Web-Version (10.2 MB) - DiveInside
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Das Online-Magazin vOn Taucher.neT<br />
Meeressäuger<br />
Delfine, Wale<br />
unD SeelöWen<br />
Technik<br />
Gox der Lufttester<br />
TopDive<br />
Besuch in Eckernförde<br />
Medizin<br />
Druckkammerassistenz<br />
Ausgabe 09/2010
2<br />
Inhalt<br />
ediTOrial<br />
liebe leser 3<br />
TiTelThema<br />
meeressäugetiere 4<br />
Pottwale - Jäger der Tiefsee 10<br />
der delfin - Clown oder mörder? 16<br />
akTUell<br />
das leid der vier – delfinhandel in Ägypten 21<br />
TeChnik<br />
Pimp my dive lamp - Teil 2: akkupacks 24<br />
gOX - der lufttester 29<br />
medizin Und biOlOgie<br />
gute arbeit - medizinisches assistenzpersonal „unter druck“ 31<br />
TOP-dive<br />
bombenstimmung in eckernförde - besuch bei den kampfschwimmern 38<br />
aUgenbliCke<br />
roswitha – Teil iv 45<br />
vorschau / impressum 47<br />
Das neue DiveinsiDe –<br />
noch uMfangreicher,<br />
frischer,<br />
authentischer!<br />
Unsere Themen der OkTOber-aUsgabe:<br />
InsIde<br />
Titelbild von Brigitte Peters<br />
akTUell<br />
In Ägypten entwickelt sich ein Handel mit Delfinen,<br />
der an einen orientalischen basar erinnert und letzten<br />
Endes wohl dem Zweck dient, Delfinarien neue<br />
Tiere zuzuführen. diveinside zeigt die hintergründe<br />
und deckt die gesamte geschichte auf!<br />
seite 21<br />
TeChnik<br />
nitrox for free - ein toller und weit verbreiteter service<br />
vieler Tauchbasen und Safarischiffe. Zu wissen,<br />
wie viel sauerstoff nun tatsächlich in der Tauchflasche<br />
enthalten ist, ist sinnvoll, und kann sogar<br />
lebenswichtig sein.<br />
seite 29<br />
TOP-dive<br />
ein Tag bei den minentauchern in eckernförde“ war der<br />
TopDive des Monats September, den das Tauchcenter<br />
Wesel und die kundin annabelle Fabry gewonnen<br />
haben. es wurde ein Tag der einblicke und erlebnisse,<br />
der an Spannung kaum zu überbieten war.<br />
seite 38
3<br />
Editorial<br />
edItorIal<br />
liebe leser!<br />
Die Nachricht schockte die Taucherszene: Vier aus Japan stammende Delfine werden in einem kleinen<br />
Privatpool im ägyptischen Hurghada unter unwürdigen Bedingungen gehalten (siehe Hintergrundbericht<br />
in dieser Ausgabe).<br />
Wahrscheinlich, um sie nach Ablauf der Quarantänezeit zur Belustigung von Touristen in einem<br />
Delfinarium einzusetzen, wo sie dann ihrem Ende entgegen vegetieren. Unmenschlich? Ganz sicher.<br />
Man kann sich jetzt trefflich aufregen und streiten über die „Hurghada-Vier“, Petitionen unterschreiben<br />
und sich an den ägyptischen Botschafter in Deutschland wenden. Mit all dem hätte<br />
man Recht – es wäre „gerechtfertigt“.<br />
Dennoch sollte es nicht davon ablenken, dass Delfinarien nicht nur in Ägypten, sondern weltweit<br />
existieren. Auch in Europa, auch in Deutschland.<br />
Und mögen diese den Tieren auch deutlich bessere Bedingungen bieten, so sind sie doch immer<br />
noch weit von dem entfernt, was man „natürlich“ oder „artgerecht“ nennen könnte. Hier also ein<br />
Land zu verdammen, nur, weil Einzelne ein Verbrechen an lebenden Kreaturen begehen, wäre nicht<br />
nur kontraproduktiv: Es wäre grundsätzlich verkehrt. Die Verantwortung, sich für oder gegen etwas<br />
einzusetzen, sollte nicht weit entfernt beginnen und dann vor der eigenen Haustüre aufhören.<br />
Sie sollte immer dann zum Tragen kommen, wenn Einzelne, Organisationen oder Einrichtungen<br />
sich schuldig machen – in Ägypten, aber auch in Deutschland!!<br />
Eure Redaktion!
4<br />
Titelthema<br />
der name verrät es: Meeressäuger<br />
sind säugetiere, die im Meer leben.<br />
Und säugetiere sind tiere, die ihren<br />
nachwuchs mit Muttermilch säugen.<br />
„Im Meer leben doch Fische, Korallen,<br />
schwämme, Quallen und anderes<br />
Getier. Was haben säugetiere dort zu<br />
suchen?“, fragt sich jetzt vielleicht<br />
so mancher leser. das ist eine gute<br />
Frage! Was trieb eigentlich die Ur-<br />
Uronkel von Hund, Bär und elefant<br />
zurück ins Meer?<br />
Meeressäugetiere<br />
nach 60 Millionen Jahren vor DeM aus?<br />
Bericht von Harald Mathä
5<br />
Titelthema<br />
Zeittafel der erdgeschichte<br />
ein bliCk zUrüCk<br />
Das Leben auf der Erde begann vor etwa<br />
3.500 Millionen Jahren im Meer. Primitive<br />
Bakterien waren die ersten Bewohner unseres<br />
Planeten. 1.100 Millionen Jahre zuvor<br />
war dieser entstanden. Vor rund 450 Millionen<br />
Jahren kroch ein schleimiges Etwas, das<br />
der Bestsellerautor Frank Schätzing in seinem<br />
Buch „Nachrichten aus einem unbekannten<br />
Universum“ Lurchi taufte, an Land. Die ersten<br />
Säugetiere entstanden im Trias, vor ungefähr<br />
200 Millionen Jahren. Vor 60 bis 50 Millionen<br />
Jahren zog es dann einige von ihnen wieder<br />
zurück ins Wasser.<br />
Um noch kurz auf Zeitreise zu bleiben: Das<br />
erste menschenähnliche Wesen in Form des<br />
Australopithecus lebte im Pliozän vor etwa<br />
zwei Millionen Jahren. Wir, der Homo sapiens,<br />
betraten vor 0,1 Millionen, also vor 100.000<br />
Jahren, die Bühne. Und in nur 0,0001 Millionen<br />
Jahren haben wir es geschafft, die<br />
Ozeane zu vergiften und fast leer zu fischen,<br />
die Atmosphäre zu verpesten, die Regenwälder<br />
abzuholzen und Löcher in die Ozonschicht<br />
zu ätzen. Bravo, Homo sapiens, übersetzt:<br />
„denkender Mensch“!<br />
die dorudontidae sind eine Gruppe ausgestorbener<br />
Vorfahren der Wale. sie lebten vor etwa 35 bis 41<br />
Millionen Jahren. Vermutlich sahen sie den heutigen<br />
Delfinen ähnlich. Sie hatten noch komplett ausgebildete<br />
hintere Gliedmaßen, die jedoch sehr klein waren<br />
und bei der Fortbewegung im Wasser keine große<br />
rolle spielten.<br />
zUrüCk ins meer!<br />
War vor 60 bis 50 Millionen Jahren der<br />
Lebensraum an Land zu eng geworden?<br />
Stritten sich Dinosaurier, Vögel, Insekten und<br />
Säugetiere um Nahrung? Warum verschwan-<br />
Bild: academic.ru
6<br />
Titelthema<br />
Gestern Meeresboden, heute Sandabbau. Hier findet<br />
man oft Fossilien.<br />
den die Dinosaurier mit dem Ende der Kreidezeit?<br />
Viele Fragen, die auf Antworten<br />
warten. Theorien gibt es genug. Den neuen<br />
Lebensraum Meer betraten die Migranten<br />
nicht mit einem kollektiven „Platsch“. Über<br />
Millionen Jahre dauerte dieser Prozess an.<br />
Die heutigen Walarten stammen nicht von<br />
einem einzigen „Ur-Mobby-Dick“ ab. Auch<br />
die anderen Meeressäuger besitzen keine<br />
Urmutter. Parallel und nacheinander gingen<br />
sie zurück ins Meer. Andere wagten den Weg<br />
ins Nass und scheiterten. Ihr Schicksal ist<br />
vergessen. Wenn Fossilien reden könnten,<br />
dann hätten sie viel zu erzählen!<br />
Nicht nur Säugetiere gingen diesen Weg: Pinguine,<br />
an Land tollpatschige Vögel, die sich<br />
nicht einmal in die Lüfte erheben können,<br />
„fliegen“ unter Wasser elegant umher, um nach<br />
Fisch zu jagen. Auch Landschildkröten zog es<br />
zurück in die Ozeane. Nur noch zur Eiablage<br />
kommen sie an Land. Reptilien wie die Fischsaurier<br />
lebten einst im Meer; Krokodile heute<br />
noch. Alle zusammen eint, dass sie Lungen<br />
und keine Kiemen besitzen. Zum Atmen müssen<br />
sie an die Oberfläche kommen.<br />
Wale<br />
Sie sind die Weltrekordhalter: die Größten,<br />
die Schwersten, die am längsten und am tiefsten<br />
tauchen. Aber die größten Lebewesen<br />
auf unserem Planeten haben es nicht leicht:<br />
Ganze industrielle Flotten jagen sie zwischen<br />
Nord- und Südpol. Wozu eigentlich? Öllichter<br />
gibt es nicht mehr, seit fast jeder Haushalt<br />
Strom hat. Vitamin D wird schon länger synthetisch<br />
hergestellt. Rachitis ist seither eine<br />
seltene Krankheit. Warum also werden noch<br />
immer Wale getötet? Um die bizarre Wal-Lust<br />
der Japaner zu befriedigen?<br />
Delfine<br />
Seit „Flipper“ in den 70ern schwarz-weiß von<br />
den Fernsehern im Wohnzimmer flimmerte,<br />
kennen die Kinder aus dieser und folgenden<br />
Generationen ihn und sein Lied. Wir lieben<br />
Delfine, weil sie immer zu lächeln scheinen.<br />
Sie lieben Menschen und heilen autistische<br />
Kinder. Sie machen in enge Schauaquarien<br />
gepfercht liebend gerne Kunststücke für<br />
eine klatschende Urlaubermasse. Ganz freiwillig,<br />
versteht sich. Alles Quatsch! Delfine<br />
sind auch nicht lieb: Sie vergewaltigen und<br />
töten. Warum sollten sie nach menschlicher<br />
Ethik „lieb“ sein? Nach allem was wir Menschen<br />
ihnen antun, können wir froh sein,<br />
dass sie uns nicht hassen.<br />
Robben<br />
Wo es am Meer bestialisch nach verdautem<br />
Fisch stinkt, kann eine Robbenkolonie nicht<br />
weit sein. Nicht nur die Nase rümpft sich und<br />
der Magen hebt sich, sie sind auch nicht zu<br />
überhören. Während Nase und Ohr in Streik<br />
treten, freut sich das Auge: Robben an Land<br />
Delfine wirken<br />
immer nett und<br />
gut gelaunt.<br />
Zahmer, kleiner<br />
schwertwal auf<br />
den Philippinen<br />
Bild links: Harald Mathä, oben: Brigitte Peters, unten: Michael Wernsdorfer
7<br />
Titelthema<br />
Muttertier und Junges. Es wird ein<br />
Jahr lang gesäugt.<br />
Dugong in Ägypten<br />
Wie freiwillig Delfine bei den Shows<br />
mitspielen ist unklar.<br />
Pilotwale in Indonesien<br />
Spielerisch wird auch mal zugeschnappt.<br />
Fotos: oben links: Todd Essick, unten links: Achim Göke, Bilder: großes links Bild oben: : Robert © Harald Hofrichter, Mathä, mare-mundi.eu links unten: © , unten Jeannine_Andre, rechts: Eugen Mitte: Hovermann © Heiko
8<br />
Titelthema<br />
Grindwal an der Oberfläche<br />
sind einfach liebenswert. Die Weibchen zumindest<br />
und die Jungen sowieso. An Land watscheln<br />
sie tollpatschig auf ihren Flossen umher.<br />
Im Wasser sind sie in ihrem Element. Weibchen<br />
und Jungtiere spielen gerne mit Menschen.<br />
Die Männchen kennen weniger Spaß und greifen<br />
jeden Eindringling in ihrem Revier an.<br />
Seekühe<br />
Dugong und Manati sind die wohl liebenswürdigsten<br />
und friedfertigsten Geschöpfe auf<br />
unserem Planeten. Ihr Tagesablauf scheint nur<br />
aus fressen und schlafen zu bestehen. Beneidenswert!<br />
Ihr nächster heute lebender Verwandter<br />
ist der Elefant, obwohl sie eher Flusspferden<br />
ähnlich sehen. Mehr über Seekühe<br />
gibt es in <strong>DiveInside</strong> Juni 2010 zu lesen.<br />
Anpassung an das Meer<br />
Wasser leitet Wärme 20mal besser als Luft. Das<br />
bedeutet: ständige Abgabe von Körperwärme,<br />
im schlimmsten Fall Unterkühlung und Tod.<br />
Ein nasses Fell isoliert aber schlecht. Meeressäuger<br />
wie Wale, Delfine und Seekühe kompensieren<br />
das nutzlos gewordene Fell durch<br />
eine dicke Fettschicht unter der Haut.<br />
Weitere Anpassungen betreffen die Körperform.<br />
Der Hals verschwand, und der Kopf<br />
verwuchs mit dem Körper, der sich stetig<br />
strömungsgünstiger durch das Wasser wand.<br />
Die Arme wurden zu steuernden Flippern.<br />
Die Beine verschwanden oder verwuchsen<br />
wie bei den Robben zu einer Flosse. Der<br />
Antrieb erfolgte bald ausschließlich durch<br />
die Schwanzflosse, die im Gegensatz zu<br />
Fischen von oben nach unten schlägt.<br />
Wale braUChen keine dekO-sTOPPs!<br />
Pottwale tauchen bis 3.000 Meter tief und<br />
90 Minuten lang. Andere Meeressäuger sind<br />
zwar nicht ganz so gut im Luftanhalten, aber<br />
auch sie schaffen Apnoeleistungen, die selbst<br />
Spitzensportler als kurzatmig dastehen lassen.<br />
Könnte ein Taucher in diese Tiefen vordringen,<br />
bräuchte er wohl exotische Gasgemische,<br />
viele riesige Flaschen, modernste<br />
Rebreather und würde mehrere Wochen in<br />
der Deko verbringen. Meeressäuger haben<br />
grundsätzlich ähnliche physiologische Probleme,<br />
obwohl sie beim Tauchgang nicht<br />
atmen müssen: Durch die Restluft in der<br />
Lunge würde Stickstoff in den Blutkreislauf<br />
gelangen und beim Aufstieg ausgasen. Daher<br />
atmen sie vor dem Tauchgang vollständig<br />
aus. Beim Tauchen wird der flexible Brustkorb<br />
zusammengedrückt. Die Lunge kollabiert<br />
vollständig. Das geringe Restvolumen an<br />
Luft wird dabei in die Luftröhre gedrückt.<br />
Ein Gasaustausch, und somit Stickstoffanreicherung<br />
im Blut samt Dekounfall, wird<br />
dadurch vermieden.<br />
Um so extrem lange tauchen zu können,<br />
haben Meeressäuger weitere Tricks auf Lager:<br />
Bild von Marleen Klann<br />
Zwei Welten<br />
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9<br />
Titelthema<br />
Mehr Hämoglobin im Blut und Myoglobin in<br />
den Muskeln ermöglichen es ihnen, mehr<br />
Sauerstoff im Blut zu transportieren. Blutreserven<br />
aus der Milz werden mobilisiert. Beim<br />
Tauchgang werden durch einen besonders<br />
ausgeprägten Tauchreflex alle unnötigen<br />
Energieverbraucher auf „Stand-by“ geschaltet.<br />
Bewegungen werden auf ein Minimum reduziert.<br />
Auch der Herzschlag nimmt rapide ab.<br />
Nahrung<br />
Die Nahrung der Meeressäuger ist so unterschiedlich<br />
wie sie selbst. Vegetarier wie die<br />
Seekühe sind selten. Erstaunlich ist, dass sich<br />
die größten Walarten von winzigen Krebschen,<br />
dem Krill, ernähren. Ansonsten wird so ziemlich<br />
alles gefressen, was Energie in Form von<br />
Fett und Protein liefert.<br />
Jonas aus dem alten Testament, der von einem<br />
Wal verschluckt wurde, dürfte ein Einzelfall<br />
geblieben sein. Der Mensch steht auf der<br />
Speisekarte keines Meeressäugers. Jedoch:<br />
Sie könnten, wenn sie wollten!<br />
Gefährdung<br />
Kaum ein Meeressäuger, der vom Menschen<br />
