Leben auf einer Koralleninsel - Deutsch Pazifischen Gesellschaft

Situation explodierte im Jahre 1953 mit dem weltweit einzigen Mord an einem Resident
Commissioner, den es jemals in der Geschichte des britischen Commonwealth gegeben hat. In
der Folge bemühte sich die neuseeländische Verwaltung um eine sorgfältigere Auswahl ihrer
Vertreter und sorgte unter anderem dafür, dass sie zumindest in Grundzügen die niueanische
Sprache erlernten und sensibler mit niueanischen Gepflogenheiten umgingen.
1974 wurde Niue in die Unabhängigkeit entlassen, wählte aber den Status der freien
Assoziation mit Neuseeland. Dies garantiert jedem Niuer von Geburt an die Option auf die
neuseeländische Staatsbürgerschaft sowie der Insel eine regelmäßige Subventionierung, ohne
die das kleine Land wirtschaftlich nicht überlebensfähig wäre. Der Inselstaat ist autonom in
seiner Innenpolitik, während Verteidigung und Teile der Außenpolitik von Neuseeland
wahrgenommen werden. Niue ist von der Bevölkerungszahl her mit etwa 1.300 Bewohnern
die kleinste Demokratie der Welt. Von den zwanzig Abgeordneten des Parlaments werden
sechs direkt gewählt; die übrigen sind von jedem der vierzehn Dörfer als Vertreter entsandt.
Abb. 3: Parlamentssitzung
Wiederholte Versuche zur Erlangung einer gewissen wirtschaftlichen Autonomie haben sich
in der Vergangenheit immer wieder zerschlagen. Verschiedene Anläufe zum Anbau von Cash
Crops für den Export, etwa Zitrusfrüchte und Vanille, scheiterten an den langen und teuren
Transportwegen sowie den Preisschwankungen für diese Produkte auf dem Weltmarkt.
Zudem zerstörten die im Durchschnitt alle zehn Jahre auftretenden verheerenden
Wirbelstürme viele dieser Bemühungen. Da die Stellen in der Verwaltung, im Schul- und
Universitätswesen sowie im zaghaft aufkeimenden Tourismus dünn gesät sind und es nur eine
kleine Gruppe von Laden- und Imbissbesitzern gibt, sind die meisten Niuer zum
regelmäßigen Lebensunterhalt auf ihre Pflanzungen, den Fischfang und das Sammeln von
Meeresfrüchten auf dem Riff angewiesen.
Aufgrund der schwierigen Umweltbedingungen und der prekären wirtschaftlichen Situation
der Insel ist es nicht verwunderlich, dass sich bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert eine
Tendenz zur Arbeitsmigration beobachten lässt. Viele niueanische Männer verdingten sich zu
dieser Zeit auf Walfangschiffen, in den Plantagen Tahitis, Tongas oder Samoas sowie auf den
Phosphatinseln Mikronesiens. Ein Mitarbeiter der Hamburger Firma Godeffroy pries etwa in
den 1870ern die Niuer als „die besten Arbeiter im Pazifik“, und ein Kolonialbeamter
beschrieb das Eiland wegen der Abwesenheit vieler Männer als „Insel der Frauen“.