AUS- UND WEITERBILDUNG - Wirtschaftszeitung
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SEITE 14 | NOVEMBER 2011 <strong>AUS</strong>- <strong>UND</strong> <strong>WEITERBILDUNG</strong> WIRTSCHAFTSZEITUNG<br />
AuchohneAbiturzumakademischenTitel<br />
InZeitendesFachkräftemangelsunterstützenvieleostbayerischeFirmendasberufsbegleitendeStudiumvonMitarbeitern<br />
VON CLAUDIA ROTHHAMMER<br />
REGENSBURG. „Was Hänschen nicht<br />
lernt, lernt Hans nimmermehr.“ Das<br />
Sprichwort ist längst überholt. „Was<br />
Hänschennichtlernt,lerntHanseben<br />
später.“ So müsste es heutzutage heißen.<br />
LebenslangesLernen ist die Devise<br />
– auch im Job. Neueste Fortbildungsmöglichkeit:<br />
vom Meister zum<br />
Akademiker. Auch in den HochschulenundUniversitätenOstbayernssind<br />
schon einige „beruflich Qualifizierte“,<br />
wie Studierende ohne Hochschulreife<br />
im Fachjargon heißen, unterwegs.<br />
Tendenz steigend. Das ist politisch<br />
und auch vonseiten der Unternehmer<br />
gewünscht, denn Bayern braucht<br />
mehr Ingenieure, Maschinenbauer<br />
undspezialisierteFachkräfte.<br />
Auch die Siemens AG in RegensburgistaufgutausgebildeteMitarbeiter<br />
angewiesen. „Berufsbegleitende<br />
Qualifizierungsmaßnahmen sind deshalb<br />
für uns schon lange fester Bestandteil<br />
der Personalentwicklung“,<br />
sagtRenateBirzer,Personalleiterinbei<br />
SiemensRegensburg.GeradeinZeiten<br />
eines „akuten Fachkräftemangels“ sei<br />
es für Siemens wie auch für alle anderenUnternehmenwichtig,Mitarbeiter<br />
bei der Weiterbildung zu unterstützen.<br />
Vom Meister zum Master<br />
Der Bachelor-Studiengang Systemtechnik,<br />
der in diesem Wintersemester<br />
an der Hochschule Regensburg gestartet<br />
sei, komme der Firma dabei<br />
sehr entgegen, wie Birzer versichert.<br />
„Er deckt inhaltlich die bei uns gefordertenKenntnisseperfektab.“DasGute:<br />
Auch Mitarbeiter ohne Hochschulreife<br />
können Systemtechnik studieren.<br />
Erst seit 2009 dürfen in DeutschlandauchMenschenohneAbituroder<br />
Fachabitur an die Hochschulen, um<br />
dort einen Bachelor-Abschluss oder<br />
danach sogar einen Master-Abschluss<br />
zuerwerben.<br />
Zum einen sind dies Meister und<br />
Absolventen einer gleichgestellten be-<br />
ruflichen Fortbildungsprüfung wie etwa<br />
Fachwirte. Aber auch Absolventen<br />
einer Fachschule oder Fachakademie,<br />
zum Beispiel Techniker oder Erzieher,<br />
könnensichnunanHochschuleneinschreiben.<br />
Sie dürfen sich in der Regel<br />
injedemStudiengang–obUniversität<br />
oderHochschulefürangewandteWissenschaften–immatrikulieren.<br />
Darüber hinaus gibt es noch eine<br />
zweite Gruppe, die studieren darf:Personenmiteinermindestenszweijährigen<br />
Berufsausbildung und drei Jahren<br />
Berufserfahrung. Sie dürfen sich allerdings<br />
nur für ein Studium entscheiden,dasengmitihremerlerntenBeruf<br />
zusammenhängt.Zudemstudierensie<br />
erst ein Jahr auf Probe und müssen<br />
meistaucheineZugangsprüfungablegen.<br />
Meistern, Technikern und FachwirtenbleibtdiesePrüfungundProbe<br />
Auch die Hochschule in Deggendorf erweitert das Studienangebot für beruflichQualifizierte.<br />
Foto:HochschuleDeggendorf<br />
