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Das dynamische Selbst - EHS Dresden

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Theorien der Kommunikation und Interaktion<br />

<strong>Das</strong> <strong>dynamische</strong> <strong>Selbst</strong><br />

Prof. Dr. Bernhard Kalicki<br />

Diplom-Psychologe<br />

ehs <strong>Dresden</strong> und<br />

Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP), München<br />

bernhard.kalicki@ehs-dresden.de


• Cocktail-Party-Phänomen:<br />

Der eigene Name wird herausgehört, selbst wenn die Person<br />

in ein anderes Gespräch verwickelt ist.<br />

• Weshalb ist das so?<br />

• Informationen mit <strong>Selbst</strong>bezug…<br />

a) binden verstärkt die Aufmerksamkeit,<br />

b) werden effizienter verarbeitet,<br />

c) werden besser erinnert.


Theorien der Kommunikation und Interaktion<br />

<strong>Das</strong> <strong>dynamische</strong> <strong>Selbst</strong><br />

1. <strong>Selbst</strong>wertschutz und <strong>Selbst</strong>werterhöhung<br />

2. <strong>Selbst</strong>verifikation (Swann)<br />

3. Symbolische <strong>Selbst</strong>ergänzung<br />

(Gollwitzer & Wicklund)<br />

4. <strong>Selbst</strong>konzeptimmunisierung (Greve)<br />

5. Self-Evaluation Maintenance (Tesser)<br />

6. Prototype-Matching (Cantor, Niedenthal, Kihlstrom)


1 <strong>Selbst</strong>wertschutz und<br />

<strong>Selbst</strong>werterhöhung


Grundannahmen<br />

• Menschen sind grundsätzlich motiviert, ihr <strong>Selbst</strong>wertgefühl<br />

zu schützen bzw. zu erhöhen.<br />

• Dieses Bedürfnis nach <strong>Selbst</strong>wertschutz und <strong>Selbst</strong>werterhöhung<br />

ist umso stärker, je niedriger der aktuelle <strong>Selbst</strong>wert der Person,<br />

d.h. je weniger ihr Bedürfnis nach möglichst positiver <strong>Selbst</strong>bewertung<br />

erfüllt ist.<br />

Forschungsfragen<br />

1. Sind die aktive Informationssuche und die Informationsverarbeitung<br />

beeinflusst von einem Motiv des <strong>Selbst</strong>wertschutzes und der<br />

<strong>Selbst</strong>wertsteigerung?<br />

2. Sind <strong>Selbst</strong>wahrnehmung und <strong>Selbst</strong>bewertung sowie die Beurteilung<br />

eigener Leistungen von diesem Motiv geprägt?<br />

3. Wird bereits aufgenommene selbstrelevante Information selbstwertdienlich<br />

verarbeitet?


Versuchsanordnung von Frey<br />

• Versuchspersonen (Vpn) schätzen ihre Intelligenz ein<br />

• Bearbeitung eines Intelligenztests<br />

• Vpn erhalten positive oder negative Rückmeldungen über ihre<br />

Testergebnisse (Erwartungen übertroffen oder nicht erreicht)<br />

• Vpn wählen Texte zur Lektüre aus, die – schon am Titel erkennbar –<br />

die Gültigkeit (Validität) von Intelligenztests entweder argumentativ<br />

untermauern oder aber anzweifeln<br />

Ergebnisse<br />

Selektive Informationssuche<br />

1. Nach einer negativen Rückmeldung suchen Vpn verstärkt solche<br />

Informationen, die den Aussagewert von Intelligenztests in Frage stellen<br />

(<strong>Selbst</strong>wertschutz)<br />

2. Personen mit positivem Feedback bevorzugen Informationen, die den<br />

Aussagegehalt von Intelligenztests bestätigen (<strong>Selbst</strong>werterhöhung)


Reaktionen auf selbstbezogene Informationen<br />

Befunde<br />

• unerwartet positive Informationen über die eigene Person werden<br />

stärker akzeptiert als unerwartet negative Rückmeldungen,<br />

d.h. sie führen eher zu einer Veränderung der <strong>Selbst</strong>einschätzung<br />

