AUS- UND WEITERBILDUNG - Wirtschaftszeitung
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WIRTSCHAFTSZEITUNG<br />
LINZ/REGENSBURG. Während sich die<br />
Politik in Europa verzweifelt bemüht,<br />
die Verschuldungskrise einiger EU-<br />
StaatenmiteinemRettungsschirmzumindestmildernzukönnen,dieParlamenteletztlichmehroderwenigerratlos<br />
dem Thema gegenüberstehen und<br />
sich recht konzeptionslos eigentlich<br />
nur in die Solidarität unter den Europäernflüchten–hörtmanvondenFinanzmärktenfastnichts.Dabeiwarenesbesondersdieinternational<br />
tätigen Banken und Finanz-<br />
Jongleure, die den Euro und damit<br />
ganz Europa überhaupt erst in diese<br />
Krise gestürzt haben. Da tut es gut,<br />
dasssichendlichaucheinrenommierter<br />
Bankier zu Wort meldet. Wir sprachen<br />
mit Dr. Ludwig Scharinger, dem<br />
Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank<br />
Oberösterreich mit Sitz in Linz.<br />
SeinTenor:„EsgibtkeineEuro-Krise.“<br />
Eher Dollar-Krise zu beobachten<br />
Für den Österreicher, dessen Bankengruppe<br />
zuletzt eine Bilanzsumme von<br />
über 35 Milliarden Euro erwirtschaften<br />
konnte und längst auch im süddeutschen<br />
Raum eine hohe Präsenz<br />
zeigt, ist die europäische Währung<br />
derzeit „die stabilste und sicherste<br />
WährungderWelt“.<br />
Scharinger spricht vom Euro als<br />
einem „Garanten für intensive europäische<br />
Wirtschaftsverflechtungen“.<br />
Der Vorstandsvorsitzende der RaiffeisenlandesbankOberösterreichAktiengesellschaft<br />
erinnert daran, dass man<br />
durch den Euro, durch die offenen<br />
Grenzen, einen großen Markt bekommenhabe:„AlleininÖsterreichmacht<br />
die Exportquote bereits knapp 60 Prozent<br />
des Bruttoinlandsprodukts aus.“<br />
Ähnlich sieht die Situation in Bayern,<br />
jasogarin derOberpfalz aus.InÖsterreich<br />
sieht Dr. Scharinger nicht weniger<br />
als 2,4 Millionen Arbeitsplätze gesichert.<br />
Vor diesem Hintergrund hat sich<br />
Österreichs stärkste Regionalbank ein<br />
internationales Netzwerk von 15 Kooperationsbanken<br />
sowie nicht wenigerals1650Korrespondenzbankengeknüpft.DamitsiehtScharingerseinFinanzinstitut<br />
gut aufgestellt, um unter<br />
anderem über 21000 Unternehmen<br />
nach Osteuropa zu begleiten und<br />
mehr als 760 Firmen bei deren China-<br />
Aktivitäten zu betreuen. Aktuell befinden<br />
sich unter den Raiffeisenlandesbank-Kundennichtwenigerals840<br />
Unternehmen, die in der Türkei aktiv<br />
sind. Und wie sieht Scharinger die Situation<br />
bei den Nachbarn der Türkei,<br />
beidenGriechen?<br />
Natürlich, so der Linzer Bankier,<br />
müsse Griechenland („dies gilt aber<br />
auch für andere wie Portugal, Irland<br />
oder Spanien“) seinSparprogramm erfolgreich<br />
fortsetzen, auf Wirtschaftswachstum<br />
Wert legen und mit einfachen<br />
Steuergesetzen die Steuern auch<br />
tatsächlich einheben. Von einer Euro-<br />
Krise will Ludwig Scharinger in diesemZusammenhangnichtreden.Vielmehr<br />
sieht er eher eine Dollar-Krise,<br />
was man auch am Verhalten der Chinesenfestmachenkönne,dieverstärkt<br />
in Euro anlegen. Im übrigen würden<br />
derzeit nicht weniger als 30 Prozent<br />
POLITIK<br />
derWeltwährungsreserveninEurogehalten.<br />
Der Bankier, der Euro-Bonds<br />
durchaus als ein geeignetes Instrument<br />
betrachtet, um verschuldete<br />
Euroländer zu unterstützen, sieht<br />
Europa dennoch an einem Scheideweg.<br />
Soll sich dieser Kontinent zu<br />
einem „Europa der nationalen Egoismen“<br />
entwickeln, in dem populistische<br />
und nationalistische Elemente<br />
wiederaufflackern?<br />
Oder sollte das Ziel nicht ein solidarisches<br />
Europa sein mit einem riesigen<br />
