10.10.2013 Aufrufe

Europäische Seehäfen - Deutsch-Finnische Handelskammer

Europäische Seehäfen - Deutsch-Finnische Handelskammer

Europäische Seehäfen - Deutsch-Finnische Handelskammer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Detthold Aden: Festrede vor der DFHK am 25. Mai 2010<br />

<strong>Europäische</strong> <strong>Seehäfen</strong> – Strukturveränderungen aus der Krisenbewältigung<br />

____________________________________________________________<br />

Anreden,<br />

zunächst danke ich der <strong>Deutsch</strong>-<strong>Finnische</strong>n <strong>Handelskammer</strong> für die freundliche<br />

Einladung. Es mir eine Ehre und Freude zugleich, hier heute die Festrede halten<br />

zu dürfen.<br />

Als Präsident des Zentralverbandes der <strong>Deutsch</strong>en Seehafenbetriebe und Vor-<br />

standsvorsitzender der BLG LOGISTICS GROUP habe ich nicht nur ein beruf-<br />

liches Interesse an den ökonomischen und insbesondere den maritimen logisti-<br />

schen Verbindungen in der Welt.<br />

In meiner Eigenschaft als Honorarkonsul der Republik Finnland für das Bundes-<br />

land Bremen und Teile Nordwestdeutschlands habe ich dabei natürlich die Be-<br />

ziehungen zwischen Bremen beziehungsweise <strong>Deutsch</strong>land und Finnland be-<br />

sonders im Auge.<br />

Meeresautobahn Ostsee<br />

Die Ostsee gehört zu den verkehrsreichsten Seegebieten der Welt. Rund 600<br />

Millionen Tonnen Güter aller Art durchlaufen jedes Jahr dieses Meer.<br />

Demnächst werden es noch sehr viel mehr sein – nämlich dann, wenn die beiden<br />

1.200 Kilometer langen Ostsee-Pipelines ihren Betrieb aufnehmen. Durch diese<br />

Leitungen sollen alljährlich 27,5 Milliarden Kubikmeter Gas nach Westeuropa<br />

geleitet werden.<br />

1


Ein Teil der Röhren für die Pipelines wird übrigens über Bremen nach Kotka<br />

verschifft. In Kotka erhalten die Röhren eine Betonummantelung, bevor sie in<br />

die Ostsee verlegt werden.<br />

Aber die Ostsee ist nicht nur eine maritime Autobahn für große Güter- und Wa-<br />

renströme. Sie verbindet auch die Menschen miteinander. Rund 50 Millionen<br />

Passagiere pro Jahr registrieren die zahlreichen Fähr-Reedereien.<br />

Hinzu kommen die vielen Kreuzfahrt-Touristen, denn die Städte an der Ostsee-<br />

küste gehören zu sehenswürdigsten Schönheiten, die Nordeuropa überhaupt auf-<br />

zuweisen hat.<br />

Wir konnten bis 2008 beobachten, mit welcher Dynamik sich die Ostseeverkeh-<br />

re seit der wirtschaftlichen und politischen Öffnung Osteuropas entwickelt ha-<br />

ben. Es wurden über viele Jahre durchgängig zweistellige Wachstumsraten re-<br />

gistriert.<br />

Diese Dynamik wird sich mit dem Ende der globalen Krise ganz sicher fortset-<br />

zen. Allerdings können sich dabei einige Veränderungen ergeben, die heute in<br />

ihrer Auswirkung noch nicht konkret auszuloten sind.<br />

Bei den deutschen <strong>Seehäfen</strong> gibt es eine Rollenverteilung für den Ostseeraum.<br />

Die Ostseehäfen sind in erster Linie Fährhäfen und Spezialisten für bestimmte<br />

Güterarten. Die Nordseehäfen agieren dagegen hauptsächlich als Transithäfen<br />

für die Ostseeanrainer.<br />

Die Rolle des Nordostseekanals<br />

2


Die Bremischen Häfen und Hamburg sowie ab 2012 auch Wilhelmshaven mit<br />

dem gegenwärtig im Bau befindlichen JadeWeserPort sind die Drehscheiben der<br />

Ostseeländer für die internationalen Seeverkehre. Dabei kommt dem Nord-<br />

Ostsee-Kanal eine sehr große Bedeutung zu. Das war jedenfalls bislang immer<br />

der Fall.<br />

Die Bundesregierung hat beschlossen, den Kanal in voller Länge auszubauen,<br />

um noch größeren Schiffen die Passage zu ermöglichen. Der Grund ist, dass mit<br />

den wachsenden Containermengen in den zurückliegenden Jahren insbesondere<br />

die Feederschiffe immer größer geworden sind.<br />

Inzwischen gibt es jedoch Anzeichen, dass sich die Position der deutschen<br />

Nordseehäfen als Transitdrehscheiben für die Ostseehäfen abschwächen könnte.<br />

Darauf werde ich gleich noch etwas näher eingehen.<br />

Im Jahr 2008 belief sich das Volumen der deutschen <strong>Seehäfen</strong> im Ostseeverkehr<br />

auf etwa 55 Millionen Tonnen. Das entspricht gut neun Prozent des gesamten<br />

Verkehrsaufkommens in der Ostsee.<br />

Die Langfristprognose der Bundesregierung geht bisher unverändert davon aus,<br />

dass sich das Volumen der deutschen <strong>Seehäfen</strong> mit dem Ostseeraum bis zum<br />

Jahr 2025 auf 143 Millionen Tonnen erhöht.<br />

Das wäre eine Steigerung um 260 Prozent. Aus dieser Prognose wird deutlich,<br />

welch große Dynamik in <strong>Deutsch</strong>land für die ökonomische Entwicklung der<br />

Ostseeanrainerstaaten gesehen wird. Ich denke, diese Prognose bleibt in ihren<br />

Grundzügen durchaus realistisch.<br />

3


Welche Häfen davon am meisten profitieren, entscheidet sich grundsätzlich im<br />