• allerdings: Personen zeigen dann eine stärkere Akzeptanz<br />

selbstwertbedrohender Rückmeldungen, wenn sie erwarten, dass ihre<br />

künftigen Leistungen oder dass Fremdbewertungen durch andere<br />

ebenfalls zu negativen Urteilen führen werden (Vermeidung einer<br />

späteren Widerlegung positiver <strong>Selbst</strong>einschätzungen)<br />

• und: bei Personen mit negativem <strong>Selbst</strong>bild oder auch bei erhöhter<br />

Depressivität ist die Präferenz selbstwertdienlicher Informationen<br />

eingeschränkt<br />

• und: erscheint das positive Feedback allzu unglaubwürdig, wird die<br />

Informationsquelle als inkompetent oder unsympathisch beurteilt


Wahrnehmung und Bewertung<br />

eigener und fremder Eigenschaften<br />

selbstwerttheoretische Hypothesen<br />

1. Personen tendieren dazu, das Ausmaß ihrer positiven Eigenschaften<br />

zu überschätzen, das Ausmaß ihrer negativen Eigenschaften hingegen<br />

zu unterschätzen.<br />

Sie beurteilen Verhaltensweisen und Eigenschaften anderer Personen<br />

kritischer als wenn sie dasselbe Verhalten bzw. dieselbe Eigenschaft<br />

bei sich selbst wahrnehmen.<br />

2. Personen neigen dazu, die Bedeutung derjenigen Eigenschaften, die<br />

sie an sich selbst positiv bewerten, zu überschätzen. Sie beurteilen<br />

andere Personen verstärkt anhand solcher Merkmale, bei denen sie<br />

mit sich selbst besonders zufrieden sind.<br />

3. Personen nehmen andere so wahr und beurteilen sie so, dass das<br />

eigene <strong>Selbst</strong>wertgefühl bei einem sozialen Vergleich geschützt oder<br />

sogar erhöht werden kann.


Wahrnehmung und Bewertung<br />

eigener und fremder Eigenschaften<br />

Versuchsanordnung von Mummendey et al.<br />

• Vpn sehen einen Film und sollen sich dabei in den Täter oder in das<br />

Opfer einer aggressiven Handlung hineinversetzen. Anschließend<br />

beurteilen sie a) die Angemessenheit der Handung und b) das Ausmaß<br />

der Aggressivität:<br />

Bei einer Identifikation mit dem Täter wird die Handlung als weniger<br />

unangemessen und tendenziell als weniger aggressiv beurteilt. Diese<br />

Unterschiede zeigen sich unabhängig davon, ob die Handlung spontan<br />

oder als Reaktion auf einen vorangegangenen Angriff erfolgte.


Wahrnehmung und Bewertung<br />

eigener und fremder Eigenschaften<br />

Gewichtung von Urteilsdimensionen (Frey)<br />

• Vpn erhalten negative bzw. positive Rückmeldung auf einer bestimmten<br />

Persönlichkeitsdimension (Erfolg bzw. Misserfolg in einem Schulfach).<br />

Anschließend schätzen sie die Wichtigkeit dieses Persönlichkeitsmerkmals<br />

ein:<br />

Bei negativem Feedback werten die Personen die Wichtigkeit des<br />

betreffenden Merkmals ab. Je positiver das Feedback, desto wichtiger<br />

und wünschenswerter erscheint ihnen dieses Merkmal.


Wahrnehmung und Bewertung<br />

eigener und fremder Eigenschaften<br />

Abwertung anderer Personen<br />

• nach experimentell induzierter <strong>Selbst</strong>wertbedrohung (z.B. negative<br />

Leistungsrückmeldung, beleidigende Äußerungen des Versuchsleiters)<br />

tendieren Vpn dazu, andere Personen abzuwerten (VL, andere Vpn,<br />

Minoritäten)<br />

• passende Befunde aus der Vorurteilsforschung:<br />

negative Vorurteile (z.B. gegenüber ethnischen Minoritäten)<br />

sind in sozial niedrigeren Schichten stärker verbreitet<br />

• passende Befunde aus der Bewältigungsforschung:<br />

soziale Abwärtsvergleiche dienen der Bewältigung eigener Misserfolge<br />

oder Verluste


Wahrnehmung und Bewertung<br />

eigener und fremder Eigenschaften<br />

Attribution von Erfolg und Misserfolg<br />

• Erfolgs- oder Misserfolgserlebnisse führen nicht per se zu höherem oder<br />

niedrigerem <strong>Selbst</strong>wertgefühl; entscheidend ist die Ursachenerklärung<br />

(Kausalattribution).<br />

• Erfolge werden bevorzugt internal attribuiert (<strong>Selbst</strong>werterhöhung),<br />

Misserfolge hingegen stärker external erklärt (<strong>Selbst</strong>wertschutz).<br />

• Die motivational verzerrte Interpretation von Erfolg bzw. Misserfolg<br />

(<strong>Selbst</strong>wertschutz) ist im Zustand der depressiven Verstimmung<br />

beeinträchtigt.


