AUS- UND WEITERBILDUNG - Wirtschaftszeitung
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SEITE 22 | NOVEMBER 2011 GES<strong>UND</strong>HEIT WIRTSCHAFTSZEITUNG | SEITE 23<br />
VolkskrankheitBurn-out<br />
PsychischeLeidenentwickelnsichzueinerregelrechtenEpidemie<br />
VON THORSTEN RETTA<br />
REGENSBURG. Jährlich müssen knapp 200000<br />
ArbeitnehmerinDeutschlandihrenJobfrühzeitig<br />
an den Nagel hängen, weil sie den Belastungen<br />
desArbeitsalltagesnicht längergewachsen<br />
sind. Vom Hochschulprofessor bis<br />
hin zur Reinigungskraft, vom Azubi bis zum<br />
Seniorchef,MännerwieFrauen–Branche,Alter<br />
und Geschlecht sind ebenso unterschiedlichwiedieUrsachen.Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />
Krebs, Beschwerden am Bewegungsapparat<br />
sind die klassischen Gründe für ein<br />
vorzeitigesAusscheidenausdemBeruf.<br />
VorallembeiArbeiternundinPflegeberufenistdiekörperlicheBelastungeinentscheidender<br />
Faktor. Skelett, Muskeln oder Bindegewebekapitulierenhieroftvordemgesetzlichen<br />
Rentenalter. 15 Prozent der Frühverrentungen<br />
sind darauf zurückzuführen. 13 Prozent<br />
zwingt ein Krebsleiden aus dem Berufsleben.ZehnProzentgehenaufdasKontovon<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankung. Die größte Bedrohung<br />
für die Arbeitsfähigkeit geht jedoch<br />
von psychischen Leiden aus. Knapp 40 Prozent<br />
der deutschen Arbeitnehmer, die dauerhaft<br />
berufsunfähig sind, leiden unter Depressionen,<br />
Sucht oder krankhafter Angst. 2001<br />
waren es noch 26 Prozent. Von 181000 Rentenzugängen<br />
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit<br />
im Jahr 2010 waren 71500 darauf zurückzuführen.<br />
Perfektionisten besonders gefährdet<br />
GanzweitobenaufderListederpsychischen<br />
Ursachen steht das Burn-out-Syndrom – und<br />
das nicht erst seit den jüngsten Offenbarungen<br />
von Schalke-Coach Ralf Rangnick und<br />
Ex-Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld. Depression<br />
und Burn-out sind zu Volkskrankheiten<br />
geworden. Star-Koch Tim Mälzer litt daran,<br />
ebenso wie Peter Plate, Sänger des deutschen<br />
Pop-Duos Rosenstolz, SPD-Vorsitzender Matthias<br />
Platzeck gab es als Rückzugsgrund an,<br />
dieProfi-SportlerSvenHannawaldundSebastian<br />
Deisler hängten deswegen Ski beziehungsweiseFußball-SchuheandenNagel.<br />
Die körperliche, emotionale und geistige<br />
Erschöpfung trifft aber nicht nur Stars und<br />
Sternchen.AuchwennsiebeiIndividualisten<br />
undPerfektionisten–dieesimProfisport,hohen<br />
politischen Ämtern und im Showbusiness<br />
überdurchschnittlich oft gibt – besondershäufiganzutreffenist.EtwaneunMillionen<br />
Deutsche, so Schätzungen von Experten,<br />
fühlen sich über einen längeren Zeitraum<br />
ausgebrannt,überfordertundkraftlos.<br />
DerSchaden,derdarausfürdieVolkswirtschaft<br />
entsteht, ist enorm. Laut Statistischem<br />
Bundesamt verursachen psychische Erkrankungen<br />
direkte jährliche Kosten von 28,7<br />
Milliarden Euro. Das ist jedoch nur ein Teil.<br />
Weitere Belastungen entstehen, weil die Betroffenen<br />
die Krankheit verschweigen oder<br />
nicht eingestehen wollen und weiter zur<br />
Arbeit gehen. Dieser sogenannte PräsentismusschlägtmitknappzehnMilliardenEuro<br />