Wettbewerb. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Russland ist bestrebt, möglichst<br />

viele Seeverkehre auf eigene Häfen zu ziehen. Das könnte die Transitrolle, die<br />

finnische <strong>Seehäfen</strong> heute für Russland spielen, auf Dauer schwächen.<br />

Russlands Problem ist, das es mit St. Petersburg gegenwärtig nur einen Univer-<br />

salhafen in der Ostsee gibt. Außerdem hat St. Petersburg Tiefgangsbeschrän-<br />

kungen, die sich aufgrund des teilweise felsigen Untergrundes dort auch nicht<br />

verändern lassen.<br />

Deshalb wurde Ust Luga als zweiter Universalhafen geplant. Die Bauarbeiten<br />

wurden aber während der Krise ausgesetzt. Statt 2009 wird Ust Luga nun erst<br />

2011 den Betrieb aufnehmen.<br />

Aber auch Ust Luga hat ein Problem. Dort gibt es zwar keine Tiefgangsbe-<br />

schränkungen, aber auch noch keine guten Hinterlandanbindungen per Straße<br />

und Schiene. Es wird also noch etliche Jahre dauern, bis Ust Luga als Seehafen<br />

seine volle Leistungsfähigkeit entfalten kann.<br />

Insofern sehe ich zurzeit und auch mittelfristig keine Bedrohung für die finni-<br />

schen <strong>Seehäfen</strong>. Außerdem ist es sehr fraglich, ob politisch gewollte Verkehrs-<br />

lenkung sich auf Dauer gegen wirtschaftliche Interessen und Wettbewerbsfähig-<br />

keit durchsetzen kann.<br />

Bremens Handelspartner Finnland<br />

Für die Bremischen Häfen ist Finnland ein wichtiger Handelspartner. Das be-<br />

trifft sowohl den direkten Handel als auch die Transitverkehre. Das Gesamtla-<br />

dungsvolumen zwischen Finnland und den Bremischen Häfen belief sich 2008<br />

4


auf knapp 3,6 Millionen Tonnen. Für 2009 gibt es noch keine endgültigen Zah-<br />

len. Sie waren aber aufgrund der Krise sicherlich deutlich niedriger.<br />

Beim Import ist Finnland der viertwichtigste Handelspartner der bremischen Hä-<br />

fen. 2008 exportierte Finnland 1,95 Millionen Tonnen Waren über Bremen und<br />

Bremerhaven nach <strong>Deutsch</strong>land beziehungsweise als Transithäfen in andere<br />

Länder der Welt. Davon waren 1,6 Millionen Tonnen containerisiert. Hauptex-<br />

portgüter sind Forstprodukte und Maschinen.<br />

Der Versand der Bremischen Häfen für Finnland belief sich 2008 auf 1,6 Milli-<br />

onen Tonnen, davon eine Million Tonnen in Containern. Damit ist Finnland der<br />

fünfwichtigste Handelspartner. Hauptexportgüter waren Fahrzeuge, Maschinen,<br />

chemische Produkte sowie Elektrotechnik und Elektronik.<br />

Die Beziehungen zwischen Bremen und Finnland reichen sehr weit zurück. Der<br />

Ursprung liegt im Mittelalter. Der Bremer Bischof Ansgar galt als der "Apostel<br />

des Nordens". Er bereiste Finnland bereits im neunten Jahrhundert.<br />

Wir können aber davon ausgehen, dass seine Reisen nicht die ersten Begegnun-<br />

gen zwischen Bremen und Finnland waren. Die mit dem Christentum verbunde-<br />

nen historischen Begebenheiten wurden nur viel eher schriftlich dokumentiert<br />

als die so genannten profanen Angelegenheiten.<br />

Die ersten Begegnungen kamen sicherlich durch den Handel zustande. Der Han-<br />

del war und ist immer das stärkste treibende Element der Entwicklung – denn er<br />

liegt schließlich im beiderseitigen Interesse.<br />

Beiderseitiges Interesse konnte das Christentum damals kaum für sich reklamie-<br />

ren. Unter dem Deckmantel der Verkündung christlicher Botschaften in vielen<br />

5


Teilen der Welt ging es eigentlich immer nur darum, den Einfluss- und Macht-<br />

bereich der Kirche zu vergrößern. Das kann man als Imperialismus sehen. Impe-<br />

rialistische Interessen aber sind immer einseitig.<br />

Der frühe Ostseehandel war von slawischen Kaufleuten geprägt. Ab dem achten<br />

Jahrhundert gewannen die Wikinger zunehmend Bedeutung und dominierten<br />

bald den Ostseehandel. Im 12. Jahrhundert folgte die Hanse, die fast 500 Jahre<br />

lang im Handel auf Nord- und Ostsee führend war.<br />

Mit dem Ende des 30jährigen Krieges wurden große Teile Europas neu geord-<br />

net. Dauerhafte Handelsprivilegien und Handelsdominanzen kamen danach<br />

nicht mehr wieder zustande – auch wenn es einige Versuche gab, die alten Privi-<br />

legien zurück zu gewinnen.<br />

Im modernen Wirtschaftsleben beherrscht der Wettbewerb das Geschäft. Und<br />

das ist gut so. Denn der Wettbewerb ist ein stark treibendes Element für die<br />

wirtschaftliche und technologische Entwicklung.<br />

Globalisierung, Welthandel und Containerverkehr<br />

In der Gegenwart erleben wir, wie stark die Globalisierung mittlerweile die<br />

Weltwirtschaft prägt. Das Spiel von global sourcing, global production und glo-<br />

bal selling verstärkt die internationale Arbeitsteilung und das Welthandelsvolu-<br />

men nimmt erheblich zu.<br />

Die Faustregel ist: Ein einprozentiges Wachstum des Weltbruttosozialprodukts<br />

hat ein Wachstum des Welthandels von zwei Prozent und eine Zunahme des<br />

Containerverkehrs um drei Prozent zur Folge. Der Weltcontainerverkehr ist in<br />