Aktualisierung selbstrelevanter Informationen<br />

Selektives Erinnern<br />

• frühe Annahme selektiver Gedächtnisprozesse (Freud: „Verdrängung“)<br />

• Studie von Mischel et al.:<br />

Vpn bekommen differenzierte Rückmeldung zu ihrem ausgefüllten<br />

Persönlichkeitstest und sollen anschließend die Ergebnisse<br />

wiedergeben:<br />

Positiv bewertete Aspekte des <strong>Selbst</strong> werden besser erinnert.


Aktualisierung selbstrelevanter Informationen<br />

Selektives Erinnern: verwandte Effekte<br />

• „Knew-it-al-along“-Effekt<br />

Nach dem Eintreten eines Ereignisses äußern Vpn, genau dieses auch<br />

erwartet zu haben, selbst wenn dies nachweislich (Vorhermessung)<br />

nicht der Fall war. Wunsch nach Kontrolle („Kontroll-Illusion“) und<br />

<strong>Selbst</strong>wertschutz als mutmaßlich zugrundeliegende Motive.<br />

• Vergessen von Meinungsänderungen<br />

Überschätzung der Gleichheit bzw. Widerspruchsfreiheit (Konsistenz)<br />

eigenen Verhaltens und eigener Einstellungen<br />

• Erinnern positiver Entwicklungen<br />

Konstruktion von Verbesserungen durch selektives Erinnern,<br />

etwa durch unangemessen negative Darstellung von Ausgangswerten<br />

• Egozentrische Erinnerungen<br />

Personen neigen im Nachhinein dazu, die eigene Bedeutung für das<br />

Auftreten oder Nichtauftreten einer Vielzahl von Ereignissen zu<br />

überschätzen.


2 <strong>Selbst</strong>verifikation


Kernannahmen der Theorie der <strong>Selbst</strong>verifikation<br />

• Menschen haben ein Grundbedürfnis nach einem stabilen und<br />

stimmigen <strong>Selbst</strong>- und Weltbild<br />

• Information, die dem <strong>Selbst</strong>bild der Person widerspricht (Inkonsistenz),<br />

bedroht die Stabilität des <strong>Selbst</strong>- und Weltbildes und beeinträchtigt<br />

die Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit der (sozialen) Umwelt<br />

• konsistente Information wird aufgegriffen,<br />

inkonstistente Information wird abgewehrt<br />

Anwendungen des <strong>Selbst</strong>verifikationsansatzes<br />

• <strong>Selbst</strong>konzeptforschung:<br />

Verarbeitung selbstrelevanter Information<br />

• Partnerschaftsforschung:<br />

Übereinstimmung von <strong>Selbst</strong>- und Fremdwahrnehmung der Partner<br />

und ihre Wirkung auf <strong>Selbst</strong>wert und Partnerschaftsqualität


<strong>Selbst</strong>aufwertung oder <strong>Selbst</strong>bestätigung?<br />

• <strong>Selbst</strong>aufwertungs-Hypothese:<br />

Menschen bevorzugen positive Rückmeldungen über die eigene Person<br />

• Konsistenz-Hypothese:<br />

Menschen bevorzugen <strong>Selbst</strong>bild-konsistente Rückmeldungen<br />

► Bei positivem <strong>Selbst</strong>bild der Person kommen <strong>Selbst</strong>aufwertungsund<br />

Konsistenzansatz zu denselben Vorhersagen.<br />

► Personen mit negativem <strong>Selbst</strong>bild sind der kritische Fall:<br />

Wird positive Rückmeldung aufgegriffen (<strong>Selbst</strong>werterhöhung)<br />

oder wird positive Rückmeldung abgewiesen (Konsistenz)?<br />

Die Befundlage ist uneindeutig. Im Zustand der Depression<br />

scheint das Konsistenzmotiv zu dominieren.