Berufsbegleitendstudieren<br />
NeueStudienangeboteinRegensburgundDeggendorf<br />
REGENSBURG/DEGGENDORF. An den<br />
Hochschulen in Niederbayern und<br />
derOberpfalzwirddasAngebotanberufsbegleitenden<br />
Studienangeboten<br />
stetig ausgebaut. Maschinenbau, Mechatronik<br />
und Automatisierung, das<br />
sinddieKernbereicheeinesneuenberufsbegleitendenStudiengangsfürberuflich<br />
Qualifizierte, die im Studiengang<br />
„Bachelor Systemtechnik“ an<br />
der Hochschule für angewandte Wissenschaften<br />
in Regensburg ab diesem<br />
Wintersemestervermitteltwerden.<br />
GemeinsammitFirmenausderRegion<br />
wurde dieser in Bayern einzigartige<br />
Studiengang konzipiert. In<br />
neun Semestern, das heißt in viereinhalbJahren,kannderBachelorerworben<br />
werden. Der Lehrstoff beinhaltet<br />
Themen wie Entwurf und Realisierung<br />
von Systemen moderner Produkte<br />
und Produktionsanlagen sowie<br />
Konzipieren und Managen von komplexenSystemen.Weralsoeinehöhe<br />
Studieren ohne Hochschulreife und neben dem Beruf: Im September startete an der Hochschule Regensburg der<br />
neue,berufsbegleitendeBachelorstudiengangSystemtechnik. Foto:HochschuleRegensburg<br />
re Position im Beruf anstrebt und<br />
komplexe Maschinen-, Anlagen- und<br />
Produktionsprozesse entwickeln oder<br />
steuernmöchte,isthiergenaurichtig.<br />
Neu in diesem Wintersemester ist<br />
auch der berufsbegleitende Studiengang<br />
„Bachelor Betriebliches Management“<br />
in Deggendorf. Er vermittelt<br />
Studierenden in acht Semestern zentrale<br />
Inhalte in den Fächern Finanzen,<br />
Marketing, Logistik, Controlling sowie<br />
Personalwesen und Unternehmensplanung.<br />
Weitere neue berufsbegleitende<br />
Studiengänge sowie eine komplette<br />
Übersicht über Angebote für beruflich<br />
Qualifizierte, weitere Informationen<br />
über Zugangsregelungen und Finanzierungsmöglichkeiten<br />
finden Interessierte<br />
und Unternehmer auf der<br />
Informationsplattform des BayerischenStaatsministeriumsfürWissenschaft<br />
und Forschung: www.weiterstudieren-in-bayern.de.(xcr)<br />
zeit erspart. Wie viele wagen aber den<br />
Schritt zum Akademiker? „Es sind<br />
nicht so dramatisch viele“, meint Professor<br />
Wolfgang Bock, Vizepräsident<br />
der Regensburger Hochschule für angewandte<br />
Wissenschaften. „Aber es<br />
werdenmehr.“Zumeinenliegedasdaran,<br />
dass diese Weiterbildungsmöglichkeit<br />
nun stärker in der Öffentlichkeit<br />
wahrgenommen werde, zum anderen<br />
werde das Studienangebot weiter<br />
ausgebaut. An seiner Hochschule<br />
haben sich vergangenes Jahr etwa 50<br />
„beruflich Qualifizierte“ angemeldet,<br />
so viele wie an der Regensburger Universitätauch.InDeggendorfhingegenarbeitenbereits122MännerundFrauenanihremakademischenTitel.<br />
Aber es sollen noch mehr werden.<br />
Der Freistaat hat reagiert und die Formen<br />
des Studiums für Menschen, die<br />
LANDSHUT.BirgitBurgmeierist24Jahre<br />
jung, Meisterin der Gelenkwellenfertigung<br />
bei BMW Landshut und<br />
eine der ersten in Bayern, die das AngebotdesStaates,alsberuflichQualifiziertezustudieren,angenommenhat.<br />
Während sie von Montag bis Freitag<br />
