Handlungsalternativen bei der Offenlegung von Preiskalkulationen

Handlungsalternativen
bei der Offenlegung
von Preiskalkulationen
Dr.-Ing. Roger Weninger
Erlangen
28.06.2006

Anlässe für Offenlegungen
Zur rechtlichen Seite
Handlungsalternativen bei der Offenlegung von
Preisbestandteilen gegenüber den Erdgas- und
Stromkunden
Marketing- und Vertriebssicht
Ausblick
Anlass für Offenlegungsdiskussion
Übersicht

Bundestagsabgeordnete klagen gegen verordnete
Offenlegung von Nebeneinkünften (SZ 1.3.06)
Initiative des Vorstands von Vattenfall Europe:
Offenlegung wichtiger Daten aus dem
Erzeugungsbereich angekündigt .
(Handelsblatt 9.2.06)
Bundeswirtschaftsminister Glos fordert mehr Transparenz von
der Gaswirtschaft (BGW-Tagung Juni 2006)
Bundesnetzagentur fordert mehr Transparenz bei
Netzentgeltkalkulationen (15.06.06)
u.s.w.
Anlass für Offenlegungsdiskussion
Offenlegung - ein Zeichen der Zeit?

Anlass für Offenlegungsdiskussion
Anlässe für Offenlegung der
Preiskalkulation
Preissteigerungen bei Erdgas, Strom, Fernwärme -
Energie als Schlagzeilenthema
Genannte rechtliche Hintergründe:
§ 315 BGB, einseitige Preisfestsetzung
AGB-Recht
Welche Dienstleistungen sind betroffen?
Strom, Gas, Fernwärme...(Verkehrsabo?)
Lieferantenalternative als Gegenargument?
Zusätzliche Anforderungen der Kartellbehörde

Billigkeit
Energiewirtschaftsrecht
AGB-Recht
Anlass für Offenlegungsdiskussion
Die rechtliche Seite

Anlass für Offenlegungsdiskussion
„Billigkeit“ im Gesetz: § 315 BGB
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden
bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die
Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber
dem anderen Teile.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen,
so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur
verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie
nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil
getroffen; das gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert
wird.

Inhalt der Offenlegung
Situation beim Strom
Beispiel Erdgas
Bisher kaum Verbraucherreaktionen
Möglicher Lieferantenwechsel und Tarifgenehmigungen
durch Landesbehörden (bis 1.7.2007)
lassen viele Argumente ins Leere laufen.
BGH bestätigt am 18.10.05 den Anspruch auf
Offenlegung der Netzentgeltkalkulation (jedoch kein
Anspruch außerhalb der gerichtlichen Überprüfung).

800 €
€/Jahr
700 €
600 €
500 €
400 €
300 €
200 €
100 €
0 €
189 €
415 €
Inhalt der Offenlegung
Strom: Preiszusammensetzung
Beispiel Erdgas
Hoher Anteil nicht beeinflussbarer
Preisbestandteile
Jährliche Stromkosten für Privatkunden bei den Stadtwerken Augsburg Energie GmbH
Drei-Personen-Haushalt mit 3.500 kWh im Jahr
Steuern, Umlagen und Abgaben
Erzeugung, Transport und Vertrieb
185 €
329 €
208 €
329 €
227 €
337 €
Jahr 1999 Jahr 2000 Jahr 2001 Jahr 2002 Jahr 2003 Jahr 2004 Jahr 2005 Jahr 2006
251 €
348 €
254 €
361 €
260 €
376 €
270 €
393 €
+ 42,9%
- 5,3%
Anteil Energie/
Vertrieb/Messung/
Abrechnung
Anteil Netznutzung:
rund 200 €

Inhalt der Offenlegung
Strom: Transparenzerfordernisse
Beispiel Erdgas
nach § 42 EnWG
§ 42 (1) bis (5) betrifft den Energieträgermix und die
Informationen über Umweltauswirkungen.
§ 42 (6): „Elektrizitätsunternehmen sind verpflichtet, in
ihren Rechnungen an Letztverbraucher das Entgelt für den
Netzzugang gesondert auszuweisen.“

Inhalt der Offenlegung
Situation bei der Fernwärme
Beispiel Erdgas
In der Regel Sondervertrag
Urteil des Landgerichts Ulm (08.04.05):
§ 315 nicht anwendbar, da Preise individuell
vereinbart.
Preise sind im konkreten Fall auch nicht unbillig.

