Leseprobe PDF - Deutscher Theater-Verlag
Leseprobe PDF - Deutscher Theater-Verlag
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Franz Helm<br />
Der Stein der Weisen<br />
F 824
Bestimmungen über das Aufführungsrecht des Stückes<br />
Der Stein der Weisen (F 824)<br />
Dieses Bühnenwerk ist als Manuskript gedruckt und nur für den Vertrieb an<br />
Nichtberufsbühnen für deren Aufführungszwecke bestimmt. Nichtberufsbühnen<br />
erwerben das Aufführungsrecht aufgrund eines schriftlichen Aufführungsvertrages mit<br />
dem Deutschen <strong>Theater</strong>verlag, Postfach 20 02 63, D-69 459 Weinheim, und durch<br />
den Kauf der vom <strong>Verlag</strong> vorgeschriebenen Rollenbücher sowie die Zahlung einer<br />
Gebühr bzw. einer Tantieme.<br />
Diese Bestimmungen gelten auch für Wohltätigkeitsveranstaltungen und Aufführungen<br />
in geschlossenen Kreisen ohne Einnahmen.<br />
Unerlaubtes Aufführen, Abschreiben, Vervielfältigen, Fotokopieren oder Verleihen der<br />
Rollen ist verboten. Eine Verletzung dieser Bestimmungen verstößt gegen das<br />
Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich.<br />
Über die Aufführungsrechte für Berufsbühnen sowie über alle sonstigen Urheberrechte<br />
verfügt der S. Fischer <strong>Verlag</strong>, Hedderichstr. 114, 60596 Frankfurt/Main
Gewidmet: Inge, Conrad, Georges, Edmund, Edmund, Martin, Michael, Gerhard und<br />
Brita<br />
Für Rat und Tat bedanke ich mich bei:<br />
Udo Schön und Herbert Gantschacher<br />
Besonders bedanke ich mich bei:<br />
Inge Wadlig und Martin Ortner
Die Geschichte ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen<br />
ist rein zufällig.
Wer in Stein * sitzt, soll nicht mit Glashäusern werfen.<br />
* Stein an der Donau – Haftanstalt für Massenmörder, Frauenmörder,<br />
Kindermörder, Polizistenmörder
Personen:<br />
Zechberger: (ein wirklich einäugiger totengräber)<br />
Gemeindeschreiber: (verheiratet, jedoch homosexuell)<br />
Dessen Frau: ()<br />
Gerbermeister: (seit 29 Jahren verheiratet)<br />
Gerbermeisterin: (“seine Frau“)<br />
Jungbauer: (ende 30)<br />
Jungbäuerin: (ende 30)<br />
Bürgermeister: (ein politiker)<br />
Dessen Frau: (eine statistin)<br />
Oppositionsführer: (fast ein politiker)<br />
Dessen Frau: (auch schon eine statistin)<br />
Medizinalrat: (ein “echter“ dorfarzt)<br />
Erika: (wie schon der name sagt, eine arzthelferin)<br />
Pfarrer: (na ja)<br />
Wirt: (ein wirt)<br />
Gendarm: (ein gendarm)<br />
Herzkönig: (universitätsprofessor für innere medizin)<br />
Der Poet: (sieht nicht nur aus wie André Heller)<br />
Die reichste Frau der Welt: (ein schöner mann)<br />
Der Papst: (nach dem dritten attentat)<br />
Der russische General: (– – –)<br />
Der amerikanische General: (siehe russischer general)<br />
Der russische Präsident: (je nachdem)<br />
Der amerikanische Präsident: (auch der)<br />
Ein Sprecher: (oder auch nicht)<br />
Einige Statisten: (soldaten, ärzte, dorfbewohner etc.)<br />
Doppelt besetzt werden:<br />
bürgermeister / us-präsident – – –<br />
oppositionsführer / russischer präsident –<br />
pfarrer / papst<br />
gendarm / russischer general<br />
herzkönig / us-general<br />
poet / sprecher
PROLOG<br />
der einäugige totengräber findet den stein der weisen<br />
. AKT<br />
) Faschingsdienstag; faschingsball im dorfgasthaus<br />
2) Fastensonntag; nach dem kirchgang auf dem dorfplatz<br />
3) Valentinstag; der gemeindeschreiber wird von seiner verganenheit eingeholt, im<br />
rathaus<br />
4) Walburgatag; die altbäuerin liegt schon zu lange im sterben<br />
5) Märtyrergedenktag; der gemeindeschreiber hängt sich auf in seiner wohnung<br />
6) Gründonnerstag; der gerbermeister vergiftet seine frau im eßzimmer der gerberei<br />
7) Karfreitag; der medizinalrat entdeckt die unsterblichkeit in seiner ordination<br />
2. AKT<br />
) Dorfmontag; ordination: “herzkönig“ stirbt bei einem selbstversuch<br />
2) Dorfdienstag; rathaus: beratung über die unsterblichkeit<br />
der bürgermeister stirbt beim verlassen des dorfes<br />
3) Dorfmittwoch; gasthaus; der “poet“ will bei den unsterblichen sterben, er hat<br />
jedoch den platz des bürgermeisters eingenommen<br />
4) Dorfdonnerstag; dorfplatzkirchefriedhof: ewig lebende glauben nicht an das ewige<br />
leben<br />
das begräbnis des bürgermeisters wird dem pfarrer zum verhängnis<br />
5) Dorffreitag; bauernhof: der medizinalrat schlägt ein geschäft vor<br />
6) Dorfsamstag; gerberei: der meister und die meisterin versöhnen sich über den zu<br />
erwartenden reichtum<br />
7) Dorfsonntag; wohnung: die gemeindeschreiberfrau hat ihr ewiges leben an die<br />
reichste frau der welt verkauft, doch sie bereut es bitterlich<br />
die dorfgemeinschaft steht ihr jetzt zur seite<br />
PAUSE<br />
3. AKT<br />
03.0.56 pm MEZ; wohnung: die reichste frau der welt wird empfangen, der<br />
gemeindeschreiber verliebt sich in sie<br />
04.02.00 am MEZ; bauernhof: die “erben“ werden zwangsevakuiert<br />
die generäle kommen<br />
05.03.40 pm MEZ; gerbereihotel: der papst ist eingezogen<br />
60:80;65;8; ordination: wer sich’s leisten kann, läßt sich an die kette legen<br />
-00.99.80.00, Studiozeit DV.: die weltfriedenskonferenz wird zur<br />
weltkrisenkonferenz<br />
im freudentaumel stürzt der rest der welt in die schutzbunker<br />
die uhr läuft immer weiter<br />
-00.00.50.00: noch genau 50.00 bis zum ablauf der ultimati<br />
der atomare holocaust für den rest der welt steht bevor<br />
-00.00.00.3: der totengräber verläßt die ewig lebenden, zertümmert<br />
unwissenstlich den stein der weisen<br />
alle toten sterben<br />
N A C H S A T Z : jetzt ist frieden
PROLOG<br />
kleiner dorffriedhof mit kirche und dorfplatz<br />
faschingsfreitag 16 uhr schneefall<br />
franz zechberger der wirklich einäugige totengräber gräbt ein grab<br />
(was sonst)<br />
ca 1 m tiefe: wütend schlägt er den krampen in die erde<br />
musik gustav mahler erste sinfonie dritter satz<br />
ZECHBERGER dankeschön<br />
(schlägt in der folge immer wilder zwischen den wörtern)<br />
dankeschön dankeschön herr diplomingenieur herr<br />
selbstmord<br />
diplomingenieur herr akademiker<br />
aber leider zu dumm zum leben und leider auch zu blöd zum sterben<br />
viel zu blöd<br />
in china verbrennen sich die selbstmörder herr dipling<br />
in london springens in die themse und sie<br />
ist ihnen nichts besseres eingefallen wirklich nicht<br />
oder wollten sie mir einen schönen freitagnachmittag<br />
verschaffen dankeschön<br />
wieso nicht am dienstag oder am mittwoch<br />
ausgerechnet am donnerstag mir zuliebe ja<br />
aber was will ich denn von einem kalten<br />
einem der keinen herrgott braucht<br />
sich sein lebtag zu gut war in die kirche zu gehen<br />
dort wo’s jetzt sind fragt sie keiner nach dem titel<br />
oder sagt der teufel auch herr diplomingenieur<br />
hahahahaha<br />
(das hahaha kommt öfters vor und heißt lachen ok<br />
schlägt plötzlich auf einen widerstand)<br />
das auch noch<br />
(wütend schlägt er abermals so stark daß ihm der krampen aus den händen<br />
fällt)<br />
warte warte nur dir werd ich’s zeigen<br />
(kratzt mit der schaufel tritt mit den stiefeln jedoch alles in der tiefe des grabes<br />
so daß es der arme zuschauer nicht sehen kann<br />
endlich kurz bevor die ersten huster aus dem publikum kommen löst er unter<br />
großer anstrengung das hindernis und richtet sich kopfschüttelnd auf<br />