6


der Vergangenheit also drei Mal so schnell gewachsen wie das Weltbruttosozi-<br />

alprodukt.<br />

Hauptträger des Globalisierungsprozesses war und ist der Container. Ohne den<br />

Container und die Logistik als zentrales Steuerungs- und Managementsystem<br />

wäre die Globalisierung überhaupt nicht denkbar. Rund 95 Prozent der interkon-<br />

tinentalen Verkehre laufen über die Seewege.<br />

Von der Globalisierung profitieren alle offenen Volkswirtschaften, die sich mit<br />

ihren spezifischen Fähigkeiten in das Spiel von global sourcing, global produc-<br />

tion und global selling einbringen. Dafür ist China seit 2002 ein herausragendes<br />

Beispiel.<br />

Ganz besonders profitiert aber hat die Transport- und Logistikbranche, die ja ihr<br />

Geschäft mit dem überproportional steigenden Welthandelsvolumen und mit den<br />

Containerverkehren macht.<br />

In der Krise kehren sich diese überproportionalen Wachstumsentwicklungen al-<br />

lerdings um. Deshalb hat die Transport- und Logistikbranche nun auch am meis-<br />

ten zu leiden. Und das gilt insbesondere für die großen <strong>Seehäfen</strong>.<br />

Bremens Stärken in der Globalisierung sind die hohe Exportquote von über 50<br />

Prozent der im Bundesland Bremen produzierten Güter, die Außenhandels-<br />

dienstleistungen, leistungsfähige <strong>Seehäfen</strong> und die weltweite Logistik – ein<br />

Dienstleistungssektor, der im Zuge der fortschreitenden Globalisierung nachhal-<br />

tiges Wachstum ermöglicht hat.<br />

„Logistikweltmeister“ <strong>Deutsch</strong>land<br />

7


Allerdings hat sich das Leistungsprofil erheblich verändert. Die weltweite Lo-<br />

gistik kennt keine Grenzen – keine Ländergrenzen und auch keine Kontinental-<br />

grenzen. Deshalb ist das alte Standortdenken der <strong>Seehäfen</strong> längst überholt. Bre-<br />

men ist heute ein Top-Standort der globalen Logistik.<br />

Ich denke, es ist kein Zufall, wenn <strong>Deutsch</strong>land dem jüngsten Benchmark der<br />

Weltbank zufolge Logistikweltmeister ist. Auf den Plätzen zwei und drei folgen<br />

Singapur und die Niederlande.<br />

In einem zusammenwachsenden Europa hat sicherlich die verkehrsgeografische<br />

Zentrumslage <strong>Deutsch</strong>lands mit ihrer Drehscheibenfunktion die Logistik beflü-<br />

gelt. Ein großer Vorteil ist auch die gute Verkehrsinfrastruktur unseres Landes.<br />

Aber es sind natürlich in erster Linie die Leistungen der Logistikunternehmen,<br />

die in ihrer Summe die Qualität des Standortes <strong>Deutsch</strong>land prägen.<br />

Wer kompetente Logistik leisten will, der muss Netzwerke aufbauen. Das heißt:<br />

Er muss die geografische Reichweite und die Dienstleistungstiefe ausbauen.<br />

Wir haben unsere traditionellen Qualitäten – nämlich Umschlag und Lagerung<br />

von Seegütern in den Häfen von Bremen und Bremerhaven – genutzt und diese<br />

Basis stark weiter entwickelt. Dabei hat die BLG LOGISTICS GROUP eine<br />

treibende Rolle gespielt.<br />

Dazu an dieser Stelle nur ein aussagefähiger Vergleich. 1998 ging die BLG nach<br />

einer umfassenden Restrukturierung mit 3.000 Arbeitsplätzen in Bremen und<br />

Bremerhaven an den Neustart.<br />

8


Heute haben wir über 14.000 Arbeitsplätze in rund 90 Niederlassungen auf fünf<br />

Kontinenten – etwa die Hälfte davon in Bremen und Bremerhaven.<br />

Die Krise in den <strong>Seehäfen</strong><br />

Was hat sich durch die Krise bei uns verändert? Wir spüren die Krise hauptsäch-<br />

lich in unseren <strong>Seehäfen</strong>. Der Container- und Automobilumschlag ist deutlich<br />

zurückgegangen, ebenso der Umschlag konventioneller Güter. Das trifft uns be-<br />

sonders, weil der Seegüterumschlag unsere umsatzstärkste Kernkompetenz ist.<br />

Durch die Diversifizierung unseres logistischen Dienstleistungsportfolios und<br />

die Steigerung der internationalen Reichweite haben wir aber auch Geschäfts-<br />

felder die von der Krise nicht betroffen und teils sogar noch gewachsen sind.<br />

Das hilft uns jetzt. Wären wir allein der klassische Hafenbetreiber an den Stand-<br />

orten Bremen und Bremerhaven geblieben, dann würde uns die Krise existen-<br />

ziell bedrohen.<br />

Wir fahren gegenwärtig eine Doppelstrategie. Sie basiert einerseits auf einem<br />

strikten Kostenmanagement, das auch die Personalkosten mit einbezieht. Ande-<br />

rerseits haben wir eine Marktoffensive gestartet, um neue Geschäfte zu akquirie-<br />

ren. Und wir investieren weiterhin in zukunftsfähige Märkte. Dabei ist Osteuro-<br />

pa zurzeit ein Schwerpunkt.<br />

Mit dieser Doppelstrategie können wir alle unsere Stammarbeitsplätze sichern.<br />