zu Buche. Wenn es dann irgendwann gar<br />
nicht mehr geht, kommen Ausgaben aufgrund<br />
von Arbeitsunfähigkeit (Lohnfortzahlung,<br />
Krankengeld) und vorzeitiger Berentung<br />
hinzu. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz<br />
und Arbeitsmedizin (BAuA) schätzt<br />
den Ausfall an Bruttowertschöpfung wegen<br />
Arbeitsunfähigkeit auf insgesamt 78 Milliarden<br />
Euro jährlich. Rund zehn Prozent davon<br />
gehen allein aufdie Diagnosegruppe „Psychische<br />
und Verhaltensstörungen“ zurück. Die<br />
Unternehmen sind von dem Phänomen in<br />
einem weiteren Punkt betroffen. „Im zunehmenden<br />
Wettbewerb um die besten Köpfe<br />
wirdesimmerschwererfürqualifizierteMitarbeiter,diefrühzeitigausdemErwerbsleben<br />
ausscheiden, adäquate Nachwuchskräfte zu<br />
rekrutieren“, sagt Stephan Mayer, PressereferentderTechnikerKrankenkasse(TK).<br />
Er rät daher zu professionellem betrieblichem<br />
Gesundheitsmanagement (BGM).<br />
„Zum einen hält es ältere Beschäftigte länger<br />
imBetriebundzumanderenwerdenFirmen,<br />
die mehr soziale Leistungen für ihre Belegschaft<br />
anbieten, als attraktiver Arbeitgeber<br />
wahrgenommen.“ Das könne im „war for talents“<br />
einen entscheidenden Vorteil bringen.<br />
VonderbetrieblichenVorsorgewürdezudem<br />
die gesamte Volkswirtschaft profitieren. Das<br />
Unternehmen für Strategieberatung Booz &<br />
CompanyhatinderStudie„VorteilVorsorge“<br />
festgestellt, dass sich jeder Euro, der in betriebliche<br />
Prävention investiert wird auf<br />
volkswirtschaftlicher Ebene mit fünf bis 16<br />
Euro auszahlt. Angesichts dieser Zahlen und<br />
EntwicklungenistesfürMayerumsoüberraschender,dassnureineMinderheitderBetriebe<br />
die betriebliche Vorsorge nutzt. Besonders<br />
kleinere und mittlere Unternehmen zeigten<br />
kaumInteresse.<br />
Leistungen der Kassen nutzen<br />
Dabei unterstützen die Kassen die Firmen,<br />
krankmachende Tendenzen früh zu erkennen.<br />
So werden etwa gemeinsam mit der Belegschaft<br />
individuelle Lösungen für einen gesundenArbeitsplatzundangemesseneAnforderungenerarbeitet.IndenArbeitsbedingungen<br />
liegt für viele der Keim der drohenden<br />
Epidemie. Immer mehr Beschäftigte arbeiten<br />
befristet, moderne Kommunikation macht<br />
sie rund um die Uhr und überall erreichbar.<br />
Ein selbst bestimmter Arbeitsrhythmus ist<br />
eherAusnahmealsRegelundständigerscheinendePop-up-Fenster,E-Mails,Kurznachrichten<br />
und Anrufe diktieren die Arbeitsabläufe.<br />
Das hinterlässt Spuren. Hinzu kommt die<br />
Enttabuisierung psychischer Erkrankungen.<br />
BegriffewieBurn-outoderDepressionsindin<br />
Talkrundenallgegenwärtig.ÄrzteundPatienten<br />
werden bei Krankheitssymptomen sensibler<br />
und ziehen heute psychische DiagnoseneherinBetracht.<br />
„Neben der Unterstützung in Sachen Prävention<br />
hat die TK ihre betrieblichen Gesundheitsberater<br />
zu Demografieberaternausgebildet,<br />
da künftig vor allem eine altersgerechte<br />
Betriebs- und Personalpolitik gefragt<br />
ist“, erklärt Mayer weiter. „So kann die<br />
Arbeitskraft älterer Beschäftigter erhalten<br />
bleiben, damit diese erfahrenen Beschäftigen<br />
langeeinenBeitragzumUnternehmenserfolg<br />
leisten können.“ Die Unternehmen müssten<br />
