PDF zum Download - Denkmalpflege Baden-Württemberg

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8. IAHRGANG 2)KT. - DEZ. 1999 E 6594 F DENKMALPFLEGE IN BADEN-WÜRTTEMBERG NACHRICHTENBLATT DES LANDESDENKMALAMTES ■ 4/1999 1 8. LANDESDENKMALTAG BADEN-WÜRTTEMBERG 1999

8. IAHRGANG<br />

2)KT. - DEZ. 1999<br />

E 6594 F<br />

DENKMALPFLEGE<br />

IN BADEN-WÜRTTEMBERG<br />

NACHRICHTENBLATT DES LANDESDENKMALAMTES ■ 4/1999<br />

1<br />

8. LANDESDENKMALTAG BADEN-WÜRTTEMBERG 1999


Inhalt<br />

Sabine Leutheußer-Holz Editorial 189<br />

Walter Döring<br />

Dieter Planck<br />

Wolfgang Stopfel<br />

Günther Nufer<br />

Thomas Knödler<br />

Ulrich F'feifle<br />

Hans-Peter Bartsch!<br />

Ulrike Matthe«<br />

Helmut F. Reichwald<br />

Hansjörg Dufner<br />

Thomas Schott<br />

Arno Weinmann<br />

Wolfgang Wolters<br />

Horst Mehrländer<br />

8. Landesdenkmaltag <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

<strong>Denkmalpflege</strong> als Wirtschaftsfaktor 190<br />

Eröffnungsansprache 191<br />

Zum Tagungsthema 197<br />

Zum Tagungsort 205<br />

Altstädte - Denkmalgeschützte Freilichtmuseen oder<br />

moderne Dienstleistungszentren? 208<br />

Staatliche Kulturbauten - ein Standorlfaklor<br />

für <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> 213<br />

Die Deutsche Limes-Straße - eine touristische Chance<br />

für die <strong>Denkmalpflege</strong> 220<br />

Bahn- und Industriekultur<br />

Ausflugstourismus als Geschäft und Mittel zur Erhaltung<br />

von Bahn- und Industriedenkmälern der Nordostschweiz 224<br />

Denkmalschutz - Herausforderung für eine zukunftsorientierte<br />

Stadtentwicklungspolitik 227<br />

Umsetzung denkmalverträglicher Konzepte unter<br />

Beteiligung qualifizierter Handwerker und Restauratoren 230<br />

Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme - mehr als reine<br />

Beschäftigungstherapie im Bereich der <strong>Denkmalpflege</strong> 235<br />

Photovoltaik als Element alter und neuer Architektur 239<br />

Innovation und <strong>Denkmalpflege</strong> - kein Widerspruch 241<br />

Braucht unsere Gesellschaft eine andere <strong>Denkmalpflege</strong>? 245<br />

Crußwort <strong>zum</strong> Empfang der Landesregierung 249<br />

Denkmalschutzpreis 1999 251<br />

Mitteilung 254<br />

Neuerscheinung 255<br />

Ausstellungen 255<br />

Titelbild<br />

Bad Säckingen am Hochrhein, Blick auf den Stiftsbezirk mit dem Fridolinsmünster und auf die Altstadt.<br />

Dieser Ausgabe liegt eine Beilage der Denkmalstiftung <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> bei. Sie ist kostenlos bei der Geschäftsstelle der Denk-<br />

malstiftung <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, Charlottenplatz 17, 70173 Stuttgart, erhältlich.<br />

DENKMALPFLEGE IN BADEN-WÜRTTEMBERG ■ Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Herausgeber: Landesdenkmalamt <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, Mörikestraße 12, 70178 Stuttgart • Verantwortlich im Sinne des Presserechts:<br />

Präsident Prof. Dr. Dieter Planck • Schriftleitung: Dr. S. Leutheußer-Holz ■ Stellvertreter: Dr. Christoph Unz ■ Redaktionsausschuß: Dr.<br />

H. C. Brand, Dr. J.Breuer, Prof. Dr. W.Stopfel,, Dr. P. Wichmann, Dr. J.Wilhelm ■ Produktion; Verlagsbüro Wais & Partner, Stuttgart - Druck:<br />

Süddeutsche Veriagsgesellschaft, Nicolaus-Otto-Straße 14, 89079 Ulm-Donautal • Postverlagsort: 70178 Stuttgart • Erscheinungswei-<br />

se: vierteljährlich • Auflage: 20 000 ■ Gedruckt auf holzfreiem, chlorfrei gebleichtem Papier • Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmi-<br />

gung des Landesdenkmalamtes. Quellenangaben und die Überlassung von zwei Belegexemplaren an dieSchriftleitung sind erforder-<br />

lich. Bankverbindung: Landesoberkasse <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, Außenstelle Stuttgart, <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>ische Bank Stuttgart, Konto<br />

10 54 633100 (BLZ 600 200 30). Verwendungszweck: Spende LDA, Kz. 98300 31001005. • Bei allen Fragen des Bezugs, z. B. bei Adres-<br />

senänderung, wenden Sie sich bitte direkt an Frau Glass-Werner (Tel. 0711/1694-549, vormittags).


Zum achten Mal lud das Landesdenk-<br />

malamt zu seiner alle zwei Jahre statt-<br />

findenden Tagung ein - diesmal in<br />

den südlichsten Landesteil, nach Bad<br />

Säckingen. Dort sind wir aufs freund-<br />

lichste aufgenommen und unterstützt<br />

worden von Herrn Bürgermeister Dr.<br />

Dr. h.c. C. Nufer und den Mitarbeite-<br />

rinnen und Mitarbeitern seiner Stadt-<br />

verwaltung. Hierfür noch einmal vie-<br />

len Dank!<br />

Wir verstehen diese regelmäßige Ver-<br />

anstaltung als wichtigen Informations-<br />

termin für die in der <strong>Denkmalpflege</strong><br />

Tätigen und die Denkmaleigentümer.<br />

Ansprechen möchten wir sie und<br />

unser Partnerfeld, diejenigen, die, in<br />

kommunalen und staatlichen Verwal-<br />

tungen, Fachhochschulen, Universi-<br />

täten und Fach Instituten, Restaurie-<br />

rungswerkstätten, Handwerksbetrie-<br />

ben, Architekturbüros und als „Eh-<br />

renamtliche" mit uns zusammen in<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> <strong>Denkmalpflege</strong><br />

betreiben. Ihnen allen möchten wir<br />

ein Podium für Information, Aus-<br />

tausch und Diskussion bieten.<br />

Das Treffen stand in diesem Jahr un-<br />

ter dem Thema „<strong>Denkmalpflege</strong> als<br />

Wirtschaftsfaktor". Begrüßt wurden<br />

die Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />

vom Präsidenten des Landesdenkmal-<br />

amtes, Herrn Prof. Dr. Dieter Planck,<br />

vom Bürgermeister der Stadt Bad Säk-<br />

kingen, Herrn Dr. Dr. h.c. Günther Nu-<br />

fer, und dem Landrat des Kreises<br />

Waldshut, Herrn Dr. Bernhard Wütz.<br />

Er hob in seinem Crußwort hervor,<br />

daß der Tagungsort in einem von<br />

unterschiedlichsten Kulturdenkmalen<br />

geprägten Landkreis liege, in dem<br />

großes bürgerschaftliches Engage-<br />

ment im Bereich der <strong>Denkmalpflege</strong><br />

zu finden sei. Erwies darauf hin, daß in<br />

Bad Säckingen der „erfolgreiche Ver-<br />

such unternommen worden war, im<br />

Rahmen einer frühen und viel beach-<br />

teten Stadtsanierung Belange der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> vorbildlich zu berück-<br />

sichtigen, historische Bausubstanz zu<br />

erhalten, neu zu nutzen und zugleich<br />

zeitgemäße neue Bauformen in das<br />

Gesamterscheinungsbild der Stadt zu<br />

integrieren."<br />

In der vorliegenden Ausgabe des<br />

Nachrichtenblattes veröffentlichen wir<br />

alle Referate, die <strong>zum</strong> Tagungsthema<br />

gehalten worden sind. Wir tun dies<br />

<strong>zum</strong> einen aus bewährter Tradtion,<br />

<strong>zum</strong> anderen, um die unterschiedli-<br />

chen Autorenstandpunkte aufzuzei-<br />

gen. Intention des Landesdenkmal-<br />

tages war es, ein Gespräch <strong>zum</strong> The-<br />

ma „Wirtschaftsfaktor Denkmalpfle-<br />

ge" anzustoßen und dabei verschie-<br />

dene Meinungen nebeneinander ste-<br />

hen zu lassen. Wir drucken sie in un-<br />

redigierter Fassung ab.<br />

Während der erste Veranstaltungstag<br />

den Vorträgen im Plenum galt, war der<br />

zweite Tag für Exkursionen vorgese-<br />

hen. Ein ausführlicher Stadtrundgang<br />

durch Bad Säckingen und eine inten-<br />

sive Führung durch das Münster St. Fri-<br />

dolin machte mit den hier durchge-<br />

führten denkmalpflegerischen Maß-<br />

nahmen bekannt. Dank hierfür ge-<br />

bührt Frau Adelheid Enderle, Murg,<br />

sowie Frau Dr. Dagmar Zimdars und<br />

Herrn Dr. Volker Osteneck, beide Lan-<br />

desdenkmalamt.<br />

Die zweite Exkursion stand unter<br />

dem Thema Industriedenkmalpflege.<br />

Sie führte unter Leitung der Kollegen<br />

Herrn Dipl.-Ing. Franz Meckes und<br />

Herrn Dr. Hans-Peter Münzenmayer<br />

<strong>zum</strong> Kraftwerk Rheinfelden, dem er-<br />

sten, 1895 -97 erbauten, Flußkraftwerk<br />

Europas. Weiterhin bot sie die Mög-<br />

lichkeit einer Fahrt mit der 1890 als<br />

strategische Bahn eingerichteten, heu-<br />

Editorial<br />

Sabine Leutheußer-Holz<br />

te als Museumsbahn zwischen Blum-<br />

berg-Zollhaus und Weizen verkeh-<br />

renden „Sauschwänzlebahn". Für In-<br />

formation und Unterstützung vor Ort<br />

danken wir den Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeitern von KWL und KWR so-<br />

wie Herrn Bürgermeister Stahl, Blum-<br />

berg.<br />

Als drittes Exkursionsthema stand die<br />

Präsentation römischer bzw. frühmit-<br />

telalterlicher Denkmäler auf dem Pro-<br />

gramm. Besichtigt wurden die Römer-<br />

stadt Augusta Raurica im schweizeri-<br />

schen Äugst und die Burgruine Wie-<br />

ladingen nahe Bad Säckingen. Auf<br />

dieser Fahrt ging es <strong>zum</strong> einen um die<br />

touristische Erschließung der römi-<br />

schen Denkmäler in Äugst, <strong>zum</strong> an-<br />

deren um die durch ehrenamtlichen<br />

Einsatz erfolgte Rettung und Sanie-<br />

rung der Ruine Wieladingen. Vermit-<br />

telt haben diese Aspekte die schwei-<br />

zerischen Kollegen vor Ort, Herr Bür-<br />

germeister Georg Keller und Herr Dr.<br />

Gottfried Nauwerck vom Förderkreis<br />

zur Rettung der Burgruine Wieladin-<br />

gen sowie Herr Dr. Peter Schmidt-<br />

Thome vom Landesdenkmalamt. Ih-<br />

nen allen vielen Dank!<br />

Abschließend möchte ich auf drei<br />

Publikationen aufmerksam machen,<br />

die wir rechtzeitig <strong>zum</strong> Landesdenk-<br />

maltag fertigstellen und übergeben<br />

konnten; die Liste der 170 in Bad<br />

Säckingen vorhandenen Kulturdenk-<br />

male von Frau Gitta Reinhardt-Feh-<br />

renbach und Herrn Dr. Wolfgang Kai-<br />

ser; den Archäologischen Stadtkata-<br />

ster Bad Säckingen von Herrn Dr. Bert-<br />

ram Jenisch und - mit Unterstützung<br />

durch die Stadt - eine wichtige Arbeit<br />

über die frühe Archäologie und Bau-<br />

geschichte des Münsters Sankt Frido-<br />

lin von Frau Dr. Felicia Schmaedecke.<br />

189


8. Landesdenkmaltag <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

<strong>Denkmalpflege</strong> als Wirtschaftsfaktor<br />

Dienstag, 29. Juni 1999, und Mittwoch, 30. Juni 1999, Bad Säckingen<br />

Dienstag, 29. Juni 1999<br />

Vormittag:<br />

Prof. Dr. Dieter Planck<br />

Präsident des Landesdenkmalamtes <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Begrüßung<br />