40 Stunden für BMW arbeitet – übrigens<br />
im Werk Landshut die einzige<br />
weibliche Meisterin und dazu die<br />
jüngste unter den Meistern – studiert<br />
sieamWochenendeanderHochschule<br />
Landshut berufsbegleitend Wirtschaftsingenieurwesen.<br />
Im Herbst<br />
startetsieinsdritteSemester.<br />
„Das erste Semester war anstrengend“,<br />
gibt sie zu. Jeden Freitag und<br />
Samstag Unterricht, kein freies Wochenende.Dasseihartgewesen.Nicht<br />
nur für sie. Die Hochschule reagierte,<br />
organisierte den Unterricht neu und<br />
bietet nun mehr Blockseminare an.<br />
„Dafür haben wir jetzt auch mal freie<br />
Wochenenden“, freut sich Burgmeier.<br />
Und die braucht man auch. Denn<br />
schließlich muss zu Hause auchnoch<br />
gelernt werden. Ein Vollzeitstudium<br />
wärefürsiezwarauchinfragegekommen,<br />
aber ein berufsbegleitendes Studium<br />
ist ihr lieber. Allerdings ist dies<br />
im Gegensatz zum Vollzeitstudium<br />
nichtganzbillig.„ProSemesterkostet<br />
das 2250 Euro, aber zum Glück habe<br />
icheinStipendium.“<br />
Zusammen mit 25 Kommilitonen<br />
– darunter nur noch zwei weitere<br />
Frauen – startete Burgmeier damals<br />
insersteSemesterunddamitinserste<br />
Semester des Studiengangs WirtschaftsingenieurwesenanderHoch-<br />
mitten im Beruf stehen, ausgeweitet.<br />
Neben Vollzeit- und Teilzeitstudium<br />
wird das Angebot an berufsbegleitenden<br />
Studiengängen aufgestockt. Das<br />
heißt: Vorlesungen und Seminare finden<br />
nur Freitagnachmittag und am<br />
Samstag, in Blockseminaren und am<br />
heimischen Computer dank sogenannter„e-learning-Module“statt.<br />
Die Landshuter Hochschule für angewandte<br />
Wissenschaften hat mit<br />
dem berufsbegleitenden Studiengang<br />
Wirtschaftsingenieurswesen bereits<br />
seit einem Jahr Erfahrungen gemacht.<br />
„Der berufsbegleitende Bachelor kann<br />
durchgehend als Erfolg gewertet werden“,<br />
sagt Peter Patzelt, Sprecher der<br />
Landshuter Hochschule. Die Studierenden<br />
könnten so ihren Beruf weiter<br />
ausübenundhättenkeinefinanziellen<br />
Einbußen. Professor Bock hingegen<br />
schule in Landshut überhaupt. „Jetzt<br />
sind wir nur noch zwölf, vielleicht<br />
auch bald nur noch zehn“, bedauert<br />
sie.DiemeistenscheitertenanMathematik.<br />
Vor diesem Fach haben auch<br />
die Professoren gewarnt. „Zum Glück<br />
habe ich nach meiner Meisterausbildung<br />
den Techniker für Maschinenbau<br />
gemacht, weshalb mir Mathe<br />
leichter fällt als denjenigen, die nur<br />
denMeistergemachthaben.“Jetzt,wo<br />
dieersteHürdegenommenist,istsich<br />
Burgmeier sicher, den Rest auch noch<br />
zu schaffen. Ob sie dann in die Entwicklung<br />
geht oder eine Projektlei-<br />
sieht auch die Nachteile des berufsbegleitenden<br />
Studiums: „Es dauert länger<br />
und kostet mehr Geld.“ Da Professoren<br />
und Dozenten am Wochenende<br />
ihre Vorlesungen und Seminare haltenmüssen,zahlteinStudierenderdes<br />
berufsbegleitenden Studiengangs je<br />
nach Hochschule schon mal pro Semester<br />
das Vier- oder Fünffache an<br />
Studiengebühren wie ein Vollzeitstudent.„AberesgibtauchFirmen,dieübernehmen<br />
die Gebühren für ihre Mitarbeiter<br />