Wir sind fest davon überzeugt, dass die Sicherung von Arbeitsplätzen auch ge-<br />

samtwirtschaftlich gesehen eine unternehmerische Verantwortung ist, um Krisen<br />

besser zu bewältigen.<br />

9


Jeder Mensch, der seine Arbeit verliert, belastet die sozialen Sicherungssysteme<br />

und verfügt über weniger Kaufkraft. Nachlassende Kaufkraft führt zu geringe-<br />

rem Bedarf, damit zu geringerer Produktion und schließlich zu noch höherer Ar-<br />

beitslosigkeit. Mit einer solchen Abwärtsspirale würden wir die Krise erheblich<br />

verstärken und deren Überwindung zeitlich deutlich verzögern.<br />

Der Containerverkehr in der Krise<br />

Doch zurück in die Zeit vor der Krise. Die Kosten für den Seetransport konnten<br />

durch den Einsatz immer größerer Containerschiffe stetig gesenkt werden. Nied-<br />

rige Kosten führten dazu, dass selbst der Transport geringwertiger Güter über<br />

lange Entfernungen wirtschaftlich sinnvoll wurde. Steigende Mengen förderten<br />

wiederum den Bau größerer und kostengünstigerer Schiffe.<br />

Ein Ende dieser Entwicklung schien bis zur Wirtschafts- und Finanzkrise ab<br />

Mitte 2008 nicht absehbar. Alle Prognosen sahen weiterhin Wachstum voraus.<br />

So geht das deutsche Bundesministerium für Verkehr in seiner Prognose der<br />

Verkehrsentwicklung bis 2025 von einer Vervierfachung des Containerum-<br />

schlags in den deutschen <strong>Seehäfen</strong> aus.<br />

Bedingt durch die Krise sind der Weltcontainerverkehr und damit auch die Um-<br />

schlagsvolumina in den <strong>Seehäfen</strong> im Jahr 2009 um rund 20 Prozent gesunken.<br />

Wesentliches Kennzeichen des Weltcontainerverkehrs war in den Jahren bis<br />

2008 eine starke Belastung des Gesamtsystems – also der Schiffe, der Terminals<br />

und der landseitigen Verkehrswege.<br />

10


Trotz permanenter Erweiterungsinvestitionen aller an der Transportkette Betei-<br />

ligten arbeitete das System an der Kapazitätsgrenze. Sowohl im Seeverkehr als<br />

auch in den Häfen und im Hinterlandverkehr gab es Engpässe.<br />

Diese Situation hat sich innerhalb weniger Monate dramatisch verändert. Men-<br />

genrückgänge im zweistelligen Prozentbereich bei gleichzeitiger Inbetriebnahme<br />

von neuen Schiffen und Terminalkapazitäten haben das Verhältnis von Angebot<br />

und Nachfrage umgekehrt.<br />

Aufgrund der Ablieferung weiterer zurzeit noch im Bau befindlicher Schiffe und<br />

einer nur langsam wieder steigenden Nachfrage wird sich diese Situation auch in<br />

den nächsten Jahren nicht grundlegend ändern.<br />

Bei den gegenwärtigen Wachstumsraten ist ein Gleichgewicht von Angebot und<br />

Nachfrage auf den Weltcontainermärkten nicht vor 2013 oder 2014 zu erwarten.<br />

2009 sind 286 Neubauten mit Kapazitäten über 8.000 TEU in Fahrt gekommen.<br />

Für 2010 stehen 211 Schiffe dieser Größenordnung zur Ablieferung an und 2012<br />

noch einmal 203 Carrier.<br />

Rund 200 ältere Containerschiffe wurden 2009 verschrottet und 550 Schiffe<br />

aufgelegt. Das entspricht etwa neun Prozent der weltweiten Flotte.<br />

Etliche Liniendienste sind eingestellt worden. Einige Reeder kooperieren nun<br />

mit ihren früheren Konkurrenten in gemeinsamen Diensten.<br />

Die meisten Containerschiffe fahren mit geringeren Geschwindigkeiten, um<br />

Treibstoffkosten zu sparen. Mit dem so genannten slow steaming lassen sich<br />

11


auch mehr Schiffe in Fahrt halten als das mit Normalgeschwindigkeiten der Fall<br />

ist. Und es ist billiger, als die Schiffe aufzulegen.<br />

Die normalen Reisegeschwindigkeiten der Großcontainerschiffe liegen je nach<br />

Reederei zwischen 21 und 25 Knoten. Mit dem slow steaming werden die Ge-<br />

schwindigkeiten auf 16 Knoten reduziert.<br />

Die Reederei Hapag-Lloyd hat ermittelt, dass sich damit 30 Prozent der Kosten<br />

für den Betrieb der Containerflotte einsparen lassen. Andere Reedereien erwä-<br />

gen, das slow steaming auch nach der Krise beizubehalten.<br />

Und es gibt sogar Überlegungen zu einem very slow steaming mit einer weiteren<br />

Reduzierung der Geschwindigkeit auf 12 Knoten.<br />

Wenn das slow steaming beibehalten wird oder große Reedereien sogar auf das<br />

very slow steaming umsteigen, dann hat das auch für die Häfen weit reichende<br />

Folgen. Dann kommen erheblich mehr Schiffe zum Einsatz.<br />

Der Trend zu großen Schiffen wird aufgrund der geringeren Transportkosten pro<br />

Container dann aber nicht beendet sein. Im Gegenteil, er wird sich weiter ver-<br />

stärken, denn sie sind auf den langen Strecken erheblich wirtschaftlicher zu<br />

betreiben als kleinere Schiffe.<br />

Große Containerschiffe direkt in die Ostsee?<br />

Niemand kann heute sagen, ob künftig mehr Großcontainerschiffe Häfen in der<br />

Ostsee direkt anlaufen werden oder ob das System - Transithäfen in der Nord-<br />

see, Feederschiffe, Nordostseekanal und Ostseehäfen - dann wieder die frühere<br />