Dr. Dr. h.c. Günther Nufer<br />

Bürgermeister von Bad Säckingen<br />

Crußwort<br />

Dr. Bernhard Wütz<br />

Landrat des Kreises Waldshut<br />

Crußwort<br />

Dr. Walter Döring MdL<br />

Wirtschaftsminister und stellvertretender<br />

Ministerpräsident des Landes <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Eröffnungsansprache<br />

Prof. Dr. Dieter Planck<br />

Zum Tagungsthema<br />

Prof. Dr. Wolfgang Stopfel<br />

Leiter der Außenstelle Freiburg des Landesdenkmalamtes<br />

Zum Tagungsort<br />

Nachmittag:<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> und Tourismus<br />

Bürgermeister Dr. Dr. h.c. Günther Nufer<br />

„Altstädte - denkmalgeschützte Freilichtmuseen<br />

oder moderne Dienstleistungszentren ?"<br />

Ministerialdirigent Thomas Knödler<br />

Finanzministerium <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, Stuttgart<br />

„Staatliche Kulturbauten - ein Standortfaktor für<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>"<br />

Ulrich Pfeifle<br />

Oberbürgermeister der Stadt Aalen<br />

„Die deutsche Limesstraße -<br />

eine touristische Chance für <strong>Denkmalpflege</strong>"<br />

Dr. Dipl. Arch. Hans-Peter Bärtschi<br />

Schweizerische Gesellschaft für Technikgeschichte<br />

und Industriekultur Winterthur<br />

„Bahn- und Industriekultur, Ausflugstourismus als Geschäft<br />

und Mittel der Erhaltung von Bahn- und Industriedenkmalen<br />

in der Nordostschweiz"<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> als Auftraggeber<br />

Dr. Ulrike Matthes<br />

prognos AG, Basel<br />

„Denkmalschutz-Herausforderung für eine<br />

zukunftsorientierte Stadtentwicklungspolitik"<br />

190<br />

Helmut F. Reichwald<br />

Landesdenkmalamt <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, Stuttgart<br />

„Umsetzung denkmalverträglicher Konzepte unter<br />

Beteiligung qualifizierter Handwerker und Restauratoren"<br />

Hansjörg Dufner<br />

Arbeitsamt Konstanz<br />

„Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme - mehr als reine<br />

Beschäftigungstherapie im Bereich der <strong>Denkmalpflege</strong>"<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> als Anreger technischer Innovationen<br />

Dr. Thomas Schott<br />

Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, Stuttgart<br />

„Photovoltaik als Element alter und neuer Architektur"<br />

Dr. Arno Weinmann<br />

Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück<br />

„Innovation und <strong>Denkmalpflege</strong> - kein Widerspruch!"<br />

Abendveranstaltung<br />

Prof. Dr. Dieter Planck<br />

Begrüßung<br />

Prof. Dr. Wolfgang Wolters<br />

Freie Universität Berlin<br />

„Brauchen wir eine andere <strong>Denkmalpflege</strong>?"<br />

Empfang der Landesregierung <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

und der Stadt Bad Säckingen<br />

Bürgermeister Dr. Dr. h.c. Günther Nufer<br />

Begrüßung<br />

Dr. Horst Mehrländer,<br />

Staatssekretär Wirtschaftsministerium <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Crußwort<br />

Mittwoch, 30. Juni 1999<br />

Exkursion 1<br />

Stadt- und Münsterführung in Bad Säckingen<br />

Exkursion 2<br />

Industriegeschichte - Industriedenkmalpflege -<br />

Industrielehrpfade<br />

Kraftwerk Rheinfelden und „Sauschwänzlebahn"<br />

Exkursion 3<br />

Archäologische Stätten - Archäologische Straßen -<br />

Präsentation von archäologischen Denkmälern<br />

Augusta Raurica, Augst/Kaiseraugst<br />

und Burgruine Wieladingen


■ 1 Präsentation der „Denkmalliste Bad Sä-<br />

ckingen" und des „Archäologischen Stadtka-<br />

tasters Bad Säckingen" auf dem Landesdenk-<br />

maltag durch Wirtschaftsminister Dr. W. Dö-<br />

ring, Bürgermeister Dr. Dr. h.c. G. Nufer und<br />

Prof. Dr. D. Planck.<br />

Meine sehr geehrten Damen<br />

und Herren,<br />

es ist mir eine besondere Ehre und<br />

Freude, heute in Bad Säckingen im<br />

Namen der baden-württembergischen<br />

Landesregierung den achten Landes-<br />

denkmaltag <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> er-<br />

öffnen zu können.<br />

Ihnen, Herr Bürgermeister Dr. Nufer,<br />

danke ich neben den freundlichen<br />

Worten der Begrüßung vor allem da-<br />

für, daß Sie sich dazu bereit erklärt ha-<br />

ben, den diesjährigen Landesdenk-<br />

maltagin der schönen und geschichts-<br />

trächtigen Stadt Bad Säckingen durch-<br />

zuführen und zusammen mit dem<br />

Landesdenkmalamtzu organisieren.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Her-<br />

ren,<br />

Bad Säckingen bietet einen wahrhaft<br />

würdigen Rahmen für den Landes-<br />

denkmaltag. Denn kaum eine andere<br />

Stadt in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> übertrifft<br />

diese Stadt in ihrem denkmalpflege-<br />

rischen Engagement. Die Wahl Bad<br />

Eröffnungsansprache<br />

Minister Dr. Walter Döring<br />

Säckingens als Tagungsort für den Lan-<br />

desdenkmaltag ist deshalb auch eine<br />

Auszeichnung für die Stadt, ihre Bür-<br />

ger, ihren Cemeinderat, ihre Verwal-<br />

tung und last but not least für Sie, sehr<br />

geehrter Herr Bürgermeister Dr. Nufer.<br />

Bekanntlich wurde das Kloster Säckin-<br />

gen bereits im Jahre 878 erstmals ur-<br />

kundlich erwähnt. Wie wir aber auch<br />

wissen, reicht die Geschichte Säckin-<br />

gens noch einige Jahrhunderte weiter<br />

in die Vergangenheit zurück, nämlich<br />

auf die nur noch in der Legende über-<br />

lieferte Gründung einer Missionszelle<br />

auf der ehemaligen Rheininsel durch<br />

den heiligen Fridolin.<br />

Die Entstehung der Klosterinsel Säk-<br />

kingen hat ihre historische Parallele in<br />

einer anderen Klosterinsel, die ich aus<br />

aktuellem Anlaß Anfang diesen Mo-<br />

nats besucht und für die ich vor weni-<br />

gen Tagen den Antrag auf Aufnahme<br />

in die Liste des Weltkulturerbes bei der<br />

UNESCO in Paris gestellt habe, näm-<br />

lich der Klosterinsel Reichenau.<br />

191


Allerdings gibt es zwischen den bei-<br />

den Klosterinseln zwei signifikante<br />

Unterschiede: Die Klosterinsel Rei-<br />

chenau ist heute noch eine Insel. Die<br />

Klosterinsel Säckingen ist dagegen<br />

heute keine Insel mehr, der westliche<br />

Rheinarm wurde glücklicherweise im<br />

Jahr 1830 zugeschüttet, so daß man<br />

von dieser Seite her heute keine Über-<br />

schwemmungen befürchten muß und<br />

trockenen Fußes den Klosterbezirk,<br />

den heutigen Stadtkern erreichen<br />

kann.<br />

Der wichtigere Unterschied zwischen<br />

den beiden ursprünglichen Klosterin-<br />

seln besteht darin, daß aus dem Klo-<br />

sterbezirk Säckingen noch im Mittel-<br />

alter eine Siedlung hervorging, de-<br />

ren Entwicklung zur Stadt, wie Ausgra-<br />

bungen der archäologischen Denk-<br />

malpflege beweisen, schon in der<br />

zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts<br />

abgeschlossen gewesen sein muß.<br />

Die heutige Stadt Bad Säckingen weist<br />

mit ihren städtebaulichen Dominan-<br />

ten und mit den vielen vorbildlich re-<br />

staurierten Baudenkmälern ein cha-<br />

rakteristisches und unverwechselba-<br />

res Gepräge auf.<br />

Früher als in anderen Städten wur-<br />

de erkannt, daß es Aufgabe und Ver-<br />

pflichtung unserer heutigen Gene-<br />

ration ist, dieses historische Erbe zu<br />

schützen und zu erhalten.<br />

Bereits im Jahre 1961 wurde das Orts-<br />

bild von Säckingen mit Zustimmung<br />

des Gemeinderats noch unter der<br />

Geltung des alten badischen Denk-<br />

malschutzgesetzes unter Denkmal-<br />

schutz gestellt, über zehn Jahre vor In-<br />

krafttreten des Denkmalschutzgeset-<br />

zes von <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>.<br />

Dies ist ein mahnendes Vorbild für<br />

manche Stadt in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

mit ebenfalls schützenswertem Orts-<br />

bild, die sich bislang noch nicht da-<br />

zu durchringen konnte, ihr Ortsbild<br />

als Gesamtanlage nach § 19 Denk-<br />

malschutzgesetz durch Satzung unter<br />

Denkmalschutz zu stellen.<br />

Jedoch nicht nur im Denkmalschutz,<br />

sondern auch im Bereich der Stadt-<br />

erneuerung gehört Bad Säckingen zu<br />

den Pionierstädten. Bereits im Jahre<br />

1974 wurde in der Stadt die Stadter-<br />

neuerung mit der Aufnahme der Maß-<br />

nahme Altstadt I und II in das Bund-<br />

Länder-Sanierungsprogramm gestar-<br />

tet. Zwischenzeitlich sind es insge-<br />

samt fünf Gebiete in Bad Säckingen,<br />

die in die Programme der Stadterneu-<br />

erung aufgenommen worden sind.<br />

192<br />

Meine sehr geehrten Damen und Her-<br />

ren,<br />

seit es Städte gibt, hat der Wandel von<br />

Gesellschaft, Wirtschaft und Technik<br />

immer wieder neue Anforderungen<br />

an das Stadtgefüge, die Nutzungs-<br />

struktur und die Bausubstanz gestellt.<br />

Die Städte sind Entwicklungskräften<br />

ausgesetzt, die auf Veränderung hin-<br />

wirken. Keine Stadt kann es sich lei-<br />

sten, diese Kräfte zu ignorieren. Läßt<br />

sich eine Stadt jedoch von der Ent-<br />

wicklung ohne Besinnung auf ihre<br />

Herkunft und ihr architektonisches<br />

Erbe überrollen, so ist dies gleichbe-<br />

deutend mit dem Verlust ihrer Urba-<br />

nität und der Aufgabe ihrer Identität.<br />

Nicht Entwicklung durch Zerstörung<br />

von Erhaltenswertem, sondern Ent-<br />

wicklung durch erhaltende Erneue-<br />

rung ist die richtige Antwort auf die<br />

sich wandelnden Anforderungen. Die<br />

Stadt Bad Säckingen hat sich von An-<br />

fang an entschlossen für diese Ant-<br />

wort entschieden, für das Leitziel ei-<br />

ner behutsamen, substanzschonen-<br />

den Erneuerung.<br />

Es freut mich deshalb ganz besonders,<br />

daß das Land durch eine kräftige fi-<br />

nanzielle Unterstützung, insbeson-<br />

dere im Rahmen der Sanierungspro-<br />

gramme, mit zu diesem überaus er-<br />

freulichen Ergebnis in Bad Säckingen<br />

beitragen konnte.<br />

Seit der ersten Programmaufnahme<br />

im Jahre 1974 wurden der Stadt aus<br />

der Städtebauförderung insgesamt<br />

28,1 Mio. DM Fördermittel bewilligt.<br />

Davon kam ein nennenswerter Teil<br />

den denkmalpflegerischen Maßnah-<br />

men im engeren Sinne zugute. Zusätz-<br />

lich hat das Land an Zuschüssen für<br />

Restaurierungsmaßnahmen an Kultur-<br />

denkmalen in den letzten zehn Jah-<br />

ren knapp 1 Mio. DM aus Mitteln der<br />

Denkmalförderung eingesetzt. Gera-<br />

de die hervorragenden Ergebnisse in<br />

Bad Säckingen zeigen, wie wichtig das<br />

sinnvolle Zusammenspiel zwischen<br />

Stadterneuerung und <strong>Denkmalpflege</strong><br />

ist. Wichtig ist dabei, daß die Denk-<br />

malpflege möglichst frühzeitig an den<br />

einzelnen Phasen der Stadterneue-<br />

rung beteiligt und in den Planungs-<br />

prozeß eingeschaltet wird. Denn zu<br />

allererst ist es Aufgabe der Denkmal-<br />

pflege, die historische Substanz nam-<br />

haft zu machen, die vom stadterneu-<br />

ernden Prozeß tangiert wird.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Her-<br />

