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Dezember 2006 - Der Fels

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Jürgen Liminski:<br />

Mehr als eine gute Zukunft<br />

Anmerkungen zu Umwidmung, Schließung und Stillegung von Gotteshäusern /<br />

Daten, Beispiele, gegenläufige Trends<br />

Zu Weihnachten werden die<br />

Kirchen wieder voll sein.<br />

Dann wird man sich erneut an<br />

die zwölf Millionen Gläubigen und<br />

mehr erinnern, die in den fünfziger<br />

Jahren jeden Sonntag in die Messe<br />

gingen und deren Zahl mittlerweile<br />

auf vier Millionen geschmolzen ist,<br />

nur an Weihnachten und auch zu Ostern<br />

nicht. Und manche Pfarrer und<br />

Pastöre werden Hoffnung schöpfen,<br />

dass „ihre“ Kirche doch ein Gotteshaus<br />

bleiben kann. Denn bundesweit<br />

sind 700 katholische Kirchen akut<br />

von Schließung oder Umwidmung<br />

bedroht, und bei den Protestanten<br />

sieht es nicht besser aus, im Gegenteil,<br />

sie werden in den nächsten Jahren<br />

3500 Gotteshäuser profanieren.<br />

Das hat mehrere Gründe. <strong>Der</strong> demographische<br />

Absturz in Deutschland<br />

ist einer. Zwar stellen die beiden großen<br />

Kirchen mit je gut 26 Millionen<br />

Mitgliedern (siehe Grafik Gläubige<br />

in Deutschland) immer noch zwei<br />

Drittel der deutschen Bevölkerung.<br />

Aber die evangelische Kirche verlor<br />

seit 1973 mehr als fünf Millionen<br />

Mitglieder, und bei der katholischen<br />

Kirche sank in den letzten vierzig<br />

Jahren der Anteil an der Gesamtbevölkerung<br />

von 43,8 auf 31,5 Prozent.<br />

Damit verbunden ist der Absturz der<br />

Einnahmen aus Kirchensteuern (siehe<br />

Grafik). Natürlich spielen dabei nicht<br />

nur der demographische Niedergang,<br />

sondern auch die Kirchenaustritte<br />

eine Rolle oder die mittelfristig gesehen<br />

stagnierende bis abfallende<br />

wirtschaftliche Entwicklung, die<br />

unmittelbar die Einnahmen aus den<br />

Kirchensteuern schmälert. Auch der<br />

riesige Immobilienbesitz – neben der<br />

Bahn sind die Kirchen die größten<br />

Immobilienbesitzer im Land – drückt<br />

mit seinen Renovierungs- und Sanierungslasten<br />

schwer auf die Haushalte.<br />

All das sind funktionale Gründe nach<br />

dem Motto: Weniger Gläubige und<br />

schwache Konjunktur bedeutet weniger<br />

Einnahmen. Die wirkliche Frage<br />

aber lautet: warum gibt es weniger<br />

Gläubige oder zumindest weniger<br />

Kirchgänger, wenn doch die Zahl<br />

der Mitglieder für jede Kirche immer<br />

noch bei 26 Millionen liegt?<br />

Dieser Frage stellen sich nicht alle<br />

Verantwortlichen. Sie haben auch<br />

mit der gegenwärtigen Situation zu<br />

kämpfen und den Schrumpfungsprozess<br />

zu managen. <strong>Der</strong> ist ganz unterschiedlich.<br />

Die Erzdiözese Köln, mit<br />

2,2 Millionen Katholiken die größte<br />

Diözese Deutschlands, hat im vergangenen<br />

Jahr nur vier Kirchen entweihen<br />

müssen, in diesem Jahre waren<br />

es gerade mal zwei. Die Diözese<br />

Essen dagegen muss 96 ihrer rund<br />

350 Kirchen schließen. Im SPD-dominierten<br />

Ruhrbistum hat sich die<br />

Zahl der Gläubigen in den letzten<br />

Jahrzehnten glatt halbiert. In Bayern<br />

hält sich die Zahl der bedrohten Kirchen<br />

in Grenzen, der protestantische<br />

Norden Deutschlands steht vor einem<br />

historischen Auflösungsprozess. Fast<br />

die Hälfte der rund 20.000 evangelischen<br />

Kirchen und Kapellen auf dem<br />

Gebiet der Bundesrepublik wird bis<br />

zum Ende des Jahrzehnts nicht mehr<br />

für Gottesdienste benötigt.<br />

Wohin mit den sakralen Bauten?<br />

Die Palette der Ideen reicht von der<br />

„Kulturkirche“ bis hin zum Ärztehaus,<br />

von der Musikschule bis zum<br />

Büro für Architekten. Die Katholische<br />

Pflegehilfe Essen will in der St.<br />

Vom Dienst an Gott zum Bedienen der Gäste: Restaurant-Raum in der ehemals evangelischen Martini-Kirche in Bielefeld.<br />

DER FELS 12/<strong>2006</strong> 357

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