3 Symbolische <strong>Selbst</strong>ergänzung


Grundannahmen<br />

• Theoretische Kernannahme (nach K. Lewin):<br />

Wenn sich eine Person ein Ziel setzt, entspeht quasi ein Bedürfnis, d.h.<br />

ein Spannungszustand, der erst aufgelöst wird, wenn das Ziel erreich ist<br />

oder aufgegeben wird.<br />

• Befunde zu Kompensationsprozessen:<br />

Bei Unterbrechung zielgerichteter Handlungen kann der Spannungszustand<br />

durch das erreichen von Ersatzzielen bedeutend reduziert<br />

werden.<br />

• Erkenntnisse aus der Handlungsforschung:<br />

Vpn übernehmen und erfüllen nicht nur die Aufgabenziele (laut<br />

Instruktion), sondern verfolgen gleichzeitig auch selbstbezügliche Ziele<br />

(z.B. den Schutz positiver <strong>Selbst</strong>konzepte eigener „Fähigkeit“ oder<br />

„Kompetenz“). Dies zeigt sich etwa in der Wahl des Schwierigkeitsgrads<br />

der zu lösenden Aufgaben.


Kennzeichen selbstbezogener Ziele<br />

• Bei nicht-selbstbezogenen Zielen lassen sich Fortschritte<br />

anhand der konkreten Aufgabenbeschäftigung beschreiben<br />

(„dem Turm fehlen noch zwei Bauklötze“, „die ersten beiden<br />

Absätze des Texten sind ins Englische übersetzt“).<br />

• Bei selbstbezogenen Zielen (z.B. „kreaktiv“, „musikalisch“, „politisch<br />

engagiert“, „religiös“ sein) lässt sich die Zielannäherung oder<br />

Zielerreichung nicht anhand eines einzelnen, objektiven Kriteriums<br />

beschreiben. Die Zielerreichung geschieht vielmehr durch Erwerb<br />

sozial festgelegter Zielindikatoren. Hierbei implizieren selbstbezogene<br />

Ziele immer gleich eine ganze Reihe solcher sozial definierter<br />

Zielindikatoren.<br />

<strong>Selbst</strong>definition<br />

(selbstbezogenes Ziel)<br />

„Musiker sein“<br />

Symbole einer<br />

<strong>Selbst</strong>definition<br />

„Klavier spielen“<br />

„Konzerte besuchen“<br />

„eine Musiksammlung besitzen“<br />

„Musikkritiken lesen“<br />

„Musiker persönlich kennen“


Die Theorie der symbolischen <strong>Selbst</strong>ergänzung<br />

• Personen, die sich ein selbstbezogenes Ziel gesetzt haben,<br />

versuchen, den Mangel an relevanten Symbolen durch das<br />

Zurschaustellen alternativer Symbole auszugleichen.<br />

Derartige Anstrengungen nennen wir „selbstsymbolisierende<br />

Handlungen“.<br />

• Die Effektivität selbstsymbolisierender Handlungen<br />

– im Sinne der Ausgestaltung einer <strong>Selbst</strong>definition –<br />

ist an die soziale Kenntnisnahme [sprich: Kommunikation]<br />

erworbener Symbole gebunden.<br />

• Eine Person, die selbstsymbolisierende Handlungen ausführt,<br />

vernachlässigt die psychische Befindlichkeit (Gedanken, Motive,<br />

Bedürfnisse usw.) der sie umgebenden Personen [Kommunikationspartner].


Experiment von Gollwitzer:<br />

• Wirtschaftsstudenten einer renomierten Universität (Vpn) werden von<br />

zwei Versuchsleitern (VL) zweier „unabhängiger“ Studien begrüßt:<br />

1. „Studie zur Persönlichkeitspsychologie“:<br />

- Vpn füllen Persönlichkeitsfragebogen aus (Semantisches Differential:<br />

„stark - schwach“, „abhängig - unabhängig“ usf.)<br />

- Auskunft des VL, die Persönlichkeitsprofile sehr erfolgreicher Berufsgruppen<br />

seinen sehr ähnlich (d.h. es gibt „ideale“ Personlichkeitstypen<br />

für einzelne Berufssparten)<br />

- Rückmeldung der Persönlichkeitsmerkmale, systematisch variiert:<br />

a) sehr ähnlich dem Ideal eines erfolgreichen Managers<br />

(= Vorhandensein eines für die <strong>Selbst</strong>definition relevanten Symbols),<br />

b) sehr unähnlich dem erfolgreichen Manager<br />

(= Fehlen eines relevanten Symbols),<br />

c) + d) anders vermittelter Zweck der Studie:<br />

Gleichen Wirtschaftsstudenten dem Ideal eines Familienvaters?<br />

(Kontrollgruppen: positives/negatives Feedback)