Bedeutung haben wird.<br />

12


Zurzeit läuft die Maersk Line bereits einmal wöchentlich mit Großcontainer-<br />

schiffen Danzig direkt an und hat von dort zwei Feeder-Dienste nach Helsinki<br />

und St. Petersburg eingerichtet. Maersk ist Weltmarktführer in der Container-<br />

schifffahrt und das Beispiel könnte Schule machen – eventuell auch unabhängig<br />

von der Krise.<br />

Danzig und Gdingen investieren zurzeit 600 Millionen Euro in den Ausbau Con-<br />

tainerkapazitäten. Dabei ist eine Fahrwassertiefe von 18 Metern geplant. Das<br />

entspricht der Wassertiefe am JadeWeserPort in Wilhelmshaven. Dieses Tiefe<br />

bietet auch den größten Containerschiffen komfortable nautische Bedingungen.<br />

Daran wird deutlich, dass Danzig und Gdingen sich zu Container Hubs entwi-<br />

ckeln wollen. Und die beiden Häfen sehen das für die Zukunft ganz optimis-<br />

tisch.<br />

Ich bin da etwas skeptischer. Die Investitionen in die Infra- und Suprastruktur<br />

eines großen Containerhafens sind sehr hoch. Sie lassen sich nur mit entspre-<br />

chend großen Umschlagsmengen decken.<br />

So erwies sich zum Beispiel der Versuch, Amsterdam als Container-Hub auszu-<br />

bauen, als Fehlschlag. Und auch in Emden ist es nicht gelungen, Containerree-<br />

der von diesem Standort zu überzeugen.<br />

In den deutschen Nordseehäfen geht man mehrheitlich davon aus, dass sich das<br />

System mit den Feeder-Verbindungen in die Ostsee nach der Krise wieder deut-<br />

lich beleben wird.<br />

Bremerhaven und Hamburg: krisenbedingt weniger Feederverkehre<br />

13


Vor allem Hamburg und abgeschwächt auch Bremerhaven haben in der Krise<br />

Feeder-Volumina verloren. Die Großschiffe haben Transitcontainer lieber in den<br />

Westhäfen gelöscht.<br />

Von dort aus werden große Feederschiffe zu den Zielhäfen in der Ostsee einge-<br />

setzt, die nicht durch den Nordostseekanal fahren, sondern durch das Skagerrak.<br />

Das erspart die hohen Kosten für die Passage durch den Nordostseekanal.<br />

Der Umweg um die jüdländische Halbinsel ist von Rotterdam oder Antwerpen<br />

längst nicht so weit wie von Bremerhaven oder Hamburg.<br />

Die beiden großen deutschen <strong>Seehäfen</strong> waren vor der Krise gerade aufgrund ih-<br />

rer verkehrsgeografischen Lage am Nordostseekanal die großen Gewinner der<br />

aufstrebenden ökonomischen Entwicklung in den Ostseeanrainerstaaten.<br />

Die Bundesregierung hat auf die neue Situation reagiert. Die Passagegebühren<br />

für den Nordostseekanal wurden gesenkt und auch die Lotsengebühren redu-<br />

ziert. Wir können augenblicklich aber noch nicht absehen, welche Wirkung die-<br />

se Maßnahmen entfalten werden.<br />

Alternative Routen nach Fernost?<br />

Im Zuge des Klimawandels könnte es in einigen Jahren möglich sein, Container-<br />

schiffe von Asien durch das nördliche Eismeer nach Europa fahren zu lassen.<br />

Das würde die Reisezeit der Schiffe um etwa eine Woche verkürzen.<br />

14


Die Bremer Reederei Beluga Shipping hat 2009 bereits mit mehreren Schiffen<br />

gezeigt, das dies zumindest im Sommer schon heute möglich ist – wenn auch<br />

sehr eingeschränkt.<br />

Wenn diese Route irgendwann verstärkt genutzt werden könnte, dann würden<br />

sich die Karten für die <strong>Seehäfen</strong> in Nordeuropa ganz neu mischen. Aber das wä-<br />

ren allenfalls sehr langfristige Perspektiven. Und ich meine, wir sollten sie vor<br />

dem Hintergrund der Erderwärmung auch nicht unbedingt herbeiwünschen.<br />

Als Alternative zum Seetransport wird inzwischen über die Transsibirische Ei-<br />

senbahn eine Direktverbindung zwischen Asien und Westeuropa angeboten. Sie<br />

ist etwas schneller als der Seeweg.<br />

Hinsichtlich der Kapazität wird das aber eine Nischenalternative bleiben. Für die<br />

großen Güterströme zwischen Asien und Europa jedenfalls wird das kaum gra-<br />

vierende Auswirkungen haben.<br />

Große Autoschiffe direkt in die Ostsee?<br />

Nicht absehbar ist gegenwärtig, ob und wann auch große Autoschiffe Ostseehä-<br />

fen direkt bedienen werden. Das hängt von der allgemeinen ökonomischen Ent-<br />

wicklung ab.<br />

Wenn die Nachfrage nach Fahrzeugen in Osteuropa so groß wird, dass Direktan-<br />

läufe einzelner Häfen rentabel werden und es gelingt, von diesen Häfen zuver-<br />

lässige Distributionsnetze aufzubauen, dann könnte das schon mittelfristig dur-<br />

chaus der Fall sein.<br />

15


Wir sind jedenfalls darauf vorbereitet. Wir betreiben bereits zusammen mit ei-<br />

nem russischen Partner ein Autoterminal in St. Petersburg. Zurzeit wird dieses<br />

Terminal aber vor allem über Bremerhaven von kleineren Autoschiffen angelau-<br />

fen.<br />

Außerdem haben große Automobilhersteller in Osteuropa neue Produktionska-<br />

pazitäten aufgebaut beziehungsweise sind dabei sie aufzubauen, um die dortigen<br />