nicht an den Rand der Ausrottung gedrängt<br />
wurde. Wo ihnen nicht direkt auf die Pelle<br />
gerückt wird, verrecken sie in Fischernetzen.<br />
Wale und Robben werden noch immer als<br />
Fett- und Fleischquelle gejagt. Wale schmecken<br />
zwar nicht einmal den Japanern wirklich,<br />
gejagt werden sie im Land der aufgehenden<br />
Sonne trotzdem immer noch. Rein aus wissenschaftlichem<br />
Interesse, versteht sich...<br />
Delphine und Seekühe wirken auf uns Menschen<br />
so sympathisch, dass sie meist nur in<br />
Zeiten schlimmsten Hungers gejagt werden.<br />
Nur wenige Länder machen da eine Ausnahme:<br />
Delfinmassaker in Japan und auf den<br />
dänischen Färöer Inseln sind solche primitiven,<br />
sinnlosen und abstoßenden Orgien<br />
der Gewalt. Einfach bei YouTube nach „Dolphin<br />
Massacre“ suchen!<br />
Fazit<br />
Viele Meeressäuger wurden vom Menschen<br />
in erschreckend kurzer Zeit an den Rand der<br />
Ausrottung gedrängt. Manche sind schon<br />
verschwunden. Aber nicht nur sie wurden<br />
von uns ausgerottet; ebenso Fische, Landtiere,<br />
Pflanzen, Insekten und mehr. Aber das<br />
ist Evolution. Das Stärkere setzt sich durch,<br />
das Schwächere verschwindet. Die Evolution<br />
kennt kein Gut oder Böse und schon gar<br />
kein Mitleid. Sie betrachtet auch den Menschen<br />
bei seinem Aufstieg und unvermeidlichen<br />
Niedergang emotionslos. Die letzten<br />
0,1 Millionen Jahre sind in der Geschichte<br />
der Erde nicht mehr als ein Augenzwinkern.<br />
Es liegt an uns, ob dieses Zwinkern kürzer<br />
oder länger sein wird. Ein intelligenter und<br />
schonender Umgang mit Natur und Energie<br />
gehört dazu. Der Schutz von Meeressäugern<br />
wird von engagierten Bürgern vorangetrieben.<br />
Persönliche oder finanzielle Unterstützung<br />
wird dabei dringend gesucht! HM<br />
Im spiel mit der robbe ist der<br />
taucher eindeutig Zweiter.<br />
Bild von Eugen Hovermann<br />
Seawing Nova<br />
Rückkehr einer Legende<br />
Die neue Seawing Nova vereint die bewährte SCUBAPRO Seawing Powerrippen-Technologie<br />
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weniger Anstrengung und ein komfortables Fußteil mit cleverem Bungee<br />
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10<br />
Titelthema<br />
„Wal, da bläst er!“ Wer kennt ihn nicht,<br />
den ruf vom ausguck am Hauptmast<br />
des Walfangschiffes Pequod des einbeinigen<br />
Kapitäns ahab aus dem<br />
berühmten roman „Moby dick“. an der<br />
Form, der richtung und der Höhe konnten<br />
die Walfänger die art und manchmal<br />
auch das Geschlecht bestimmen.<br />
auch heute noch üben Pottwale – auch<br />
wenn sie nicht weiß sind – eine große<br />
Faszination auf uns Menschen aus.<br />
Pottwale<br />
JÄger der TieFsee<br />
Bericht und Bilder von Andrea und Wilfried Steffen, www.pottwale.de
11<br />
Titelthema<br />
Der Blas, den wir gerade beobachten, ist<br />
einen Meter hoch und schräg nach vorne<br />
gerichtet. Ein weiblicher Pottwal. Wir befinden<br />
uns vor der Westküste Dominicas, einer<br />
Insel der Kleinen Antillen, zwischen Martinique<br />
und Guadeloupe. Hier leben etwa 30<br />
Pottwale in fünf Familien fast das ganze Jahr<br />
über. Diese Familien leben in einem Matriarchat.<br />
Sie werden im Allgemeinen von einem<br />
geschlechtsreifen Weibchen angeführt. Zur<br />
Familie gehören noch ältere, nicht mehr<br />
empfängnisbereite Weibchen, weibliche und<br />
männliche Jungtiere bis zu einem Alter von<br />
etwa sieben Jahren und Babys. Pottwalbullen<br />
erscheinen nur zur Paarungszeit von<br />
Dezember bis April. Selbst dann halten sie<br />
sich nur kurz hier auf. Nach wenigen Tagen<br />
ziehen sie schon weiter.<br />
Unter den Zahnwalen sind die Pottwale (Physeter<br />
macrocephalus) die größten. Ein Pottwalbulle<br />
wird fast 20 Meter lang und wiegt<br />
bis zu 70 Tonnen. Er findet in den tropischen<br />
und subtropischen Gewässern nicht genug<br />
Nahrung, um hier dauerhaft leben zu können.<br />
Sein bevorzugter Lebensraum sind die kalten,<br />
nährstoffreichen Gewässer der Arktis<br />
der PottWal<br />
Wer beobachtet da wen?<br />
Überordnung: Laurasiatheria<br />
Ordnung: Wale (Cetacea)<br />
Unterordnung: Zahnwale (Odontoceti)<br />
Familie: Pottwale (Physeteridae)<br />
Gattung: Physeter<br />
Größe: bis 20 Meter<br />
Gewicht: ca. 15 Tonnen (w)<br />
50 bis 70 Tonnen (m)<br />
Verbreitung: In allen Meeren, 2004 wurde ein<br />
Pottwal im Mittelmeer gesichtet.<br />
Interessantes: Im New Bedford Whaling Museum<br />
lagern ein Paar über 30 cm lange<br />
Zähne eines Pottwals, die darauf<br />
schließen lassen, dass dieser Wal<br />
deutlich über 20 Meter lang und über<br />
100 Tonnen schwer war.<br />
und Antarktis. Die Weibchen dagegen wiegen<br />
nur bis zu 15 Tonnen. Für sie ist das Nahrungsangebot<br />
in den wärmeren Gewässern<br />
ausreichend. Auch sind die Bedingungen für<br />
die Aufzucht ihrer Jungen besser als im rauen<br />
arktischen Wetter.<br />
PhysiOlOgisChe besOnderheiTen<br />
Einen Pottwal an der Oberfläche zu sehen,<br />
kann man als ausgesprochenen Glücksfall<br />
betrachten, da sie 22 Stunden des Tages<br />
unter Wasser verbringen. Auch unser Pottwal<br />
wird bald wieder abtauchen. Die Tauchgänge<br />
werden immer ähnlich vorbereitet. Bei der<br />
etwa zehnminütigen Oberflächenpause wird<br />
mit drei Atemzügen pro Minute bei den<br />
Männchen und etwa fünf bei den Weibchen<br />
ruhig und gleichmäßig geatmet. Dabei werden<br />
etwa 90 Prozent der Luft ausgetauscht.<br />
Der Pottwal speichert nur einen geringen<br />
Teil des aufgenommenen Sauerstoffs in sei-<br />
ner Lunge. Diese ist im Verhältnis zur Körpergröße<br />
klein und fasst nur etwa 400 Liter<br />
Luft. In seinem rechten Nasengang befinden<br />
sich weitere 80 bis 200 Liter, und die beiden<br />
Kehlkopfluftsäcke fassen nochmals 80 Liter<br />
Luft. Das ist für einen längeren Tauchgang<br />
in großer Tiefe zu wenig. Daher ist der Hauptvorratsspeicher<br />
für den Sauerstoff die Muskulatur.<br />
In dieser wird der Sauerstoff an<br />
Myoglobin gebunden. 82 Prozent des gesamten<br />
Luftvorrats kann auf diese Weise gespei-
12<br />
Titelthema<br />
chert werden. Die restlichen 18 Prozent<br />
werden je zur Hälfte im Blut und in der Lunge<br />
gespeichert. Um mit dem vorhandenen Sauerstoff<br />
die bestmöglichen Tauchzeiten zu<br />
erzielen, verlangsamen sich bei Meeressäugetieren<br />
beim Tauchen einige physiologische<br />
Vorgänge. Die Herztätigkeit wird herabgesetzt<br />
und der Blutkreislauf verlangsamt. Für<br />
den Pottwal wird also die Frequenz, mit der<br />
das gewaltige Herz schlägt, von zehn bis 30<br />
Schlägen pro Minute deutlich reduziert.<br />
Einige Organe und Körperteile werden während<br />
des Tauchens vollständig von der Sauerstoffversorgung<br />
abgekoppelt. Es sind noch<br />
weitere Besonderheiten entdeckt worden,<br />
die das Tauchen unterstützen. So ist es auffällig,<br />
dass die Blutmenge pro Kilogramm<br />
Körpergewicht wesentlich höher ist als bei<br />
Landsäugern. Der hohe Anteil an Blut kann<br />
Kohlendioxid wesentlich besser speichern,<br />
was ebenfalls zur extremen Tauchleistung<br />
beiträgt. Auch verfügen die Meeressäuger<br />
über doppelt so viel Kapillaren in der Lunge<br />
wie ihre Verwandten an Land.<br />
das riesige Herz eines Pottwals. links im Vergleich<br />
ein menschlicher Unterarm.<br />
das netz an feinsten lungenkapillaren ist beim Wal doppelt so ausgeprägt wie bei anderen säugetieren.<br />
das Brustbein des Pottwals wiegt 60 Kilo. die rippen<br />
sind extrem biegsam oder „fliegend“ angeordnet.<br />
eXTreme TieFTaUChgÄnge<br />
Eine weitere Besonderheit stellen die so<br />
genannten Wundernetze dar. Diese befinden<br />
sich an den Wänden der Brusthöhle, zwischen<br />
manchen Rippen, entlang der Wirbelsäule,<br />
um die Hoden herum und im Bereich des<br />
riesigen Pottwalkopfes. Sie sehen wie ein<br />
mit Blut vollgesogener Schwamm aus und<br />
bestehen aus einem schier unentwirrbaren<br />
Labyrinth aus feinen und feinsten Adern. Es<br />
wird vermutet, dass diese Wundernetze sehr<br />
viel zum Sauerstoffhaushalt beitragen. Auch<br />
werden ihnen wichtige Funktionen zur Regulierung<br />
des Wärmehaushalts zugeschrieben.<br />
Nach unten wird der Brustkorb vom Brustbein<br />
begrenzt. Es ist bei den Walen plattenförmig<br />
und breit, wodurch es sich von denen<br />
der Landsäuger unterscheidet. Der Pottwal<br />
besitzt das größte Brustbein aller Tiere.<br />
Tauch-<br />
Angebote<br />
Niederländische<br />
Karibik
13<br />
Titelthema<br />
auftauchender Pottwal und ein<br />
kleines Menschlein<br />
Walkühe und<br />
Jungtiere leben<br />
in schulen zusammen.<br />
der Wal scheint<br />
zu lächeln.<br />
Bilder: links oben: © Harald Mathä, links unten: © Jeannine_Andre, Mitte: © Heiko
14<br />
Titelthema<br />
Es ist bis zu 60 Kilogramm schwer. Die vorderen<br />
Rippen sind mit dem Brustbein elastisch<br />
verbunden. Alle anderen Rippen haben<br />
zu diesem gar keine Verbindung. Daher sind<br />
sie sehr beweglich und können sich den<br />
unterschiedlichsten Druckverhältnissen<br />
anpassen. Am tiefsten Punkt eines Tauchgangs<br />
ist der gesamte Brustkorb so weit<br />
zusammengedrückt, dass er keine Luft mehr<br />
enthält. Weil kein Gas mehr ausgetauscht<br />
werden kann, kommt es auch beim Aufstieg<br />
zu keiner Dekompressionskrankheit. Erst in<br />
der jüngeren Entwicklungsgeschichte entwickelte<br />
der Pottwal dieses große Brustbein,<br />
welches ihm die extremen Tieftauchgänge<br />
überhaupt erst ermöglicht.<br />
Die Tauchfähigkeiten der Pottwale sind unter<br />
allen Lebewesen der Erde einmalig. In der<br />
Vorbereitung zum Tauchgang taucht der Wal<br />
zunächst zwei bis drei Meter unter die Wasseroberfläche.<br />
Dann kommt der Kopf hoch<br />
aus dem Wasser, und der Wal atmet noch<br />
einmal tief durch. Durch dieses Manöver<br />
bekommt er den nötigen Schwung, um den<br />
vorderen Körper senkrecht nach unten zu<br />
bewegen. Er kippt seinen massigen Körper<br />
nach vorne. Der Kopf steht nun beinahe<br />
senkrecht. Die mächtige Fluke hebt sich in<br />
die Luft und verleiht dem Körper zusätzlichen<br />
Abtrieb. Nach dem Abtauchen sinkt er jede<br />
Minute 50 bis 70 Meter in die Tiefe. Das Wasser<br />
um ihn herum wird dunkler. Die Geräusche<br />
verändern sich, denn das Wasser wird<br />
Meter um Meter dichter. Der Wal besteht<br />
nun zu fast 99 Prozent aus nicht komprimierbarer<br />
Flüssigkeit und Knochen. Die verbliebenen<br />
luftgefüllten Hohlräume werden bis<br />
auf ein Minimum zusammengedrückt.<br />
UmsTriTTene hyPOThese<br />
Obwohl Fakten sehr rar sind und lediglich auf<br />
Untersuchungen an toten Tieren basieren,<br />
hält sich die Behauptung, dass Pottwale ihren<br />
Ab- und Auftrieb durch Temperaturveränderungen<br />
in ihrem Walratkissen oder Spermacetiorgan<br />
(in kleinerer Form als Melone der<br />
Delfine bekannt) regeln können. Früher nahm<br />
man an, dass Walrat die Samenflüssigkeit des<br />
Pottwals ist, wobei man anscheinend nicht<br />
berücksichtigte, dass zwei Tonnen Samenflüssigkeit<br />
– zudem im Kopf enthalten – ziemlich<br />
überreichlich wären. Weil der bugförmige<br />
Kopf bis zu einem Drittel der Gesamtlänge<br />
des Pottwals erreichen kann, lässt sich in diesem<br />
Organ viel Spermaceti speichern, in der<br />
Regel eine flüssige, durchsichtige Fettsubstanz,<br />
früher auch Spermöl genannt. Mit einer<br />
Wasserzufuhr über den rechten Nasengang<br />
soll der Wal diese Substanz soweit abkühlen<br />
können, dass er Abtrieb bekommt und sinkt,<br />
ohne seine Fluke einsetzen zu müssen. Für<br />
diese Annahme spricht, dass wir mehrfach<br />
abtauchende Wale unter Wasser beobachten<br />
konnten, die nur noch einen, manchmal zwei<br />
Flukenschläge nach dem Abtauchen benötigten,<br />
um ohne weitere Bewegung ins dunkle<br />
Blau des Meeres gleiten zu können.<br />
In der Tiefe könnte der Pottwal die Temperatur<br />
nun wieder erhöhen, bis ein Gleichgewicht<br />
hergestellt ist. Will er auftauchen,<br />
erhöht er die Temperatur weiter, bis der Auftrieb<br />
beginnt. Eine solche Regulierung des<br />
Ab- und Auftriebes ohne weitere Körperbewegungen<br />
würde enorm viel Sauerstoff<br />
sparen, sodass seine langen Tauchzeiten<br />
dadurch erklärt werden könnten. Diese Hypothese<br />
ist jedoch umstritten. Versuche haben<br />
ergeben, dass sich der Ab- und Auftrieb der<br />
festen oder flüssigen Form in sehr engen<br />
Grenzen hält und die Wirkung somit nicht<br />
ausreicht, um den Wal zu bewegen. Da der<br />
Wal aber an der Wasseroberfläche absolut<br />
gewichtsneutral ist, könnten schon kleinere<br />
Veränderungen ausreichen, um den<br />
gewünschten Effekt zu erzielen.<br />
leibsPeise: riesenkraken<br />
Bald hat der Pottwal eine Tiefe erreicht, in<br />
der es absolut dunkel ist, die Temperatur nur<br />
noch 2° Celsius beträgt und der Wasserdruck
15<br />
Titelthema<br />
PerFekTer TaUChgang<br />
Der Mensch wird durch erhöhte Ansammlung<br />
von Kohlenstoffdioxid zum Atmen gezwungen.<br />
Meeressäuger unterliegen diesem<br />
Zwang nicht. Sie müssen bewusst atmen.<br />
Bei oberflächennah lebenden Tieren ist das<br />
kein Problem. Sie können jederzeit auftauchen,<br />
um zu atmen. Unser Pottwal vermag<br />
dies aber nicht. Taucht er schnell unter Zuhilfenahme<br />
seiner Fluke ab, verbraucht er viel<br />
Sauerstoff, der ihm zum Tauchen fehlen<br />
würde. Taucht er zu langsam ab, erreicht er<br />
nicht rechtzeitig seine Jagdgründe. Auch<br />
benötigt er für den Aufstieg aus 1.500 Metern<br />