Experiment von Gollwitzer:<br />

2. „Studie zur Kommunikationspsychologie“:<br />

- Analyse von Interaktionsprozessen in Entscheidungsgremien,<br />

„im Auftrag von IBM“<br />

- Nachspielen der Sitzungsprotokolle von Entscheidungsgremien<br />

der Wirtschaft im Rollenspiel<br />

- verschiedene Rollen angeboten, benannt anhand der Berufstitel<br />

(„Direktor“, „stellvertretender Direktor“, „Abteilungsleiter“, „Mitarbeiter“,<br />

„Schriftführer“)<br />

- Hypothese der <strong>Selbst</strong>symbolisierung nach negativem Feedback<br />

- Ergebnisse:<br />

62 % der Vpn mit negativem Feedback wählen die höchste Position<br />

(= symbolische <strong>Selbst</strong>ergänzung),<br />

25 % der Vpn mit positivem Feedback wählen die höchste Position<br />

(= schwächere <strong>Selbst</strong>ergänzung),<br />

Kontrollgruppen: kein Unterschied je nach Ähnlichkeit zum Familienvater<br />

(28 % vs. 20 %)


Formen der <strong>Selbst</strong>symbolisierung<br />

• <strong>Selbst</strong>beschreibungen<br />

• soziale Beeinflussung<br />

z.B. Geltungsbereich eigener Erziehungsvorstellungen<br />

(Frauen ohne Kind halten ihre Erziehungsvorstellungen für<br />

angemessener und anwendbarer als Frauen mit eigenem Kind)<br />

• dinghafte Symbole<br />

(Weinkenner ▶ französischer Rotwein; Intellektueller ▶ Privatbibliothek)<br />

• Handlungen mit expressiven Valenzen<br />

Cafébesuch, Kirchenbesuch, Golfspiel<br />

Mitgliedschaft in Organisationen und Vereinigungen


4 <strong>Selbst</strong>konzeptimmunisierung


Grundannahmen<br />

• <strong>Das</strong> <strong>Selbst</strong>konzept einer Person kann verstanden werden als eine<br />

Wissensstruktur ähnlich einer wissenschaftlichen Theorie.<br />

• Die <strong>Selbst</strong>theorie besteht aus zentralen Annahmen, die nicht hinterfragt<br />

werden (d.h. die nicht Gegenstand einer „empirischen“ Prüfung sind)<br />

und Annahmen, die verworfen werden können, indem die Theorie „den<br />

Daten angepasst“ wird.<br />

• Theorien werden nicht widerlegt, sie kommen aus der Mode oder<br />

sterben aus mit ihren Vertretern (Thomas Kuhn).<br />

Ausgangsfragestellung<br />

Wie gelingt es trotz z. T. dramatischer Veränderungen in Fertigkeiten,<br />

Kompetenzen, Aussehen und anderer Merkmale einer Person<br />

(Veränderungen der Lebensumwelten und sozialen Rollen über die<br />

Lebensspanne; kritische Ereignisse wie Unfälle, schwere Erkrankungen,<br />

Verlust sozialer Rollen; Alternsprozesse im hohen Lebensalter)<br />

die Stabilität der <strong>Selbst</strong>beschreibungen und <strong>Selbst</strong>konzepte zu erhalten?


<strong>Selbst</strong>konzeptimmunisierung<br />

Beispiele: Ein „guter Autofahrer“ baut innerhalb kurzer Zeit<br />

zwei Auffahrunfälle.<br />

Eine „fähige Studentin“ fällt durch eine<br />

Rechtsprüfung im Vordiplom.<br />

Eine Heimbewohnerin mit „starkem Gedächtnis“<br />

vergisst dauernd, wo sie ihre Lesebrille hingelegt<br />

hat.<br />

Ein „sozial äußerst kompetenter“ Leiter<br />

einer Beratungsstelle hat ständig Ärger<br />

mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.