den demografischen Wandel als Chance begreifen<br />
und mit der Gestaltung altersgerechter<br />
Arbeitsbedingungen die eigenen Ressourcen<br />
stärken. Hier hilft auch das Finanzamt<br />
mit. Arbeitgeber können pro Angestelltem<br />
bis zu 500 Euro steuerfrei in die betriebliche<br />
Gesundheitsförderunginvestieren.<br />
Unabhängig vom BGM sollte jeder Beschäftigte<br />
die Kultur der GesundheitsvorsorgeauchinseinemprivatenBereichleben.Die<br />
meisten Krankenkassen motivieren ihre VersichertenzurPrävention.Daskönneabernur<br />
ein Anreiz sein, sagt Mayer. „Jedem sollten<br />
klar sein, dass er selbst von einer gesunden<br />
Lebensweise am meisten profitiert, denn: GesundälterwerdenbedeutetLebensqualität.“<br />
PSYCHISCHE ERKRANKUNGEN WEIT VORN<br />
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Rund 181 000 Menschen bezogen2010erstmals eine Erwerbsminderungsrente<br />
der gesetzlichen Rentenversicherung,sehr viele wegenpsychischer Probleme.<br />
Frauen Männer<br />
Krebs 13,6<br />
Psychische<br />
Störungen<br />
45,6<br />
Krebs 13,0<br />
▼<br />
Skelett,<br />
Muskeln<br />
14,3<br />
Skelett,<br />
Muskeln<br />
15,0<br />
Stoffwechsel<br />
3,2<br />
Stoffwechsel<br />
4,5<br />
Herz,<br />
Kreislauf<br />
5,9<br />
Herz,<br />
Kreislauf<br />
13,7<br />
Nerven,Sinne Sonstige Nerven,Sinne<br />
6,3 11,1<br />
5,8<br />
Psychische<br />
Störungen<br />
Sonstige<br />
14,6<br />
Quelle:DeutscheRentenversicherungBund AngabeninProzent<br />
WZ-Infografik<br />
............................................................................................................................................................................<br />
▼<br />
% %<br />
33,4<br />
AuchbeiEx-Schalke-CoachRalfRangnickwarderAkkuleer. ImmermehrArbeitnehmerfühlensichüberfordertundscheidenvorzeitigausdemBerufslebenaus.DarunterleidennichtnurBetroffene,sonderndiegesa<br />
INTERVIEW<br />
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DER REGENSBURGER HOCHSCHULLEHRER PROFESSOR DR. PETER FISCHER HÄLT SENSIBLE FÜHRUNGSKRÄFTE <strong>UND</strong> EINE MAßVOLLE ARBEITSBELASTUNG FÜR DEN BESTEN SCHUTZ VOR BURN-OUT <strong>UND</strong> DEPRESSION<br />
ZwischenidealistischerBegeisterungundtotalerFrustration<br />
REGENSBURG. Depression und Burn-out sind für vieleBerufstätigezumDamokles-SchwertüberderKarrieregeworden.OftistderFaden,dereshält,gefährlichdünn,oftbereitsgerissen.InderOberpfalzsind<br />
im vergangenen Jahr 919 Menschen aufgrund psychischer<br />
Probleme vorzeitig aus dem Berufsleben<br />
ausgeschieden.<br />
30 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Für<br />
Unternehmen entsteht dadurch erheblicher materiellerSchaden.FürdieBetroffenenselbststehtvom<br />
Zusammenbruch der sozialen Beziehungen bis hin<br />
zum Suizid deutlich mehr auf dem Spiel. Doch es<br />
gibtdurchausMöglichkeiten,den AkkuwiederaufzuladenundneuenSpaßamJobzufinden.„Inerster<br />
Linie kommt es darauf an, wie Vorgesetzte führen“,<br />
sagt Professor Dr. Peter Fischer vom Lehrstuhl für<br />
Sozial-,Arbeits-,Organisations-,undWirtschaftspsychologie<br />
an der Universität Regensburg. Wir haben<br />
mit ihm über Ursachen, Verlauf und Präventionsmöglichkeitengesprochen.<br />
HerrProfessorDr.Fischer,worankannmaneinBurnout-Syndromüberhaupterkennen,wassinddieSymptome?<br />
