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UNIVERSITÄT ROSTOCK<br />
Lehrstuhl für Wirtschafts- und Organisationspsychologie<br />
Erko Martins, Alexander Pundt & Friedemann W. Nerdinger<br />
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur.<br />
Zum Konzept der Beteiligungsorientierung<br />
in Organisationen<br />
Arbeitspapier Nr. 1 aus dem Projekt
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Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 1<br />
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur –<br />
Zum Konzept der Beteiligungsorientierung in Organisationen<br />
Inhalt<br />
Erko Martins, Alexander Pundt & Friedemann W. Nerdinger<br />
1. Prozesse des Wandels als unternehmerische Herausforderung.............................................. 2<br />
2. Erfolgsfaktor Unternehmenskultur?....................................................................................... 4<br />
2.1 Erkenntnisse der Unternehmenskulturforschung ............................................................. 4<br />
2.2 Anpassungsfähigkeit durch Öffnungsprozesse in Organisationen................................... 7<br />
2.3 Schließungsprozesse und Integration ............................................................................... 8<br />
3. Öffnung und Integration durch Mitarbeiterbeteiligung.......................................................... 9<br />
3.1 Formen der Mitarbeiterbeteiligung .................................................................................. 9<br />
3.1.1 Immaterielle Beteiligung......................................................................................... 10<br />
3.1.1.1 Gesetzliche Mitbestimmung............................................................................. 11<br />
3.1.1.2 Freiwillige Partizipation................................................................................... 13<br />
3.1.2 Materielle Beteiligung............................................................................................. 19<br />
3.2 Wirkmechanismen der Mitarbeiterbeteiligung............................................................... 22<br />
3.2.1 Öffnung durch Empowerment und Eigeninitiative ................................................. 22<br />
3.2.2 Integration durch psychologische Eigentümerschaft und Commitment ................. 23<br />
3.3 Die Gefahr des Zynismus gegenüber Mitarbeiterbeteiligung ........................................ 27<br />
4. Beteiligung als Gesamtkonzept – Beteiligungsorientierung ................................................ 29<br />
5. Ausblick ............................................................................................................................... 31<br />
6. Literatur................................................................................................................................ 32
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 2<br />
1. Prozesse des Wandels als unternehmerische Herausforderung<br />
Permanenter Wandel kennzeichnet die aktuelle Wirtschaftspraxis. Gesellschaftliche, ökono-<br />
mische, politische, technologische und ökologische Veränderungen stellen Unternehmen im-<br />
mer wieder vor neue Herausforderungen (Naisbitt & Aburdene, 1992; Kobi, 1996). Diese<br />
adäquat zu meistern ist essenziell für das Fortbestehen und den Erfolg jedes Unternehmens.<br />
Kobi (1996) betont die Vielfalt der Wandelprozesse und zeigt in seiner stichwortartigen Auf-<br />
zählung verschiedenster Aspekte wirtschaftlichen Wandels die Bandbreite von Umweltverän-<br />
derungen, die für Unternehmen große Bedeutung haben. Beispiele dafür sind (Kobi, 1996):<br />
• Sättigung der Märkte, Verdrängungswettbewerb, zunehmende Konkurrenz aus<br />
anderen Branchen und Regionen<br />
• Internationalisierung, Globalisierung<br />
• Kostendruck<br />
• Deregulierung<br />
• „Zeit“ als entscheidender Wettbewerbsfaktor<br />
• tief greifender Strukturwandel (Dienstleistungs- und Kommunikationsgesellschaft)<br />
• zunehmend öffentlicher Charakter von Unternehmen<br />
• Trend zum kurzfristigen Denken und kurzfristigen Erfolg.<br />
Unternehmen stehen vor der Herausforderung, frühzeitig Veränderungen in ihrer Umwelt zu<br />
erkennen und angemessen, vor allem rechtzeitig und mit geeigneten Maßnahmen darauf zu<br />
reagieren. Bei gravierenden Veränderungen der unternehmerischen Umweltfaktoren sind aber<br />
die im Unternehmen bestehenden Strukturen und Prozesse zur Umsetzung der<br />
unternehmerischen Ziele und Strategien oftmals nicht länger geeignet. Unternehmen stehen<br />
dann vor einem Anpassungsproblem. Organisationaler Wandel stellt dabei ein<br />
Reaktionsmuster zur Bewältigung solcher Anpassungserfordernisse dar (Deeg & Weibler,<br />
2000; S. 144).<br />
Betriebswirtschaftslehre und Organisationspsychologie haben sich neben der modellhaften<br />
Abbildung von Umweltveränderungen verstärkt den Fragen des organisationalen Wandels<br />
zugewandt (Deeg & Weibler, 2000). Dabei wurden verschiedene Arten des Wandels<br />
unterschieden, Modelle des Wandels entwickelt und unterschiedliche Konzepte zum
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 3<br />
Management dieses Wandels vorgestellt und diskutiert (vgl. zum Überblick Deeg & Weibler,<br />
2000, sowie Staehle, Conrad & Sydow, 1999).<br />
Traditionelle Managementkonzepte verlieren im Zuge des allgemeinen Wandels an Bedeu-<br />
tung, da sie den Unternehmen keinen Wettbewerbsvorteil mehr versprechen. Demgegenüber<br />
gewinnen die so genannten „weichen“ Konzepte an Bedeutung (von Rosenstiel, 1993; von<br />
Rosenstiel & Comelli, 2003; Sackmann, 2002). Vor allem dem Konzept der Unternehmens-<br />
kultur wird hierbei viel Beachtung geschenkt. Unternehmenskultur wird häufig als der Er-<br />
folgsfaktor im Wandel angesehen. Oft bleibt jedoch unklar, warum Unternehmenskultur ein<br />
solcher Erfolgsfaktor ist und wie die Unternehmenskultur Erfolg bringend gestaltet werden<br />
kann.<br />
Die vorliegende Arbeit widmet sich dieser Fragestellung. Untersucht wird, warum Unterneh-<br />
menskultur einen Erfolgsfaktor im Wandel der Unternehmensumwelt darstellt und welche<br />
Aspekte einer Unternehmenskultur die Unternehmen in die Lage versetzen, Anpassungsprob-<br />
leme infolge der Veränderungen der Umwelt zu lösen. Im Rahmen der Analyse dieser Frage-<br />
stellung erweist sich das Konzept der Offenheit und Geschlossenheit von Organisationen nach<br />
Gebert, Boerner & Lanwehr (2001) als besonders nützlich. Nach der Darstellung dieses Kon-<br />
zepts und des mit ihm verwandten Ansatzes der Ambidexterity von Organisationen wird dis-<br />
kutiert, warum Öffnungs- und Integrationsprozesse in Unternehmen angesichts des Wandels<br />
zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Anschließend wird die Frage untersucht, wie Pro-<br />
zesse der Öffnung und Integration in Organisationen ablaufen können. Mitarbeiterbeteiligung<br />
scheint hier ein zweckmäßiger und erfolgversprechender Weg für Unternehmen zu sein. Nach<br />
einen Überblick über die Vielfalt der Formen der Mitarbeiterbeteiligung mit ihren jeweils<br />
charakteristischen Eigenschaften wird diskutiert, inwieweit diese Instrumente die Öffnung<br />
und Integration der Organisation fördern können. Unter bestimmten Umständen kann der Ein-<br />
satz von Systemen der Mitarbeiterbeteiligung aber auch kontraproduktives Verhalten und eine<br />
negative Einstellung der Mitarbeiter initiieren und das Erreichen der angestrebten Wirkungen<br />
und Ziele im Unternehmen gefährden (Nerdinger, 2004). Mit Hilfe des Konzepts des organi-<br />
sationalen Zynismus werden Bedingungen und Folgen dieser negativen Wirkungen der Mit-<br />
arbeiterbeteiligung beleuchtet.<br />
Die Ausrichtung des Unternehmens auf die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmen<br />
stellt sich als wichtiges Merkmal von Unternehmen dar, die im Wandel erfolgreich agieren<br />
wollen. Deshalb wird abschließend das Konzept der Beteiligungsorientierung als Merkmal<br />
der Unternehmenskultur diskutiert. In einem Ausblick werden am Ende dieser Arbeit Anfor-
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 4<br />
derungen an die zukünftige Forschung zum Konzept der Beteiligungsorientierung von Unter-<br />
nehmen aufgezeigt.<br />
2. Erfolgsfaktor Unternehmenskultur?<br />
2.1 Erkenntnisse der Unternehmenskulturforschung<br />
Eine einheitliche Definition des Begriffs Unternehmenskultur kann angesichts der Fülle an<br />
unterschiedlichsten Definitionsversuchen in der Literatur nicht geliefert werden. Für diese<br />
Arbeit soll die sehr weit verbreitete Definition von Schein (1985) verwendet werden, da sie<br />
wichtige Aspekte berücksichtigt, die für Unternehmen im Wandel relevant sind. Schein<br />
(1985) definiert Unternehmenskultur als „Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die<br />
Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration er-<br />
lernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder<br />
als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weiterge-<br />
geben wird“ (Schein, 1995; S. 25).<br />
Die Unternehmenskultur liefert also auf der Basis der gemeinsam geteilten Grundprämissen<br />
im Unternehmen verbindliche Ansätze, wie im Unternehmen auf Veränderungen der Umwelt<br />
reagiert wird, welche Strategien der Anpassung erfolgen sollten und wie interne Integration zu<br />
bewältigen ist. Die Fähigkeit dieser Ansätze, spezifische Anpassungsprobleme infolge der<br />
Wandelprozesse der Umwelt zu bewältigen, ist entscheidend für den Erfolg des Unterneh-<br />
mens.<br />
Artefakte, Schöpfungen<br />
• Organisationsstruktur<br />
• Wiederkehrende Rituale<br />
• Sichtbare Verhaltensmuster<br />
Werte Werte<br />
Grundlegende Annahmen<br />
• Beziehung zur Umwelt<br />
• Natur der Wirklichkeit, der Zeit, des Raumes<br />
• Natur der menschlichen Tätigkeit<br />
• Natur der menschlichen Beziehungen<br />
Sichtbar, aber<br />
oft nicht<br />
entzifferbar<br />
Höhere Ebene des<br />
Bewusstseins<br />
Selbstverständlich,<br />
unsichtbar,<br />
vorbewusst<br />
Abb. 1: Drei-Ebenen-Modell der Unternehmenskultur (in Anlehnung an Schein 1995; S. 30)
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 5<br />
Schein (1985) unterscheidet drei Ebenen der Unternehmenskultur (siehe Abb. 1). Auf der<br />
obersten Ebene ordnet er die so genannten Artefakte an. Artefakte sind die offensichtlichen<br />
Elemente der Unternehmenskultur. Dazu gehören z.B. die Organisationsstruktur, Rituale, Re-<br />
dewendungen, die Architektur der Firmengebäude oder sichtbare Verhaltensmuster. Auf der<br />
mittleren Ebene der Organisationskultur bewegen sich die Werte der Organisation. Werte be-<br />
ziehen sich darauf, was einer Organisation wichtig ist. Schein (1995) betrachtet in seinem<br />
Modell allerdings die bekundeten und damit nicht zwangsläufig die gelebten Werte der Orga-<br />
nisation. Auf der untersten Ebene der Organisationskultur sind die Grundannahmen verortet.<br />
Diese beinhalten unhinterfragte und nicht bewusst reflektierte Annahmen über die Natur des<br />
Menschen, der Umwelt, der Zeit oder der Wirklichkeit im Allgemeinen. Nach den Überle-<br />
gungen von Schein stellen die Grundannahmen den eigentlichen Kern der Organisationskultur<br />
dar, aus dem alle anderen kulturellen Erscheinungen erklärt werden können. Für die vorlie-<br />
gende Arbeit lässt sich aus diesem Modell ableiten, dass für die Bewältigung von Anpas-<br />
sungsproblemen vor allem die Grundannahmen zu betrachten sind.<br />
Eine wichtige Frage in der Debatte um das Konzept der Unternehmenskultur ist, ob es For-<br />
men der Unternehmenskultur gibt, die Unternehmen eher zu einem dauerhaften Erfolg führen<br />
können als andere. Diese Frage wurde von der Carl-Bertelsmann-Stiftung aufgegriffen und<br />
zum Anlass genommen, einen Preis für die besten Unternehmen auszuloben (Bertelsmann<br />
Stiftung, 2003; Sackmann, 2004). In Zusammenarbeit von Experten aus der Forschung und<br />
der unternehmerischen Praxis sollten Kriterien erarbeitet werden, die eine erfolgreiche Unter-<br />
nehmenskultur kennzeichnen. Dazu wurde das Thema Unternehmenskultur in einer Reihe von<br />
Diskussionen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Die Experten einigten sich auf 10<br />
Kriterien einer erfolgreichen Unternehmenskultur, die sowohl die Perspektive der Wissen-<br />
schaft als auch der Praxis miteinander vereinen (siehe Abb. 2).
