, Bericht Schupplers,<br />

23. Dez. 1808; 1. c, 72/pol., Schreiben Georg Hauers, 29. Jan. 1809.<br />

144. Tschugmell, 66 f. Anmerkung 3; In der Maur, Johann, 189 Anmerkung 3 f.;<br />

LRA. SR. Fasz. G7, 250/pol., Schädler an das Oberamt, 23. Sept. 1812; 1. c,<br />

Fasz. B2, Kopie <strong>des</strong> Vertrages, 13. Juni 1802. Schädler wurde schon 1802<br />

von der Gerichtsgeme<strong>in</strong>de Schellenberg angestellt.<br />

8 * •


— IIB —<br />

Januar 1809 wurde Gebhard Schädler auf Grund der «boygebrach-<br />

ten Zeugnisse und se<strong>in</strong>er Kenntnisse und Erfahrungen» die Land­<br />

schafts- und Wundarztstelle gegeben. Se<strong>in</strong> Gehalt wurde «gegen die<br />

Pflichten 'bewilligt, dass der Arzt nicht nur der fürstlichen <strong>Die</strong>ner­<br />

schaft, sondern auch der armen Klasse der Unterthanen <strong>den</strong> ärzt­<br />

lichen Beistand unentgeltlich leiste und für jede Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>e<br />

Hebamme zum Beystand der Gebären<strong>den</strong> abrichte, auch bey e<strong>in</strong>­<br />

treten<strong>den</strong> Viehkrankheiten mit Rath und Hilfe <strong>den</strong> Bedrängten.bey-<br />

spr<strong>in</strong>ge». 145<br />

Der Landarzt Hess sich nun <strong>in</strong> Vaduz nieder, wo ihm auf<br />

fürstliche Kosten e<strong>in</strong>e Wohnung zur Verfügung gestellt wurde.<br />

<strong>Die</strong> Anstellung e<strong>in</strong>es ausgebildeten Arztes muss als e<strong>in</strong> grosser<br />

Fortschritt gewertet wer<strong>den</strong>, zumal 1803 e<strong>in</strong>e Krankheit mit seu­<br />

chenartigem Charakter die Bevölkerung <strong>in</strong> Not brachte. 146<br />

Der Aus­<br />

bruch <strong>des</strong> «Gallenfiebers» <strong>in</strong> Italien (1804) halte auch auf Liechten­<br />

ste<strong>in</strong>, 'das als Durchgangsland für die nach Süddeutschland führen­<br />

<strong>den</strong> Handelsstrassen von nicht ger<strong>in</strong>ger Bedeutung war, nachteilige<br />

Wirkungen: der 'schwäbische Kreis ordnete Schutzmassiiahmen und<br />

Sperrung der Grenzen an. 147<br />

Und der Bauernchronist Helbert<br />

schrieb darüber: «In Italien herrscht das Gallenfieber so stark, dass<br />

täglich 30 — 40 Personen sterben und ganze Dörfer entvölkert s<strong>in</strong>d.<br />

Aller Orten wer<strong>den</strong> Pässe gesperrt. Sogar <strong>in</strong> der Herrschaft Liech­<br />

tenste<strong>in</strong> wur<strong>den</strong> Rh e<strong>in</strong> wachen aufgestellt, nämlich 80 Mann Tiroler-<br />

sebützen.» 148<br />

Menz<strong>in</strong>ger bereiteten die erwähnten Wachttruppen<br />

<strong>in</strong> der Folge erhebliche Schwierigkeiten, da dem Fürstentum die<br />

Verpflegung dieses K. K. Militärs zur drücken<strong>den</strong> Last wurde. 140<br />

Der Gesundheit <strong>des</strong> Volkes drohten nicht nur Seuchen, sondern<br />

das tief im Volkstum verwurzelte Vertrauen auf mediz<strong>in</strong>ische Di­<br />

lettanten und Wunderärzte musste teuer, oft mit dem Leben bezahlt<br />

wer<strong>den</strong>. <strong>Die</strong> Obrigkeit bemühte sich, diesen Verbrechern das Hand-<br />

145. 1. c, Fasz. Alte Norm., 75/pol., Hofkanzlci an Sehuppler 16. .Tan. 1809.<br />

Das jährliche Honorar für <strong>den</strong> Landschaftsarzt belief sich auf 200 fl.,<br />

davon kamen 150 fl. aus dem Steuerfonds. 50 fl. aus dem fürstlichen<br />

Camerali.<br />

146. 1.


_ ll


— 120 —<br />

später begann Dr. Schärller mit der Impfung. 158<br />

Der Landsohaftsarzt<br />

stiess <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de Triesenberg auf Widerstand und musste<br />

beim Oberamte Klage e<strong>in</strong>reichen. Schuppler wies die Eltern <strong>in</strong> jener<br />

Geme<strong>in</strong>de zurecht und berichtete, e<strong>in</strong> Mann »olle sich «öffentlich<br />

verblärrt haben, dass er lieber <strong>den</strong> Kopf verlieren, als K<strong>in</strong>der imp­<br />

fen lassen wolle». Ähnliche« ereignete sich im September 1812 auch<br />

<strong>in</strong> Ruggell, wo e<strong>in</strong>ige Frauen und Männer durch kräftige Ausfälle<br />

gegen die Obrigkeit sich besonders hervorgetan hatten. 157<br />

So sah<br />

sich der Lan<strong>des</strong>physikus auch hier •gezwungen, dem Amte Anzeige<br />

zu machen. -Schuppler zitierte darauf die Hauptschuldigen nach<br />

Vaduz. 158<br />

Im übrigen aber verlief die Durchführung der Impfung <strong>in</strong><br />

aller Ruhe und Ordnung. <strong>Die</strong> Blattern wur<strong>den</strong> e<strong>in</strong>gedämmt, und die<br />

Krankheit trat erst 1825 wieder auf. 159<br />

Nicht nur für die Gesundheit der Untertanen, sondern auch für<br />

die Haustiere war die Obrigkeit besorgt. Neben dem Verkauf von<br />

We<strong>in</strong> und <strong>den</strong> E<strong>in</strong>nahmen aus dem Transport der Güter von Schaan-<br />

wald nach Maienfeld war der Viehhandel e<strong>in</strong>e der wichtigsten E<strong>in</strong>­<br />

nahmequellen der Bauern. Deshalb erforderten die für <strong>den</strong> Vieh­<br />

bestand gefährlichen Seuchen, welche zu Anfang <strong>des</strong> 19. Jahrhun­<br />

derts <strong>in</strong> Graubün<strong>den</strong>, St. Gallen und Vorarlberg ausbrachen, die<br />

schärfsten Vorsichtsmassregeln. Das wirksamste Mittel, um der<br />

Ausbreitung der Seuchen Herr zu wer<strong>den</strong>, war die Sperrung der<br />

Grenzen; aber der Krieg begünstigte die Seuchen. So musste sich<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> schon vor der Jahrhundertwende gegen epidemische<br />

Krankheiten <strong>des</strong> Viehes wehren. Um 1800 wüteten im Fürstentum<br />

verschie<strong>den</strong>e Seuchen. In der Zeitspanne von 1806 bis 1818 s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Nachbarstaaten <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s, soweit aus <strong>den</strong> Akten ersicht­<br />

lich ist, fünf Seuchenperio<strong>den</strong> festzustellen, wobei die veter<strong>in</strong>är­<br />

mediz<strong>in</strong>ische Diagnose meist auf «R<strong>in</strong>derpest», «Löserdürre», und<br />

«Lungenfäule», 160<br />

lautete;<br />

156. LRA. SR. Fasz. C7, 131/poL, Schuppler an die Geistlichkeit, 28. April 1812.<br />

157. 1. c, 250/pol., Anzeige <strong>des</strong> Arztes, 22. Sept. 1812.<br />

158. 1. c, ad 250/pol., Schreiben Schupplers, 23. Sept. 1812.<br />

159. In der Maur, Johann, 189.<br />

-160. LRA. AR. Fasz. XXV 26, Aktenstoss.


- f21 -<br />

Bei der Abwehr der Tierkrankheiten hielt sich Landvogt<br />

Schuppler meist an die Verordnungen <strong>des</strong> Bündner Sanitätsrates,<br />

auf <strong>des</strong>sen Rat und Anzeige der Landvogt die Grenzen, <strong>des</strong> Fürsten­<br />

1 6 1<br />

tums für <strong>den</strong> Viehverkehr schlöss und öffnete.<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong><br />

machte dabei gute Erfahrungen. <strong>Die</strong> Bauern nahmen frommen S<strong>in</strong>­<br />

nes zu Gebet und Prozessionen Zuflucht: «Man nimmt die Zuflucht<br />

zum Gebet», berichtet der Chronist, «die -Benderer Pfarrei geht mit<br />

Prozession auf Appenzell zum hl. Antonius». <strong>Die</strong> Obrigkeit aber<br />

wandte sich an «Leut- und Viehdökter», die über «Ursache und Kur<br />

dieser Krankheit» sehr verschie<strong>den</strong>er Ansicht waren. <strong>Die</strong> e<strong>in</strong>en<br />

glaubten, der Grund der Krankheit liege <strong>in</strong> der vergifteten Luft,<br />

andere me<strong>in</strong>ten <strong>in</strong> der Hitze und Dürre <strong>des</strong> Sommers, wieder andere<br />

führten die Seuche auf vergiftete Fliegen zurück. «Und ich me<strong>in</strong>e»,<br />

so fügte Helbert bei, «es ist e<strong>in</strong>e Strafe Gottes gewesen». Mit e<strong>in</strong>em<br />

spöttischen Seitenblick auf die wortreiche Vielfalt akademischer<br />

Hypothesen schloss er: «Hilfsmittel s<strong>in</strong>d allenthalben nur von <strong>den</strong><br />

geme<strong>in</strong>en Leuten erfun<strong>den</strong> wor<strong>den</strong>.»<br />

1 6 2<br />

Trotzdem wurde 1809 e<strong>in</strong>em<br />

<strong>in</strong> Ruggell wohnhaften Tierarzt namens Josef Heeb vom Oberamt<br />

die Erlaubnis zur Eröffnung e<strong>in</strong>er Praxis gegeben. Nach e<strong>in</strong>er U/2<br />

jährigen «Lehr» bei e<strong>in</strong>em schweizerischen Tierarzt hatte er die<br />

Hochschule <strong>in</strong> Freiburg im Breisgau besucht. Das Oberamt gestat­<br />

tete ihm, se<strong>in</strong>en Beruf auszuüben, unter der Bed<strong>in</strong>gung, dass er<br />

e<strong>in</strong>en or<strong>den</strong>tlichen Lebenswandel führe, se<strong>in</strong>e Kunst nicht an <strong>den</strong><br />

Menschen versuche, allen <strong>in</strong> Nöten stehen<strong>den</strong> Bauern im Stalle bei­<br />

stehe und «auch ohne Rast a<strong>in</strong>d Ruh» nachforsche, ob Spuren von<br />

Seuchen vorhan<strong>den</strong> wären. 163<br />

<strong>Die</strong> wichtigsten der angeführten Gesetze wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> der kurzen<br />

Zeit von 1808 bis 1812 erlassen. Sie s<strong>in</strong>d Zeugen e<strong>in</strong>er tiefgehen<strong>den</strong><br />

Wandlung der <strong>in</strong>nen<strong>politische</strong>n Lage. Nirgens leuchtete der rasche<br />

Wechsel von alt und neu <strong>in</strong> so grellen Farben auf, wie gerade <strong>in</strong><br />

der Gesetzgebung. Schon e<strong>in</strong>e kurze grundsätzliche Erläuterung<br />

deckt die Problematik der damaligen <strong>politische</strong>n Verhältnisse im<br />

Fürstentum auf.<br />

161. 1. c, SR. Fasz. G7, <strong>des</strong>gleichen.<br />

162. Helbert, 116 f.<br />

163. LRA. SR. Fasz. B2, 466/pol., Schreiben Schupplers, 19. Okt. 1809.


Gerne wird betont, dass die allen Gewohnheitsrechte zu Ende<br />

<strong>des</strong> 18. Jahrh. im argen lagen."' 1<br />

ohne mit dieser Feststellung e<strong>in</strong>e<br />

erschöpfende Erklärung jenes Zustande? zu gegeben.<br />

<strong>Die</strong> Landammaniiverfassung um 1800 war das Kesullat e<strong>in</strong>er<br />

langen Entwicklung, l(U<br />

<strong>in</strong>nerhalb der sich das alte Gewohnheitsrecht<br />

tiefgehende Umgestaltung gefallen lassen musste. Mit gewaltiger<br />

Dynamik traten zu Anfang <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts neue Ideen auf und<br />

damit all die Forderungen nach geschriebenen Gesetzen, nach Zen­<br />

tralisation, nach Beamten und Formularen. <strong>Die</strong> Systeme, die sich<br />

<strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> gegenüberstan<strong>den</strong>, waren abgeschlossen: <strong>Die</strong> alte<br />

Verfassung <strong>in</strong> der Entwicklung, der Spätabsolutismus <strong>in</strong> der Theo­<br />

rie. E<strong>in</strong>e Assimilation der neuen Anschauungen durch die alte Ver­<br />

fassung war aus verschie<strong>den</strong>en Grün<strong>den</strong> unmöglich. Das staatliche<br />

Bewusstse<strong>in</strong> hatte sich zur Zeit der französischen Revolution <strong>in</strong> der<br />

ganzen existeuziellen Tiefe geändert, und wenn die Unvere<strong>in</strong>barkeit<br />

der alten Anschauungen mit <strong>den</strong> neuen Ideen als Misstand gewerlet<br />

wer<strong>den</strong> darf — was zu Unrecht meist geschieht — so gab es <strong>in</strong><br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> viele Misstände. Aber e<strong>in</strong> Unvermögen ist noch ke<strong>in</strong><br />

Misstand: es kann höchstens Ursache dazu wer<strong>den</strong>, was oft mit <strong>in</strong>­<br />

nerer Notwendigkeit geschieht.<br />

<strong>Die</strong> absolutistischen Gründlagen <strong>des</strong> neuen Staates bed<strong>in</strong>gten<br />

logischerweise die Zentralisation <strong>des</strong> Rechtes, der Staatsgewalt und<br />

der Verwaltung. Fast je<strong>des</strong> der behandelten Gesetze zeigt diese<br />

Ten<strong>den</strong>z, die sich bei der Kle<strong>in</strong>räumigkeit <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> und<br />

unter dem E<strong>in</strong>fluss ähnlicher Ideen <strong>in</strong> Österreich wie <strong>in</strong> der Schweiz<br />

zur Zeit der Helvetik noch verstärkte. Ferner bedeutet Zentralisa­<br />

tion Triumph <strong>des</strong> Rationalismus, der se<strong>in</strong>erseits <strong>den</strong> Verlust<br />

irrationaler, ethisch-sittlicher Werte bed<strong>in</strong>gt: So konnten die durch<br />

die Jahrhunderte geheiligten Bräuche mit Berufung auf die Nütz­<br />

lichkeit verworfen wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>e tiefgehende Änderung brachte die<br />

neue Ordnung im Staatshaushalt. <strong>Die</strong> nunmehrige Verwaltung war<br />

161. Vjrl. In der Maur. Johann, 170 ff.<br />

I6">. <strong>Die</strong> Markste<strong>in</strong>e dieser Entwicklung <strong>in</strong> neuerer Zeit s<strong>in</strong>d: Der Kauf der<br />

bei<strong>den</strong> Landschaften durch das Fürstenhaus (Kaufbrief Sch, Kaufbrief V.);<br />

ferner die Frliclniiijr zum unmitlclbaren fteiclisfiirstcntum (Palat<strong>in</strong>atsdijilu<strong>in</strong>l<br />

M<strong>in</strong>i die Lanilaniiiiaiiiiverfassuiig von 1733.


- 123 -<br />

H<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Bedeuten<strong>des</strong> teurer als zur Zeil der Laiidaiiiiiiäiiiiur." ,<<br />

' Der<br />

Versuch, die Abschaffung der alten Verfassung auf Grund ihrer<br />

Kostspieligkeit zu rechtfertigen,"'' ist zum vornhere<strong>in</strong> zum Scheitern<br />

verurteilt: 1<br />

" 8<br />

man kann sich kaum e<strong>in</strong>e billigere Verwaltung vor­<br />

stellen, als ilic der Landammänner."' 1<br />

' Nicht ganz zu unrecht be­<br />

merkte e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>facher Bürger aus Eschen: «Demi von so grossen<br />

Taxen weisst man nichts» und «als die LandamnianniMi regierten,<br />

war es besser als hernach». 1<br />

'"<br />

<strong>Die</strong> Souveränität brachte anfänglich ger<strong>in</strong>ge materielle Vorteile.<br />

<strong>Die</strong> Auslagen für <strong>den</strong> Staat stiegen: dem stand der Verlust der<br />

Volksrechte gegenüber. Weiterh<strong>in</strong> bezog der Fürst die Herrscliafls-<br />

gefälle, während das Volk die obrigkeitlichen Beamten bezahlen<br />

musste.'<strong>Die</strong> Besoldung der Staatsbeamten stieg auf die Summe<br />

von über 3500 fl. Zur Bestreitung der Ausgaben für die Beamten<br />

wurde e<strong>in</strong> Fonds geschaffen. 1<br />

'-' Früher waren die Urteile lies Ge­<br />

richtes unentgeltlich: 1,3<br />

nun wur<strong>den</strong> Gerichtstaxcn verlangt. Zölle<br />

und Weggelder flössen im S<strong>in</strong>ne <strong>des</strong> alten Staates <strong>in</strong> lürstliche Kas­<br />

sen, doch die Untertanen verpflichtete man zum Strassenbau. 1<br />

''<br />

Unter dem f<strong>in</strong>anziellen Gesichtspunkt s<strong>in</strong>d viele der neuen Erlasse<br />

zu betrachten. Es wurde für die Tavernen e<strong>in</strong>e Taxe abverlangt,<br />

ebenso mussten die Händler und Hausierer für ihr Gewerbe Ge­<br />

bühren entrichten: auch das Stcmpelpatent gehört <strong>in</strong> diese",! Zu­<br />

sammenhang. 1<br />

'"<br />

166. I.andschaftsrerhniiiigeii, 29 IT.: K U . .168.<br />

167. In der Maur, Johann, 176 f.<br />

168. I.and.schaftsrechnuiigen, 50. die Fiitlohnung von Laudammauu Tsctictlcr<br />

betrug anfänglich 60 fl. schliesslich nur mehr 50 fl.<br />

169. Vgl. Hirn. 25.<br />

170. (IM. Eschen 11/93. Notizen e<strong>in</strong>es Bürgers aus Eschen, nach 1808.<br />

171. Kaiser. 501 f.<br />

172. K B . 568.<br />

173. In <strong>den</strong> Reiilrecliimiige» bef<strong>in</strong><strong>den</strong> sich ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>nahmen von Gerichtssitzungen.<br />

Urliarien. 30. Als Abgaben für das Gericht galten die Fastnacht*<br />

heulten.<br />

171. H K . Wien L 2 — 3. 59. Gesuch der Aufständischen, 12. Juni 1809.<br />

175. I.KA. SU. Fasz. 112. 186 pol., Verordnung. 23. März 1809: 1. c. A K . Fa.»-/.<br />

\ II K. Malr. 6. zum \\'ciiiau».»cliauk.


- 124 -<br />

Jetloch blieben die Feudallasten mich wie vor bestehen, tro'<br />

der durch die französische Revolution ausgelösten Bestrebungen,<br />

die alten Lasten abzuschaffen. <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen an Sehuppler<br />

drangen auf e<strong>in</strong>e verschärfte Kontrolle der Abgaben von Bett­<br />

mist, 176<br />

kle<strong>in</strong>e Zehnt 177<br />

Fastnachtshennen und dergleichen mehr. Der grosse und der<br />

wur<strong>den</strong> nach alter Gewohnheit e<strong>in</strong>gezogen. Mit ver­<br />

schie<strong>den</strong>en Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> wur<strong>den</strong> der E<strong>in</strong>fachheit halber Verträge ge­<br />

schlossen, <strong>in</strong> welchen für e<strong>in</strong>en befristeten Zeitraum vere<strong>in</strong>bart<br />

wurde, statt <strong>den</strong> Zehnten <strong>in</strong> Naturprodukten abzuliefern, ihn <strong>in</strong><br />

Geld zu entrichten. 178<br />

Damit aber war ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong> Loskauf <strong>des</strong><br />

Zehnten verbun<strong>den</strong>. Neben <strong>den</strong> Steuern und ändern Abgaben muss­<br />

ten die Untertanen sowohl für die Herrschaft, 179<br />

wie auch zur Er­<br />

richtung und Instandhaltung der Rhe<strong>in</strong>dämme Fronarbeit leisten,<br />

um die 26 520 m lange Strecke 180<br />

gegen Hochwasser zu schützen. 181<br />

Den E<strong>in</strong>fluss österreichischen Denkens auf t die liechtenstei­<br />

nischen Verhältnisse bezeugt die E<strong>in</strong>führung <strong>des</strong> österreichischen<br />

allgeme<strong>in</strong>en Gesetzbuches. 182<br />

wie Westfalen, 183<br />

then, 185<br />

Während andere Rhe<strong>in</strong>bundstaaten,<br />

das Grossherzogtum Frankfurt, 184<br />

Ba<strong>den</strong>, das Grossherzogtum Berg und Bayern 186<br />

176. I. c, Fasz. IX 8 Matr. 11, mehrere Akten. .<br />

Anhalt-Ko­<br />

fast wört-<br />

177. PfA. Bendern, 27. Zchntlisten; Urbarien, 19 ff.; Schädler, Landtag, 95 ff.<br />

Büchel, Eschen, 13 ff.; Büchel, Mauren, 100 ff.; PfA. Schaan, 30, 31, 33,<br />

34; ferner GM. Schaan, mehrere Akten VIII/6; Büchel, Schaan, 118 ff.;<br />

Büchel, Triesen, 34 ff.<br />

178. LRA. SR. Fasz. Z3, Vertrag mit der Geme<strong>in</strong>de Planken, 10. Juli 1808; 1. c,<br />

Vertrag mit Mauren, 10. April 1810.<br />

179. - LRA. AR. Fasz. VII 8, Akten zur Fronarbeit.<br />

180. Ph. Krapf, <strong>Die</strong> Gesch. d. Rhe<strong>in</strong>s zwischen Bo<strong>den</strong>see und Ragaz, Frauenfeld<br />

1901, Schriften <strong>des</strong> Vere<strong>in</strong>s für Gesch. d. Bo<strong>den</strong>sees XXX, 41 f.<br />

181. 1. c, 155 ff., über Hochwasser.<br />

182. LRA. SR. Fasz. Alte Norm., 81/pol., E<strong>in</strong>führung <strong>des</strong> ABGB., 18. Feb. 1812.<br />

183. Zachariä, 171;Usee, 14 ff.<br />

184. Usee, 29 ff.; Pölitz, 43 f.<br />

185. Perthes, 421; Usee, 38 ff.<br />

186. Schnabel I. 150 ff.; Konföderationsakte, 111, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> bestätigte damit<br />

se<strong>in</strong>e Selbständigkeit im Bezug auf se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nern Angelegenheiten. Usee,<br />

20 ff, 58 ff.