er betrachtet einen faustgroßen seltsam gefärbten stein<br />
nicht zu seltsame bitte)<br />
du plagst mich nicht mehr<br />
(will den stein fortschleudern hält inne und betrachtet ihn noch einmal genauer)<br />
komisch ist der aber leicht<br />
(muß er auch nicht sagen vielleicht nur hmmm)<br />
du kommst in meine sammlung<br />
(gräbt brummend weiter natürlich erst nachdem er ihn eingesteckt hat)
I. AKT . BILD<br />
faschingsdienstag faschingsball im dorfgasthaus<br />
ein kleiner tanzsaal mit einer noch kleineren bühne<br />
auf welcher eine musikgruppe spielt<br />
das bühnenportal ist mit heimatsprüchen verziert<br />
in der mitte das ortswappen<br />
alle mitwirkenden der späteren bilder sind auf der bühne<br />
(nicht auf der bühnenbühne, sondern auf der bühne)<br />
ein fröhliches faschingsfest die masken müssen eingehalten werden<br />
alles andere ist erlaubt<br />
GERBER / FLIEGENPILZ<br />
herr pfarrer mich würde wirklich interessieren warum sie sie entschuldigen<br />
warum sie gestern bei dem begräbnis von unserem kalten diplom<br />
ingenieur mitgegangen sind<br />
sie entschuldigen<br />
aber ich meine<br />
macht das nicht ein schlechtes bild<br />
MEDIZINALRAT / TROPENARZT (ganz arzt)<br />
kadaver bleibt kadaver<br />
ist es nicht so herr pfarrer<br />
(oder einfach gar nichts)<br />
GERBER / FLIEGENPILZ (hündisch)<br />
sicher herr medizinalrat sicher<br />
sie entschuldigen<br />
ich meine ob man da die leute nicht gerade ermutigt die zehn gebote zu<br />
übertreten<br />
GEMEINDESCHREIBER / ROTKÄPPCHEN oder ROCK HUDSON<br />
wissen sie ich<br />
GERBER / FLIEGENPILZ<br />
sie entschuldigen aber ich meine das ernst<br />
hat die kirche denn so was nötig<br />
von einem der sich sein leben lang lustig gemacht hat über unsereins<br />
wenn wir sonntags brav in die kirche gegangen sind<br />
sie entschuldigen<br />
ich meine<br />
MEDIZINALRAT / TROPENARZT<br />
ist es nicht so daß sie das ganze ein wenig zu sehr<br />
von der oberflächlichen seite her beurteilen<br />
ist es nicht so daß sie<br />
in ihrer eigenschaft als gerber dazu neigen die dinge<br />
eher etwas oberflächlich häutig zu beurteilen<br />
(fährt mit dem “witz“ fort – wohin das werden wir nie erfahren)<br />
sehen sie<br />
ich für meinen teil bin vor allem dem fleisch verpflichtet
und somit dem kern des menschen etwas näher<br />
jedoch nicht in dem maße wie das unser werter herr<br />
pfarrer<br />
der ja ausschließlich für die seele zuständig ist<br />
ist<br />
hahaha<br />
GERBER / FLIEGENPILZ (überfordert) ja sie entschuldigen ich meine<br />
PFARRER / BÖSER ZAUBERER (scherzlich)<br />
ich bin außer dienst<br />
hahhaha<br />
sie verstehen<br />
aber erstens soll uns mit gottes hilfe nichts schlimmeres<br />
geschehen als daß sich ein selbstmörder umbringt<br />
sie verstehen hahaha<br />
GEMEINDESCHREIBER / ROTKÄPPCHEN oder ROCK HUDSON (mit vier obstlern<br />
vehement)<br />
dem gerber die haut<br />
(ex)<br />
dem doktor das fleisch<br />
(ex)<br />
dem pfarrer die seele<br />
(ex)<br />
und mir das papier<br />
(ex)<br />
hahaha<br />
stimmung auf nullpunkt<br />
PFARRER / BÖSER ZAUBERER (zu einem vorbeigehenden cowboy)<br />
abrakadabra herr inspektor<br />
lustig<br />
gendarm / cowboy zieht wasserspritzpistole und spritzt dem<br />
gemeindeschreiber ins gesicht<br />
lustig hahaha<br />
sheriff bleibt sheriff<br />
GERBER / FLIEGENPILZ (wird irritiert durch lautes lachen rund um den<br />
bürgermeister<br />
schleicht sich von hinten an die gerberin heran<br />
wirft ihr einen scherzzucker ins weinglas und setzt sich schnell wieder auf<br />
seinen platz<br />
nachdem seine frau hysterisch aufgeschrien hat)<br />
uuuhhuuu schatzi<br />
wer hat denn da jetzt so geschrien<br />
dududududududu du<br />
hahhahah haha
(gerberin wendet sich demonstrativ dem bürgermeister zu)<br />
BÜRGERMEISTER / FETTES GERIPPE<br />
herr medizinalrat der nächste witz ist ein medizinischer<br />
der bezirkshauptmann hat ihn umlängst erzählt<br />
da sitzen zwei schwule in der badewanne<br />
(seitenblick auf den gemeindeschreiber<br />
kicher)<br />
und pritscheln<br />
hahaha<br />
da sagt der eine<br />
PFARRER / BÖSER ZAUBERER<br />
(spricht laut um den witz nicht hören zu müssen zum gerber)<br />
sie verstehen<br />
mich nicht falsch<br />
wenn ich sie jetzt etwas frage<br />
ich will mich ja nicht in ihr privatleben einmischen<br />
aber ich bin doch schließlich auch seelsorger<br />
sie verstehen<br />
ihre frau ist ihnen gegenüber aber sehr distanziert<br />
schon den ganzen abend sie verstehen<br />
ich bin wirklich nicht an ihrem intimleben interessiert<br />
GERBER / FLIEGENPILZ (bewußt) im gegenteil herr pfarrer<br />
WIRT / PIRAT (hat mitgehört)<br />
hahaha<br />
im gegenteil herr pfarrer<br />
es ist eine echte liebesbeziehung<br />
hahaha<br />
auf leben und tod<br />
hahaha<br />
GERBER / FLIEGENPILZ (irritiert) einen doppelten whiskey sie entschuldigen<br />
(zum pfarrer)<br />
aber unser verhältnis ist so gut wie nie zuvor<br />
ich<br />
(sieht zechberger / clown)<br />
ahh zechberger<br />
ein clown<br />
prächtig prächtig<br />
ich liebe meine frau<br />
wird wieder durch lachen rund um den bürgermeister übertönt<br />
BÜRGERMEISTER / FETTES GERIPPE (zu zechberger / clown)<br />
aber natürlich darf du meine frau entführen<br />
aber bitte tritt ihr mit deinen stinkenden schweißfüßen<br />
nicht auf ihre zierlichen hühneraugen
hahaha<br />
jetzt lachen alle besonders der gemeindeschreiber / rotkäppchen oder rock<br />
hudson<br />
welcher auch bei den bürgermeisterwitzen besonders laut und immer<br />
an der falschen stelle gelacht hat<br />
GEMEINESCHREIBER / ROTKÄPPCHEN oder ROCK HUDSON (zu seiner frau /<br />
wolf oder doris day)<br />
nanana mausi<br />
wollen wir nicht auch einmal tanzen<br />
FRAU / WOLF oder DORIS DAY (kühl) nein<br />
GEMEINDESCHREIBER / ROTKÄPPCHEN oder ROCK HUDSON<br />
(übertrieben) aber schatzi warum denn nicht<br />
peinliche stille am tisch hören alle zu<br />
was ich sagen wollte herr pfarrer<br />
(heiter)<br />
wissen sie warum der medizinalrat heute so eigenartig ist<br />
PFARRER / BÖSER ZAUBERER (herablassend) nein<br />
GEMEINDESCHREIBER / ROTKÄPPCHEN oder ROCK HUDSON (hilflos)<br />
herr bürgermeister ihre witze sind die besten<br />
hahahaha<br />
wissen sie vielleicht noch einen<br />
BÜRGERMEISTER / FETTES GERIPPE (völlig zur gerberin)<br />
josephinchen du tanzt heute gar nicht<br />
GERBERIN / ZIMMERMÄDCHEN (schnippisch was immer das auch sein mag)<br />
ich bin doch wohl schon zu alt für die herrschaften<br />
nicht einmal der totengräber tanzt mit mir<br />
hihihihi<br />
(hihihi ist jedenfals gekünstelt)<br />
BÜRGERMEISTER / GERIPPE (röchelnd)<br />
was ist der unterschied zwischen meiner frau und dem totengräber zechberger<br />
(betrachtet die beiden tanzend)<br />
der zechberger sieht die halbschwestern im grab<br />
und meine frau sieht die halbverwesten im<br />
spiegel<br />
hahahaha<br />
der ist von mir<br />
(bricht bewußtlos am tisch zusammen)<br />
der medizinalrat / tropenarzt zahlt die rechnung und sagt zum<br />
bürgermeister indem er ihn hochzieht
MEDIZINALRAT / TROPENARZT (beschwichtigend)<br />
ich glaube wir sollten ihn jetzt nach hause bringen<br />
fritz ist es nicht so daß du auf dein herz ein wenig achten solltest<br />
der medizinalrat schleift den bürgermeister von dannen<br />