Prof. Dr. Peter Fischer: Burn-out ist eine psychische<br />
Erkrankung, die spezifisch auf den Arbeitsalltag<br />
gerichtet ist. Der macht immerhin ein Drittel<br />
unserer Lebenszeit aus. Gefühlt oft sogar die Hälfte.<br />
Wenn Lust und Freude an der Arbeit verloren gehen,<br />
jeder Tag zur Qual wird und man sich überfordert<br />
fühlt, kann es mittelfristig zu einem Burn-out<br />
kommen. Es setzt ein Zustand ausgesprochener<br />
emotionalerErschöpfungmitreduzierterLeistungsfähigkeitein.EskannalsEndzustandeinerEntwicklungslinie<br />
bezeichnet werden, die mit idealistischer<br />
Begeisterung beginnt und über frustrierende Erlebnisse<br />
zu Desillusionierung und Apathie, psychosomatischen<br />
Erkrankungen und Depression sowie<br />
einererhöhtenSuchtgefährdungführt.<br />
„Der Mensch, nicht nur seine Arbeitskraft,<br />
sollteninteressieren.“<br />
PROF.DR.PETERFISCHER<br />
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WorinliegendieUrsachen?<br />
Fischer: Exogene Einflussfaktoren wie Todesfälle<br />
oder Umweltkatastrophen können ebenso Auslöser<br />
sein, wie eine unerkannte oder unbehandelte Depression.<br />
Halten posttraumatische BelastungsreaktionenmehrereMonatean,kanndaseinenBurn-out<br />
zur Folge haben. Natürlich spielt auch die individuelleBelastungsresistenzeineRolle.AusSichtderArbeits-<br />
und Organisationspsychologie sind jedoch<br />
suboptimale Prozesse in der Organisation und<br />
Struktur der Arbeit ausschlaggebend. Die zu erledigenden<br />
Aufgaben sollten weder unterfordern noch<br />
massiv überfordern. Optimal ist eine leichte Über-<br />
forderung. Daran kann man wachsen. Ganz maßgeblich<br />
sindaber hier meiner Meinung nach die Fähigkeiten<br />
der Führungspersönlichkeiten, den Angestellten<br />
die entsprechende Wertschätzung entgegen<br />
zu bringen. Viele Chefs schaffen das nicht. Häufig<br />
erfahren ihre Mitarbeiter für gute Arbeit zu wenig<br />
oder gar kein Lob. Oder es wird versäumt, Visionen<br />
an die Belegschaft weiterzugeben. Dort, wo es ausreichend<br />
Feedback und Information für die Mitarbeitergibt,sindgesundheitlicheBeschwerdenund<br />
Fehlzeitenseltenerundfallenkürzeraus.<br />
WelcheRollespielendiegestiegenenAnforderungenin<br />
derArbeitswelt?<br />
Fischer:NatürlichistdieglobalisierteArbeitswelt<br />
mit ihren steigenden Renditezielen, den befristeten<br />
Verträge und flexiblen Arbeitszeiten ein Punkt. Daran<br />
wirdsich aber wenigändernlassen. Die Ansatzpunkte<br />
liegen bei den Betroffenen selbst, den Organisationsstrukturen<br />
und der Kultur im Unternehmen.<br />
GibtesPersonengruppen,diebesondersgefährdetsind?<br />
ManhatdenEindruck,SpitzensportlerundGrößenim<br />
Showbusinesstrifftesamhäufigsten.<br />
Fischer: Das ist zum einen der medialen Präsenz<br />
geschuldet. Wenn ich oder Sie an einem Burn-out<br />
leiden, wird das nur bedingt interessieren. Promis<br />
stehen immer im Rampenlicht, da bekommt man<br />
schnellallesmit.ZumanderenstehendieLeute„on<br />
top“ nochmal unter besonderem Druck. Von ihnen<br />
wird absolute Spitzenleistung erwartet. Um die zu<br />
bringen,wirdoftallesanderevernachlässigt.Freunde,<br />
Familie, die eigene Gesundheit werden hinten<br />