über 20 Minuten. All dies will berücksichtigt<br />
sein. Wie sich der Wal seinen Tauchgang, der<br />
sogar auf 3.000 Meter führen kann, so perfekt<br />
einteilt, liegt für uns völlig im Dunkeln.<br />
des Tauchganges. Die Dichte entspannt sich<br />
mehr und mehr. Nach weiteren fünf Minuten<br />
ist es schon hell genug, um alles um sich<br />
herum wahrzunehmen. Die Dichte hat weiter<br />
abgenommen, die zusammengedrückten<br />
Organe entspannen sich. Und dann kommt<br />
der lang ersehnte Moment, wenn die Nasenöffnung<br />
die Wasseroberfläche durchstößt<br />
und die ganze Restluft mit einem explosionsartigen<br />
Knall ausgestoßen wird, um im<br />
nächsten Moment die Lungen wieder mit<br />
frischer Luft zu füllen. Nun kann ein zufriedener<br />
Wal seinen lebenslangen Rhythmus<br />
erneut beginnen. as, Ws<br />
Mit wenigen schlägen der mächtigen Fluke leitet der<br />
Wal seinen tauchgang ein...<br />
15 Minuten nach Beginn des Aufstiegs wird<br />
das Wasser heller und etwas wärmer. Es ist<br />
nur eine kaum wahrnehmbare, diffuse Hel-<br />
... um zu einem weiteren Sturzflug<br />
mehr als 100mal höher als an der Oberfläche<br />
ist. Hier können in der Regel nur speziell<br />
angepasste Lebewesen existieren. Auch dieses<br />
Phänomen zeigt die enorme Anpassung<br />
der Pottwale an ihren Lebensraum. Doch<br />
selbst ihm dürfte in dieser Dichte das<br />
Schwimmen schwer fallen. Auch wird er nicht<br />
einzelne, kleine Tintenfische fangen, denn<br />
der Kalorienverbrauch dafür wäre wesentlich<br />
höher, als von einem Beutefisch ersetzt werden<br />
könnte. Wie wir wissen, benötigt ein<br />
Pottwalbulle täglich rund 1,5 Tonnen Nahrung.<br />
Wir wissen ebenfalls, dass die Beutetiere<br />
durchschnittlich nur ein bis zwei Kilogramm<br />
wiegen. Der Pottwalbulle müsste also tausend<br />
dieser Exemplare pro Tag fangen und<br />
verschlingen. Das macht bei seinen täglich<br />
rund 20 Tauchgängen pro Tauchgang 50<br />
Beutetiere. Viel zu viel, um hinter jedem einzelnen<br />
hinterherzujagen. Daher hat sich der<br />
Pottwal für Kalmare und Riesenkraken entschieden.<br />
Bis zu zehn Meter lange Tintenfische<br />
wurden im Pottwal-Magen gefunden.<br />
ligkeit, aber sie zeigt ihm das nahende Ende<br />
in die stockfinstere Tiefsee abzutauchen.<br />
SUBGEAR_Anzeige_2010_A4.indd 1 17.05.10 10:54
16<br />
Titelthema<br />
Der Delfin<br />
ClOWn Oder mörder?<br />
er ist symboltier in der griechischen<br />
Mythologie, sternbild, lebensretter, Wappentier,<br />
therapeut, Kronprinztitel und<br />
Freund aller Kinder. er vergewaltigt, masturbiert<br />
und tötet auch mal Verwandte<br />
und Babys. er lächelt immer – egal was<br />
er tut. Für sein freundliches Gesicht kann<br />
er nichts, es ist eine laune der natur. Im<br />
Grunde hat er eine Gesichtslähmung, der<br />
lächelnde eindruck entsteht durch den<br />
leicht vorstehenden Unterkiefer und die<br />
geschwungene schnauzenlinie.<br />
Bericht von Steffi Gasda
17<br />
Titelthema<br />
Die Frau schnorchelt sorglos im Wasser und<br />
freut sich über die Begegnung mit dem Delfin.<br />
Dass dieser anderes im Sinn hat, als nur<br />
mit ihr nur zu spielen, merkt sie schnell. Das<br />
sexuell erregte Tier belästigt sie derartig, dass<br />
sie sich nur mit Hilfe eines anderen Schnorchlers<br />
aus der Situation retten kann. Obwohl<br />
Delfine erst im Alter von sieben Jahren<br />
geschlechtsreif werden, beginnt beim Männchen<br />
bereits vier Wochen nach der Geburt<br />
die Kopulationsfähigkeit. Delfinmännchen<br />
sind sexuell sehr aktive Tiere. Das geht von<br />
homosexueller Aktivität über Masturbation<br />
(Reiben an Gegenständen) bis hin zur „Anmache“<br />
von Rochen, Muränen, Schildkröten,<br />
anderen Delfinarten und sogar Menschen.<br />
Wer bei Delfinen nur an „Flipper“ aus dem<br />
Fernsehen denkt, der täuscht sich: Delfine<br />
gehören als Meeressäuger zur Gattung der<br />
Zahnwale (Odontoceti) und sind mit etwa<br />
40 Vertretern ihrer Art die größte Walgruppe.<br />
Ihre Körpergröße reicht von eineinhalb bis<br />
vier Meter; der größte Delfin ist mit bis zu<br />
acht Metern der Schwertwal (Orca). Die<br />
bekannteste und beliebteste Art ist der<br />
Große Tümmler, der Kindern in aller Welt<br />
sowohl aus der Fernsehserie „Flipper“, als<br />
auch aus Delfinarien bekannt ist.<br />
Paarung<br />
Gefangene Delfine paaren sich zwar häufiger<br />
als ihre Artgenossen in freier Wildbahn, aber<br />
es kommt viel seltener zur Zeugung von<br />
Nachkommen. Während das Paarungsspiel<br />
länger dauert und das Männchen sich richtig<br />
Mühe gibt, mit einem „Verführungstanz“<br />
das Weibchen zu beeindrucken, ist die Kopulation,<br />
die in der Seitenlage erfolgt, bereits<br />
nach 5 bis 30 Sekunden vorbei. Delfinmännchen<br />
sind Machos: Sie kümmern sich nur um<br />
den Fortbestand ihrer Art, mit der Erziehung<br />
der Jungen haben sie nichts zu tun.<br />
Geburt<br />
Nach einer Tragzeit von etwa einem Jahr<br />
wird meist nur ein Junges geboren, welches<br />
dann jahrelang bei der Mutter bleibt. Kurz<br />
vor der Geburt sucht das Delfinweibchen<br />
„Pure Ästhetik“<br />
geschützte Gewässer auf und stellt das Fressen<br />
ein. Die Geburt dauert von den Eröffnungswehen<br />
bis zu den Presswehen etwa<br />
eine Stunde und der junge Delfin wird mit<br />
der Schwanzflosse voran geboren. Es kommt<br />
vor, dass ein anderes Delfinweibchen das<br />
Junge aus dem Mutterleib zieht. Unmittelbar<br />
nach der Geburt wird es an die Oberfläche<br />
gebracht, damit es atmen kann. Da sich seine<br />
Schwimmflossen erst nach einigen Stunden<br />
ausrollen und härten, sind die ersten<br />
Schwimmversuche etwas unbeholfen.<br />
Kurz nach der Geburt beginnt die Mutter<br />
Bild Titelseite: TomTom, Bild oben: Brigitte Peters
18<br />
Titelthema<br />
Delfine sind von Natur aus neugierig...<br />
das Junge zu säugen, indem sie ihm, sobald<br />
es ihre Zitzen ins Maul nimmt, aktiv die<br />
Milch ins Maul spritzt, weil Delfine keine<br />
Lippen zum Saugen haben. Dieser Vorgang<br />
dauert nur wenige Sekunden, so dass das<br />
Junge nicht zu viel Salzwasser schluckt und<br />
keinen Luftmangel erleidet. Dafür wird die<br />
Nahrungsaufnahme alle 10 bis 30 Minuten<br />
wiederholt. Nach etwa fünf Monaten beginnt<br />
das Kalb sich zusätzlich von fester Nahrung<br />
zu ernähren und selbstständig auf die Jagd<br />
zu gehen.<br />
Anatomische Besonderheiten<br />
Durch ihre konisch geformten Zähne sind<br />
Delfine in der Lage, ihre Beute festzuhalten.<br />
Sie fressen die gefangenen Tiere fast immer<br />
in einem Stück. Während der Ostpazifische<br />
Delfin den Rekord bei den Säugetieren mit<br />
bis zu 252 Zähnen hält, besitzt der Rundkopf-Delfin<br />
im Oberkiefer gar keine - und<br />
im Unterkiefer nur 4 bis 14 Zähne. Die Arten<br />
mit wenig Zähnen sind mehr auf Kalmare<br />
spezialisiert, während Tiere mit vielen Zähnen<br />
als Nahrungsquellen sowohl Fische als<br />
auch Schalentiere oder Kopffüßer fangen.<br />
Der Schwertwal macht zudem Jagd auf<br />
Meeressäuger wie Robben oder andere<br />
Wal- oder Delfinarten.<br />
Gehör<br />
Es gibt verschiedene Theorien darüber, wie<br />
das Gehör bei Delfinen funktioniert. Während<br />
die eine Theorie spekuliert, dass der<br />
Gehörgang nicht funktional ist und die<br />
Schallwellen durch den Unterkiefer zum<br />
Mittel- und Innenohr geleitet werden, besagt<br />
die andere, dass der nadellochartige Gehörgang,<br />
der hinter den Augen liegt, die primäre<br />
Schallleitung ist. Welche Theorie auch immer<br />
die richtige sein mag, einig sind sich die<br />
Wissenschaftler darin, dass Delfine ein sehr<br />
gutes Gehör haben und Frequenzen im<br />
Ultraschallbereich bis 220 kHz wahrnehmen<br />
können.<br />
KoMMUnIKatIon<br />
Einmalig im Tierreich ist, dass sich der Große Tümmler<br />
mit einer Lautfolge verständigt und auch darauf antwortet,<br />
was darauf schließen lässt, dass die Tiere auf<br />
einen eigenen Namen hören.<br />
Augen<br />
Delfine sind zwar farbenblind, können<br />
jedoch sowohl unter als auch über Wasser<br />
gut sehen. Oberhalb der Wasseroberfläche<br />
sind sie etwas kurzsichtig, können aber<br />
Gegenstände bis in 15 Meter Entfernung<br />
erkennen. Das Delfinauge ist rundum<br />
beweglich und ist mit einer öligen Schicht<br />
zum Schutz gegen Salzwasser überzogen.<br />
Dauerpeeling<br />
Die Haut der Tiere ist einer stetigen Regeneration<br />
unterzogen. Alle zwei Stunden<br />
werden die Hautzellen abgestoßen. Diese<br />
Funktion sorgt dafür, dass der Strömungswiderstand<br />
reduziert wird.<br />
Halbschlaf<br />
Delfine lassen beim Schlafen eine Gehirnhälfte<br />
„eingeschaltet“ und ein Auge offen.<br />
So bleibt gewährleistet, dass sie ihre Atmung<br />
und ihre Wachsamkeit aufrechterhalten.<br />
Bild von Jutta
19<br />
Titelthema<br />
...und rücken einem gerne mal auf die neoprenpelle.<br />
Intelligent oder nicht?<br />
Delfine sind bekannt für ihr ausgeprägtes<br />
Sozialverhalten, ihre Lernfreude und ihre<br />
Intelligenz. Diese Eigenschaften werden<br />
ihrem großen Gehirn zugeschrieben. Die<br />
Erkenntnisse der Wissenschaftler über die<br />
Intelligenz der Tiere könnten nicht widersprüchlicher<br />
sein. Während der schwedische<br />
Neurowissenschaftler Paul Manger behauptet:<br />
“Delphine sind doof“, weil sie seinen<br />
Forschungsergebnissen nach nicht in der<br />
Lage sind, komplexe Informationen zu verarbeiten,<br />
zieht der Ethik-Professor Thomas<br />
White von der Loyola-Marymount-Universität<br />
in Los Angeles die Schlussfolgerung,<br />
dass die Tiere analytisch und planmäßig<br />
vorgehen und komplexe Aufgaben lösen<br />
können. Unbestritten ist, dass Delfine über<br />
eine praktische Intelligenz verfügen. Das<br />
macht es zumindest unwichtig, dass sie<br />
nicht dazu in der Lage sind, ein Dreieck von<br />
einem Viereck zu unterscheiden. Delfine<br />
kommunizieren sowohl mit verschiedenen<br />
Lauten als auch durch Körperkontakt miteinander.<br />
Ihr soziales Verhalten beinhaltet<br />
zwar nur eine lose Verbindung innerhalb<br />
der Gruppe, aber sie helfen sich gegenseitig<br />
bei Geburten und kranken oder verletzten<br />
Artgenossen sowie bei der Jagd.<br />
In Gefangenschaft<br />
Sehr umstritten ist die Haltung von Delfinen<br />
in Gefangenschaft, egal ob in Delfinarien<br />
oder für die Therapie. Nicht zu Unrecht, da<br />
eine artgerechte Haltung der Tiere nicht<br />
möglich ist, die Erfolge einer Therapie oft<br />
nicht messbar und Delfinarien überflüssig<br />
sind. Die meisten Delfine sind Wildfänge,<br />
die unter grausamen Umständen zu ihrem<br />
Bestimmungsort kommen. Dort werden sie<br />
ihrer natürlichen Lebensumstände beraubt<br />
und fristen ihr Dasein in zu kleinen Becken,<br />
mit totem Futter, chemisch aufbereitetem<br />
Wasser und Medikamenten. Ihr Orientierungssinn<br />
wird durch die Reflektion der<br />
Echolaute an den Beckenwänden gestört;<br />
Bild von Thomas Schinagl
20<br />
Titelthema<br />
Besucherströme, Blitzlicht von Fotoapparaten,<br />
Musikbeschallung, Trainings- und<br />
Therapiestunden stressen die Tiere zusätzlich.<br />
Die Lebenserwartung eines Delfins in<br />
Gefangenschaft ist erheblich geringer als<br />
in freier Wildbahn.<br />
Ein berechtigter Kritikpunkt an der Delfintherapie<br />
ist, dass diese Therapie nicht langfristig<br />
angelegt ist. Eltern von behinderten<br />
Kindern wissen, dass jegliche Form einer<br />
Therapie langanhaltend und oft über Jahre<br />
hinweg notwendig ist, um gesundheitliche<br />
Fortschritte zu erreichen, zu stabilisieren<br />
und dauerhaft zu verbessern.<br />
Delfinmassaker in Japan und den<br />
Färöer-Inseln<br />
Alle Jahre wieder geht in Japan das große<br />
Delfinschlachten los. Schätzungsweise bis<br />
zu 20.000 Tiere fallen innerhalb von sechs<br />
Monaten dem sinnlosen Töten zum Opfer.<br />
Die schönsten Tiere werden für Delfinarien<br />
aussortiert, die anderen auf grausame Art<br />
und Weise regelrecht niedergemetzelt.<br />
Eine „schöne Tradition“, die gewahrt werden<br />
will, geht es nach dem Willen der Japaner.<br />
Die Tiere enden unter anderem als<br />
Dosenfleisch, Düngemittel und Tierfutter.<br />
Auch die Fischer der Färöer-Inseln im<br />
Nordatlantik haben seit Jahrhunderten<br />
ihren Spaß an dieser Art blutiger Tradition,<br />
hier „Grindadràp“ genannt. Im Jahr 2009<br />
fielen dem Massaker auf den Färöer-Inseln<br />
310 Pilotwale, 171 Weißseitendelfine, zwei<br />
Entenwale und ein Großer Tümmler zum<br />
Opfer. Besonderheit der Jagd: Mit speziellen<br />
Messern werden den Tieren die Kopfarterien<br />
durchtrennt, so sterben sie besonders<br />
langsam und qualvoll.<br />
Mörderisches Spiel?<br />
Gar nicht zimperlich gehen Große Tümmler<br />
mit jüngeren Artgenossen und Schweinswalen<br />
um. Im letzten Jahr wurde erstmals<br />
von einem Forscherteam an der kalifornischen<br />
Küste per Unterwasserkamera dokumentiert,<br />
wie männliche Große Tümmler<br />
einen Schweinswal attackierten und ertränkten.<br />
Diese Vorkommnisse sind nicht ungewöhnlich,<br />
bereits im Jahr 1993 wurde vermutet,<br />
dass Tümmler vor Schottland<br />
Schweinswale getötet haben. Auch Babydelfine<br />
starben an solchen Verletzungen;<br />
die Zahnabdruckuntersuchungen entlarvten<br />
die Mörder. Warum Große Tümmler<br />
manchmal der Mordlust frönen, stellt die<br />
Wissenschaftler vor ein Rätsel. Da es diese<br />
Vorkommnisse auch in Revieren mit genügend<br />
Nahrung gibt, scheidet die Theorie<br />
aus, dass ein Mangel an Futter die Ursache<br />