— 125 —<br />

lieh französische Erlasse übernommen, hatten, fiel hier<strong>in</strong> wiederum<br />

Liechtensten ganz aus der monotonen Ordnung. In der Haltung <strong>des</strong><br />

Fürsten zeigte sich se<strong>in</strong>e Österreich freundliche Ges<strong>in</strong>nung, die<br />

<strong>in</strong> Anbetracht der Kle<strong>in</strong>heit und Schwäche <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bundstaates<br />

als kühn ersche<strong>in</strong>t. Mit gleicher Entschlossenheit, mit der Fürst<br />

Johann <strong>in</strong>nen<strong>politische</strong> Probleme meisterte, lenkte er auch die<br />

Aussenpolitik <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>.


Dritter Teil<br />

<strong>Die</strong> aussen<strong>politische</strong>n Verhältnisse


1. Ursachen<br />

— 129 —<br />

I. Kapitel<br />

»er Aufstand von 1809<br />

In kühnem Entschluss erhob sich 1809 Österreich gegen die<br />

Vorherrschaft Napoleons. 1<br />

Misstrauen und <strong>politische</strong> Rücksichten<br />

h<strong>in</strong>derten England, Preussen und Russland, Österreich beizustehen. 2<br />

Dennoch begann das R<strong>in</strong>gen. In flammendem Manifest wurde der<br />

Kampf der Habsburgermonarchie gerechtfertigt. 3<br />

Am 10. April 1809<br />

g<strong>in</strong>g Erzherzog Karl mit se<strong>in</strong>en Armeen über die Donau, musste<br />

aber nach 14 Tagen <strong>in</strong> der Defensive kämpfen. <strong>Die</strong> Tiroler<br />

griffen <strong>in</strong> der ersten Hälfte <strong>des</strong> Monats April zu <strong>den</strong> Waffen und<br />

warfen <strong>den</strong> Fe<strong>in</strong>d. 4<br />

In Vorarlberg aber blieb es noch tuhig, und<br />

erst als die bayrische Verwaltung zusammengebrochen war, begann<br />

hier das Feuer <strong>des</strong> Aufstan<strong>des</strong> zu lodern, 5<br />

nachdem anfangs<br />

Mangel an korrekter Führung, Zwistigkeiten der Landschaften und<br />

Unentsohlossenheit <strong>den</strong> raschen Ablauf der Ereignisse gehemmt<br />

hatten. 6<br />

Am 13. Mai war Wien gefallen. <strong>Die</strong> Franzosen unterwarfen<br />

mit bayrischen-Truppen Tirol. 7<br />

Vorarlberg aber war, trotz zaghaften<br />

Zögerns, im Gedanken an Widerstand festgebissen. Österreichs sieg­<br />

reiche Schlacht bei Aspern, e<strong>in</strong> Glanztag für <strong>den</strong> tollkühnen Reiter­<br />

general Fürst <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>, 8<br />

gab <strong>den</strong> Zaudern<strong>den</strong> Ansporn und <strong>den</strong><br />

Mutlosen Tapferkeit. Zugleich fan<strong>den</strong> die Freiheitskämpfer Sym­<br />

pathie und geheime Unterstützung <strong>in</strong> der Ostsobweiz. 9<br />

1. Krones, 95 ff.<br />

2. Hantsch II, 284.<br />

3. Vgl. Krones, 96:<br />

4. Hirn, 76.<br />

5. Helbok, 171.<br />

6. Hirn, 101.<br />

7. Vgl. Correspondance, Tome XVIII, 608 ff.<br />

8. Falke, 316 ff.<br />

9. <strong>Die</strong>rauer, 287.<br />

9<br />

Aber bald


— 130 —<br />

nährte die Niederlage bei Wagram (5. u. 6. Juli 1809) <strong>den</strong> tiefsten<br />

Pessimismus: Österreich und se<strong>in</strong>e ibesten Führer waren kriegsmüde<br />

und suchten <strong>den</strong> Frie<strong>den</strong>, der am 14. Oktober 1809 durch Fürst<br />

Johann <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> unterzeichnet wurde. 10<br />

Ohne Zweifel bildeten die Ereignisse im Vorarlberg <strong>den</strong> H<strong>in</strong>ter­<br />

grund der liechtenste<strong>in</strong>ischen Empörung. Gerade zur Zeit als die<br />

liechtenste<strong>in</strong>ischen Untertanen ihre Forderungen dem Landvogt<br />

vorlegten, trieb der Aufstand <strong>in</strong> Vorarlberg se<strong>in</strong>em Höhepunkt ent­<br />

gegen. 11<br />

<strong>Die</strong> Stammesverwandtschaft, das gleiche Schicksal der<br />

alten Rechte <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> wie im Vorarlberg, geschäftlicher Ver­<br />

kehr, mannigfache, persönliche Beziehung zu Vorarlbergern,


— 131 —<br />

Ordnung sollte nicht ohne e<strong>in</strong> gefährliches Nachspiel vor sich gehen.<br />

Zeit und Gelegenheit kamen, wo der Wunsch nach <strong>den</strong> alten E<strong>in</strong>rich­<br />

tungen wieder lebendig wurde. Schrieb doch Schuppler über die<br />

Aufständischen: «<strong>Die</strong> Ursachen, die dieser Unruhe zum Grunde ge­<br />

legt wur<strong>den</strong>, suchten sie <strong>in</strong> <strong>den</strong> Neuerungen, die nach ihrem Dafür­<br />

halten im Lande stattf<strong>in</strong><strong>den</strong> und die sie nicht anerkennen wollen.» 16<br />

<strong>Die</strong> konkreten, revolutionären Forderungen, die ihren Niederschlag<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gesuch fan<strong>den</strong>, das von e<strong>in</strong>em Ausschuss, <strong>in</strong> dem die Ge­<br />

me<strong>in</strong><strong>den</strong> vertreten waren, gestellt und vom Richter Johann All­<br />

gäuer aus Eschen verfasst wor<strong>den</strong> war, widerspiegeln die Ursachen.<br />

Das Gesuch überreichten die Richter am 12. Juni 1809, spät abends,<br />

dem Landvogt. 1<br />

' Es hatte folgen<strong>den</strong> Inhalt:<br />

1. Der vom Fürsten befohlene Strassenbau br<strong>in</strong>gt so harte Lasten<br />

mit sich, dass die Bürger die Zurückziehung <strong>des</strong> fürstl. Befehls<br />

fordern; 18<br />

<strong>den</strong>n bis zum Herbst ist an <strong>den</strong> Rhe<strong>in</strong>dämmen zu arbeiten.<br />

2. <strong>Die</strong> Abschaffung der Landammänner und die alle<strong>in</strong>ige Jurisdik­<br />

tionsgewalt <strong>des</strong> Oberamtes ist rückgängig zu machen. Den Land-<br />

am<strong>in</strong>ännern muss Beisitz an <strong>den</strong> Verhörtagen gewährt wer<strong>den</strong>. 19<br />

3. <strong>Die</strong> Geme<strong>in</strong>de soll das Recht haben, ihre Geme<strong>in</strong>heiten jed-<br />

welcher Gattung durch die Mehrheit der Stimmen zu ordnen.<br />

4. <strong>Die</strong> Erbschaftsregelung, die Land- und Gantrechte mögen wieder<br />

wie früher vom Landammann und <strong>den</strong> Richtern gehandhabt wer<strong>den</strong>.<br />

Bei Erbschaften soll das Vermögen an die ehelichen K<strong>in</strong>der durch<br />

die Ortsrichter verteilt wer<strong>den</strong>.<br />

5. Um <strong>den</strong> Kredit nicht ganz zu verlieren, müssen die Obligationen<br />

wie von altersber vom Richter geschrieben und durch das Oberamt<br />

ratifiziert wer<strong>den</strong>.<br />

16. HK. Wien, L 2 —3, 59, Bericht Schlipplers, 27. Juli 1809. LRA. SR. Fasz.<br />

L 3, 346/pol, Entwurf mit gleichem Datum.<br />

17. HK. Wien L 2 — 3, 59, Gesuch, 12. Juni 1809.<br />

18. LRA. SR. Fasz. L 3, 346/pol., Bericht Schupplers, 27. Juli 1809. Der<br />

Strassenbau war früher weitgehend Pflicht der Obrigkeit.<br />

19. 1. c. <strong>Die</strong> genaue Formulierung heisst: «2. möchten wir wie vorh<strong>in</strong> <strong>in</strong> der<br />

oberen Herrschaft Vaduz, sowie <strong>in</strong> der Herrschaft Schellenberg e<strong>in</strong>en<br />

Landa<strong>in</strong>mann vorschlagen, der sodann durch die Mehrheit der Lan<strong>des</strong>bürger<br />

muss zu wählen erlaubt wer<strong>den</strong>, diesen Landatnmännern mächte Beisitz an<br />

<strong>den</strong> Vcrhurtagen gestattet wer<strong>den</strong>.: >


— 132 —<br />

6. <strong>Die</strong> Zusammenlegung -der Güter eoll <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em grösseren Zeitraum<br />

durchgeführt wer<strong>den</strong>.<br />

7. Das fürstl. Rentamt möge <strong>in</strong> dieser geldlosen Zeit rücksichts­<br />

voller se<strong>in</strong>. 20<br />

<strong>Die</strong> Artikel erstrebten die Wiederherstellung der alten, durch<br />

die <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen abgeschafften Ordnung, die Vernichtung<br />

sämtlicher durch Schuppler <strong>in</strong> Angriff genommenen Pläne und die<br />

Rückkehr zum Zustande, von dem die Entwicklung ausgegangen<br />

war. <strong>Die</strong> Untertanen versuchten, wie .Schuppler urteilte, die Wieder­<br />

herstellung jenes alten, schläfrigen Geistes, der <strong>den</strong> Fortschritt<br />

h<strong>in</strong>derte. 21<br />

Der Landvogt berichtet auch, dass unter <strong>den</strong> liechtenste<strong>in</strong>ischen<br />

Untertanen Neigung bestand, Österreicher wer<strong>den</strong> zu wollen. 22<br />

Der<br />

Wunsch wirrer Köpfe; sich aus dem kle<strong>in</strong>staatlichen Leben zu lösen<br />

und sich e<strong>in</strong>er Weltpolitik bestimmen<strong>den</strong> Grossmacht anzuschlies-<br />

sen, tauchte hier unzweideutig und nicht zum letzten Male auf:<br />

Das Verlangen nachten alten Institutionen paarte sich mit ver­<br />

räterischen Absichten.<br />

Im allgeme<strong>in</strong>en aber sche<strong>in</strong>t der Aufstand <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s mehr<br />

e<strong>in</strong> Akt hilfloser Trauer um vorlorene Rechte und aufrüttelnde<br />

Verzweiflung gewesen zu se<strong>in</strong>, als berechnende Planung; <strong>den</strong>n Füh­<br />

rung hatten die Rebellen ke<strong>in</strong>e. Wahrsche<strong>in</strong>lich wurde durch die rau­<br />

schende Begeisterung für Kampf und Befreiung <strong>in</strong> Vorarlberg auch<br />

<strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> <strong>den</strong> teilweise berechtigten Ansprüchen <strong>des</strong> Volkes<br />

e<strong>in</strong> kriegerischer Akzent verliehen. Wenn manche Neuerungen <strong>in</strong><br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> von grossem Nutzen waren, so ist die Methode <strong>in</strong> ihrer<br />

Durchführung zu verurteilen! Der junge Landvogt hielt die Unter­<br />

tanen <strong>in</strong> ungebührlicher Weise zum Strassenbau an. 23<br />

Wohl war die<br />

20. LRA. AR. Fasz. L 3, 306/pol., Abschrift d. Gesuches, 12. Juni 1809; In der<br />

Maur, Johann, 179 f.<br />

21. HK. Wien L 2 — 3, 59, Bericht Schupplers, 27. Juli 1809.<br />

22. 1. c, . . » <strong>den</strong>n nicht nur unausweichliche Aneiferungen der Vorarlberger,<br />

sondern auch der versteckte Wunsch österreichische wer<strong>den</strong> zu wollen,<br />

verwirren ihre Köpfe ...»<br />

23. LRA. SR. Fasz. S2, 139/pol., Verordnung, 4. März 1809. Faule sollten nach<br />

dem Befehl <strong>des</strong> Landvogtes mit Stockschlägen gebessert wer<strong>den</strong>. <strong>Die</strong> Arbeitszeit<br />

beim Strassenbau dauerte von 8 — 11 Uhr und von 1 Uhr ab, solange<br />

es tunlich schien.


— 133 —<br />

Verbesserung der Verkehrswege notwendig. Schon vor 1800 suchte<br />

die Obrigkeit die Bevölkerung zum Strassenbau heranzuziehen, 24<br />

um die Pflicht, die Hauptverkehrswege <strong>in</strong> Ordnung zu halten, auf<br />

die Untertanen abzuwälzen. 25<br />

Dabei war die'Anzahl der Verb<strong>in</strong>­<br />

dungswege zwischen<strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> besonders während der<br />

Besetzung durch fremde Heere bedeutend angestiegen, da sie die<br />

E<strong>in</strong>wohner zum Bau der Strassen herangezogen hatten. 26<br />

Mit glei­<br />

cher ungestümer Energie, mit der Schuppler die Verbesserung der<br />

Verkehrswege förderte, g<strong>in</strong>g er auch an die Verwirklichung der<br />

übrigen Neuerungen und betrieb mit besonderem Nachdruck die<br />

Anlegung <strong>des</strong> Grundbuches und die Zuschreibung von 2<br />

/3 <strong>des</strong> Bo­<br />

<strong>den</strong>s zu <strong>den</strong> Häusern. 27<br />

drücken<strong>den</strong> Zahlungen für das Kont<strong>in</strong>gent, 28<br />

Anstoss zur Bebellion.<br />

2. Verlauf<br />

<strong>Die</strong>ses Vorgehen der Obrigkeit, neben <strong>den</strong><br />

gab wohl <strong>den</strong> letzten<br />

Am 9. Juni 1809 benachrichtigten «gutges<strong>in</strong>nte Menschen» <strong>den</strong><br />

Landvogt, dass ernstliche Unruhen auszubrechen drohten, Der<br />

Landvogt glaubte zwar nicht, dass das ganze Volk von revolutio­<br />

närer Ges<strong>in</strong>nung erfasst wor<strong>den</strong> sei, e<strong>in</strong> lärmender Haufe habe die<br />

Zustimmung der friedfertigen Bürger erzwungen. Der Herd der<br />

Unruhe sche<strong>in</strong>t Balzers gewesen zu se<strong>in</strong>, und zwar brach die Empö­<br />

rung <strong>in</strong> dem Augenblick aus, als <strong>in</strong> jener Geme<strong>in</strong>de die Verlegung<br />

<strong>des</strong> Grundbuches <strong>in</strong> Angriff genommen wer<strong>den</strong> sollte. 2<br />

* Wer der<br />

eigentliche Anstifter der Unruhen war, wagte der Landvogt, der<br />

unsicheren Zeit Rechnung tragend, nicht gerichtlich zu untersuchen.<br />

In der Tat strömten <strong>in</strong> der ersten Hälfte <strong>des</strong> Juni 1809 Balzner und<br />

Triesner nach Vaduz, wo sie ohne Vorwissen <strong>des</strong> Oberamtes e<strong>in</strong>e<br />

Volksversammlung veranstalteten, <strong>in</strong> deren Verlauf e<strong>in</strong>e Resolution<br />

24. Ospelt. Ämterbesetzuna 24 f.. Öffnung.<br />

25. LRA. SR. Fas7.S 2, Akten. Das E<strong>in</strong>kommen der Obrigkeit sollte so erhöbt<br />

wr<strong>den</strong>. Sehuppler steigerte die E<strong>in</strong>nahmen der Obrigkeit an Weggeldern.<br />

1809 betrug der Re<strong>in</strong>ertrag 108 fl. 35 kr.. 1811 sogar 313 fl. 21 kr.<br />

26. 1. c.. die Strasse Mauren-Schaanwald wurde z. B. auf Befehl <strong>des</strong> Militärs<br />

durch die E<strong>in</strong>wohner' gebaut.<br />

27. Vsl. die Ausführungen über das Grundbuch, 109 ff.<br />

28. 1809 betrugen die Auslagen für das Kont<strong>in</strong>gent ca. 14 000 fl.<br />

29. HK. Wien L 2 — 3, 59, Bericht Schupplers, 27. Juli 1809.<br />

9 *


abgefasst wurde. 30<br />

— 134 —<br />

Erbittert klagten sie 'beim Landvogt, die Lasten<br />

seien zu hart, mit <strong>den</strong>en man sie bedrücke. «Sie können und wollen<br />

dieselben nicht mehr länger tragen.» In empörter Klage und mit<br />

grimmigem Behagen betont der Bescbluss, die Untertanen hätten<br />

nieman<strong>den</strong> mehr, der für sie rechte, seitdem die Landammänner<br />

gestürzt wor<strong>den</strong> seien. Im Wesentlichen stimmt der Inhalt der Re­<br />

solution mit der von Johann Allgäuer abgefassten Bittschrift über-<br />

e<strong>in</strong>. Unter dem Volk nahm die Stimmung überhand, sich <strong>den</strong> vorarl­<br />

bergischen Aufständischen anzuscbliessen, falls dem Beschluss nicht<br />

stattgegeben werde. 31<br />

Der Landvogt bewahrte, obwohl ihn ke<strong>in</strong> Militär schützte,<br />

überlegene Ruhe. Bald erfuhr er, dass auf <strong>den</strong> 12. Juni 1809 e<strong>in</strong>e<br />

Zusammenkunft aller Geme<strong>in</strong>devertreter beschlossen wor<strong>den</strong> sei.<br />

<strong>Die</strong> e<strong>in</strong>zelnen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> waren durch e<strong>in</strong>e Deputation aufgefordert<br />

wor<strong>den</strong>, ihre Vertreter nach Vaduz zur Versammlung <strong>in</strong> die fürst­<br />

liche Taverne zu sen<strong>den</strong>. In ihr wurde 'die Bittschrift vom 12. Juni<br />

abgefasst, die dem Landvogte überreicht wurde, bei welcher Gele­<br />

genheit dieser e<strong>in</strong>e wohlvorbereitete Rede hielt, e<strong>in</strong> Konglomerat<br />

von tauber Wut und versteckter Angst. 32<br />

Anfänglich mahnte der Landvogt se<strong>in</strong>e Zuhörer, sich nicht zu<br />

e<strong>in</strong>em Gedanken h<strong>in</strong>reissen zu lassen, der schon an und für sich <strong>den</strong><br />

schwärzesten Undank gegenüber dem Lan<strong>des</strong>fürsten darstellte. 33<br />

«Nicht lange,» erklärte Schuppler, «b<strong>in</strong> ich <strong>in</strong> Eurer Mitte; alle<strong>in</strong><br />

weil mir das Bewusstse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Biedermannes schmeichelt, weil<br />

ich gewiss b<strong>in</strong>, nicht durch die ger<strong>in</strong>gste zweideutige Handlung Euer<br />

Zutrauen verloren zu haben; <strong>des</strong>wegen scheue ich mich nicht, Euch<br />

unverzagt vor die Augen zu treten und Euch <strong>den</strong> Fehltritt, <strong>den</strong> ihr<br />

3 4<br />

begeht, mit natürlichen Farben zu malen . . ,» Dann rechnete der<br />

Landvogt geschickt die Wohltaten <strong>des</strong> Fürsten gegenüber dem Lande<br />

vor, die Hilfe <strong>des</strong> Fürsten bei Feblernten, bei Schulhausbauten, bei<br />

30. 1. c, Resolution, 9. Juli 1809.<br />

31. 1. c, Bericht Schupplers, 27. Juli 1809.<br />

32. KB. 569 setzt das Datum für die Veröffentlichung der Proklamation<br />

Schupplers auf <strong>den</strong> 13. Juni fest; ehenso, In der Maur, Proklamation, 208.<br />

<strong>Die</strong> Akten aber lauten auf <strong>den</strong> 12. Juni.<br />

33. Proklamation, 208 f. Vgl. Kaiser 502 f.<br />

34. 1. c., 209.