angestellt, es zählt nur noch der Erfolg im Job. Irgendwannbleibtderdannaus,manbekommtnichtdieerwünschteAnerkennungundbeginnt,dasGanzezuhinterfragen.GeradedieMenschen,dieindiesem<br />
Sinn alles auf eine Karte setzen, können, wenn<br />
etwasschiefläuft,vielverlierenundfallenineintiefesLoch.InsoferntragenPerfektionistenundIndividualisteneinerhöhtesRisikoanBurn-outzuerkranken.<br />
DieDiagnoseBurn-outmusskeineswegsdasdefinitive<br />
EndedesBerufslebensbedeuten.WielangeistdiedurchschnittlicheAusfallzeit?<br />
Fischer: Aus Erfahrungen der klassischen Medizin<br />
wird bei einem Burn-out in der Endstufe von<br />
einer Ausfallzeit zwischen sechs und 18 Monaten<br />
ausgegangen. Häufig dauert es aber, bis die richtige<br />
Diagnose gestellt wird. Obwohl in Deutschland in<br />
den letzten Jahren große Fortschritte gemacht wurden,<br />
ist die Akzeptanz in vielen Bereichen immer<br />
noch zu gering. Bei einem typischen Ablauf dauert<br />
esetwa1,5Jahre,biseinePerson,dieanBurn-outerkranktist,sohandlungsunfähigist,dassihrZustandamArbeitsplatzdurchlängerfristigeundwiederholte<br />
Krankschreibungen erkannt wird. Bis dahin hat<br />
der Betroffene schon einiges erlitten und dem<br />
Arbeitgeber entstanden aufgrund reduzierter<br />
Arbeitsleistung,FehleranhäufungundStressauswirkungaufandereMitarbeiterenormeKosten.<br />
EsistalsofürbeideSeitensinnvoll,vorzubeugen.Wie<br />
siehtdaskonkretaus?<br />
Fischer: Eine humane Führung ist die beste Antwort<br />
auf die Bedrohung „Burn-out“. Der Mensch,<br />
nicht nur seine Arbeitskraft, sollten interessieren.<br />
Manmusswiegesagt,eineVision,einenSinnhinter<br />
der Arbeit vermitteln. Das wirkt in gewisser Weise<br />
alsImpfunggegenBurn-out.Daskönnenzuwenige<br />
Chefs.DeshalbempfehlensichexterneCoachesund<br />
psychologische Berater, die Arbeitsabläufe und Firmenklima<br />
analysieren, Verbesserungsmöglichkeiten<br />
aufzeigen und Führungskräfte dementsprechendschulenundsensibilisierenkönnen.<br />
DasInterviewführteThorstenRetta<br />
INTERVIEW<br />
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VERSICHERUNGSMAKLER NILS LEDERER RÄT ZUR PRIVATEN BERUFSUNFÄHIGKEITSVERSICHERUNG<br />
RisikoBerufsunfähigkeit<br />
SCHWANDORF. Die Gefahr, den Beruf irgendwann<br />
nicht mehr ausüben zu können, weil<br />
die Belastungen im Job zu groß werden, ist<br />
keineswegs marginal. Immer mehr Arbeitnehmer<br />
müssen vorzeitig die Reißleine ziehen–Körper,GeistoderSeelesinddenAnforderungen<br />
des Berufslebens nicht mehr gewachsen.<br />
Die richtige Vorsorge wird vor diesem<br />
Hintergrund immer wichtiger. Dennoch<br />
fälltdieAntwortjedesfünftenDeutschenauf<br />
die Frage, wie viel er für eine Berufsunfähigkeitsversicherung<br />
(BUV) ausgeben würde, ernüchternd<br />
aus: Sie lautet in der Regel<br />
„Nichts“.LautDeutscherRentenversicherung<br />
wird aber jeder fünfte Angestellte und jeder<br />
dritte Arbeiter im Lauf seines Arbeitslebens<br />
berufsunfähig. Wir sprachen in diesem Zusammenhang<br />
mit Nils Lederer, Freier Versicherungsmakler<br />
aus Schwandorf. Er erklärt,<br />
woraufbeiderWahleinerBUVbesondersgeachtetwerdensollte.<br />
Herr Lederer, ist eine BUV überhaupt sinnvoll?<br />
Nils Lederer: Eine BUV ist ein privatwirtschaftlicherSchutzvorBerufsunfähigkeit.AllerdingsgibtesauchimRahmendergesetzlichen<br />