ist. Der Spieltrieb halbstarker Tümmler<br />
könnte ebenso ein Grund sein, wie ein<br />
bewusster Mord an einem fremden Delfinbaby,<br />
da eine Delfinmutter wenige Tage<br />
nach dem Tod des Kindes wieder paarungsbereit<br />
ist und somit eigene Gene wieder<br />
weitergegeben werden könnten. Als vor<br />
zehn Jahren erste Berichte über solche Delfinangriffe<br />
in die Öffentlichkeit gelangten,<br />
war das Bild des „mordlüsternen“ Killerdelfins<br />
perfekt. Das ist natürlich Quatsch, aber<br />
es sollte nicht vergessen werden: Der Delfin<br />
ist ein kluges Raubtier und kein vermenschlichter<br />
Grinsekuschelsäuger. sG<br />
an Booten keine seltenheit!<br />
Violett in allen<br />
Schattierungen:<br />
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Foto: Kimmo Hagman<br />
www.cdws.travel
21<br />
Aktuell<br />
DiveinsiDe Deckt auf:<br />
Das leiD Der vier<br />
Ein Hintergrundbericht von Linus Geschke<br />
Hurghada, eine staubige Seitenstraße, mitten<br />
im Wohnviertel „Mubarak 6“. Laute Fieptöne<br />
dringen vom Grundstück auf die Straße,<br />
ab und an hört man das Plätschern von<br />
Wasser. Heimlich klettert eine Person über<br />
den Zaun und macht Fotos mit ihrem Handy<br />
– Fotos, die zeigen, wie vier Delfine unter<br />
schockierenden Bedingungen in einem<br />
winzigen Becken gehalten werden und mit<br />
denen die Person kurze Zeit später zu<br />
Seawolf Diving geht und um Hilfe bittet.<br />
Chefin Christiane Nedwed ist empört: „Dagegen<br />
muss man doch was machen, das kann<br />
man doch nicht einfach so geschehen lassen:<br />
Ich könnte heulen, wenn ich das sehe!“<br />
Sie schickt die Bilder an den <strong>DiveInside</strong>-<br />
Redakteur Linus Geschke weiter; am<br />
16.9.2010 stehen die Fotos erstmals in den<br />
„Taucher.Net News“, die somit als erste<br />
Medien weltweit darüber berichten und<br />
den Stein ins Rollen bringen. Mittlerweile<br />
hat sich eine ganze Gemeinschaft gefunden,<br />
die dagegen angehen will: Angefangen bei<br />
privaten Initiativen auf „facebook“ bis hin<br />
zur „Gesellschaft zur Rettung der Delfine“,<br />
kurz GRD – nur den Tauchmagazinen „unterwasser“<br />
und „tauchen“ war dies anfangs<br />
noch nicht einmal eine Onlinemeldung<br />
wert. <strong>DiveInside</strong>-Chefredakteur Armin Süss:<br />
„Ich habe, nachdem wir die Meldung online<br />
gestellt haben, sofort eine Rundmail an alle<br />
Magazine versandt. Warum bis zum 26.09.<br />
bis auf das Magazin „Atlantis“ keiner darauf<br />
reagiert hat, ist mir schleierhaft.“<br />
Während vielerorts wild spekuliert wird und<br />
die Theorien blühen, versucht <strong>DiveInside</strong>,<br />
weitere Fakten zu sammeln. Vieles bleibt<br />
dennoch im Dunkeln, doch das, was bislang<br />
klar erscheint, wirkt noch dramatischer, als<br />
die ersten Fotos vermuten lassen. Nach dem<br />
jetzigen Stand der Dinge scheint sich in<br />
Ägypten ein Handel mit Delfinen zu entwickeln,<br />
der an einen orientalischen Basar<br />
erinnert und letzten Endes wohl dem Zweck<br />
dient, bereits bestehenden und neu gebauten<br />
Delfinarien neue Tiere zuzuführen. Nach<br />
allen bislang bekannten Fakten sieht es so<br />
aus, dass die vier in dem Pool gehaltenen<br />
Delfine für ein Delfinarium in Sharm El<br />
Sheikh bestimmt sind und aus Japan stammen<br />
– vermutlich aus jener Bucht, die schon<br />
in dem preisgekrönten Film „The Cove“ zu<br />
unrühmlicher Popularität kam. Grund hierfür<br />
scheint zu sein, dass der russische Besitzer<br />
der jetzt in Sharm vorgeführten Delfine<br />
seine Tiere wiederhaben möchte, da er wohl<br />
im Clinch mit dem ägyptischen Eigner der<br />
Show liegt.<br />
Was mit den vier in einem Privatpool gehaltenen<br />
Delfinen geschieht, ist bis zu unserem<br />
Redaktionsschluss weiterhin völlig unklar.<br />
Fakt ist: Die Tiere müssen laut ägyptischem<br />
Recht 105 Tage in Quarantäne bleiben. Ein<br />
anderes, geeigneteres Becken hierfür ist<br />
noch nicht gefunden. Ein Rücktransport nach<br />
Japan kommt auch nicht in Frage – den Stress<br />
würden die geschwächten Tiere kaum überleben,<br />
zudem ist unsicher, wie ihre Zukunft<br />
dort aussehen würde. Und als ob dies alles<br />
nicht schon schlimm genug wäre, deckten<br />
unsere Recherchen jetzt auf, dass dies kein<br />
Einzelfall zu werden scheint: Offenbar sind<br />
schon weitere Tiere auf dem Weg ins Land,<br />
die dann in neu gebauten Delfinarien zum<br />
Einsatz kommen sollen.<br />
Wird makadi bay zUm hOrT<br />
der TierqUÄlerei?<br />
Eine Deutsche, die in Ägypten lebt, sich dort<br />
seit Jahren für den Umweltschutz einsetzt<br />
und namentlich nicht genannt werden<br />
möchte, schrieb uns folgendes: „Fakt ist, das<br />
unter den schönen grünen Hügeln vor den<br />
Toren zur Makadi Bay Korallenschutt liegt,<br />
der beim Bau der Hotels dort abgeladen<br />
wurde. Noch eine Fuhre Sand oder Erde drüber<br />
und das war´s! Lange Zeit gab es dort<br />
noch die Aufschrift: Welcome in the world<br />
of TUI! Direkt über dem Korallenschutt…“<br />
Dies würde ins Bild dessen passen, was offizielle<br />
Stellen noch leugnen und wovon auch<br />
die CDWS (Chamber of Diving and Water<br />
Sports) bis vor kurzem noch keine Ahnung<br />
hatte: In der Makadi Bay soll im Dezember<br />
Bericht und Bilder von Linus Geschke
22<br />
Aktuell<br />
der Flyer-entwurf für die geplante delfinshow in Makadi.<br />
ein neues Delfinarium eröffnet werden, für<br />
das wohl noch fünf weitere Delfine importiert<br />
werden. So verschlossen sich auch viele<br />
Stellen bei dem Thema geben, so dümmlich<br />
agierten die Betreiber: Sie ließen schon<br />
einen Werbeflyer drucken, der <strong>DiveInside</strong><br />
vorliegt (siehe Abbildung Flyer) und lieferten<br />
damit selbst den Beweis dessen, was in<br />
dieser auch bei Tauchern beliebten Bucht<br />
bald stattfinden soll. Einer Bucht, in der<br />
auch zahlreiche große Tauchbasen beheimatet<br />
sind, die von einem möglichen Boykott<br />
durch Taucher am stärksten betroffen<br />
wären und in deren ureigenem Interesse<br />
es liegen sollte, sich dem entgegenzustellen<br />
– nicht mittels Einzelaktionen, sondern<br />
gebündelt und gemeinsam.<br />
Denn anders als in vielen anderen Ländern<br />
gibt es in Ägypten durchaus Organisationen<br />
mit Einfluss, die versuchen, dagegen anzukämpfen.<br />
Sowohl CDWS wie vor allen Dingen<br />
auch die HEPCA in Person ihres Vorsitzenden<br />
Amr Ali lassen nichts unversucht,<br />
dem Gewirr aus verdeckten Zahlungen und<br />
Missbrauch an Tier und Umwelt beizukommen.<br />
Frei von jeder Polemik sind es also<br />
nicht „die Ägypter“, die anzuklagen sind,<br />
sondern einzelne Personen, Hotels und<br />
Freizeiteinrichtungen, denen der schnelle<br />
Dollar oder Euro über jegliche Form von<br />
Gewissen geht.<br />
Wer sich außerhalb von Stammtischparolen<br />
für die Delfine einsetzen möchte, sollte diesen<br />
Organisationen also lieber den Rücken<br />
stärken, anstatt alles pauschal und unreflektiert<br />
zu verdammen. Er kann weiterhin<br />
die Petition der GRD unterschreiben, Hotels<br />
meiden, die solche Delfinarien unterstützen<br />
und Freunden und Bekannten davon erzählen.<br />
Und auch die HEPCA scheint einen<br />
ersten Erfolg erzielt zu haben: Zumindest<br />
wird jetzt ernsthaft darüber diskutiert, ob<br />
die Delfine nicht in eine abzusperrende<br />
Bucht (Sahl Hasheesh) rund zehn Kilometer<br />
südlich von Hurghada gebracht werden<br />
sollen – zumindest solange, bis die 105 Tage<br />
Quarantäne abgelaufen sind: Wir bleiben<br />
am Ball und werden in den „Taucher.Net-<br />
News“ weiterhin über den aktuellen Stand<br />
berichten.<br />
Link zur Onlinepetition:
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unserer lampe und<br />
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Da springt man mit seiner Tauchlampe in<br />
den See, um ein wenig Licht ins Dunkel zu<br />
bringen, aber oft ist die Flasche noch nicht<br />
einmal halb leer, da „steht“ der Taucher<br />
auch schon im Dunkeln. Es ist manchmal<br />
erschreckend, wie schnell Akkupacks<br />
abbauen und damit die Brennzeit drastisch<br />
einschränken. Das Problem kommt nicht<br />
von ungefähr.<br />
Oft haben wir in der <strong>DiveInside</strong> schon über<br />
das Wie und Warum von Akkupflege gesprochen.<br />
Wichtig ist sie auch bei modernen<br />
Lampen und deren Akkutechnik. Trotzdem<br />
lassen die Energiespeicher oft schon nach<br />
wenigen Jahren stark nach, und die Brennzeit<br />
sinkt unter die geplante Tauchzeit.<br />
Dagegen leben Einzelzellen oft deutlich<br />
länger – scheinbar. Das Problem besteht<br />
darin, dass ein Akkupack immer aus mehreren<br />
seriell und parallel geschalteten Zellen<br />
besteht, um auf die nötige Spannung<br />
von zumeist 12V zu kommen. Schaltet man<br />
aber Zellen seriell und lädt nur das zusammengeschaltete<br />
Pack, bestimmt stets die<br />
schwächste Zelle im Pack die Lebensdauer<br />
des kompletten Akkus. Gibt eine Zelle schon<br />
frühzeitig nach, sinkt damit<br />
auch die Gesamtspannung<br />
des Packs zu schnell ab.<br />
Der Tiefentladeschutz der<br />
Lampe schaltet bei einem<br />
festen Spannungspunkt<br />
einfach viel zu früh ab.<br />
Dabei sind dann die meisten<br />
Zellen noch halb voll –<br />
können aber trotzdem nicht<br />
mehr genutzt werden, da die<br />
defekte Zelle mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
bereits tiefentladen ist und mit jedem Zyk-<br />
lus weiter zerstört wird. Daher schreitet ein<br />
solcher Verfall auch zumeist schnell voran,<br />
sobald er einmal eingesetzt hat.<br />
nUr gleiCh sTarke<br />
zellen ins PaCk<br />
Um diesen Zeitpunkt hinauszuzögern, ist<br />
es wichtig, in einem Akkupack möglichst<br />
exakt gleich starke Zellen zu haben. Optimal<br />
ist, die Kapazität der Zellen vor dem Einbau<br />
zu messen und nur gleich starke in den<br />
Akkupack aufzunehmen. Einige Anbieter<br />
von Einzelzellen bieten diese „Selektion“<br />
gegen Aufpreis an – wer Akkupacks baut,<br />
sollte dieses Angebot nutzen. Alternativ<br />
dazu kann man in einer Lampe die seriell<br />
verschalteten Zellen beim Laden einzelüberwachen,<br />
dieser Weg ist jedoch sehr<br />
aufwendig.<br />
Aus eben diesem Grund der richtigen Balance<br />
sollte bei einem defekten Akkupack nicht<br />
nur die schwache Zelle getauscht<br />
werden, denn das würde das<br />
Pack sofort wieder aus dem<br />
„Tritt“ bringen und die Lebenserwartung<br />
dramatisch senken.<br />
Besser ist es alle Zellen auszutauschen,<br />
dann hat man<br />
wieder lange Freude an seiner<br />
Lampe. Nur wer in der Lage ist,<br />
Einzelzellen zu messen und eine<br />
akkupacks können eine<br />
schwachstelle bei den lampensystemen<br />
darstellen.<br />
geeignete Ersatzzelle mit gleicher<br />
Kapazität zu finden, kann<br />
eine Reparatur des Packs mit<br />
dem Tausch der defekten Zellen<br />
wagen. Die lassen sich auch<br />
leicht finden, wenn der Tiefentladeschutz<br />
der Lampe abgeschaltet<br />
hat. Liegt die Spannung einer NiMH-<br />
oder NiCd-Zelle dann unter 0,8V, so ist sie<br />
vermutlich defekt oder zu schwach.<br />
Bild links: Michael Niedorf
26<br />
Technik<br />
WelChe zellChemie?<br />
Wer nun selbst seine Akkus tauschen möchte,<br />
sollte erst einmal die passenden Zellen und<br />
Zellchemie (z.B. NiMH, LiMn) finden. Überwiegend<br />
wird man dabei NiMH (Nickel-<br />
Metallhydrid)-Zellen finden – in alten Lampen<br />
zuweilen auch noch alte NiCd (Nickel-<br />
Cadmium)-Zellen. Letztere sind allerdings<br />
auf Grund ihres giftigen Cadmium-Anteils<br />
mittlerweile verboten und nur noch sehr<br />
schwer zu beschaffen. Daher muss als Ersatz<br />
eine NiMH-Zelle gesucht werden. Dieser<br />
Wechsel ist aber problemlos: Beide Zellchemien<br />
verwenden die gleiche Ladestrategie,<br />
sodass das Ladegerät nicht getauscht werden<br />
muss. Einzig Besitzer von Lampen, die<br />
geschlossen geladen werden, sollten aufpassen,<br />
da NiMH eher zum Gasen neigt und<br />
die Lampe damit zu Bombe werden kann.<br />
In solchen Fällen vorsichtshalber beim Laden<br />
die Lampe öffnen!<br />
Hat man seine Lampe aufgeschraubt, muss<br />
zunächst der Akkupack von der Elektronik<br />
getrennt werden. Tipp: Am besten vorher<br />
die Polung ausmessen, damit es später beim<br />
Einbau des neuen Packs kein böses Erwachen<br />
gibt. Die Zellen selbst sind mit Lötfahnen<br />
verbunden und mit einem Schrumpfschlauch<br />
verpackt. Manchmal begegnen einem in der<br />
Lampe ungewöhnliche Bauformen, die vom<br />
gewohnten Baby- oder Mono-Zellen-Format<br />
abweichen. Es handelt sich um sogenannte<br />
Industriezellen, die man auch in manchem<br />
Onlineshop finden kann. Wichtig beim Neukauf<br />
sind also das Format, die Zellspannung<br />
und damit verbunden die Zellchemie.<br />
kaPaziTÄT vs. siCherheiT<br />
In moderneren Lampen finden sich aber<br />
auch immer mehr Lithium-Ionen Rundzellen<br />
mit unterschiedlicher Chemie. Gebräuchlich<br />
ist u.a. die Lithium-Cobalt Zelle und die damit<br />
technisch verwandte Lithium-Polymer Zelle.<br />
Beide Chemien sind in einer Tauchlampe<br />
allerdings nicht ganz unproblematisch,<br />
sodass man beim Austausch über eine Alternative<br />
nachdenken sollte. Hier bietet sich<br />
bei gleicher Zellspannung die Lithium-Mangan-Zelle<br />
an – mit etwas weniger Kapazität,<br />
dafür aber mehr Eigensicherheit. Optimal in<br />
Bezug auf Sicherheit sind die Lithium-Eisen<br />
Zellen, die aber mit einer geringeren Zellspannung<br />