Gemeinsame<br />
Gemeinsame<br />
Zielorientierung<br />
Zielorientierung<br />
Shareholder- Shareholder-<br />
Orientierung Orientierung<br />
KundenKundenorientierungorientierung Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 6<br />
Adaptions- Adaptions-und und<br />
IntegrationsIntegrationsfähigkeitfähigkeit Gesellschaftliche<br />
Gesellschaftliche<br />
Verantwortung<br />
Verantwortung<br />
Unternehmenskultur<br />
als als Erfolgsfaktor<br />
FührungsFührungskontinuitätkontinuität Überzeugungen<br />
Überzeugungen<br />
und und Werte Werte<br />
Transparenz Transparenz der der<br />
UnternehmensUnternehmensaufsichtaufsicht<br />
Partizipative Partizipative<br />
Führung Führung<br />
Unternehmer Unternehmer im im<br />
Unternehmen<br />
Unternehmen<br />
Abb. 2: Carl-Bertelsmann-Preis 2003 – Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor (in Anlehnung<br />
an Bertelsmann Stiftung, 2003; S. 9)<br />
Wenngleich die Logik des Modells und die wissenschaftliche Fundierung der Kriterien nicht<br />
an jeder Stelle klar sind, so hat das Modell doch seinen Wert darin, dass es Eckpunkte auf-<br />
zeigt, an denen die Unternehmen bei der Gestaltung der Unternehmenskultur ansetzen kön-<br />
nen.<br />
Mit Blick auf die eingangs dargestellten Wandelprozesse in der Unternehmensumwelt, durch<br />
die Unternehmen immer wieder vor Anpassungsprobleme gestellt werden, gewinnt insbeson-<br />
dere das Kriterium Adaptions- und Integrationsfähigkeit der Unternehmenskultur (siehe Abb.<br />
2) an Bedeutung. Die Adaptions- bzw. Anpassungsfähigkeit der Unternehmenskultur be-<br />
stimmt, wie gut ein Unternehmen auf Veränderungen der Umwelt reagieren kann. Aus dieser<br />
Überlegung leitet sich ab, dass die Anpassungsfähigkeit das wichtigste Merkmal eines Unter-<br />
nehmens im Wandel ist, und dass alle anderen der genannten Merkmale erfolgreicher Unter-<br />
nehmen sich diesem Kriterium unterordnen. Mit Blickwinkel auf den organisationalen Wan-<br />
del lässt sich das Modell der Bertelsmann Stiftung (2003) in ein hierarchisch geordnetes Sys-<br />
tem von Kriterien umwandeln, an dessen Spitze die Anpassungsfähigkeit anzuordnen ist.
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 7<br />
Wie im Folgenden gezeigt werden soll, kann die Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens an<br />
veränderte Umweltbedingungen über die Öffnung der Organisation hergestellt werden. Aller-<br />
dings – und auch das soll nachfolgend diskutiert werden – reicht eine Öffnung der Organisati-<br />
on allein nicht aus, um den Problemen des Wandels angemessen begegnen zu können. Viel-<br />
mehr sind zusätzlich Integrationsprozesse notwendig, um negative Sekundäreffekte der Öff-<br />
nung von Organisationen abzupuffern.<br />
2.2 Anpassungsfähigkeit durch Öffnungsprozesse in Organisationen<br />
Die Fähigkeit einer Organisation zur Anpassung an veränderte Umweltzustände wird be-<br />
stimmt durch den Grad ihrer Offenheit (Gebert, 2002). Die Offenheit einer Organisation ist<br />
ein Merkmal der Organisationskultur und als solches wesentlich durch bestimmte Werte und<br />
vor allem durch bestimmte Grundannahmen i.S. von Schein gekennzeichnet. Gebert et al.<br />
(2001, vgl. auch Gebert, Boerner & Matiaske, 1998) beschreiben die Grundannahmen offener<br />
Organisationen anhand der anthropologischen, der sozialen und der erkenntnistheoretischen<br />
Dimensionen.<br />
Offenheit auf der anthropologischen Dimension bedeutet, dass der einzelne Mitarbeiter als<br />
Subjekt angesehen wird, welches der Welt aktiv gegenüber tritt und nicht passiv „als Voll-<br />
strecker unveränderlicher Gesetzmäßigkeiten“ (Gebert et al., 2001; S. 206). Eine offene Or-<br />
ganisation ist also durch die Grundannahme der aktiv agierenden und gestaltenden Mitarbeiter<br />
bestimmt. Konsequenter Weise wird die Welt in solchen Organisationen als veränderbar und<br />
gestaltbar erlebt. Initiative und Hoffnung werden als wichtige Werte angesehen.<br />
Offenheit auf der sozialen Dimension äußert sich darin, dass die „Vielfalt bzw. Pluralität von<br />
Meinungen“ als eine wichtige Voraussetzung für Problemlösungen angesehen wird (Gebert et<br />
al., 2001; S. 207). Daraus folgt, dass eine offene Organisation durch den Wert der Individuali-<br />
tät der Mitarbeiter geprägt ist.<br />
Offenheit auf der erkenntnistheoretischen Dimension ist verbunden mit einer höheren Bereit-<br />
schaft, aktuell gültige Lösungen zu hinterfragen und nach neuen, besseren Lösungen zu su-<br />
chen. Erkenntnis gilt in offenen Organisationen prinzipiell als vorläufig und möglicherweise<br />
irrtumsbehaftet. Daher bringen sie auch abweichenden Meinungen eine höhere Toleranz ent-<br />
gegen.<br />
Nach Befunden von Gebert et al. (2001) geht die Offenheit einer Organisation mit einem An-<br />
stieg der innovativen Leistung einer Organisation einher. Daher wird die Offenheit einer Or-<br />
ganisation im Folgenden als Kennzeichen ihrer Anpassungsfähigkeit angesehen. Allerdings –<br />
und auch das zeigen die Befunde von Gebert et al. (2001, vgl. auch Boerner & Gebert, 2004)
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 8<br />
– ist dies nur ein Teil der organisationalen Realität. Ab einem gewissen Grad der Öffnung<br />
einer Organisation treten so genannte negative Sekundäreffekte der Offenheit auf. Ziellosig-<br />
keit der verschiedenen Ideen oder Konflikte über die Richtigkeit von Ideen sind Beispiele für<br />
solche Sekundäreffekte. Nach Gebert et al. (2001, vgl. auch Gebert, 2002) muss die Öffnung<br />
einer Organisation immer mit Maßnahmen der Integration einhergehen, damit die Öffnung die<br />
geplanten Wirkungen entfalten kann.<br />
2.3 Schließungsprozesse und Integration<br />
Das Konzept der Integration definieren Gebert et al. (2001) über drei Subkonstrukte: Kon-<br />
sens, Orientierung und Vertrauen.<br />
Konsens wird definiert als „Grad der Einigungsfähigkeit innerhalb einer Organisation in<br />
Grundsatzfragen“ (Gebert et al., 2001; S. 212). Hier ist besonders zu betonen, dass Konsens<br />
nicht per se als Einigkeit über Grundsatzfragen sondern als Einigungsfähigkeit angesehen<br />
wird. Einigkeit muss bei bestehendem Konsens – im Sinne von Gebert et al. (2001) – in der<br />
Organisation nicht zwangsläufig schon vorhanden sein. Allerdings kann bei erhöhtem Kon-<br />
sens die Einigkeit aber leichter hergestellt werden. Konsens hat zur Folge, dass die Organisa-<br />
tion als solche erhalten bleibt und nicht durch die Uneinigkeit, welche in einer offenen Orga-<br />
nisation bezüglich spezifischer Ziele leicht entstehen kann, zerstört wird.<br />
Orientierung wird bei Gebert et al. (2001; S. 212) definiert als „Klarheit der strategischen<br />
Zielsetzung“. Orientierung bewirkt, dass innovationsbezogene Initiativen einzelner Mitarbei-<br />
ter bereits bei deren Entstehung in die strategisch „richtige“ Richtung gelenkt werden. Ferner<br />
beinhaltet Orientierung eine Entscheidungshilfe für die Annahme bzw. Ablehnung von Ideen<br />
und Vorschlägen und dient damit der Prophylaxe von ideenbezogenen Konflikten.<br />
Vertrauen wird als die „wechselseitige Bereitschaft, auch ohne vertragliche Absicherungen<br />
Verletzbarkeit zu akzeptieren“ (Gebert et al., 2001; S. 212) definiert. Gegenseitiges Vertrauen<br />
hat zur Folge, dass der einzelne Mitarbeiter seinen Kollegen und Vorgesetzten weniger mik-<br />
ropolitisches Interesse bei der Beurteilung von Ideen und Vorschlägen zuschreibt. Vertrauen<br />
schafft damit im Falle eines entstehenden Konfliktes die Möglichkeit einer konstruktiven<br />
Konfliktbearbeitung.<br />
Boerner und Gebert (2004) fanden einen starken positiven Zusammenhang zwischen der Of-<br />
fenheit einer Organisation und Maßnahmen der Integration. Gebert et al. (2001) konnten fer-<br />
ner zeigen, dass ein linearer positiver Zusammenhang zwischen der Offenheit einer Organisa-<br />
tion und deren innovativer Leistung nur dann besteht, wenn die Offenheit mit gleichzeitiger<br />
Integration einhergeht. Ohne Integration ist dieser Zusammenhang – statistisch gesehen –
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 9<br />
quadratisch und negativ, was bedeutet, dass ab einem gewissen Ausmaß an Offenheit sich<br />
diese wieder negativ auf die innovative Leistung einer Organisation auswirkt.<br />
Offenheit und Integration im Sinne von Gebert et al. (2001) werden neuerdings in der eng-<br />
lischsprachigen Organisationsforschung mit dem allgemeinen Konzept der Ambidexterity<br />
(Gibson & Birkinshaw, 2004) erfasst.<br />
Wörtlich übersetzt bedeutet Ambidexterity soviel wie Beidhändigkeit. Allgemein wird darun-<br />
ter die Fähigkeit einer Organisation verstanden, zwei Ziele gleichzeitig zu verfolgen. Im vor-<br />
liegenden Zusammenhang geht es dabei um die Fähigkeit zur gleichzeitigen Anpassung und<br />
Integration, zur parallelen Öffnung und Schließung von Organisationen. Gibson und Birkins-<br />
haw (2004) konnten empirisch einen Zusammenhang zwischen Ambidexterity und dem öko-<br />
nomischen Erfolg einer Geschäftseinheit nachweisen.<br />
3. Öffnung und Integration durch Mitarbeiterbeteiligung<br />
Im Folgenden soll untersucht werden, wie in einer Organisation die Fähigkeit zur parallelen<br />
Öffnung und Integration hergestellt werden kann. Während z.B. Gebert (2002) eine Möglich-<br />
keit dazu in einer gleichzeitig partizipativen bzw. delegativen Führung und einer visionären,<br />
transformationalen Führung sieht, gehen wir von der Vermutung aus, dass eine ganzheitliche<br />
Umsetzung der Mitarbeiterbeteiligung diese Funktion ebenfalls erfüllen kann. Dieser Gedan-<br />
ke soll im Folgenden näher ausgeführt werden.<br />
3.1 Formen der Mitarbeiterbeteiligung<br />
Mitarbeiterbeteiligung umfasst die materielle und die immaterielle Beteiligung von Arbeit-<br />
nehmern an dem Unternehmen, in dem sie beschäftigt sind. Die materielle Beteiligung ist die<br />
geldwerte Beteiligung von Mitarbeitern am Unternehmen (Schaschl, 2000) und kann als Be-<br />
teiligung am Kapital oder Erfolg des Unternehmens oder über sonstige Formen, wie z.B. Ak-<br />
tienoptionen oder Zeit-Wertpapiere, erfolgen (Backes-Gellner, Kay, Schröer & Wolf, 2002).<br />
Bei der immateriellen Beteiligung werden die Arbeitnehmer in Informations-, Koordinations-<br />
und Entscheidungsprozesse innerhalb des Unternehmens einbezogen (Scholand, 2001;<br />
Schaschl, 2000; Backes-Gellner et al., 2002). Hier ist zu unterscheiden zwischen Formen der<br />
gesetzlichen Mitbestimmung und der darüber hinaus gehenden betrieblich eingeräumten Par-<br />
tizipation (Backes-Gellner et al., 2002; Voß, Wilke, Conrad & Hucker, 2003). Die folgende<br />
Abbildung liefert einen Überblick über die Formen der Mitarbeiterbeteiligung.