ren,<br />

diese Aufgabe, aber natürlich die Ar-<br />

beit der Denkmalschutzbehörden ge-<br />

nerell, würde erleichtert, wenn überall<br />

in Stadt und Land in <strong>Baden</strong>-Württem-<br />

berg fertige, auf neuem Stand befind-<br />

liche Listen über die vorhandenen<br />

Kulturdenkmale vorlägen.<br />

Dies ist jedoch bisher leider noch<br />

nicht überall der Fall. Zwar ist nicht<br />

zu übersehen, daß die Erforschung<br />

und Erhebung aller Kulturdenkmale in<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, ihre Beschrei-<br />

bung, die Begründung der Denkmal-<br />

eigenschaft, schließlich die orts- und<br />

kreisweise Erfassung in Listen in Anbe-<br />

tracht der geschätzten 80 bis 90.000<br />

Baudenkmale in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

eine überaus zeit- und arbeitsaufwen-<br />

dige Angelegenheit ist.<br />

Obwohl das Landesdenkmalamt schon<br />

seit vielen Jahren mit dieser Arbeit be-<br />

faßt ist, liegen aus den genannten<br />

Gründen noch für knapp ein Drittel<br />

des Landesgebietes keine aktuellen<br />

Denkmallisten vor.<br />

Neuere Entwicklungen insbesondere<br />

im Baurecht machen es aber immer<br />

dringlicher, daß alle Beteiligten eine<br />

präsente Kenntnis der vorhandenen<br />

Kulturdenkmale haben, und dies ist<br />

nur über ihre listenmäßige Erfassung<br />

möglich. Im Zuge einer Organisati-<br />

ons- und Wirtschaftlichkeitsuntersu-<br />

chung der Denkmalschutzverwaltung<br />

haben deshalb Wirtschaftsministeri-<br />

um und Landesdenkmalamt auch das<br />

Verfahren der Listenerfassung über-<br />

prüft und reformiert. Das Verfahren<br />

wurde vereinfacht und beschleunigt,<br />

soweit dies möglich war, ohne die<br />

Verläßlichkeit der Denkmalerfassung<br />

aufs Spiel zu setzen.<br />

Der wichtigste Aspekt dabei ist, daß<br />

bereits die Ergebnisse des sogenann-<br />

ten ersten Erfassungsschritts in Listen<br />

zusammengefaßt und den Kommu-<br />

nen übergeben werden. Im Vorder-<br />

grund steht dabei die Feststellung der<br />

Denkmaleigenschaft als solcher, auf<br />

ihre wissenschaftliche Untermaue-<br />

rung z.B. durch Innenbegehungen<br />

oder intensivierte Archivstudien wird<br />

soweit vertretbar zunächst verzichtet.<br />

Dies bedeutet aber auch, daß auf De-<br />

tailaussagen, exakte Datierungen oder<br />

ausführliche Denkmalbegründungen<br />

im Interesse der Beschleunigung weit-<br />

gehend verzichtet werden muß. Es<br />

wird natürlich immer Objekte geben,<br />

bei denen die Frage, ob Denkmal-<br />

eigenschaft vorliegt oder nicht, nur<br />

in zeitaufwendigen Zusatzschritten<br />

abschließend geklärt werden kann.


Diese Objekte werden als sogenannte<br />

Prüffälle vorläufig zurückgestellt und<br />

nur bei gegebenem konkreten Anlaß<br />

auf ihre Denkmaleigenschaft hin wei-<br />

ter untersucht.<br />

Mit diesem reformierten Verfahren<br />

hoffen wir, in ungefähr drei Jahren<br />

auch die restlichen, noch nicht erfaß-<br />

ten Gebiete in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

mit aktuellen Denkmallisten versehen<br />

zu können.<br />

Es ist mir eine besondere Freude, Ih-<br />

nen, sehr geehrter Herr Bürgermeister<br />

Dr. Nufer, heute die nach diesem<br />

neuen Verfahren eben fertiggestellte,<br />

sozusagen taufrische Denkmalliste für<br />

die Stadt Bad Säckingen präsentieren<br />

zu dürfen.<br />

Die Liste enthält rd. 170 Kulturdenk-<br />

male, übrigens ohne daß sogenannte<br />

Prüffälle, also in ihrer Denkmaleigen-<br />

schaft offen gelassene Bauwerke, die-<br />

se Liste verunzieren. Offensichtlich<br />

haben - im Hinblick auf die beabsich-<br />

tigte feierliche Übergabe der Denk-<br />

malliste bei der Eröffnung des Landes-<br />

denkmaltags - die zuständigen Inven-<br />

tarisatoren des Landesdenkmalamts<br />

ihren Ehrgeiz dareingesetzt, trotz der<br />

gebotenen Beschleunigung bei allen<br />

zweifelhaften Objekten abschließend<br />

die Denkmaleigenschaft zu klären.<br />

Dafür den zuständigen Mitarbeitern<br />

des Landesdenkmalamtes herzlichen<br />

Dank.<br />

Eine weitere wichtige Serviceleistung<br />

des Landesdenkmalamtes für unsere<br />

Kommunen ist der archäologische<br />

Stadtkataster.<br />

Aus der Vielzahl der Städte in <strong>Baden</strong>-<br />

<strong>Württemberg</strong> heben sich 306 dadurch<br />

hervor, daß sie wie Bad Säckingen be-<br />

reits im Mittelalter oder gar in römi-<br />

scher Zeit bestanden haben. Daher<br />

kommt bei diesen Städten den ar-<br />

chäologischen Zeugnissen, die Aus-<br />

kunft über die Stadtentstehung und<br />

Stadtentwicklung geben können, eine<br />

herausragende Bedeutung zu. Voraus-<br />

setzung für den qualifizierten Schutz<br />

und Erhalt der archäologischen Kultur-<br />

denkmale und zugleich Vorausset-<br />

zung für eine Konfliktminimierung<br />

zwischen <strong>Denkmalpflege</strong> und Stadt-<br />

planung ist eine möglichst umfas-<br />

sende Kenntnis über Lage und Bedeu-<br />

tung der archäologischen Kulturdenk-<br />

male innerhalb der Stadt und in ihrem<br />

unmittelbaren Umfeld.<br />

Diesem Zweck dient der sogenannte<br />

archäologische Stadtkataster, der vom<br />

Landesdenkmalamt sukzessive für alle<br />

306 mittelalterlichen Städte in <strong>Baden</strong>-<br />

<strong>Württemberg</strong> erarbeitet wird.<br />

Der archäologische Stadtkataster soll<br />

als qualifizierte Planungsunterlage be-<br />

reits bei der Aufstellung von Elächen-<br />

nutzungs- und Bebauungsplänen,<br />

Stadtsanierungen und sonstigen Pla-<br />

nungsverfahren behilflich sein. Durch<br />

Ausweisung archäologisch relevan-<br />

ter Bereiche werden diejenigen Areale<br />

einer Stadt gezeigt, in denen bei<br />

Bodeneingriffen mit archäologischen<br />

Denkmalen zu rechnen ist und bei de-<br />

nen daher eine frühzeitige Kontakt-<br />

aufnahme mit der archäologischen<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> zur Konfliktminimie-<br />