nicht als Austauschzelle für LiCo<br />
oder LiMn geeignet sind. Dieser Zelltyp bringt<br />
die beste Lebenserwartung mit und ist eine<br />
gute Wahl beim Bau von Selbstbau-Packs.<br />
Die Zellen haben allerdings etwas weniger<br />
Kapazität als ihre Mangan-Brüder.<br />
Ist der Akkupack erst einmal aus der Lampe<br />
ausgebaut und zerlegt, kann es an den Ersatz<br />
gehen. Bei der Beschaffung ist darauf zu<br />
achten, dass Zellen mit Lötfahnen bestellt<br />
werden, die das spätere Verlöten deutlich<br />
erleichtern. Damit wird auch die Zelle selbst<br />
nicht zu heiß beim Lötvorgang, was ab gewis-<br />
der akkupack einer<br />
kompakten tauchlampe.<br />
Industriezellen (Babyzellen) in<br />
verschiedenen Größen.<br />
sen Temperaturen sogar schädlich sein kann.<br />
Daher immer so heiß und dabei so schnell<br />
wie möglich verlöten.<br />
ladezeiTen verkürzen<br />
Ist der neue Akkupack entsprechend dem<br />
Alten verdrahtet und verlötet, kommt entweder<br />
ein Schrumpfschlauch drüber, oder<br />
man wickelt das Ganze mit Isolierband ein.<br />
Danach geht es wieder zurück in die Lampe,<br />
und das neue Pack wird RICHTIG gepolt wieder<br />
mit der Elektronik verbunden – und<br />
gegebenenfalls nicht vergessen, den Temperatursensor<br />
wieder anzukleben! Bei NiMH-<br />
Zellen ist es optimal, das Pack zuerst zu<br />
formatieren mit ein, zwei kompletten Lade-<br />
und Entladevorgängen. Lithiumbasierende<br />
Palau<br />
NITROX KOSTENLOS!<br />
Zellen brauchen so etwas nicht, da hier prinzipbedingt<br />
kein Memory-Effekt auftreten<br />
kann.<br />
Ist die Lampe dann wieder einsatzfähig, stört<br />
mitunter nur noch die lange Ladezeit, die<br />
mit besseren Zellen und mehr Kapazität<br />
Mikronesien<br />
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27<br />
Technik<br />
natürlich auch wieder auf „fabrikneuem“<br />
Niveau angelangt ist. Mit Ladezeiten jenseits<br />
von zwei Stunden muss man sich heutzutage<br />
aber nicht mehr zufrieden geben, denn selbst<br />
große Akkupacks mit NiMH-Zellen können<br />
bedenkenlos schnell geladen werden, wenn<br />
das Ladegerät mitspielt. Wer eine Lampe mit<br />
externem Ladegerät hat, in dem neben der<br />
Spannungsversorgung auch die Ladeelektronik<br />
sitzt, kann dieses gegen<br />
ein besseres mit höherem<br />
Ladestrom austauschen. Zum<br />
Preis von Originalzubehör<br />
bekommt man oft im Modellbausektorcomputergesteuerte<br />
Ladegeräte, die den<br />
neuen Akkupack nicht nur<br />
deutlich schneller wieder aufladen,<br />
sondern auch deutlich<br />
schonender, weil besser überwacht.<br />
Nur Lampenbesitzer<br />
mit einer in die Lampe integrierten<br />
Ladeelektronik bleiben<br />
außen vor, da ihr externes<br />
Gehäuse nur eine Spannungsumwandlung<br />
für das Laden der<br />
Lampe beherbergt.<br />
TiPPs aUs dem inTerneT<br />
Wer nach alledem nun auf die verwegene<br />
Idee kommt, die schön hochkapazitiven<br />
Lithium-Zellen gegen seine „ollen“ NiCd-<br />
Dinger zu tauschen, sollte Vorsicht walten<br />
lassen. Ladestrategie und Entladekurve dieser<br />
Zellen sind komplett unterschiedlich.<br />
Zu einem Pack verlötete Zellen.<br />
Neben einem neuen Ladegerät passend zur<br />
Zelle muss der Akkupack in der gleichen<br />
Spannungsregion bleiben wie das alte Pack.<br />
Bei einem 12V NiMH-Pack liegt der Bereich<br />
von voll bis leer beispielsweise bei 8 – 15V.<br />
Solche Umbauten sollten erfahrenen Elektronikern<br />
vorbehalten bleiben, da eine Lampenelektronik<br />
mitunter seltsam auf so einen<br />
Umbau reagiert. Es wird aber schon eine<br />
merkliche Ausdehnung der Brennzeit festzustellen<br />
sein, wenn die neuen Zellen wirklich<br />
von guter Qualität und damit Kapazität<br />
sind. Gerade im Bereich der C-Zellen (Baby-<br />
Zellen) lügen die Hersteller in diesem Punkt<br />
gerne mal. Vor einem Kauf sollten Infos aus<br />
Foren zum Thema Akku eingeholt werden,<br />
sofern nicht schon eigene Erfahrung vorhanden<br />
ist.<br />
Bei alldem haben es die Besitzer<br />
von Lampen mit Einzelzellenbestückung<br />
wesentlich<br />
einfacher. Ersatz gibt es an<br />
jeder Ecke, und die Zellen<br />
werden im Ladegerät einzeln<br />
geladen und damit auch<br />
überwacht. Daher ist so ein<br />
loses Pack oft langlebiger<br />
und die Anschaffung einer<br />
solchen Lampe sinnvoller – so<br />
man sie nicht allzu häufig<br />
benutzt. Denn gerade die<br />
modernen Lithium-Zellen<br />
altern auch im Schrank, wenn<br />
man die Lampe über längere Zeit<br />
nicht benutzt.<br />
Zu weiteren Fragen rund um den Tauchlampenakku<br />
und den Tauchlampenbau gibt es<br />
auf www.tauchfunzel.de ein öffentliches<br />
Forum zum Austausch mit Bezugsquellen<br />
und Tipps zu allen angesprochenen Eingriffen<br />
und Veränderungen.<br />
Im nächsten Teil von „Pimp my Dive Lamp“<br />
geht es um Komplettumbauten! Ml<br />
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und weil mein Sohn hier schwimmen<br />
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die Tiefe sondern auch den Luftverbrauch ein.<br />
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29<br />
Technik<br />
GoX<br />
der lUFttester<br />
nitrox for free – ein toller und weit verbreiteter service vieler tauchbasen und safarischiffe.<br />
doch das atemgas mit dem sauerstoffplus ist gelegentlich auch in tauchtanks zu<br />
finden, die eigentlich nur reine luft enthalten sollten. Zu wissen, wie viel sauerstoff nun<br />
tatsächlich in der tauchflasche enthalten ist, ist sinnvoll, und kann unter Umständen<br />
sogar lebenswichtig sein. aber Hand aufs Herz: sie stehen freudig an deck Ihres tauchschiffs,<br />
und der seit langer Zeit erste tauchgang im tropischen Meer liegt einem sozusagen<br />
zu Füßen. Wer prüft in diesem Moment noch seine Flasche, wenn es doch vorher hieß:<br />
„die Flaschen sind mit luft gefüllt“? Und selbst wenn: ohne – noch dazu funktionsfähiges<br />
– testgerät nützt auch fester Wille nichts.<br />
Ein zuverlässiges und preiswertes Handtestgerät<br />
findet in jedem Tauchgepäck Platz,<br />
die Bedienung ist denkbar einfach, und für<br />
die Funktionsfähigkeit sorgt der verantwortungsbewusste<br />
Taucher selbst. Mit dem<br />
Luftsauerstoffmessgerät GOX 100T haben<br />
die Experten für Mess- und Regelgeräte der<br />
Firma Greisinger electronic GmbH das Vorgängermodell<br />
GOX 100 speziell für Taucher<br />
weiterentwickelt. Es wurden Funktionen<br />
integriert, die deren besondere Bedürfnisse<br />
berücksichtigen. Beispielsweise die Anzeige<br />
der sogenannten MOD (Maximum Operating<br />
Depth), also der maximalen Tauchtiefe entsprechend<br />
dem jeweiligen Gemisch. Das<br />
sinnvollste Feature ist der Messwertspeicher:<br />
Nach einfachem Druck auf die Taste „mode“<br />
merkt sich das Gerät die Werte des Sauerstoffanteils<br />
in Prozent, ein weiterer Druck<br />
auf diese Taste zeigt die dazugehörende<br />
MOD. Vorbei die Zeiten, in denen die Ablesewerte<br />
in der Hektik vor dem Tauchgang<br />
in Vergessenheit geraten.<br />
individUelle einsTellUngen<br />
GOX 100T lässt sich aber noch weiter individualisieren:<br />
Auto-Power-Off, die Abschaltautomatik,<br />
lässt Werte von einer bis 120<br />
Minuten zu. Nach Ablauf der eingestellten<br />
Zeit schaltet sich der GOX selbständig ab,<br />
um seine Batterie zu schonen. Und auch<br />
die Einstellung der Höhe des aktuellen<br />
Standortes ist möglich. Standardmäßig auf<br />
1.013 Millibar für Meereshöhe eingestellt,<br />
k a n n m a n d i e H ö h e n a n p a s s u n g i n<br />
100-Meter-Schritten bis zum Maximalwert<br />
von 2.000 Metern anheben, was 795 Millibar<br />
atmosphärischem Druck entspricht. Zur<br />
Berechnung der MOD kann der maximale<br />
Sauerstoffpartialdruck von 1,0 bis 1,6 verändert<br />
werden. Eine Umstellung von metrischen<br />
(Tiefenangaben in Meter) auf imperiale<br />
Einheiten (Fuß) ist ebenso möglich.<br />
In regelmäßigen Intervallen sollte der Sensor<br />
vor dem Messvorgang kalibriert werden:<br />
Zwei Sekunden Druck auf die Taste „cal“,<br />
und der Sensor wird automatisch geprüft<br />
und neu kalibriert. In Zehn-Prozent-Schrit-<br />
ten zeigt er den Status des Sensors an,<br />
niedrige Werte (unter 80 Prozent) raten zum<br />
Austausch der Sensoreinheit. Dies erfordert<br />
keine großen Umbaumaßnahmen – Messelektronik<br />
und Sensor sind separate Elemente,<br />
die mit einem Kabel per Klinkenstecker<br />
und Buchse miteinander verbunden<br />
sind. Der Neupreis eines Sensorelements<br />
liegt bei 69,90 Euro*, was rund ein Drittel<br />
der Anschaffungskosten ausmacht. Seitens<br />
Bericht von Michael Böhm
30<br />
Technik<br />
Zwei Bauteile des Messgeräts halten und dann<br />
die Flasche öffnen: erst kompliziert, doch mit<br />
etwas Übung klappt die Messung problemlos.<br />
des Herstellers wird die Lebensdauer der<br />
Sensoreinheit mit zwei Jahren und mehr<br />
angegeben.<br />
anFangs UngeWOhnT:<br />
die handhabUng<br />
Verglichen mit Kompaktgeräten, bei denen<br />
Sensor und Elektronik in einem Gerät untergebracht<br />
sind, ist die Handhabung während<br />
der Messung anfangs etwas umständlich:<br />
Gerät und Sensor müssen in einer Hand mit<br />
dem T-Stück an das Flaschenventil gehalten<br />
werden, mit der zweiten Hand öffnet man<br />
vorsichtig das Handrad und lässt die Luft<br />
sanft durch das transparente T-Stück strömen,<br />
bis sich die Messwertanzeige nicht<br />
mehr verändert. Nach ein paar Messversuchen<br />
stellt sich jedoch Übung ein, und die<br />
Programmfeatures des GOX rücken in den<br />
Vordergrund.<br />
Die Vorteile der getrennten Lösung sind<br />
vielfältig. Neben dem beschriebenen einfachen<br />
Tausch des Sensors kann der GOX<br />
100T auch bei stationären Anlagen als Mess-<br />
gerät verwendet werden. Der Sensor wird<br />
dann in ein festes System integriert. Einer<br />
zusätzlichen Messeinheit, beispielsweise<br />
für die mobile Verwendung, bedarf es nicht,<br />
lediglich ein zweiter Sensor ist dann notwendig.<br />
„Derzeit ist eine Folgevariante noch nicht<br />
in Planung, da für eventuelle Verbesserungen<br />
natürlich Rückmeldungen abzuwarten<br />
sind“, so Sabine Brunner, zuständig für das<br />
Marketing im Hause Greisinger. In der Broschüre,<br />
die dem Gerät beiliegt, sind noch<br />
weitere Geräte für den Tauchbedarf dargestellt.<br />
Der Verkaufspreis des GOX 100T liegt<br />
bei 124,70 Euro*. Als Zubehör gibt es einen<br />
Kunststoffkoffer mit Schaumstoffeinlage<br />
(10,90 Euro*) und eine Geräte-Schutztasche<br />
(12,80 Euro*), Ersatzteile wie das T-Stück<br />
oder der schwarze Schlauchadapter sind<br />
für 3,90 Euro* bzw. 2,80 Euro* erhältlich.<br />
Betrieben wird das System mit einem herkömmlichen<br />
9-Volt-Block, mit dem über<br />
2.000 Stunden Betriebsdauer möglich sein<br />
sollen. Neigt sich die Batteriespannung dem<br />
Ende zu, meldet sich GOX rechtzeitig: „bAt“.<br />
drei tasten:<br />
„on/off“,<br />
„mode“, „cal“<br />
– mehr braucht<br />
der GoX 100t<br />
nicht, seine<br />
Messwerte<br />
rund um die<br />
sauerstoffanalyse<br />
zu<br />
beschaffen und<br />
preiszugeben.<br />
Dann kann der Batteriewechsel vom Benutzer<br />
problemlos selbst durchgeführt werden.<br />
Bereits der GOX 100 ist bei Tauchern beliebt,<br />
der GOX 100T wird sicher noch mehr<br />
Freunde finden, denn die Ausstattungsdetails<br />
der Elektronik wurden sinnvoll erweitert.<br />
Der Sensor GOEL 370 ist robuster als<br />
sein Vorgänger, der Korrosionsschutz wurde<br />
verbessert. Die Anschaffung eines Sauerstoffanalysegerätes<br />
steht für Viele – ob<br />
versierter Urlaubstaucher oder Allrounder,<br />
spätestens aber, wenn man sich mit dem<br />
Technischen Tauchen beschäftigt – im<br />
Raum. Der Preis des GOX 100T liegt zwar<br />
über dem der üblichen Einwegmessgeräte,<br />
im Bereich der Analyzer mit wechselbarem<br />
O 2 -Sensor gehört er jedoch zu den preiswerten<br />
Testgeräten. Wobei preiswert in<br />
diesem Fall eindeutig bedeutet: Der neue<br />
GOX ist seinen Preis wert. Produkte der<br />
GREISINGER electronic GmbH werden über<br />
den Katalog, die Homepage, Großhändler<br />
und durch Direktmarketing vertrieben.<br />
<strong>MB</strong><br />
InFo<br />
Die Greisinger electronic GmbH wurde vor über 30 Jahren<br />
am heutigen Betriebsstandort im mittelbayerischen Regenstauf<br />
bei Regensburg gegründet. Das Hauptaugenmerk liegt<br />
auf der Entwicklung und Produktion von Mess- und Regelgeräten<br />
sowie dazu gehörender Sensorik. Über 50 Mitarbeiter<br />
entwickeln und produzieren auf 2.250 Quadratmetern<br />
Produktionsfläche; eine voll abgeschirmte Metallkabine für<br />
elektromagnetische Verträglichkeitsprüfungen und ein<br />
großer, klimatisierter Raum für Werks- sowie Fertigungskalibrierungen<br />
für Temperatur, Druck, Feuchte etc. komplettieren<br />
die Gebäudeausstattung.<br />
der Produktionsstandort der Greisinger electronic<br />
GmbH in regenstauf<br />
Fast schon Alleinstellungsmerkmal: Greisinger produziert<br />
und entwickelt ausschließlich in Deutschland. „Nur so ist<br />
der hohe Qualitätsstandard unserer Produkte zu garantieren“,<br />
erklärt die Marketing-Verantwortliche Sabine Brunner<br />
das Erfolgsrezept. Faire Preise und technisch hochwertige<br />
Produkte haben Greisinger zu einem festen Begriff am<br />
Messgerätemarkt gemacht. Kleiner Tipp: Achten sie das<br />
nächste Mal auf die Messgeräte ihres Kaminkehrers … und<br />
künftig auf den Sauerstoff-Analyzer ihres Tauchpartners.<br />
* Nettopreis zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer.