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 10<br />
Abb. 3: Formen der Mitarbeiterbeteiligung (in Anlehnung an Backes-Gellner et al. 2002, S. 5)<br />
3.1.1 Immaterielle Beteiligung<br />
Arbeitnehmer können an betrieblichen Informations-, Koodinations- und Entscheidungspro-<br />
zessen zum einen auf der Basis gesetzlicher Bestimmungen beteiligt werden, zum anderen<br />
aufgrund freiwillig im Unternehmen eingeräumter Formen betrieblicher Partizipation.<br />
Einen Überblick über die verschiedenen Formen immaterieller Beteiligung der Mitarbeiter am<br />
Unternehmen gibt die folgende Abbildung.<br />
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Abb. 4: Formen der immateriellen Mitarbeiterbeteiligung (in Anlehnung an Voß, Wilke, Conrad<br />
& Hucker, 2003; S. 19; vgl. auch Kay & Backes-Gellner, 2004; S. 131)<br />
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3.1.1.1 Gesetzliche Mitbestimmung<br />
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 11<br />
Bei der gesetzlichen Mitbestimmung ist zu unterscheiden zwischen Mitbestimmung auf der<br />
Unternehmensebene und betrieblicher Mitbestimmung. Im Folgenden wird nur knapp die<br />
Mitbestimmung auf Unternehmensebene beleuchtet und der Fokus auf die betriebliche Mitbe-<br />
stimmung durch den Betriebsrat gesetzt.<br />
Rechtliche Grundlagen der Mitbestimmung auf der Unternehmensebene sind das Montanmit-<br />
bestimmungsgesetz von 1951, das Drittelbeteiligungsgesetz von 2004 sowie das Mitbestim-<br />
mungsgesetz von 1976 (Jung, 2005). Nach diesen Gesetzen unterliegen nur Unternehmen in<br />
der Rechtsform Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit begrenzter Haftung, Kommanditgesell-<br />
schaft auf Aktien oder Unternehmen, die als juristische Person in einer ähnlichen Rechtsform<br />
geführt werden, der Unternehmensmitbestimmung. Die Mitbestimmung kann nur in Unter-<br />
nehmen geltend gemacht werden, die eine bestimmte Mindestzahl von Mitarbeitern haben.<br />
Die Einflussnahme der Mitarbeiter ist entsprechend dieser gesetzlichen Bestimmungen über-<br />
wiegend nur über Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Unternehmen möglich (Jung,<br />
2005; Weber, Mayrhofer, Nienhüser & Kabst, 2005).<br />
Bei der betrieblichen Mitbestimmung ist neben dem Sprecherausschuss, der sich für die Be-<br />
lange der leitenden Angestellten einsetzt, und dem Wirtschaftsausschuss, in welchem der Un-<br />
ternehmer über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens zu informieren und sich<br />
mit ihm zu beraten hat, die besondere Rolle des Betriebsrates hervorzuheben.<br />
Der Betriebsrat vertritt die Interessen der Arbeitnehmer im Unternehmen auf der Grundlage<br />
des Betriebsverfassungsgesetz von 1972, Neufassung 2001 (Jung, 2005). Das Betriebsverfas-<br />
sungsgesetz regelt unter anderem die Zusammensetzung und die Wahl des Betriebsrates sowie<br />
die Zahl seiner Mitglieder. Insbesondere werden durch das Betriebsverfassungsgesetz die Be-<br />
teiligungsrechte des Betriebsrates bestimmt, die je nach Intensität der Einflussnahme von<br />
Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten, wie Informations-, Vorschlags-, Anhörungs- und<br />
Beratungsrecht, bis hin zu Mitentscheidungsrechten, wie Veto-, Widerspruchs- und Initiativ-<br />
recht, reichen. Der gesetzlich festgelegte Grad der Einflussnahme bestimmt sich nach Inhalt<br />
und Art der jeweiligen Angelegenheit im Unternehmen.<br />
Der Betriebsrat bündelt die Interessen der Belegschaft und vertritt sie gegenüber der Betriebs-<br />
leitung. Die Beziehungen zwischen Betriebsräten und der Betriebsleitungen, die in den Unter-<br />
nehmen sehr unterschiedlich gestaltet sein können, werden in der Literatur oft im Kontext von
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 12<br />
Betriebsrats-Typologien entlang verschiedener Dimensionen diskutiert (Nienhüser, 2005).<br />
Diese Betriebsrats-Typen kennzeichnen spezifisch ausgeprägte Sozialbeziehungen zwischen<br />
den betrieblichen Parteien (Nienhüser, 2005; Kotthoff, 1981, 1994). Als Dimensionen werden<br />
unter anderem Einflusspotenzial bzw. Macht des Betriebsrates und seine Kooperationsbereit-<br />
schaft betrachtet (vgl. Kotthoff, 1981, 1994; Nienhüser, 2005). So unterscheidet Nienhüser<br />
(2005) beispielsweise vier Betriebsrats-Typen anhand der Dimensionen Stärke und Koopera-<br />
tionsbereitschaft: (1) schwacher, kooperationsbereiter Betriebsrat, (2) schwacher, wenig ko-<br />
operationsbereiter Betriebsrat, (3) starker, kooperationsbereiter Betriebsrat und (4) starker,<br />
wenig kooperationsbereiter Betriebsrat.<br />
Der Betriebsrat als Institution der betrieblichen Mitbestimmung kann je nach Betriebsrats-Typ<br />
die bereits explizierten Integrationsprozesse im Unternehmen unterstützen. Hohe Kooperati-<br />
onsbereitschaft des Betriebsrates kann zur Konsensfindung im Sinne der Entscheidungsfähig-<br />
keit nach Gebert et al. (2001; S. 212) beitragen. Nienhüser (2005, S. 11) spezifiziert die<br />
Kennzeichnen eines kooperativen Akteurs wie folgt: „Ein kooperativer Akteur ist eher bereit,<br />
konstruktiv nach gemeinsamen Lösungen und nach Kompromissen zu suchen, unter Umstän-<br />
den Abstriche bei der Realisierung seiner Interessen zu machen...“. Als kooperationsbereiter<br />
Akteur wird der Betriebsrat demnach im Rahmen seiner Ausübung der Interessenvertretung<br />
aller Arbeitnehmer tendenziell die Konsensfindung mit der Betriebsleitung unterstützen und<br />
damit die Einigkeit in der Organisation fördern. Wenig kooperationsbereite Betriebsräte wer-<br />
den diesen Beitrag zur Integration im Unternehmen nicht oder nur im geringen Maße leisten<br />
können.<br />
Der Betriebsrat hat im Rahmen der Erfüllung seiner Kontroll-, Initiativ- und Fürsorgeaufga-<br />
ben unter anderem Anregungen und Forderungen der Belegschaft entgegen zu nehmen und<br />
entsprechende Maßnahmen beim Arbeitgeber zu veranlassen (Weber et al. 2005), eventuell<br />
auch Maßnahmen zu erarbeiten, diese dem Management vorzuschlagen und bei der Imple-<br />
mentierung dieser Maßnahmen zu unterstützen. Der Betriebsrat kann so dazu beitragen, der<br />
Betriebsleitung Probleme und Anpassungsbedarfe im Unternehmen aufzuzeigen und beste-<br />
hende betriebliche Prozesse und Lösungen in der Organisation neu zu überdenken und zu<br />
verbessern. Somit kann die betriebliche Mitbestimmung durch den Betriebsrat auch Öff-<br />
nungsprozesse im Unternehmen fördern.<br />
Die Macht des Betriebsrates spielt dabei eine wichtige Rolle. Betriebsräte mit großem Ein-<br />
flusspotenzial können die Interessenvertretung der Arbeitnehmer stärker wahrnehmen, sich
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 13<br />
mehr für die Belange der Belegschaft einsetzen, Öffnungsprozesse stärker fördern und ent-<br />
sprechend ihrer Kooperationsbereitschaft im größeren Maße Integrationsprozesse im Unter-<br />
nehmen beeinflussen.<br />
3.1.1.2 Freiwillige Partizipation<br />
Freiwillig im Unternehmen eingeräumte Partizipation kann als direkte oder indirekte Beteili-<br />
gung der Mitarbeiter an Informations-, Koordinations- und Entscheidungsprozessen vorkom-<br />
men (Voß, Wilke, Conrad & Hucker, 2003; vgl. Cotton, Vollrath, Froggatt, Lengnick-Hal &<br />
Jennings, 1988; Dachler & Wilpert, 1980; Heller, Pusic, Strauss & Wilpert, 1998).<br />
Bei der indirekten Partizipation wird die Beteiligung der Mitarbeiter durch Arbeitnehmerver-<br />
treter wahrgenommen (Voß, Wilke, Conrad & Hucker, 2003). Beispiele aus der betrieblichen<br />
Praxis sind hierfür der Runde Tisch oder Partnerschaftsausschüsse.<br />
Runder Tisch<br />
In Unternehmen ist der Runde Tisch eine Institution repräsentativer Interessenvertretung der<br />
Belegschaft zur Information über unternehmerische Belange sowie zur Beratung und Ent-<br />
scheidung spezifischer oder allgemeiner Problemstellungen im Unternehmen. Die am Runden<br />
Tisch teilnehmenden Arbeitnehmervertreter werden von der Belegschaft gewählt und können<br />
ähnlich Betriebsräten mit bestimmten Rechten ausgestattet werden (vgl. o.V., 2001). Prozesse<br />
der Öffnung und Integration der Organisation werden durch diese Institution ähnlich gefördert<br />
wie durch die Arbeit des Betriebsrats.<br />
Partnerschaftsausschuss<br />
Ein Partnerschaftsausschuss ist ein Gremium der finanziell am Unternehmen beteiligten Mit-<br />
arbeiter. Er vertritt die Interessen der beteiligten Mitarbeiter gegenüber der Unternehmenslei-<br />
tung, insbesondere nimmt er die Informations- und Kontrollrechte wahr, die in Bezug auf die<br />
materiellen Beteiligungsmodelle bestehen. Die Mitglieder des Partnerschaftsausschusses wer-<br />
den von der Gesellschafterversammlung des Unternehmens gewählt (Juntermanns, 1991).<br />
Damit werden durch den Ausschuss repräsentativ, d.h. über gewählte Vertreter der finanziell<br />
beteiligten Mitarbeiter die Belange dieser Mitarbeiter vertreten.<br />
Durch die Tätigkeit des Partnerschaftsausschusses können die finanziell am Unternehmen<br />
beteiligten Mitarbeiter Informationen z.B. über wirtschaftliche, politische oder strategische<br />
Angelegenheiten des Unternehmens erhalten. Den Mitarbeitern kann damit mehr Orientierung<br />
in der Organisation gegeben werden, sie erhalten beispielsweise ein klareres Bild über die
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 14<br />
Ziele des Unternehmens und können ihre Handlungen bewusster in die Richtung dieser Ziele<br />
steuern. Darüber hinaus kann der einzelne Mitarbeiter sowohl seine Handlungen als auch die<br />
seiner Kollegen eher bezüglich ihres Beitrags zur Zielerreichung bewerten. Die aktive Aus-<br />
übung der Informations- und Kontrollrechte der Mitarbeiter durch ihre Vertreter im Aus-<br />
schuss kann das Vertrauen der Mitarbeiter in das Unternehmen fördern. Mitarbeiter erhalten<br />
Informationen über wichtige Belange des Unternehmens, können die Handlungen des Mana-<br />
gements aus ihrer Sicht des informierten Mit-Eigentümers am Unternehmen eher verstehen<br />
und tendenziell weniger egoistische Motive hinter diesen Handlungen vermuten. Damit kann<br />
die Arbeit des Partnerausschusses Orientierung und Vertrauen im Sinne Gebert et al. (2002)<br />
fördern und so Integrationsprozesse unterstützen. Gleichzeitig erhalten die Interessen und<br />
Sichtweisen der am Unternehmen beteiligten Mitarbeiter ein stärkeres Gewicht im Unterneh-<br />
men. Mitarbeiter können über diesen Weg als Mit-Eigentümer stärker Einfluss nehmen, eher<br />
die Abläufe im Unternehmen mitgestalten und zum Überdenken vorhandener Reglements<br />
anregen oder auch innovative Ideen einbringen. Daher kann die Arbeit des Partnerschaftsaus-<br />
schusses auch die Öffnung der Organisation fördern.<br />