rung notwendig wird.<br />

Die Arbeiten am archäologischen<br />

Stadtkataster Bad Säckingen ergaben,<br />

daß die Stadt inmitten einer reichen<br />

archäologischen Fundlandschaft liegt.<br />

Auf der Gemarkung der Stadt konnten<br />

bis heute über 250 archäologische<br />

Fundstellen festgestellt werden, die<br />

eine Besiedlung des Raumes seit der<br />

Altsteinzeit nachweisen.<br />

Bei der Kartierung zeigen die Fundstel-<br />

len eine markante Verteilung. Sie<br />

streuen <strong>zum</strong> einen im Bereich des<br />

Hochufers des Rheins, aber vor allem<br />

im Bereich der Altstadt, die ja - wie vor-<br />

hin gesagt - auf einer Rheininsel lag.<br />

Bereits in der späten Bronzezeit be-<br />

stand hier eine durch zahlreiche<br />

Fundstellen belegte große Siedlung.<br />

Klimaschwankungen führten offen-<br />

sichtlich dazu, daß die Insel erst wie-<br />

der im Mittelalter besiedelt werden<br />

konnte, was wiederum einen reichen<br />

archäologischen Niederschlag fand<br />

und schließlich zur Stadtwerdung von<br />

Säckingen führte.<br />

Diese Ergebnisse und Zusammen-<br />

hänge und noch viel mehr wichtige<br />

Informationen enthält der archäologi-<br />

sche Stadtkataster für Bad Säckingen,<br />

den das Landesdenkmalamt rechtzei-<br />

tig <strong>zum</strong> Landesdenkmaltag fertigge-<br />

stellt hat. Sehr geehrter Herr Bürger-<br />

meister, ich freue mich, Ihnen heute<br />

gleichzeitig die Denkmalliste für Bad<br />

Säckingen und den archäologischen<br />

Stadtkataster Bad Säckingen überrei-<br />

chen zu können.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Her-<br />

ren,<br />

wenn ich nunmehr auf das Thema<br />

des diesjährigen Landesdenkmaltages<br />

„<strong>Denkmalpflege</strong> als Wirtschaftsfaktor^'<br />

eingehe, so muß ich vorab ein mög-<br />

liches Mißverständnis ausräumen.<br />

193


194<br />

Begründung und Rechtfertigung für<br />

die gesellschaftspolitische Aufgabe<br />

der <strong>Denkmalpflege</strong> können weder<br />

ausschließlich noch vorwiegend in<br />

den wirtschaftlichen Auswirkungen<br />

der <strong>Denkmalpflege</strong> gesehen und ge-<br />

funden werden. <strong>Denkmalpflege</strong> kann<br />

nicht auf ihre Funktion als Standort-<br />

und Wirtschaftsfaktor reduziert wer-<br />

den. Lassen Sie mich dies gerade als<br />

Wirtschaftsminister, zu dessen Res-<br />

sortbereich mit dem Städtebau auch<br />

die <strong>Denkmalpflege</strong> gehört, ganz deut-<br />

lich sagen.<br />

Die <strong>Denkmalpflege</strong> findet ihre Grund-<br />

lage und Legitimation in anderen<br />

Wurzeln. Die Erfahrungen der Kriegs-<br />

zerstörungen und der rasanten Verän-<br />

derungen unserer Städte, Dörfer und<br />

gesamten Lebensumwelt haben uns<br />

bewußt gemacht, wie bedeutsam die<br />

Bewahrung unseres historischen Erbes<br />

für unsere Lebensqualität ist. Es ist ein<br />

tiefes Bedürfnis des Menschen, sich<br />

seiner eigenen Herkunft und seiner<br />

Wurzeln vergewissern zu können.<br />

Nur wer weiß, woher er kommt, weiß,<br />

wohin er gehen muß, um die Zukunft<br />

zu meistern.<br />

Kulturdenkmale machen Geschichte<br />

anschaulich und begreifbar. Sie kün-<br />

den von Lebensweisen, Grundeinstel-<br />

lungen, handwerklichem Können und<br />

künstlerischem Gestaltungswillen un-<br />

serer Vorfahren. Kulturdenkmale sind<br />

selber Geschichte und damit schüt-<br />

zenswerter Teil unseres Lebens.<br />

Denkmalschutz und <strong>Denkmalpflege</strong><br />

sind deshalb unverzichtbarer kuitur-<br />

staatlicher Auftrag und genießen in<br />

der Landesregierung mit Recht einen<br />

hohen politischen Steilenwert.<br />

Wenn somit also einerseits nach-<br />

drücklich auf die eigenständige Legiti-<br />

mation und verpflichtende Wirkung<br />

von Denkmalschutz und Denkmal-<br />

pflege hinzuweisen ist, so ist anderer-<br />

seits genauso deutlich davor zu war-<br />

nen, Denkmalschutz und Denkmal-<br />

pflege isoliert von anderen gesell-<br />

schaftlichen Belangen zu sehen.<br />

Denkmalschutz und <strong>Denkmalpflege</strong><br />

sind eingebettet in ein weites gesell-<br />

schaftliches Umfeld und Beziehungs-<br />

geflecht. <strong>Denkmalpflege</strong> tritt in Wech-<br />

selwirkung - unter Umständen auch<br />

in Gegensatz - zu vielen anderen ge-<br />

sellschaftlich wichtigen Belangen,<br />

seien es berechtigte Interessen des Ei-<br />

gentümers, des technischen und wirt-<br />

schaftlichen Fortschritts oder der städ-<br />

tebaulichen Entwicklung. Denkmal-<br />

schutz und <strong>Denkmalpflege</strong> können<br />

deshalb nur Erfolg haben, wenn sie<br />

diese anderen Belange nicht ignorie-<br />

ren, sondern einen gerechten Aus-<br />

gleich mit ihnen suchen.<br />

Unter diesem integrativen Betrach-<br />

tungsansatz ist die <strong>Denkmalpflege</strong> als<br />

Wirtschaftsfaktor ein eminent wichti-<br />

ges Thema.<br />

Lassen sie mich dabei zunächst auf die<br />

Denkmalförderung eingehen.<br />

Neben derfachlichen Beurteilung und<br />

Beratung der Denkmaleigentümer ist<br />

die Gewährung von Zuschüssen eine<br />

der wichtigsten und effektivsten Maß-<br />

nahmen, mit denen das Land zur Er-<br />

haltung des reichen Erbes an Kultur-<br />

denkmalen in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

beiträgt. In den 10 Jahren seit 1990 bis<br />

heute konnten insgesamt über 470<br />

Mio. DM an Zuschüssen für die Denk-<br />

malpflege bereitgestellt werden. Da-<br />

mit wurden über 7 700 Eigentümer<br />

von Kulturdenkmalen in <strong>Baden</strong>-Würt-<br />

temberg in die Lage versetzt, ihre<br />

Denkmäler in Stand zu setzen und zu<br />

erhalten.<br />

Leider verschärften sich die Zwänge<br />

zur Haushaltskonsolidierung in den<br />

letzten Jahren in einem Maße, daß<br />

auch die Denkmalförderung nicht<br />

mehr von den Sparzwängen ver-<br />

schont werden konnte. In diesem Jahr<br />

hat sich die Situation wieder etwas ge-<br />

bessert. Es werden rund 35 Mio. DM<br />

an Zuschüssen für Erhaltungsmaßnah-<br />

men an Kulturdenkmalen eingesetzt<br />

werden können.<br />

Der Rückgang der Fördermittel erfor-<br />

dert bei der Verteilung der Zuschüsse<br />

eine noch stärkere Prioritätensetzung<br />

als früher. Die Schwerpunkte müssen<br />

strikt auf die Substanzerhaltung, die<br />

Dringlichkeit der Maßnahme sowie<br />

die denkmalpflegerische Bedeutung<br />

gelegt werden.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Her-<br />

ren, die Einsparungen gerade in der<br />

Denkmalförderung betrachte ich aus<br />

verschiedenen Gründen mit Sorge.<br />

Denkmalzuschüsse sollen dem Denk-<br />

maleigentümer einen Teil der zusätzli-<br />

chen Lasten tragen helfen, die er im<br />

Interesse der Allgemeinheit bei der Er-<br />

haltung und Pflege von Kulturdenk-<br />

malen auf sich nehmen muß. Die Er-<br />

haltungsbereitschaft des Denkmalei-<br />

gentümers ist das wesentliche Funda-<br />

ment einer erfolgreichen Denkmal-<br />

pflege. Gegen den Willen und die In-<br />

teressen der Denkmaleigentümer nur<br />

mit den Mitteln staatlichen Zwangs<br />

wäre es unmöglich, die Denkmal-


landschaft in ihrer ganzen Breite und<br />

Vielfalt zu erhalten, so wie dies bis jetzt<br />

in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> gelungen ist.<br />

Nimmt der Staat jedoch sein eigenes<br />

finanzielles Engagement in der Denk-<br />

malpflege in einem Maße zurück, wie<br />

dies in den letzten Jahren gezwunge-<br />

nermaßen der Fall war, so läuft er Ge-<br />

fahr, daß auch die Erhaltungsbereit-<br />

schaft der Denkmaleigentümer Scha-<br />

den nimmt.<br />

Ich werde mich deshalb dafür einset-<br />

zen, daß der auf die <strong>Denkmalpflege</strong><br />

entfallende Teil der Erträge der staatli-<br />

chen Wetten und Lotterien, sobald es<br />

die Haushaltslage ermöglicht, wieder<br />

ungeschmälert der Denkmalförde-<br />

rung zur Verfügung gestellt wird.<br />

Neben dieser denkmalpolitischen Be-<br />

deutung hat die Denkmalförderung<br />

auch eine große wirtschaftspolitische<br />

Bedeutung.<br />

Förderprogramme sind unter dem<br />

Gesichtspunkt einer investiven Fiskal-<br />

politik ein wichtiger Bestandteil des<br />

Instrumentariums eines Wirtschafts-<br />

ministers. Es geht bei der investiven<br />

Fiskalpolitik nicht um Töpfchenwirt-<br />

schaft und es geht auch nicht um die<br />

Verteilung von Subventionen nach<br />

dem Gießkannenprinzip mit dessen<br />

erheblichen Mitnahmeeffekten.<br />

Es geht vielmehr darum, mit öffentli-<br />

chen Mitteln ganz gezielt Wirtschafts-<br />

kreisläufe anzustoßen, um mit dieser<br />

Initialwirkung weiteres, vor allem pri-<br />

vates Investitionskapital zu mobilisie-<br />

ren.<br />

Neben der Denkmalförderung möch-<br />

te ich in diesem Zusammenhang ins-<br />

besondere auf die Städtebauförde-<br />

rung verweisen, für die das Land in<br />

diesem Jahr rd. 135 Mio. DM bereitge-<br />

stellt hat. Verschiedene wissenschaftli-<br />

che Untersuchungen und Studien be-<br />

legen, daß durch die staatliche För-<br />

derung private und öffentliche Folge-<br />

investitionen in vielfacher Höhe aus-<br />

gelöst werden. Für die Städtebauför-<br />

derung hat das Deutsche Institut für<br />

Wirtschaftsforschung berechnet, daß<br />

mit jeder Fördermark ein bis zu achtfa-<br />

ches Investitionsvolumen an privatem<br />

und öffentlichem Kapital aktiviert<br />

wird.<br />

Mit dem Städtebauförderprogramm<br />

1999 wird daher in <strong>Baden</strong>-Württem-<br />

berg ein Auftragsvolumen für das Bau-<br />

und Ausbaugewerbe von rd. 1,1 Mrd.<br />

DM mobilisiert.<br />

Was die Denkmalförderung betrifft, so<br />

wurde in einer erst jüngst veröffent-<br />

lichten Pilotstudie der Europäischen<br />

Union des Handwerks und der Klein-<br />

und Mittelbetriebe über die Arbeits-<br />

platzbeschaffung durch die Restaurie-<br />

rung des Kulturerbes in Europa ermit-<br />

telt, daß eine DM aus der öffentlichen<br />

Hand für <strong>Denkmalpflege</strong>maßnahmen<br />

sogar zehn- bis zwölfmal höhere pri-<br />

vate Investitionen nach sich zieht.<br />

Damit ist aber noch keineswegs das<br />

Gesamtvolumen der Aufwendungen<br />

für <strong>Denkmalpflege</strong> angegeben, denn<br />

bei weitem nicht alle Maßnahmen<br />

werden durch direkte Zuwendungen<br />

gefördert. Bei indirekter Förderung<br />

durch Steuervergünstigungen erhöht<br />

sich der Wert der Maßnahmeinvesti-<br />

tionen nochmals erheblich.<br />

In diesem Zusammenhang muß auch<br />

die Denkmalstiftung <strong>Baden</strong>-Württem-<br />

berg hervorgehoben werden, die<br />

jährlich zwischen 3 und 5 Mio. DM an<br />

Zuschüssen für Erhaltungsmaßnah-<br />

men an Kulturdenkmalen vergibt. Da<br />

es ein wichtiges Ziel der Denkmalstif-<br />

tung ist, vor allem Bürgerinitiativen,<br />

Fördervereine und bürgerschaftliches<br />

Engagement zu unterstützen, ergibt<br />

sich bei ihren Fördermaßnahmen<br />

nochmals ein ganz spezieller Verviei-<br />

fältigungsfaktor.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Her-<br />

ren,<br />

die Multiplikation der eingesetzten<br />

Mittel macht deutlich, daß es mit Si-<br />

cherheit keine Übertreibung ist, in Ba-<br />

den-<strong>Württemberg</strong> das Gesamtvolu-<br />

men der jährlichen <strong>Denkmalpflege</strong>in-<br />

vestitionen mit mehreren 100 Mio.<br />

DM zu beziffern. Über einen 10-Jah-<br />

res-Zeitraum gerechnet, ergeben sich<br />

damit Gesamtinvestitionen in Milliar-<br />

denhöhe. Zusammen mit dem durch<br />

die Städtebauförderung aktivierten In-<br />

vestitionsvolumen erhalten wir damit<br />

volkswirtschaftlich beachtliche Grö-<br />

ßenordnungen.<br />

Die wirtschaftspolitisch größte Be-<br />

deutung dieser Investitionsvolumina<br />

liegt in ihrer beschäftigungssichern-<br />

den Wirkung. Die Fachleute sind sich<br />

einig, daß durch Städtebauförderung<br />

und Denkmalförderung insbeson-<br />

dere im regionalen, mittelständischen<br />

Bau- und Ausbaugewerbe, vor allen<br />

Dingen auch im Bereich des Hand-<br />

werks, eine Vielzahl von Arbeitsplät-<br />

zen geschaffen und erhalten werden.<br />

Um dies zu verdeutlichen, genügt der<br />

Hinweis, daß rd. 80% der Gesamtko-<br />

sten für die Erhaltung von Altbauten<br />

195


Personalkosten sind. Gestatten Sie mir<br />

an dieser Stelle, lobend hervorzuhe-<br />

ben, daß gerade das Handwerk schon<br />

seit vielen Jahren die besonderen Her-<br />

ausforderungen und auch Chancen<br />

der Aitbausanierung erkannt und dar-<br />

auf mit der Einführung von Fortbil-<br />

dungs- und Qualifizierungsmaßnah-<br />

men geantwortet hat.<br />

Im Zuge der seit mehreren jähren an-<br />

gebotenen Fortbildungsmaßnahmen<br />

<strong>zum</strong> geprüften Restaurator im Hand-<br />

werksind bisher ca. 3500 Handwerks-<br />

meister in Deutschland berechtigt,<br />

auf Grund von Prüfungen bzw. Gleich-<br />

stellungsverfahren die zusätzliche Be-<br />

rufsbezeichnung Restaurator im Hand-<br />

werk zu führen.<br />

Die von mir bereits erwähnten Steuer-<br />

vergünstigungen durch erhöhte Ab-<br />

setzungen bei Baudenkmalen und bei<br />

Gebäuden in Sanierungsgebieten - es<br />

handelt sich hierbei insbesondere um<br />

die § 7i und 7h des Einkommensteuer-<br />

gesetzes - sind neben der direkten<br />

Förderung ein unverzichtbarer Be-<br />

standteil unseres Anreizsystems für<br />

private Investitionen in den Aitbaube-<br />

stand. Wie Sie wissen, bestand im<br />

Zuge der Steuerreform lange Zeit die<br />

Absicht, diese Vergünstigungen ganz<br />

aufzuheben bzw. erheblich einzu-<br />

schränken. Aus wirtschaftspolitischen,<br />

beschäftigungspolitischen und denk-<br />

malpolitischen Gründen habe ich<br />

mich von Anfang an gegen diese Be-<br />

strebungen gewandt und mich für<br />

eine Beibehaltung der bisherigen Vor-<br />

schriften eingesetzt.<br />

Erfreulicherweise stießen die Kür-<br />

zungspläne generell auf eine breite<br />

Abwehrfront der Fachleute und der<br />

mit der Materie vertrauten Politiker aus<br />

allen politischen Lagern.<br />

Mit Erleichterung können wir feststel-<br />

len, daß diese Abwehrfront erfolg-<br />

reich war. Bei den letzten Steuerände-<br />

rungsgesetzen wurden die Steuerver-<br />

günstigungen bei Baudenkmalen und<br />

bei Gebäuden in Sanierungsgebieten<br />

unverändert beibehalten.<br />

Ich hoffe, daß damit die Pläne für ihre<br />

Abschaffung für immer ad acta gelegt<br />

sind.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Her-<br />

ren, es kann nicht meine Aufgabe sein,<br />

bereits in der Eröffnungsansprache<br />

alle Themen zu behandeln, die der<br />

Landesdenkmalfag unter dem Thema<br />

196<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> als Wirtschaftsfaktor<br />