31<br />
Medizin<br />
gute arbeit!<br />
Die arbeit von DruckkaMMerbeDienern unD MeDizinischeM<br />
assistenzpersonal an DruckkaMMern<br />
der erfolg einer hyberbaren therapie hängt natürlich zunächst einmal von der Wahl der richtigen<br />
Methode ab. aber auch entscheidend von der Kompetenz derer, die diese Methode anwenden.<br />
diveInside gibt einen einblick in die Berufe rund um den Betrieb einer druckkammer.<br />
Eine hyperbare Sauerstofftherapie in einer<br />
Druckkammer ist in der Regel für den Erkrankten<br />
eine ungewohnte, wenn nicht sogar<br />
beängstigende Angelegenheit. Egal ob bei<br />
einem Taucher nach Dekompressionsunfall<br />
oder in der Anwendung als HBO-Therapie<br />
(HBO = Hyperbare Oxygenation) bei anderen<br />
Erkrankungsbildern – eine Druckkammer<br />
gehört nun mal nicht zum Standardrepertoire<br />
des ärztlichen Therapiespektrums. Eine<br />
Behandlung in einer abgeschlossenen Stahlröhre,<br />
noch dazu unter Druck mit einer Maske<br />
Berufsbild druckkammerbediener(in)<br />
auf dem Gesicht, ist kein Spaziergang.<br />
Umso mehr muss das gesamte Personal an<br />
einer Druckkammer in der Lage sein, nicht<br />
nur den notwendigen technischen und apparativen<br />
Anforderungen gerecht zu werden,<br />
sondern nebenbei auch noch das entsprechende<br />
Fingerspitzengefühl im Umgang mit<br />
den Patienten zu zeigen.<br />
Jede Druckkammer braucht auch jemanden,<br />
der sie bedienen kann. Dazu gibt es eine<br />
Ausbildung, die mit dem Diplom I Druckkammerbediener/in<br />
abschließt. Weiterführende<br />
Ausbildungsstufen sind das Diplom<br />
II „Hyperbarmedizinische/r Assistent/in“ und<br />
das Diplom III „Intensivmedizinische Pflegekraft<br />
für Hyperbarmedizin“.<br />
Sicherlich ist die fachliche Kompetenz<br />
zunächst einmal die Wichtigste, aber beinahe<br />
genauso wichtig ist die menschliche Kompetenz<br />
und – in einem so technisch ausgerichteten<br />
Fachbereich wie der Tauch- und<br />
Überdruckmedizin – auch die technische<br />
Fachkunde, mit der alle Mitarbeiter ihren<br />
Aufgaben nachgehen müssen.<br />
keine einzelkÄmPFer geFragT<br />
Fachliche und technische Kompetenz sind<br />
erlernbar – in der Ausbildung, anschließenden<br />
Fortbildungen oder Schulungen und<br />
natürlich in der täglichen Routine. Lernen<br />
kann man alles, wenn man möchte, und das<br />
technische Know-how ist kein Hexenwerk.<br />
apparative Untersuchungen an Patienten gehören<br />
zum Berufsbild.<br />
Dafür gibt es Kurse gemäß den Ausbildungsrichtlinien<br />
der entsprechenden Fachgesellschaften<br />
(in Deutschland ist das die GTÜM<br />
– Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin),<br />
welche den Standard festlegen.<br />
Im Gegenzug dazu ist die menschliche oder<br />
emotionale Kompetenz etwas, das schwieriger<br />
zu lernen ist. Das Arbeitsprofil eines<br />
Druckkammerbedieners oder Hyperbarassistenten<br />
umfasst viele Aufgabenbereiche<br />
und Anforderungen. Das ist spannend und<br />
abwechslungsreich – kann unter Umständen<br />
aber auch belastend sein. Es gehört schon<br />
etwas dazu, bei technischen Problemen ruhig<br />
zu bleiben und den Patienten das Gefühl<br />
der Sicherheit zu geben.<br />
Die Patienten brauchen ganz unterschiedliche<br />
Betreuung. Dazu gehören Geduld und<br />
Bericht und Bilder von Anke Fabian
32<br />
Medizin<br />
Zu den täglichen aufgaben gehört der Check der<br />
Kompressoren ...<br />
... sowie die Überprüfung der Gasschalttafeln.<br />
ein ehrliches Interesse an der Arbeit sowie<br />
an den Menschen. Die medizinische Neugier<br />
des Kammerpersonals kann gar nicht groß<br />
genug sein. Einfühlungsvermögen und ein<br />
gutes Maß an persönlichem Stressmanagement,<br />
Flexibilität und eine positive Einstellung<br />
zur Arbeit sind ebenfalls unerlässlich.<br />
Teamfähigkeit ist an einer Druckkammer<br />
immer angesagt – denn hier kann es keine<br />
Einzelkämpfer geben. Fühlt sich ein Mitarbeiter<br />
einmal nicht wohl, wird er kaum zur<br />
Patientenbetreuung in der Druckkammer<br />
eingesetzt werden – ein anderer übernimmt<br />
diese Aufgabe an so einem Tag.<br />
arbeiTsTag eines<br />
drUCkkammerbedieners<br />
In der Regel hängt der individuelle Aufgabenbereich<br />
eines Druckkammerbedieners<br />
von dem Personalschlüssel des jeweiligen<br />
Zentrums und dem dortigen Arbeitsablauf<br />
ab. Manch ein Druckkammerbediener wird<br />
seinem Namen gerecht und macht ausschließlich<br />
„Druck“ an der Kammer. Oft sind die Bediener<br />
jedoch im Rotationsprinzip im gesamten<br />
Druckkammerzentrum eingesetzt, z.B. an der<br />
Anmeldung, zur Patientenbetreuung und<br />
-versorgung sowie bei Voruntersuchungen.<br />
Grundsätzlich müssen in Deutschland –<br />
gemäß den GTÜM-Richtlinien – mindestens<br />
drei ausgebildete Fachkräfte anwesend sein,<br />
sobald die Druckkammer in Betrieb genommen<br />
wird. Werden auch intensivpflichtige<br />
Patienten betreut, muss man zu viert sein.<br />
Die GTÜM schreibt vor:<br />
Für Druckkammer-Behandlungen von nicht<br />
intensivbehandlungspflichtigen stationären<br />
oder ambulanten Patienten:<br />
• ein Arzt/Ärztin mit Diplom „Druckkammerarzt“<br />
und Diplom „Druckkammerbediener/in“<br />
• ein „Hyperbarmedizinische/r Assistent/in“<br />
oder ein weitere/r Arzt/Ärztin<br />
• ein „Druckkammerbediener/in“<br />
Betreuung der Patienten innerhalb<br />
der druckkammer.<br />
Für Druckkammer-Behandlungen von intensivbehandlungspflichtigen<br />
Patienten:<br />
• ein Arzt/Ärztin mit Diplom „Druckkammerarzt“<br />
und Diplom „Druckkammerbediener/in“<br />
• eine „Intensivmedizinische Pflegekraft für<br />
Hyperbarmedizin“ oder eine weitere/r Arzt/<br />
Ärztin mit einem Jahr Weiterbildung in<br />
Anästhesie oder Intensivmedizin<br />
• ein „Druckkammerbediener/in“<br />
Normalerweise wechseln sich die Druckkammerbediener<br />
und Assistenten mit den<br />
täglichen Aufgaben ab, damit jeder in allen<br />
Bereichen immer auf dem neusten Stand<br />
bleibt und alle die Druckkammer regelmäßig<br />
bedienen, die Technik betreuen sowie<br />
die apparativen Untersuchungen an Patienten<br />
durchführen (EKG, Lungenfunktion,
33<br />
Medizin<br />
einfache Wartungsarbeiten und Beseitigung<br />
von kleinen technischen störungen sind teil<br />
der täglichen routine.<br />
Hörtests, Tympanometrie, Blutdruckmessung<br />
etc... ). Das ist wichtig, um nicht aus<br />
der Übung zu kommen.<br />
Der Arbeitstag beginnt meist mit dem<br />
Allerwichtigsten: dem Kaffekochen! Doch<br />
schon kurz danach geht es um die Inbetriebnahme<br />
und den täglichen Check von<br />
weitaus größeren und komplizierteren<br />
Geräten und Maschinen – wie dem kompletten<br />
Computerfahrstand der Druckkammer,<br />
der Druckkammer selbst, den Kompressoren,<br />
der Gasschalttafel, die Überprüfung<br />
des Filtersystems, Atemanlage, Sauerstoffversorgung<br />
etc. Alle abgelesenen<br />
Daten und Werte müssen in Checklisten<br />
dokumentiert werden. Exaktheit und Zuverlässigkeit<br />
im Umgang mit der Technik<br />
bewahren das Team und die Patienten vor<br />
Problemen und unschönen Überraschungen.<br />
einFallsreiChe PaTienTen<br />
Nach Inbetriebnahme der Druckkammer<br />
werden die Patienten für die Kammerfahrt<br />
vorbereitet und betreut. Zur Vorbereitung<br />
gehört die Überprüfung der Oberbekleidung<br />
der Patienten, da keine synthetischen<br />
Fasern in die Kammer dürfen. Wichtig ist<br />
auch die Taschenkontrolle auf mögliche<br />
Zündquellen. Der Druckkammerbediener<br />
braucht hierzu eine gewisse sanfte Autorität.<br />
Der Ideenreichtum der Patienten, was<br />
alles mit in die Druckkammer hinein soll,<br />
ist außerordentlich groß (Handtaschenwärmer,<br />
Feuerzeug etc.). Ein Brand in einer<br />
Druckkammer wäre jedoch der Super-GAU<br />
und muss unter allen Umständen vermieden<br />
werden – selbst wenn man sich als Druckkammerbediener<br />
dabei einmal unbeliebt<br />
macht. Manch ein Patient braucht Hilfe, um<br />
überhaupt in die Druckkammer zu gelangen,<br />
ein anderer hat seine Maske vergessen, der<br />
nächste hat noch seine Uhr an, und wenn<br />
dann endlich alle sitzen, muss kurz vor dem<br />
Schließen der Türe noch einmal jemand auf<br />
die Toilette. Da braucht es Geduld und eine<br />
Portion Humor. Bei intensivpflichtigen Pati-<br />
„Es wird nie langweilig“<br />
Die Druckkammerbedienerin Julie T. (Im Bild unten<br />
links) schreibt:<br />
Ich bin 25 Jahre alt. Nachdem ich im Oktober 2009<br />
meine dreijährige Ausbildung zur Gesundheits- und<br />
Krankenpflegerin absolviert hatte, beschloss ich,<br />
mich für eine Stelle in einem Druckkammerzentrum<br />
zu bewerben. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht,<br />
was auf mich zukommt. Was ist eine Druckkammer?<br />
Welche Krankheitsbilder behandelt man dort? Wie<br />
funktioniert eine Druckkammer? Was bedeutet HBO?<br />
Das sind nur einige meiner Fragen gewesen. An drei<br />
Hospitationstagen erhielt ich einen ersten Eindruck<br />
von der Arbeit. Und sie gefiel mir. Es folgte eine Zeit<br />
der Einarbeitung – zunächst vorwiegend Patientenbetreuung<br />
und auch erste Hospitationen an der<br />
Kammer. Das war aufregend. Danach schickte mich<br />
mein Arbeitgeber auf einen Druckkammerbedienerkurs.<br />
Nachdem ich mein Diplom in der Tasche hatte,<br />
konnte ich die Druckkammer selbstständig und ohne<br />
Aufsicht bedienen.<br />
Mir macht die Arbeit riesig viel Spaß. Druckkammer<br />
fahren, Technik, der Umgang mit Patienten, auch die<br />
notwendigen Verwaltungstätigkeiten, die Arbeit in<br />
unserem Team ... die Bandbreite und Abwechslung<br />
ist groß – es wird nie langweilig. Ich beobachte gerne<br />
und kann allein dadurch immer weiter lernen. Ich<br />
mag es, Fragen zu stellen und muss die Dinge verstehen<br />
können, um sie umzusetzen.<br />
Tauchsimulationen auf 50 Meter, Taucherschulungen<br />
und Mitarbeit im Rahmen von Kongressen, Fortbildungen<br />
und Forschung unserer Ärzte machen die<br />
Arbeit spannend und anspruchsvoll.<br />
2010 hatte ich Gelegenheit, zwei Wochen an einer<br />
ägyptischen Druckkammer zu hospitieren und mehr<br />
über die Tauchunfallbehandlung zu lernen. Das würde<br />
ich gerne wiederholen – in Ägypten und überall auf<br />
der Welt, wo es Druckkammern gibt.<br />
Die Arbeit ist so klasse, dass ich selbst Ärztin werden<br />
möchte, um alles noch besser zu verstehen. Deshalb<br />
habe ich mich für einen Studienplatz in Humanmedizin<br />
beworben, aber Druckkammern bedienen<br />
werde ich weiterhin – auch als Studentin.<br />
druckkammerbedienerin<br />
Julie<br />
t. (links)
34<br />
Medizin<br />
enten gestaltet sich die Vorbereitung natürlich<br />
anders.<br />
drUCkTaUgliChkeiT isT PFliChT<br />
Es folgt die Bedienung der Druckkammer<br />
mit Patientenüberwachung und lückenloser<br />
Dokumentation des durchgeführten Monitoring<br />
der Patienten (z.B. EKG, Sauerstoffmessung<br />
etc.). Regelmäßiges Notfalltraining<br />
und klar ausgearbeitete Notfallpläne<br />
machen das Situationsmanagement im<br />
Bedarfsfall leichter. Manchmal ist auch eine<br />
Betreuung der Patienten innerhalb der<br />
Druckkammer notwendig, die – wenn aus<br />
medizinischer Notwendigkeit nicht vom<br />
Arzt selbst – auch von einem Assistenten<br />
oder Druckkammerbediener durchgeführt<br />
werden kann. Dafür muss der Bediener<br />
drucktauglich sein. Dies wird in einer jährlichen<br />
Untersuchung, nach berufsgenossenschaftlichen<br />
Grundsätzen, wie bei einem<br />
Berufstaucher (G31) geprüft. Der Umgang<br />
mit Druckausgleichsproblemen, Kreislauf-<br />
Verwaltungsarbeit und lückenlose dokumentation der Behandlungen gehören zum Berufsbild.
35<br />
Medizin<br />
reaktionen oder Platzangst bilden manchmal<br />
eine Herausforderung. Im Zweifelsfall<br />
ist aber immer der Arzt präsent.<br />
Die Außerbetriebnahme der gesamten<br />
Anlage muss wieder dokumentiert werden.<br />
Einfache Wartungsarbeiten und Beseitigung<br />
von kleinen technischen Störungen unterliegen<br />
in der Regel dem diensthabenden<br />
Druckkammerbediener und müssen vor der<br />
nächsten Druckkammerfahrt so weit wie<br />
möglich behoben sein.<br />
Falls die Druckkammerbediener in ihren<br />
Aufgabenbereichen rotieren, entsprechen<br />
die übrigen Aufgaben an einer Druckkammer<br />
weitgehend der Tätigkeit in einer<br />
normalen Arztpraxis. Im Verwaltungsbereich<br />
sind dies: Rezeptionsdienst, Telefon-<br />
gespräche, Organisation, Schriftwechsel,<br />
Buchführung, Rechnungswesen etc. Im<br />
klinischen Bereich: die Patientenaufnahme,<br />
Durchführung der apparativen Voruntersuchungen,Tauchtauglichkeitsuntersuchungen.<br />
Außerdem gibt es – wie überall<br />
im medizinischer Sektor – Aufgaben im<br />
Hygienebereich.<br />
Wie Wird man<br />
drUCkkammerbediener?<br />
Die Voraussetzungen hierfür sind:<br />
1. Mindestalter 18 Jahre.<br />
2. Tätigkeitsbezogenes Notfalltraining (8<br />
Doppelstunden), maximal ein Jahr alt.<br />
3. Anerkannte Berufsausbildung, anerkannter<br />
Tauchlehrer oder Student im Hauptstudium.<br />
4. Erfolgreiche Absolvierung einer von GTÜM<br />
und VDD anerkannten theoretischen und<br />
praktischen Ausbildung „Druckkammerbediener/in“.<br />
5. Nachweis von 30 selbständig bedienten<br />
Druckkammer-Behandlungen unter Supervision.<br />
6. Das Diplom verliert automatisch seine<br />
Gültigkeit, ohne dass dies weiterer Maßnahmen<br />
seitens der GTÜM oder des VDD<br />
bedarf, wenn in den letzten zwölf Monaten<br />
weniger als zehn Druckkammer-<br />
Behandlungen bedient wurden oder wenn<br />
im vorangehenden Jahr keine Teilnahme<br />
an Notfallübungen erfolgte.<br />
7. Das Diplom erlangt in den unter Nummer<br />
6 genannten Fällen seine Gültigkeit wieder:<br />
- wenn zehn selbständig bediente Druckkammer-Behandlungen<br />
unter Supervision<br />
absolviert wurden.<br />
- wenn eine aktuelle Teilnahme an Notfallübungen<br />
erfolgte.<br />
8. Über eventuelle Ausnahmefälle entscheiden<br />
die Vorstände von GTÜM und VDD<br />
unter Berücksichtigung der Beurteilung<br />
der Gutachter für die Diplomierung.<br />
kann man davOn leben?<br />
Prinzipiell gibt es keinen Pauschalsatz oder<br />
Mindest-Stundenlohn für Druckkammerbediener.<br />
In der Regel verdient ein Druckkammerbediener<br />
mindestens so viel wie ein<br />
examinierter Krankenpfleger oder eine Arzthelferin<br />
– in der Regel aber etwas mehr.<br />
Abhängig von Nacht- oder Bereitschaftsdiensten<br />
an Wochenenden erhöht sich natürlich<br />
der Basislohn.<br />
Berufsbild Druckkammerbediener/in – hört<br />
sich doch gut an – oder? aF<br />
SUBGEAR_Anzeige_2010_A4.indd 1 11.03.10 10:05