Neben der indirekten Partizipation können Mitarbeiter auch direkt, d.h. persönlich an Prozes-<br />
sen im Unternehmen beteiligt werden. Wichtige Formen der direkten Partizipation im Unter-<br />
nehmen sind z.B. Zielvereinbarungen, delegative Führung, Formen der Zirkelarbeit, betriebli-<br />
ches Vorschlagswesen, Mitarbeiterbefragung und teilautonome Arbeitsgruppen. Diese Parti-<br />
zipationsinstrumente sollen im Folgenden kurz dargestellt und vor dem Hintergrund ihrer<br />
Wirkung auf Öffnung und Integration der Organisation diskutiert werden.<br />
Zielvereinbarungen<br />
Das Konzept der Zielvereinbarung hat seinen Ursprung im Führungskonzept „Führen mit Zie-<br />
len“ (Staehle, Conrad & Sydow, 1999). Zu unterscheiden ist hierbei, ob Ziele (in der klassi-<br />
schen Variante des Führens mit Zielen) vorgegeben werden oder ob Führungskraft und Mitar-<br />
beiter die Ziele in einem Gespräch gemeinsam festlegen und vereinbaren (Putz & Lehner,<br />
2002). Diese zweite Form kann als ein Instrument der Beteiligung von Mitarbeitern angese-<br />
hen werden.<br />
Die Öffnung der Organisation erfolgt bei Zielvereinbarungen dadurch, dass die Sichtweise der<br />
Mitarbeiter in die Festlegung von Zielen mit einbezogen wird. Die vereinbarten Ziele leiten<br />
sich zumeist jedoch aus den übergeordneten Organisationszielen ab. Berkel und Lochner<br />
(2001) sehen Zielvereinbarungen als vermittelndes Element zwischen den im Leitbild vorge-<br />
gebenen Globalzielen der Organisation und der konkreten Umsetzung im operativen Tagesge-
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 15<br />
schäft. Man kann also annehmen, dass den Mitarbeitern durch Zielvereinbarungen Orientie-<br />
rung vermittelt wird. Ferner wird dadurch die Bindung der Mitarbeiter an die vereinbarten<br />
Ziele gesteigert (Nerdinger, 1995), was wiederum zum Konsens im Unternehmen beiträgt.<br />
Delegative Führung<br />
Unter Delegation kann die Übertragung von Teilen der Aufgaben einer Führungskraft an ei-<br />
nen Mitarbeiter verstanden werden (Hackman & Dunphy, 1990). Damit verbunden ist die<br />
Übertragung von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortung (Wegge, 2004). Eine Befra-<br />
gung von Führungskräften zu ihrem Delegationsverhalten hat gezeigt, dass sie Aufgaben zu-<br />
meist delegieren, um sich selbst zu entlasten (Yukl & Fu, 1999). Dabei ist das Vertrauen zwi-<br />
schen Führungskraft und Mitarbeiter eine wichtige Voraussetzung dafür, dass überhaupt dele-<br />
giert wird (Bauer & Green, 1996; Yukl & Fu, 1999). Wegge (2004) sowie Berkel & Lochner<br />
(2001) sprechen sich dafür aus, dass die Delegation von Aufgaben mit einem Rollenwandel<br />
auf Seiten der Führungskraft hin zum Coach und Berater verbunden sein muss.<br />
Durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen erhöht sich der Gestaltungsspielraum<br />
auf Seiten der Mitarbeiter. Dies trägt nach Gebert (2002) direkt zur Öffnung der Organisation<br />
bei. In einer Befragung von Managern konnte gezeigt werden, dass die Gewährung von Frei-<br />
heitsgraden und Autonomie in allen Phasen des Innovationsprozesses einen wichtigen Ein-<br />
fluss ausübt (Krause, 2005). Dies bestätigt die Bedeutung der Delegation für organisationale<br />
Öffnungsprozesse. Gleichzeitig beinhaltet die Delegation auch ein integrierendes Moment.<br />
Dieses besteht darin, dass zusätzlich zur Entscheidungsbefugnis die Verantwortung und damit<br />
auch der Rechtfertigungsdruck an den Mitarbeiter delegiert wird.<br />
Formen der Zirkelarbeit<br />
Eine bekannte Form der Partizipation ist die Arbeit in Qualitätszirkeln. Diese Form stammt<br />
ursprünglich aus Japan, bevor sie sich dann über die USA in die westlichen Industrieländer<br />
verbreitete und gewissermaßen zu einer Modeerscheinung wurde (Antoni, 1990). Die grund-<br />
legende Idee des Qualitätszirkels liegt darin, dass sich eine Gruppe von Mitarbeitern, die<br />
meist der unteren Hierarchieebene angehören, Problemen der Qualität von Produkten, Verfah-<br />
ren oder Arbeitsbedingungen zuwendet, um gemeinsam eine Lösung dafür zu erarbeiten. Dies<br />
geschieht zumeist während der Arbeitszeit, wird vom Top-Management unterstützt und ist als<br />
ein dauerhaft bestehender Bestandteil parallel zur eigentlichen Aufbauorganisation des Unter-<br />
nehmens anzusehen.<br />
Neben Qualitätszirkeln hat sich in der Praxis eine Reihe von weiteren Formen der Zirkelarbeit<br />
herausgebildet, mit denen der Grundgedanke des Qualitätszirkels auf andere Problemfelder
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 16<br />
der betrieblichen Praxis übertragen wird. So gibt es z.B. Gesundheitszirkel zur Lösung von<br />
Problemen im Bereich Gesundheit (Friczewski, 1994; Slesina, 1994), Sicherheitszirkel zur<br />
Lösung von Problemen des Arbeitsschutzes (Wenninger, 1999) sowie Umweltzirkel zur Lö-<br />
sung von Umweltproblemen (Wenninger, 1999). Die Zirkelarbeit ist als ein Modell partizipa-<br />
tiver Gruppenarbeit (Antoni, 1990) für weitere Problemfelder offen und lässt sich daher auf<br />
fast alle Bereiche anwenden.<br />
Zirkelarbeit schafft ein Forum für neue Ideen und für die Lösung von Problemen und trägt auf<br />
diese Weise zur Öffnung der Organisation bei. Die Integration der Problemlösungen und I-<br />
deen erfolgt bei der Zirkelarbeit durch die Vorgabe eines Zielbereiches wie Qualität, Gesund-<br />
heit oder Arbeits- und Umweltschutz. Diese sorgt für die Ausrichtung der Problemlösungsan-<br />
sätze und kann daher als Maßnahme zur Schaffung von Orientierung und damit der Integrati-<br />
on im Sinne von Gebert et al. (2001) angesehen werden.<br />
Betriebliches Vorschlagswesen<br />
Das betriebliche Vorschlagswesen (BVW) ist eine der ältesten Formen der Mitarbeiterbeteili-<br />
gung (Thom, 1996). Seit der Entstehung der Urform des BVW um 1880 (vgl. Zimmermann,<br />
1999) wurden in der Praxis immer wieder neue Varianten ausprobiert, deren Weiterentwick-<br />
lung bis heute nicht abgeschlossen zu sein scheint (Urban, 1994; Thom & Habegger, 2003).<br />
Das moderne Vorschlagswesen lässt sich verstehen als „ein komplexes und dynamisches be-<br />
triebliches System zur Förderung, Beurteilung, Anerkennung und Umsetzung von Verbesse-<br />
rungsvorschlägen, die von Mitarbeitern oder bestimmten betriebsexternen Personen einge-<br />
reicht werden und sich inhaltlich auf alle Leistungserstellungs-, Verwertungs- und Humanisie-<br />
rungsaufgaben erstrecken können“ (Bumann, 1991; zit. nach Zimmermann, 1999; S. 12).<br />
Ähnlich wie die Zirkelarbeit schafft auch das betriebliche Vorschlagswesen ein Forum für<br />
neue Ideen und Problemlösungen der Mitarbeiter. Die Integration erfolgt beim betrieblichen<br />
Vorschlagswesen durch die Schaffung von Regeln, nach denen über die Annahme oder Ab-<br />
lehnung von Verbesserungsvorschlägen entschieden wird.<br />
Mitarbeiterbefragungen<br />
Mitarbeiterbefragungen gehören zu den am weitesten verbreiteten Instrumenten der Organisa-<br />
tionsentwicklung (Bungard, Fettel & Jöns, 1997) und können ebenfalls als Instrument der<br />
partizipativen Unternehmensführung angesehen werden (Voß, Wilke, Conrad & Hucker,<br />
2003). Bei einer Mitarbeiterbefragung werden Mitarbeiter unter Verwendung bestimmter so-<br />
zialwissenschaftlicher Methodiken systematisch nach ihren Meinungen und Einstellungen zu<br />
verschiedenen, für die Erreichung der Ziele der Organisation relevanten Themenbereichen
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 17<br />
befragt. Dies geschieht mit der Absicht, die Daten über Personen hinweg zu Statistiken zu<br />
verdichten und damit das Erreichen der Ziele zu unterstützen (Borg, 2003).<br />
Nach Borg (2003) lassen sich verschiedene Formen der Mitarbeiterbefragung mit jeweils an-<br />
deren primären Zielsetzungen unterscheiden. Der umfassendste Ansatz der Mitarbeiterbefra-<br />
gung ist der so genannte Auftau- und Einbindungsmanagement-Prozess (AEMP). Hier dient<br />
die Befragung der Mitarbeiter im Gegensatz zu reinen Meinungsumfragen lediglich als Aus-<br />
gangspunkt für eine ganze Reihe von gemeinsam in speziellen Workshops zu erarbeitenden<br />
Maßnahmen, die der Verbesserung und Entwicklung der Organisation dienen sollen. Das<br />
AEMP-Modell basiert am stärksten auf dem Gedanken einer gemeinsamen Zielerreichung. Es<br />
kann als ein umfassendes Modell der partizipativen Unternehmensführung angesehen werden,<br />
da hier den Mitarbeitern nicht nur die Kommunikation nach oben sondern zugleich auch eine<br />
aktive Mitgestaltung ermöglicht wird. Auf diese Weise tragen Mitarbeiterbefragungen im<br />
Sinne des AEMP zur Öffnung von Organisationen bei.<br />
Das integrierende Moment einer Mitarbeiterbefragung liegt darin, dass die Meinungen einzel-<br />
ner Mitarbeiter nicht als Einzelmeinung gehört und behandelt werden, sondern in Form von<br />
Statistiken zu einem Gesamtmeinungsbild verdichtet werden. So verliert man sich im Rahmen<br />
des AEMP nicht in der Diskussion von Einzelmeinungen, sondern kann auf der Basis eines<br />
Meinungsbildes diskutieren. Diese Verdichtung von Einzelmeinungen dürfte zur Einigungs-<br />
fähigkeit und damit zum Konsens im Sinne von Gebert et al. (2001) beitragen.<br />
Ein zweites integrierendes Moment der Mitarbeiterbefragung besteht darin, dass es möglich<br />
ist, Schwerpunkte für die anzustrebenden Veränderungen zu setzen. So ist es im AEMP expli-<br />
zit vorgesehen, dass die Geschäftsleitung sich nach der Auseinandersetzung mit den Ergeb-<br />
nissen der Befragung auf Handlungsfelder verständigt, auf denen etwas getan werden soll.<br />
Durch diese Schwerpunkte wird einem „blinden Aktionismus“ vorgebeugt und Handlungen<br />
werden in eine strategisch sinnvolle Richtung gelenkt. Dies wiederum entspricht dem Merk-<br />
mal der Orientierung im Sinne von Gebert et al. (2001).<br />
Teilautonome Arbeitsgruppen<br />
Unter einer teilautonomen Arbeitsgruppe versteht man nach Antoni (1996; S. 25) „eine kleine<br />
Gruppe von Mitarbeitern, denen die Erstellung eines kompletten (Teil-)Produktes oder einer<br />
Dienstleistung mehr oder weniger verantwortlich übertragen wurde.“ Das Konzept wurde<br />
erstmals in Skandinavien erprobt und knüpft an verschiedene Konzepte der Arbeitsgestaltung<br />
wie Job Enlargement, Job Enrichment und Job Rotation an. Dadurch soll innerhalb einer sol-<br />
chen Arbeitsgruppe ein flexibler Arbeitseinsatz möglich werden. Letztlich verbirgt sich hinter
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 18<br />
dem Konzept der teilautonomen Arbeitsgruppe nichts anderes als die Delegation einer mehr<br />
oder weniger vollständigen Aufgabe an eine Arbeitsgruppe (Wegge, 2004; vgl. auch Hack-<br />
man & Dunphy, 1990).<br />