— 135 —<br />

Kirchenbaulen und andere f<strong>in</strong>anzielle Unterstützungen. <strong>Die</strong> Abga­<br />

ben der Untertanen und die E<strong>in</strong>künfte <strong>des</strong> Fürsten aus dem Lande<br />

wur<strong>den</strong> erläutert. Sehuppler legte die Verwendung der hohen Steu­<br />

ern dar, setzte sich mit der Klage der Aufständischen wegen <strong>des</strong><br />

Strassenbaues ause<strong>in</strong>ander, nahm Stellung zur Forderung der Unter­<br />

tanen, wonach die alten Rechte und die Landammänner wieder e<strong>in</strong>­<br />

geführt wer<strong>den</strong> sollten: «Ihr seid Untertanen e<strong>in</strong>es Lan<strong>des</strong>fürsteii,<br />

<strong>in</strong> <strong>des</strong>sen Macht es liegt, die Ausübung der Gerichtsbarkeit nach<br />

dem Erfordernis der Zeit umzuformen. Zur Gerichtspflege habt Ihr<br />

S 5<br />

als Untertanen nie e<strong>in</strong> Recht gehabt. Ihr habt ke<strong>in</strong>es verloren . . .»<br />

Mit wenig Logik erklärte darauf der Landvogt die noch verbliebe­<br />

nen Rechte der Ortsvorsteher als Ersatz für die alten Rechte. 36<br />

weiteren rechtfertigte Sehuppler die Art der Aufteilung <strong>des</strong> Ge-<br />

nie<strong>in</strong>defbo<strong>den</strong>s und besprach die neue Erbordnung. In scharfen<br />

Worten wandte sich der Redner an die bei<strong>den</strong> Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> Balzers<br />

und Triesen. «<strong>Die</strong>se zwei Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> s<strong>in</strong>d die Ruhestörer; an ihnen<br />

könnt ihr euch halten, wenn Ihr mit Gewalt Eurem Unglück ent­<br />

gegen geht.» Der Fürst werde se<strong>in</strong>e Grundsätze mit militärischer<br />

Macht durchsetzen, oder andere Mittel ergreifen, welche das Für­<br />

stentum noch empf<strong>in</strong>dlicher treffen könnten. Schuppler me<strong>in</strong>te da­<br />

mit <strong>den</strong> Verkauf <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>. 37<br />

Im<br />

«Wäret Ihr dann<br />

nicht über alle Massen unglücklich? Wür<strong>den</strong> nicht mannigfaltige<br />

Abgaben Euch viel mehr als jetzt drücken? Würde nicht das Kons­<br />

kriptionssystem 38<br />

Euch <strong>in</strong> Gefahr setzen, Euere K<strong>in</strong>der für <strong>den</strong><br />

Kriegsdienst, <strong>den</strong> Ihr nun so sehr scheut, widmen zu müssen?» Mit<br />

Mahnungen, biedere Bürger zu bleiben, entliess der Redner se<strong>in</strong>e<br />

Zuhörer.<br />

Von der guten Wirkung se<strong>in</strong>er Rede überzeugt, glaubte Schupp­<br />

ler die Aufrührer e<strong>in</strong>es Besseren belehrt zu haben. 39<br />

Dennoch wurde<br />

der Landvogt aus se<strong>in</strong>em Machtgefühl jäh aufgeweckt, als neue Ge-<br />

3. r<br />

,. 1. c, 211.<br />

36. LRA. SR. Fasz. unnummeriert, Rede Schupplers beim Amtsantritt, 1808.<br />

37. HK. Wien L 2 — 3, 31, Schreiben Erstenbergs, 9. Sept. 1806. Tatsächlich<br />

wurde der Fürst 1806 angefragt, ob er das Fürstentum verkaufen wolle.<br />

38. Schuppler spielt hier auf die Verhältnisse <strong>in</strong> der bayrischen Nachbarschaft<br />

an, wo die Rekrutierung der waffenfähigen Männer als besonders hart empfun<strong>den</strong><br />

wurde, vgl. Hirn, 46, 48 f.<br />

39. Vgl. In der Maur, Johann, 180.


— 136 —<br />

rüchte Beim Oberamte e<strong>in</strong>trafen, man <strong>den</strong>ke an e<strong>in</strong>e Verh<strong>in</strong>derung<br />

der Zusammenlegung <strong>des</strong> Bo<strong>den</strong>s und der Durchführung etlicher<br />

Neuerungen. 40<br />

Zugleich weilte für kurze Zeit Dr. Schneider, der<br />

Anführer der Vorarlberger, <strong>in</strong> Vaduz. 41<br />

Schuppler wandte sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Aufruf an die bei<strong>den</strong> Land­<br />

schaften. 42<br />

<strong>Die</strong> Abschaffung der Landammänner und Landweibel<br />

rechtfertigte das Oberamt durch die Souveränitätsrechte <strong>des</strong> Fürsten<br />

und die Nutzlosigkeit der alten Bräuche. 43<br />

Dann unterbreitete<br />

der Landvogt <strong>den</strong> Rebellen e<strong>in</strong>en Vorschlag, um ihnen W<strong>in</strong>d aus <strong>den</strong><br />

Segeln zu nehmen. Schuppler versprach, beim Fürsten dah<strong>in</strong> zu<br />

wirken, dass «sowohl bei der oberen und der unteren Landschaft<br />

e<strong>in</strong> verdienstvoller, Zutrauen verdienender Bürger, allenfalls auch<br />

wieder unter dem Namen e<strong>in</strong>es Landammannes, aufgestellt würde,<br />

<strong>des</strong>sen vorzüglichstes Geschäft es wäre, das landschaftliche Ver­<br />

mögen zu besorgen, die Passivkapitalien zu verz<strong>in</strong>sen, die land­<br />

schaftlichen Rechte gegen dritte Personen zu vertreten; das Organ<br />

zu se<strong>in</strong>, durch welches die Bitten der Landschaft an das Amt und<br />

Se<strong>in</strong>e Durchlaucht gebracht wer<strong>den</strong> sollten». 44<br />

H<strong>in</strong>gegen hätte die­<br />

ser Landammann ke<strong>in</strong>e Gerichtsbarkeit ausüben dürfen; er hätte<br />

alle Jahre dem Oberamte <strong>den</strong> Vorschlag unterbreiten können, wie­<br />

viel der landschaftliche Bedarf zur Tilgung der Z<strong>in</strong>sen und Passiv­<br />

kapitalien und zur Deckung anderer Auslagen betragen dürfte. Das<br />

Steuerwesen aber wäre <strong>in</strong> der Hand <strong>des</strong> Oberamtes geblieben. Alle<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> der Folge geschah <strong>in</strong> dieser Beziehung nichts. Der Landvogt gab<br />

mit der Erklärung lediglich dem Druck der Umstände nach.<br />

<strong>Die</strong> Aufrufe <strong>des</strong> Landvogtes verfehlten zunächst jede tiefere<br />

Wirkung vollkommen: die Unruhen flackerten erneut empor. Da<br />

der Landvogt die Forderungen der Unzufrie<strong>den</strong>en sozusagen auf<br />

der ganzen L<strong>in</strong>ie abgewiesen hatte, wollten die Rebellen mit der<br />

Drohung ernst machen, die sie <strong>in</strong> der Volksversammlung <strong>in</strong> Vaduz<br />

40. LRA. SR. Fasz. L3 346/pol., Bericht Schupplers, 27. Juli 1809.<br />

41. Hirn, 189 f., 207 f.<br />

42. LRA. SR. Fasz. L3, 306/pol., Bescheid an die bei<strong>den</strong> Landschaften, 22.<br />

Juni 1809.<br />

43. In der Maur, Johann, 176, Anmerkung 2.<br />

44. LRA. SR. Fasz. L3 306/pol., Bescheid an die bei<strong>den</strong> Landschaften, 22. Juni<br />

1809.


— 137 —<br />

vom 9. Juni erstmal* formuliert hatten, 45<br />

und sich <strong>den</strong> vorarlber­<br />

gischen Aufständischen anschliessen, falls das Oberamt ihre Forde­<br />

rungen ablehne. <strong>Die</strong> Lage der Obrigkeit verschlimmmerte sich zu­<br />

sehends. E<strong>in</strong> Anschluss an die vorarlbergisohen Aufständischen be­<br />

deutete für <strong>den</strong> Fortbestand <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> e<strong>in</strong>e ungeheure Ge­<br />

fahr. Das Schicksal <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> stand auf <strong>des</strong> Messers Schneide. <strong>Die</strong><br />

Lage war so gespannt, dass e<strong>in</strong> unüberlegter Entschluss <strong>des</strong> Ober-<br />

amtes von unabsehbaren Folgen gewesen wäre. In diesem kritischen<br />

Augenblick zeigte der Landvogt e<strong>in</strong>e gewisse Grösse.<br />

Am 26. Juni schrieb Dr. Schreiber, kaiserlich-königlicher Ge-<br />

iieralkommissär <strong>in</strong> Vorarlberg, an Schuppler: «Wür<strong>den</strong> Sie etwas<br />

gegen e<strong>in</strong>en allgeme<strong>in</strong>en Aufruf an Ihre Amtsuntergebenen e<strong>in</strong>­<br />

wen<strong>den</strong>, dass sich diese an mich anschlössen?» 46<br />

So lautete die ent­<br />

schei<strong>den</strong>de Frage. Dr. Schreiber stellte dieses. Ansuchen an <strong>den</strong><br />

Landvogt, weil es im Fürstentum mehrere gäbe, die gerne mit -<strong>den</strong><br />

Vorarlbergern kämpfen wür<strong>den</strong>.<br />

Jetzt hatte Schuppler, jeder Verb<strong>in</strong>dung mit dem Fürsten be­<br />

raubt e<strong>in</strong>en Entscheid zu treffen, von dem der weitere Bestand <strong>des</strong><br />

<strong>Fürstentums</strong> abh<strong>in</strong>g. Der Landvogt handelte aus eigener Verant­<br />

wortung. E<strong>in</strong> Umstand erleichterte die Entscheidung Schupplers<br />

bedeutend: <strong>Die</strong> Entwicklung <strong>des</strong> Krieges zwischen Frankreich und<br />

Osterreich war schon so weit fortgeschritten, dass e<strong>in</strong> Sieg der<br />

österreichischen Armeen nicht mehr zu erwarten war. 47<br />

Schon am<br />

9. Juli hatte Fürst Johann im Namen <strong>des</strong> österreichischen Kaiser;<br />

im französischen Hauptquartier um e<strong>in</strong>en Waffenstillstand unter­<br />

handelt. 48<br />

Gerade zu dieser Zeit waren die Kämpfe <strong>in</strong> Vorarlberg<br />

blutig und verlustreich. 49<br />

Vorarlberg lag <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> näher als<br />

die weitabliegen<strong>den</strong> Kriegsgebiete, wo die Entscheidungen fielen.<br />

Mit welcher Anteilnahme verfolgte man <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> <strong>den</strong> Ver­<br />

lauf der D<strong>in</strong>ge im nahen Vorarlberg und Tirol! <strong>Die</strong> Berichte <strong>des</strong><br />

liechtenste<strong>in</strong>ischen Chronisten Helbert über jene <strong>den</strong>kwürdigen Er-<br />

45. HK. Wien L 2 —3, 59, Resolution, 9. Juli 1809.<br />

46. 1. e.. Schreiben Dr. Schreibers, 26. Juni 1809.<br />

47. Vgl. Krones, 104, Anmerkung.<br />

48. Krones, 121.<br />

49. Hirn, 191 ff.


— 138 —<br />

eignisse s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong> Beweis dafür."'" Das tolle Treiben der Auf­<br />

ständischen <strong>in</strong> Vorarlberg"' 1<br />

musste <strong>den</strong> Unzufrie<strong>den</strong>en <strong>in</strong> Liechten­<br />

ste<strong>in</strong> Mut gemacht haben. Für <strong>den</strong> Landvogt aber war die Sache<br />

Österreichs verloren. Dementsprechend fiel dann die Antwort <strong>des</strong><br />

Oberamtes an <strong>den</strong> Generalkommissär <strong>in</strong> Vorarlberg aus.<br />

Sehuppler vertrat gegen Dr. Schreiber <strong>den</strong> Grundsalz, das?<br />

das Fürstentum <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> als Rhe<strong>in</strong>bundstaat <strong>den</strong> e<strong>in</strong>gegangenen<br />

Verträgen nachleben müsse. Dem Fürsten wäre es äusserst unan­<br />

genehm, wenn er erfahren würde, dass das Land ohne se<strong>in</strong> Wissen<br />

e<strong>in</strong>en Entschluss gefasst hätte, der «<strong>den</strong> e<strong>in</strong>gegangenen Verpflich­<br />

tungen schnurstracks entgegenstünde». Der Ausgang <strong>des</strong> riesigen<br />

R<strong>in</strong>gens sei zu ungewiss. Der Beitrag <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> wäre so un­<br />

bedeutend, dass durch ihn das Ende <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise bee<strong>in</strong>flusst wer­<br />

<strong>den</strong> könnte. Der Landvogt lehnte sämtliche Vorschläge <strong>des</strong> General-<br />

kommissärs ab.' 2<br />

In donnern<strong>den</strong> Aufrufen mahnte darauf der fürstliche Beamte<br />

die Untertanen, die Hände vom gefährlichen Spiel zu lassen. Wer<br />

sich Dr. Schreiber anschlösse, sei e<strong>in</strong> Verräter. «Nur Ruhe kann<br />

euer Schicksal sichern. Seid standhaft und lasst euch durch ke<strong>in</strong>e<br />

Lockung verleiten.»'' 3<br />

Aufstand ferngehalten wer<strong>den</strong>.<br />

Für <strong>den</strong> Augenblick konnte <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> vom<br />

In<strong>des</strong>sen hatte sich <strong>in</strong> Vaduz e<strong>in</strong> sonderbares Ereignis abge­<br />

spielt. Am 23. Juni 1809 verlangte der «Lan<strong>des</strong>scbützenhauptmanh<br />

Hänsle» aus Vorarlberg vom Landvogt zwei alte, auf dem Scbloss<br />

Vaduz bef<strong>in</strong>dliche Kanonen. <strong>Die</strong> Vorarlberger hatten Mangel an<br />

Geschützen. ' 4<br />

Auf e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gliches Zure<strong>den</strong> <strong>des</strong> Landvogtes h<strong>in</strong> schien<br />

der Hauptmann von se<strong>in</strong>en Forderungen abzusehen. Um so mehr<br />

war aber Schuppler überrascht, als er benachrichtigt wurde, dass<br />

von <strong>den</strong> Österreichern Rosse und Wagen beschlagnahmt wür<strong>den</strong>,<br />

um die zwei Kanonen, sowie fünf verrostete Doppelhakenbüchsen<br />

.">0. Helbert, 129 ff.<br />

51. Hirn. 21f> ff.<br />

52. LRA. SR. FÜSZ. L3. 319/pol.. Antwort <strong>des</strong> Landvogtes an Dr. Schreiber.<br />

28. Juni 1809.<br />

53. 1. r.. ad 319/pol., Aufruf an die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong>, 29. Juni 1809.<br />

5-1. Vgl. Hirn, 234; zum Waffenmangel <strong>in</strong> Österreich: Krones, 128, Anmerkung.


nach Fi'.lrlkireh zu ziehen. 55<br />

— 139 —<br />

<strong>Die</strong> lebhaften Proteste <strong>des</strong> Landvogtes<br />

halfen nichts. <strong>Die</strong> Geschütze wur<strong>den</strong> nach Feldkirch und dann nach<br />

Bregenz geschleppt. :>G<br />

Das Volk schien noch ke<strong>in</strong>eswegs ganz beruhigt zu se<strong>in</strong>. Kaum<br />

hatte Schuppler geglaubt, die Wellen <strong>des</strong> ersten Aufruhrs geglättet<br />

zu haben, entstan<strong>den</strong> neue Unruhen, die an Dramatik die Merkmale<br />

revolutionärer Empörung aufwiesen. Der Verlust der alten Rechte<br />

schmerzte zu sehr, als dass dröhnende Aufrufe und wortreiche Pro­<br />

klamationen darüber h<strong>in</strong>weggeholfen hätten. Anfangs Juli 1809 re­<br />

bellierten die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> Ruggell und Gampr<strong>in</strong>. In e<strong>in</strong>em beschwö­<br />

ren<strong>den</strong> Aufruf wur<strong>den</strong> die «Poltergeister» sche<strong>in</strong>bar 'beruhigt/"<br />

Aber kurze Zeit darauf musste sich der Rentmeister <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Auf­<br />

ruf an die gleichen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> wen<strong>den</strong>. Er warf ihnen vor, sie hät­<br />

ten «Klubs formiert» und «geheime Zusammenkünfte gehalten».<br />

Der Rentmeister übertraf an Wortschatz und emphatischen Ausru­<br />

fen <strong>den</strong> Landvogt. 58<br />

Dennoch kamen .die Bewohner nicht zur Ruhe.<br />

In beschwören<strong>den</strong> Worten steigerte dei fürstliche Beamte se<strong>in</strong>e<br />

Ermahnungen, zitierte das vierte Gebot, malte Bilder schwärzesten<br />

Undankes der Untertanen gegen <strong>den</strong> Fürsten und ergab sich <strong>in</strong><br />

hilflose Beteuerungen <strong>des</strong> obrigkeitlichen guten Willens, raste wider<br />

die Rebellen und beschwor die Bürger, deren «Verstand noch nicht<br />

unter <strong>den</strong> Füssen <strong>des</strong> Tolls<strong>in</strong>ns» lag. Über alle Wünsche, Befehle<br />

und Flüche zeichnete der Beamte Napoleon als Rächer: <strong>den</strong>n letzt­<br />

lich wende sich diese Empörung gegen ihn. 59<br />

Kaum dass die Unruhen <strong>in</strong> Gampr<strong>in</strong> und Ruggell etwas ge­<br />

dämpft waren, erhoben sich die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> Triesen und Balzers. In<br />

der oberen Landschaft verbreitete sich <strong>in</strong> der zweiten Hälfte <strong>des</strong><br />

Monats Juli die Nachriebt, alles gebe zum Landsturm. 60<br />

55. In der Maur. Johann. 181.<br />

Bürger aus<br />

56. Hirn. 234. stellt (las Ereignis dar. als oh der Landvogt mit dem Vorgehen<br />

der Vorarlherger e<strong>in</strong>verstan<strong>den</strong> gewesen wäre: LRA. SR. Fasz. L3-, 346/pol..<br />

Rerieht Schupplers. 27. Juli 1809. Hie Akten im Regierungsarchiv bezeugen<br />

das Gegenteil.<br />

.".7. 1. e.<br />

58. HK. Wien L 2 — 3. 59. Aufruf an die Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> Gampr<strong>in</strong> und Ruggell.<br />

8. Juli 1809.<br />

59. 1. e.<br />

60. HK. Wien L 2 — 3. 59, Bericht Schupplers, 27. Juli 1809.


— 140 —<br />

Balzers und Triesen waren schon auf dem Marsche begriffen, un:<br />

<strong>in</strong> anderen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> Anhänger zu werben, die mit ihnen geme<strong>in</strong>­<br />

sam am Vorarlberger Landsturm teilnehmen sollten. Der Landvogt<br />

eilte ihnen entgegen. In Triesen traf er die ersten Aufrührer und<br />

versuchte se<strong>in</strong>e Redekünste. Vergebens! <strong>Die</strong> Unzufrie<strong>den</strong>en sagten,<br />

«dass sie die Lasten, mit <strong>den</strong>en man sie drücke, nicht mehr ertragen<br />

wollen». 61<br />

Der Landvogt hatte das Vertrauen der Empörer verloren.<br />

In falschem Misstrauen wähnten sie, Schuppler unterschlage ihre<br />

Gesuche an <strong>den</strong> Fürsten, und alle Neuerungen seien Erlasse <strong>des</strong><br />

Oberamtes. Deshalb entgegneten die Aufständischen dem Landvogt,<br />

sie wür<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e Deputation nach Wien sen<strong>den</strong>; bis 'zu diesem Zeit­<br />

punkt müssten sie mit Neuerungen verschont bleiben. Nun wich<br />

der Landvogt aus, <strong>in</strong>dem er erklärte, das Oberamt sei nicht befugt,<br />

fürstliche Erlasse umzustürzen; aber es könne die Anlegung <strong>des</strong><br />

Grundbuches e<strong>in</strong>stellen, bis der fürstliche Entscheid e<strong>in</strong>getroffen<br />

sei. 62<br />

Damit gaben sich die Aufwiegler zufrie<strong>den</strong>. Der Landvogt<br />

hatte das Spiel gewonnen. <strong>Die</strong> militärische Lage Vorarlbergs hatte<br />

sich bis zu diesem Zeitpunkt ganz offenbar verschlechtert. E<strong>in</strong>e<br />

Teilnahme am Kampf von Seiten <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s musste selbst <strong>den</strong><br />

Rebellen nicht mehr opportun ersche<strong>in</strong>en.<br />

<strong>Die</strong> Geistesgegenwart <strong>des</strong> Landvogtes <strong>in</strong> dieser ernsten Zeit ist<br />

bewundernswert. 63<br />

Ohne jede militärische Macht hielt Schuppler<br />

alle<strong>in</strong> durch se<strong>in</strong> Auftreten und se<strong>in</strong>e Autorität e<strong>in</strong> unzufrie<strong>den</strong>es<br />

Völkchen im Schach. Der Aufstand endete mit dem erneuten Er­<br />

sche<strong>in</strong>en der siegreichen Franzosen <strong>in</strong> Feldkirch. E<strong>in</strong> neues Ereignis<br />

brachte dem Landvogt und dem Volk ernste Sorgen. Drohen<strong>des</strong><br />

Unheil führte Obrigkeit und Untertanen wieder zusammen.<br />

3. <strong>Die</strong> Erpressungen General Froments<br />

Am 22. August 1809 musste Schuppler beim französischen<br />

General Froment <strong>in</strong> Feldkirch ersche<strong>in</strong>en. 64<br />

61. 1. c.<br />

62. 1. c.<br />

Schlag auf Schlag gab<br />

63. In der Maur, Johann. 184 f. Auch die Hofkanzlci anerkannte die aufopfernde<br />

Tätigkeit Schupplers.<br />

64. LRA. SR. Fasz. L3 368/pol., Schreiben Froments an Schuppler, 22. Aug.<br />

1809.