36<br />
Medizin<br />
ausbilDung „DruckkaMMerbeDiener/in“<br />
THEORIE<br />
Pos. Unterrichtsthema<br />
Unterrichtseinheiten<br />
(45 min)<br />
1 Einführung: Druckkammer-Typen, Komponenten eines Druckkammer-Zentrums, Arbeitsablauf im Druckkammer-Zentrum 2<br />
2 Grundlagen der Druckkammertechnik: Druckluft-Erzeugung (Hochdruck/Niederdruck), Umgang mit Sauerstoff, technische Gefahren durch Sauerstoff, Strom- und Notstromversorgung 2<br />
3<br />
Hauptfahrstand: Kammersteuerung und Überwachungselemente, Computersteuerung, Manuelle Steuerung, Steuerung am Pneumatikfahrstand, Kommunikation, Videoüberwachung, Sauerstoff-<br />
Überwachung der Druckkammer-Atmosphäre<br />
2<br />
4 Physikalische Grundlagen: Boyle-Mariotte, Henry, Amontons, Dalton, adiabatische Kompression, Joule-Thompson-Effekt 3<br />
5 Grundlagen in Physiologie und Pathophysiologie: luftgefüllte Hohlräume, Druckausgleich, Barotrauma, Tiefenrausch, Sauerstoff-Intoxikation, Dekompressionskrankheit, Arterielle Luftembolie 3<br />
6<br />
Vorschriften u. Dokumentation: DIN 13256 Teil 2, Druckluftverordnung, Druckbehälterverordnung, VBG 1, MPG, MPBetreibVO, Geräteverzeichnis gemäß UMDNS, G25 (Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten),<br />
G31 (Überdruck), G37 (Bildschirmarbeitsplätze), VBG 61 Sauerstoff, Arzneimittelgesetzbuch (Luftqualität), Technische Regeln Gase, Notfallausrüstung (Koffer), Unfallmeldung gemäß MPG über DIMDI<br />
7 Brandschutz: Prävention, Bekleidung, Brandlasten, Verhalten bei Brand (Alarmplan), Brandschutzeinrichtungen 3<br />
8 Wirkprinzipien der HBO 1<br />
9 HBO-Indikationen 2<br />
10 Behandlungsprofile und Deko-Tabellen für Patienten und Personal 2<br />
11 Medizinische Komplikationen der HBO-Therapie 1<br />
12 Monitoring: Audio, Video, EKG, RR, PCO2/PO2, ExO2 1<br />
13 Theoretische Prüfung und Besprechung 1 UE Summe Theorie 24 UE 1<br />
Summe Unterrichtseinheiten Theorie 24<br />
PRAXIS<br />
Pos. Unterrichtsthema<br />
14<br />
15<br />
Druckkammer: In- u. Außerbetriebnahme, Vorbereiten der Druckkammer (Masken, Kopfzelte), Anpassen der Masken, Steuerung der Druckkammer (PC-gesteuert, manuell, pneumatisch), Dokumentation<br />
der Druckkammerbehandlung, Betreuung der Patienten (Begleitung von ASA 1 Patienten), Schleusungen<br />
Wartung u. Beseitigung von kleinen Störungen: Technische Störungen, Notstromversorgung, Atemanlage (exspiratorische O2-Überwachung, O2-Spürgeräte), Atemmasken und Kopfzelt, Beleuchtung<br />
und Kommunikation<br />
Ort<br />
Unterrichtseinheiten<br />
(45 min)<br />
1<br />
nach Checkliste<br />
nach Checkliste<br />
16 Kammerhygiene: Grundlagen, zu verwendende Desinfektions- und Reinigungsmittel, Hygieneplan nach Checkliste<br />
17<br />
Erkennen und Verhalten bei Notfällen und Störungen: Notfälle (Verhalten, Ein- und Ausschleus-Maßnahmen), Unklarer Betriebszustand (bei Computerausfall, Brand etc.), Praktische Feuerlöschübung<br />
(z.B. mit ortsansässiger Feuerwehr)<br />
nach Checkliste<br />
18 Praktische Prüfung und Besprechung 1<br />
Summe Unterrichtseinheiten Praxis 40
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38<br />
TopDive<br />
BomBenstimmung<br />
in eCkernFörde<br />
„ein tag bei den Minentauchern in eckernförde“<br />
war der topdive des Monats september, den das<br />
tauchcenter Wesel und die Kundin annabelle<br />
Fabry gewonnen haben. es wurde ein tag der<br />
einblicke und erlebnisse, der an spannung<br />
kaum zu überbieten war.<br />
Bericht und ÜW-Bilder von Harald Apelt
39<br />
TopDive<br />
Gleich heißt es: ran an die „Kracher“ im Minengarten<br />
Mit drei bis vier Metern Sichtweite herrschten<br />
fast gute Tauchbedingungen. Auch hat<br />
die Ostsee mit 13 Grad immer noch eine<br />
annehmbare, fast kuschelige Wassertemperatur.<br />
Oberleutnant zur See Jens Höner<br />
gleitet mit ruhigem Flossenschlag in knapp<br />
acht Metern Wassertiefe lautlos und ohne<br />
verräterische Blasen zu erzeugen, voran.<br />
Wasserbomben und Grundminen in der<br />
Eckernförder Bucht waren das Ziel des<br />
Kampfschwimmers. Zwei weitere Taucher<br />
folgen ihm. Sie müssen ein wenig kämpfen<br />
um mitzuhalten, denn der durchtrainierte<br />
ehemalige Ausbilder der Kampfschwimmereinheit<br />
in Eckernförde ist Profi durch<br />
und durch. Ariane Külzhammer, eine der<br />
beiden Taucherinnen im Schlepptau des<br />
Oberleutnants ist ebenso ein Profi: Sie ist<br />
Eigentümerin des Tauchcenters Wesel und<br />
mit ihrer Kundin Annabelle Fabry aus<br />
Bochum einen Tag zu Gast bei den Minentauchern<br />
und Kampfschwimmern im Marinestützpunkt<br />
Eckernförde. Sie hatte Glück<br />
und im September den „TopDive“ des<br />
Monats gewonnen (eine Übersicht der „Top-<br />
Dive“ Tauchgänge des Monats kann in der<br />
<strong>DiveInside</strong> Ausgabe 05/2010 nachgelesen<br />
werden). Diese Verlosung ist Bestandteil<br />
des TopDiver-Wettbewerbs der in der Top-<br />
Minentaucher bei der suche (li.) und mit stealth eod an einer Grundmine (re.)<br />
Dive-Gruppe zusammengeschlossenen<br />
Tauchschulen. Da werden unter allen Teilnehmern<br />
Tauchgänge verlost, die ein normaler<br />
Sporttaucher so nicht ohne weiteres<br />
machen kann.<br />
geFÄhrliCher „garTen“<br />
Einer der zahlreichen Höhepunkte des spektakulären<br />
Programms, das die Minentauchereinheit<br />
für die Gewinner des TopDive<br />
zusammengestellt hat, war der Tauchgang<br />
im Minengarten: Einem Trainingstauchgebiet,<br />
das sich für die jungen, sich in der<br />
Ausbildung befindlichen Minentaucher<br />
immer wieder als eine harte Nuss herausstellt.<br />
Hier findet man Torpedos, Wasserbomben,<br />
Ankertauminen und Grundminen<br />
verschiedener Bauarten; allesamt im Originalzustand,<br />
aber nicht scharf. „Das ist schon<br />
ein komisches Gefühl, wenn man plötzlich<br />
aus dem Graugrün des Ostseewassers einen<br />
langen, runden Körper auftauchen sieht,<br />
den man schnell als einen Torpedo erkennt“,<br />
sagt Annabelle Fabry, die hier gerade ihren<br />
persönlichen TopDive erlebt. Etwas über<br />
sechs Meter lang ist der „Aal“, hinten mit<br />
zwei Schrauben versehen und mit den Steuerungseinheiten,<br />
die einem Leitwerk und<br />
Bilder Titelseite und Unterwasserbilder mit freundlicher Genehmigung der Marine.
40<br />
TopDive<br />
oberleutnant zur see Jens Höner zeigt annabelle<br />
Fabry einen Helmtaucheranzug.<br />
der Kaleu war nicht an Bord, die Marinewache<br />
erklärte aber alles sehr engagiert.<br />
den Höhenrudern beim Flugzeug ähneln,<br />
sieht er so aus, wie wir ihn wohl alle aus<br />
der Buchheim-Verfilmung „Das Boot“ kennen.<br />
Weiter geht es, vorbei an Minen und<br />
Wasserbomben, die jede für sich im Original<br />
ein so zerstörerisches Potenzial birgt, das<br />
man sich dies als „normaler“ Taucher kaum<br />
vorstellen kann.<br />
knallharTe aUsbildUng<br />
Oberleutnant Höner, der vielen deutschen<br />
Sporttauchern von den tollen Auftritten<br />
und Vorführungen der Minentaucher auf<br />
der „boot“ in Düsseldorf persönlich bekannt<br />
ist, erlaubt der Besuchergruppe Einblicke<br />
in die komplexe Ausbildung zum Minentaucher,<br />
in die Vielfalt und Struktur der<br />
Aufgabenbereiche der Minentaucher- und<br />
Kampfschwimmereinheiten der Marine und<br />
in den gefährlichen Job, den die Männer<br />
vom Marinestützpunkt Eckernförde auch<br />
in Friedenszeiten erfüllen. „Wer sich entscheidet,<br />
bei uns einzutreten, kann nur<br />
bestehen und zum Teil des Teams werden,<br />
wenn er neben Enthusiasmus und Teamfähigkeit<br />
ein extrem hohes Maß an Fitness<br />
und geistiger Beweglichkeit mitbringt.<br />
Was Jens Höner damit meint, wird deutlich,<br />
wenn man erfährt, dass ein guter Teil der<br />
Bewerber in dem umfangreichen Aufnahmeverfahren<br />
schon beim Eignungstest nicht<br />
die nötige Fitness haben. „Hier zeigt sich<br />
meistens schon, wer von den körperlichen<br />
Voraussetzungen und von seinen Fähigkeiten<br />
individuell wie im Team Höchstleistungen<br />
abrufen kann. Und wenn dieser harte<br />
Einstiegstest bestanden ist, geht es in die<br />
komplexe Ausbildung, die zu den härtesten<br />
und umfassendsten zählt, denen man sich<br />
unterziehen kann. Am Ende zählen sie zu<br />
den „SEKM-Einheiten“ (Spezialisierte Einsatzkräfte<br />
Marine) und werden zu Lande,<br />
zur Luft und im Wasser eingesetzt.<br />
Die Gruppe des Tauchcenters Wesel ist<br />
beeindruckt. Nach dem 66-minütigen Tauchgang<br />
im Minengarten, geht es noch einmal<br />
unter die Wasseroberfläche. Trocken, aber
41<br />
TopDive<br />
das landarsenal:<br />
auch landminen,<br />
die zwar weitgehend<br />
geächtet<br />
sind, aber zu<br />
Millionen verlegt<br />
wurden, gehören<br />
zur „Kundschaft“<br />
der seKM.<br />
Jens Höner und sein „Werkzeug“: ein Handsonargerät für den UW-einsatz und vorn eine fernlenkbare<br />
„Manipulatoreinheit“. sie ist oft in allervorderster linie, wenn es ganz gefährlich ist.<br />
Jens Höner erläutert<br />
den aufbau einer französischenankertaumine.<br />
ein höllischer<br />
Mechanismus...<br />
die torpedos (Hintergrund)<br />
hat wohl jeder<br />
schon einmal gesehen.<br />
die runden „rohre“<br />
sind brandgefährlich.<br />
Grundminen können mit<br />
ihrer sprengkraft ganze<br />
schiffe aus dem Wasser<br />
liften und brechen.<br />
Bilder: links oben: © Harald Mathä, links unten: © Jeannine_Andre, Mitte: © Heiko
42<br />
TopDive<br />
alaaarmtauchen! annabelle Fabry beim schnellen abstieg im turm des U-Bootes.<br />
ohne Trocki. Eine Besichtigung eines der in<br />
Eckernförde stationierten Unterseeboote<br />
steht auch auf dem Einsatzplan des Tages.<br />
Ariane Külzhammer tut sich ein wenig<br />
schwer. Groß ist sie mit 175 Zentimetern<br />
Größe. Genug Höhe, um sich hier unten in<br />
der engen Stahlröhre, die von vorn bis hinten<br />
mit Elektronik und Technik nur so vollgepackt<br />
ist, jeden Schritt irgendwo den<br />
Kopf zu stoßen.<br />
„Waaas? Hier schlafen acht Mann?“, ruft<br />
Annabelle Fabry fast erschrocken aus, als<br />
sie die hängenden Stockwerk-Klappbetten<br />
der Besatzung im Bugraum des Bootes sieht.<br />
Und als dann die acht Torpedorohre des<br />
etwas über 50 Meter langen U-Bootes sicht-<br />
bar werden und die Besucher sich vorstellen<br />
sollen, dass durch diese engen Röhren<br />
Kampfschwimmer bei eventuellen Einsätzen<br />
ausgeschleust werden, tritt ein Staunen in<br />
die Gesichter der Besucher, welches eine<br />
Mischung aus Unglauben und Hochachtung<br />
verrät.<br />
Unglauben ist es auch, das das Mienenspiel<br />
der Weseler Gruppe dominiert, als Jens<br />
Höner zum Abschluss durch den museumsartigen<br />
Waffenfundus führt. Vier große<br />
Räume prallvoll mit allem, was weltweit<br />
es ist schon beachtlich was die weltweiten<br />
Vernichtungsarsenale zu bieten haben...<br />
Waffenentwicklern in den vergangenen<br />
Jahrzehnten, zurück bis zum Ersten Weltkrieg,<br />
so eingefallen ist. Von der Luftmine<br />
über Brandbomben, von der Grundmine<br />
zum Torpedo, Luft/Luft-, Luft/Boden-, Boden/<br />
Luft- und Boden/Boden-Raketen und aberhunderte<br />
weitere, Granaten, Haftminen und<br />
Geschosse, von deren Existenz Normalbürger<br />
nichts ahnen. Und allesamt gehören sie<br />
zum Aufgabenpotenzial für die Truppe oben<br />
an der Ostsee, denn in jedem Sprengkörper<br />
steckt auch eine enorme Gefahr für Zivilisten.<br />
Allein in der Ostsee liegen noch Unmengen<br />
an Kampfmitteln aus dem Zweiten<br />
Weltkrieg. Nicht nur Irrläufer, ins „Leere“<br />
gelaufene Torpedos und „schlafende“ Minen,<br />
auch Munition und Kampfmittel sind hier<br />
in den letzten Kriegswochen versenkt worden.<br />
Sie stellen noch heute eine beachtliche<br />
Gefahr dar.<br />
Jens Höner denkt bei dieser Gelegenheit<br />
natürlich auch an die zahlreichen Sporttaucher,<br />
die an Wracks tauchen und dort bisweilen<br />
direkten Zugang zu noch am oder<br />
im Wrack lagernden Kampfmitteln haben:<br />
“Ich kann jedem nur raten um alles, was<br />
nach Granate, Mine oder Bombe auch nur<br />
entfernt aussieht, einen großen Bogen zu<br />
machen und auf jeden Fall die Finger davon<br />
zu lassen.“<br />
Diese Altlasten sind nicht kalkulierbar, denn<br />
welcher Zündmechanismus drinnen steckt<br />
und wie der Zustand ist, kann ein Laie nicht<br />
bewerten. Und selbst ein Profi wie Jens<br />
Höner gibt zu, dass sein Adrenalinpegel am<br />
Anschlag ist, wenn er es mit echten Kampfmitteln<br />
zu tun hat. „Das ist etwas anderes,<br />
als ein Tauchgang im Minengarten. In diesen<br />
Momenten zählt nur allerhöchste Konzentration<br />
und der gelernte und immer<br />
wieder geübte Umgang mit diesen Kampfmitteln“,<br />
erläutert der Oberleutnant zur See.<br />
Hat man denn bei so einem Job überhaupt<br />
noch Lust, aus Jux und Spaß an der Freude<br />
ins Wasser zum Tauchen zu gehen? Jens<br />
Höner überlegt nur einen kurzen Moment<br />
und dann folgt ein klares „Ja“ und man<br />
merkt, dass er den Enthusiasmus für seinen<br />
Beruf und die Taucherei um keinen Deut<br />
verloren hat.<br />
sPraChlOse besUCher<br />
In seiner Freizeit ist Jens ein passionierter<br />
Tektaucher, der gerne auch mal größere Tiefen<br />
aufsucht, als von den Tauchsportverbänden<br />
propagiert. Nachdem er sich einen Traum<br />
mit Tauchgängen an dem im Oslofjord versenkten<br />
deutschen Kreuzer „Blücher“ erfüllt<br />
hat, steht nun im Frühjahr des kommenden
43<br />
TopDive<br />
Jahres eine weitere Expedition zum „Kleinen<br />
Kreuzer Wiesbaden“ an. Er versank am 1. Juni<br />
1916, am zweiten Tag der Skagerrakschlacht<br />
und wurde erst kürzlich lokalisiert. Höner<br />
und seine Partner wollen gemeinsam mit<br />
einem Fernsehteam des ZDF den Leichten<br />
Kreuzer betauchen. Nur ein Seemann überlebte<br />
den Untergang der „Wiesbaden“, die<br />
während des Rückzugs der deutschen Flotte<br />
nach schweren Artillerietreffern versank und<br />
auch den deutschen Dichter Gorch Fock mit<br />
in die Tiefe riss.<br />
Dass sich Jens Höner neben dem spannenden<br />
Job als Berufssoldat auch noch mit<br />
solchen herausfordernden und zeitintensiven<br />
Expeditionen befasst zeigt, dass die<br />
Marine und das Meer hier ganze Arbeit<br />
geleistet haben. Wer ihnen einmal verfallen<br />
ist, sagt man, kommt davon nie wieder<br />
los...<br />
annabelle (links)<br />
Jens und ariane<br />
(rechts) bei einem<br />
faszinierenden<br />
Besuch in eckernförde.<br />
Und wie erging es dem sporttauchenden<br />
Teil der Veranstaltung? Ariane Külzhammer<br />
und Annabelle Fabry waren noch drei Tage<br />
nach dem Erlebtem fast sprachlos: „Also<br />
was die Jungs da leisten, ringt mir allergrößten<br />