in einem dicht gedrängten Vortrags-<br />

und Diskussionsprogramm abhan-<br />

deln wird.<br />

Lassen Sie mich aber noch auf ein<br />

Thema eingehen, das mir ebenfalls am<br />

Herzen liegt.<br />

Meiner Meinung nach hat der Touris-<br />

mus unter den Aspekten seiner wirt-<br />

schaftlichen Bedeutung und seiner<br />

vielfältigen wirtschaftlichen Vernet-<br />

zung und Verflechtung mit anderen<br />

Bereichen in der Vergangenheit zu<br />

wenig Beachtung insbesondere auch<br />

in der öffentlichen Diskussion gefun-<br />

den.<br />

Rund 200000 Arbeitsplätze sind im<br />

Land vom Tourismus abhängig. Ais<br />

Beschäftigungsfaktor steht er heute auf<br />

einer Ebene mit dem Fahrzeugbau<br />

und bietet absolut an den Standort ge-<br />

bundene Arbeitsplätze. In <strong>Baden</strong>-<br />

<strong>Württemberg</strong> erwirtschaftet der Tou-<br />

rismus einen Anteil von schätzungs-<br />

weise rund 5% des Bruttoinlandspro-<br />

dukts. Bezogen auf das Jahr 1998<br />

wären dies ca. 27,5 Mrd. DM.<br />

insbesondere in den überwiegend<br />

ländlich geprägten Heilbädern und<br />

Kurorten - in Einzelfällen sind dort<br />

deutlich über 50% der Arbeitsplätze<br />

davon abhängig - ist derTourismus re-<br />

gional- und strukturpolitisch von ho-<br />

hem Stellenwert. Rd. 12,4 Mio. Gä-<br />

steankünfte und nahezu 36,4 Mio.<br />

Übernachtungen hatten wir 1998 im<br />

Land zu verzeichnen. <strong>Baden</strong>-Würt-<br />

temberg ist damit nach Bayern das<br />

zweitstärkste Land im Übernach-<br />

tungstourismus der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Aus der Marktforschung<br />

ist uns bekannt, daß gerade der Be-<br />

such kultureller oder historischer Se-<br />

henswürdigkeiten eine ganz wesentli-<br />

che Aktivität von Urlaubsreisenden<br />

und Kurzurlaubern ist.<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> ist deshalb auch ein<br />

wichtiger Tourismusfaktor.<br />

Daß trotz dieser positiven Wechsel-<br />

wirkung von Denkmalschutz und<br />

Tourismus auch Probleme entstehen<br />

können, brauche ich angesichts des<br />

hier versammelten fachkundigen Pu-<br />

blikums nicht besonders zu betonen.<br />

Vielfach liegt zwischen dem denkmal-<br />

gerechten und auf Nachhaltigkeit zie-<br />

lenden touristischen Gebrauch eines<br />

Denkmals und dem denkmalzer-<br />

störenden Verbrauch durch touristi-<br />

sche Übernutzung nur ein gradueller<br />

Unterschied. Hier gilt es im Zusam-<br />

menwirken von Touristikern und<br />

<strong>Denkmalpflege</strong>rn fallgerechte Lösun-<br />

gen zu entwickeln, die Nutzen sowohl<br />

für die Denkmalerhaltung als auch<br />

den Tourismus bieten.<br />

Gestatten Sie mir, meine sehr geehrten<br />

Damen und Herren, daß ich <strong>zum</strong><br />

Schluß noch auf einen weiteren inter-<br />

essanten Aspekt hinweise. Es ist dies<br />

der Aspekt der Nachhaltigkeit von<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> und Denkmalschutz.<br />

Der Denkmalschutz fördert nicht nur<br />

den Umgang mit traditionellen und<br />

aus ökologischer Sicht unbedenkli-<br />

chen Materialien und Techniken, son-<br />

dern er bedient sich auch in zuneh-<br />

mendem Maße technisch hochent-<br />

wickelter Konservierungs- und Siche-<br />

rungsmaßnahmen.<br />

Der Denkmalschutz kann einen<br />

großen Beitrag dazu leisten, daß wir<br />

uns von der Wegwerfgesellschaft der<br />

heutigen Zeit hin zu einer Reparatur-<br />

gesellschaft der Zukunft entwickeln.<br />

Denn das Grundanliegen des Denk-<br />

malschutzes ist es ja, unsere Kultur-<br />

landschaft möglichst nachhaltig zu<br />

bewahren.<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> ist eine Alternative zu<br />

Abriß und Neubau, die mit der Menge<br />

des zu entsorgenden Materials unsere<br />

Umwelt belasten.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Her-<br />

ren, die vielfältigen Aspekte, die die<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> mit der Wirtschafts-<br />

politik bis hin zur Umweltpolitik ver-<br />

binden, zeigen, welch eminent ge-<br />

sellschaftspolitische Bedeutung der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> zukommt. Ich hoffe,<br />

mit meinen Hinweisen deutlich ge-<br />

macht zu haben, daß Wirtschafts-<br />

förderung und <strong>Denkmalpflege</strong> mit<br />

Augenmaß sich nicht gegenseitig aus-<br />

schließen, sondern sich vielmehr vor-<br />

züglich ergänzen. Dafür das Bewußt-<br />

sein zu schärfen, wäre ein wichti-<br />

ges Ergebnis des diesjährigen Landes-<br />

denkmaltags.<br />

In diesem Sinne möchte ich hiermit<br />

den Landesdenkmalfag 1999 eröffnen<br />

und ihm einen erfolgreichen Verlauf<br />

wünschen.<br />

Dr. Walter Döring MdL<br />

Wirtschaftsminister des Landes Ba-<br />

den-<strong>Württemberg</strong><br />

Theodor-Heuß-Straße 4<br />

70174 Stuttgart


■ 1 Blick auf das sagenumwobene Schloß<br />

Lichtenstein, eines der großen, traditionellen<br />

touristischen Ziele auf der Schwäbischen<br />

Der 8. Landesdenkmaltag <strong>Baden</strong>-<br />

<strong>Württemberg</strong> findet zu einem Zeit-<br />

punkt statt, der nach drei Jahren <strong>zum</strong><br />

ersten Mal wieder positive Entwick-<br />

lungen für die <strong>Denkmalpflege</strong> erken-<br />

nen läßt. 1997, als wir <strong>zum</strong> 7. Landes-<br />

denkmaltag anläßlich des 25jährigen<br />

Bestehens des Landesdenkmalamtes<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> nach Bronnbach<br />