— 141 —<br />

der General Befehle und stellte Forderungen. Immer enger zog er<br />

<strong>den</strong> Gürtel von Schikanen, his er se<strong>in</strong>em Opfer <strong>in</strong> räuberischer<br />

Weise Lösegeld abpressen konnte. Am 25. August ordnete der Ge­<br />

neral die völlige Entwaffnung <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s an. 6j<br />

Dann wurde der<br />

Landvogt gezwungen, die Grenze gegen die Schweiz zu sperren. 66<br />

Am 31. August befahl Froment e<strong>in</strong>e abermalige Entwaffnung <strong>des</strong><br />

Lan<strong>des</strong>, da die Bürger nur die schlechten Waffen abgegeben hät­<br />

ten. 67<br />

Damit war das Fürstentum <strong>den</strong> Forderungen <strong>des</strong> Generals<br />

noch nicht entronnen: <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> musste täglich für 150 Mann<br />

Infantrie und 50 Mann Kavallerie Fourage und Lebensmittel nach<br />

Feldkirch schaffen, sowie 6 Transportfuhren täglich zur Verfügung<br />

stellen. 68<br />

Der H<strong>in</strong>weis <strong>des</strong> Landvogtes auf die Zugehörigkeit Liech­<br />

tenste<strong>in</strong>s zum Rhe<strong>in</strong>bunde machte dem General ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck;<br />

aber aus «3. Munde» vernahm Schupipler, dass sich Froment mit<br />

20 oder 24 Louis d'or zufrie<strong>den</strong> geben würde. 69<br />

Der Landvogt g<strong>in</strong>g<br />

auf das Geschäft e<strong>in</strong>. Der Befehl zur Verpflegung der Mannschaft,<br />

wurde sogleich zurückgezogen und der Vorspanndienst auf täglich<br />

2 Wagen verm<strong>in</strong>dert; doch beharrte Froment auf der e<strong>in</strong>maligen<br />

Lieferung von 50 Centner Heu. 70<br />

Für <strong>den</strong> Schutz, <strong>den</strong> der General<br />

dem Lande zukommen Hess, beanspruchte er e<strong>in</strong>e Anerkennung von<br />

der Lan<strong>des</strong>regierung im Betrage von 150 fl. 71<br />

Alle<strong>in</strong> Froment ersann e<strong>in</strong> weiteres Druckmittel. Am 21. Sep­<br />

tember 1809 erschien der General <strong>in</strong> Begleitung se<strong>in</strong>es Generalkom­<br />

missärs, <strong>des</strong> Landgerichtsassessors Dr. Bitschnau und 14 Ka­<br />

valleristen beim Landvogt <strong>in</strong> Vaduz und eröffnete ihm, sich auf<br />

e<strong>in</strong>en angeblichen Befehl Napoleons stützend, dass das Fürstentum<br />

mit Sequester belegt sei. Er begründete dies mit folgen<strong>den</strong> Worten:<br />

Das Fürstentum gehöre e<strong>in</strong>em österreichischen Untertanen. Da alle<br />

65. 1. c, 375/pol., Schreiben Froments, 25. Aug. 1809.<br />

66. 1. c, 381/pol., Schreiben Froments, 26. Aug. 1809.<br />

67. 1. c, 394/pol., Schreiben Froments, 31. Aug. 1809. Bei der crslen Entwaffnung<br />

wur<strong>den</strong> 30. bei der zweiten 31 Gewehre abgegeben; vgl. In der<br />

Maur, Johann, 182 f.<br />

68. HK. Wien L 2 — 3, 59, Bericht Schupplers, 17. Sept. 1809.<br />

69. 1. c; Regesten GM., 164 f.<br />

70. In der Maur, Johann, 181 ff.<br />

71. HK. Wien L 2 — 3, 59, Bericht Schupplers, 17. Sept. 1809; LBA. SR. Easz.<br />

L3, 401/pibl., Sehuppler an Froment, 5. Sept, 1809.


— 142 —<br />

<strong>in</strong> Deutschland liegen<strong>den</strong> Besitzungen österreichischer Bürger mit<br />

Sequester belegt wer<strong>den</strong>, so treffe das gleiche Schicksal auch Liech­<br />

tenste<strong>in</strong>. Dem Landvogt wurde verboten, noch weiterh<strong>in</strong> mit dem<br />

Fürsten zu korrespondieren.'- Schupplers stereotype H<strong>in</strong>weise auf<br />

die Zugehörigkeit <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s zum Rhe<strong>in</strong>bund fruchteten nichts.<br />

Ebenso wenig nützten die Bemerkungen <strong>des</strong> Landvogtes, Liechten­<br />

ste<strong>in</strong> habe sich während der Erhebung Österreichs ruhig verhal­<br />

ten.' 3<br />

Vielmehr folgten neue Forderungen. Der General verlangte<br />

ab 1. Oktober 1809 täglich je 100 Rationen Heu und Hafer, sowie<br />

Korn für 200 Brotrationen. «Ich mache Sie für die genaue Befol­<br />

gung <strong>des</strong>sen persönlich verantwortlich, und wenn im ger<strong>in</strong>gsten da­<br />

gegen gehandelt wer<strong>den</strong> sollte, würde das die Arretierung ihrer<br />

Person nach sich ziehen»' 4<br />

, erklärte Froment. E<strong>in</strong> neuerliches Bitt­<br />

gesuch <strong>des</strong> Landvogtes half nichts.''' Schuppler war se<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>­<br />

dung mit Wien beraubt und <strong>in</strong> Vaduz völlig isoliert. Nun wandte<br />

er sich an die bei<strong>den</strong> Landschaften mit dem Vorschlag, wenn se<strong>in</strong>e<br />

«bittlichen Vorstellungen» nichts nützen, möchten die Bürger vier<br />

Richter aus ihrer Mitte wählen und sie als Deputierte an <strong>den</strong> Vor­<br />

gesetzten <strong>des</strong> Generals nach L<strong>in</strong>dau schicken." e<br />

aber nicht verwirklicht.' 7<br />

Der Plan wurde<br />

Unter<strong>des</strong>sen hatte der Gesandte Schmitz Grollenburg von <strong>den</strong><br />

Ereignissen im Fürstentum Nachricht erhalten. Das ungewöhnliche<br />

Vorgehen gegen <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>, das als souveräner Staat von Napo­<br />

leon anerkannt wor<strong>den</strong> war, beschäftigte , <strong>den</strong> Gesandten sehr.<br />

Schliesslich me<strong>in</strong>te er, es wäre am zweckmässigsten, um die Ver­<br />

wendung Bachers, <strong>des</strong> französischen Geschäftsträgers <strong>in</strong> Frankfurt,<br />

nachzusuchen.' 8<br />

Auch riet der Gesandte, darauf h<strong>in</strong>zuweisen, das<br />

Fürstentum sei ke<strong>in</strong>e Besitzung e<strong>in</strong>es österreichischen Untertanen,<br />

72. HK. Wien L2-3. 59, Berieht Schupplers, 22. Sept. 1809.<br />

73. ]. c.<br />

74. LRA. SR. Fasz. L3, 442/pol.. Froment an Schuppler, 30. Sept. 1809.<br />

75. 1. c, ad 442/pol., Schuppler an Froment. 1. Okt. 1809.<br />

76. 1. c, ad 442/pol., Sehuppler an die Landschaften, 1. Okt. 1809.<br />

77. 1.


— 143 —<br />

sondern als vormaliger Eigentümer hätte es Fürst Johann mit Ge­<br />

nehmigung Napoleons se<strong>in</strong>em Sohne Karl abgetreten, und es ge-<br />

niesse die Prärogativen e<strong>in</strong>es Rhe<strong>in</strong>bundstaates.'"<br />

Bevor jedoch die Ratschläge <strong>des</strong> Gesandten <strong>den</strong> Landvogt er­<br />

reicht hatten, war der General aufs neue vorgestossen: Er drohte<br />

ernstlich, falls se<strong>in</strong>em Befehl nicht nachgelebt werde, mit Truppen<br />

<strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> e<strong>in</strong>zurücken. 80<br />

Grenze bereit. 81<br />

Schon stan<strong>den</strong> Formationen an der<br />

Wieder eilte der Landvogt zum General. Auf Bit­<br />

ten und Betteln h<strong>in</strong> konnte er die unmöglich aufzutreiben<strong>den</strong> Lie­<br />

ferungen von Naturalien mit e<strong>in</strong>er Summe von 500 fl. ablösen; da­<br />

von mussten 2<br />

/ä die Rentkasse, :i<br />

/.-> die Landschaften zahlen. Das<br />

Vorgehen <strong>des</strong> Generals war von e<strong>in</strong>er solchen Arroganz und Selbst­<br />

sicherheit, dass Sehuppler gerne auf die Forderungen e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>g, ja er<br />

glaubte, das Volk vor grösserem Übel bewahrt zu haben. 82<br />

<strong>Die</strong> nachträgliche Korrespon<strong>den</strong>z <strong>des</strong> Oberamtes mit dem liech­<br />

tenste<strong>in</strong>ischen Gesandten erhärtet die Vermutung, dass der Landvogt<br />

e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>en Erpressung zum Opfer gefallen war. 83<br />

Dadurch, dass<br />

Froment <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> nicht besetzt hatte, anerkannte er die Zu­<br />

gehörigkeit <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> zum Rhe<strong>in</strong>bund, und <strong>in</strong>dem der Gene­<br />

ral se<strong>in</strong>e Forderungen sich abkaufen Hess, bewies er die Ungebühr­<br />

lichkeit se<strong>in</strong>es Vorgehens. 84<br />

Auch die Hofkanzlei blieb nicht untätig<br />

und unterrichtete Marschall Berthier von <strong>den</strong> Vorfällen <strong>in</strong> Liechten­<br />

ste<strong>in</strong>. 8<br />

" Alle<strong>in</strong> der Marschall würdigte die Kanzlei ke<strong>in</strong>er Antwort.<br />

Deshalb wandte sie sich <strong>in</strong> gleichem S<strong>in</strong>ne an Bacher. 8<br />

'' Hier fand<br />

die fürstliche Hofkanzlei Gehör und erhielt «tröstliche» Versicher­<br />

ungen. Schliesslich konnte der liechtenste<strong>in</strong>ische Gesandte dem<br />

Oberamte <strong>in</strong> Vaduz mitteilen, dass e<strong>in</strong> Sequester für <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong><br />

nie bestan<strong>den</strong> habe, und dass auf die Drohungen <strong>des</strong> Generals gar<br />

nicht mehr zu achten sei. 8<br />

'<br />

79. I.KA. SR. Fasz. L 3. Gesandter an Schuppler. 8. Okt. 1809.<br />

8(1. 1. c. lH'pol.. Fronient an Srliuppli-r. 8. Okt. 180').<br />

81. II K. Wien L 2 — 3. f>9, Bericht Schupplers. 27. Okt. 1809.<br />

82. 1. e.<br />

83. I.K \. SR. Fasz. L3. Gesandter an Schuppler. 16. Dez. 1809.<br />

81. I. c. Gesandter an Schuppler. 30. Dez. 1809.<br />

8.">. IIK. W ien I. 2 — 3. . r<br />

,9. Hofkanzlci an Bacher. 28. Okt. 1809.<br />

Hfl. 1.


— 144 —<br />

Von viel grösserer Bedeutung, als die bübischen Erpressunger.<br />

Froments, war die damit verbun<strong>den</strong>e Gerüchtewelle, das Fürsten­<br />

tum verliere se<strong>in</strong>e Selbständigkeit und werde Bayern e<strong>in</strong>verleibt.<br />

Unzweideutig schrieb Froment an <strong>den</strong> Landvogt: «Der König von<br />

Bayern wird wohl bald von <strong>des</strong> Fürsten von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> se<strong>in</strong>em<br />

Lande Besitz nehmen.» 88<br />

hartnäckigen Gerüchten. 89<br />

Auch Schuppler berichtete von ähnlichen<br />

Drei Gründe erklären die Ause<strong>in</strong>andersetzungen Schupplers<br />

mit dem französischen General: E<strong>in</strong>mal die Geldgier Froments, dann<br />

die bekannte Ländergier Bayerns, das <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> gerne besetzt<br />

hätte, zumal <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> bayrischer Besitz lag und endlich die<br />

Stellung <strong>des</strong> Fürsten als österreichischer General. Besonders durch<br />

die <strong>Die</strong>nste <strong>des</strong> Fürsten <strong>in</strong> der österreichischen Armee wurde die<br />

aussenpölitische Lage <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> verworren: Obwohl Regent<br />

e<strong>in</strong>es dem Rhe<strong>in</strong>bund zugehören<strong>den</strong> Staates, stand Johann I. <strong>in</strong> vor­<br />

derster Reihe im Kampfe gegen Napoleon. 90<br />

Der Rhe<strong>in</strong>bund aber<br />

leistete dem Korsen treue Gefolgschaft. 91<br />

, Auch <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> hatte<br />

für e<strong>in</strong> von Nassau gestelltes Truppenkont<strong>in</strong>gent die Kosten aufzu­<br />

br<strong>in</strong>gen. Auf diese Weise brauchten die <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>er ke<strong>in</strong>e eige­<br />

nen Truppen aufzustellen und kamen so an der Notwendigkeit, vor­<br />

bei, gegen ihren Fürsten kämpfen zu müssen. Zwar hatte der Land­<br />

vogt grosse Mühe, die Untertanen vom Kampf gegen Frankreich<br />

zurückzuhalten. Das fürstliche Vorbild durfte nicht nachgeahmt<br />

wer<strong>den</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs waren die Motive <strong>des</strong> Fürsten und die der Liech­<br />

tenste<strong>in</strong>er verschie<strong>den</strong>: <strong>Die</strong> liechtenste<strong>in</strong>ischen Untertanen wollten<br />

die Neuerungen abschütteln; Fürst Johann handelte au« se<strong>in</strong>er pa­<br />

triotischen, österreichischen Ges<strong>in</strong>nung heraus.<br />

88. 1.


— 145 —<br />

Der Aufstand von 1809 blieb für das Fürstentum ohne grosse<br />

Folgen. Lediglich <strong>in</strong> der Verlegung <strong>des</strong> Grundbuches g<strong>in</strong>g der Land­<br />

vogt von allzu harten Grundsätzen ab. 92<br />

Im übrigen erschöpfte sich<br />

der Aufstand im explosiven und planlosen Vorgehen der Rebellen<br />

<strong>Die</strong> Sonderstellung <strong>des</strong> Fürsten aber beweist se<strong>in</strong>en nachhaltigen<br />

E<strong>in</strong>fluss auf die damalige Weltpolitik.<br />

92. Vgl. <strong>Die</strong> Ausführungen über das Grundbuch 109 ff.<br />

1 0


— 146 —<br />

II. Kapitel<br />

<strong>Die</strong> Aussenpolitik <strong>des</strong> Rlie<strong>in</strong>bundstaates<br />

1. Vertrag mit Nassau von 1806<br />

Unter Politik im allgeme<strong>in</strong>en verstellt man die Erreichung be­<br />

stimmter, staatlicher Zwecke, die Handhabung der Staatswissen­<br />

schaft unter teleologischen Gesichtspunkten. 1<br />

Im Zeitalter <strong>des</strong> Spät-<br />

absolutismus bestimmte der Monarch die Innen- und Aussenpolitik.<br />

Da das Fürstentum nach dem Sturze <strong>des</strong> Landsbrauches (1808) bis<br />

zur E<strong>in</strong>führung der landständischen Verfassung (9. Nov. 1818) 2<br />

e<strong>in</strong>e<br />

absolutistische Monarchie war, besass der Fürst <strong>in</strong> Angelegenheiten<br />

der Aussenpolitik volle Freiheit: Er ernannte Gesandte, schloss Ver­<br />

träge, verkehrte mit Höfen, bestimmte über Krieg und Frie<strong>den</strong>, ja<br />

selbst verkaufen konnte der Fürst se<strong>in</strong>e Herrschaftsgebiete. 3<br />

Jedoch<br />

fielen die fürstlichen Entscheidungen <strong>in</strong> der Aussenpolitik meist<br />

nach e<strong>in</strong>gehender Rücksprache mit der Hofkanzlei <strong>in</strong> Wien und nach<br />

Erkundigungen, die diese beim Landvogt <strong>in</strong> Vaduz e<strong>in</strong>geholt hatte. 4<br />

<strong>Die</strong> Grundsätze <strong>des</strong> Fürsten waren <strong>in</strong> aussen<strong>politische</strong>n Belan­<br />

gen von bestechender Realistik geleitet. Stets befahl der Fürst, sich<br />

<strong>in</strong> kritischen Zeiten «ganz auf die bewährte Beschei<strong>den</strong>heit» zu ver­<br />

lassen. 0<br />

<strong>Die</strong> Übernähme schweizerischen Gedankengutes wird wohl<br />

kaum zutreffen; eher liegt der Gedanke nahe, dass aus der Not e<strong>in</strong>e<br />

Tugend gemacht wurde: Was bleibt dem Schwachen anderes übrig,<br />

als die Vorteile und Gew<strong>in</strong>ne, die wie Späne vom <strong>politische</strong>n Ar­<br />

beitstisch der Grossen fallen, zu verlesen und zu sammeln? <strong>Die</strong><br />

klare Erkenntnis e<strong>in</strong>er staats<strong>politische</strong>n Situation wiegt oft mehr,<br />

1. Vgl. Jell<strong>in</strong>ek, 13.<br />

2. JB. (1905) 213 ff., Verfassung.<br />

3. Vgl. Jell<strong>in</strong>ek, 466 ff.<br />

4. LRA. SR. Fasz. C 1, verschie<strong>den</strong>e Akten.<br />

5. 1. c. 7/pol.. Hofkanzlei an <strong>den</strong> Landvogt, 9. Jan. 1814.


— 147 —<br />

aL« neue <strong>politische</strong> Iileen. <strong>Die</strong> Aussenpolitik <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s sche<strong>in</strong>t<br />

ihre Rechtfertigung aus der Souveränität, aus dem Bewusstse<strong>in</strong> der<br />

eigenen Schwäche, aus der günstigen geographischen Lage und end­<br />

lich aus dem Ansehen der fürstlichen Familie erhalten zu haben.<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> war durch die Rhe<strong>in</strong>bundakte e<strong>in</strong> souveräner<br />

Staat gewor<strong>den</strong>," und Napoleon anerkannte ihn als solchen. Auch<br />

die Alliierten bestätigten die Souveränität.' In <strong>den</strong> Verträgen, die<br />

das Fürstentum mit andern staatsrechtlich gleichgestellten Staaten<br />

schloss, offenharte sich se<strong>in</strong>e Souveränität deutlich.<br />

Als zweites richtung-geben<strong>des</strong> Element der liechtenste<strong>in</strong>ischen<br />

Aussenpolitik darf das Bewusstse<strong>in</strong> der Kle<strong>in</strong>heit und der Schwäche<br />

gelten. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> zählte um 1813 nur 5797 E<strong>in</strong>wohner. 8<br />

Nicht<br />

nur bevölkerungsmässig, sondern auch wirtschaftlich war das Für­<br />

stentum bedeutungslos. Es wurde ke<strong>in</strong>e Grossmacht durch reiche<br />

Bo<strong>den</strong>schätze zur Besetzung <strong>des</strong> Ländchens verlockt; <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong><br />

war sehr arm. 9<br />

Nicht zu übersehen *<strong>in</strong> der Betrachtung der Aussenpolitik ist •<br />

die geographische Lage <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>. Ihr verdankt das Fürstentum<br />

vieles. <strong>Die</strong> Süd- und Westgrenze zu e<strong>in</strong>em grossen Teil von der neu­<br />

tralen Schweiz umgeben, bed<strong>in</strong>gte e<strong>in</strong>e gewisse <strong>politische</strong> Stabilität.<br />

Das Fürstentum konnte oft nur Zeuge e<strong>in</strong>er raschen welt<strong>politische</strong>n<br />

Entwicklung se<strong>in</strong>. Wäre <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> irgendwo <strong>in</strong> Deutschland oder<br />

Österreich gelegen, hätten Mediatisierungen, das Streben nach na­<br />

tionaler E<strong>in</strong>heit, Revolution und Kriege das Sonderdase<strong>in</strong> <strong>des</strong> klei­<br />

nen Lan<strong>des</strong> wohl längst ausgewischt. Es kann angenommen wer<strong>den</strong>,<br />

dass die Schweiz und die «gutnachbarlichen Beziehungen», wie es<br />

immer wieder hiess, wenn offizielle Schreiben zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong><br />

Ländern ausgetauscht wur<strong>den</strong>, zum Grossteil <strong>den</strong> Fortbestand <strong>des</strong><br />

<strong>Fürstentums</strong> sicherten.<br />

6. In fler Maur, Gründung, 32.<br />

7. Srbik, 195 f.; HHSTA., Kle<strong>in</strong>ere Betreffe, dipl. Korrespon<strong>den</strong>z, 6a, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong><br />

1806 — 1840, mehrere Schreiben vom 29. Dez. 1813.<br />

8. I. c, Schuppler an Floret, 3. Dez. 1813.<br />

9. 1. c; näheren Aufschluss über die wirtschaftliche Lage <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s gibt<br />

auch die LBS. Nr. 1 ff.