Die Verbindung zwischen teilautonomen Arbeitsgruppen und organisationalen Öffnungs- und<br />
Integrationsprozessen ist ähnlich zu sehen wie bei der Delegation von Aufgaben.<br />
Die folgende Tabelle fasst die vermuteten Wirkungen der beschriebenen Formen immateriel-<br />
ler Mitarbeiterbeteiligung auf die Öffnung und Schließung des Unternehmens zusammen:<br />
Beteiligungsform Öffnung Integration<br />
Betriebsrat Mitsprache-, Mitbestimmungs-, Initiativrecht<br />
bei betrieblichen Angelegenheiten<br />
Runder Tisch Mitsprache-, Mitbestimmungs-, Initiativrecht<br />
bei betrieblichen Angelegenheiten<br />
Partnerschaftsausschuss <br />
Zielvereinbarungen<br />
Teilautonome<br />
Arbeitsgruppen<br />
Delegative<br />
Führung<br />
Betriebliches<br />
Vorschlagswesen<br />
Mitgestaltung, Mitsprache durch Interessenvertreter<br />
der Mitarbeiter-Kapitaleigner<br />
Ermöglichung der Mitsprache bei der<br />
Festlegung von Zielen<br />
Entscheidungsspielraum und Verantwortung<br />
für die Arbeitsgruppe<br />
Entscheidungsspielraum durch das Übertragen<br />
von Verantwortung und Befugnissen<br />
an Einzelne<br />
Schaffung einer Plattform für Ideen und<br />
Verbesserungs-vorschläge<br />
Zirkelarbeit Schaffung einer Plattform für Ideen und<br />
Problemlösungen<br />
Mitarbeiterbefragung<br />
Mitarbeiter bekommen eine Stimme und<br />
können im AEMP aktiv an Veränderungen<br />
mitwirken<br />
Bündelung der Arbeitnehmerinteressen; als<br />
kooperationsbereiter Betriebsrat (Konsens)<br />
Bündelung der Arbeitnehmerinteressen<br />
(Konsens)<br />
Orientierung und Vertrauen durch Informations-<br />
und Kontrollrechte der Arbeitnehmervertreter;<br />
Interessen<br />
Orientierung durch Vermittlung des Leitbildes<br />
auf operative Ebene;<br />
Konsens durch Bindung der Mitarbeiter an die<br />
Ziele<br />
Vereinbarung von Zielen mit der Gruppe<br />
(Orientierung, Konsens)<br />
Zielvereinbarungen und Coaching (Orientierung);<br />
Delegation erfolgt zumeist erst nach Vertrauensbestätigung<br />
(Vertrauen);<br />
Verantwortung und Rechenschaftspflicht<br />
(Konsens)<br />
Festes Regelwerk bzw. feste Prozedur, nach<br />
der über Annahme oder Ablehnung eines<br />
Vorschlags entschieden wird (Konsens)<br />
Vorgabe von Zielbereichen wie Qualität,<br />
Gesundheit, Sicherheit oder Umwelt (Orientierung);<br />
Zirkelarbeit wird meist von Moderatoren<br />
begleitet (Konsens)<br />
Einzelne Stimmen werden zu Statistiken verdichtet<br />
(Konsens);<br />
Veränderungen können durch Schwerpunktsetzung<br />
kanalisiert werden (Orientierung)<br />
Tab. 1: Öffnung und Integration durch immaterielle Mitarbeiterbeteiligung
3.1.2 Materielle Beteiligung<br />
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 19<br />
Die materielle bzw. finanzielle Mitarbeiterbeteiligung kann als Beteiligung der Mitarbeiter am<br />
Kapital und/oder am Erfolg des Unternehmens erfolgen (siehe Abb. 5)<br />
Abb. 5: Formen der materiellen Mitarbeiterbeteiligung (in Anlehnung an Kay & Backes-<br />
Gellner, 2004, S. 131)<br />
Bei der Kapitalbeteiligung stellen die Mitarbeiter dem Unternehmen finanzielle Mittel zur<br />
Verfügung und werden damit zu Kapitalgebern des Unternehmens (Kay & Backes-Gellner,<br />
2004; Voß, Wilke & Maack, 2003). Zu unterscheiden sind vollgesellschafterliche Beteiligun-<br />
gen, wie z.B. Belegschaftsaktien oder GmbH-Anteile, und Mischkapitalformen, wie z.B. Ge-<br />
nussrechte oder Anteile als stiller Gesellschafter am Unternehmen. Vollgesellschafterliche<br />
Beteiligungen räumen dem Mitarbeiter als Gesellschafter des Unternehmens im Gegensatz zu<br />
den Mischkapitalformen Kontroll- und Mitentscheidungsrechte auf gesellschaftsrechtlicher<br />
Basis ein (Voß, Wilke & Maack, 2003, Schneider & Zander, 2001).<br />
Eine spezielle Form der Aktienbeteiligung am Unternehmen sind 'Employee Stock Ownership<br />
Plans' (ESOP). Hier ist zwischen amerikanischen und deutschen ESOPs zu unterscheiden.<br />
Amerikanische ESOPs sind eine „besondere Form von (steuerlich begünstigten) defined<br />
contribution Pensions Plänen, bei denen die Eigentümer Anteile ihres Unternehmens gegen<br />
großzügige Steuerreduzierungen an ihre Mitarbeiter/-innen 'verkaufen'. Zwischengeschaltet<br />
sind Fondsgesellschaften, die die Anteile der Mitarbeiter/-innen halten.“ (Voß & Wilke, 2003;<br />
S. 177). Bei deutschen ESOPs handelt es sich um einen kreditfinanzierten Erwerb von Aktien<br />
des Arbeit gebenden Unternehmens durch die Arbeitnehmer. Der Aktienkauf erfolgt zum ak-
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 20<br />
tuellen Börsenkurs (Voß & Wilke, 2003) oder zu einem Preis nahe dem Börsenkurs (Scho-<br />
land, 2001), wobei der Kaufpreis überwiegend durch das Arbeitgeberdarlehen finanziert wird<br />
und der Arbeitnehmer lediglich einen äußerst geringen Anteil an Eigenmittel decken muss.<br />
Durch ihren Anteil am Kapital des Unternehmens erhalten die Mitarbeiter die gleiche Stellung<br />
wie die übrigen Eigner. Da vermutlich sowohl beteiligte Mitarbeiter als auch die übrigen Eig-<br />
ner am Unternehmen das Beste für ihr eingesetztes Kapital erreichen wollen, werden ähnliche<br />
Interessen verfolgt. Die Einigung über die Grundausrichtung des Unternehmens sollte somit<br />
besser gelingen. Damit fördert die Kapitalbeteiligung Konsens im Unternehmen nach Gebert<br />
et al. (2001). Kapitalbeteiligung bietet den Mitarbeitern darüber hinaus Orientierung für ihr<br />
Handeln im Unternehmen. Die Mitarbeiter können zur Verfolgung ihrer Interessen als Mitei-<br />
gentümer am Unternehmen die Bedeutung und Richtung ihrer Handlungen an den Zielen, die<br />
sie mit der Kapitalbeteiligung verfolgen, messen. Folglich kann eine Kapitalbeteiligung die<br />
Integration in der Organisation unterstützen.<br />
Gleichzeitig ermächtigen die Kontroll- und Mitspracherechte die beteiligten Mitarbeiter – die<br />
Miteigentümer am Unternehmen sind –, im Rahmen ihrer gesellschaftsrechtlich zustehenden<br />
Einflussmöglichkeiten eigene Ideen, Vorschläge und Interessen ins Unternehmen einzubrin-<br />
gen und gegebenenfalls durchzusetzen. Somit kann die Kapitalbeteiligung auch zur Öffnung<br />
des Unternehmens beitragen.<br />
Mitarbeiter können auch am Erfolg ihres Unternehmens beteiligt werden. Dabei erhalten sie<br />
zusätzlich zu ihrem Lohn und Gehalt Zuwendungen, die vom Erfolg des Unternehmens ab-<br />
hängig sind. Die Höhe bzw. Entwicklung der Erfolgsbeteiligung kann von verschiedenen<br />
Größen, den so genannten Basisgrößen, abhängig gemacht werden. Schneider & Zander<br />
(2001) unterscheiden beispielsweise Gewinn-, Ertrags- und Leistungsbeteiligung. Darüber<br />
hinaus kann die Erfolgsbeteiligung aber auch an Marktindizes, weiteren ökonomischen Wer-<br />
ten oder strategischen Erfolgsfaktoren geknüpft sein (Aschmann, 1998).<br />
Am Erfolg beteiligte Mitarbeiter streben an, den Ertrag aus ihrer Erfolgsbeteiligung möglichst<br />
zu optimieren. Da die Basisgrößen der Beteiligung so gewählt sind, dass das Optimieren die-<br />
ser Größe gleichzeitig den Unternehmenserfolg fördert, ist dieses Optimierungsstreben der<br />
Mitarbeiter ganz im Sinne der Unternehmensziele. Mitarbeiter und Management verfolgen<br />
insofern ähnliche Ziele, so dass die Einigungsfähigkeit im Unternehmen erhöht wird. Außer-<br />
dem bietet die zu optimierende Basisgröße der Beteiligung den Mitarbeitern eine Orientierung
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 21<br />
ihres Handelns. Die Erfolgsbeteiligung kann somit zur Integration in der Organisation im Sin-<br />
ne von Gebert et al. (2001) beitragen.<br />
Im Zuge des Strebens der Mitarbeiter nach Optimierung der Basisgröße kann eine Erfolgsbe-<br />
teiligung auch dazu führen, dass Mitarbeiter im Interesse der Erhöhung ihres Erfolgsanteils<br />
die bestehenden Abläufe und Regeln eher hinterfragen, neue Ideen entwickeln oder Vorschlä-<br />
ge machen, was im Unternehmen verbessert werden kann. Hier wird der Einfluss der Erfolgs-<br />
beteiligung auf die Öffnung der Organisation sichtbar.<br />
Neben der Kapital- und Erfolgsbeteiligung existieren weitere Formen der materiellen Mitar-<br />
beiterbeteiligung, die sich in den letzten Jahren herausgebildet und an Bedeutung gewonnen<br />
haben (Kay & Backes-Gellner, 2004). Dazu zählen beispielsweise Aktienoptionsprogramme<br />
oder die Beteiligung der Mitarbeiter in Form von virtuellen Aktien oder Zeit-Wertpapieren.<br />
Die folgende Tabelle fasst die diskutierten Wirkungen auf die Öffnung und Integration der<br />
Organisation durch die materielle Mitarbeiterbeteiligung zusammen.<br />
Beteiligungsform Öffnung Integration<br />
Kapitalbeteiligung Durch Kontroll- und Mitspracherechte<br />
aus der Beteiligung;<br />
Neue Ideen, Vorschläge von Mitarbeitern<br />
aus dem Interesse einer Erhöhung<br />
ihres Kapitalanteils<br />
Erfolgsbeteiligung Neue Ideen, Vorschläge von Mitarbeitern<br />
aus dem Interesse einer Erhöhung<br />
ihres Erfolgsanteils<br />
Tab. 2: Öffnung und Integration durch materielle Mitabeiterbeteiligung<br />
Divergenz der Interessen der Mitarbeiter<br />
und des Managements bzw. der<br />
übrigen Unternehmenseigner bezüglich<br />
der Unternehmensziele bzw. Eigentümerziele<br />
sinkt, Konsens leichter möglich<br />
(Konsens);<br />
Orientierung durch gemeinsames Anstreben<br />
einer Optimierung des Wertes<br />
des Kapitalanteils (Orientierung)<br />
Divergenz der Interessen der Mitarbeiter<br />
und des Managements/der Unternehmensziele<br />
sinkt, Konsens leichter<br />
möglich (Konsens);<br />
Orientierung durch gemeinsames Anstreben<br />
der zu optimierenden Basisgrößen<br />
der Beteiligung (Orientierung)<br />
Zusammenfassend zeigt sich, dass alle Formen der Mitarbeiterbeteiligung mehr oder weniger<br />
stark die Prozesse der Integration und Öffnung der Organisationen fördern können. Das lässt<br />
den Schluss zu, dass Unternehmen, die ihre Mitarbeiter materiell und/oder immateriell betei-<br />
ligen, angesichts des Wandels der Umweltbedingungen ein starkes Potenzial haben, die An-
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 22<br />
passungsprobleme zu meistern. Gleichzeitig können die Mitarbeiterbeteiligungsinstrumente<br />
die beschriebenen negativen Sekundäreffekte der Öffnung einer Organisation kompensieren.<br />
3.2 Wirkmechanismen der Mitarbeiterbeteiligung<br />
Als Ergebnis der voran gegangenen Ausführungen konnte die Vermutung abgeleitet werden,<br />
dass Mitarbeiterbeteiligung zur Öffnung einer Organisation beitragen kann. In diesem Ab-<br />
schnitt soll nun diskutiert werden, über welche vermittelnden Mechanismen dies geschehen<br />
kann.<br />
3.2.1 Öffnung durch Empowerment und Eigeninitiative<br />
Öffnung kann u.a. durch Empowerment als ein Merkmal der Situation und durch Eigeninitia-<br />