Inhalt der Offenlegung
Grundsätzliche Anmerkungen zur
Beispiel Erdgas
Situation beim Erdgas
Warum steigen Erdgaspreise?
Ölpreisbindung und Alternativen
Weltmarktsituation: NRW setzt Enquetekommission zu Öl- und
Gasimportpreisen ein (Landtag NRW, 20.1.06).
Preisbestandteile Energie und Netz und deren Bedeutung
Was wird offen gelegt? Was ist dabei das Problem?
Wie wird die Offenlegung vollzogen?
Bisherige Reaktionen der Öffentlichkeit

Landgericht Hannover:
Anlass für Offenlegungsdiskussion
Aktuelle Urteile und Verfahren Gas (1)
Stadtwerke Hannover müssen vollständige Kalkulation ihrer
Gaspreise offenlegen.
Einblick in Lieferverträge wird verlangt.
Erstmals wird nicht nur der Erhöhungsanteil diskutiert.
Stadtwerke Hannover wollen genau prüfen, was vorgelegt werden
muss (n24.de/7.2.06)
Landgericht Bonn (31.01.06):
Regionalgas Euskirchen wurde aufgefordert, seine Kalkulation und
die Verträge mit E.ON Ruhrgas und RWE Rhein-Ruhr offen zu
legen.

Anlass für Offenlegungsdiskussion
Aktuelle Urteile Gas (2)
Landgericht Heilbronn (19.1.06):
Der gerichtlichen Billigkeitskontrolle der Preise nach § 315 Abs. 3 BGB
stehen weder Bestimmungen des Kartellrechts oder
Ernergiewirtschaftsrechts entgegen, noch der Umstand, dass der
Gasversorger im Wettbewerb mit anderen Energieträgern steht.
Gleichwohl weist das Landgericht die Klage ab. Die vom Versorger
vorgelegten Unterlagen reichen zum Nachweis aus, dass durch die
Preiserhöhung lediglich die gestiegenen Bezugskosten weitergegeben
wurden. Eine Verpflichtung zur Vorlage der gesamten
betriebswirtschaftlichen Unterlagen, die eine Nachprüfung der Kalkulation
des Gesamtpreises ermöglichen bejaht das Landgericht nicht.

Anlass für Offenlegungsdiskussion
Aktuelle Urteile Gas (3)
„Sondervertrag“
Landgericht Bremen (24.05.06):
• Beanstandet wurden die Preiserhöhungen bei Sonderverträgen für
Haushaltskunden der swb (keine Tarife).
• Die vereinbarte Preisanpassungsklausel ist AGB-rechtlich unwirksam.
• Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Angemessenheit der
Preise fand nicht statt.
• Das Urteil stützt sich nicht auf § 315 BGB
• Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da swb Berufung einlegt.

Anlass für Offenlegungsdiskussion
Aktuelle Urteile Gas (4)
Landgericht Berlin:
• Kläger hatten Sondertarife bei der GASAG; die darin enthaltenen
Regelungen für Preiserhöhungen waren nach Ansicht des Gerichts
nicht transparent genug.
• Entscheidung stützt sich wie das Bremer Urteil auf AGB-Recht.
(LBD-News, 20.06.06)

Anlass für Offenlegungsdiskussion
Umgang der Versorger mit
Einsprüchen (1) „Tarif“
Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung wird akzeptiert.
Kürzung der geforderten Entgelte und Anspruch auf Offenlegung:
Darlegung Angemessenheit der Preise
lediglich Weitergabe der Bezugskostensteigerung
keine Anwendung des § 315 BGB
kein Zahlungsverweigerungsrecht nach § 30AVBGas bzw.
§ 30AVBElt
Zahlungsaufforderung
Hinweis auf Lieferantenwechsel (derzeit nur beim Strom)