PFARRER / BÖSER ZAUBERER<br />
tstststststs ts<br />
wie der heute wieder in form ist<br />
wie in alten zeiten<br />
hahaha<br />
GEMEINDESCHREIBER / ROTKÄPPCHEN oder ROCK HUDSON<br />
hervorragend unser herr bürgermeister<br />
hervorragend<br />
jetzt kommt der oppositionsfüher und setzt sich auf den platz des<br />
bürgermeisters<br />
OPPOSITIONSFÜHRER / KÖNIG (königlich nimmt er einen löffel klopft damit an ein<br />
glas und will eine tischrede halten stotternd)<br />
nachdem der hhhherrr bb bbürgermeister jetzt nn nnicht mehr<br />
unter uu uns ist<br />
GEMEINDESCHREIBER / WOLF oder DORIS DAY ich will nach hause<br />
GEMEINDESCHREIBER / ROTKÄPPCHEN oder ROCK HUDSON<br />
aber doch nicht jetzt wo es doch gerade so lustig ist<br />
hahaha<br />
peinliche stille<br />
GERBER / FLIEGENPILZ (galant) darf ich das junge fräulein<br />
(gemeint ist die gemeindeschreiberfrau sie entschuldigen)<br />
die junge frau zum tanz bitten<br />
GEMEINDESCHREIBERIN / WOLF oder DORIS DAY (aufgetaut)<br />
aber bitte<br />
GEMEINDESCHREIBER / ROTKÄPPCHEN oder ROCK HUDSON (in die enge<br />
getrieben)<br />
dann darf ich wohl<br />
die frau gerbermeisterin auffordern<br />
GERBERIN / ZIMMERMÄDCHEN (gnädig)<br />
wenn’s denn sein muß<br />
aber nur einen tanz ja<br />
irgendwas verändert sich jetzt wahrscheinlich<br />
die musik und das licht es wird intimer oder so
GEMEINDESCHREIBER / ROTKÄPPCHEN oder ROCK HUDSON (nach einiger<br />
zeit)<br />
unser herr doktor ist aber ganz schön böse auf ihren herrn gatten<br />
GERBERIN / ZIMMERMÄDCHEN (kurz angebunden) ach das ist mir aber gar nicht<br />
aufgefallen<br />
GERBER / FLIEGENPILZ (unverbindlich) waren sie schon im urlaub<br />
GEMEINDESCHREIBERIN / WOLF oder DORIS DAY<br />
(sehnsüchtig)<br />
nein seit jahren nicht mehr<br />
GEMEINDESCHREIBER / ROTKÄPPCHEN oder ROCK HUDSON<br />
aber ich weiß es warum<br />
GERBERIN / ZIMMERMÄDCHEN (noch kürzer angebunden) und ich kann es mir<br />
denken<br />
GERBER / FLIEGENPILZ (verbindlich)<br />
sagen sie<br />
ist ihr mann wirklich so einer<br />
sie entschuldigen ich meine<br />
so eine hübsche frau wie sie<br />
(greift ihr auf den arsch)<br />
so eine hübsche frau wie sie<br />
und ein warmer<br />
ja geht denn das<br />
hahahaha<br />
gemeindeschreiberfrau / wolf oder doris day verläßt das fest<br />
GEMEINDESCHREIBER / ROTKÄPPCHEN oder ROCK HUDSON (gesellig)<br />
sicher ist der herr medizinalrat ein guter jäger<br />
und sehen sie einen eisbären schießt man auch nicht alle tage<br />
aber daß er wegen so einem mißgeschick behauptet<br />
ihr gatte könnte eine ratte nicht von einem eisbären<br />
unterscheiden<br />
(merkt etwas)<br />
das finde ich schon etwas übertrieben<br />
gerberin / zimmermädchen verläßt das fest<br />
blackout
I. AKT 2. BILD<br />
fastensonntag nach dem kirchgang auf dem<br />
dorfplatzkirchefriedhof<br />
die vorigen kommen jetzt unmaskiert<br />
(?)e sonst<br />
aus der kirche<br />
orgel<br />
das gerberehepaar steht links vom eingang oder rechts<br />
der oppositionsführer steht mit seiner frau rechts vom eingang<br />
oder<br />
links<br />
der medizinalrat geht ohne gruß am gerberehepaar vorbei<br />
auf den bürgermeister zu<br />
GERBERIN<br />
das hast du nun davon<br />
du ruinierst unsere firma mit deiner unfähigkeit<br />
er hat diesen eisbären selbst erlegt ein richtiger mann<br />
der war schon in alaska<br />
und du<br />
du hast ihn versaut<br />
(lächelt und grüßt die vorbeigehenden dörfler)<br />
GERBER (lächelnd) entschuldige bitte aber sei jetzt still<br />
MEDIZINALRAT (ganz der alte) na fritz wie geht’s uns heute<br />
BÜRGERMEISTER (mit erinnerungslücken) na ja wenn du mich so fragst es geht<br />
MEDIZINALRAT (ein guter rat)<br />
ist es nicht so daß du dich nach zwei herzinfarkten<br />
etwas mehr in acht nehmen solltest<br />
mit dem alkohol<br />
BÜRGERMEISTER (selbstmitleidig)<br />
ja ich weiß aber den leuten gefällt’s halt erst richtig<br />
gut wenn ich auch dabei bin<br />
und du kennst mich<br />
ich habe immer ein offenes ohr für das einfache volk<br />
GERBERIN<br />
du bist so unfähig und blöd<br />
daß du nicht einmal eine ratte von einem eisbären<br />
unterscheiden kannst<br />
grüß gott herr magister<br />
GERBER<br />
grüß gott herr magister<br />
entschuldige aber bitte bitte schweig jetzt
WIRT (sieht zechberger)<br />
wenn’s so weitergeht wirst du bald stempeln gehen müssen<br />
wir haben schon seit drei wochen keine zehrung mehr gehabt<br />
ZECHBERGER (schließt die kirchentür)<br />
brauchst dir um mich keine sorgen machen<br />
ich stink nicht so schnell wie dein rindfleisch<br />
beide lachen<br />
GERBERIN<br />
grüß gott herr inspektor<br />
da<br />
die anderen leute machen sich lustig über uns<br />
ohne mich wäre diese stinkende saufirma schon längst bankrott<br />
GERBER entschuldige aber das hättest du nicht sagen sollen<br />
OPPOSITIONSFÜHRER (sozialpartnerschaftlich stotternd)<br />
guten tag herr brfzky<br />
schon ausgeschlafen<br />
GERBER (unternehmerisch kühl) danke<br />
oppositionsfüher geht zu den arbeitern<br />
du hättest das wirklich nicht sagen dürfen<br />
wenn hier jemand stinkt<br />
ja<br />
(zieht den hut und lächelt)<br />
wenn hier jemand eine sau ist dann bist du’s<br />
entschuldige aber es stimmt<br />
grüß gott<br />
GERBERIN<br />
grüß gott<br />
was erlaubst du dir<br />
du ungebildeter fettsack<br />
du bastard<br />
grüß gott<br />
(lächelt)<br />
du waschlappen du idiot du muttersöhnchen du dudu<br />
GERBER (unbeherrscht) entschuldige<br />
(will ihr ins gesicht schlagen)<br />
PFARRER<br />
grüß gott<br />
ganz schön kalt für diese jahreszeit<br />
GERBER (verschämt)
entschuldigen sie ja ja<br />
richtig eisig<br />
gerberin geht grußlos und läßt die beiden stehen<br />
PFARRER (verlogen) was ist denn mit der gattin<br />
GERBER (erst hilflos dann idee)<br />
ach sie jaja sie<br />
sie hat<br />
probleme<br />
mit dem herz schwierigkeiten sie entschuldigen ich<br />
mache mir<br />
in letzter zeit sorgen<br />
um sie<br />
wirklich ernsthafte sorgen<br />
und sie will und will nicht zum arzt<br />
ich habe solche angst sie entschuldigen<br />
daß sie plötzlich einmal<br />
so von einer minute auf die andere<br />
stirbt<br />
PFARRER<br />
um gottes willen<br />
so was dürfen sie doch nicht einmal denken<br />
sie verstehen<br />
GERBER (zögernd)<br />
sie haben recht aber was soll ich tun<br />
ich hänge<br />
halt so an ihr<br />
jetzt kommt der gemeindeschreiber dazu<br />
GEMEINDESCHREIBER<br />
grüß gott herr pfarrer<br />
grüß gott herr brfzky<br />
(will handi geben)<br />
eine schöne messe<br />
wirklich ausgesprochen schön<br />
und der kinderchor wunderschön<br />
auch meine frau war ganz begeistert<br />
stimmt’s mausi<br />
GEMEINDESCHREIBERFRAU (kühl) ja<br />
PFARRER (distanziert so wie man mit verbrechern spricht)<br />
freut mich<br />
sie verstehen ich muß jetzt leider weg<br />
GERBER ich auch sie entschuldigen
GEMEINDESCHREIBER auf wiedersehen<br />
(der gemeindeschreiber geht zur bauerngruppe geht zum jungbauern)<br />
grüß gott<br />
(diesmal klappt’s mit dem handigeben zumindest bei der jungbäuerin)<br />
wie geht’s?<br />
(anteilsvoll)<br />
vor allem wie geht’s der mutter<br />
JUNGBAUER (mürrich) unverändert<br />
JUNGBÄUERIN wir haben heute schon die achte messe lesen lassen<br />
(sieht medizinalrat und stürzt demütig auf ihn zu)<br />