tive als ein Merkmal der Person bewirkt werden.<br />
Empowerment<br />
Empowerment lässt sich von verschiedenen Seiten betrachten. Zum einen bezieht es sich auf<br />
die Seite der Organisation und meint hier den Vorgang des Delegierens von Verantwortung<br />
und Macht (Konczak, Stelly & Trusty, 2000). Empowerment kann jedoch auch verstanden<br />
werden als ein Prozess der Förderung von Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter (Conger & Ka-<br />
nungo, 1988). Dies kann dadurch geschehen, dass die Bedingungen von Machtlosigkeit in der<br />
Organisation ausgemacht und durch Partizipation im Sinne der Ermöglichung von Mitspra-<br />
che, Mitgestaltung oder auch nur Information der entsprechenden Mitarbeiter beseitigt wer-<br />
den. So gesehen beinhaltet Empowerment mehr als nur die reine Delegation von Verantwor-<br />
tung.<br />
Im Konzept von Conger und Kanungo (1988) ist bereits angelegt, dass Empowerment durch<br />
Beteiligung von Mitarbeitern gefördert wird. Empirisch belegt wurde dieser Zusammenhang<br />
von Spreitzer (1996) für die Partizipationsvariablen Kontrollspanne, Zugang zu Informationen<br />
und partizipatives Klima.<br />
Die Ermöglichung von Mitsprache und Mitgestaltung ist ein wesentliches Element, das die<br />
Öffnung von Organisationen im Sinne von Gebert et al. (2001) fördert. Empowerment trägt<br />
somit zur Öffnung in Organisationen bei.<br />
Eigeninitiative<br />
Das Konstrukt Eigeninitiative (englisch: personal initiative; deutsche Bezeichnung nach Frese<br />
& Fay, 2000) wurde von Frese, Fay, Hilburger, Leng und Tag (1997) als ein Aspekt der be-<br />
ruflichen Leistung beschrieben, der indirekt mit organisationaler Effektivität in Beziehung<br />
steht. Die Autoren definieren Eigninitiative als Verhaltenssyndrom, welches dadurch gekenn-
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 23<br />
zeichnet ist, dass ein Individuum eine aktive und selbst gesteuerte Herangehensweise an seine<br />
Arbeit entwickelt und Leistungen über das formell Geforderte hinaus erbringt (Fay & Frese,<br />
2001). Dabei richtet sich Eigeninitiative auf die Ziele der Organisation, ist auf langfristigen<br />
Erfolg angelegt, zielgesteuert und handlungsorientiert und beharrt trotz eventuell auftretender<br />
Barrieren auf der eingeschlagenen Richtung.<br />
In einer empirischen Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Eigeninitiative (genauer:<br />
dem damit verwandten Konzept der persönlichen Initiative nach Nerdinger, 2000) und der<br />
Beteiligung am Erfolg eines Unternehmens konnte gezeigt werden, dass der Zusammenhang<br />
zwischen Erfolgsbeteiligung und persönlicher Initiative dann am größten ist, wenn die betei-<br />
ligten Mitarbeiter gleichzeitig auch viele Möglichkeiten zur Partizipation sehen (Horsmann,<br />
Nerdinger & Pundt, 2003). Daraus lässt sich schließen, dass ein Zusammenhang zwischen der<br />
Beteiligung von Mitarbeitern und Eigeninitiative besteht.<br />
Frese, Teng und Wijnen (1999) untersuchten die Bedeutung der Eigeninitiative für das Ausar-<br />
beiten und Einreichen von Verbesserungsvorschlägen mit dem Ergebnis, dass Eigeninitiative<br />
eine wichtige Bedingung für die Entstehung innovationsbezogener Initiativen ist. Eigeninitia-<br />
tive unterstützt demnach die Öffnung und damit auch die Anpassungsfähigkeit einer Organi-<br />
sation.<br />
Interessant ist ferner die Möglichkeit, dass in einer Organisation ein Klima der Initiative be-<br />
stehen kann (Baer & Frese, 2003; Fay, Lührmann & Kohl, 2004). Ein Klima der Initiative<br />
bezieht sich auf formelle und informelle Verfahrensweisen, die proaktives, selbst startendes<br />
und ausdauerndes Verhalten am Arbeitsplatz anleiten und unterstützen. Es liegt die Vermu-<br />
tung nahe, dass ein solches Klima als ein Aggregat der Eigeninitiative einzelner Mitarbeiter<br />
entsteht. Ein solches Klima wiederum kann als ein Anzeichen für eine offene Unternehmens-<br />
kultur im Sinne von Gebert et al. (2001) angesehen werden.<br />
3.2.2 Integration durch psychologische Eigentümerschaft und Commitment<br />
Im Folgenden werden zwei Mechanismen diskutiert, die in der Lage sind, die Wirkung der<br />
Mitarbeiterbeteiligung auf die organisationale Integration zu vermitteln: psychologische Ei-<br />
gentümerschaft und organisationales Commitment.<br />
Psychologische Eigentümerschaft<br />
Das Konzept der Psychologischen Eigentümerschaft (Psychological Ownership) von Pierce,<br />
Rubenfeld und Morgan (1991) beschreibt die Zusammenhänge zwischen einer finanziellen<br />
Beteiligung am Unternehmen und organisationspsychologischen Wirkungen, wie Motivation,<br />
Einstellung und Leistung der Mitarbeiter. Der im Rahmen des Modells von Pierce et al.
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 24<br />
(1991) beschriebene Zustand der psychologischen Eigentümerschaft kann darüber hinaus<br />
auch einen Beitrag zur Erklärung der Wirkung finanzieller Mitarbeiterbeteiligung auf die In-<br />
tegration in der Organisation im Sinne von Gebert et al. (2001) leisten. Im Folgenden soll das<br />
Konzept der psychologischen Eigentümerschaft vor diesem Hintergrund vorgestellt und dis-<br />
kutiert werden.<br />
Zu unterscheiden ist nach Pierce et al. (1991) zwischen formaler (formal ownership) und psy-<br />
chologischer Eigentümerschaft (psychological ownership). Formale Eigentümerschaft basiert<br />
auf dem realen Besitz an materiellen und immateriellen Objekten bzw. auf dem Eigentum an<br />
diesen Objekten im Sinne juristischer Auslegungen. Psychologische Eigentümerschaft stellt<br />
dagegen das Erleben von Eigentümerschaft durch das Individuum in den Mittelpunkt. Psycho-<br />
logische Eigentümerschaft beschreibt den Zustand eines Individuums, welches das Objekt des<br />
Eigentums bzw. des Besitzes oder einen Teil dieses Objekts als „seines“, im Sinne von „Es ist<br />
meins!“, empfindet. Das Individuum erlebt das materielle oder immaterielle Objekt als Teil<br />
seines erweiterten Selbst (Pierce et al., 1991). Kern der psychologischen Eigentümerschaft ist<br />
das Gefühl des (Mit-)Besitzes eines Objekts sowie die psychologische Verbundenheit mit<br />
diesem Objekt (Pierce, Kostova & Dirks, 2001).<br />
Objekte des Eigentums können die gesamte Organisation, der Arbeitsplatz, aber auch spezifi-<br />
sche Aspekte der Organisation sein, wie z.B. das Team, der Job, Arbeitsmittel oder die Arbeit<br />
selbst. In Abhängigkeit vom Individuum und der Situation kann die Salienz dieser verschie-<br />
denen Objekte des Eigentums variieren (Van Dyne & Pierce, 2004), d.h. bestimmte Objekte<br />
können in der Wahrnehmung des Individuums in den Vordergrund rücken, während andere<br />
nicht als Eigentum wahrgenommen werden. Mit Blick auf die finanzielle Beteiligung der Mit-<br />
arbeiter am Unternehmen und der damit verbundenen Erzeugung formaler Miteigentümer-<br />
schaft der Mitarbeiter an ihrem Arbeit gebenden Unternehmen sollen als Objekte des Eigen-<br />
tums das Unternehmen bzw. die Organisation oder Teile dieser für den Mitarbeiter salient<br />
werden. Durch das Beteiligungssystem soll somit ein hohes Niveau psychologischer Eigen-<br />
tümerschaft gegenüber der Organisation erreicht werden.<br />
Wie aus formalem Eigentum an Objekten psychologische Eigentümerschaft entsteht, diskutie-<br />
ren Pierce et al. (2001). Danach entwickelt sich psychologische Eigentümerschaft durch das<br />
Beherrschen und Kontrollieren des Objekts, durch das Ansammeln detaillierter Kenntnisse<br />
über das Eigentumsobjekt sowie durch das Einbringen des Selbst in dieses Objekt.<br />
Psychologische Eigentümerschaft erwächst demnach nur, wenn Individuen neben ihrem for-<br />
malen Eigentum auch die damit verbundenen Eigentumsrechte ausüben können, Informatio-
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 25<br />
nen über das Objekt erhalten und Einfluss auf das Objekt haben. Folglich führt finanzielle<br />
Mitarbeiterbeteiligung erst zu einem hohen Niveau psychologischer Eigentümerschaft, wenn<br />
sie durch partizipative Elemente im Unternehmen flankiert wird. Auch Pierce und Rodgers<br />
(2004) postulieren, dass materielle Beteiligungssysteme ohne Beachtung von Information und<br />
Einflussmöglichkeiten des Mitarbeiters die gewünschten Effekte, wie Steigerung von Motiva-<br />
tion, Leistung, positive Wirkungen auf arbeitsbezogene Einstellungen, nicht erwarten lassen.<br />
Es liegt im Wesen der psychologischen Eigentümerschaft, dass der Eigentümer „das Beste“<br />
für das Eigentumsobjekt (hier: die Organisation) erreichen will (Van Dyne & Pierce, 2004).<br />
Auf dieser Basis sollte es leichter sein, sich über die Grundausrichtung der Organisation zu<br />
einigen. So gesehen fördert psychologische Eigentümerschaft Konsens im Sinne von Gebert<br />
et al. (2001) und hat damit integrierende Wirkung.<br />
Organisationales Commitment<br />
Unter organisationalem Commitment wird zumeist das Ausmaß verstanden, in dem sich Men-<br />
schen ihrer Organisation oder Teilen der Organisation gegenüber zugehörig oder verbunden<br />
fühlen (van Dick, 2004). Meyer und Allen (1997) unterscheiden drei Formen des organisati-<br />
onalen Commitment: Affektives, normatives und fortsetzungsbezogenes (oder auch kalkulati-<br />
ves) Commitment. Jede dieser Formen ist durch eine ihr eigene, spezifische geistige Haltung<br />
des betreffenden Individuums gekennzeichnet.<br />
Affektives Commitment ist gekennzeichnet durch ein inneres Bedürfnis einer Person, zur Or-<br />
ganisation zu gehören. Es entsteht, wenn eine Person stark in Handlungen involviert ist, die<br />
dem Wohl der Organisation dienen. Ferner entwickelt es sich, wenn die Person den Bezug der<br />
entsprechenden Handlungen zu eigenen Werthaltungen erkennt oder wenn sie der Ausübung<br />
der entsprechenden Handlungen identitätsrelevante Informationen entnimmt.<br />
Normatives Commitment lässt sich durch ein Gefühl der Verpflichtung gegenüber der Orga-<br />
nisation kennzeichnen. Es wird gefördert, wenn eine Person durch die Zugehörigkeit zur Or-<br />
ganisation bestimmte Vorteile genossen hat und nun einen starken Drang zur Erwiderung die-<br />
ser Vorteile erlebt. Ferner entsteht normatives Commitment auch, wenn eine Person Handlun-<br />
gen zum Wohl der Organisation als Bestandteil ihres psychologischen Vertrags mit der Orga-<br />
nisation ansieht. Eine dritte Möglichkeit zur Entstehung von normativem Commitment liegt in<br />
der Sozialisation der Person. Wenn eine Person während ihrer Sozialisation die Handlungen<br />
zum Wohl eines Arbeitgebers als Norm für angemessenes Verhalten kennen gelernt hat, wird<br />
sie auch ein stärkeres Gefühl der Verpflichtung gegenüber der Organisation erleben.