eingeladen haben, erlebte die Denk-<br />

malpflege einen absoluten Tiefpunkt,<br />

was ihre finanzielle Ausstattung an-<br />

ging. Herr Minister Dr. Döring hat in-<br />

zwischen bei vielen öffentlichen Ver-<br />

anstaltungen zur <strong>Denkmalpflege</strong> im-<br />

mer wieder darauf hingewiesen, daß<br />

er sich dafür einsetzen wolle, die fi-<br />

nanziellen Zuwendungen für Denk-<br />

malschutz und <strong>Denkmalpflege</strong> wie-<br />

der auf den Stand von 1995 zu brin-<br />

gen.<br />

Die Gelder <strong>zum</strong> Erhalt unserer Bau-<br />

denkmale wie auch zur Durchführung<br />

archäologischer Rettungsgrabungen<br />

und deren Auswertung, für die Öffent-<br />

lichkeitsarbeit, die Inventarisation und<br />

andere wissenschaftliche Aufgaben<br />

der <strong>Denkmalpflege</strong> werden aus Wett-<br />

Zum Tagungsthema<br />

Dieter Planck<br />

einnahmen des Landes finanziert.<br />

Obwohl die Staatliche Toto-Lotto-Ge-<br />

sellschaft in ihrem Jubiläumsjahr 1998<br />

einen Rekordgewinn erzielen konnte,<br />

sind die Gelder für die Erhaltung unse-<br />

res Denkmalbestandes nicht erhöht<br />

worden. Die eklatante Kürzung der<br />

Mittel für die <strong>Denkmalpflege</strong> 1996 war<br />

angesichts der besonders schwierigen<br />

Haushaltsiage eine politische Ent-<br />

scheidung. Wir hoffen jedoch, daß die<br />

Landesregierung entsprechend ihrer<br />

finanziellen Möglichkeiten die Gelder<br />

bald wieder für den ursprünglichen<br />

Zweck vorsieht. Ohne eine angemes-<br />

sene staatliche Förderung ist mittel-<br />

und langfristig unsere herausragende<br />

Denkmallandschaft nicht zu erhalten!<br />

Eine andere wesentliche Verände-<br />

rung, die Zukunft der <strong>Denkmalpflege</strong><br />

betreffend, hat der Ministerpräsident<br />

schon vor Jahren zu unserer großen<br />

Beunruhigung angekündigt, nämlich<br />

den Beschluß der Landesregierung,<br />

die Einvernehmensregelung, d.h. das<br />

Erfordernis des Einvernehmens zwi-<br />

schen Unterer Denkmalschutzbehör-<br />

de und Landesdenkmalamt als Fach-<br />

197


■ 2 Walheim, Römerhaus. Schutzhaus über<br />

den restaurierten Mauern und Anlagen eines<br />

römischen Gewerbe- und Handelshauses in<br />

der römischen Siedlung.<br />

198<br />

behörde, bei Entscheidungen in erster<br />

Instanz ersatzlos zu streichen. Aus der<br />

öffentlichen Diskussion ist bekannt,<br />

daß solche Überlegungen nicht allein<br />

für den Denkmalschutz angestellt<br />

werden, sondern auch zahlreiche an-<br />

dere Bereiche der Landesverwaitung<br />

betreffen. Inzwischen hat das Wirt-<br />

schaftsministerium eine Kompro-<br />

mißlösung erdacht. Sie sieht ein we-<br />

sentliches Korrektiv vor: Sollte näm-<br />

lich die Untere Denkmalschutzbehör-<br />

de von der Empfehlung des Landes-<br />

denkmalamtes abweichen und eine<br />

negative Entscheidung fällen, so soll<br />

der Präsident des Landesdenkmalam-<br />

tes in besonders gravierenden Fällen,<br />

in denen eine schwerwiegende Be-<br />

einträchtigung eines Kulturdenkmals<br />

droht, das Recht haben, die höhere In-<br />

stanz anzurufen.<br />

Jeder, der etwas Einblick hat, weiß, daß<br />

man auf kommunaler Ebene oftmals<br />

unter anderen Gesichtspunkten Be-<br />

schlüsse faßt, die dann aber den Be-<br />

langen der <strong>Denkmalpflege</strong> nicht im-<br />

mer gerecht werden. Deshalb kann<br />

eine den Aufgaben der Denkmal-<br />

pflege angemessene und abwägen-<br />

de Entscheidung oft erst auf höherer<br />

Ebene gefällt werden. Dieses Aus-<br />

führungsrecht der nächst höheren In-<br />

stanz hätte somit für die Zukunft eine,<br />

wie ich meine, wichtige „Vorwirkung"<br />

auf die Entscheidung in erster Instanz.<br />

Gespräche mit vielen Bürgermeistern<br />

haben gezeigt, daß die Städte und Ge-<br />

meinden nicht unbedingt daran inter-<br />

essiert sind, allein zu entscheiden. Sie<br />

schätzen durchaus das regulierende,<br />

unter fachlichen, landeseinheitlichen<br />

Kriterien abgewogene Urteil der Each-<br />

behörde. Es sollte ihres Erachtens nach<br />

maßgeblich Eingang finden in die Ent-<br />

scheidung. Viele Bürgermeister haben<br />

mir in den letzten Jahren sogar <strong>zum</strong><br />

Ausdruck gebracht, daß sie ganz und<br />

gar nicht mit der Abschaffung der Ein-<br />

vernehmensregelung einverstanden<br />

sind, da sie auf kommunaler Ebene<br />

zusätzliche Probleme auf sich zukom-<br />

men sehen.<br />

Eine effiziente <strong>Denkmalpflege</strong> ohne<br />

den notwendigen finanziellen Hin-<br />

tergrund ist nicht möglich. Wir alle<br />

tragen die Verantwortung dafür, die<br />

wichtigsten Kulturdenkmälerden nach-<br />

folgenden Generationen zu überlie-<br />

fern. Eine Reduzierung der finanziel-<br />

len Mittel führt letztendlich zu kosten-<br />

intenslven Restaurierungen in der<br />

Zukunft oder <strong>zum</strong> Verlust vieler Denk-<br />

mäler, die es dann abzubrechen oder<br />

ohne archäologische Untersuchung<br />

aufzugeben gilt. Dies bedeutet Ver-


nichtung von Ceschichtszeugnissen.<br />

Wir sind uns darüber im klaren, daß<br />

es problematisch ist, in einer Zeit<br />

zurückgehender finanzieller Ressour-<br />

cen Schwerpunkte zu bilden. Doch<br />

möchte ich Landesregierung und<br />

Landtag eindringlich darum bitten,<br />

durch ein Sonderprogramm zur Si-<br />

cherung gefährdeter Baudenkmäler<br />

Gelder bereitzustellen. Dies trüge<br />

nicht nur dazu bei, die Attraktivitäten<br />

unseres Landes als Wirtschaftsstandort<br />

und Reiseziel zu erhöhen, sondern si-<br />

cherte auch dem mittelständigen Ge-<br />

werbe neue Aufträge und mittel- und<br />

langfristig den Erhalt von Arbeitsplät-<br />

zen.<br />

Maßnahmen zur Rettung akut gefähr-<br />

deter herausragender Kulturdenkmä-<br />

ler konnten in den vergangenen Jahr-<br />

zehnen mit den beiden Sonderpro-<br />

grammen der <strong>Denkmalpflege</strong>, dem<br />

Schwerpunktprogramm und dem<br />

Denkmalnutzungsprogramm, in die<br />

Wege geleitet werden. Diese gezielte<br />

schwerpunktmäßige Förderung ver-<br />

hinderte nicht nur den drohenden<br />

Substanzverlust, sondern führte leer-<br />

stehende oder nur unzureichend ge-<br />

nutzte Baudenkmale einer neuen<br />

denkmalverträglichen und langfristi-<br />

gen Nutzug zu. Viele eindrucksvolle<br />

Denkmäler, von Schlössern bis zu<br />

hochinteressanten Industrieanlagen,<br />

erhielten auf diese Weise eine neue<br />

Nutzungsperspektive.<br />

In den 90er Jahren fielen weitere gro-<br />

ße denkmalpflegerische Problemfälle<br />

an. Sie sind im Rahmen der normalen<br />

Denkmalförderung nicht zu bewälti-<br />

gen, da im Bereich der Bau- und<br />

Kunstdenkmalpflege die allgemeinen<br />

Fördermittel auf die Hälfte der frühe-<br />

ren Ansätze gekürzt wurden. Für diese<br />

bestandsbedrohten Kunstdenkmale<br />

sollte unbedingt ein neues Sonder-<br />

programm aufgelegt werden- nicht<br />

zuletztumzu verhindern, daß die Re-<br />

staurierungskosten in den nächsten<br />

Jahren um ein Vielfaches in die Höhe<br />

schnellen.<br />

Bei vielen herausragenden Baudenk-<br />

malen stehen Erhaltungsmaßnahmen<br />

an. Beispielhaft möchte ich nennen:<br />

die ehemalige Villa Frank in Murr-<br />

hardt, ein herausragendes Denkmal<br />

des Jugendstils; die Burg Katzenstein<br />

bei Dischingen im Kreis Heidenheim,<br />

in ihrer Erhaltung singulär im Land;<br />

das Schloß in Ravenstein-Merchin-<br />

gen, Neckar-Odenwald-Kreis, ein rit-<br />

terschaftlicher Sitz aus dem 16. Jahr-<br />

hundert, oder die Eremitage in Wag-<br />

häusel, im Kreis Karlsruhe, eine be-<br />

deutende Anlage, 1723 für den Fürst-<br />

bischof von Speyer, Damian Hugo<br />

von Schönborn, errichtet. Aber auch<br />

ortsbildprägende Gebäude, wie die<br />

Kelter in Knittlingen (teilweise schon<br />

aus dem 13. Jahrhundert), das Kur-<br />

theater in Bad Wildbad oder das<br />

Schloß in Nordstetten, Kreis Freuden-<br />

stadt, gehören in diesen Zusammen-<br />

hang; ebenso wie die „Sauschwänzle-<br />

bahn", die wir im Rahmen unserer ge-<br />

planten Exkursion kennenlernen wer-<br />

den, sowie das ehemalige Kapuziner-<br />

kloster in Rottweil oder das bedeu-<br />

tende sogenannte Humpisquartier in<br />

Ravensburg.<br />

Diese Beispiele mögen zeigen, wie<br />

existentiell Sonderfinanzierungspro-<br />

gramme sind für denkmalpflegerische<br />

Großprojekte, die aus der allgemei-<br />

nen Denkmalförderung heraus nicht<br />

finanziert werden können.<br />

Ich möchte daher anläßlich des Lan-<br />

desdenkmaltages an alle Verantwort-<br />

lichen in der Politik unseres Landes<br />

appellieren, neben der normalen<br />

Förderung zusätzlich Mittel für ein<br />

Sonderprogramm bereitzustellen, um<br />

auf diese Weise in den nächsten Jah-<br />

ren <strong>zum</strong>indest einen Teil der dringend<br />

notwendigen Großmaßnahmen in<br />

Angriff nehmen zu können. Denn je-<br />

der Verlust eines Denkmals bedeutet<br />

einen Verlust an Identität und Ge-<br />

schichte.<br />

Eine ähnlich schwierige Situation be-<br />

steht bei der Archäologie. Die archäo-<br />

logischen Denkmäler unseres Landes<br />

gehören anerkanntermaßen - zu den<br />

bedeutendsten Fundlandschaften Eu-<br />

ropas. Gemeint sind nicht nur die her-<br />

ausragenden Siedlungen der Stein-<br />

und Bronzezeit in den Mooren Ober-<br />

schwabens oder am Uferrand des Bo-<br />

densees mit ihren einmaligen Erhal-<br />

tungsbedingungen, sondern auch die<br />

zahlreichen bedeutenden prähistori-<br />

schen Befestigungen unseres Landes,<br />

die großen Grabhügel und Siedlun-<br />

gen der frühen Kelten, ein Glanzpunkt<br />

der Landesarchäologie, wie auch die<br />

herausragenden römischen, frühmit-<br />

telalterlichen und mittelalterlichen<br />

Zeugnisse. Sie alle spiegeln die lange<br />

und facettenreiche Entwicklung der<br />

Menschheitsgeschichte in Südwest-<br />

deutschland wider. Diese Situation ist<br />

heutzutage wie nie zuvor bedroht und<br />

199


200<br />

bedarf ebenfalls unserer besonderen<br />

Zuwendung. Die Sicherung und Er-<br />

haltung des Denkmalbestandes im<br />

Bereich der Archäologie gehört auch<br />

im neuen Jahrzehnt zu den wichtig-<br />

sten Aufgaben der Kulturpolitik un-<br />

seres Landes. Denn archäologische<br />

Denkmale bestimmen den Charakter<br />

einer Landschaft entscheidend mit<br />

und sind heute nach allgemeiner Auf-<br />

fassung integraler Bestandteil der Ge-<br />

schichte und deshalb für den Men-<br />

schen ebenso wichtige Identifikati-<br />

onsobjekte wie die alten Gebäude sei-<br />

ner Heimatstadt. Aus diesem Grund<br />

muß auch die Landesarchäologie eine<br />

angemessene Ausstattung erhalten.<br />

Ohne diese Voraussetzungen kann<br />

das Landesdenkmalamt nur unzurei-<br />

chend und nicht über tagtägliche An-<br />

forderungen <strong>zum</strong> Schutz archäologi-<br />

scher Denkmäler hinaus reagieren.<br />

Der personelle Ausbau und die fort-<br />

schreitende fachliche Qualifizierung<br />

des Landesdenkmalamtes, die Aus-<br />

stattung der internen Denkmalberei-<br />

che mit kompetentem Personal, wie<br />

auch der Ausbau des Archäologi-<br />

schen Landesmuseums sind wichtige<br />

Ziele für die nächsten Jahre. Nur so<br />

kann eine gute Arbeit der archäolo-<br />

gischen <strong>Denkmalpflege</strong> im Land Ba-<br />

den-<strong>Württemberg</strong> auch in Zukunft flä-<br />

chendeckend gewährleistet werden.<br />

Eine ausreichende finanzielle Ausstat-<br />

tung ist vor allem für die Durchfüh-<br />

rung von Rettungsgrabungen not-<br />

wendig. Das Verursacherprinzip, in<br />

einigen Ländern der Bundesrepublik<br />

Deutschland gesetzlich verankert,<br />

könnte auch für <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>,<br />

<strong>zum</strong>indest in Teilbereichen, eine Ver-<br />

besserung der finanziellen Situation<br />

erbringen. Andererseits sind Rettungs-<br />

grabungen in intensiv landwirtschaft-<br />

lich genutzten Gebieten, wo es keine<br />

Möglichkeit gibt, über das Verursa-<br />

cherprinzip tätig zu werden, ohne fi-<br />

nanzielle Aufwendungen des Landes<br />

nicht durchführbar. Eine sinnvolle und<br />

fachgerechte Bodendenkmalpflege<br />

kann nur dort betrieben werden, wo<br />

finanzielle Ressourcen und die adä-<br />

quate personelle Ausstattung zur Ver-<br />

fügung stehen. Wir alle sind verpflich-<br />

tet, auch im Bereich der Archäologie,<br />

für spätere Generationen unseren oh-<br />

nehin schon stark dezimierten Denk-<br />

malbestand bestmöglich zu erhalten.<br />

In den letzten Jahren hat sich auf<br />

dem Gebiet der mit den archäologi-<br />

schen Rettungsgrabungen unmittel-<br />

bar zusammenhängenden wissen-<br />

schaftlichen Auswertungsarbeiten der<br />

Befunde und Funde eine enorme Ver-<br />

änderung, insbesondere aufgrund der<br />

technischen Möglichkeiten, vollzo-<br />

gen. Damit die Landesarchäologie mit<br />

der Entwicklung in Europa Schritt hal-<br />

ten kann, bedarf es einer grundlegen-<br />

den Erneuerung der Arbeitsmetho-<br />

den, die allerdings nur unter Einbezie-<br />

hung aller technischen Fortschritte<br />

realisierbar ist. Nicht nur der vermehr-<br />

te Einsatz elektronischer Hilfsmittel<br />

von der Fundaufnahme auf der Gra-<br />

bung bis zur kartographischen Doku-<br />

mentation mit planmäßiger Erfassung<br />

aller archäologischen Befunde und<br />

des dazugehörenden Fundmaterials,<br />

sondern auch der weitere Ausbau der<br />

naturwissenschaftlichen Disziplin bil-<br />

det eine zentrale Aufgabe für die<br />

nächsten Jahre. Die Sicherung des<br />

Denkmals im Boden durch die Aus-<br />

weisung von Schutzgebieten, soge-<br />

nannten archäologischen Reserva-<br />

ten, ist allerdings heute zweifellos die<br />

wichtigste und vornehmste Aufgabe<br />

unseres Amtes. Eine Ausgrabung,<br />

auch mit derzeit modernsten Metho-<br />

den durchgeführt, stellt noch immer<br />

eine Zerstörung dar, die das archäo-<br />

logische Denkmal, die historische<br />

Quelle, nur noch bedingt für nachfol-<br />

gende Generationen erforschbar und<br />

nachvollziehbar macht. Die Zukunft<br />

wirft mit Sicherheit neue wissenschaft-<br />

liche Fragen auf. Mit Hilfe fortgeschrit-<br />

tener technischer Methoden wird<br />

man sie zu beantworten suchen. Wei-<br />

tergehende Erkenntnisse an lange<br />

schon bekannten Denkmälern wer-<br />

den die Folge sein.<br />

Unser diesjähriger Landesdenkmaltag<br />

steht unter dem Thema „Denkmal-<br />

pflege als Wirtschaftsfaktor". Im Rah-<br />

men dieser Tagung soll verdeutlicht<br />

werden, welch hohen Stellenwert die<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> im wirtschaftlichen<br />