teilweise oder sogar komplett“,soBock.EinerdieserBetriebeist<br />
die Siemens AG in Regensburg, wie<br />
Personalleiterin Birzer versichert. Die<br />
Firma übernimmt die Studiengebühren<br />
und bietet den Mitarbeitern die<br />
Möglichkeit, ihre Arbeitszeit zu reduzieren.<br />
„Damit wollen wir ihnen den<br />
nötigen Freiraum geben, sich optimal<br />
aufdasStudiumzukonzentrieren“,erklärtBirzer.<br />
Lernen neben dem Beruf<br />
Das Studium, ob Vollzeit oder berufsbegleitend,forderttatsächlichvielZeitundFleiß.DieProfessorensindsicheinig:<br />
Engagement ist gefragt. „Die Anforderung<br />
im Studium sind hoch“,<br />
sagt Bock. „Aber sie sind machbar –<br />
auch für beruflich Qualifizierte ohne<br />
Abitur.“ Knackpunkt ist und bleibt<br />
aber die Theorie. „Die kann ich keinem<br />
ersparen,das macht das Studium<br />
jaerstaus“,bleibtderProfessorhart.<br />
Vor allem Mathematik sei so eine<br />
Hürde,dieman nehmenmüsse,so die<br />
Erfahrung aus Regensburg. Deshalb<br />
werdendort,wieauchzumBeispielin<br />
Deggendorf, Vorbereitungskurse und<br />
zusätzlicheBegleitveranstaltungenangeboten,<br />
in denen Wissenslücken geschlossen<br />
und Lehrstoff wiederholt<br />
wird. Manche brechen dennoch ab.<br />
Der Großteil komme weiter. „Im<br />
Grunde haben beruflich Qualifizierte<br />
die gleichen Schwierigkeiten wie andereStudentenauch“,weißBock.„Die<br />
einen bringen nur eben mehr praktischeErfahrungmit.“<br />
„DasersteSemesterwaranstrengend“<br />
ArbeitenundnebenbeiStudieren:QuereinsteigeranUniundHochschuleberichten<br />
VonMontagbisFreitagarbeitetBirgit<br />
Burgmeier als Meisterin bei BMW<br />
Landshut, am Wochenende drückt sie<br />
dieSchulbankanderHochschule.<br />
tung übernehmen will, das weiß sie<br />
heutenochnicht.Nurineinemistsie<br />
sich sicher: „Ich will bei BMW bleiben.“<br />
Auch Melanie Garhammer und Johanna<br />
Hofmeister studieren, obwohl<br />
sie kein Abitur haben. Beide haben<br />
Mittlere Reife und Berufserfahrung,<br />
beide studieren an der Regensburger<br />
Universität,beidewollenLehrerinnen<br />
werden. Wie viele andere beruflich<br />
Qualifizierte kennen sie die Skepsis<br />
nur zu gut, die einem als Student ohneAbiturentgegengebrachtwird.<br />
„JetztmüssenSieerst sehen,obSie<br />
das überhaupt schaffen.“ Diesen Satz<br />
hat die 28-jährige Melanie GarhammeroftanderUnigehört.Dabeihatte<br />
sie bislang keine Probleme mit dem<br />
Lehrstoff oder Prüfungen. „Das einzige,wasmichvonanderenunterscheidet,<br />
ist, dass ich etwas älter bin und<br />
einenBerufhabe.“AuchJohannaHofmeister<br />
kennt diese Skepsis. Allerdings<br />
von sich selbst. „Auch ich hab<br />
mich gefragt, schaffst du das wirklich?“,<br />
erinnert sie sich noch gut an<br />
die Selbstzweifel.„Die aber waren unbegründet.“(xcr)<br />
AUFSTIEGSSTIPENDIUM<br />
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DieStiftung„BegabtenförderungberuflicheBildung“<br />
fördertberuflich<br />
Qualifizierte,diesichfüreinStudiuman<br />
UniversitätenoderHochschulenentscheiden.Informationenüberdas„Aufstiegsstipendium“gibtesunter<br />
www.sbb-stipendien.de<br />
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