Rentenversicherung den Begriff der Berufsunfähigkeit.DiesegreiftjedochnurnochbeiPersonen,dievordem2.Januar1961geboren<br />
sind, und auch nur unter gewissen VoraussetzungenundmitniedrigenLeistungen.<br />
Füralldiejenigen,diespätergeborensind,gilt<br />
begrenzter Schutz im Rahmen der Erwerbsunfähigkeit,<br />
ermittelt nach dem Restleistungsvermögen<br />
auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb<br />
sollte sich jeder Arbeitende durch eine<br />
private BUV vor den finanziellen Folgen von<br />
Krankheiten und Unfällen absichern. Können<br />
Angestellte oder Arbeiter aus einem der<br />
beiden Gründe ihren Beruf auf Dauer nicht<br />
mehr ausüben, zahlt ihnen ein Versicherer<br />
bis zum Ende der Vertragslaufzeit die vereinbarte<br />
Rente. Ansonsten gibt es lediglich die<br />
staatlicheErwerbsminderungsrente(EMR).<br />
VonwelchenFaktorenistesabhängig,obman<br />
EMRbzw.BU-Rentebekommt?<br />
Lederer: Rente wegen voller Erwerbsminderung<br />
bekommt der Antragsteller, wenn er<br />
unabhängig vom erlernten Beruf nur noch<br />
dreibisuntersechsStundentäglichtätigsein<br />
kann.TeilweiseEMRbekommt,wermehrals<br />
drei Stunden täglich – unabhängig von der<br />
Arbeitsmarktlage, dem letzten Beruf oder<br />
demletztenEinkommen–irgendeinerArbeit<br />
nachgehenkönnte.WermehralssechsStunden<br />
unabhängig von Einkommenseinbußen<br />
irgendeinerTätigkeitnachgehenkann,erhält<br />
keine EMR. Der Rentenversicherungsträger<br />
kann die Leistung verweigern mit dem Hinweis,<br />
dass etwa noch eine leichte Arbeit, im<br />
Sitzen und ohne Lärmbelastung ausgeübt<br />
werden könnte. Die private BU-Rente bekommtmandagegen,wennderaktuellenBeruf<br />
mindestens sechs Monate nicht ausgeübt<br />
werdenkannundeinArzteine50-prozentige<br />
Berufsunfähigkeit (BU) attestiert bzw. eine<br />
PflegebedürftigkeitinStufeeinsvorliegt.<br />
WiehochistdieEMR?<br />
Lederer: Die volle EMR beträgt knapp 30<br />
Prozent des letzten Bruttoeinkommens, die<br />
teilweise EMR sogar nur knapp 15 Prozent.<br />
Also selbst derjenige, der die volle EMR bekommt,<br />
hat erhebliche Einbußen hinzunehmen.EineprivateAbsicherungistdeshalbabsolutzuempfehlen.<br />
WannistdergünstigsteZeitpunkteineBUVabzuschließen?<br />
Lederer: Die Wahrscheinlichkeit, eine Berufsunfähigkeitsrente<br />
in Anspruch zu nehmen,istzwischen55und65Jahrenamgrößten.<br />
Daher wird von Verträgen mit dem Ablaufalter<br />
55 oder 60 dringend abgeraten. Das<br />
Endaltersollte,wennmöglich,65bis67Jahre<br />
betragen.DadasBU-RisikomitjedemLebensjahrsteigtunddieBeiträgederVersichererdanach<br />
kalkuliert werden, lohnt sich ein Abschlussbereitsin<br />
jungenJahren.Ein 30-jährigerVersicherungsnehmerzahltbiszu40Prozentwenigeralsein40-Jähriger.WerdieNotwendigkeiteinerBUVerkannthat,solltemit<br />
demAbschlussnichtwarten.<br />
VonwelchenFaktorenhängtderBeitragab?<br />
Lederer:DerBeitragrichtetsichgrobnach<br />
Beruf und Alter bei Vertragsabschluss sowie<br />
nach dem Endalter bei Vertragsablauf. Die<br />
meisten BU-Versicherer teilen Kunden nach<br />
deren aktuell ausgeübten Beruf in vier bis<br />
sechs Gruppen ein. Faustregel dabei ist: Je<br />
„Wer die Notwendigkeit einer Berufsunfähigkeitsversicherung<br />
erkannt hat,<br />
solltemitdemAbschlussnichtwarten.“<br />
NILSLEDERER<br />