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 26<br />
Fortsetzungsbezogenes Commitment entsteht, wenn eine Person Investitionen in die Organi-<br />
sation tätigt oder so genannte „Seitenwetten“ abschließt, deren Wert sie verlieren würde,<br />
wenn sie die Organisation verlässt (Moser, 1996). Ferner kann fortsetzungsbezogenes Com-<br />
mitment auch aus einem Mangel an Alternativen heraus entstehen.<br />
Es fällt auf, dass die oben angeführte Definition von van Dick (2004) zu kurz greift, da sie<br />
lediglich das affektive Commitment, nicht jedoch das normative und das fortsetzungsbezoge-<br />
ne Commitment umfasst. Meyer und Herscovitch (2001) definieren organisationales Com-<br />
mitment daher allgemeiner als eine Kraft, die ein Individuum an Handlungen bindet, welche<br />
dem Wohl der Organisation dienen. Diese Kraft kann aus verschiedenen Quellen resultieren,<br />
was sich wiederum in den verschiedenen Formen des Commitment äußert.<br />
Wir gehen davon aus, dass der Zusammenhang zwischen Mitarbeiterbeteiligung und Integra-<br />
tion (Konsens) über organisationales Commitment (speziell affektives Commitment) vermit-<br />
telt werden kann. Ein integrierendes Moment des Commitment besteht darin, dass die Organi-<br />
sation durch den Wunsch der Mitarbeiter, auch weiterhin zur Organisation zu gehören, auch<br />
dann erhalten bleibt, wenn verschiedene Meinungen diskutiert werden. Die Verbundenheit<br />
mit der Organisation wird dadurch nicht in Frage gestellt, und dies trägt dazu bei, dass die<br />
Organisation auch im Konfliktfall nicht zerfällt. Somit erhöht affektives Commitment die<br />
Einigungsfähigkeit in einer Organisation und damit den Konsens im Sinne von Gebert et al.<br />
(2001).<br />
Ein zweites integrierendes Moment von Commitment liegt in der Orientierung. So steht bei<br />
Mitarbeitern mit hohem Commitment das Wohl der Organisation im Vordergrund (Meyer &<br />
Herscovitch, 2001). Das Ziel von Veränderungsinitiativen ist gewöhnlich das Wohl der Orga-<br />
nisation, dies entspricht dem Merkmal der Orientierung im Sinne von Gebert et al. (2001).<br />
Um auch empirisch zu belegen, dass Commitment den Zusammenhang zwischen Mitarbeiter-<br />
beteiligung und Integration vermittelt, ist es nötig zu zeigen, dass es einen Zusammenhang<br />
zwischen Mitarbeiterbeteiligung und Commitment gibt, sowie, dass Commitment in Zusam-<br />
menhang mit Aspekten der Integration steht.<br />
Der Zusammenhang zwischen Mitarbeiterbeteiligung und Commitment wurde bereits mehr-<br />
fach empirisch untersucht. Allerdings ist dieser Zusammenhang durchaus komplexerer Natur.<br />
So konnten Culpepper, Gamble und Blubaugh (2004) zeigen, dass der wahrgenommene fi-<br />
nanzielle Wert eines ESOP, der durch das ESOP entstehende Handlungsspielraum (Empo-<br />
werment) sowie die Bedeutung des ESOP für den Arbeitgeber mit affektivem Commitment in<br />
Zusammenhang stehen. Der durch das ESOP entstehende Handlungsspielraum hängt zudem
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 27<br />
mit normativem Commitment zusammen. Der objektive Beitrag des Arbeitgebers zum ESOP<br />
dagegen korreliert mit dem fortsetzungsbezogenen Commitment.<br />
Buchko (1992) konnte zeigen, dass der finanzielle Wert eines ESOP und der wahrgenommene<br />
Einfluss durch das ESOP jeweils einen anderen Teil der Varianz von organisationalem Com-<br />
mitment aufklären. Leider differenziert Buchko (1992) nicht zwischen verschiedenen Formen<br />
des Commitment. Wie jedoch Befunde einer Meta-Analyse von Meyer, Stanley, Herscovitch<br />
und Topolnytsky (2002) zeigen, hängt das von Buchko (1992) verwendete Messinstrument,<br />
der Organizational Commitment Questionnaire (OCQ), am stärksten mit affektivem Com-<br />
mitment ( = .88) und am wenigsten mit fortsetzungsbezogenem Commitment ( = -.02) zu-<br />
sammen. Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass die von Buchko (1992) gefundenen<br />
Zusammenhänge am ehesten auf affektives Commitment zutreffen.<br />
Kritisch an diesen Studien ist, dass sie sich alle auf ein spezielles und – darüber hinaus – ame-<br />
rikanisches Modell der Mitarbeiterbeteiligung (ESOP) beziehen. Untersucht man den Zu-<br />
sammenhang zwischen der Beteiligung der Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens in deut-<br />
schen Betrieben, so lässt sich kein direkter Zusammenhang nachweisen (Horsmann, Nerdin-<br />
ger & Pundt, 2003). Am Erfolg des Unternehmens beteiligte Mitarbeiter sind nicht grundsätz-<br />
lich stärker an das Unternehmen gebunden als diejenigen, die nicht am Erfolg beteiligt sind.<br />
Allerdings wird dieser Zusammenhang tendenziell von der Anzahl der Partizipationsmöglich-<br />
keiten im Unternehmen moderiert. D.h., dass die am Erfolg beteiligten Mitarbeiter das stärks-<br />
te Commitment haben, wenn gleichzeitig genügend Partizipationsmöglichkeiten zur Verfü-<br />
gung stehen.<br />
3.3 Die Gefahr des Zynismus gegenüber Mitarbeiterbeteiligung<br />
Wiederholtes Einführen oder Verändern von Beteiligungsinstrumenten ohne für den Mitarbei-<br />
ter erkennbaren Erfolg sowie mangelnde Unterstützung und erkannte Inkompetenz des Mana-<br />
gement bei der Implementierung, Umsetzung und Pflege des Beteiligungssystems können zu<br />
zynischen Haltungen der Mitarbeiter gegenüber diesen und neuen Beteiligungsinstrumenten,<br />
gegenüber dem Management und seinem künftigen Handeln sowie gegenüber dem Unter-<br />
nehmen führen. Auch häufig erlebte Veränderungsmaßnahmen, die im Unternehmen ihre<br />
hoch gesteckten, erstrebenswerten Ziele verfehlt haben, können bei Mitarbeitern zu Enttäu-<br />
schung, Verbitterung und einer pessimistischen Haltung gegenüber dem Erfolg dieser und<br />
weiterer Maßnahmen des Managements führen und damit Zynismus der Mitarbeiter auslösen.<br />
Organisationaler Zynismus ist ein Multi-Facetten-Konstrukt (Dean, Brandes & Dharwadkar,<br />
1998; Stanley, Meyer & Topolnytsky, 2005) und wird definiert als Einstellung gegenüber
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 28<br />
einem spezifischen Objekt des Arbeitsplatzes oder der Arbeit oder – als generalisierte Form –<br />
gegenüber einer Vielzahl solcher Objekte, die sich in Frustration und Ernüchterung sowie<br />
negativen Gefühlen und Misstrauen ausdrückt (Andersson, 1996; Andersson & Bateman,<br />
1997; Abraham, 2000) und tendenziell zu kontraproduktivem Verhalten gegenüber der Orga-<br />
nisation führt (Nerdinger, 2004).<br />
Nach seinem Einstellungsobjekt können verschiedene Formen des organisationalen Zynismus<br />
unterschieden werden (Abraham, 2000). Richtet sich die zynische Haltung gegen das Arbeit<br />
gebende Unternehmen, gegen dessen Management, gegen das Arbeitsteam oder gegen andere<br />
Aspekte des Arbeitsplatzes, wird vom Mitarbeiterzynismus gesprochen. Eine besondere Form<br />
ist der Zynismus gegenüber organisationalen Veränderungen (Abraham, 2000; Wanous, Rei-<br />
chers & Austin, 2000). Diese Form kann definiert werden als pessimistische Haltung gegen-<br />
über dem Erfolg von Veränderungsbemühungen im Unternehmen (Wanous et al., 2000) und<br />
als situationaler oder als ideologischer Zynismus auftreten (vgl. Ownership Associates, 1999).<br />
Situationale Zyniker bewerten organisatorische Veränderungen im Unternehmen potenziell<br />
als Nutzen bringend und würden Maßnahmen zur Realisierung der Veränderungsbestrebun-<br />
gen unterstützen; jedoch sind sie pessimistisch hinsichtlich des Erfolgs der Veränderungsbe-<br />
mühungen und der Implementierung dieser Maßnahmen unter den im Unternehmen gegebe-<br />
nen Bedingungen (vgl. Ownership Associates, 1999). Oftmals werfen sie den Initiatoren und<br />
Promotoren der Veränderungen egoistische Motive, Trägheit oder Inkompetenz vor (Stanley<br />
et al., 2005, Wanous et al., 2000, Abraham, 2000) oder glauben, dass in ihrem Unternehmen<br />
inadäquate Maßnahmen zur Realisierung eingesetzt und so die angestrebten Ziele verfehlt<br />
werden (Ownership Associates, 1999). Ideologische Zyniker lehnen dagegen die intendierten<br />
organisationalen Veränderungen bereits auf der konzeptionellen Ebene ab, sehen keinen Sinn<br />
in Veränderungen und Veränderungsmaßnahmen und sind gekennzeichnet durch eine „auto-<br />
matisiertes“ Misstrauen gegenüber jeglicher Initiative des Unternehmens (Ownership Associ-<br />
ates, 1999).<br />
Die Zahl zynischer Mitarbeiter kann in Unternehmen beachtlich hoch sein. Eine Befragung<br />
von 1.441 Mitarbeitern, die an ihren Arbeit gebenden Unternehmen finanziell beteiligt sind,<br />
d.h. eine Form der materiellen Mitarbeiterbeteiligung haben, ergab, dass 26,1% der Befragten<br />
situationale Zyniker sind, d.h. die finanziellen Beteiligungssysteme ihrer Unternehmen nicht<br />
in der Weise unterstützen, wie sie implementiert wurden, obwohl sie generell positiv zur fi-<br />
nanziellen Mitarbeiterbeteiligung stehen. 5,1% der Befragten waren ideologische Zyniker.<br />
53,2% der befragten Mitarbeiter äußerten sich positiv über ihre Beteiligungssysteme, während