Anlass für Offenlegungsdiskussion
Umgang der Versorger mit
Einsprüchen (2) „Tarif“
Zieht die Sperrandrohung? (Urteile sagen derzeit: nein)
Klageweg? Risikobetrachtung
Unterschied Strom/Gas: bisher Kündigungsmöglichkeit mangels
Wettbewerber
Aktuelle Situation Stadtwerke Augsburg
über 700 Einsprüche mit Berufung auf § 315 im Tarifbereich
(Dezember 2005: 490) bei 50.000 Tarifkunden
Rechnungskürzungen: ca. 60

Zusammenarbeit mit Verbraucherzentralen und Dritten
Möglichkeiten der Mitwirkung Dritter
Einbeziehung der Verbraucherzentralen:
Am von der Verbraucherzentrale NRW im Herbst 2005
gestarteten Transparenzverfahren zur Prüfung der
Gaspreisbildung nehmen bislang vier Stadtwerke teil.
Modell bestätigt, dass lediglich Preiserhöhungen der
Vorlieferanten weitergegeben wurden.
Testate von Wirtschaftsprüfern. Möglich sind u.a.:
Testat über die Weitergabe von Preiserhöhungen
Testat über den Gewinn bei Privatkunden

Zusammenarbeit mit Verbraucherzentralen und Dritten
Was ist das Problem bei der
Offenlegung?
Offenlegung von Bezugsverträgen „in der Öffentlichkeit“ verstößt
gegen Vertraulichkeitsgrundsatz bei Verträgen.
Preiskalkulationen sind im privatwirtschaftlichen Bereich geheim, um
Nachteile im Wettbewerb zu vermeiden.
Daher sind Alternativen in Betracht zu ziehen.

Beispiel Stadtwerke Augsburg
Bestandteile des Gaspreises bei einem Jahresverbrauch von
20.000 kWh/a für das 1.Quartal 2006
Kostenkalkulation
Bruttopreis
(Verbrauchs- und Grundpreis)
Staatliche
Belastungen
Gasbeschaffungskosten
Endverteilung,
Messung,
Abrechnung,
Vertriebsaufwand
Gewinn
Wert in ct/kWh
6,36
1,76
3,07
1,39
0,14
Endverteilung,
Messung,
Abrechnung,
Vertriebsaufwand
22 %
Gewinn
2 %
48 %
Gasbeschaffungskosten
Staatliche
Belastungen
28 %

Beispiel Augsburg: Stadtwerke
Erdgas Basis
In einem Mailing an alle Kunden wurde
Ende 2005 kommuniziert:
39 % Erdgaseinkaufssteigerung in 2005
+ 0,46 ct/kWh ab Januar 2006
(im Durchschnitt 8 % Erhöhung)
92 EUR/a Mehrkosten bei 20.000 kWh
Neues Produkt Stadtwerke Erdgas Fix
▪ + 0,52 ct/kWh garantiert bis 09/06
▪ Aufpreis von 8,50 EUR bis 09/06 bei 20.000 kWh/a
▪ Einsparung von knapp 30 EUR möglich
Erhöhung zum 1. April um 0,2 bis 0,3 ct/kWh bereits angekündigt

Erdgas - Beispiel Stadtwerke Augsburg
Hinweise an die Kunden:
Was unternehmen die
Stadtwerke Augsburg zur Kostendämpfung?
Unter anderem:
Rationalisierungsmassnahmen im Netz.
Bayerngas – Einkaufsgemeinschaft,Einkauf bei mehreren Lieferanten.
Portfoliomanagement und Optimierung der Bezugsleistung
„Upstream-Aktivitäten“ der Bayerngas als Zukunftssicherung
An den letzten Preiserhöhungen haben die Stadtwerke nicht „verdient“,
aber es ist legitim, Gewinn zu machen.