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körperlich anspruchsvollerder Beruf, desto<br />
höher die Berufsgruppe und desto mehr Beitrag<br />
wird fällig.Ein Diplomingenieurkann<br />
sich zum Beispiel über die beitragsgünstigste<br />
Berufsgruppe1freuen.Hingegenfindet sich<br />
ein Maurer inder höchsten Berufsgruppe<br />
wieder.Die Versichererkalkulierenhierdas<br />
RisikoderBerufsunfähigkeitunddasliegtbei<br />
körperlich anspruchsvollen Berufen statistisch<br />
gesehen höher. Man muss jedoch festhalten,dasspsychischeAusfallgründezuletzt<br />
stark zunehmen. Etwa vier von zehn Fällen<br />
von Berufsunfähigkeit werden mit psychischen<br />
Erkrankungen begründet. Darauf werdendieVersichererreagierenmüssen.<br />
ImZusammenhangmitBU-Verträgenhörtman<br />
immerwiederdenBegriffder„abstrakten“beziehungsweiseder„konkretenVerweisbarkeit“.Was<br />
bedeutetdas?<br />
Lederer: Ist bei einem Versicherer die abstrakte<br />
Verweisungsklausel im Vertrag angegeben,<br />
so kann er den Versicherten unter BerücksichtigungderberuflichenKenntnissein<br />
einen anderen als den zuletzt ausgeübten Beruf<br />
verweisen. Dazu ein Beispiel: einer Krankenschwester<br />
könnte der BU-Versichererdie<br />
Leistung verweigern, wenn diese beispielsweise<br />
noch als Sprechstundenhilfe arbeiten<br />
könnte. In der konkreten Verweisbarkeit ist<br />
das nicht möglich. Betroffene erhalten die<br />
vertraglichvereinbarteRente,wennderaktuellebisherigeBerufnichtmehrausgeübtwerdenkann.<br />
DerVersicherer kann dieLeistung<br />
hier nur verweigern, wenn der Versicherte<br />
während seines Berufslebens einer Arbeit<br />
nachgegangen ist, die etwa den gleichen Lebensstandardermöglichtwiedieletzteunder<br />
diesenochausübenkönnte.<br />
Woraufsolltemannochachten?<br />
Lederer: Die versicherte Rente sollte mindestens<br />
75 Prozent des letzten Nettoeinkommens<br />
betragen, damit der Lebensstandard<br />
und laufende Kosten gedeckt sind. Zudem<br />
solltenbeimAntragGesundheitsfragenunbedingtwahrheitsgemäß<br />
beantwortet werden,<br />
damit die Leistung im Bedarfsfall auch tatsächlich<br />
erbracht wird. Bei Falschangaben<br />
könnendieAnbieterdieLeistungverweigern.<br />
BeiderWahldesVersichererslohntsichauch<br />
der Gang zu Versicherungsvermittlern, die<br />
einen gesellschaftsübergreifenden und unabhängigenVergleicherstellen.<br />
DasInterviewführteThorstenRetta<br />
BERUFSUNFÄHIGKEITSRISIKO<br />
.....................................................................................<br />
Beruf BU-Risiko<br />
inProzent<br />
Gleisbauer<br />
Eisenbahnschaffner<br />
Sprengmeister<br />
Krankenpfleger<br />
Sprechstundenhelfer<br />
EDV-Fachleute<br />
Versicherungsfachleute<br />
Bankfachleute<br />
Steuerberater<br />
Unternehmensberater<br />
Wirtschaftswissenschaftler<br />
Lehrer<br />
Unternehmer<br />
Naturwissenschaftler<br />
Lt.Verwaltungsfachleute<br />
Architekten,Bauingenieure<br />
Elektroingenieure<br />
Rechtsberater<br />
Physiker,Mathematiker<br />
Ärzte<br />
67,16<br />
65,44<br />
41,57<br />
36,53<br />
28,83<br />
22,67<br />
18,88<br />
17,46<br />
15,48<br />
14,78<br />
14,00<br />
12,36<br />
12,35<br />
10,67<br />
10,15<br />
9,85<br />
9,24<br />
8,47<br />
6,27<br />
6,23<br />
WZ-Infografik<br />
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