Markt voll regionaler Vielfalt und Dynamik?<br />
Ludwig Scharinger spricht<br />
sich in aller Klarheit für ein solidarisches<br />
Europa aus, „und Euro-Bonds<br />
sindeinsolidarischesInstrument,freilich<br />
nicht als Freibrief“. Vielmehr solten<br />
diese Bonds zweckgewidmet für<br />
wichtige Projekte und Investitionen<br />
eingesetztwerden.<br />
Die Europäische Union, so Scharinger,<br />
werde sich schneller weiterentwickeln<br />
müssen zu einer Kerngruppe<br />
von Ländern, die in der Lage und gewillt<br />
sind, den Stabilitätspakt, der neu<br />
zu definieren sein wird, auch einzuhalten.<br />
Stimmberechtigt dürfen daher<br />
nur Vollmitglieder sein, die der Kerngruppe<br />
entsprechen. Jene, die das<br />
nicht schaffen, sollen einer assimilierten<br />
Gruppe angehören: „Das heißt,<br />
freier Zugang zum gemeinsamen<br />
Markt,jedochohneStimmrechtinder<br />
EU.“ Die dritte Gruppe müsste aus assoziierten<br />
Mitgliedern bestehen, die<br />
beginnen, in die Europäische Union<br />
hineinzuwachsen,sofernsieinderLagesind,dieEU-Standardszuerreichen<br />
undzuhalten.<br />
Kritik an finanzstarken Griechen<br />
Denn ein Land wie Griechenland in<br />
seiner aktuellen Situation brauche<br />
qualitatives Wachstum durch Investitionen,<br />
da müsse Europa helfen. Aber<br />
natürlich sind nach Auffassung des<br />
Generaldirektors auch die griechischen<br />
Behörden gefragt: „Damit westeuropäische<br />
Unternehmen investieren,<br />
Arbeitsplätze schaffen, das Land<br />
entlastenundWertschöpfunggenerieren,<br />
sollten sie von den Behörden bevorzugtbehandeltwerden.“<br />
Hart geht der Banker mit jenen finanzkräftigen<br />
Griechen ins Gericht,<br />
dieihrGeldaußerLandesgebrachtha-<br />
NOVEMBER 2011 | SEITE 7<br />
Scharinger:DerEuroistdiestabilsteWährung<br />
DerVorstandsvorsitzendederRaiffeisenlandesbankOberösterreichsprichtsichfüreinsolidarischesEuropaaus<br />
VON GERD OTTO<br />
MancheBanken<br />
agierenkurzsichtig.<br />
Dr.Ludwig Scharinger Foto:RLB<br />
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Wirsetzen<br />
aufWeitblick.<br />
ben und mit den Großreedern, die die<br />
Häfen im eigenen Land vernachlässigen.<br />
„Das muss man sich einmal vorstellen,“<br />
betont Scharinger, „Schiffe<br />
griechischer Reeder sind vielfach gar<br />
nicht mehr in Griechenland registriert.OftlaufendieseSchiffetürkische<br />
Häfen an, weil diese viel moderner<br />
sind“. Deshalb seien in Griechenland<br />
jetzt Investitionen in Häfen und Hafeneinrichtungen<br />
dringend erforderlich.<br />
„Spekulation massiv eindämmen“<br />
Schleierhaft sei ihm im übrigen auch,<br />
dass der griechische Staat nicht weniger<br />
als 4,3 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts<br />
für militärische Maßnahmen<br />
ausgibt. In Österreich – so<br />
seinVergleich–kommemanoffenbar<br />
mit0,8Prozentaus.<br />
Nach der „Kanzlerinnen-Mehrheit“<br />
fürAngela Merkelim DeutschenBundestag<br />
stimmte auch das österreichische<br />
Parlament der Aufstockung des<br />
erweiterten Euro-Rettungsschirms zu.<br />
Mit Blick auf die Geld- und Kapitalmärkte<br />
fordert der österreichische<br />
Bankier freilich mit allem Nachdruck,<br />
dass es die reine Spekulation nicht<br />
mehr zum Nulltarif geben dürfe. Vielmehr<br />
müsse dieses spekulative Element<br />
durch eine Finanztransaktionssteuer,<br />
eine Börsenumsatzsteuer, massiv<br />
eingedämmt werden. Das Argument,<br />
es werde dann eben außerhalb<br />
Europas spekuliert, sei für ihn kein<br />
Thema: „Denn wenn in Europa weniger<br />
spekuliertwird als anderswo, können<br />
wir die europäischen Geld- und<br />
Kapitalmärkteleichterstabilisieren.“<br />
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