Märkte direkt zu beliefern. Davon profitieren die <strong>Seehäfen</strong> natürlich nicht, son-<br />

dern vor allem die Eisenbahn und der Straßentransport.<br />

Deshalb investieren wir gerade in den Ausbau unserer Automobillogistik in Ost-<br />

europa. Wenn die Märkte dort wieder anspringen, sind wir dort bereits mit unse-<br />

ren Dienstleistungen präsent.<br />

Einige der neuen Produktionsanlagen exportieren ihre Fahrzeuge auch nach<br />

Westeuropa – zum Beispiel Hyundai mit dem Werk in der Slowakei und KIA in<br />

Tschechien. Dort sind wir bereits als Logistikdienstleister tätig.<br />

Globalisierung setzt sich fort<br />

Was wir heute bei allen Unwägbarkeiten wissen: Die Krise hat keine Trendwen-<br />

de im Globalisierungsprozess eingeläutet! Produktionsverlagerungen in Billig-<br />

lohnländer werden nicht rückgängig gemacht. Ebenso wenig die weltweite Ar-<br />

beitsteilung.<br />

Die Transportkosten bleiben relativ niedrig. So liegen beispielsweise die See-<br />

transportkosten einer Flasche Wein aus Südafrika bei unter 10 Cent. Selbst eine<br />

Verdoppelung dieser Kosten würde die Marktfähigkeit des Produktes nicht be-<br />

einträchtigen.<br />

16


Der durch den Globalisierungsprozess auch in vielen Schwellenländern ausge-<br />

löste Aufschwung führt zu einer steigenden Bedeutung dieser Länder auch als<br />

Kunden auf den Weltmärkten.<br />

Das tiefe Wellental der Krise haben die wichtigsten Containerhäfen der Welt<br />

bereits durchlaufen. Das ist seit September 2009 erkennbar. Es kann allerdings<br />

mehrere Jahre dauern, bis die Volumina von 2008 wieder erreicht werden kön-<br />

nen.<br />

In den ersten vier Monaten dieses Jahres hatten wir in Bremerhaven und Ham-<br />

burg zweistellige Wachstumsraten auf den Containerterminals. Wir wissen aber<br />

nicht, ob das so weitergeht, oder ein vorübergehender Sondereffekt ist. Die Ein-<br />

schätzungen der Reeder zum weiteren Jahresverlauf sind sehr unterschiedlich.<br />

Die Logistik im Klimawandel<br />

Parallel zu der großen ökonomischen Krise hat allerdings auch das Thema Erd-<br />

erwärmung und Klimawandel die Medien beherrscht. Die Weltklimakonferen-<br />

zen haben das öffentliche Bewusstsein für diese Thematik erheblich geschärft.<br />

Allen ist klar: Es muss etwas geschehen. Wir müssen handeln.<br />

In meiner Branche werden entsprechende Konzepte als green logistics bezeich-<br />

net. Es zeichnet sich ab, dass sich die green logistics zu einem Dauer-Trend ent-<br />

wickeln wird.<br />

Es gibt heute bereits erste konkrete Kundenanfragen, die dezidiert green lo-<br />

gistics von ihren Dienstleistern erwarten. Damit wird green logistics zu einem<br />

neuen Wettbewerbsaspekt.<br />

17


Allerdings ist die Bereitschaft, green logistics auch mit höheren Preisen zu ho-<br />

norieren, bislang nicht zu erkennen.<br />

Es bleibt also die Frage, welche Bedeutung Umweltaspekte in freien Märkten<br />

gewinnen können. Angebracht ist hier eine nüchterne Bestandsaufnahme.<br />

Klar ist: Der Globalisierungsprozess ist unumkehrbar und wird sich weiter fort-<br />

setzten. Dies schließt im Einzelfall Rückverlagerungen von Produktion und<br />

auch Präferenzen von Konsumenten für lokal hergestellte Produkte natürlich<br />

nicht aus.<br />

Die Transportkosten werden auch im Seeverkehr durch steigende Energiekosten,<br />

Auflagen der nationalen Gesetzgeber in der Tendenz überproportional steigen.<br />

Gemessen am Wert der transportierten Güter werden die Transportkosten jedoch<br />

weiterhin vergleichsweise gering bleiben – Beeinträchtigungen des Welthandels<br />

sind daher nicht zu erwarten.<br />

Die derzeit bestehenden Überkapazitäten im Containerverkehr - sowohl bei den<br />

Schiffen als auch bei den Terminals - bleiben voraussichtlich noch einige Jahre<br />

bestehen. Für die Logistikdienstleister bedeutet dies, dass der Kostensenkungs-<br />

druck weiterhin hoch bleiben wird.<br />

Die Probleme des Klimawandels erhalten in Politik und Gesellschaft einen deut-<br />

lich höheren Stellenwert als in der Vergangenheit.<br />

Natürlich haben Logistikdienstleister zunächst die gleichen Möglichkeiten zum<br />

Einsatz moderner Umwelttechnologien wie jedes andere Unternehmen auch.<br />

Berücksichtigung neuester Erkenntnisse beim Bau von Lager- und Verwal-<br />

18


tungsgebäuden, Optimierung des Heizungseinsatzes, des Wasserbrauchs und<br />

dergleichen mehr finden sich bereits in vielen Unternehmen.<br />

Das ist auch nicht verwunderlich, weil hier die ökologischen Interessen gleich-<br />

zeitig ökonomische Interessen sind. Es geht um Investitionen, mit denen dauer-<br />

haft die Kosten gesenkt werden.<br />

Darüber hinaus besteht aber eine Vielzahl von Möglichkeiten einer effizienteren<br />

Gestaltung von Transportketten. Standardlösungen gibt es hier jedoch wenige.<br />