Leben unseres Landes einnimmt, sei<br />

es einschlägig in Industrie und Hand-<br />

werk oder etwa auch im Tourismus.<br />

Vor kurzem hat, nur um ein Beispiel zu<br />

nennen, der Landesgeschäftsführer<br />

des Glaserhandwerks die finanziellen<br />

Kürzungen in der <strong>Denkmalpflege</strong> öf-<br />

fentlich angesprochen und dabei klar<br />

gemacht, daß sie sich in erheblichem<br />

Umfang auf seinen Handwerksstand<br />

auswirken.<br />

Die <strong>Denkmalpflege</strong> tangiert in vielfäl-<br />

tiger Weise wirtschaftliche Belange.<br />

Um die Berührungspunkte eingehen-


der zu betrachten, baten wir Kollegin-<br />

nen und Kollegen aus unserem weiten<br />

Partnerfeld um Stellungnahmen. In<br />

drei Vortragsrunden, einem Abend-<br />

vortrag und auf drei Exkursionen wer-<br />

den wir uns dem Thema mit verschie-<br />

denen Sichtweisen nähern.<br />

Die erste Vortragsrunde widmet sich<br />

dem Aspekt„<strong>Denkmalpflege</strong> und Tou-<br />

rismus". Die letzten Daten der Markt-<br />

analyse „Urlaub und Reisen" von 1995<br />

belegen, daß ca. 8% der Befragten<br />

jährlich eine Kultur- und Studienreise<br />

planen, während es im Jahre 1989 nur<br />

ganze 2% waren. Dies zeigt deutlich,<br />

daß die historischen Sehenswürdig-<br />

keiten und damit letztendlich die Er-<br />

gebnisse einer mehr oder weniger<br />

intensiven <strong>Denkmalpflege</strong> zu den<br />

Hauptattraktionen gehören. Dies ist<br />

auch bei Auslandreisen nicht anders.<br />

30% sind den klassischen Städtereisen<br />

gewidmet. Burgen und Schlösser, aber<br />

auch alte Stadtkerne in ihrer Gesamt-<br />

heit spielen eine wesentliche Rolle.<br />

Übertragen auf <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

bedeutet dies, daß der Fremdenver-<br />

kehr in wesentlichen Teilen die Kultur-<br />

denkmale des Landes <strong>zum</strong> Ziel hat.<br />

Das historische Erbe an Kultur- und<br />

Geschichtsdenkmälern reicht sum-<br />

marisch von den altsteinzeitlichen<br />

Höhlen der Schwäbischen Alb über<br />

die zahlreichen prähistorischen und<br />

frühmittelalterlichen Burgen, Höhen-<br />

siedlungen, die römischen Denkmä-<br />

ler in unserem Land bis hin zu den<br />

mittelalterlichen Anlagen, den Schlös-<br />

sern, Klöstern und Städten unseres<br />

Landes. Ich denke, Altstädte, wie Hei-<br />

delberg, Schwäbisch Hall, Schwäbisch<br />

Gmünd, Rottweil, Konstanz und<br />

natürlich Säckingen können beispiel-<br />

haft genannt werden.<br />

Aber auch die archäologischen Denk-<br />

mäler unseres Landes, wie etwa das<br />

keltische Fürstengrab in Hochdorf mit<br />

seinem Keltenmuseum in Eberdin-<br />

gen-Hochdorf, der römische Gutshof<br />

von Hechingen-Stein oder gerade die<br />

ausgedehnten Hinterlassenschaften<br />

des obergermanisch-rätischen Limes<br />

zählen zu den wichtigsten Reisezie-<br />

len. Speziell die verschiedenen Touris-<br />

musstraßen unterstreichen die Bedeu-<br />

tung und Erschließung unserer Denk-<br />

mallandschaft als „Pilgerstraße des<br />

Tourismus".<br />

Die herausragenden Schlösser und<br />

Gärten <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>s erwie-<br />

sen sich als Objekte großer Beliebtheit<br />

bei Bürgerinnen und Bürgern unseres<br />

Landes, aber auch bei Touristen von<br />

außerhalb. Das europäische Touris-<br />

musinstitut an der Universität Trier hat<br />

in einer ausführlichen Diskussion die<br />

sozialen und vor allen Dingen ökolo-<br />

gischen Belastungen durch den Tou-<br />

rismus <strong>zum</strong> Anlaß genommen und<br />

eine Reihe von besonders wichtigen<br />

Gesichtspunkten erarbeitet, die spezi-<br />

ell dem Thema <strong>Denkmalpflege</strong> und<br />

Tourismus gewidmet sind:<br />

1. Der Kulturtourismus ist ein arbeits-<br />

intensiver Sektor.<br />

2. Der Kulturtourist zeichnet sich durch<br />

hohe Kaufkraft aus und trägt zur<br />

Wertschätzung in der Region bei.<br />

3. Der Kulturtourismus nutzt das kul-<br />

turelle Potential, insbesondere die<br />

historischen Gebäude.<br />

4. Er führt zu räumlicher Diversifizie-<br />

rung der Nachfrage.<br />

5. Er leistet einen positiven Beitrag zur<br />

Imagebildung der Region und des<br />

Landes.<br />

Es ist deshalb nicht verwunderlich,<br />

daß Tourismusexperten dem Thema<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> und Tourismus eine<br />

hohe wirtschaftliche Bedeutung zu-<br />

messen. Bestandteile des Kulturtouris-<br />

mus bilden zweifellos auch die be-<br />

deutenden Denkmäler unserer Indu-<br />

striegeschichte. Gerade zu dieser Fra-<br />

ge wird Herr Kollege Dr. Bärtschi aus<br />

Winterthur die Erfahrungen in der<br />

Nordostschweiz referieren und ver-<br />

deutlichen, wie sehr Bahn- und Indu-<br />

striekultur gefragt sind, um die Ge-<br />

schichte der Neuzeit anhand dieser<br />

Industriedenkmäler besser verstehen<br />

und nachvollziehen zu können.<br />

Andererseits wissen wir heute, daß ein<br />

verstärkter Tourismus aber auch sehr<br />

negative Folgen für die Denkmäler ha-<br />

ben kann. Vor allem ist hier ihre Ab-<br />

nutzung zu erwähnen. Ein starker Be-<br />

sucherstrom gefährdet, wie wir immer<br />

wieder erfahren müssen, die Substanz<br />

unserer Denkmäler. Ebenso kann der<br />

notwendige Einbau infrastruktureller<br />

Maßnahmen negative Folgen haben.<br />

Wenn allerdings der Oberbürgermei-<br />

ster einer bedeutenden mittelalterli-<br />

chen Stadt mit herausragender histori-<br />

scher Bausubstanz in diesen Tagen<br />

während eines Gesprächs auf meine<br />

Frage: „Ihre Stadt lebt doch von der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong>?", erklärt, daß diese<br />

nur ein Handikap sei, leben würde die<br />

Stadt von den Einnahmen eines gro-<br />

201


■ 3 Stuttgart-Stammheim. Sanierung des<br />

Dachstuhls der ehemaligen Kelter beim<br />

Schloß in traditioneller Zimmermannsarbeit.<br />

202<br />

ßen Industrieunternehmens, dann<br />

wird allzu deutlich, wie sehr heute lei-<br />

der auch von verantwortlichen Per-<br />

sönlichkeiten die Qualität eines Stadt-<br />

bildes unterschätzt wird. Die verschie-<br />

denen Beiträge, Diskussionen und Ex-<br />

kursionen auf dem Tagungsprogramm<br />

mögen verdeutlichen, daß eine Inve-<br />

stition für die Erhaltung und Erschlie-<br />

ßung unserer Denkmäler, dazu zähle<br />

ich das mit Informationen ausgestat-<br />

tete prähistorische Denkmal ebenso<br />

wie das herausragende barocke Klo-<br />

ster in Oberschwaben oder eine die<br />

Industriegeschichte vermittelnde In-<br />

dustrieanlage im Rhein-Neckar-Raum,<br />

gewinnbringend ist, da sie gleichzeitig<br />

eine Investition für die Zukunft darstellt<br />

und Attraktivitäten unseres Landes<br />

nachhaltig unterstützt. In einer Zeit, die<br />

geprägt ist von Freizeitgestaltung in<br />

vielfacher Weise, hat der Tourismus<br />

nicht nur eine wichtige werbewirk-<br />

same Funktion für die kulturhistorische<br />

Infrastruktur, sondern spielt auch für<br />

wirtschaftliche Fragen zunehmend<br />

eine nicht zu unterschätzende Rolle.<br />

Das zweite große Thema unseres Lan-<br />

desdenkmaltages beschäftigt sich mit<br />

dem Aspekt <strong>Denkmalpflege</strong> als Auf-<br />

traggeber, beteiligt an Ausbildung und<br />

Qualifizierung. Ich möchte deutlich<br />

machen, daß die Zuwendungen für<br />

die Denkmalerhaltung ihrerseits min-<br />

destens ein 5- bis 8-faches an Investi-<br />

tionen auslösen. Ganz generell be-<br />

deutet das, daß die <strong>Denkmalpflege</strong><br />

investitionsfördernd ist und nicht, wie<br />

oftmals in der Öffentlichkeit darge-<br />

stellt, investitionshemmend. Denk-<br />

malpflege trägt unmittelbar zur Schaf-<br />

fung von Arbeitsplätzen bei. Nach An-<br />

gaben des Deutschen Zentrums für<br />

Handwerk- und <strong>Denkmalpflege</strong> hat<br />

eine Flochrechnung allein in Hessen<br />

ergeben, daß für das Jahr 1996 durch<br />

den Wirtschaftssektor Denkmalpfle-<br />

ge ca. 5555 Arbeitsplätze geschaffen<br />

bzw. gesichert werden konnten. In<br />

dieser Berechnung wurden die um-<br />

fangreichen Altbausanierungen noch<br />

nicht berücksichtigt. Ebenso fehlen in<br />

dieser Berechnung <strong>Denkmalpflege</strong>-<br />

maßnahmen durch private Investitio-<br />

nen, die weder steuerlich begünstigt,<br />

noch durch öffentliche Förderung un-<br />

terstützt worden sind. Der Präsident<br />

des Zentralverbandes des Deutschen<br />

Handwerks brachte bei der Eröffnung<br />

der „Denkmalmesse 98" in Leipzig<br />

<strong>zum</strong> Ausdruck, daß die Denkmalpfle-<br />

ge ein in jeder Hinsicht lohnender,<br />

umsatzstarker und arbeitsplatzinten-<br />

siver Markt sei.<br />

Nach vorliegenden Schätzungen wur-<br />

den in Deutschland jährlich 12 Milliar-<br />

den DM in Maßnahmen der Denk-<br />

malpflege investiert, wovon auch ge-<br />

rade die Handwerksbetriebe in star-<br />

kem Maße profitieren. Verschiedene<br />

Untersuchungen zeigen, daß hand-<br />

werkliche Arbeiten im Bereich der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> sehr personalintensiv<br />

sind. Dies beginnt bei der Durch-<br />

führung archäologischer Ausgrabun-<br />

gen und reicht bis hin zur Restaurie-<br />

rung von Fachwerk und Innenausstat-<br />

tung. Statistische Bauauswertungen


zeigen, daß bei Sanierungsarbeiten<br />

bis zu 80% Personaikosten anfallen,<br />

während die Materialkosten bei 20%<br />

des gesamten Volumens liegen. Im<br />

Vergleich <strong>zum</strong> allgemeinen Bauge-<br />

werbe, wo Personal- und Materialko-<br />

sten je zur Hälfte anfallen, zeigt dies<br />

deutlich das Schwergewicht im Perso-<br />

nalbereich. Das wiederum bedeutet,<br />

daß bei gleichem Investitionsvolumen<br />

mehr Arbeitskräfte im Bereich der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> gefunden werden als<br />

im konventionellen Baubereich. Die<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> stärkt somit das Hand-<br />