grüß gott herr medizinalrat<br />
würden sie bitte so lieb sein und noch einmal zur mutter kommen<br />
der geht’s soo schlecht<br />
MEDIZINALRAT (gütig im terminkalender)<br />
aber gerne<br />
sagen wir walburgi<br />
JUNGBÄUERIN<br />
bitte danke<br />
ja danke vielmals<br />
das ist sehr lieb<br />
ja wirklich<br />
der herr pfarrer kommt auch zu walburgi<br />
MEDIZINALRAT (noch gütiger)<br />
wollen wir hoffen daß ich vor ihm dort bin<br />
ist es nicht so haha haha<br />
(ab)<br />
JUNGBAUER (zu zechberger)<br />
gut daß ich dich treffe franz<br />
du weißt doch sicher daß wir heute für die<br />
schwiegermama<br />
gebetet haben<br />
ZECHBERGER ja<br />
JUNGBAUER wie ist denn das eigentlich<br />
ich meine<br />
ZECHBERGER wie ist was<br />
JUNGBAUER na du weißt schon mit einem grab und so<br />
ZECHBAUER das ist sehr schwierig<br />
JUNGBAUER (bestechend gibt einen geldschein)
laß uns offen reden<br />
ich möchte daß meine schwiegermutter im schönsten grab liegt<br />
wir sind doch keine armen leute<br />
ZECHBERGER<br />
ist es denn schon so weit<br />
sie war doch so eine nette frau<br />
jedesmal wenn ich sie getroffen habe hat sie gesagt franzl<br />
franzl mein schwiegersohn ist ein rechter<br />
JUNGBAUER<br />
nein nein<br />
sie lebt ja noch<br />
aber man kann doch nie wissen in dem alter und noch dazu<br />
hat sie ja eine schwere krankheit<br />
wir hoffen<br />
das beste aber<br />
ZECHBERGER mein schwiegersohn ist ein rechter<br />
(will sagen verbecher besinnt sich dann)<br />
sicher<br />
wir werden das schon erledigen<br />
du kannst dich verlassen
I. AKT 3. BILD<br />
valentinstag rathaus gemeindeschreibstube schreibstube<br />
schreibtisch<br />
zwei schreibstühle schreibmaschine<br />
bundespräsident (foto)<br />
fahne aktenwände<br />
radio: verdi – rigoletto: ach wie so trügerisch…<br />
GEMEINDESCHREIBER (er tippt es klopft) ja bitte<br />
zechberger kommt wie immer in gummistiefeln<br />
ZECHBERGER was brauchst denn<br />
GEMEINDESCHREIBER (lächelnd)<br />
nimm platz bitte<br />
der herr bürgermeister läßt dir mitteilen daß er weiß daß du eine<br />
mineraliensammlung hast<br />
ZECHBERGER na und<br />
GEMEINDESCHREIBER<br />
weiter soll ich dir sagen<br />
daß er sehr erfreut darüber ist<br />
ZECHBERGER ah ha<br />
GEMEINDESCHREIBER<br />
er sieht es als vorbildlich an daß ein einfacher hilfsar...<br />
ich meine ein gemeindearbeiter ein solch ausgefallenes hobby hat<br />
ZECHBERGER (nickend) weiter<br />
GEMEINDESCHREIBER (lächelnd)<br />
nun ja<br />
wie du weißt ist für ostern die ausstellung<br />
unserer gemeinde in wort und bild<br />
zwanzig jahre christlich soziale regierung<br />
geplant<br />
unser herr bürgermeister<br />
ist der auffassung daß deine mineraliensammlung<br />
ein beweis dafür ist<br />
daß heutzutage auch die einfachen leute hobbies haben können<br />
kurzum<br />
er möchte deine sammlung ausgestellt haben<br />
ZECHBERGER (denkend) gut aber<br />
jetzt läutet das telefon
GEMEINDESCHREIBER entschuldige (hebt lächelnd ab)<br />
gemeindeamt sänftling grüß gott<br />
stille<br />
wer spricht<br />
(lächelt nicht mehr)<br />
wer<br />
(vom blitz getroffen)<br />
wo bist du<br />
hier<br />
aber von wem weißt du<br />
von meiner frau<br />
und was hat sie gesagt<br />
aber du<br />
du hast mir doch damals versprochen<br />
ja ja ja ich bin verheiratet und ich<br />
nein nein neinnein ich will nicht...<br />
nie mehr verstehst du<br />
du verstehst mich nicht<br />
ich habe damit abgeschlossen<br />
ich führe ein normales leben<br />
normal verstehst du<br />
ich bin im gesangsverein ich gehe sonntags in die kirche<br />
(vergißt sich völlig)<br />
ich<br />
was heißt glücklich<br />
alfred<br />
es ist aus zwischen uns<br />
seit drei jahren<br />
ich habe einen beruf die menschen grüßen mich<br />
alfred das ist mir wichtiger als alles andere<br />
bitte bitte<br />
bitte<br />
ich flehe dich an<br />
fahre weiter<br />
vergiß es<br />
vergiß mich<br />
bürgermeister steht hinter ihm und hört alles<br />
ich ich<br />
habe dich geliebt<br />
(weint)<br />
alfred mein ganzes leben nur dich<br />
aber ich will nicht mehr schwul sein<br />
ich möchte geachtet werden alfred<br />
geachtet<br />
versteh mich bitte bitte<br />
(schluchz)<br />
alfred
a l f r e d<br />
(bricht zusammen aus dem telefonhörer)<br />
tü tü tü tü<br />
(nach einiger zeit erinnert er sich zechbergers<br />
blickt auf<br />
lächelt ihn an<br />
geht langsam auf ihn zu<br />
musik<br />
woher)<br />
franz<br />
(verklärt)<br />
franz sie gestatten<br />
(zieht den blaugekleideten gummigestiefelten steirerhut tragenden verdutzten<br />
einäugigen totengräber hoch und singt)<br />
i want to be loved by you<br />
ich liebe nur ihn<br />
verstehst du das franz<br />
na<br />
BÜRGERMEISTER (barbaraisch)<br />
jetzt ist es aber genug<br />
sie abscheuliche tunte<br />
sie krankes entartetes wesen verlassen sie sofort dieses haus<br />
sie sind suspendiert<br />
GEMEINDESCHREIBER (gefaßt)<br />
sie haben recht herr bürgermeister<br />
entartet<br />
haha hahha hhhaha<br />
herrrrrrrrrr bürrrgermeisterrrr<br />
jajajaaaaajjjaajjaja<br />
jetzt klingelt wieder das telefon<br />
ist es wieder alfred<br />
das wird nie jemand erfahren<br />
blackout
I. AKT 4. BILDild<br />
walburgatag bauernhof bauernküche muh muh<br />
pfarrer vor einer riesigen bretteljause<br />
(in afrika vor weizenfladen in australien kaltes känguruh<br />
in amerika corned beef in alaska vor kaltem walfisch)<br />
jungbauer ernst<br />
jungbäuerin schneidet zwiebel<br />
überall<br />
und heult<br />
PFARRER (angetan)<br />
eigentlich sie verstehen<br />
kann ich selten essen vor dem versehen<br />
erst die arbeit dann<br />
aber ausgerechnet heute habe ich so ein eigenartiges<br />
hungergefühl<br />
(pause)<br />
höchst eigenartig<br />
(pause)<br />
vielleicht tröstet euch der gedanke an das<br />
ewige leben in einer besseren welt<br />
(schmatzend)<br />
frei von hunger und not<br />
ich weiß<br />
ich solchen augenblicken ist man nicht sehr empfänglich<br />
für tröstende worte<br />
(pause)<br />
ich erinnere mich noch sehr genau<br />
meine großtante mütterlicherseits<br />
eine sehr edle dame<br />
der ist es damals auch so schlecht gegangen<br />
sie verstehen<br />
(sich erinnernd)<br />
da war ich in derselben situation wie sie heute<br />
und der herr abt wollte mich trösten<br />
(schmatz)<br />
aber ich war so traurig sie verstehen<br />
nur der glaube hat mir damals wirklich geholfen<br />
bäuerin schluchzt<br />
aus dem nebenzimmer kommt der alte medizinalrat mit aufgekrempelten<br />
hemdsärmeln arzttasche und das stethoskop umgehängt<br />
betrübt<br />
pfarrer wischt sich den mund ab<br />
mit der hand natürlich<br />
so jetzt bin ich dran<br />
(nimmt sein versehköfferchen in die hand und ein letztes stück<br />
speck in den mund<br />
öffent die krankenzimmertür
freundlich)<br />
grüß gott ehrwürdige mutter<br />
grüß gott<br />
wie geht’s uns denn heute<br />
JUNGBAUER (besorgt) herr doktor<br />
MEDIZINALRAT (händewaschend)<br />
schwer zu sagen<br />
der zustand ist unverändert bedenklich<br />
einzig und allein die gesunde lebensart<br />
und der beispiellose überlebenswille können dieses phänomen erklären<br />
ist es nicht so<br />
JUNGBÄUERIN (schluchzend) herr medizinalrat ihre jause<br />
MEDIZINALRAT (hungrig) danke sehr gut<br />