Vielmehr sind kundenindividuelle Ansätze gefordert.<br />

Dafür gibt es auch bei der BLG gute Beispiele für Klimas schonende Wert-<br />

schöpfungsketten im maritimen Bereich.<br />

Ein Beispiel aus der Praxis ist die Logistik für die Mercedes-Produktion in Süd-<br />

afrika. Wir versorgen zentral über Bremen das Mercedes-Benz-Werk in East<br />

London mit Produktionsteilen aus Europa.<br />

Insgesamt geht es dabei um 10.000 verschiedene Teile von 450 verschiedenen<br />

Zulieferern. Alle Teile müssen zeitgerecht an das Band in Südafrika geliefert<br />

werden. Die Konsolidierung erfolgt im Logistikzentrum Bremen.<br />

Zur Optimierung dieser Transportkette sind in den letzten Jahren verschiedene<br />

Maßnahmen durchgeführt worden, die zu einer geringeren Umweltbelastung<br />

geführt haben.<br />

Zum Beispiel die Konsolidierung in einem europäischen Seehafen: Der Seeha-<br />

fen als natürliche Schnittstelle in der Transportkette ermöglicht eine starke Bün-<br />

delung der Verkehrsströme und erlaubt eine effiziente Gestaltung der Verkehre.<br />

19


Durch die Koordinierung der Vorlauftransporte zum Konsolidierungszentrum<br />

werden Wartezeiten vermieden. Durch die Entladung direkt an der Einlage-<br />

rungsstelle werden die Fahrten mit Flurförderzeugen auf dem Gelände mini-<br />

miert.<br />

Eine ständige Verbesserung der Qualitätskontrollen hat dazu geführt, dass Eillie-<br />

ferungen von fehlenden Teilen per Luftfracht heute absolute Ausnahmen sind.<br />

Weiterentwicklungen bei den Verpackungseinheiten haben eine Optimierung<br />

der Stauung im Container bewirkt. Dies hat zu einer Reduzierung der Transporte<br />

geführt.<br />

Zugleich haben wir mit dem Kunden gemeinsam Mehrwegverpackungen entwi-<br />

ckelt und den logistisch optimalen Umlauf dieser Verpackungen gestaltet.<br />

Mehrwegverpackungen vermindern einerseits natürlich den Verbrauch von Ver-<br />

packungsmaterial. Andererseits müssen sie aber immer wieder von Südafrika<br />

nach Bremen zurück transportiert werden. Und es wäre widersinnig, wenn der<br />

ökologische Vorteil durch zusätzliche Transporte konterkariert würde.<br />

Die Lösung war, dass wir die Mehrwegverpackungen auch für Exporte von Au-<br />

tomobilzulieferern in Afrika einsetzen, soweit diese für Hersteller in Europa be-<br />

stimmt sind. Damit sind Ökologie und Ökonomie unter einen Hut gebracht.<br />

Wasser und Schiene auf dem Vormarsch<br />

20


Der Transport vom Konsolidierungszentrum in Bremen zum Containerterminal<br />

Bremerhaven kann per Binnenschiff erfolgen. Bei der Vielzahl der Container<br />

wäre das sehr sinnvoll.<br />

Das Binnenschiff kann seine ökonomische Stärke aber auf der kurzen Strecke<br />

zwischen Bremen und Bremerhaven nicht entfalten. Deshalb ist der Lkw-<br />

Transport immer noch billiger und der Kunde ist nicht bereit, die in diesem Fall<br />

etwas höheren Kosten für den Binnenschiffstransport zu bezahlen.<br />

Diese Beispiele zeigen die beiden Facetten der green logistics. Wenn es gelingt,<br />

ökologische Effekte auch ökonomisch attraktiv zu machen, dann ist die Bereit-<br />

schaft zu Veränderungen sehr groß. Wenn green logistics aber nicht billiger oder<br />

höchstens preisgleich ist, dann ist die Bereitschaft äußerst gering.<br />

Ein ökologisch sinnvoller Ansatz in den Häfen wäre eine Verpflichtung für die<br />

Schiffe, während der Liegezeiten in den Häfen die für den Betrieb erforderliche<br />

elektrische Energie nicht mehr mit bordeigenen Generatoren zu erzeugen, son-<br />

dern den Strom aus dem Netz zu beziehen.<br />

Eine Analyse in Hamburg hat ergeben, dass die dem Verkehr zuzurechnenden<br />

Emissionen größtenteils von den im Hafen liegenden Schiffen verursacht wer-<br />

den. Bei einer Verpflichtung zum Landstrom Fall müssten die Häfen in die dafür<br />

erforderliche Energie-Infrastruktur investieren und die Schiffe würden mit höhe-<br />

ren Hafenkosten belastet.<br />

Deshalb ist leider kaum die Bereitschaft vorhanden, die bestehenden Verhältnis-<br />

se zu verändern.<br />

21


Gute Möglichkeiten ergeben sich dagegen durch eine konsequente Verlagerung<br />

von Hinterlandverkehren von der Straße auf Schiene und Wasserstraße. Diese<br />

Verlagerungen können allerdings auch nur über marktwirtschaftliche Instrumen-<br />

te erfolgen.<br />

Das heißt: Es müssen attraktive Angebote an den Markt gebracht werden, die<br />

eine Verlagerung auch wirtschaftlich sinnvoll werden lassen. Das Beispiel Auto-<br />

transporte per Binnenschiff auf Rhein und Donau habe ich bereits genannt.<br />

Zudem ist es in den deutschen <strong>Seehäfen</strong> in den letzten Jahren gelungen, Contai-<br />

nerverkehre auch auf den kurzen Strecken zwischen den Häfen Hamburg, Bre-<br />

men und Bremerhaven auf die Schiene zu verlagern.<br />

Während noch vor 10 Jahren diese Umfuhren fast vollständig auf der Straße er-<br />

folgten, hat die Schiene heute einen Anteil von rund 40 Prozent.<br />

Ähnliche Verlagerungserfolge gibt es auch im Automobiltransport. Durch die<br />

Beschaffung von rund 1.300 Automobilwaggons können wir den Kunden attrak-<br />

tive Angebote für die Verlagerung von der Straße auf die Schiene machen.<br />

2009 haben wir mit der BLG AutoRail rund 100.000 Fahrzeuge transportiert. In<br />

diesem Jahr wird sich die Zahl voraussichtlich auf 200.000 verdoppeln.<br />

In Europa werden dank flexiblerer und immer besserer Angebote gegenwärtig<br />

bereits rund 40 Prozent aller Neufahrzeuge auf der Schiene transportiert. Das ist<br />

ein gutes Beispiel für die mögliche Symbiose von Ökonomie und Ökologie.<br />

Offshore-Windenergie boomt<br />

22


Ein weiterer interessanter Aspekt mit viel weiter reichender Wirkung ist die<br />