<strong>Selbst</strong>konzeptimmunisierung


Prozesse der <strong>Selbst</strong>konzeptimmunisierung


5 Self-Evaluation Maintenance


Grundannahmen<br />

• Menschen tendieren dazu, ihre <strong>Selbst</strong>bewertung („<strong>Selbst</strong>wert“)<br />

aufrechtzuhalten oder zu steigern.<br />

• Die Beziehungen einer Person zu anderen Menschen haben<br />

einen wesentlichen Einfluss auf ihren <strong>Selbst</strong>wert.<br />

• Zwei <strong>dynamische</strong> Prozesse tragen zum Erhalt des <strong>Selbst</strong>werts bei:<br />

a) ein Spiegelungsprozess (reflection process) und<br />

b) ein Vergleichsprozess (comparison process)<br />

• Zwei Einflussgrößen (Variablen) steuern den Spiegelungs- und den<br />

Vergleichsprozess, jedoch je nach Prozess ganz unterschiedlich:<br />

1. die Nähe zur anderen Person (closeness) und<br />

2. die Leistung der anderen Person (performance).


• Der <strong>Selbst</strong>wert einer Person steigt in dem Maße an, in dem<br />

eine persönlich nahestehende Person gut abschneidet.<br />

(‚basking in reflected glory‘ = „sich sonnen im Glanz des anderen“)<br />

Die hervorragende Leistung eines Nahestehenden kann aber auch<br />

dazu führen, dass die eigene Leistung im Vergleich hierzu verblasst,<br />

was den <strong>Selbst</strong>wert mindert:<br />

• Je besser die Leistung des anderen und je enger die Beziehung,<br />

desto größer der Verlust an <strong>Selbst</strong>wert im Vergleichsprozess.<br />

(= selbstwertabträglicher sozialer Aufwärtsvergleich)


• Je geringer die Nähe zum anderen und je niedriger die Leistung<br />

des anderen, desto geringer sind die Effekte sowohl des<br />

Spiegelungs- wie des Vergleichsprozesses.<br />

Wann führt die herausragende Leistung einer nahestehenden Person<br />

zum Anstieg des <strong>Selbst</strong>werts (durch Spiegelung) und unter welchen<br />

Bedingungen mindert sie den <strong>Selbst</strong>wert (durch Vergleich)?<br />

• Je wichtiger der fragliche Leistungsbereich für die eigene Person<br />

(d.h. je zentraler für die <strong>Selbst</strong>definition), desto stärker greift der<br />

Vergleichsprozess.<br />

(= <strong>Selbst</strong>wertverlust durch ungünstigen Vergleich)<br />

• Je unwichtiger das fragliche Merkmal für die <strong>Selbst</strong>definition der<br />

Person, desto stärker greift der Spiegelungsprozess.<br />

(= <strong>Selbst</strong>aufwertung durch den auf mich abstrahlenden Glanz)


Self-Evaluation Maintenance (SEM)-Modell


Self-Evaluation Maintenance (SEM)-Modell<br />

Zur praktischen Bedeutung des Modells<br />

• <strong>Selbst</strong>konzept und <strong>Selbst</strong>wert sind abhängig von anderen,<br />

nämlich von der Leistung anderer im Vergleich zur eigenen Leistung<br />

und von der Enge der Beziehung (Nähe) zu der anderen Person.<br />

• Bessere Leistungen anderer sind nicht zwangsläufig schädlich für den<br />

eigenen <strong>Selbst</strong>wert.<br />

• Angesichts einer besseren Leistung einer anderen, mir persönlich<br />

nahestehenden Person kann der <strong>Selbst</strong>wert geschützt (reguliert)<br />

werden durch…<br />

a) eine Anpassung der Wichtigkeit oder Zentralität des fraglichen<br />

Merkmals für die eigene <strong>Selbst</strong>definition;<br />

b) eine Anpassung der Nähe zu der betreffenden Person.


6 Prototype-Matching


Ausgangsfrage<br />

Welche Rolle spielt das <strong>Selbst</strong>konzept für die Steuerung des<br />

Sozialverhaltens?<br />

Forschungshypothesen<br />

1. Ein Abgleich des eigenen <strong>Selbst</strong>konzepts mit dem Prototyp für eine<br />

bestimmte Handlung dient als Entscheidungsstrategie in vielen<br />

Bereichen des Sozialverhaltens.<br />

2. Der <strong>Selbst</strong>-Prototyp-Abgleich (‚self-to-prototype-matching‘)<br />

ist ein Mechanismus der <strong>Selbst</strong>verifikation.