(essend)<br />
ich habe ihrer mutter blut abgenommen<br />
übermorgen werden wir mehr wissen<br />
mmmhh sehr gut<br />
JUNGBAUER<br />
mahlzeit<br />
was ich noch fragen wollte<br />
unverändert bedenklich<br />
ganz genau dasselbe haben sie uns schon vor 4tagen gesagt<br />
heißt das ihr geht es genau so schlecht wie vor zwei wochen<br />
MEDIZINALRAT das heißt es<br />
JUNGBAUER (verwundert)<br />
aber herr doktor<br />
damals haben sie uns gesagt<br />
es kann sich nur mehr um stunden handeln<br />
MEDIZINALRAT (routiniert)<br />
wissen sie in der medizin ist alles möglich<br />
alles<br />
ist es nicht so<br />
noch vor zwei wochen habe ich aufgrund der eindeutigen symptome<br />
die ihre mutter gezeigt hat ein terminales zustandsbild diagnostiziert<br />
wie schon erwähnt in meiner fünfzigjährigen praxis hat dieses terminale<br />
zustandsbild keiner<br />
wohlgemerkt keiner<br />
länger als 5 stunden<br />
(jetzt schmatzt er auch aber nur einmal)<br />
überlebt<br />
mit ein grund warum ich ihrer mutter heute noch einmal blut abgenommen habe<br />
JUNGBAUER
ahsomhjammhhm<br />
gib uns einen schnaps<br />
JUNGBÄUERIN<br />
herr medizinalrat<br />
(gibt schnapsi)<br />
wir wissen weder ein noch aus<br />
in ihrem testament steht daß wir die sparbücher erst nach<br />
ihrem<br />
und wir haben doch so viele<br />
na ja der neue traktor<br />
JUNGBAUER (würgt ab)<br />
das interessiert doch den herrn doktor nicht<br />
sagen sie wird sie vielleicht am ende hoffentlich wieder gesund<br />
MEDIZINALRAT (ernst) also das muß ich leider ausschließen<br />
tür auf pfarrer rein tür zu<br />
PFARRER (vor tür zu) behüt sie gott mutter und kopf hoch kopf hoch<br />
(setzt sich zum tisch und nimmt die eßtätigkeit wieder auf)<br />
herr medizinalrat sie verstehen<br />
so was müßte man einmal den jungen leuten zeigen<br />
diese gottesfürchtige frau<br />
(essend)<br />
dreiundneunzig jahre<br />
kämpft wie eine löwin wie judith sie verstehen<br />
und die kraft hat sie einzig aus ihrem tiefreligiösen<br />
wesen<br />
(nimmt taschenrechner)<br />
zweiundfünfzig mal dreiunddreißig ist viertausendacht<br />
hundertundsechsunddreißig<br />
viertausendachthundertundsechsunddreißig<br />
sonntagsmessen<br />
hat diese frau besucht<br />
die feiertage nicht eingerechnet<br />
wenn eine messe durchschnittlich eine stunde dauert<br />
also dividiert durch vierundzwanzig<br />
dann war sie genau zweihunderteinskommafünf tage ununterbrochen in der<br />
kirche<br />
(gibt den taschenrechner wieder in sein versehköfferchen)<br />
JUNGBÄUERIN (stolz)<br />
sie haben recht herr pfarrer<br />
sie war immer sehr fromm und ein herzensguter mensch<br />
jetzt hört man aus dem krankenzimmer die stimme der alten<br />
STIMME DER ALTEN (krächzend laut)
ihr verbrecher hört zu wenn mir jetzt dieser trampel von tochter nicht gleich ein<br />
glas wasser bringt<br />
enterbe ich euch ihr schweinebrut<br />
JUNGFRAU (fast ruhig) aber alt ist sie halt schon<br />
blackout
I. AKT 5. BILD<br />
märtyrergedenktag wohnung des gemeindeschreibers<br />
einzimmer-groß stilleben neubiedermeier parkettboden aus pvc<br />
glaslüster textiltapeten geschmacklos kleinbürgerlich<br />
fernseher<br />
raum ist in der bühnentiefe in zwei hälften geteilt<br />
mauerbogen vorhang<br />
frau sitzt vor dem fernseher<br />
nachmittag kindersendung<br />
erst fernseher dann licht dann schüssel dann tür dann gemeindeschreiber<br />
völlig fertig unfrisiert bartstoppel<br />
game over plus tilt<br />
zieht hausschuhe an bevor er auf den pvc partkettboden tritt<br />
GEMEINDESCHREIBER (leise) grüß dich<br />
das weib schweigt böse bemüht<br />
es war sehr freundlich<br />
wirklich<br />
ihr kündigungsverfahren ist abgeschlossen<br />
ich habe mich nicht entschuldigt<br />
das war doch richtig oder<br />
(pause)<br />
hast du eingekauft<br />
(lauter)<br />
hast du eingekauft<br />
(ganz laut)<br />
hast du eingekauft<br />
verzeih mir<br />
(geht zum fernseher und zieht den stecker heraus offen)<br />
ich werde jetzt mit dir reden<br />
sie tut weiter so als ob sie fernsehen würde<br />
(er kniet sich vor den fernseher und will ihr in die augen sehen)<br />
sie schaut durch ihn durch vouww<br />
jetzt sind wir drei jahre verheiratet<br />
nur auf dem papier<br />
bitte hör mir jetzt zu<br />
und in diesen drei jahren habe ich für dich und mich eine<br />
existenz geschaffen<br />
und du<br />
und du hattest nichts anderes zu tun als meine frau zu spielen<br />
so tun als ob spielen<br />
hörst du was ich sage<br />
donnerstag im gesangsvereien und sonntags nach der kirche<br />
denkst du es war leicht mich damals von alfred zu trennen
ja glaubst du das<br />
glaubst du es ist angenehm drei jahre lang nacht für nacht neben einem<br />
menschen zu schlafen der einen verachtet<br />
verachtet hörst du mich<br />
jawohl und ich habe mich trotzdem an das versprechen gehalten<br />
nie mehr zurückzugehen in meine welt<br />
ich habe alles alles aufgegeben und jetzt...<br />
ich möchte von dir jetzt ein wort hören<br />
ein wort<br />
irgendeines ich verlange von dir daß du mir jetzt hilfst<br />
sag irgend etwas<br />
damals als ich dich vom krankenhaus abgeholt habe<br />
damals hast du mich bei meinem vornamen angeredet<br />
nicht wahr<br />
heribert hast du doch gesagt<br />
bitte sag es noch einmal bitte<br />
seitdem hat niemand mehr heribert zu mir gesagt<br />
in diesem saukaff bin ich herr sänftling oder der schreiber<br />
und für dich was bin ich für dich<br />
(jäh – vielleicht weint er jetzt der arme)<br />
elisabeth die vergangenheit bleibt vergangenheit<br />
ich schwöre dir<br />
das jetzt zählt jetzt jetzt ist immer elisabeth<br />
(aggressiv)<br />
verdammt ich kann doch nichts dafür daß er da war<br />
ich war genau so überrascht wie du hörst du<br />
er ist ja auch nicht wiedergekommen oder<br />
kümmere dich doch nicht um die anderen leute bitte<br />
(verzweifelt)<br />
bitte sag etwas bitte bitte bittebiititititi titi titit<br />
bitti ich halte das nicht mehr aus ich kann es nicht mehr ertragen<br />
(er wird ganz ruhig)<br />
elisabeth ich hänge mich jetzt auf<br />
er nimmt einen stuhl eine wäscheleine und geht durch den mauerbogen in<br />
den hinteren teil des raumes<br />
wir hören wie er den stuhl hinstellt auf den stuhl steigt das seil befestigt<br />
jetzt sehen wir die frau aufstehen zum fernseher gehen den fernseher<br />
einstecken (nicht in die tasche sondern das kabel genauer den stecker in<br />
die steckdose)<br />
gleichzeitig sehen wir den zeichentrickfilm weiterlaufen und hören den<br />
gemeindeschreiber ins seil fallen<br />
auch die frau hört das und dreht darum den fernseher lauter<br />
nach einiger zeit geht sie schlafen<br />
plötzlich hören wir und sie<br />
klatschen röcheln und strampeln aus dem hinteren teil des zimmers<br />
sie die frau geht den vermeintlich toten answchauen<br />
schaut und schreit<br />
er lebt
sie stellt ihm den stuhl unter (das sehen wir nicht)<br />
aber wir fragen uns<br />
ist das ein wunder wir werden sehen
I. AKT 6. BILD<br />
Gründonnerstag gerberei eßzimmer<br />
trophäen (jagd) ein zebrafell mit zebrakopf<br />
eine hirschdecke am boden<br />
sonst ist jeder winkel und jeder freiraum mit fellen und jagdtrophäen versehen<br />
der gerber ist sichtlich nervös<br />
jetzt ist er allein<br />
er lauscht auf die geräusche in der küche<br />