Offshore-Windenergie. In den nächsten 10 bis 15 Jahren werden Tausende von<br />

neuen Anlagen in Nord- und Ostsee entstehen. Auch in Finnland gibt es entspre-<br />

chende Pläne.<br />

Ein bislang ungelöstes Problem aber ist, dass die Energie aus Offshore-Anlagen<br />

heute noch doppelt so teuer ist wie die Energie aus Onshore-Anlagen. Um das<br />

zu ändern, muss die Branche von ihren heutigen Manufakturstrukturen zur in-<br />

dustriellen Serienfertigung kommen.<br />

Schlanke, kostengünstige Prozesse von den Zulieferern über die Fertigung und<br />

den Transport bis hin zur Montage auf See sind nur mit intelligenter Logistik<br />

darzustellen. Durchgängig gestaltete Logistikprozesse können einen starken Bei-<br />

trag zur Senkung der Gesamtkosten leisten.<br />

Daran haben wir intensiv gearbeitet. So sind wir der erste Logistiker, der diese<br />

Leistungen in der erforderlichen Komplexität anbieten kann. Dies ist ein heraus-<br />

ragendes Beispiel dafür, wie sich Ökonomie und Ökologie miteinander verbin-<br />

den lassen.<br />

Finnland als Katalysator in Europa?<br />

Auch wenn ich keine Begabung zur Hellseherei habe, möchte ich mich jetzt<br />

noch kurz von meinem eigentlichen Thema lösen und abschließend einen Blick<br />

in die Zukunft wagen. Und das obwohl mir Hellseherei und auch Visionen nicht<br />

ganz geheuer sind.<br />

23


Da stimme ich mit unserem früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt überein.<br />

Der wurde einmal von einem Journalisten nach seinen politischen Visionen ge-<br />

fragt. Seine Antwort: „Wenn ich Visionen hätte, würde ich zum Arzt gehen.“<br />

Aber von einer guten Zukunft zu träumen, das dürfen wir uns wohl zugestehen.<br />

Damit kann niemand Schaden anrichten und vielleicht kann das sogar nützen.<br />

Wenn wir einmal über den tagespolitischen Tellerrand mit seinen ständigen na-<br />

tionalen und internationalen Querelen hinwegsehen und gleichzeitig aus der Kri-<br />

se lernen wollen, dann sollten wir uns weltweit wesentlich mehr aufeinander zu<br />

bewegen.<br />

Warum zum Beispiel betrachten sich Russland und die USA immer noch skep-<br />

tisch als Gegenspieler? Sind das nicht überkommene Relikte aus der Zeit des<br />

kalten Krieges?<br />

Die <strong>Europäische</strong> Union liegt geografisch dazwischen, aber die meisten Staaten<br />

meinen, sie müssten sich politisch tendenziell zwischen Ost und West entschei-<br />

den. Wäre die Rolle als Bindeglied und Vermittler hier nicht hilfreicher?<br />

Dabei könnte Finnland ein guter Katalysator sein. Einerseits Mitglied der Euro-<br />

päischen Union und andererseits seit Jahrzehnten auskömmliche, nachbarschaft-<br />

liche Beziehungen zu Russland – das ist doch eine gute Ausgangsbasis.<br />

Nachbarn sind eigentlich auch Russland und die USA – lediglich getrennt durch<br />

die schmale Beringstraße. Aber der skeptische Blick der Amerikaner geht eher<br />

den weiten Weg Richtung Osten über den Atlantik nach Russland anstatt einfach<br />

über den Gartenzaun nach Westen zu schauen.<br />

24


Aber solange das so ist, könnte Europa als Mittler agieren und helfen, die ge-<br />

genseitige Skepsis zu überwinden. Die meisten Russen leben westlich des Urals<br />

und ein Drittel der Gesamtbevölkerung ist im Großraum Moskau konzentriert.<br />

Ich sehe Russland als europäisches Land, und die <strong>Europäische</strong> Union ist gut be-<br />

raten, Russland enger an sich zu binden – natürlich ohne dabei die USA zu brüs-<br />

kieren.<br />

Eine Annäherung könnte über das Kaliningrader Gebiet erfolgen. Es ist geogra-<br />

fisch isoliert vom Mutterland. Da müssten sich Sonderregelungen für den Um-<br />

gang mit den Staaten der EU finden lassen.<br />

Und wer könnte das besser initiieren als der gute Nachbar Finnland und viel-<br />

leicht auch <strong>Deutsch</strong>land als der wichtigste Handelspartner Russlands in der EU?<br />

Wenn wir von Annäherung sprechen, dann dürfen wir nicht nur auf politische<br />

Impulse setzen. Diese Impulse sollten gerade auch aus der Wirtschaft kommen.<br />

Ich erinnere an das, was ich eben schon einmal über den Handel gesagt habe. Er<br />

liegt im beiderseitigen Interesse. Und das ist immer eine gute Basis. Damit sehe<br />

ich das als Aufgabe für uns alle.<br />

Was für die Krise gilt, das gilt eigentlich immer und überall. Die Frage: „Was<br />

wird nur geschehen?“ ist eine falsche Frage. Die bessere Frage ist: „Was kann<br />

ich tun?“<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!<br />

25

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!