Respekt ab. Das ahnt man nicht,<br />
wenn man sie in ihren schmucken Uniformen<br />
auf der ‚boot‘ stehen sieht“, sagt Ariane,<br />
die ihr Bild von der Marine und besonders<br />
von den Minentauchern grundlegend geändert<br />
hat. „Was das Team speziell für uns dort<br />
an Informationen und Eindrücken aufbereitet<br />
hat, macht mich immer noch sprachlos.<br />
Das war nicht nur ein TopDive, sondern<br />
ein kompletter Top-Tag.“ Ha<br />
Bild rechts: Marine (Detlef Struckhof )
44<br />
TopDive<br />
lUstIGes MarIneleBen?<br />
Um es vorwegzunehmen: Ich habe damals verweigert<br />
und mich auf zehn Jahre beim Technischen Hilfswerk<br />
verpflichtet. Heer, Luftwaffe und Marine zählten nicht<br />
gerade zu meinen Favoriten. Da hab ich lieber bei<br />
m a n c h e m N o r d w e s t s t u r m t a g e l a n g S a n d s ä c k e<br />
geschleppt, Sturmschäden beseitigt oder Heidebrände<br />
gelöscht. Das ist über drei Jahrzehnte her, und der<br />
Reifeprozess, den ein Mensch in 30 Jahren durchmacht,<br />
führt gelegentlich auch dazu, dass zementierte Positionen<br />
bröckeln und eingemeißelte Ansichten sich<br />
ändern.<br />
Das war, ich räume es ein, auch bei mir so. Meine<br />
Ansicht zur Bundeswehr und ihren Gattungen hat<br />
jedenfalls einen gewissen Wandel durchgemacht.<br />
Nicht, dass ich jetzt plötzlich, wenn ich denn dürfte,<br />
Lust hätte, dor t mitzumischen. Nein! Aber meine<br />
Wertschätzung für das, was in unserer Armee geleistet<br />
wird, ist eine andere geworden. Mir geht es<br />
dabei nicht um die politische Frage „ob“ oder „besser<br />
doch nicht“? Vielmehr geht es mir um die Menschen,<br />
die da einen Job machen, der außerordentlich<br />
komplizier t, stets heikel und dazu höchst<br />
gefährlich ist. Fast alle, die ich kennenlernte, die<br />
beim Bund für den Erhalt des Friedens kämpfen,<br />
sind nicht wegen der hohen Risiko- und Auslandszuschläge<br />
dabei. Sie sind es, weil sie es für richtig<br />
halten und weil es der Job ist, für den sie sich einmal<br />
entschieden hatten. Eine Handwerkslehre oder<br />
Sandsäckepacken beim THW sind als Alternative<br />
auch zur Verfügung gestanden. Das wurde mir am<br />
vergangenen Wochenende wieder einmal bewusst,<br />
als ich mit einer Gruppe des Tauchcenters Wesel<br />
bei den Minentauchern in Eckernförde zu Gast war.<br />
Sie hatten den „TopDive“ des Monats gewonnen<br />
und wurden von Oberleutnant Höner und seinem<br />
Team in die ganze Komplexität ihrer Aufgaben<br />
eingeweiht. Inklusive Tauchgang im Minen-Trainingspark!<br />
„Was für ein tolles Leben die bei der Marine<br />
haben“, denken immer noch viele: „Auf Flottenbesuch<br />
von Rio nach Montevideo schippern, dann<br />
ab ins Mittelmeer und vielleicht noch ein wenig<br />
S o n n e n b r ä u n e i n G e n u a t a n ke n . . . “ . U n d a u c h<br />
wenn es nur wenige aussprechen, eine weitverbreitete<br />
Meinung ist doch sicher : „In unseren<br />
Streitkräften schieben allesamt eine ruhige Kugel<br />
und verbringen ihre Zeit nur damit, auf den nächsten<br />
Krieg zu warten...“. Wie, so frage ich mich, kommt<br />
solch ein Bild zustande?<br />
Ob dieses Bild überhaupt jemals gestimmt hat, weiß<br />
ich nicht. Ich weiß aber, dass unsere Einheiten in<br />
Afghanistan solche Ansichten gar nicht lustig finden!<br />
Und ich weiß auch, dass zum Beispiel in Eckernförde<br />
bei den Kampf- und Minentauchern sehr motivierte,<br />
topausgebildete und hochqualifizier te Leute einen<br />
brandgefährlichen Job machen. Für uns alle! Und dass<br />
n e b e n d i e s e m S t re s s d a n n n o c h Ze i t b l e i b t, a m<br />
Wochenende uns Freizeittauchern einen Tag zu widmen,<br />
der super-interessant war, uns allen die Sprache<br />
verschlug und zudem ein Bild der Marine zeich-<br />
nete, das kein schreibender PR-Offizier nur annähernd<br />
so hinbekommen hätte, muss einfach mal mitgeteilt<br />
werden. „Chapeau“ an die Herren Minentaucher und<br />
Kampfschwimmer in Eckernförde! Das war allererste<br />
Sahne und zeigt deutlich, dass die Bilder, die schließlich<br />
zu Meinungen werden, doch nicht immer nur in<br />
verstaubten Beamtenstuben entstehen oder an den<br />
Reißbrettern praxisfremder Strategen ent wor fen<br />
werden. Auch beim Bund sollte es mehr menscheln!<br />
Denn was ist eine Armee wert, die zu den Menschen,<br />
für die sie da ist, keinen Kontakt mehr hat? Wer diesen<br />
Kontakt mal selbst aufnehmen möchte, wird dazu<br />
vermutlich wieder auf der „boot 2011“ in Düsseldorf<br />
in der Taucherhalle 3 Gelegenheit haben. Das Motto<br />
der Minentaucher lautet dor t auch wieder :“Bitte<br />
ansprechen!“<br />
Kommentar von Harald Apelt
45<br />
Augenblicke<br />
der ägyptische abend ist überstanden; nichts trennt roswitha, erwin und die anderen Mitreisenden<br />
noch von st. Johns, wo wunderbare tauchtage auf sie warten. nichts? Wer roswitha<br />
teil eins bis drei (siehe diveInside-ausgaben 12/08 , 09/09 und 04/10 ) gelesen hat,<br />
ist nicht ganz so optimistisch. Zu recht.<br />
Mittleres Deck, 22 Uhr, der Silberrücken ist<br />
angepisst. Ich weiß, „sauer“, „ungehalten“<br />
oder „nicht amüsiert“ klingt jetzt deutlich<br />
eleganter, trifft es aber nicht annähernd so<br />
gut. Das Einzige, was seine Laune jetzt noch<br />
knapp über den Gefrierpunkt heben kann,<br />
ist ein eiskaltes Bier der Marke Sakara. „Unser<br />
Guide ist ´ne Wurst und die meisten Mitreisenden<br />
Vollpfosten, die nur aufs Schneckenschubsen<br />
aus sind. Kann ja eine tolle<br />
Woche werden!“ Dann nimmt Theo noch<br />
einen Schluck aus der Dose und rülpst leise<br />
in den ägyptischen Abendhimmel. „Aber<br />
die Roswitha hat sich ganz schön entwickelt<br />
– noch zwei Touren und die ist ein richtiges<br />
Wildschwein unter Wasser.“ Ich gebe zustimmende<br />
Grunzlaute von mir und lasse den<br />
Blick über unsere Gefährten schweifen:<br />
Eigentlich finde ich sie gar nicht so schlecht,<br />
die Truppe. Markus und Norbert kommen<br />
von einem Solinger Tauchverein, beide gut<br />
300 Tauchgänge im Logbuch und heiß auf<br />
Großfischbegegnungen und Höhlen. Locker,<br />
relaxt, lustig, mit den Zweien kann man<br />
arbeiten. Dann Tobias, Regine und Stefan:<br />
Drei Freunde aus dem Süddeutschen, erfahrene<br />
Taucher, eher ruhig, die meist unter<br />
sich bleiben. Erwin ist mir durch seinen<br />
Ruhrpottdialekt ja eh schon ans Herz<br />
gewachsen und Sina, eine allein reisende<br />
Brünette, sieht einfach zu niedlich aus, um<br />
sie nicht zu mögen. Nur Barbara und Jens<br />
fallen leicht unangenehm auf: Sie haben<br />
topaktuelles Equipment ohne jegliche<br />
Dicke backen<br />
roswitha, part iv<br />
Gebrauchsspuren dabei: für den Silberrücken<br />
ein untrügliches Indiz, dass die Beiden<br />
blutige Laien sein müssen.<br />
Doch das krudeste Pärchen an Bord sind<br />
sicherlich Malte und Jacqueline. Er mit<br />
gestutztem Vollbart, Seidenschal und Zigarre<br />
am Abend, sie mit Arschgeweih, Piercings<br />
und blonden Strähnen: Das perfekte Covergirl<br />
für „Ballermann Fetenhits: Volume 23“,<br />
gesegnet mit einem Dialekt, der sie eindeutig<br />
dem Freistaat Sachsen zuordnet. Malte<br />
hingegen ist Journalist, und nicht irgendeiner:<br />
Er arbeitet bei einer Zeitung, die als Hort<br />
für Intellektuelle gilt und dort im Ressort<br />
„Feuilleton“. Jetzt muss man wissen, dass<br />
Schreiber des Feuilleton (sprich: „Völletohn“)<br />
sich sowieso für eine Elite halten, geborene<br />
Edelfedern allesamt. Für mich sind die meisten,<br />
die ich kennengelernt habe, nur verkackte<br />
kleine Spießer, die in der Jugend zu<br />
selten Sex hatten und schon in der Schule<br />
jeden Klassenkameraden mit ihrem pseudointellektuellem<br />
Geschwafel zu Tode gelangweilt<br />
haben. Wie auch immer: Bei Malte trifft<br />
dies definitiv zu. Über seine Figur lässt sich<br />
nur sagen, dass sie vorhanden ist. Reichlich.<br />
Dummerweise geht diese Figur eine Paarung<br />
ein mit der Neigung, die Badehosen zwei<br />
Nummern zu klein zu kaufen, was bei jeder<br />
Beugung nach vorne die obere Hälfte der<br />
Pobacken inklusive Ritze freilegt: Das sogenannte<br />
„Taucher-Dekolleté“, in diesem Fall<br />
in einer leicht haarigen Variante.<br />
Bei Roswitha führt der Anblick von Ritze<br />
und Backen stets zu einem angeekelten<br />
Kräuseln der Nase, wohingegen Jacqueline<br />
krampfhaft versucht, von dem Anblick abzulenken,<br />
und zwar mit dem, was sie am besten<br />
kann: Sie redet. Und sächselt. Und redet.<br />
Und sächselt. So lange, bis der Göttergatte<br />
sich bequemt, wieder eine aufrechte Stellung<br />
einzunehmen. Was aber leider häufig<br />
länger dauert: Denn so geschickt er wahrscheinlich<br />
mit einer Schreibmaschine umgehen<br />
kann, so dämlich stellt er sich beim<br />
Zusammenbau des Equipments an. Kommen<br />
die Schläuche des Atemreglers nun nach<br />
links oder rechts und in welche Richtung<br />
Bericht von Linus Geschke
46<br />
Augenblicke<br />
dreht man jetzt die erste Stufe am Ventil<br />
fest? Fragen, deren Lösung er die komplette<br />
Woche hinterher hechelt und die ihm an<br />
Bord recht schnell den Beinamen „Trottel-<br />
Taucher“ einbringen.<br />
Wer miT Wem?<br />
Die Nacht geht, der Morgen kommt und mit<br />
ihm das Briefing für den ersten Tauchgang.<br />
Habili Ali nennt sich das Riff, eine Nadel unter<br />
Wasser, deren höchster Punkt auch bei Ebbe<br />
die Wasseroberfläche nicht erreicht. Gute<br />
Chancen auf Großfisch, öfter mal Strömung,<br />
steil abfallende Wände. Theo ist glücklich.<br />
Zumindest bis Jürgen, der deutsche Guide,<br />
folgenden Hinweis loslässt: „Wir tauchen hier<br />
sicher, das heißt: Maximal 30 Meter, keine<br />
Dekotauchgänge, viel Spaß!“ Meine Taktik<br />
wäre jetzt folgende: Freundlich lächeln,<br />
bekräftigend mit dem Kopf nicken und dann<br />
unter Wasser machen, was ich will. Doch<br />
Theo wäre kein geborener Silberrücken,<br />
wenn diese Nummer nicht bis ins Letzte<br />
ausdiskutiert werden müsste. Die Begriffe<br />
„maximal 30 Meter“ und „keine Dekotauchgänge“<br />
zusammen in einem Satz mit „viel<br />
Spaß“? Das ist für Theo zuviel! Er baut sich<br />
vor dem Guide auf und lässt einen Schwall<br />
Sätze los, in denen sich Begriffe wie „Idiot“,<br />
„Ahnungsloser“ und „ich glaube, es hackt!“<br />
in Massen finden.<br />
Während Theo noch diskutiert, habe ich mir<br />
schon Sina als Buddy gepackt. Die zwei Solinger<br />
Vereinskameraden tauchen alleine, Roswitha<br />
taucht mit Erwin, dahinter folgen<br />
Barbara und Jens – schließlich ist Roswitha<br />
jetzt ja Divemasterin und erpicht darauf,<br />
auch jemanden zu finden, an dem sie ihr<br />
neu erworbenes Wissen ausprobieren kann.<br />
Für Theo bleibt wohl nur die Rache Sachsens<br />
an den Westdeutschen und die intellektuelle<br />
Poritze übrig, es sei denn, er mag mit dem<br />
Guide ein disharmonisches Pärchen bilden<br />
oder sich den schweigsamen Süddeutschen<br />
anschließen. Für mich hingegen entpuppt<br />
sich Sina unter Wasser als Glücksgriff: Zwar<br />
noch recht unerfahren, aber mit einer Wasserlage<br />
versehen, der man anmerkt, wie wohl<br />
sie sich in diesem Element fühlt. Luftverbrauch?<br />
Vernachlässigbar. Bewegungen?<br />
Elegant. Körper? Manche Formen können<br />
auch durch fünf Millimeter Neopren nicht<br />
entstellt werden. Fische? In dem Moment<br />
gänzlich uninteressant. Sie finden, der Text<br />
wird gerade etwas sexistisch? Schuldig.<br />
Irgendwann begegnen wir der Truppe rund<br />
um Roswitha und was man da sieht, lässt<br />
einen unweigerlich an Ausbilder Schmitt<br />
denken: Sobald sich Barbara mehr als einen<br />
Meter von Jens fortbewegt, rasselt Roswitha<br />
mit dem Shaker und donnert drohend beide<br />
Zeigefinger aneinander. Alles hört auf ihr<br />
Kommando, die Schäfchen nicken schuldvoll<br />
und schmiegen sich ängstlich aneinander.<br />
Roswitha schaut drohend, hebt mahnend<br />
einen einzelnen Zeigefinger und wendet<br />
sich dann wieder um, stets bereit, die Gruppe<br />
weiterhin mit harter, aber gerechter Hand<br />
zu führen.<br />
Während Sina und ich gerade gemütlich<br />
auf der 40-Meter-Linie herum turnen, passieren<br />
zwei Dinge gleichzeitig: Von oben<br />
stürmt der Guide an uns vorbei in die Tiefe,<br />
geradewegs auf die Luftblasen zu, die<br />
geschätzte 20 Meter tiefer ihren Ursprung<br />
haben. Drei Minuten später kommt er wieder<br />
zurück, begleitet von einem Silberrücken,<br />
der den Guide am Jacket gepackt hält<br />
und dem man das breite Grinsen sogar<br />
hinter der Maske ansieht. Direkt daneben:<br />
Jacqueline, die dankenswerter Weise unter<br />
Wasser nicht reden kann. Der Trottel-Taucher?<br />
Nirgends zu sehen.<br />
des ChaOs lösUng<br />
Als wir kurze Zeit später auftauchen, werden<br />
wir an der Taucherleiter von einem sächsischen<br />
Geschnatter begrüßt, vorgebracht in<br />
einer Tonlage, bei der sich die letzten Silben<br />
der Wörter konstant überschlagen. Und während<br />
Jacqueline quasselt und der Guide<br />
bedrückt zu Boden schaut, offeriert der Silberrücken<br />
schon die Lösung: „Ich hab mir<br />
Jacqueline gepackt und bin mit der alleine<br />
runter, mal ordentlich Druck auf die Birne,<br />
dachte, das lähmt ihr Sprachzentrum. Der<br />
Vollpfosten (Blick zum Guide) war mit Malte<br />
unterwegs und hat den dann irgendwie verloren.<br />
Sieht unsere Luftblasen, denkt, die<br />
kämen vom Trottel-Taucher und stürzt sich<br />
in die Tiefe. Hat ihn dort natürlich zerbröselt,<br />
den Depp. Also bring ich ihn am Kragen<br />
wieder hoch und hätte jetzt gerne ein Bier<br />
dafür.“ In dem Moment schaut Theo so cool<br />
aus, als könnte er Eiswürfel pinkeln. Wo Malte<br />
abgeblieben ist, weiß er dagegen auch nicht.<br />
Die Suchaktion mit beiden Zodiacs verläuft<br />
ohne Ergebnis. Silberrücken starrt aufs Meer,<br />
der Guide schweigt, Jacqueline redet ohne<br />
Punkt und Komma.<br />
Eine Stunde später dann das große Aufatmen:<br />
Unser Trottel-Taucher ist zurück an Bord! Er<br />
hatte Guide Jürgen unter Wasser mit dem<br />
Guide der daneben ankernden „M/Y Longimanus“<br />
verwechselt und war diesem dann<br />
treu bis aufs Boot gefolgt. Seinen Irrtum<br />
bemerkte er erst, als er auf dem anderen<br />
Schiff bei einem Glas Tee „rudimentäre Unterschiede<br />
in der Salongestaltung“ entdeckte.<br />
Gut so. Denn andernfalls hätte Malte, der<br />
„Völletohnist“, gemeinsam mit Jaqueline<br />
wohl noch die Schlagzeile der BILD-Zeitung<br />
bestimmt: „Verschwundener Trottel-Taucher:<br />
Jetzt redet die Freundin!“ lG
47<br />
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