- 148 —<br />

Noch e<strong>in</strong> viertes äst zu beachten: Das Ansehen der fürstlichen<br />

Familie <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalen Kreisen war unumstritten gross. Nur kurz<br />

sei auf e<strong>in</strong>ige der wichtigsten Persönlichkeiten <strong>des</strong> Fürstenhauses<br />

h<strong>in</strong>gewiesen, deren Bedeutung für die österreichische <strong>Geschichte</strong><br />

nicht zu unterschätzen ist. Fürst Wenzel (1696 —1772) war Ver­<br />

trauter Maria Theresias, <strong>in</strong>timer Freund Friedrichs II., Gesandter<br />

<strong>des</strong> Habeburgerreiches <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, wozu nur «je<strong>des</strong>mal Personen von<br />

der ersten nascita und von Ansehen bestimmt» wur<strong>den</strong>; 10<br />

er war<br />

Gesandter Österreichs <strong>in</strong> Paris, dann Vorstand <strong>des</strong> Geschützwesens<br />

der Habsburgermonarchie. 11<br />

Ferner darf an Fürst Karl (1730 —<br />

1789) und Fürst<strong>in</strong> 'Eleonore er<strong>in</strong>nert wer<strong>den</strong>. Fürst Karl durchlief<br />

die militärische Laufbahn bis zu <strong>den</strong> höchsten Stufen; 12<br />

Fürst<strong>in</strong><br />

Eleonore (1745 — 1812) besass die tiefste Zuneigung Kaiser Jo­<br />

sefs IL, die se<strong>in</strong>erseits zu völliger Liebe wurde. 13<br />

Fürst Johann, der<br />

grosse Soldat, wurde Feldmarschall und Oberbefehlshaber sämtli­<br />

cher österreichischen Streitkräfte. Napoleon war stets bemüht, dem<br />

Fürsten entgegenzukommen, was,Metternich schon deutlich bemerkt<br />

hatte. 14<br />

S<br />

<strong>Die</strong> äusseren Verhältnisse, unter <strong>den</strong>en sich die liechtenste<strong>in</strong>i­<br />

sche Aussenpolitik <strong>in</strong> <strong>den</strong> Jahren 1800 — 1815 zu bewegen hatte,<br />

s<strong>in</strong>d bekannt. <strong>Die</strong> Kriege <strong>des</strong> Korsen gegen Österreich, Russland,<br />

Preussen usw. zeichneten das Antlitz jener Zeit. Der Rhe<strong>in</strong>bund be-<br />

e<strong>in</strong>flusste <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s Schicksal massgebend. Von nicht m<strong>in</strong>derer<br />

Wichtigkeit für das Fürstentum s<strong>in</strong>d die Befreiungskriege, an <strong>den</strong>en<br />

es aktiven Anteil nahm.<br />

<strong>Die</strong> Aussenpolitik <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s vor dem Beitritt <strong>des</strong> Fürsten­<br />

tums zum Rhe<strong>in</strong>bund war bedeutungslos.' Lediglich e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>ere<br />

und fruchtlose Differenz mit der benachbarten Schweiz wegen alter<br />

Rechte im Grenzgebiet, 15<br />

Streitigkeiten mit dem Gericht <strong>in</strong> Rank­<br />

weil und e<strong>in</strong>ige weitere unbedeutende Zänkereien mit <strong>den</strong> Nachbar­<br />

staaten stellten neben dem ger<strong>in</strong>gen E<strong>in</strong>fluss; <strong>den</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> im<br />

10. Falke, 116.<br />

11. Literatur bei Bohatte X, 98 ff.<br />

12. 1. c., 110.<br />

13. 1. c, 66 f.<br />

14. Metternich, 174.<br />

15. HK. Wien L 2 —14, 18, mehrere Akten.


— 149 —<br />

schwäbischen Kreis besass, die ganze Aussenpolitik <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong><br />

um 1800 dar. Als aber <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> mit dem Geschick <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>­<br />

bun<strong>des</strong> verkettet wurde, gaben e<strong>in</strong>e Reihe von Verträgen dem klei­<br />

nen Lande Verpflichtungen, wie ihm solche zuvor nie bekannt waren.<br />

<strong>Die</strong> Staaten <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> hatten sich verpflichtet, im<br />

Kriegsfall Napoleon e<strong>in</strong> ihrer E<strong>in</strong>wohnerzahl proportionales Trup­<br />

penkont<strong>in</strong>gent zu stellen. 16<br />

Es sollte nicht lange dauern, bis Napo­<br />

leon diese Truppen brauchte und verbrauchte. 17<br />

Im Jahre 1806 be­<br />

gann e<strong>in</strong> neuer Akt im blutigen Drama: Preussen, das durch die<br />

dritte Teilung Polens se<strong>in</strong>e Ländergier auf das vorteilhafteste zu<br />

sättigen gesucht hatte und <strong>des</strong>halb 1795 <strong>in</strong> kurzsichtiger Weise<br />

durch <strong>den</strong> Sonderfrie<strong>den</strong> von Basel aus der Koalition ausgeschie­<br />

<strong>den</strong> war, sah sich nun gezwungen, Napoleon <strong>den</strong> Krieg zu erklären.<br />

<strong>Die</strong> Doppelschlaoht von Jena und Auerstädt (14. ökt. 1806) genügte,<br />

um Preussen niederzur<strong>in</strong>gen. In diese welt<strong>politische</strong> Lage ist der<br />

Militärvertrag zu stellen, <strong>den</strong>, das souveräne <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> mit Nas­<br />

sau schloss.<br />

Napoleon konnte nicht warten, bis je<strong>des</strong> der kle<strong>in</strong>en Fürsten­<br />

tümer <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> die vorgeschriebene Zahl von Truppen zur<br />

Unterwerfung Preussens aufgeboten hatte. Es kam <strong>des</strong>halb, wie das<br />

schon <strong>in</strong> <strong>den</strong> Rhe<strong>in</strong>bundakten vorgesehen war, 18<br />

1806 19<br />

am 12. Oktober<br />

zwischen mehreren kle<strong>in</strong>en deutschen iFürstentümern e<strong>in</strong>er­<br />

seits und dem herzoglichen Hause Nassau anderseits e<strong>in</strong> Vertrag<br />

zustande, danach' Nassau gegen Bezahlung die Stellung der gefor­<br />

derten Truppen übernabm. Für <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> erwuchsen daraus<br />

folgende Verpflichtungen: Das Fürstentum musste für e<strong>in</strong> Truppen­<br />

kont<strong>in</strong>gent von 40 Mann aufkommen. 20<br />

Nassau übernahm die Stel­<br />

lung der Truppen, die Rekrutierung, die militärische Organisation<br />

usw. gegen die jährliche Pauschalsumme von 5829 fl. 18 kr: 21<br />

dazu<br />

kam für Ausrüstung und Bewaffnung die e<strong>in</strong>malige Rechnung von<br />

16. Altmann, 8.<br />

17. Vgl. Schnabel 1, 147, 369 f.<br />

18. Altmann, 8.<br />

19. LRA. SR. Fasz. C 1, Kopie <strong>des</strong> Vertrages, 17. Okt. 1806".<br />

20. 1. c, Hofkanzlei an das Oberamt, 21. Okt. 1806. Vgl. Art. I <strong>des</strong> Vertrages.<br />

21. Art. III und IV.<br />

1 0 *


— 150 —<br />

3928 f l . 40 kr. 2<br />

- Nicht <strong>in</strong>begriffen <strong>in</strong> <strong>den</strong> obigen Zahlen waren die<br />

Unkosten, die durch Verpflegung <strong>in</strong> Gefangenschaft, <strong>in</strong> Spitälern<br />

und anderswie entstehen konnten. 23<br />

<strong>Die</strong>se Auslagen wur<strong>den</strong> propor­<br />

tional auf alle Vertragsteilnehmer verteilt. Doch verpflichtete sich<br />

Nassau, für Ausgaben, die durch Desertion entstün<strong>den</strong>, selbst auf­<br />

zukommen. 24<br />

<strong>Die</strong> V e r t r a g s s c h l i e s s e n d e n Fürsten sicherten Nassau<br />

dagegen zu, für je<strong>den</strong> Gefallenen 22 fl. als «Entschädigung» zu ent­<br />

richten. 23<br />

wurde geregelt; 26<br />

Zahlungsterm<strong>in</strong>e 28<br />

Der Unterhalt der b<strong>in</strong>terbliebenen Witwen und Waisen<br />

man sorgte für die Invali<strong>den</strong>, 27<br />

vere<strong>in</strong>barte die<br />

und umschrieb die Verwendung der Waffen nach<br />

dem Kriege. 29<br />

<strong>Die</strong> Gültigkeit <strong>des</strong> Vertrages erstreckte sich über die<br />

Dauer <strong>des</strong> Krieges 30<br />

und über drei Monate nach Frie<strong>den</strong>sschluss. 31<br />

Trägt man <strong>den</strong> Umstän<strong>den</strong> Rechnung, so muss man zugeben,<br />

dass <strong>in</strong> <strong>den</strong> Abmachungen von mehreren Übeln das kle<strong>in</strong>ste ge­<br />

wählt wor<strong>den</strong> war. Wohl mussten alle Staaten <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> sich<br />

sklavisch dem Protektor fügen: 32<br />

der Zwang der Verhältnisse gebot<br />

mehr als der eigene Wille. Für das Fürstentum aber konnten so<br />

Bkttopfer der eigenen Leute gegen schweres Geld ausgelöst wer<strong>den</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Tribute lasteten schwer auf dem Volke, weil die wirt­<br />

schaftliche Lage <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> ke<strong>in</strong>eswegs erfreulich war. 33<br />

E<strong>in</strong><br />

weiterer Vorteil <strong>des</strong> Vertrages mag wohl dar<strong>in</strong> bestan<strong>den</strong> haben,<br />

dass die Kriegslasten ke<strong>in</strong>e grossen organisatorischen Massnahmen<br />

erforderten und alles <strong>in</strong> abgeklärter Ruhe vor sich gehen konnte,<br />

was bei e<strong>in</strong>em Truppenaufgebot im Fürstentum selbst wohl nicht<br />

zugetroffen wäre: fiebernde Erregung und schwere Belastung der<br />

22. Art. V.<br />

2:?. Art. VI; über andere Zahlungen orientieren Art. IX, X, XI, XII.<br />

24. Art. VII.<br />

25. Art. VIII.<br />

26. Art. XVI.<br />

27. Art. XV.<br />

28. Art. XX, XXI, XXII.<br />

29. Art. XXIV.<br />

30. Art. XIV.<br />

31. LRA. SR. Fasz. C 1, Vertrag, 17. Okt. 1806. Der Vertrag ist nur mehr <strong>in</strong><br />

Kopie aufzuf<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

32. Treitschke, 356 f.<br />

33. KU. 557 f.


— 151 —<br />

öffentlichen Me<strong>in</strong>ung s<strong>in</strong>d die Folgen der meisten militärischen<br />

Aufgebote, ganz besonders dann, wenn sie gegen <strong>den</strong> Willen <strong>des</strong><br />

Volkes geschehen. Wie ungern man die Zahlungen für die gestellten<br />

Truppen beglich, erhellt aus manchem Schreiben der fürstlichen<br />

Hofkanzlei <strong>in</strong> Wien. Immer wieder wurde auf die «bestehende Not­<br />

wendigkeit» h<strong>in</strong>gewiesen, aber man tröstete sich mit dem Opium<br />

falscher Hoffnungen, und wiederholt kehrten <strong>in</strong> <strong>den</strong>' offiziellen<br />

Schreiben Ausdrücke wieder, die e<strong>in</strong>en «allgeme<strong>in</strong>en Frie<strong>den</strong>» her­<br />

beiwünschten. 34<br />

In zuvorkommender Weise schoss der Fürst das nö­<br />

tige Geld zur Deckung der Kriegslasten vor, um dadurch die genaue<br />

E<strong>in</strong>haltung der vertraglichen Pflichten zu gewährleisten. Der Ge­<br />

sandte <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s überwies jeweils -die Gelder an Nassau. Er<br />

hatte auch im Namen <strong>des</strong> Fürsten die Verhandlungen geführt. Der<br />

Vertrag sollte jedoch nur für kurze Zeit gelten, da er nach dem<br />

Frie<strong>den</strong> von Tilsit (7. u. 9. Juli 1807) erlosch. 35<br />

In<strong>des</strong>sen forderte Bacher im Jahr 1808 vom Fürsten die<br />

schleunige Stellung von zwei jungen Leuten zum französischen Mi-<br />

titärfuhrwesen. 3<br />

" Der überraschte Gesandte Schmitz Grollenburg<br />

empfahl dem Fürsten, dem Befehl nachzukommen. 37<br />

<strong>Die</strong> nun e<strong>in</strong>getretene Ruhepause im Weltgeschehen sollte aber<br />

nur von kurzer Dauer se<strong>in</strong>. In Spanien stiessen Napoleons Erobe­<br />

rungspläne (1808) auf zähesten Widerstand. Frankreich brauchte<br />

wieder Truppen.<br />

2. Vertrag mit Nassau von 1809<br />

Schon <strong>in</strong> der zweiten Hälfte <strong>des</strong> Jahres 1808 trat der liechten­<br />

ste<strong>in</strong>ische Gesandte mit Schütz von Holzhausen, dem Vertreter <strong>des</strong><br />

Herzogs von Nassau, <strong>in</strong> Verhandlung mit dem Ziel, für das Fürsten­<br />

tum <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> e<strong>in</strong>en Vertrag zu erwirken, der <strong>in</strong> <strong>den</strong> Gruud-<br />

zügen dem vom Jahre 1806 ähneln sollte. 38<br />

Es wurde e<strong>in</strong> Abkom-<br />

U. LRA. SR. Fasz. C 1. Hofkanzlei an das Oberarm, 21. Okt. 1806.<br />

35. Art. XXIV <strong>des</strong> Vertrages bestimmte, dass der Vertrag drei Monate nach<br />

Frie<strong>den</strong>sschluss erlosch.<br />

36. HK. Wien L 2 — 3, 37, Bacher an <strong>den</strong> Gesandten, 22. April 1808.<br />

37. 1. c, L 2 — 3, 51, Gesandter an <strong>den</strong> Fürsten, 28. April 1808.<br />

38. LRA. SR. Fasz. C 1. vgl. Begleitschreiben zu <strong>den</strong> Militärverträgen. 16.<br />

April 1809.


— 152 -<br />

rnen aufgesetzt, und die Unterhändler e<strong>in</strong>igten sich. Noch fehlte<br />

3 9<br />

die Ratifizierung von Seiten der Höfe.<br />

Wohl unterzeichnete Fürst<br />

Johann am 26. Okt. 1808, der Herzog von Nassau aber verweigerte<br />

die Ratifizierung, da er <strong>den</strong> Beitritt der übrigen Fürsten erzw<strong>in</strong>gen<br />

wollte, wie es im Vertrage von 1806 zugetroffen hatte. 40<br />

Bis zum September <strong>des</strong> Jahres 1808 wurde von Nassau e<strong>in</strong><br />

Truppenkont<strong>in</strong>gent von 2054 Mann gefordert. 41<br />

Das Fürstenkolle­<br />

gium hatte noch ke<strong>in</strong>en Vertrag geschlossen. Erst nachträglich, als<br />

es um die Bestreitung der Kriegskpsten g<strong>in</strong>g, kam es zu e<strong>in</strong>em Ab­<br />

komme<strong>in</strong> mit rückwirkender Geltung. 42<br />

<strong>Die</strong> Kriegskosten <strong>des</strong><br />

plötzlich aufgebotenen Kont<strong>in</strong>gents mussten auf Nassau, Armberg,<br />

das Haus Salm, Hohenzollern-Hech<strong>in</strong>gen, Hohenzollern-Sigmar<strong>in</strong>gen,<br />

Isenburg, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> und Leyen verteilt wer<strong>den</strong>. Der französische<br />

Geschäftsträger Bacher zitierte im März 1809 die Gesandten der<br />

obgenannten Fürsten zu sich und überreichte ihnen im Namen <strong>des</strong><br />

Kaisers e<strong>in</strong>e Note, die <strong>den</strong> Vertrag mehr oder weniger schon fertig<br />

enthielt. 43<br />

Allzu tiefes Nach<strong>den</strong>ken wurde dadurch <strong>den</strong> Gesandten<br />

erspart. ^<br />

Zögerten vorher die Mitglieder <strong>des</strong> Fürstenkollegiums, e<strong>in</strong>en<br />

neuen Vertrag mit Nassau ce<strong>in</strong>zugehen, so blieb ihnen jetzt nichts<br />

anderes übrig, als zu verhandeln, wie es <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> schon e<strong>in</strong>ige<br />

Monate vorher versucht hatte. Der Vertrag regelte die Verteilung<br />

der Bestände <strong>des</strong> Kont<strong>in</strong>gentes, 44<br />

umschrieb die <strong>Die</strong>nsttauglichkeit 45<br />

und setzte die reglementsmässige Formierung der Mannschaft fest; 46<br />

es wur<strong>den</strong> die Kosten verteilt 47<br />

39. ].' c, Kopie dieses Vertrages.<br />

und die Zahlungsfristen bestimmt. 48<br />

40. 1. c., Begleitschreiben <strong>des</strong> Gesandten, 16. April 1806.<br />

41. 1. c, Note Bachers, 6. März 1809.<br />

42. 1. c, Note Bachers, 6. März 1809.<br />

42. 1. c, E<strong>in</strong>leitung zum Militärvertrag, 12. März 1809.<br />

43. 1. c, Beilage 5.<br />

44. Art. II.<br />

45. Art. III.<br />

46. Art. IV. ;<<br />

47. Art. V. <strong>Die</strong>ser Artikel regelte die Verteilung der «Formations- und Equipirungskosten»;<br />

Art. XIV verteilte die Kosten, die durch ausseror<strong>den</strong>tliche<br />

Verluste entstan<strong>den</strong> wären, sowie die Ersparnisse <strong>in</strong> Frie<strong>den</strong>szeiten; die<br />

Ausrüstungskosten umschrieb Art. VI.<br />

. 48. Art. VIII.


-< 153 -<br />

Der Verlrag nannte ferner die Taxen, die Nassau für die Übernahme<br />

von Ausrüstungsgegenstän<strong>den</strong> und Bekleidung aus <strong>den</strong> Ländern<br />

der Vertragspartner entrichten musste. 49<br />

<strong>des</strong> Sol<strong>des</strong> 50<br />

terial. 51<br />

Man vere<strong>in</strong>barte die Höhe<br />

und die Ersetzung der Verluste an Menschen und Ma­<br />

Artikel 12 enthielt die Grundsätze zur Nachzahlung für die<br />

von Napoleon im Jahr 1808 geforderten Soldaten. Der Unterhalt<br />

der Truppen wurde nach franz. Reglement vorgenommen. 52<br />

vali<strong>den</strong>, 53<br />

<strong>Die</strong> In­<br />

die Witwen und Waisen der im Kriege gefallenen Solda­<br />

ten erhielten Pensionen." 4<br />

lichen erreicht wer<strong>den</strong>. 35<br />

Offiziersgrade konnten von allen Taug­<br />

Der Vertrag wurde am 14. März ausge­<br />

fertigt, und <strong>in</strong>nert 14 Tagen musste er ratifiziert wer<strong>den</strong>.<br />

<strong>Die</strong> bei<strong>den</strong> Militärverträge von 1806 und 1809 zeigen dieselbe<br />

Struktur, was auf <strong>den</strong> Befehl Napoleons zurückzuführen ist, der<br />

durch se<strong>in</strong>en Geschäftsträger <strong>in</strong> Frankfurt kategorisch gefordert<br />

hatte: «Dans l'objet de consolider ce nouvel ordre <strong>des</strong> choses le<br />

soussigne est charge d'<strong>in</strong>viter tous les etats <strong>in</strong>teresses a conclure<br />

<strong>in</strong>cessament avec la Serenissme maison de Nassau <strong>des</strong> arrangements<br />

de la guerre de ceux du 12 octobre 1806. Tel est le <strong>des</strong>ir formel<br />

de sa Majeste Imperiale et Royale.» 56<br />

Auch blieben sich die Kosten<br />

ungefähr gleich: «Quant aux frais de tout genre et au solde Farran-<br />

gement provisoire, fait en Octobre 1806, peut servir de model.» 57<br />

Dennoch unterschied sich die neue Konvention <strong>in</strong> manchem von<br />

der früheren. Im Vertrag von 1806 warb und stellte Nassau das<br />

Militär, was 1809 nicht zutraf. 08<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> hätte nach dem un­<br />

terzeichneten Vertrag 40 Mann auf <strong>den</strong> Garnisonsplatz von Wies­<br />

ba<strong>den</strong> <strong>in</strong> Marsch zu setzen gehabt, 39<br />

49. Art. IX.<br />

50. Art. X.<br />

51. Art. XI.<br />

52. Art. XIII.<br />

53. Art. XV.<br />

54. Art. XVI.<br />

55. Art. XVII.<br />

wenn nicht e<strong>in</strong> Sondervertrag<br />

56. LRA. SR. Fasz. C 1, Note <strong>des</strong> franz. Geschäftsträgers, 6. März 1809.<br />

57. 1. c.<br />

58. Art. II.<br />

59. 1. c.


— 154 -<br />

zwischen Nassau und <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> geschlossen wor<strong>den</strong> wäre. E<strong>in</strong>e<br />

Neuerung f<strong>in</strong><strong>den</strong> wir auch <strong>in</strong> der Festlegung der Dauer <strong>des</strong> Abkom­<br />

mens: 1806 war sie beschränkt, nun lautete der Befehl Napoleons:<br />

«Cc traite doit etre def<strong>in</strong>itif et pour un temps <strong>in</strong>def<strong>in</strong>i.» 00<br />

Ausrüstungskosten betrugen im neuen Vertrag 4571 fl., 1806 nur<br />

3928 fl. Der Sold belief sich im Jahre 1809 auf 3324 fl., 1806 aber<br />

auf 5829 fl. Dazu kamen noch weitere Unkosten im Betrag von<br />

über 4000 fl. Schmitz Grollenburg verglich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schreiben au<br />

<strong>den</strong> Landvogt die f<strong>in</strong>anziellen Verpflichtungen wie folgt: «Sie wer­<br />

<strong>den</strong> ferner aus e<strong>in</strong>em Vergleich mit der Konvention von 1806 be­<br />

stätigt f<strong>in</strong><strong>den</strong>, dass der Sold ger<strong>in</strong>ger ist, als <strong>in</strong> dieser Konvention<br />

und die Ausrüstungsgelder nicht viel beträchtlicher.» 61<br />

<strong>Die</strong><br />

Der schwerwiegen<strong>den</strong> Verpflichtung, Mannschaften aus dem<br />

Fürstentum für Napoleon <strong>in</strong> <strong>den</strong> Krieg zu schicken, wollten der<br />

Fürst und der Gesandte aus nabeliegen<strong>den</strong> Grün<strong>den</strong> entgehen. Um<br />

ilie Stellung der Truppen durch Geld abzulösen, trat Schmitz Grol­<br />

lenburg mit Nassau <strong>in</strong> Unterhandlungen, die von Erfolg gekrönt<br />

waren. Im März 1809 konnte der erstrebte Vertrag unterzeichnet<br />

wer<strong>den</strong>. 82<br />

Nassau übernahm nun die e<strong>in</strong>malige Stellung von 40<br />

Mann: es behielt sich jedoch vor, im Falle von Ergänzungen <strong>in</strong> der<br />

Mannschaft von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> die nötigen Soldaten fordern zu dür­<br />

fen. Desgleichen konnte das Fürstentum nach Wunsch eigene Leute<br />

für das Kont<strong>in</strong>gent stellen. 63<br />

Für je<strong>den</strong> von Nassau gestellten Mann<br />

musste <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 50 fl. Werbegeld entrichten. Den Scha<strong>den</strong>, der<br />

.durch Desertion entstand, übernahm Nassau. 64<br />

Der Vertrag war<br />

nicht unbefristet, wie der Hauptvertrag, sondern se<strong>in</strong>e Dauer er-<br />

strekte sich über e<strong>in</strong>en Zeitraum von sechs Jahren und fechs Mo-<br />

naten/ 1<br />

'' Ergänzend galten Bestimmungen, wie sie im ersten Abkom­<br />

men vom 12. Okt. 1806 vere<strong>in</strong>bart wor<strong>den</strong> waren. Fürst Johann<br />

ratifizierte am 6. April 1809 <strong>den</strong> Vertrag und gab zugleich <strong>den</strong> Bc-<br />

60. LRA. SR. Fasz. C 1, Note <strong>des</strong> franz. Geschäftsträgers, 6. März 1809.<br />

6t. t. c. Begleitsehreihen <strong>des</strong> Gesandten zu <strong>den</strong> Militärverträgen, 16. April<br />