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 29<br />
15,6% eine neutrale – weder positive noch zynische – Haltung zeigten (Ownership Associa-<br />
tes, 1999).<br />
Zynismus entsteht im Individuum, wenn seine Erwartungen nicht erfüllt werden und es dar-<br />
aufhin Enttäuschung empfindet, die schließlich zu Desillusionierung, Frustration und Hoff-<br />
nungslosigkeit führt (Andersson, 1996). Die Entstehung der genannten Formen des organisa-<br />
tionalen Zynismus kann mit Hilfe des Konzepts des psychologischen Vertrags erklärt werden<br />
(Andersson, 1996; Abraham, 2000). Ein psychologischer Vertrag ist ein impliziter Vertrag<br />
zwischen dem Mitarbeiter und der Organisation und ist definiert als ein Glaube an die beider-<br />
seitige Verpflichtung zur Reziprozität zwischen den Vertragspartnern (Andersson, 1996;<br />
Rousseau, 1989; Coyle-Shapiro & Kessler, 2002). Mit dem psychologischen Vertrag werden<br />
durch den Mitarbeiter gewisse Erwartungen an seine Vertragspartner determiniert. Wird der<br />
psychologische Vertrag, den der Mitarbeiter mit verschiedenen Vertragspartnern im Arbeits-<br />
leben hat, verletzt und werden damit die Erwartungen des Mitarbeiters nicht erfüllt, so kann<br />
Zynismus entstehen. Vertragspartner in diesem Sinne können beispielsweise das Unterneh-<br />
men oder das Management sein (Abraham, 2000).<br />
Andersson (1996) leitet aus ihrem theoretischen Modell eine Reihe von Aspekten der Organi-<br />
sation ab, die zu Verletzungen des psychologischen Vertrags des Mitarbeiters führen können:<br />
dazu zählen eingeschränkte Mitsprache der Mitarbeiter, unhöflicher zwischenmenschlicher<br />
Umgangston, Inkompetenz des Managements oder der Einsatz bestimmter Management-<br />
Techniken. Empirische Untersuchungen über diese und weitere Antezedenzien von organisa-<br />
tionalem Zynismus finden sich bislang kaum. Lediglich Wanous et al. (2000) untersuchten in<br />
ihrer empirischen Studie Bedingungen für Zynismus gegenüber organisationalen Veränderun-<br />
gen. Dabei zeigten sich positive Zusammenhänge zwischen dieser Form des Zynismus und<br />
einer negativen Grundhaltung der Befragten gegenüber dem Leben. Negative Zusammenhän-<br />
ge zeigten sich zwischen der Zahl der bisher von den Mitarbeitern erlebten organisationalen<br />
Veränderungen, der Partizipation der Mitarbeiter an Entscheidungen im Unternehmen sowie<br />
der Rolleneffektivität des direkten Vorgesetzten, d.h. seiner Stärke, z.B. Informationen bereit<br />
zu stellen, zuzuhören, erreichbar zu sein oder auch Mitgefühl zu zeigen.<br />
4. Beteiligung als Gesamtkonzept – Beteiligungsorientierung<br />
Öffnung und Integration sind Erfolgsfaktoren für Unternehmen im Wandel. Durch den Ein-<br />
satz der Mitarbeiterbeteiligung können Öffnungs- und Integrationsprozesse im Unternehmen<br />
gefördert werden. Mitarbeiterbeteiligung hat jedoch nur dann die gewünschte Wirkung, wenn<br />
sie in die Kultur des Unternehmens integriert wird. Das Konzept der Beteiligungsorientierung
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 30<br />
beschreibt diesen Aspekt der Unternehmenskultur und dient dazu, diejenigen Unternehmen, in<br />
denen die Mitarbeiterbeteiligung die gewünschten Effekte erzielen kann, von solchen zu un-<br />
terscheiden, bei denen sich diese Effekte nicht einstellen.<br />
Ein Unternehmen ist als beteiligungsorientiert zu bezeichnen, wenn es permanent, bewusst<br />
und bevorzugt Formen der Mitarbeiterbeteiligung einsetzt, um die Probleme von Öffnung und<br />
Integration nachhaltig zu lösen und so vor allem die Anpassung an veränderte Umweltzustän-<br />
de zu ermöglichen. Beteiligungsorientierte Unternehmen sehen Mitarbeiterbeteiligung als das<br />
beste Mittel zur gleichzeitigen Öffnung und Integration an und setzen sie daher bevorzugt ein.<br />
Formen der Mitarbeiterbeteiligung werden in diesen Unternehmen nicht einmalig, sondern im<br />
Sinne eines dauerhaften und wiederkehrenden Grundprinzips allen unternehmerischen Han-<br />
delns eingesetzt. Als ein Merkmal der Unternehmenskultur ist dieses Prinzip in den Grundan-<br />
nahmen des Unternehmens i.S. von Schein verankert.<br />
Der Begriff der Beteiligungsorientierung ist abzugrenzen von anderen Orientierungen, die im<br />
Zusammenhang mit Unternehmenskultur diskutiert werden. Einer dieser Begriffe ist die so<br />
genannte innovationsförderliche Unternehmenskultur (z.B. Grabner & Hüttner, 2005). Eine<br />
wichtige Gemeinsamkeit zwischen Beteiligungsorientierung und Innovationsförderlichkeit ist,<br />
dass beide Merkmale einer Organisation auf eine starke Anpassungsfähigkeit der Organisati-<br />
on hinweisen. Während Innovationsförderlichkeit jedoch ein tautologischer Begriff in Bezug<br />
auf die Förderung von Innovation ist, trifft dies auf den Begriff Beteiligungsorientierung nicht<br />
zu. Innovationsförderlichkeit bezieht sich auf das Ziel „Innovation“ und beschreibt die dafür<br />
günstigen Rahmenbedingungen, während sich Beteiligungsorientierung auf die zu wählenden<br />
Mittel bezieht. In diesem Sinne ist also dem Begriff der Beteiligungsorientierung eine größere<br />
Erklärungskraft zuzuschreiben als dem Begriff der Innovationsförderlichkeit, da er Auf-<br />
schluss über das Wie des zu erreichenden Ziels geben kann. Aus diesem Grund ist der Begriff<br />
der Beteiligungsorientierung auch für die praktische Anwendung besser geeignet.<br />
Andere Formen der Wertorientierung von Unternehmen wie z.B. Mitarbeiterorientierung,<br />
Kundenorientierung oder Technologieorientierung beschreiben aus der Sicht der Organisation<br />
wünschenswerte Zielzustände oder Werte, auf die Unternehmen besonderen Fokus legen und<br />
an denen sie ihre Aktivitäten ausrichten (vgl. Lässig, 2001). Der Begriff der Beteiligungsori-<br />
entierung dagegen beschreibt die Präferenz für das Mittel der Beteiligung zum Erreichen der<br />
Ziele des Unternehmens und nicht das Ziel selbst.<br />
Der oben definierte Begriff der Beteiligungsorientierung wirft die Frage auf, aus welchen<br />
Grundannahmen eines Unternehmens man ableiten kann, dass die Formen der Beteiligung als
Mitarbeiterbeteiligung und Unternehmenskultur 31<br />
die besten Mittel zur Erreichung von Anpassung und Integration angesehen und daher auch<br />
bevorzugt eingesetzt werden. Der Klärung dieser Frage dienen auch die Untersuchungen im<br />
Rahmen des Projekts TiM (Nerdinger, 2001).<br />
5. Ausblick<br />
Die vorgängigen Ausführungen zielten darauf, das Konzept der Beteiligungsorientierung als<br />
Merkmal innovativer Unternehmen zu spezifizieren sowie seine organisationspsychologi-<br />
schen Hintergründe zu erläutern. Es ist Aufgabe weiterer Forschungsbemühungen, das Kon-<br />
zept empirisch zu fundieren. Dabei wird vor allem ein qualitativer empirischer Zugang ge-<br />
wählt (Martins, Horsmann, Pundt & Nerdinger, 2005). Konkret wurden bereits teilstandardi-<br />
sierte Interviews mit Vertretern von Unternehmen, die am Verbundprojekt TiM beteiligt sind,<br />
durchgeführt.<br />
Das Ziel der Auswertung dieser Interviews ist die Suche nach den Grundannahmen beteili-<br />
gungsorientierter Unternehmen, die ja als Kern des Konzeptes angesehen werden. Ein nächs-<br />
ter Schritt der empirischen Forschung wird dann die Konstruktion eines Instrumentes zur Er-<br />
fassung der Beteiligungsorientierung von Unternehmen sein. Mit einem solchen Instrument<br />
wird es möglich sein, die hier postulierten Zusammenhänge in Feldstudien zu überprüfen.<br />
Für die theoretische Weiterentwicklung des Konzeptes sollen Überlegungen über weitere<br />
mögliche Wirkmechanismen der Mitarbeiterbeteiligung angestellt werden. Dabei werden be-<br />
kannte Konstrukte aus der Organizational-Behavior-Forschung wie etwa Eigenverantwortung<br />
(Koch, 2001), Selbstkonkordanz von Unternehmenszielen (Bono & Judge, 2003), Identifika-<br />
tion (van Dick, 2004) aber auch Verhaltensmerkmale wie Voice Behavior (Van Dyne & Le-<br />
Pine, 1998), OCB (Organ, 1988), Extra-Rollenverhalten (Nerdinger, 2004) und andere auf<br />
ihren theoretischen und empirischen Bezug zur Mitarbeiterbeteiligung bzw. zur Beteiligungs-<br />
orientierung hin untersucht.<br />
Ein weiterer Schritt der Weiterentwicklung des Konzeptes der Beteiligungsorientierung könn-<br />
te in Richtung der Beteiligung weiterer Interessengruppen (Stakeholder) gehen. Solche As-<br />
pekte wurden in der Literatur bereits angedacht, etwa im betrieblichen Vorschlagswesen bei<br />
der Einbeziehung von Kunden und ehemaligen Mitarbeitern, oder auch im Qualitäts- oder<br />
Umweltzirkel, in die einerseits Verbraucherverbände, andererseits auch Umweltverbände ein-<br />
bezogen werden könnten. Eine Verbindung dieser Überlegung mit den Erkenntnissen der For-<br />
schungsarbeiten zum Thema Corporate Social Responsibility (CSR; z.B. Hansen & Schrader,<br />
2005) könnte zur Entwicklung in dieser Richtung beitragen.
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