(edgar wallace)<br />
holt eilig aus seiner tasche ein giftfläschchen<br />
und schüttet den gesamten inhalt in ihr rotweinglas<br />
jetzt ist er noch aufgeregter<br />
er zittert beinahe als die tür aufgeht und die gerberin mit zwei riesigen schüsseln mit<br />
spinat und spiegeleiern<br />
(in italien grüne nudeln in england grünes porridge in deutschland cremespinat mit<br />
pellkartoffeln und in der schweiz grünes spinatfondue in holland spinatfisch und in<br />
china chop shuey spinat in england ist natürlich abend)<br />
spielpause<br />
GERBER (verlegen) kann ich dir helfen<br />
GERBERIN (böse) bist du krank<br />
GERBER (mit überwindung) ausgezeichnet<br />
gerberin hält verwundert inne<br />
mißtrauisch<br />
(gerber spürt daß er jetzt still sein muß sonst schöpft sie verdacht<br />
nach einiger zeit)<br />
also dann prost<br />
(hebt das glas und wartet daß sie das gleiche tut)<br />
sie ignoriert und ißt<br />
er zittert und trinkt<br />
(jetzt beginnt er demonstrativ sein essen zu salzen<br />
ihm ist nämlich gerade eingefallen daß salz durstig macht)<br />
möchtest du vielleicht auch etwas salz<br />
(mein gott ist der aber ungeschickt)<br />
GERBERIN (nach einer staunpause) laß mich endlich in ruhe<br />
GERBER entschuldige liebling<br />
GERBERIN (auf liebling bezogen)<br />
sag bist du denn völlig übergeschnappt<br />
spar dir deine primitiven bemerkungen<br />
da vergeht einem ja jeglicher appetit
GERBER (verzweifelt) so bleib doch<br />
GERBERIN<br />
natürlich bleibe ich<br />
denkst du ich lasse mich von meinem tisch vertreiben<br />
den mein vater bezahlt hat<br />
das würde dir so passen du du du<br />
(jetzt nimmt sie den vergifteten wein und trinkt ihn mit einem zug aus<br />
endlich denken wir uns)<br />
GERBER (erleichtert) ganz wie du meinst<br />
stille<br />
gerberin steht langsam auf und geht hinaus<br />
der gerber hat es die ganze zeit über nicht gewagt sie anzusehen er<br />
schwitzt und zittert und glaubt sie geht jetzt sterben kaum ist sie weg<br />
beginnt er fröhlich gehässig zu summen jetzt hören wir aus der küche auch<br />
noch einen knall als ob jemand umgefallen wäre<br />
bums da liegt sie nun<br />
(steht auf geht zum zebrafell und schaut demselben in die glasaugen)<br />
na mein pferdchen kennt ihr euch schon<br />
gerade eben<br />
sie entschuldigen<br />
ist sie nach einem kurzen schweren leiden von uns gegangen<br />
hahahaha<br />
(nimmt das zebrafell von der wand und hängt es sich über den kopf<br />
kopf über kopf<br />
ergreift eine flasche whiskey welche er während des folgenden liedes austrinkt<br />
wiehert und schlägt aus wie ein zebra)<br />
DAS LIED VOM BÖSEN ZEBRA<br />
in der wüste steht ein zebra<br />
weiß und schwarz schwarz und weiß<br />
und die sonne und die sone<br />
brennt so heiß brennt so heiß<br />
und das zebra hat kein wasser<br />
nur algebra nur algebra<br />
doch da kommt ein aff daher<br />
braun und grau grau und braun<br />
und der affe und das zebra<br />
schaun<br />
ja der affe der sieht wasser<br />
und das zebra nur algebra<br />
einmal sagt der affe zu dem zebra<br />
du brauchst wasser nicht algebra<br />
komm mit mir zu der oase<br />
in der wüste in der wüste
doch das zebra schlägt ihn auf die nase<br />
in der wüste in der wüste<br />
und es schnaubt voll wut das zebra<br />
ich brauch nur algebra nur algebra<br />
jetzt nach diesem liede<br />
während welchem er die flasche geleert und vom singen ins lallen<br />
gekommen ist bricht er volltrunken zusammen in der tür steht die erboste<br />
gerberin
I. AKT 7. BILD<br />
karfreitag ordination weiß<br />
regale weiß couch weiß türen weiß schreibtsich weiß stühle weiß und vieles mehr<br />
medizinalrat weiß<br />
jungbauern nicht weiß<br />
licht während allgemeinem setzen nicht zu weiß<br />
MEDIZINALRAT (sucht in briefen)<br />
kropberger kriehuber<br />
krimbauer maria da haben wir ihn schon<br />
(öffnet liest laut)<br />
gemäß blablablablabla<br />
zusammenfassung das zu untersuchende serum stammt von<br />
einer vermutlich weiblichen person welche vor zirka vier wochen ad exitum<br />
gekommen ist<br />
(verwundert weiter)<br />
die todesursache ist aufgrund der fortgeschrittenen serumautolyse nicht<br />
feststellbar<br />
dementsprechend wurde zur abklärung der terminaldiagnose<br />
serum an das gerichtsmedizinische institut weitergeleitet<br />
es wird ersucht blutproben von bereits verstorbenen personen direkt an obiges<br />
institut zu senden da unser labor nicht den nötigen standard aufweist<br />
der obdukionsbefund ist laut verordnung somit ebenfalls an<br />
das oben genannte institut zu übersenden<br />
hochachtungs - - -<br />
(beginnt kopfschüttelnd<br />
von links nach recht schütteln<br />
den befund noch einmal zu lesen)<br />
JUNGBAUER (naiv) was heißt das<br />
MEDIZINALRAT einen moment<br />
es klopft heftig an einer tür<br />
erika<br />
es ist jemand draußen<br />
erikaaaaaaa<br />
(erikaaaa die arzthelferin kommt nicht also geht der medizinalrat selbst öffnen)<br />
ja bitte<br />
herr sänftling<br />
wie schauen sie denn aus<br />
kommen sie herein gleich kommen sie<br />
was ist geschehen<br />
GEMEINDESCHREIBER<br />
(kann den kopf nicht heben<br />
kinn auf brust<br />
also kann er auch den medizinalrat nicht anschauen<br />
außerdem ist er heiser
klar)<br />
ich hab mir gedacht es wird wieder besser aber<br />
medizinalrat besieht hals und nacken<br />
MEDIZINALRAT was ist passiert aber schön der reihe nach<br />
GEMEINDESCHREIBERFRAU (ruhig) ich kann nicht mehr<br />
GEMEINDESCHREIBER ein unfall herr doktor<br />
(achtung immer heiser)<br />
vorgestern beim wäscheleinen... ich habe neue<br />
wäscheleinen montiert und bin dabei wie soll ich sagen<br />
der stuhl ist umgefallen und ich bin mit dem hals<br />
zwischen den leinen hängengeblieben<br />
MEDIZINALRAT schon gut überanstrengen sie sich nicht<br />
GEMEINDESCHREIBER<br />
der stuhl ist umgefallen und bin in zehn minuten<br />
hängengeblieben bis mich meine frau<br />
sie war gerade im keller<br />
befreit hat<br />
frau schluchzt kurz auf<br />
MEDIZINALRAT das sieht gefährlich aus<br />
aber ist es nicht so daß sie ein riesenglück gehabt haben<br />
(ruft)<br />
erika<br />
bei herrn sänftling ein halswirbelröntgen<br />
die zweite tür links herr sänftling bitte<br />
nur eine kontrolle<br />
ihre frau darf sie begleiten<br />
GEMEINDESCHEREIBERFRAU (abwesend) ja<br />
MEDIZINALRAT (zu den erstaunten jungbauern)<br />
so gibt es halt jeden tag abwechslung ist es nicht so hahah<br />
nun aber jetzt werde ich diesen befund urgieren da muß<br />
doch ein irrtum vorl...<br />
jetzt wird die ordinationstür aufgerissen<br />
herein stürmt die gerberin gefolgt vom gerber<br />
vielleicht hat sie ihn gefesselt und hält ihm einen revolver unter die nase<br />
oder eine pump gun vor die augen<br />
wer weiß<br />
(medizinalrat springt auf)<br />
aber ich muß schon sehr bitten
GERBERIN<br />
hilfe hilfe<br />
hilfe<br />
herr doktor hilfe<br />
dieser mann ist ein mörder<br />
GERBER (gesenkten hauptes) ja ich bin ein mörder<br />
MEDZINALRAT (smile) und wo wenn ich fragen darf ist die leiche<br />
GERBERIN<br />
ich ich ich herr doktor<br />
ich bin die leiche<br />
gestern ins mittagessen<br />
arsen herr doktor<br />
arsen<br />
GERBER ja ich wollte sie vergiften bitte<br />
(reicht dem doktor das giftfläschchen leer)<br />
