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Dezember 2006 - Der Fels

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Christophorus-Kirche in Essen-Kray<br />

Altenwohnungen einrichten mit<br />

einer Kapelle im dann ehemaligen<br />

Chorraum. Die Heilig-Geist-Kapelle<br />

in Kampen am Niederrhein ist<br />

jetzt schon eine Buchhandlung für<br />

religiöse Literatur, die Münsteraner<br />

Bonifatiuskirche beherbergt jetzt<br />

die Redaktion der Kirchenzeitung,<br />

wobei mancher hofft, dass auch der<br />

apostolische Geist des Patrons auf<br />

die Redakteure übergehe. Die vor<br />

knapp drei Jahren profanierte Kirche<br />

St. Knud im schleswig-holsteinischen<br />

Friedrichstadt gehört ebenfalls<br />

zu jenen Projekten, die als „kirchennah“<br />

gelten und entsprechend umgewidmet<br />

werden. St. Knud soll in ihrem<br />

Inneren dank des künstlerischen<br />

Einflusses von Otmar Alt zu einer<br />

„Kulturkirche“ umgestaltet werden.<br />

<strong>Der</strong> Künstler will durch seine Gestaltung<br />

dafür sorgen, dass der neue<br />

Raum einen inspirierenden Rahmen<br />

für vielfältige künstlerische Aktivitäten,<br />

Workshops und gar Konzertaufführungen<br />

bietet und gleichzeitig für<br />

pastorale Erfordernisse und religiöse<br />

Meditationen weiter genutzt werden<br />

kann. „Doppelnutzung“ heißt das<br />

Zauberwort, mit dem das Kuratorium<br />

in Friedrichstatt ans Werk geht<br />

und in dem Künstler auch einen geeigneten<br />

Partner gefunden hat. Damit<br />

möchte man das Gebäude weiterhin<br />

für Wort-Gottesdienste und pastorale<br />

Aufgaben nutzen und gleichzeitig<br />

mit einem welt-offenen Angebot<br />

den Brückenschlag in die Gemeinde<br />

versuchen.<br />

Schon 2003 machte die Deutsche<br />

Bischofskonferenz Vorgaben,<br />

welcher neuen Nutzung die leeren<br />

Kirchengebäude zugeführt werden<br />

sollten oder könnten. Ein Bistumssprecher<br />

brachte es auf die Drei-S-<br />

Formel: „Kein Sonnenstudio, kein<br />

Sexshop, kein Supermarkt“. Natürlich<br />

stehen auch Diskotheken auf<br />

der Nein-Liste und tabu ist auch die<br />

Umwidmung in eine Moschee. Das<br />

Kirchenrecht schreibt vor, dass ein<br />

Gotteshaus zwar einem profanen,<br />

nicht aber einem „unwürdigen“<br />

Zweck und Gebrauch zugeführt werden<br />

dürfe. Dennoch bleibt es nicht<br />

aus, dass auch mal hier und da die<br />

Grünes Licht für den Islam? Die Yavuz-Sultan-Selim-Moschee gegenüber der<br />

Liebfrauenkirche in Mannheim.<br />

Kriterien weiter ausgelegt werden.<br />

So wurde ein Kloster nahe bei Köln<br />

verkauft, und die frühere Kirche<br />

dient nun als „Wellness-Tempel“.<br />

Bei den protestantischen Kirchen<br />

gibt es kaum Beschränkungen, seit<br />

die EKD sich nicht auf einen Kriterienkatalog<br />

festlegen konnte. Deshalb<br />

finden sich auch Angebote beim<br />

Internet-Aktionshaus Ebay (die Martini-Kirche<br />

in Moringen, angeboten<br />

für 480.000 Euro), wurde die Lutherkirche<br />

in Spandau zu Wohnungen<br />

umgebaut, finden in der St.Johannis<br />

Evangelist-Kirche in Berlin Modeschauen<br />

statt, wurde das Gotteshaus<br />

in Milow (Brandenburg) zu einer<br />

Sparkassenfiliale, das in Willingen<br />

zu einem „Speiselokal mit Tanz“,<br />

die Eliaskirche auf dem Prenzlauer<br />

Berg zu einem Kindermuseum und<br />

St.Martini in Bielefeld zu einem<br />

Restaurant mit dem sinnigen Namen<br />

„Glückundseligkeit“. Schlimmer ist<br />

es noch im Ausland: In den Niederlanden<br />

werden jedes Jahr ein halbes<br />

Hundert Kirchen einer weltlichen<br />

Nutzung übergeben, rund sechzig<br />

Prozent aller Sakralbauten dienen<br />

dort bereits einem profanen Zweck,<br />

der durchaus auch eine Diskothek<br />

sein kann mit dem Diskjockey auf<br />

der Kanzel.<br />

Das sind Auflösungserscheinungen.<br />

Richtig bedrohlich wird es,<br />

wenn eine Alternative auf den Plan<br />

tritt. Und die gibt es. In Frankreich<br />

wurden in den letzten dreißig Jahren<br />

zweitausend neue Moscheen gebaut,<br />

soviel wie christliche Kirchen im<br />

ganzen 20. Jahrhundert. Allerdings<br />

sind seit 1976 auch rund tausend<br />

neue evangelische Kirchen entstanden.<br />

Das macht gegenüber den etwa<br />

45.000 katholischen Kirchen immer<br />

noch eine kleine Minderheit aus,<br />

aber das ist keine „quantité negligeable“,<br />

denn der Trend ist in seiner<br />

Gegenläufigkeit (starker Anstieg<br />

der Nichtkatholiken, starker Abfall<br />

der Katholiken) keineswegs zu vernachlässigen.<br />

Dieser Trend ist auch<br />

in Deutschland zu beobachten. Auch<br />

hier sind in den letzten Jahrzehnten,<br />

vor allem seit acht, neun Jahren,<br />

Hunderte von Moscheen gegründet,<br />

eingerichtet und neu gebaut worden,<br />

insgesamt zählt man 2600 Gebetsund<br />

Versammlungsräume in Garagen,<br />

Hinterhöfen, Fabrikhallen. Und<br />

bei den Neubauten handelt es sich<br />

nicht um kleine Gebäude. Die bisher<br />

358 DER FELS 12/<strong>2006</strong>

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