1809.-<br />

62. 1. c. beglaubigte Kopie <strong>des</strong> Vertrages, Beilage 8.<br />

63. Art. III.<br />

6t. Art. IV.<br />

65. Art. VI.


— 155 —<br />

fehl, dass die Zahlungen für tlie napoleonischen Söldner e<strong>in</strong>setzen<br />

<strong>in</strong>iissten. Damit begannen für <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> Jahre schwerster f<strong>in</strong>an­<br />

zieller Opfer. Oft zweifelte der harte Landvogt, ob es noch möglich<br />

wäre, die Zahlungen aus dem verarmten Fürstentum herauszubr<strong>in</strong>­<br />

gen: «Es ist vielleicht das ärmste Land, das es <strong>in</strong> der Welt geben<br />

mag.» ,,,<br />

'<br />

<strong>Die</strong> Korrespon<strong>den</strong>z über die Angelegenheiten <strong>des</strong> Kont<strong>in</strong>gentes<br />

ist enorm; Nachträge mussten erledigt, Irrtümer aufgeklärt, Unklar­<br />

heiten bere<strong>in</strong>igt wer<strong>den</strong>. Fast vier Jahre verstrichen unter diesen<br />

Umstän<strong>den</strong>, bis am 24. Februar 1813 das Oberamt die Geldtribute<br />

e<strong>in</strong>stellte. 67<br />

<strong>Die</strong> eben behandelten Verträge sollten aber nicht ohne Nach­<br />

spiel <strong>in</strong> Vergessenheit geraten. Wohl ruhte die ganze Angelegenheit<br />

mehr als drei Jahre lang, bis die nassauische Regierung e<strong>in</strong>e Nach­<br />

forderung für das <strong>in</strong> Spanien zum grossen Teil aufgeriebene oder <strong>in</strong><br />

Gefangenschaft geratene geme<strong>in</strong>same Truppenkont<strong>in</strong>gent stellte.<br />

E<strong>in</strong> langwieriger Streit zwischen Nassau und <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> war die<br />

Folge der Forderung. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> schloss sich <strong>in</strong> diesem Kon­<br />

flikt der hohenzollerisch-hech<strong>in</strong>gischen Regierung an, die sich eben­<br />

falls von Nassau überfordert fühlte: 68<br />

im Zusammenschluss glaubten<br />

die kle<strong>in</strong>en Verbündeten, sich eher gegen die Forderungen Nassaus<br />

durchsetzen zu können. Mutmassungen wur<strong>den</strong> mit Vermutungen,<br />

Argumente mit Gegenbehauptungen widerlegt. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> lehnte<br />

die Nachzahlung von über 5000 fl. ab. Erst durch Vermittlung <strong>des</strong><br />

ehemaligen Gesandten <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s beim Rhe<strong>in</strong>bunde, Schmitz<br />

Grollenburg, wurde dem Konflikt im Jahre 1821 e<strong>in</strong> Ende bereitet. 63<br />

Nassau Hess !<br />

/H der geforderten Summe nach.<br />

66. LRA. SR. Fasz. Ct. ad 226/pol., Schuppler an <strong>den</strong> Gesandten. 6. April 1809.<br />

67. 1. e., ad 230/pol., Bericht Schupplers. 24. Febr. 1813.<br />

68. 1. i'.. 276/pol.. Abschrift e<strong>in</strong>er Antwort der Hohenzollerisch-Sigmariugischcn<br />

Regierung an Nassau, 14. Okt. 1817.<br />

69. I. c, 195/pol.. Hofkanzlei an Schuppler, 1. Juli 1817. <strong>Die</strong> Hofkanzlei Infahl<br />

dem Landvogt, sich <strong>in</strong> dieser Angelegenheit an die Hohenzolleriseh-<br />

Sigmariiigische Regierung anzuschliessen; I. c,. 172/pol. Hofkauzlei an<br />

Schuppler, 11. Juni 1821. <strong>Die</strong> Hofkanzlei befahl, auf <strong>den</strong> von Hobenzollern<br />

ausgearbeiteten Kompromiss e<strong>in</strong>zugehen. <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> mussle noch 3128 fl.<br />

27 kr. an Nassau zahlen.


— 156 —<br />

Damit fand e<strong>in</strong> mühsames Kapitel der <strong>Geschichte</strong> Liechteri<br />

ste<strong>in</strong>s se<strong>in</strong>en Abschluss. Der E<strong>in</strong>fluss <strong>des</strong> Gesandten auf die geschil­<br />

derten Ereignisse war massgebend, obwohl se<strong>in</strong>e wesentliche Tätig­<br />

keit im kaufmännischen Rechnen, im Kontrollieren der Rechnungen<br />

für das Kont<strong>in</strong>gent, sowie im kommentarlpsen Anhören von Be­<br />

fehlen bestand. Schmitz Grollenburg tat jedoch se<strong>in</strong> Bestes. Es ist<br />

beschwerlich, Gesandter e<strong>in</strong>es wehrlosen Staates bei e<strong>in</strong>em über­<br />

mächtigen Diktator zu se<strong>in</strong>. Wenn Fürst Johann an Grollenburgs<br />

Rivalen Floret schrieb, dieser Grollenburg habe das «halbe Liech­<br />

tenste<strong>in</strong> aufgefressen,» 70<br />

so kann das daraus erklärt wer<strong>den</strong>, dass<br />

der Fürst als österreichischer Feldmarschall <strong>den</strong> Geschäften se<strong>in</strong>es<br />

Gesandten ke<strong>in</strong>e besondere Sympathie entgegenbr<strong>in</strong>gen konnte, zu­<br />

mal Schmitz Grollenburg für se<strong>in</strong>e <strong>Die</strong>nste <strong>den</strong> hohen Betrag von<br />

jährlich 1450 fl. bezog. 71<br />

Als grösstes Verdienst <strong>des</strong> Gesandten mag aber der Sonderver­<br />

trag mit Nassau von 1809 gelten. Freiherr Schmitz von Grollenburg<br />

wollte für das Fürstentum Menschenleben retteni und das gelang<br />

ihm. Man könnte hier e<strong>in</strong>wen<strong>den</strong>, es wäre für <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> viel­<br />

leicht besser gewesen, die Soldaten zu stellen, als durch schwere<br />

Zahlungen das Vermögen <strong>des</strong> Volkes zu ru<strong>in</strong>ieren. Dagegen muss<br />

der Sondervertrag <strong>in</strong> Schutz genommen wer<strong>den</strong>: man be<strong>den</strong>ke,<br />

welch grosse Verluste durch Kampf, H<strong>in</strong>terhalte und Gefangen­<br />

nahme <strong>den</strong> französischen Truppen <strong>in</strong> Spanien, wo sich das von<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> f<strong>in</strong>anzierte Kont<strong>in</strong>gent befand, beigebracht wor<strong>den</strong><br />

s<strong>in</strong>d! Zu Ende <strong>des</strong> Krieges soll die nassauische Brigade auf e<strong>in</strong>ige<br />

hundert Mann zusammengeschmolzen se<strong>in</strong>. 72<br />

<strong>Die</strong> Erfolge Schmitz<br />

Grollenburgs kann man nur bei der Erwägung der ungeheuren<br />

Opfer, welche andere Satellitenstaaten Frankreichs sowohl an Geld,<br />

als auch an Menschen br<strong>in</strong>gen mussten, recht würdigen. Der grösste<br />

Rhe<strong>in</strong>bundstaat Bayern zahlte e<strong>in</strong>en erschreckend grossen Blutzoll<br />

an Napoleon. 73<br />

<strong>Die</strong> sonst von Napoleon bevorzugt behandelte<br />

Schweiz entrichtete schwere Tribute. 74<br />

70. HHSTA., Kle<strong>in</strong>ere Betreffe, dipl. Korrespon<strong>den</strong>z, 6a, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 1806 —<br />

1840, Fürst an Floret, 27. Nov. 1813.<br />

71. LRA. SR. Fasz. C 1, 101/pol., Hofkanzlei an Schuppler, 17. Febr. 1810.<br />

72. 1. c, ad. 230/pol., Bericht Schupplers, 24. Febr. 1813.<br />

73. Schnabel I, 493.<br />

74. Gagliardi, 1190 f.


— 157 —<br />

Freilich ist nicht jeder Erfolg der Verdienst <strong>des</strong> liechtenste<strong>in</strong>i­<br />

schen Gesandten, sondern die Kle<strong>in</strong>heit <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> und <strong>des</strong>sen<br />

Schwäche gaben dem Vorgehen Schmitz Grollenburgs <strong>den</strong> Nimbus<br />

der Rechtfertigung. Das liechtenste<strong>in</strong>ische Kont<strong>in</strong>gent war zu kle<strong>in</strong>,<br />

um e<strong>in</strong>en selbständigen Truppenkörper zu bil<strong>den</strong>. So wird auch<br />

hier die These bestätigt, dass die Schwäche <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s zu e<strong>in</strong>em<br />

guten Teil die Aussenpolitik <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> bed<strong>in</strong>gte. Man könnte<br />

diese Formel <strong>in</strong>s sche<strong>in</strong>bar Absurde steigern: <strong>Die</strong> Schwäche <strong>des</strong><br />

<strong>Fürstentums</strong> ist se<strong>in</strong>e Stärke.


— 158 —<br />

III. Kapitel<br />

f^iecliteiiste<strong>in</strong> im alliierten Lager<br />

1. Garantien für die Souveränität <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s<br />

Russland kümmerte sich wenig um Napoleons Kont<strong>in</strong>ental­<br />

sperre, und so war Napoleon gezwungen, gegen Russland zu mar­<br />

schieren. 1<br />

Am 14. Sept. 1812 wurde Moskau genommen, damit be­<br />

gann die Katastrophe mit dem allbekannten Rückzug. Der Rhe<strong>in</strong>­<br />

bund sollte zerstört wer<strong>den</strong>. 2<br />

erfasst. 3<br />

1813) 4<br />

E<strong>in</strong> Befreiungstaumel hatte Europa<br />

Siegreiche Treffen Napoleons bei Grossgörschen (2. Mai<br />

und Bautzen (20. Mai 1813) 5<br />

wirkten wie retardierende Mo­<br />

mente im Ablauf <strong>des</strong> Dramas. Am 4. Juni 1813 war Napoleon ge­<br />

zwungen, e<strong>in</strong>en Waffenstillstand e<strong>in</strong>zugehen.''<br />

Schon lange vor diesem Zeitpunkt begann Schuppler mit se<strong>in</strong>en<br />

Versuchen, die Zahlungen zum' Unterhalt <strong>des</strong> Kont<strong>in</strong>gentes abzu­<br />

schütteln. Am 24. Febr. 1813 schrieb der Landvogt an die Hofkanz­<br />

lei, dass sich die <strong>politische</strong>n Verhältnisse «wie bekannt ganz geän­<br />

dert hätten», und Bayern beg<strong>in</strong>ne Napoleons Fe<strong>in</strong>d zu wer<strong>den</strong>.<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> liefe dadurch Gefahr, sich mit dem «weit mächtige­<br />

ren» Nachbar zu verfe<strong>in</strong><strong>den</strong>:' <strong>den</strong>n Bayern hatte <strong>in</strong> Russland 30 000<br />

Mann verloren und stellte nur zaudernd se<strong>in</strong>e Truppen. 8<br />

1. Treitschke, 395 ff.<br />

2. Schnahel I, 486.<br />

3. t reitschke. 432 ff.<br />

4. I. c, 457; vgl. Schnabel I, 494.<br />

5. Treitschke. 461.<br />

6. Schnabel 1. 495.<br />

7. I.KA. SR. Fasz. C 1, 230/pol., Bericht Schupplers, 24. Febr. 1813.<br />

8. Treitschke. 447; Schnabel 1, 493.


— 159 —<br />

Nocli zögerten die Fürsten <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong>, offen als Napo­<br />

leons Fe<strong>in</strong>de zu gelten. Es folgte die berühmte Unterredung Met­<br />

ternichs mit Napoleon im Palais Marcol<strong>in</strong>i <strong>in</strong> Dres<strong>den</strong>, dann der<br />

Kongress <strong>in</strong> Prag. 9<br />

Am 27. Juni 1813 versprach Österreich gegen Na­<br />

poleon das Schwert zu ziehen. 1<br />

" Von überragender Bedeutung wurde<br />

für <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> der Vertrag von Treplitz vom 9. Sept. 1813, da<br />

<strong>den</strong> Rheiribundfürsten, gemäss diesem Abkommen, die Souveränität<br />

zugesichert wurde. 11<br />

Im Vertrag von Ried (8. Okt. 1813) gelang es<br />

Metternich mit se<strong>in</strong>er brillanten diplomatischen Kunst, Bayern <strong>in</strong>s<br />

alliierte Lager zu ziehen. 12<br />

Es kam zur Völkerschlacht bei Leipzig 13<br />

(19. Okt. 1813). <strong>Die</strong> Tage <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> waren gezählt. 14<br />

Nun stand <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> nichts mehr im Weg, endgültig mit<br />

dem Rhe<strong>in</strong>bund zu brechen. Am 10. Nov. 1813 wurde dem Oberamt<br />

befohlen, die Zahlungen für das Kont<strong>in</strong>gent gänzlich e<strong>in</strong>zustellen. 1<br />

'<br />

<strong>Die</strong> Hofkanzlisten schrieben dem Landvogt: «Auch hat se<strong>in</strong>e Durch­<br />

laucht bereits das Fürstentum <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> unter allerhöchsten<br />

Schutz se<strong>in</strong>er Majestät mittels eigenhändigem Schreiben an se<strong>in</strong>e<br />

Durchlaucht <strong>den</strong> Staatsm<strong>in</strong>ister. Herrn Fürst von Metternich, ge­<br />

stellt und auch <strong>den</strong> Schutz der Krone Bayerns bei der hiesigen kö­<br />

niglichen Gesandtschaft nachsuchen lassen.»"' Damit begann die<br />

neue Aera von Militärverträgen mit <strong>den</strong> .damit zusammenhängen<strong>den</strong><br />

<strong>politische</strong>n Konsequenzen.<br />

Schon im November 1813 kam. ehe Verträge geschlossen wor­<br />

<strong>den</strong> waren, e<strong>in</strong> Schreiben an <strong>den</strong> Fürsten zwecks Lieferung von<br />

Lebensmitteln an die alliierten Armeen im Betrage von 10 000 fl.<br />

Entschlossen setzte sich Schuppler gegen die grossen Forderungen<br />

zur Wehr, zumal <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> e<strong>in</strong>en sechzigstel der Requisition<br />

9. Srliik. 159 ff.<br />

10. I. 159.<br />

11. Trcilsrhke. 490 f.<br />

12. I. 196 f.<br />

13. Schnabel I. 523 ff.<br />

14. Zachariä. 172.<br />

15. I.HA. SR. Fasz. C I, 240/pol.. Grnlleiihurj: an Sehuppler. 25. Okt. 1813.<br />

Oer Gesandle riet Sehuppler schon am 25. Okt. 1813. die Zahlungen am<br />

Nassau e<strong>in</strong>zustellen.<br />

16. I. e.. 260/pol.. Hofkanzlei an das Oheramt. 10. Nov. 1813.


— 160 —<br />

unter <strong>den</strong> Verbündeten zu tragen hatte, 17<br />

Kräfte <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> weit überstieg. 18<br />

was die wirtschaftliche''<br />

E<strong>in</strong>e Reise Schupplers<br />

nach Süddeutschland zur E<strong>in</strong>holung näherer Erkundigungen befrei­<br />

te das Fürstentum nicht von <strong>den</strong> Forderungen. 19<br />

Schliesslich wurde<br />

die bedeutende Lieferung vom Fürsten alle<strong>in</strong> bestritten. 20<br />

Erstaunt<br />

schrieb Freiherr von Ste<strong>in</strong>, «dass der Fürst <strong>in</strong> zur Ehre gereichender<br />

Art» die Lebensmittel bezahlt habe. Fürst Johann wies jedoch dar­<br />

auf h<strong>in</strong>, dass die Forderungen der Alliierten bei der Unfruchtbar­<br />

keit <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> zu gross seien; er habe die Abgaben nur «zur<br />

Bezeugung . . . <strong>des</strong> guten Willens» geleistet. 21<br />

<strong>Die</strong>-<strong>politische</strong>n Verhältnisse erforderten die Ernennung e<strong>in</strong>es<br />

neuen Gesandten bei <strong>den</strong> Alliierten. <strong>Die</strong> Wahl <strong>des</strong> Fürsten fiel auf<br />

Engelbert Floret, Ritter <strong>des</strong> Leopoldor<strong>den</strong>s. 22<br />

Johann I. war be­<br />

müht, se<strong>in</strong> Land aus dem zerfallenen Rhe<strong>in</strong>bund sicher <strong>in</strong> das Lager<br />

der Alliierten zu br<strong>in</strong>gen und zugleich die durch <strong>den</strong> Rhe<strong>in</strong>bund er­<br />

langte Souveränität zu sichern. Doch stand der Fürst nicht mehr<br />

. <strong>in</strong> jener überaus e<strong>in</strong>flussreichen Stellung, wie wenige Jahre zuvor. 23<br />

Es ist <strong>des</strong>halb verständlich, dass Fürst Johann e<strong>in</strong>en <strong>den</strong> alliierten<br />

Höfen angenehmen Gesandten, «der <strong>in</strong> <strong>den</strong> K. K. Hof lagern immer»<br />

anwesend war, ernannte, und der nicht, wie Schmitz Grollenburg,<br />

alle<strong>in</strong> schon durch se<strong>in</strong>e Person, an die sklavische Vergangenheit<br />

im Rhe<strong>in</strong>bund er<strong>in</strong>nerte. Der neue Gesandte schloss mit <strong>den</strong> Alli­<br />

ierten e<strong>in</strong>e Reihe von Verträgen,, die für das Fürstentum von grosser<br />

Bedeutung wur<strong>den</strong>.<br />

Vom 7. Dezember 1813 datiert e<strong>in</strong> Vertrag mit dem Kaiser von<br />

Österreich. 24<br />

bund, 23<br />

17. Krones, 242.<br />

Danach entsagte der Fürst <strong>in</strong> aller Form dem Rhe<strong>in</strong>­<br />

gelobte mit allen Mitteln die Unabhängigkeit Deutschlands<br />

18. LRA. SR. Fasz. L 5, Schuppler an Floret, 12. Dez. 1813.<br />

19. 1. c, mehrere Akten, Nov. und Dez. 1813.<br />

20. IIHSTA., Kle<strong>in</strong>ere Betreffe, dipl. Korrespon<strong>den</strong>z, 6a, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 1806<br />

— 1840. Ste<strong>in</strong> an Floret, 12. Jan. 1814.<br />

21. 1. c, Fürst an Metternich, 29. Dez. 1813,<br />

22 1. c, Fürst an Floret, 26. Nov. 1813.<br />

23. Vgl. Srbik, 186.<br />

24. LRA. SR. Fasz. C 4, Kopie <strong>des</strong> Vertrages, 7. Dez. 1813.<br />

23. Art. I.


zu fördern" 26<br />

— 161 —<br />

und versprach, die gemäss e<strong>in</strong>em separaten Vertrage<br />

zu stellen<strong>den</strong> Truppen aufzubieten. 27<br />

Dafür garantierte der öster­<br />

reichische Kaiser die Souveränität <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> sowie die Be­<br />

sitzungen <strong>des</strong> Fürsten. Se<strong>in</strong>erseits aber willigte der Fürst im voraus<br />

e<strong>in</strong>, sich jenen Beschlüssen zu fügen, welche die Ordnung der D<strong>in</strong>ge<br />

erfordern wür<strong>den</strong>, um die Unabhängigkeit Deutschlands zu erhal­<br />

ten. 28<br />

Gleichlautende Verträge wur<strong>den</strong> mit dem Zaren und dem Kö­<br />

nig von Preussen geschlossen. 29<br />

<strong>Die</strong> Bedeutung der Verträge ist<br />

gar nicht zu überschätzen: <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> wurde durch sie' als<br />

souveräner Staat bei <strong>den</strong> führen<strong>den</strong> Grossmächten <strong>des</strong> Kont<strong>in</strong>entes<br />

anerkannt. <strong>Die</strong> durch <strong>den</strong> Rhe<strong>in</strong>bund erlangte Souveränität wurde<br />

mit der Billigung der Grossmächte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue Periode der liechten­<br />

ste<strong>in</strong>ischen <strong>Geschichte</strong> h<strong>in</strong>übergeführt.<br />

Bei der Aufstellung dieser grundlegen<strong>den</strong> Artikel kam auch<br />

e<strong>in</strong>e militärische Konvention zur Vere<strong>in</strong>igung aller alliierten Streit­<br />

kräfte zustande. Neben <strong>den</strong> grossen Mächten trug e<strong>in</strong>e Anzahl un­<br />

abhängiger Fürsten und Pr<strong>in</strong>zen dazu bei, Frankreichs Vormacht<br />

zu stürzen. Es wur<strong>den</strong> L<strong>in</strong>ientruppen, Landwehr, Landsturm und<br />

Corps von Freiwilligen organisiert. 30<br />

<strong>Die</strong> ehemaligen Fürsten <strong>des</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> mussten die doppelte Anzahl jener Mannschaft stellen,<br />

die sie für Napoleon aufgeboten hatten. 31<br />

So war <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> ver­<br />

pflichtet, achtzig Mann für die Alliierten marschbereit zu halten. <strong>Die</strong><br />

Truppen mussten aus der Bürgerschaft rekrutiert wer<strong>den</strong>. 32<br />

Reserve betrug 20 Mann. 33<br />

<strong>Die</strong><br />

Der Landsturm sollte nur zur Verteidi-<br />

26. Art. II.<br />

27. Art. III.<br />

28. Art. IV.<br />

29. HHSTA., Kle<strong>in</strong>ere Betreffe, dipl. Korrespon<strong>den</strong>z, 6a, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 1806 —<br />

— 1840, Floret an <strong>den</strong> Fürsten, 16. Dez. 1813. <strong>Die</strong> Orig<strong>in</strong>ale der Verträge<br />

konnte ich nicht auff<strong>in</strong><strong>den</strong>. Am 16. Dez. schrieb der Gesandte dem Fürsten,<br />

dass er mit Österreich und Preussen die Verträge abgeschlossen habe: Mit<br />

Bussland wür<strong>den</strong> nach dem E<strong>in</strong>treffen <strong>des</strong> russischen Unterhändlers gleichlautende<br />