MEDIZINALRAT arsen<br />
GERBERIN (schildernd)<br />
ich habe ein glas wein getrunken<br />
und wollte dann das desert aus der küche holen<br />
und als ich zurückkam hat er getanzt und geschrien<br />
gewiehert hat er herr doktor<br />
das schöne zebrafell umgehängt<br />
eine flasche whisky herr doktor auf einmal<br />
ausgetrunken<br />
und dann ist er zusammengebrochen<br />
als er mich gesehen hat<br />
wie ein schwein zusammengebrochen<br />
untersuchen sie mich herr doktor schnell<br />
MEDIZINALRAT aber gnädige frau<br />
(nimmt ihr die pump gun oder den revolver ab wer weiß)<br />
es kann doch nur ein scherz gewesen sein<br />
ist es nicht so<br />
bei dieser menge arsen hätten sie ihren mann nie wieder tanzen gesehen<br />
hahahhahhaha<br />
GERBERIN<br />
untersuchen sie mich<br />
sie werden es feststellen<br />
soll ich den oberkörper freimachen<br />
und dann wird er lebenslang eingesperrt dieser mörder<br />
vor zehn minuten ist er aus seinem vollrausch aufgewacht<br />
und hat gestanden<br />
ein geständnis
GERBER (wirr) ich bereue nichts (edith piaf)<br />
GERBERIN du verbrecher du massenmörder<br />
(springt auf und will auf ihn losgehen)<br />
jungbauer und medizinalrat halten sie zurück<br />
du schwein du hund du ratte<br />
MEDIZINALRAT<br />
so beruhigen sie sich doch<br />
halten sie ein wenig die contenance<br />
GERBER<br />
(sieht einen schrank weiß<br />
mit der aufschrift gift schwarz<br />
reißt ihn auf den schrank<br />
und trinkt noch ehe ihn der arzt zurückhalten kann<br />
einen viertelliter zyankali in einem zug aus<br />
in welchem zug in einem schnellen zug)<br />
nein nein ich halte es nicht mehr aus ich bin ein mörder<br />
ich bin ein mörder ich kann nicht mit einem teufel leben<br />
nein das kann ich nicht<br />
(läßt sich fallen und stellt sich tot)<br />
MEDIZINALRAT um gottes willen herr brfzky<br />
(stürzt hin und liest das flaschenetikett)<br />
zyankali<br />
erika schnell den sauerstoff<br />
herr brfzky<br />
(ohrfeigt ihn um reize auszutesten)<br />
herr brfzky hören sie mich<br />
herr brfzky<br />
GERBERIN wer gewalt sät...<br />
MEDIZINALRAT<br />
erika herr brfzky hören sie mich<br />
(nach einer weile)<br />
GERBER (mit geschlossenen augen)<br />
natürlich höre ich sie<br />
lassen sie mich in ruhe und schlagen sie mich nicht dauernd<br />
GERBERIN ... wird durch noch größere gewalt umkommen<br />
MEDIZINALRAT schweigen sie endlich<br />
ERIKA (stürzt herein)
theophil um gottes willen<br />
theophil<br />
(sieht die anderen)<br />
ich meine herr medizinalrat<br />
schnell das bild das bild<br />
(hält’s ihm hin das bild)<br />
MEDIZINALRAT<br />
ich hab jetzt keine zeit<br />
das notoperationsbesteck<br />
schnell her damit<br />
ERIKA ja aber für wen denn<br />
MEDIZINALRAT (hantiert noch immer an der sauerstoffmaske)<br />
alle stehen jetzt um den nestelnden doktor<br />
auch brfzky hat es aufgegebn und steht<br />
sänftling steht mit nacktem oberkörper und<br />
herunterhängendem kopf in der tür<br />
hinter ihm seine frau<br />
das bild von herrn sänftling bitte<br />
MEDIZINALRAT (sieht)<br />
unmöglich erika<br />
das ist eindeutig genickbruch<br />
schnell das notfall...<br />
(jetzt sieht er sänftling in der tür stehen<br />
der medizinalrat atmet durch)<br />
alle anderen auf der bühne atmen auch durch<br />
die zuschauer atmen auf<br />
der erste akt ist aus<br />
hahahaha
II. AKT . BILD<br />
dorfmontag wieder ordination abend<br />
medizinalrat professor herzkönig cognacschwenker<br />
gedämpftes licht<br />
die stunde ist fortgeschritten – wohin<br />
herzkönig-alt glatzert näselnd universitätsprofessor<br />
HERZKÖNIG (sabbernd)<br />
mhm ja ehm hvv beeindruckend sehr beeindruckend<br />
ehh j a und sie haben also auch einen selbstmordversuch<br />
durchgeführt<br />
MEDIZINALRAT (verjüngt)<br />
jawohl herr professor<br />
die fotografien und kardiogramme<br />
hier<br />
daraus geht eindeutig hervor daß ein exitus letalis<br />
unter normalen umständen eingetreten wäre<br />
HERZKÖNIG<br />
urg ehm sie halten es für ausgeschlossen<br />
daß die beschriebenen diagnosen<br />
ehm genickbruch arsenintoxikation und diese lebende tote<br />
glückliche zufälle sind ehm hvv sie verzeihen<br />
unglückliche zufällle natürlich mhm ja<br />
MEDIZINALRAT (sicher) ausgeschlossen<br />
HERZKÖNIG<br />
chachachacha aber wie haben sie denn diese toten therapiert<br />
MEDIZINALRAT (listig)<br />
absolute bettruhe und sprechverbot<br />
auch für die ehepartner<br />
vorläufig muß es noch geheim bleiben<br />
HERZKÖNIG<br />
sie ehm sind ein fuchs sie wollen die bombe also erst auf dem kongreß tanzen<br />
lassen<br />
MEDIZINALRAT (nickt) ich bitte sie hiermit um ihre unterstützung herr professor<br />
HERZKÖNIG<br />
mhm ja wir werden<br />
wo vermuten sie die causa dieses phänomens mhm<br />
MEDIZINALRAT (pfiffig)<br />
möglicherweise das trinkwasser<br />
vielleicht das neue hallenbad<br />
die probanden einschließlich mir waren alle schon einmal im hallenbad
möglicherweise brot oder ähnliches<br />
von der chemischen analyse stehen die ergebnisse noch aus<br />
HERZKÖNIG<br />
sehr gut sehr gut<br />
bis zum kongreß liegen also alle untersuchungen vor<br />
MEDIZINALRAT selbstverständlich<br />
HERZKÖNIG<br />
hvv schön schön ehm<br />
würden sie denn den versuch<br />
ich meine als selbstversuch wiederholen<br />
MEDIZINALRAT<br />
selbstverständlich<br />
wann immer sie es wünschen herr professor<br />
HERZKÖNIG<br />
wacker wacker herr medizinalrat<br />
wissen sie was das ist<br />
(er zieht aus seiner hosenstulpe eine giftkapsel)<br />
MEDIZINALRAT ich kann es mir denken<br />
HERZKÖNIG<br />
zyankali sie haben recht hvv eine alte angewohnheit unter offizieren<br />
MEDIZINALRAT<br />
verstehe<br />
wo waren sie denn damals<br />
HERZKÖNIG in polen mhmhmhh<br />
MEDIZINALRAT welcher abschnitt<br />
HERZKÖNIG<br />
kein abschnitt ich habe damals den grundstein meiner<br />
wissenschaftlichen karriere gelegt versuchsleiter<br />
hahahahaha hvvv<br />
stört es wenn meine assistenten ein paar fotos machen<br />
MEDIZINALRAT keineswegs<br />
HERZKÖNIG müller meier es geht los<br />
statisten zwei natürlich in weiß mit koffern kameras<br />
kardiografen und ähnlichem treten auf<br />
ehm jungs
die jungs sind 40<br />
beeilt euch der versuch beginnt<br />
BEIDE jawohl herr professor<br />
emsig werden kameras und apparate aufgestellt<br />
medizinalrat macht den oberkörper frei und wird angeschlossen<br />
herzkönig will dem medizinalrat die kapsel geben<br />
MEDIZINALRAT aber nicht doch herr professor ich habe<br />
meine eigene<br />
(greift ebenfalls in die stulpe)<br />
HERZKÖNIG<br />
aber so nehmen sie doch hvv sicher ist sicher<br />
ehm ich bestimme die versuchsanordnung ehm ja<br />
MEDIZINALRAT (devot) wie sie wünschen<br />
BEIDE herr professor die vorbereitungen sind abgeschlossen<br />
HERZKÖNIG (geil)<br />
hvv hvv mhm<br />
wir beginnen<br />
herr medizinalrat dr. theophil tschech<br />
nehmen sie diese zyankalikapsel<br />
(spricht in das mikrofon der kamera)<br />
jetzt klicken die fotoapparate<br />
medizinalrat schluckt<br />
der kardiograf surrt gibt kurz alarm und<br />
piept dann normal weiter<br />
medizinalrat faßt sich kurz an die brust und lächelt in die kamera<br />
klick klick klick<br />
hvv hvv hvv<br />
phantastisch herrlich<br />
ich gratuliere<br />