Experiment von Niedenthal, Cantor & Kihlstrom<br />

zur Wahl von Wohnbedingungen<br />

• Studenten (Vpn) erhalten Persönlichkeitsfragebögen mit 100 Adjektiven<br />

und beschreiben ihre subjektiven Prototypen für 7 Wohnkonstellationen<br />

(z.B. geschlechtergetrenntes Studentenwohnheim; gemischtes Studentenwohnheim;<br />

Wohngemeinschaft; eigene Wohnung):<br />

„Bitte beschreiben Sie die typische Person, die glücklich und zufrieden<br />

wäre in…“<br />

• <strong>Selbst</strong>beschreibung anhand desselben Fragebogens<br />

• Fragebogen zu bevorzugten Wohnkonstellationen (Rangreihe)<br />

zentrales Ergebnis:<br />

Die Überlappung von <strong>Selbst</strong>beschreibung und Prototyp steuert<br />

die Wahl bzw. Bewertung der Wohnkonstellationen.


Zur praktischen Bedeutung des Modells<br />

Prototype-Matching<br />

• <strong>Selbst</strong>konzepte sind nicht nur bedeutsam für den <strong>Selbst</strong>wert<br />

und damit für das persönliche Wohlbefinden;<br />

• <strong>Selbst</strong>konzepte beeinflussen auch unser Sozialverhalten.<br />

• Die Zuwendung zu bzw. Abgrenzung von anderen Menschen<br />

erfolgt auch unter dem Einfluss des persönlichen <strong>Selbst</strong>konzepts.


Literatur<br />

Felser, G. (1999). Bin ich so, wie du mich siehst? Die Psychologie der Partnerwahrnehmung.<br />

München: C.H. Beck.<br />

Greenwald, A.G. (1980). The totalitarian ego: Fabrication and revision of personal history.<br />

American Psychologist, 35, 603-618.<br />

Greve, W. (1990). Stabilisierung und Modifikation des <strong>Selbst</strong>konzepts im Erwachsenenalter:<br />

Strategien der Immunisierung. Sprache & Kognition, 9, 218-230.<br />

Markus, H. & Wurf, E. (1987). The dynamic self-concept: A social psychological perspective.<br />

Annual Review of Psychology, 38, 299-337.<br />

Niedenthal, P.M., Cantor, N. & Kihlstrom, J.F. (1985). Prototype matching: A stragegy for<br />

social decision making. Journal of Personality and Social Psychology, 48, 575-584.<br />

Petersen, L.-E., Stahlberg, D. & Frey, D. (2006). <strong>Selbst</strong>wertgefühl. In H.-W. Bierhoff & D. Frey<br />

(Hrsg.), Handbuch der Sozialpsychologie und Kommunikationspsychologie (S. 40-48).<br />

Göttingen: Hogrefe.<br />

Stahlberg, D., Osnabrügge, G. & Frey, D. (1985). Die Theorie des <strong>Selbst</strong>wertschutzes und der<br />

<strong>Selbst</strong>werterhöhung. In D. Frey & M. Irle (Hrsg.), Theorien der Sozialpsychologie. Bd. III:<br />

Motivations- und Informationsverarbeitungstheorien (S. 79-124). Bern: Huber.<br />

Swann, W.B. (1983). Self-verification: Bringing social reality into harmony with the self. In J.<br />

Suls & A.G. Greenwald (Eds.), Psychological perspectives on the self (Vol. 2, pp. 33-66).<br />

Hillsdale, NJ: Erlbaum.<br />

Tesser, A. (1988). Toward a self-evaluation maintenance model of social behavior. Advances<br />

in Experimental Social Psychology, 21, 181-227.<br />

Wicklund, R.A. & Gollwitzer, P.M. (1985). Symbolische <strong>Selbst</strong>ergänzung. In D. Frey & M. Irle<br />

(Hrsg.), Theorien der Sozialpsychologie. Bd. III: Motivations- und Informationsverarbeitungstheorien<br />

(S. 31-55). Bern: Huber.

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