Verträge unterzeichnet wer<strong>den</strong>. 1. c, Floret an <strong>den</strong> Fürsten, 27.<br />

Jan. 1814. Am 20. Jan. 1814 konnte Floret die Verträge mit Österreich,<br />

Preussen und Russland dem Fürsten zur Ratifikation übersen<strong>den</strong>.<br />

30. Vgl. Schnabel I, 503 ff.; LRA. SR. Fasz. C 4, Artikel III der Vorschriften<br />

<strong>des</strong> alliierten Militärkommandos, 17. Dez. 1813.<br />

31. Art. V der Verordnung.<br />

32. Art. VI.<br />

33. HHSTA., Kle<strong>in</strong>ere Betreffe, dipl. Korrespon<strong>den</strong>z, 6a, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 1806 —<br />

1840, Hofkanzlei an das Oberamt, 29. Dez. 1813.<br />

1 1


— 162 —<br />

gung <strong>des</strong> eigenen Bo<strong>den</strong>s gebraucht wer<strong>den</strong>. 34<br />

Man scbloss die<br />

Verträge, «belebt . . . von dem Verlangen, alle Souveräne Deutsch­<br />

lands zur geme<strong>in</strong>samen Sache zu vere<strong>in</strong>igen und sie an <strong>den</strong> Wohl­<br />

taten der Unabhängigkeit ihres Vaterlan<strong>des</strong> theilnehmen zu lassen.» 35<br />

<strong>Die</strong> achtzig <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>er sollten dem achten Armeecorps<br />

e<strong>in</strong>verleibt wer<strong>den</strong>; Metternich verlangte, dass die Hälfte der Mann­<br />

schaft bis zum 12. Januar 1814 gestellt se<strong>in</strong> müsse. E<strong>in</strong> Kurier über­<br />

brachte dem Fürsten die Forderung. <strong>Die</strong> Zeit drängte. Alle<strong>in</strong> Fürst<br />

Johann musste die Alliierten auf die Unmöglichkeit der Erfüllung<br />

jenes Befehls aufmerksam machen: «J'ai fait expedier aujourd'hui<br />

les ordres les plus precis ä Vaduz, d'accomplir avec la vitesse pos-<br />

sible le cont<strong>in</strong>gent demande par le traite.» 36<br />

Aber die Durchführung<br />

<strong>des</strong> Befehls nehme mehr Zeit <strong>in</strong> Anspruch, als e<strong>in</strong> rascher Befehl<br />

es vorsehe. 37<br />

Bestürzt begann man im Fürstentum zu organisieren.<br />

2. <strong>Die</strong> Aufgebote im Fürstentum<br />

Der frühere Gesandte beim Rhe<strong>in</strong>bund, Schmitz von Grollen­<br />

burg, war mit Ba<strong>den</strong> <strong>in</strong> Unterhandlungen getreten, um abzuklären,<br />

unter welchen Bed<strong>in</strong>gungen das liechtenste<strong>in</strong>ische Kont<strong>in</strong>gent zu<br />

<strong>den</strong> badischen Truppen stossen dürfe. 38<br />

Vorgeben se<strong>in</strong>es Gesandten e<strong>in</strong>verstan<strong>den</strong>, 39<br />

Fürst Johann war mit dem<br />

nicht ahnend, dass er<br />

damit se<strong>in</strong>en zweiten Gesandten Floret erzürnen würde. Der liech­<br />

tenste<strong>in</strong>ische Feldmarschall sah sich genötigt, <strong>den</strong> Ergrimmten zu<br />

trösten: «Je regois dans toutes les occasions mon excellent et <strong>in</strong>­<br />

telligent ami Floret; vous n'avez lieu, mon eher ambassadeur, d'etre<br />

jaloux de mon envoye Grollenburg, il me coüte eher en revanche il<br />

est mo<strong>in</strong>s eher a mon coeur.» 4<br />

" <strong>Die</strong> Beziehungen zu Floret sche<strong>in</strong>en<br />

34. Art. IX der Verordnung <strong>des</strong> alliierten Militärkommandos.<br />

35. LRA. SR. Fasz. C 4, Vertrag mit Österreich, 7. Dez. 1813.<br />

36. HHSTA., Kle<strong>in</strong>ere Betreffe, dipl. Korrespon<strong>den</strong>z, 6a, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 1806 —<br />

1840, Fürst an Metternich, 29. Dez. 1813.<br />

37. 1. c, Fürst an Ste<strong>in</strong>, 29. Dez. 1813.<br />

38. I. e., Gesandter an die Hofkanzlei, 17. Jan. 1814. Der Gesandte hatte auf<br />

Anfrage heim Generalkommissär der Alliierten erfahren, die liechtenste<strong>in</strong>ischen<br />

Truppen müssten hadischen E<strong>in</strong>heiten e<strong>in</strong>gereiht wer<strong>den</strong>.<br />

39. I. c, Hofkanzlei an Grollenburg, 25. Jan. 1814.<br />

40. I. c, Fürst an Floret, 20. Jan. 1814.


— 163 —<br />

von jetzt ab getrübt geblieben zu se<strong>in</strong>. Höflich uud galant wies der<br />

beleidigte Diplomat e<strong>in</strong> fürstliches Geschenk von 2000 fl. zurück.<br />

Unter<strong>des</strong>sen war der Vertrag mit Ba<strong>den</strong> durch Vermittlung<br />

Grollenburgs am 10. Febr. 1814 zustande gekommen. 41<br />

<strong>Die</strong> über­<br />

stürzte Eile brachte manche Unklarheit <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vertrag, und die<br />

Folgen kle<strong>in</strong>er Unachtsamkeiten erschreckten die bei<strong>den</strong> Vertrags­<br />

partner erst, als sie nach zwei Feldzügen an die völlige Begleichung<br />

der Rechnung dachten. Das achtzig Mann starke Kont<strong>in</strong>gent stand<br />

während <strong>des</strong> Feldzuges mit frem<strong>den</strong> Gewehren ausgerüstet, <strong>in</strong> ba­<br />

dischen Uniformen, 42<br />

unter badischem Kriegsgesetz. 43<br />

<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>tei­<br />

lung <strong>des</strong> Kont<strong>in</strong>gentes wurde nach badischem Muster vorgenommen; 44<br />

<strong>den</strong> Sold setzte man nach badischen Grundsätzen fest. 45<br />

<strong>Die</strong> Aus­<br />

rüstung wurde vom deutschen Vertragspartner gegen gebührliche<br />

Bezahlung übernommen. 46<br />

Krieges gültig. 47<br />

<strong>Die</strong> Konvention war für die Dauer <strong>des</strong><br />

Der Vertrag mit Ba<strong>den</strong> unterschied sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wesentlichen<br />

Teil von <strong>den</strong> Verträgen, die Schmitz von Grollenburg mit Nassau<br />

abgeschlossen hatte. Waren die Verträge <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s mit Nassau<br />

darauf ausgerichtet, die Stellung der Mannschaft durch Geld abzu­<br />

lösen, so handelte es sich <strong>in</strong> diesem Vertrag lediglich um die Unter­<br />

br<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> geworbenen Kont<strong>in</strong>gentes <strong>in</strong> ba­<br />

dischen E<strong>in</strong>heiten und um se<strong>in</strong>e Ausrüstung gegen Bezahlung.<br />

<strong>Die</strong> Aushebung der L<strong>in</strong>ientruppen, der Landwehr und der Re­<br />

serve wurde durch Verlosung vorgenommen, welcher sich alle männ­<br />

lichen Untertanen im Alter von 18 — 30 Jahren, besonders die le­<br />

digen Burschen, unterziehen mussten. 48<br />

Alle übrigen Männer im<br />

Alter von 18 — 60 Jahren, mit Ausnahme der Geistlichen, der Be­<br />

amten und körperlich Beh<strong>in</strong>derten, wur<strong>den</strong> dem Landsturm zuge­<br />

teilt. <strong>Die</strong> Hofkanzlei wollte <strong>den</strong> Landsturm aufstellen, weil die<br />

41. LRA. SR. Fasz. C 4, Kopie <strong>des</strong> Vertrages, 10. Febr. 1814.<br />

4f. Art. III.<br />

43. Art. V.<br />

44. Art. VI.<br />

45. Art. VIII.<br />

46. Art. X. <strong>Die</strong> Kosten für die Aufstellung betrugen 4548 fl.<br />

47. Art. XVI.<br />

48; HHSTA., Kle<strong>in</strong>ere Betreffe, dipl. Korrespon<strong>den</strong>z, 6a, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 1806 —<br />

1840, Hofkanzlei an das Oberamt. 29. Dez. 1813.


— 164 —<br />

«Unterthanen mit Stutzern schon versehen seyn sollen, die <strong>in</strong> der<br />

dortigen Gebirgslage gut zu <strong>Die</strong>nsten verwendet wer<strong>den</strong> können». 49<br />

Der Mangel an weiterer geeigneter Ausrüstung und die von <strong>den</strong><br />

Kriegsschauplätzen weit entfernte Lage <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong>, ferner<br />

auch f<strong>in</strong>anzielle Gründe mochten dazu beigetragen haben, dass der<br />

Landsturm nicht organisiert wurde.<br />

Das Oberamt bedrängte man von allen Seiten: Metternich setzte<br />

Term<strong>in</strong>e; der Gesandte Grollenburg erteilte kurzfristige Aufträge;<br />

die Hofkanzlei <strong>in</strong> Wien zog beim Oberamt <strong>in</strong> Vaduz Erkundigungen<br />

e<strong>in</strong>. Im Februar 1814 fand <strong>in</strong> Vaduz die Aushebung der Truppen<br />

statt. Dabei hielt der Landvogt «an die aus jeder Geme<strong>in</strong>de zur<br />

Losung erschienenen Burschen <strong>des</strong> souveränen Fürstenthums» e<strong>in</strong>e<br />

längere Rede, <strong>in</strong> der er <strong>in</strong> wilder Pathetik die bösen Franzosen und<br />

die Unbil<strong>den</strong>, die diese «dem Kaiser der Deutschen und der Chri­<br />

stenheit» zugefügt hätten, verurteilte. In schnaubender Begeiste­<br />

rung erklärte Schuppler se<strong>in</strong>en Zuhörern, die Schlachten seien vor­<br />

bei, und die Ausrücken<strong>den</strong> wür<strong>den</strong> «mit ke<strong>in</strong>em Fe<strong>in</strong>d mehr hand­<br />

geme<strong>in</strong>» wer<strong>den</strong>. Vorzüglich sollten H<strong>in</strong>tersassen und lediglich im<br />

Lande Geduldete die Gelegenheit benützen, sich freiwillig zu mel­<br />

<strong>den</strong>. Ihnen versprach er das volle Bürgerrecht mit allen Vorteilen.<br />

Der Landvogt schloss se<strong>in</strong>e Rede: «Gottes Schutzengel wird euch <strong>in</strong><br />

euerem Vorhalben unterstützen, und das Land wird mit Sehnsucht<br />

der Stunde entgegensehen, die euch wieder gesund <strong>in</strong> unsere Mitte<br />

zurückbr<strong>in</strong>gen wird.» 50<br />

Schuppler wollte durch die Ansprache <strong>in</strong> ihrer kaustisch ge­<br />

schliffenen Art e<strong>in</strong>ige faule Freiwillige zu feuriger Begeisterung<br />

für <strong>den</strong> grossen Waffengang gegen Napoleon entfachen; aber die<br />

To<strong>des</strong>verachtung tollkühner Freiwilliger fehlte <strong>den</strong> meisten dieser<br />

Jüngl<strong>in</strong>ge. Nur drei Bündner Hessen sich für das Kont<strong>in</strong>gent an­<br />

werben, was dem Landvogt e<strong>in</strong>e vorwurfsvolle Note von Seiten<br />

jener Regierung e<strong>in</strong>trug. Schuppler aber tröstete sie und erklärte,<br />

es seien ja nur drei Mann gewesen, «deren Entgang <strong>den</strong> hohen Drei<br />

Bün<strong>den</strong> kaum merklich wird». 51<br />

49. 1. c.<br />

50. LRA. SR. Fasz. C 2, Rede Schupplers,. 23. Febr. 1814.<br />

51. 1. c, Schuppler an die Bündner-Regierung, 24. Jan. 1814.


— 165 —<br />

In der zweiten Hälfte <strong>des</strong> Februars 1814 mussten die dienst­<br />

tauglichen Männer <strong>in</strong> Vaduz aufmarschieren; 52<br />

schon waren badische<br />

Offiziere zur Übernahme der Mannschaft <strong>in</strong> Vaduz e<strong>in</strong>getroffen. 53<br />

Am 25. Febr. nahm das Kont<strong>in</strong>gent Abschied von der Heimat. <strong>Die</strong><br />

Hofkanzlei schrieb, dass das Kont<strong>in</strong>gent aufgebrochen sei, um sich<br />

<strong>den</strong> badischen Truppen anzuschliessen. «Und es wird, wenn es nicht<br />

zu spät kommt, mit taktfesten Hän<strong>den</strong> und Füssen se<strong>in</strong> möglichstes<br />

zu dem bevorstehen<strong>den</strong> Kehraus beytragen.» 54<br />

Schuppler hätte<br />

trotz se<strong>in</strong>er begeisterten Rede gerne gesehen, wenn das Kont<strong>in</strong>gent<br />

bei der nahen Aussicht auf Frie<strong>den</strong> durch Verzögerung der Aushe­<br />

bung dem Kampfe hätte ausweichen können. Der Landvogt wandte<br />

sich sogar <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne an <strong>den</strong> Gesandten Schmitz Grollenburg,<br />

allerd<strong>in</strong>gs ohne Erfolg. 55<br />

Dem Kont<strong>in</strong>gent blieb blutiger Kampf nicht<br />

erspart. Trotz der kurzen Zeit se<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satzes — am 23. Juli 1814<br />

waren die meisten Soldaten <strong>in</strong> drei Abteilungen zurückgekehrt —<br />

betrugen die Verluste 9 Mann, mehr als 10 Prozent der ausmar­<br />

schierten Mannschaft. 56<br />

<strong>Die</strong> f<strong>in</strong>anzielle Zerrüttung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> war soweit gediehen, dass<br />

sich der Fürst öfters gezwungen sah, die nötigen Gelder zur Be­<br />

zahlung der Kriegsschul<strong>den</strong> vorzustrecken. Johann I. erteilte <strong>in</strong><br />

grossziigiger Weise und «<strong>in</strong> bekannter Herzensgüte dem füretl.<br />

Oberamte Weisung», die Geldsendungenan die Majoratskasse <strong>in</strong><br />

Wien nur vormerken lassen, ohne das Geld e<strong>in</strong>zuziehen. 57<br />

In<strong>des</strong>sen tagte der Wienerkongress. <strong>Die</strong> Nachricht von der<br />

Landung Napoleons an der Südküste Frankreichs brachte Furcht<br />

und Schrecken <strong>in</strong> die erlauchte Versammlung. E<strong>in</strong> neues R<strong>in</strong>gen<br />

begann. <strong>Die</strong> Alliierten führten überlegene Armeen gegen Napoleon. 58<br />

Wieder rauschte die Begeisterung für Kampf und Befreiung durch<br />

Europa.<br />

52. 1. c, Aufruf Schupplers, 22. Febr. 1814.<br />

53. 1. c, Schuppler an <strong>den</strong> Gesandten, 28. Febr. 1814.<br />

54. HHSTA., Kle<strong>in</strong>ere Betreffe, dipl. Korrespon<strong>den</strong>z, 6a, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 1806 —<br />

1840, Hofkanzlei an Floret, 20. Febr. 1814.<br />

55. HK. Wien Nr. 937, Schuppler an Grollenburg, 27. Febr. 1814.<br />

56. 1. c, Nr. 2953, Bericht Schupplers, 6. Aug. 1814.<br />

57. LRA. SR. Fasz. C 2, Hofkanzlei an <strong>den</strong> Landvogt, 22. Aug. 1814.<br />

58. Hantsch II, 299 f.<br />

1 1 *


— 166 —<br />

Abermals stellte <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> e<strong>in</strong> Kont<strong>in</strong>gent. Am 3. April<br />

1815 wandte sich die Hofkanzlei an Schuppler und erklärte, dass die<br />

unerwarteten Ereignisse wieder die Stellung e<strong>in</strong>es Kont<strong>in</strong>gentes er­<br />

fordern dürften. 5<br />

" Tatsächlich traf das Geahnte e<strong>in</strong>. Das Aufgebot<br />

brachte <strong>den</strong> Landvogt <strong>in</strong> nicht ger<strong>in</strong>ge Verlegenheit, weil er <strong>den</strong><br />

im Vorjahre ausrücken<strong>den</strong> Rekruten feierlich versprochen hatte,<br />

dass sie <strong>in</strong> Zukunft von jeder <strong>Die</strong>nstpflicht frei se<strong>in</strong> wür<strong>den</strong>. 60<br />

Aber<br />

die«Kriegsm<strong>in</strong>isterialverordnung» vom 28. März 1815 verlangte das<br />

Aufgebot der Kont<strong>in</strong>gente so, wie sie im vergangenen Befreiungs­<br />

kriege zurückgekommen waren. 61<br />

Kont<strong>in</strong>gent gestellt se<strong>in</strong>. 62<br />

Bis zum 15. April musste das<br />

Der Landvogt sträubte sich energisch,<br />

erneut e<strong>in</strong>e Truppe aufzustellen: «Der Unterthan, der ohneh<strong>in</strong><br />

schon der grossen Schul<strong>den</strong>last und der Missjahre wegen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

je<strong>des</strong> menschliche Gefühl rühren<strong>den</strong> Elende schmachtet, der dieses<br />

Jähr Schul<strong>den</strong> machen musste, um nur se<strong>in</strong>en und der Se<strong>in</strong>igen<br />

heissgierigen Hunger zu stillen, der mehrere Jahrzehnte h<strong>in</strong>durch<br />

alles wird aufbieten müssen, um die Schul<strong>den</strong> abzutragen, die er<br />

die letzten/Zeiten durch Beschaffung der Lebensbedürfnisse machte,<br />

der im vorigen Jahre nur noch mit der Aussicht auf bessere Zeiten<br />

getröstet wer<strong>den</strong> konnte, und nur <strong>in</strong> Anhoffnung der Erfüllung<br />

dieses Trostes sich <strong>in</strong> die letztjährigen Anstrengungen fügte, dieser<br />

Unterthan wird, der nun nichts mehr zu gew<strong>in</strong>nen, nichts mehr zu<br />

verlieren hat, sich der Verzweiflung überlassen und schwer mit<br />

Vernunftgrün<strong>den</strong> geleitet wer<strong>den</strong> können.» 63<br />

Besser könnte ke<strong>in</strong>e<br />

Statistik und ke<strong>in</strong>e Schilderung das tiefe Elend und <strong>den</strong> brutalen<br />

Jammer aufzeigen, als die Worte <strong>des</strong> Landvogtes selbst.<br />

<strong>Die</strong> Verhandlungen zur Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>des</strong> liechtenste<strong>in</strong>ischen<br />

Kont<strong>in</strong>gentes <strong>in</strong> grössere badische Militärformationen begannen<br />

aufs Neue. 64<br />

<strong>Die</strong>smal unterhandelte nicht mehr Schmitz von Grollen-<br />

59. HK. Wien Nr. 1423, Hofkanzlei an Sehuppler, 3. April 1815.<br />

60. LRA. SR. Fasz. C 2, Rede Schupplers, 23. Febr. 1814.<br />

61. 1. c. Fasz. C 4, Bericht Schupplers, 5. April 1815.<br />

62. Vgl. Aarauer Zeitung, Jahrg. 1815, Nr. 78; Augsburger Postzeitung Jahrg.<br />

1815, Nr. 140; Der Telegraph für Graubün<strong>den</strong>,, Jahrg. 1815, Nr. 4. Schuppler<br />

erliess <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe ausländischer Zeitungen Aufrufe, um die <strong>Die</strong>nstpflichtigen<br />

zurück zu rufen.<br />

63. LRA. SR. Fasz. C 4, 80/pob, Bericht Schupplers, 17. April 1815.<br />

64. 1. c, Sensburg an die Hofkanzlei, 29. Jan. 1815.


— 167 —<br />

bürg mit rler Regierung von Bayern, sondern der geheime grossher-<br />

zoglich badische Rat Sensburg übernahm die Geschäfte Grollenburgs,<br />

ohne <strong>des</strong>wegen <strong>in</strong> direkten <strong>Die</strong>nst <strong>des</strong> Fürsten von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> zu<br />

treten, da Sensburg das «bloss aus Gefälligkeit» tat. 65<br />

Freiherr<br />

Schmitz von Grollenburg war von Ste<strong>in</strong> zum provisorischen Verwal­<br />

ter e<strong>in</strong>es Departementes ernannt wor<strong>den</strong> und zog nach Luxemburg. 66<br />

Das veranlasste <strong>den</strong> Gesandten, <strong>den</strong> Fürsten um Beurlaubung zu bit­<br />

ten und <strong>den</strong> rechnen<strong>den</strong> Hofkanzlisten kam dieser Schritt wie ge­<br />

wünscht, um sich <strong>des</strong> teuren Gesandten höflich zu entledigen, der<br />

«für itzt und <strong>in</strong> Zukunft entbehrlich» gehalten wurde. 67<br />

Schupplers beschwörende Worte an se<strong>in</strong>e Vorgesetzten und<br />

se<strong>in</strong>e Bittgesuche, das Kont<strong>in</strong>gent nicht stellen zu müssen, brachten<br />

ke<strong>in</strong>e Erleichterung. <strong>Die</strong> vorjährige Konvention mit Ba<strong>den</strong> wurde<br />

wieder <strong>in</strong> Kraft gesetzt. 68<br />

Badische Offiziere kamen. Das Kont<strong>in</strong>­<br />

gent wurde erneut aufgestellt, und mit e<strong>in</strong>iger Verspätung verliess<br />

die Mannschaft die Heimat.<br />

Der Landvogt lehnte konsequent jede Lieferung vor: Lebens­<br />

mitteln ab. Selbst e<strong>in</strong>e Exekution hätte ihn nicht umstimmen kön­<br />

nen. E6 schien ihm e<strong>in</strong>fach unmöglich, auch nur die ger<strong>in</strong>gste Men­<br />

ge von Naturalien vom Volk zu verlangen. 69<br />

<strong>Die</strong> fürstliche Majorats­<br />

kasse übernahm die Bezahlung der zu liefern<strong>den</strong> Lebensmittel und<br />

begnügte sich mit der angewässerten Hoffnung, dass diese Auslagen<br />

e<strong>in</strong>mal wieder aus <strong>den</strong> leeren Kassen der Untertanen geschöpft wer­<br />

<strong>den</strong> könnten.' 0<br />

<strong>Die</strong> Lieferungen an die Alliierten überstiegen dieje­<br />

nigen an Napoleon um mehr als das Doppelte. Der kurze Krieg von<br />

1813 hatte <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 20 000 fl. gekostet. 71<br />

Ende Juli 1815 be­<br />

trugen die Ausgaben der fürstlichen Kasse für Lieferungen au die<br />

Alliierten 14 358 fl. 34 kr. 72<br />

65. I. c, 80/pol., Hofkanzlei an Schuppler, 1. Mai 1815.<br />

66. 1. c Grollenburg an die Hofkanzlei, 4. April 1815.<br />

67. 1. c, Hofkanzlei an Grollenburg, 26. April 1815.<br />

68. 1. c, 80/pol., Hofkanzlei an Schuppler, 1. Mai 1815.<br />

69. 1. c, 83/pol., Bericht Schupplers, 24. Mai 1815.<br />

70. I. c., 101/pol.. Hofkanzlei an Schuppler, 7. Juni 1815.<br />

71. 1. c, 66/pol., Bericht Schupplers, 17. April 1815.<br />

72. 1. c, 164/pol., Akt., 21. Juni 1815.