darf ich es noch einmal sehen bitte bitte bitte<br />
MEDIZINALRAT aber gern<br />
(will seine eigene kapsel nehmen)<br />
herzkönig reißt sie ihm aus der hand<br />
HERZKÖNIG<br />
lassen sie mich bitte<br />
darf ich ihnen die giftpille verabreichen bitte<br />
schön schlucken hihihihi<br />
brav hihihihi
das piepen greifen klicken wiederholt sich<br />
herrlich herrlich herrlich<br />
na jungs gefällt’s euch hihihi<br />
BEIDE hi hi hi hi hi<br />
HERZKÖNIG<br />
phantastisch jetzt möchte ich es auch einmal versuchen<br />
müller ihre eiserne ration<br />
einer der beiden reicht ihm zögernd seine giftpille<br />
MEDIZINALRAT aber herr professor ist es nicht so<br />
HERZKÖNIG<br />
kein aber hvvvv<br />
denken sie an den kongreß<br />
jetzt lassen sie mich schon<br />
(schiebt medizinalrat von der liege und schließt sich an den kardiografen an<br />
schluckt die pille)<br />
los los ihr idioten<br />
fotografiert euren meister<br />
klick klick surr surr<br />
diesmal hört der alarm nicht auf<br />
MEDIZINALRAT<br />
um gottes willen<br />
erika erika<br />
schnell er er<br />
ist tot<br />
das alarmieren wird ganz laut alle sind starr<br />
blackout
II. AKT 2. BILD<br />
dorfdienstag rathaus sitzungssaal ortswappen<br />
grüner tisch zeitungen weißwein rotwein zigaretten aufregung<br />
BÜRGERMEISTER (müde)<br />
zusammenfassend weise ich noch einmal auf die politische bedeutung der<br />
gerüchte hin<br />
unsterblichkeit in einem christlich-sozial regierten dorf<br />
meine herren ich muß wohl nicht extra erwähnen daß unsterblichkeit in einem<br />
sozialdemokratisch regierten gemeinwesen nicht vorkommen wird<br />
zustimmung fast allgemein<br />
OPPOSITIONSFÜHRER (politisch stotternd)<br />
herr bürgermeister<br />
im namen meiner fraktion möchte ich jetzt den sozialdemokratischen standpunkt<br />
zur mordanklage unseres geschätzten medizinalrats vorbringen<br />
(mutig)<br />
außerdem herr bürgermeister<br />
nichts für ungut<br />
aber wir sozialdemokraten sehen kaum einen zusammenhang<br />
zwischen den gerüchten und den christlich-sozialen<br />
ablehnung allgemein<br />
PFARRER (wichtig)<br />
sie verstehen wenn ich da<br />
wirklich ganz gegen meine gewohnheit<br />
eine politische wenn sie so wollen aussage treffe<br />
verehrter herr oppositionsführer<br />
das wort christlich steht sehr wohl in sehr direktem sie verstehen<br />
in direktem zusammenhang mit den ereignissen der letzten wochen<br />
alle beteiligten verstehen mich jetzt<br />
alle lebenden ja<br />
waren bzw sind noch immer mitglieder der<br />
römisch-katholischen<br />
kirche mit ausnahme des toten professors herzkönig<br />
quod erat demonstrandum herr oppositionsführer<br />
sie verstehen mich wenn ich ihnen als vertreter der kirche sage<br />
es gibt fatima<br />
es gibt lourdes<br />
und meine herren<br />
es gibt unser dorf<br />
und es gibt mich<br />
(gerührt)<br />
sie verstehen<br />
WIRT<br />
bravo herr pfarrer bravo
das muß einmal gesagt werden<br />
und mein vorschlag als vertreter des fremdenverkehrs ist die worte des herrn<br />
pfarrers für eine dementsprechende presseerklärung aufzuschreiben<br />
wortwörtlich meine herren<br />
(schwärmerisch)<br />
unser dorf wird einen unheimlichen wirtschaftlichen...<br />
alle schauen auf den bürgermeister welcher kreidebleich die hand fest<br />
ans herz gepreßt und nicht nur die hand sondern auch die zähne fest<br />
zusammengepreßt und mit gepreßter stimme<br />
wie sonst<br />
sagt<br />
BÜRGERMEISTER<br />
sehr richt...<br />
ahhh das ist mein dritter herzinfarkt<br />
(bricht zusammen)<br />
alle stürzen hin<br />
der gendarm macht wiederbelebung<br />
falsch natürlich<br />
GENDARM<br />
...herzsstillstand herzstillstand<br />
herzst...<br />
WIRT<br />
zum teufel mit der unsterblichkeit<br />
wenn der jetzt auch noch stirbt ist es aus mit dem großen geschäft<br />
GENDARM<br />
herr pfarrer tun sie jetzt nicht beten<br />
holen’s lieber den doktor<br />
PFARRER<br />
aber von wo denn um christi willen<br />
den haben sie doch eingesperrt<br />
GENDARM<br />
ich<br />
der untersuchungsrichter<br />
reden’s doch keinen...<br />
er atmet wieder<br />
er lebt<br />
WIRT gott sei dank<br />
OPPOSITIONSFÜHRER (ab jetzt stottert er nicht mehr)<br />
unkraut verdirbt nicht<br />
PFARRER schweigen sie sie sie sie...
BÜRGERMEISTER (erwachend) wo bin ich<br />
WIRT<br />
hier hier bist du<br />
da trink das das tut dir gut<br />
bürgermeister trinkt das angebotene viertel rot ex<br />
GENDARM jetzt aber rasch ins krankenhaus<br />
(stolz)<br />
ich transportiere sie mit dem dienstwagen<br />
BÜRGERMEISTER (abgehend)<br />
herr oppositionsführer führen sie die sitzung weiter<br />
der bezirkshauptmann braucht heute abend noch unsere stellungnahme<br />
OPPOSITIONSFÜHRER selbstverständlich und...<br />
(leise)<br />
...baldige besserung herr deschek<br />
(familienname des bürgermeisters<br />
zum rest<br />
die sternstunde des oppositionsführers)<br />
also meine herren wie sie soeben gehört haben<br />
brauchen wir ein bületeu<br />
dazu mein vorschlag<br />
punkt <br />
ich glaube daß wir uns über die bedeutung des ewigen lebens<br />
im klaren sind<br />
sowohl politisch als auch wirtschaftlich<br />
(listig)<br />
also wir zweifeln nicht an den behauptungen des herrn medizinalrates daraus<br />
folgt punkt 2<br />
der gemeideratsausschuß setzt sich für eine sofortige einstellung des<br />
strafverfahrens gegen doktor tschech ein und verlangt eine entgegnung in allen<br />
medien<br />
welche behaupten unser gemeindearzt sei ein<br />
scharlatan und mörder...<br />
PFARRER (verblüfft)<br />
sehr gut<br />
im interesse der allgemeinheit schlage ich vor gleich zu erwähnen daß wir<br />
unsere dorfkirche in eine<br />
wallfahrtskirche<br />
umzuwandeln wünschen<br />
denn es steht wohl außer zweifel<br />
sie verstehen<br />
wir sind wohl gerade eben selbst zeugen eines wunders geworden<br />
und ich habe guten grund zu der annahme daß ein<br />
heiliger
konkret der heilige nikolaus<br />
nicht weil er mein namenspatron ist ganz und gar nicht<br />
sondern...<br />
WIRT bravo herr pfarrer<br />
OPPOSITIONSFÜHRER ich bin mit meinen ausführungen noch nicht zu ende meine<br />
herrn...<br />
WIRT<br />
aber so lassen sie ihn doch ich finde das ausgesprochen gut<br />
sehr gut<br />
denken sie doch an ihre genossen<br />
die sicherung der arbeitsplätze<br />
(schwärmt wieder)<br />
gasthof zum goldenen nikolo gleich neben der nikolai kirche<br />
direkt am nikolausplatz<br />
gastgarten sauna hervorragend<br />
OPPOSITIONSFÜHRER<br />
aber das können wir doch alles später besprechen<br />
viel wichtiger ist die einrichtung einer propagandastelle<br />
einer koordinationsstelle<br />
zechberger stürzt herein<br />
ZECHBERGER der bürgermeister ist tot<br />
PFARRER aber um gottes willen wie denn was denn<br />
ZECHBERGER tot tot tot<br />
WIRT das darf doch nicht wahr sein<br />
ZECHBERGER<br />
tot tot<br />
der gendarm hat mich angerufen<br />
genau in dem moment wo er mit dem bürgermeister<br />
über die<br />
ortsgrenze gefahren ist<br />
hat der einen schnapper gemacht<br />
und ist totgewesen tot<br />
(zechberger scheint nicht sehr traurig<br />
verständlich er ist ja totengräber<br />
digging digging)<br />
WIRT na wenigstens ist er nicht im ort gestorben<br />
PFARRER<br />
schweigen sie sie materialist<br />
gott sei seiner seele gnädig