6.000.000
5.000.000
4.000.000
3.000.000
2.000.000
1.000.000
0
1.Q.04
Stadtwerke Erdgas Basis
Ein unabhängiges Wirtschaftprüfertestat besagt:
Die Stadtwerke Augsburg Energie GmbH betreiben insgesamt eine
maßvolle Preispolitik gegenüber den Gaskunden.
2.Q.04
3.Q.04
Bezugskosten- u. Erlöserhöhung in €
4.Q.04
1.Q.05
2.Q.05
3.Q.05
4.Q.05
1.Q.06
2.Q.06
Erlöserhöhung €
Bez.kostenerh. €

Marketingsicht
Marketing- und Vertriebssicht
Die schlechte Nachricht für die Versorger:
Gesamtzufriedenheit im Privatkundensektor sinkt seit 2004,
ebenso das Gesamt-Image der Versorger
(Umfrageergebnisse „Erfolgsbarometer“ von imug/ASEW)
Eindeutige Korrelation mit Preisdiskussion
Extremer Handlungsdruck durch öffentliche Meinung
Transparenz ja/nein als Kommunikationsentscheidung (?)
Eintreten für Wettbewerb als positives Merkmal
„Fair, präsent, engagiert, verantwortungsbewusst“ (BGW)
Wert „Vertrauen“ als Imagebildner im Kundenurteil (imug/ASEW)

95
90
85
80
75
70
65
60
55
50
45
69
68
69
65
Marketingsicht
Image und Gesamtzufriedenheit bei
Beurteilung einzelner Imageaspekte
Privatkunden kommunaler Unternehmen
(Umfrage ASEW/imug)
Beginn Wettbewerb
71
68
73 73
70
67
71
66
Image
Zufriedenheit
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
68
63
Beginn Preisdiskussion

Zusammenhänge beim Image (Quelle imug/ASEW, 2005)
...sind flexibel
...bieten eine kompetente
Beratung
... sind zuverlässig
Kundenorientierung
Preise und Kosten
... haben angemessene Preise
... haben marktgerechte Preise
... haben eine nachvollziehbare
Preisstruktur
Kompetenz
...sind unbürokratisch
...haben freundliche
Mitarbeiter
... sind leistungsfähig
... sind innovativ ... haben einen hohen
Stellenwert für die Region
Image EVU
Verantwortung
... sind vertrauenswürdig
... verhalten sich gegenüber
Kunden fair
... sind umweltorientiert
... geben offene und
ehrliche Informationen
Auftreten / Erscheinung
... treten sympathisch auf
... haben ein markantes
Erscheinungsbild
... sind in der Stadt/Region
präsent

Marketingsicht
„Inwieweit würden Sie die
folgenden Aussagen als
zutreffend oder nicht
zutreffend bezeichnen?“
Die Stadtwerke Augsburg
Energie GmbH ...
(Quelle imug/ASEW, 2005)
Marketing- Beurteilung einzelner Imageaspekte und Vertriebssicht
Faktor Verantwortung
geben offene und
ehrliche
Informationen
sind
umweltorientiert
verhalten sich
gegenüber
Kunden fair
sind
vertrauenswürdig
0
Top One Box 2005
Top Two Boxes 2005
20
15
19
16
18
40
60
52
59
65
68
80
100

Ausblick
Thema „Transparenz“ wird bleiben.
Voraussichtlich ab 1.10.06 „wirklicher“ Gas-zu Gas-Wettbewerb im
Privatkundensektor – Lieferantenwechsel über Beistellung in Augsburg
bereits seit 1.4.06 im Gange.
Danach vergleichbare Situation wie beim Strom - > Kündigung für Kunden
möglich.
Genehmigte Netzentgelte Gas ab Sommer/Herbst 2006 schaffen neue
Situation.
Kundenzufriedenheit muss erhalten bleiben - wieder hergestellt werden.
Gezielte Öffentlichkeitsarbeit / neues Marketing ist notwendig.