— 168 —<br />

Am 24. Okt. 1815 beauftragte die Obrigkeit <strong>den</strong> provisorischen<br />

. Gesandten Sensburg für e<strong>in</strong>e möglichst baldige Entlassung <strong>des</strong> liech­<br />

tenste<strong>in</strong>ischen Kont<strong>in</strong>gentes zu <strong>in</strong>tervenieren. E<strong>in</strong>en Monat später,<br />

als <strong>in</strong> Paris am 20. Nov. 1815 der zweite Pariser Friede geschlossen<br />

wurde, trafen auch die Soldaten wjeder <strong>in</strong> der Heimat e<strong>in</strong>. 78<br />

Der zweimal <strong>in</strong> Kraft gewesene Militärvertrag mit Ba<strong>den</strong> sollte<br />

nicht ohne grosse Unannehmlichkeiten <strong>in</strong> Vergessenheit geraten. In<br />

f<strong>in</strong>anziellen Angelegenheiten kannte die wie e<strong>in</strong> Uhrwerk arbeitende<br />

Hofkanzlei ke<strong>in</strong>en Pardon. Sie befahl dem Landvogt, die ganze<br />

Abrechnung genau zu überprüfen, um so mehr, «als selbst <strong>in</strong> arith­<br />

metischer H<strong>in</strong>sicht hier<strong>in</strong> beträchtliche Rechnungsfehler auffallend»<br />

seien. 74<br />

Das führte der Landvogt auch durch. E<strong>in</strong> umfangreicher<br />

Notenwechsel, der an Schärfe nicht, leicht se<strong>in</strong>esgleichen f<strong>in</strong>det, war<br />

die Folge davon.' Der Keim <strong>des</strong> Zwistes lag schon im Vertrag selbst,<br />

da er oberflächlich abgefasst wor<strong>den</strong> war. Man setzte sich nach<br />

allen Regeln der Rechtiskunde jahrelang zu, ehe e<strong>in</strong>e Verständigung.<br />

gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> konnte.<br />

<strong>Die</strong> Militärverträge an sich s<strong>in</strong>d nicht von allzu grosser histo­<br />

rischer Bedeutung für das Fürstentum. Von weit grösserer Trag­<br />

weite als jene Bündnisse s<strong>in</strong>d die Garantien, die im Zusammenhang<br />

damit von <strong>den</strong> Alliierten gegeben wur<strong>den</strong>. Dabei spielten die per­<br />

sönlichen Beziehungen <strong>des</strong> Fürsten, se<strong>in</strong> Ansehen und se<strong>in</strong>e charak­<br />

tervolle Persönlichkeit immer wieder e<strong>in</strong>e grosse Rolle, selbst wenn<br />

weitgehend Metternich die Politik <strong>in</strong> der damaligen Welt leitete<br />

und das Fürstenhaus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Stellung zu ihm anfänglich gespalten<br />

war. 75<br />

,Wohl hatte der geniale Rhe<strong>in</strong>länder oft <strong>den</strong> Salon der Für­<br />

st<strong>in</strong> Eleonore <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> aufgesucht, die Gefallen am jungen<br />

Klemens gefun<strong>den</strong> hatte, <strong>des</strong>sen ruhige Ansichten und <strong>politische</strong><br />

Urteile sie stets bee<strong>in</strong>druckten. In jenem Kreis hatte der junge Di­<br />

plomat se<strong>in</strong>e gesellschaftliche Bildung im Wienerstil vollendet. 76<br />

Dennoch schienen die Beziehungen Metternichs zum regieren<strong>den</strong><br />

73. 1. c, 241/poI., Schuppler an Sensburg, 24. Okt. 1815. Das Kont<strong>in</strong>gent erlitt<br />

diesmal ke<strong>in</strong>e Verluste. <strong>Die</strong> meisten Soldaten waren schon am 15. Nov.<br />

zurück.<br />

74. 1. c, 168/pol., Hofkanzlei an Schuppler, 3. Okt. 1816.<br />

75. Srbik, 186.<br />

• 76. 1. c, 81 f., 86.


— 169 —<br />

Fürsten nicht immer ungetrübt gebliehen zu se<strong>in</strong>. Metternich war<br />

persönlich mit <strong>den</strong> Frie<strong>den</strong>sbed<strong>in</strong>gungen von Wien (1809) so, wie<br />

sie Fürst Johann von Napoleon erwirkt hatte,' 7<br />

Es waren sche<strong>in</strong>bar harte Worte gefallen. 78<br />

nicht e<strong>in</strong>verstan<strong>den</strong>.<br />

Als 1813 Metternich <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Mittelpunkt der Weltpolitik trat, zeigte sich Fürst Johann ge­<br />

genüber dem M<strong>in</strong>ister aufmerksam. 79<br />

So kam jener Vertrag zustande,<br />

wor<strong>in</strong> der österreichische Kaiser die Souveränität <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s<br />

anerkannte. Dabei lag es durchaus im Plane Metternichs, <strong>den</strong> ehe­<br />

maligen Fürsten <strong>des</strong> Rhe<strong>in</strong>bun<strong>des</strong> die Selbständigkeit zu belassen. 80<br />

<strong>Die</strong> Unabhängigkeit der Rhe<strong>in</strong>bundstaaten nahm die Lösung der<br />

deutschen Verfassungsfrage vorweg; schliesslich bestimmte der<br />

I. Pariser Friede: «<strong>Die</strong> Staaten Deutschlands wer<strong>den</strong> unabhängig<br />

seyn und durch e<strong>in</strong> föderatives Band uniert wer<strong>den</strong>.» 81<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> ist noch der e<strong>in</strong>zige ehemalige Rhe<strong>in</strong>bundstaat,<br />

der se<strong>in</strong>e Souveränität bis heute bewahrt hat. <strong>Die</strong> vertragsmäßigen<br />

Zusicherungen der Souveränität <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> im Zusammenhang<br />

mit <strong>den</strong> Abmachungen von Treplitz und <strong>den</strong> Verträgen mit Öster­<br />

reich, Russland und Preussen, waren für <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> von grösster<br />

Bedeutung: <strong>in</strong> aussenpolitisch gesicherter Stellung konnte das Für­<br />

stentum <strong>den</strong> kommen<strong>den</strong> bewegten Zeiten entgegen sehen.<br />

77. Gentz, Tagebücher, hg. v. K. A. Vernhagen v. Ense, Leipzig, 1861, 151.<br />

78. Srbik, 121.<br />

79. Vgl. HHSTA., Kle<strong>in</strong>ere Betreffe, dipl. Korrespon<strong>den</strong>z, 6a, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong><br />

1806— 1840, Fürst an Metternich, 29. Dez. 1813.<br />

80. Srbik, 194 f.<br />

81. Zachariä, 174.


— 170<br />

Sch In ss wort<br />

<strong>Die</strong> <strong>politische</strong> Entwicklung <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>s <strong>in</strong> <strong>den</strong> Jahren<br />

1800 — 1815 mochte wohl gezwungener Massen die e<strong>in</strong>geschlagenen<br />

Wege gegangen se<strong>in</strong>, befrie<strong>den</strong> konnte sie die Untertanen nicht.<br />

Allzudeutlich stand dem Gew<strong>in</strong>n der Souveränität und der abso­<br />

luten Regierungsgewalt <strong>des</strong> Fürsten der Verlust der Volksrechte<br />

gegenüber. <strong>Die</strong>se schroffe <strong>politische</strong> Wirklichkeit erhielt ihren tie­<br />

feren geistesgeschichtlichen S<strong>in</strong>n aus der diametral entgegengesetzten<br />

Auffassung von der Verteilung der Macht im Staate. Aber die<br />

Sicherung der Souveränität verzehrte die <strong>politische</strong>n und wirtschaft­<br />

lichen Kräfte, sodass der Zusammenbruch der absolutistischen Ord­<br />

nung nicht ausblieb. <strong>Die</strong> landständische Verfassung von 1818 1<br />

zeugte <strong>den</strong> Bankrott jener Staatslehre <strong>in</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>, und e<strong>in</strong><br />

Jahr vorher, als das Volk mit dem Hungertode rang, war die wirt­<br />

schaftliche Katastrophe offenbar gewor<strong>den</strong>.<br />

Doch erkennt man bei der Ausklammerung <strong>des</strong> Zufälligen die,<br />

grundlegende Bedeutung dieser Jahre. <strong>Die</strong> Aussenpolitik der fol­<br />

gen<strong>den</strong> Jahrzehnte wurde durch die Souveränität <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong><br />

bestimmt. In Frankfurt bildete <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> als souveräner Staat<br />

mit e<strong>in</strong>igen Kle<strong>in</strong>staaten zusammen die 16. Kurie. 2<br />

be­<br />

Im Jahre 1852<br />

wurde mit Österreich e<strong>in</strong> Zollvertrag geschlossen. So kam das 1*0.<br />

Jahrhundert.<br />

Bewegter als die Aussenpolitik gestaltete sich das <strong>in</strong>nenpoli­<br />

tische Leben. <strong>Die</strong> allgeme<strong>in</strong>en Unruhen von 1830 3<br />

und 1848 Hessen<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> nicht unberührt. Berechtigte Forderungen und freche<br />

Empörung wirbelten wild durche<strong>in</strong>ander. Schliesslich kennzeichnen<br />

jene Jahre ilic Vermehrung der Volksrechte und die Abschaffung<br />

der Feudallasten.<br />

1. Verfassung veröffentlicht, JB. (1905) 213 ff.<br />

2. KB. 576.<br />

3. Schädler, Entwicklung 37 ff.


— 171 —<br />

Zwei Persönlichkeiten können als die Schöpfer <strong>des</strong> modernen<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> gelten: Feldmarschall Fürst Johann I. und se<strong>in</strong> Land­<br />

vogt Josef Schuppler. In ihnen kristallisierte sich das Anliegen ihrer<br />

Zeit. Beide wur<strong>den</strong> zu Symbolen e<strong>in</strong>er tiefgeschichteten Umwand­<br />

lung im kle<strong>in</strong>en Volke: «Denn E<strong>in</strong>zelne nur, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en das Ganze<br />

lebt, machen die Völker: und die Gesichter der Völker verändern<br />

sich auf e<strong>in</strong>e kaum erforschbare, unaufhaltsame Weise unter der<br />

Auswirkung der Entscheidungen, die ihre E<strong>in</strong>zelnen angesichts der<br />

von der <strong>Geschichte</strong> aufgeworfenen Fragen treffen.» 4<br />

4. Kc<strong>in</strong>hold Schneider. Macht t<strong>in</strong>d Gnade. Graz-Wien 1949. 1 14.


A. ARCHIVE<br />

- 172 -<br />

Quellen- und Literaturverzeichnis<br />

1. HK. Wien = Archiv der fürstlichen Hofkauzlei <strong>in</strong> Wien<br />

(Palais <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>)<br />

L 2 — 1, 1, 3, 5, 6, 9, 14, 15, 19, 20, 35, 44<br />

L 2 —3, 3, 8, 11, 17, 31, 37, 47, 51, 59, 92<br />

L 2 — 4, 1, 3<br />

L 2 — 12, 13, 30 '<br />

L 2 — 14, 1, 18, 19, 29, 30, 31, 32, 41, 50<br />

BF. = Beschreibung <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> von Rent-<br />

meister Fritz; 1784, L 2 — 14.<br />

BH. = Beschreibung <strong>des</strong> <strong>Fürstentums</strong> <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> von Hofrat<br />

Georg Hauer von 1808; L 2 —14, 41.<br />

2. HHSTA. = Hau»- Hof- und Staatsarchiv, Wien<br />

Kle<strong>in</strong>ere Reichsstände, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong> 1490 — 1815, Fasz. 327<br />

Kle<strong>in</strong>ere Betreffe, dipl. Korrespon<strong>den</strong>z, 6a, <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong><br />

1806 —1840<br />

3. LRA. = <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>isches Regierungsarchiv, Vaduz<br />

AR. = Alte Registratur<br />

Fasz. I, VII 8, VIII 9, XIV 15, XVII 18, XXII 231<br />

XXIV 25, XXVI 27, XXXV 36, XXXXI1 43.<br />

-' (Sofern Matrikel vorhan<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d, wer<strong>den</strong> sie zitiert.)<br />

SR. = Schuppler-Registratur<br />

Fasz. B 2, 3, 6 ' G 1, 3, 7 L 3, 5, 6<br />

C 1, 2, 4 H 2 P 1, 2<br />

R 1 Z 1, 2, 3 Fasz. unnummeriert.<br />

S 1, 2, 5, 6 Fasz. Alte Norm.<br />

(Sofern die Akten e<strong>in</strong>e Nummer tragen wird sie zitiert.)<br />

DI. = <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen an Landvogt Josef Schuppler, 7. Okt.<br />

1808. (Ich benützte auch die im JB. (1905) S. 203 ff. nicht<br />

veröffentlichten Paragraphen.<br />

Fasz. G 1.<br />

Konferenzprotokolle 1793 —1814


4. GM. = Geme<strong>in</strong>dearchive<br />

5. PfA. ' = Pfarrarchive<br />

B. GEDRUCKTE QUELLEN<br />

— 173 —<br />

Eschen Fasz. II, 2, 10a, 12, 93, 98/109, 213<br />

Schaan Fasz. VIII, 25 — 6, 25 — 8<br />

Bendern Mappe 27, 28b<br />

Schaan Mappe 9, 25, 30, 31, 33, 34<br />

Gedruckte Quellen im Regierungsarchiv <strong>in</strong> Vaduz<br />

2. Übrige gedruckte Quellen<br />

Altmann<br />

Correspondance<br />

DI.<br />

Helbert<br />

Jenne<br />

Kaufbrief Seh.<br />

Kaufbrief V.<br />

Kouföderationsakte<br />

Laiidshrauch 1794<br />

Erbfolgeordnung, 1. Jan. 1809<br />

Konkursordnung, 1. Jan. 1809<br />

Papierstempelordnung, 1. Jan. 1809<br />

Pölizeiordnung, 2. Sept. 1732<br />

Steuergesetz, 22. April 1807<br />

Ausgewählte Urkun<strong>den</strong> zur deutschen Ver­<br />

fassungsgeschichte seit 1806, 1. Teil, hg. v.<br />

Wilh. Altmann, Berl<strong>in</strong> 1898.<br />

Correspondance de Napoleon Ier. Publiee<br />

par ordre de l'empereur Napoleon III,<br />

XXXII vol., Paris 1865 — 69.<br />

Auszug aus der dem Landvogt Josef Schupp­<br />

ler erteilten. <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen vom 7. Okt.<br />

1808, hg. v. C. v. In der Maur, Vaduz JB. 1905.<br />

Auszug aus der Chronik <strong>des</strong> Jakob Helbert,<br />

hg. v. Joh. Bapt. Büchel, Vaduz JB. 1929.<br />

Documenta <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>iana, Cura Alfredi<br />

pr<strong>in</strong>eipis a <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>. Edidit Rud. Jenne,<br />

Wien, Privatdruck; (s. Bohatta, Liechten­<br />

ste<strong>in</strong>ische Bibliographie, JB. (1910) 45 f.)<br />

Kaufbrief über Schellenberg, hg. v. C. v.<br />

In der Maur, Vaduz JB. 1901.<br />

Kaufbrief über Vaduz, hg. v. C. v. In der<br />

Maur, Vaduz JB. 1901.<br />

<strong>Die</strong> Rhe<strong>in</strong>ischen Kouföderationsakte oder<br />

«ler am 12. Julius 1806 zu Paris abgeschlos­<br />

sene Vertrag, hg. v. P. A. W<strong>in</strong>kopp, Frank­<br />

furt a. Ma<strong>in</strong> 1808.<br />

Landsbrauch aus dem Jahre 1794, Liechten­<br />

ste<strong>in</strong>er Volkswirt, Vaduz .1928.


Landsrhaftsrechuungeii<br />

I.BS.<br />

Liechtenst. Regesten<br />

Liechtenst. Urkun<strong>den</strong>!).<br />

Metternieh<br />

Palat<strong>in</strong>atsdiplom<br />

Proklamation<br />

Regesten GM.<br />

Rentamtsrechnung 1786<br />

Ritter. Urkun<strong>den</strong><br />

Schädler. Hnldigungsakte<br />

Steuerbuch<br />

Slrickler<br />

Tschugmell<br />

Urharien<br />

- 174 -<br />

Zwei Landschaftsrechnungen aus dem 18.<br />

Jahrhundert, hg. v. Jos. Ospelt, Vaduz JB.<br />

1945.<br />

Lan<strong>des</strong>beschreibung Schupplers, Liechten­<br />

ste<strong>in</strong>er Volkswirt, Vaduz 1927.<br />

Regesten zu me<strong>in</strong>er Sammlung Liechtenstei­<br />

nischer Urkun<strong>den</strong>, hg. v. Alb. Schädler, Va­<br />

duz JB. 1907.<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>isches Urkun<strong>den</strong>buch, hg. v.<br />

F. Perret, Vaduz JB. 1942 — 1950.<br />

Metternichs Denkwürdigkeiten, I. Bd. hg. v.<br />

O. H. Brandt, München 1921.<br />

Palat<strong>in</strong>atsdiplom, hg. v. C. v. In der Maur,<br />

Vaduz JB. 1901.<br />

Proklamation <strong>des</strong> Landvogtes Schuppler vom<br />

12. Juni 1809, hg. v. C. v. In der Maur, Vaduz<br />

JB. 1905.<br />

Regesten zu <strong>den</strong> Urkun<strong>den</strong> der liechten­<br />

ste<strong>in</strong>ischen Geme<strong>in</strong>dearchive und Alpgenos­<br />

senschaften, hg. v. Alb. Schädler, Vaduz JB.<br />

1908.<br />

Aus der Rentamtsrechnung für 1786, hg. v.<br />

Jos. Ospelt, Vaduz JB. 1948.<br />

<strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>ische Urkun<strong>den</strong> im Regierungs­<br />

archiv <strong>in</strong> Innsbruck, hg. v. Rup. Ritter, Va­<br />

duz, JB. 1936.<br />

Huldigungsakte bei dem Übergang der Herr­<br />

schaft Schellenberg und der Grafschaft Vaduz<br />

an die Fürsten von <strong>Liechtenste<strong>in</strong></strong>, hg. v. Alb.<br />

Schädler, Vaduz JB. 1910.<br />

Das Legerbnch oder Steuerbuch vom Jahre<br />

1584, hg. v. Jos. Ospelt, Vaduz JB. 1930.<br />

Aktensammlung, Amtliche Aktensammlung<br />

aus der Zeit der helvetischen Republick,<br />

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1911, 1940.<br />

Beamte 1681 —1840, <strong>Die</strong>nst<strong>in</strong>struktionen,<br />

<strong>Die</strong>nsteide usw.. hg. v. F. Tschugmell, Vaduz<br />

JB. 1947.<br />

Zwei Urbarien der alten Grafschaft Vaduz,<br />

hg. v. Joh. Bapt. Büchel. Vaduz JB. 1906.


- 175 —<br />

C. HILFSMITTEL UND DARSTELLUNGEN<br />

AHB.<br />

Rastgen<br />

Heck<br />

Bilterauf<br />

Bohalta<br />

Büchel. Bendern<br />

Büchel. Eschen<br />

Büchel, Mauren<br />

Büchel. Schaan<br />

Büchel. 'Priesen<br />

Criste<br />

I lierauer<br />

Kalke<br />

Keger<br />

Frömmelt<br />

(^agliardi<br />

Hantsch<br />

Helhok<br />

Allgeme<strong>in</strong>e deutsche Biographie, LVI Bde.,<br />

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Derselbe, <strong>Geschichte</strong> der Pfarrei Eschen. Va­<br />

duz JB. 1926.<br />

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Derselbe. <strong>Geschichte</strong> der Pfarrei Schaan,<br />

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Hirn<br />

His<br />

Holzknecht<br />

Huber<br />

Hug<br />

JB. .<br />

Jell<strong>in</strong>ek<br />

In der Maur, Johann<br />

Kaiser<br />

KB.<br />

Kdlil.<br />

Krätzel<br />

Krones<br />

Le Für<br />

LThK.<br />

— 176 —<br />

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Marxer, Schule<br />

Marxer, Volksschule<br />

Mayer<br />

Menz<strong>in</strong>ger<br />

Ocpelt, Ämterhesetzutig<br />

OspeJt, Verfassungsgesch.<br />

Perthes<br />

Pölitz<br />

Ritter, Freiheiten<br />

Schädler, Entwicklung<br />

Schädler, Landtag<br />

Schädler, Rechtsgewohnh,<br />

Schnabel<br />

Seh rotier<br />

Srbik<br />

1 2<br />

— 177 —<br />

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Derselbe, <strong>Die</strong> Tätigkeit <strong>des</strong> liechtenste<strong>in</strong>i­<br />

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Derselbe, <strong>Die</strong> alten Rechtsgewohnheiteu<br />

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