werk als mittelständischen Sektor in-<br />

nerhalb der Cesamtwirtschaft. Sie<br />

trägt zur Entlastung des Arbeitsmarktes<br />

bei und ist ein stabilisierender Faktor<br />

in der deutschen Bauwirtschaft.<br />

Einen weiteren Faktor möchte ich<br />

hier kurz ansprechen, nämlich die<br />

gewerblich nutzbaren, denkmal-<br />

geschützten Gebäude. Sie verdeut-<br />

lichen, daß der Wert des Denkmal-<br />

und Altbaubestandes in zunehmen-<br />

dem Maße auch als Standortfaktor er-<br />

kannt wird. Historisch geprägte und<br />

gewachsene Stadtbilder tragen oft-<br />

mals zur besseren, örtlichen Lebens-<br />

qualität bei. Der Mensch von heute<br />

sucht die historischen Stadtkerne und<br />

die baulichen Besonderheiten als<br />

Erlebnis- und Identifikationsobjekte.<br />

Das Ambiente zählt zu den weichen<br />

Standortfaktoren, die mehr und mehr<br />

auch bei Cewerbeansiedlungen ei-<br />

ne Rolle spielen. Ich habe eingangs<br />

schon darauf hingewiesen, daß für<br />

lange leer stehende Industriebrachen<br />

wieder Chancen bestehen, als mo-<br />

derne Cewerbeansiedlung genutzt zu<br />

werden. Aber nicht nur die histori-<br />

schen Gebäude, sondern auch die zu-<br />

gehörige Standortqualität für die ar-<br />

beitenden Menschen spielten eine<br />

wichtige Rolle. Als ich vor einiger Zeit<br />

ein Gebäude in einer mittelalterlichen<br />

Stadt im Regierungsbezirk Stuttgart<br />

besichtigte, das mit hohen Aufwen-<br />

dungen des Eigentümers und mit Un-<br />

terstützung des Landes saniert und als<br />

neuer Sitz einer Redaktion eingerich-<br />

tet worden ist, habe ich beim Rund-<br />

gang erfahren können, wie sehr die<br />

Menschen, die hier mit modernsten<br />

technischen Einrichtungen arbeiten,<br />

geradezu begeistert sind vom histori-<br />

schen Ambiente ihres Arbeitsplatzes.<br />

Eine Umfrage bei Unternehmen, die<br />

sich in denkmalgeschützten Gebäu-<br />

den niedergelassen haben, zeigt un-<br />

ter anderem, daß für den Einzug in<br />

ein denkmalgeschütztes Gebäude mit<br />

62% die Architektur Hauptentschei-<br />

dungskriterium war, das Image schlug<br />

mit 47% zu Buche. 87% der Befrag-<br />

ten gaben an, daß sich Mitarbeiter<br />

in denkmalgeschützten Gebäuden<br />

wohlfühlen und allein 54% der Be-<br />

fragten sind der Ansicht, daß sich die<br />

Arbeitsatmosphäre in ihrem Unter-<br />

nehmen durch den Umzug in ein<br />

denkmalgeschütztes Gebäude gebes-<br />

sert hat. Rund 73% der befragten Un-<br />

ternehmergaben an, daß ihre Kunden<br />

positiv auf das denkmalgeschützte<br />

Gebäude reagieren. Ich denke, diese<br />

Zahlen dokumentieren eindrucksvoll,<br />

wie wichtig die Erhaltung unserer<br />

Denkmallandschaft auch aus solchen<br />

Gründen ist. Sie sollten alle politi-<br />

schen Kräfte in unserem Lande davon<br />

überzeugen, daß es sich lohnt, sich<br />

wieder mehr und intensiver für die<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> einzusetzen. Investi-<br />

tionen in die <strong>Denkmalpflege</strong> sind In-<br />

vestitionen in die Zukunft. Es gibt nur<br />

wenige Maßnahmen in der Kulturpo-<br />

litik unseres Landes, die so langfristig<br />

und so tiefgreifend Auswirkungen auf<br />

Gegenwart und Zukunft haben.<br />

Der dritte Bereich, dem wir uns zu-<br />

wenden wollen, behandelt das zu-<br />

kunftsorientierte Thema Denkmal-<br />

pflege als Anreger technischer Innova-<br />

tionen bzw. innovativer Verfahren.<br />

In Zukunft werden uns die Fragen mo-<br />

derner Energien auch in der Denkmal-<br />

pflege zunehmend beschäftigten. Ich<br />

nenne als Stichwort die Anbringung<br />

von Sonnenkollektoren auf histori-<br />

schen Dachflächen. Die derzeitigen<br />

technischen Möglichkeiten müssen<br />

zweifellos genutzt werden. Es stellt<br />

sich hier die Frage, wie vertragen sich<br />

die moderne Technik und das Er-<br />

scheinungsbild des Denkmals? Alle<br />

Techniker und <strong>Denkmalpflege</strong>r sind<br />

aufgefordert, sich gemeinsam Gedan-<br />

ken darüber zu machen, wie mo-<br />

derne Technik mit den Zielen der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> in Einklang gebracht<br />

werden bzw. wie sie ihr bei der Lö-<br />

sung der neuen Probleme behilflich<br />

sein kann.<br />

Ich bin der festen Überzeugung, daß<br />

wir uns dieser Aufgabe stellen müssen<br />

- in der Hoffnung, gemeinsam Lösun-<br />

gen finden zu können. Beide Seiten<br />

haben hier eine wichtige Aufgabe für<br />

die nahe Zukunft. Wir sind deshalb<br />

sehr gespannt, welche Perspektiven<br />

die Referate dieser Vortragsrunde<br />

eröffnen werden.<br />

203


Wie erfolgreich eine interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit sein kann, beweist<br />

unser Kontakt zur Deutschen Bundes-<br />

stiftung Umwelt. In der Vergangenheit<br />

konnten wir mit ihrer Hilfe auf zahlrei-<br />

chen Gebieten der <strong>Denkmalpflege</strong><br />

wichtige Forschungsprobieme ange-<br />

hen und Handreichungen für eine<br />

zukunftsorientierte und die Erhal-<br />

tung unserer Denkmäler sachgerechte<br />

praktische Anwendung erarbeiten.<br />

Ich denke, eine praxisorientierte, in<br />

die Zukunft weisende <strong>Denkmalpflege</strong><br />

bedarf stets innovativer Techniken.<br />

Von ihrer Fortentwicklung und ihrem<br />

Einsatz werden der Stellenwert von<br />

Denkmalschutz und <strong>Denkmalpflege</strong><br />

in der Gesellschaft von morgen ab-<br />

hängen.<br />

Ohne ein Ergebnis unserer Tagung<br />

vorweg nehmen zu wollen: ich bin si-<br />

cher, daß sehr viel mehr Argumente<br />

für die These sprechen, daß Denkmal-<br />

pflege ein nicht zu unterschätzender<br />

Faktor im baden-württembergischen<br />

Wirtschaftsgefüge ist, als dagegen. Vor<br />

diesem Hintergrund bin ich sehr ge-<br />

spannt auf den öffentlichen Vortrag<br />

von Prof. Dr. Wolters mit dem Titel<br />

„Brauchen wir eine andere Denkmal-<br />

pflege?" Ich meine, <strong>zum</strong>indest in fi-<br />

nanzieller Hinsicht ja. Ich richte des-<br />

halb an alle politischen Kräfte und an<br />

204<br />

die gesamte Öffentlichkeit unseres<br />

Landes den eindringlichen Appell,<br />

mehr für <strong>Denkmalpflege</strong> zu tun, als<br />

dies in den letzten drei Jahren der Fall<br />

war. Denn <strong>Denkmalpflege</strong> ist Investi-<br />

tion in die Lebensqualität der uns<br />

nachfolgenden Generationen. Der Er-<br />

halt der gefährdeten Kulturdenkmäler<br />

und damit der Erhalt wesentlicher Ele-<br />

mente unserer überlieferten, gebau-<br />

ten Geschichte ist ein wichtiger wirt-<br />

schaftlicher und ideeler Beitrag zur Zu-<br />

kunftssicherung unseres Landes.<br />

Mehr für Denkmalschutz und Denk-<br />

malpflege zu tun, bedeutet nicht nur,<br />

mehr Geld dafür bereitzustellen. Es<br />

bedeutet auch, mehrdafürzu tun, daß<br />

Denkmalschutz wieder stärker ins öf-<br />

fentliche Bewußtsein gehoben wird.<br />

Denkmalschutz beginnt in den Köp-<br />

fen der Menschen. Er ist Teil unserer<br />

Kultur, und nicht zuletzt umschließt<br />

der Begriff der Kultur den erinnernden<br />

und erforschenden Rückblick auf die<br />

Geschichte, damit wir in Gegenwart<br />

und Zukunft nicht als Gedächtnislose<br />

und Lernunfähige agieren.<br />

Prof. Dr. Dieter Planck<br />

Präsident des Landesdenkmalamtes<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Mörikestraße 12<br />

70178 Stuttgart


■ 1 Blick vom Schweizerischen Hochrhein-<br />

ufer auf Bad Säckingen mit der längsten ge-<br />

deckten Holzbrücke Europas, dem Fridolin-<br />

münster und der Altstadt,<br />

Wer mit der Schweizer Bahn von Basel<br />

nach Zürich fährt, wird gleich nach<br />

Passieren der Industriegebiete von Ba-<br />

sel und Rheinfelden links unter sich<br />

ein höchst eindrucksvolles Stadtbild<br />

erblicken. Auf moderne Bebauung<br />

folgt eine deutlich ablesbare Altstadt,<br />

begrenzt von zwei runden Wehrtür-<br />

men mit einer abwechslungsreichen<br />

und doch einheitlichen Dachland-<br />

schaft, aus der Staffelgiebel und Dä-<br />

cher repräsentativer Gebäude und<br />

die Doppelturmfassade eines großen<br />

Münsters emporragen. Weil er auf ei-<br />

ner innerschweizerischen Bahnstre-<br />

cke fährt, wird er nicht schnell realisie-<br />

ren, daß es sich um eine deutsche<br />

Stadt jenseits des Rheins handelt, Bad<br />

Säckingen mit dem Fridolinsmünster.<br />

Diesen schönsten Blick auf die Stadt<br />

vom Schweizer Ufer aus hat schon<br />

Merlan für seine Abbildung von Säk-<br />

kingen 1644 gewählt.<br />

Aber Schweizer Ufer und deutsche<br />

Stadt, das sind Begriffe, die sich sehr<br />

schnell relativieren, wenn man in der<br />

Geschichte etwas zurückgeht. Der Be-<br />

sitz des Stiftes Säckingen lag zu einem<br />

erheblichen Teil auf heute Schweizer<br />

Zum Tagungsort<br />

Wo If gang Stopfel<br />

Gebiet, umfaßte große Teile des Frick-<br />

Taies und des Kantons Glarus, der ja<br />

heute noch den heiligen Fridolin in<br />

seinem Wappen führt. Erst 1801 fiel<br />

dieser ganze Besitz an die damalige<br />

Helvetische Republik, erst durch die<br />

Säkularisation wurden die rechtsrhei-<br />

nischen Besitzungen des Stiftes 1806<br />

von <strong>Baden</strong> kassiert. Selbst die Lage der<br />

Stadt am Rhein ist nicht alt: Die drei-<br />

eckige Altstadt lag auf einer Insel und<br />

war mit dem Nordufer durch eine stei-<br />

nerne, mit dem Südufer durch eine<br />

hölzerne Brücke verbunden. Erst 1830<br />

wurde der immer mehr verlanden-<br />

de nördliche Rheinarm zugeschüttet,<br />

aus der steinernen Brücke wurde die<br />

Steinbrückenstraße, und von da an<br />

liegt Säckingen am rechten Ufer des<br />

Rheins. Die gedeckte hölzerne Brücke<br />

<strong>zum</strong> linken Ufer gibt es noch heute,<br />

sie trägt erheblich zur unverwechsel-<br />

baren Schönheit der Rheinansicht der<br />

Stadt bei.<br />

Die Schonung der Rheinansicht war<br />

eine dringende Forderung von Denk-<br />

malpflege und Heimatschutz auch bei<br />

der langjährigen Planung des Kraft-<br />

werks Säckingen, das 1966 in Betrieb<br />

205


ging. Durch die schließlich gewählte<br />

Lage oberhalb der Stadt mußte der<br />

Wasserstand vor Säckingen nicht an-<br />

gehoben und die hölzerne Rheinbrü-<br />

cke nicht höhergesetzt werden. Alier-<br />

dings war es notwendig, alle Brücken-<br />

pfeiler durch nahezu elf Meter tief<br />

gegründete Betonstützen zu erset-<br />

zen, und für die damals noch ent-<br />

schieden betriebene Schiffbarma-<br />

chung des Hochrheins wäre ihr Ersatz<br />

durch eine „Holzkonstruktion mit Ver-<br />

wendung modemer Hilfsmittel" not-<br />

wendig geworden.<br />

Zentrum - und nicht nur bauliches<br />

Zentrum - der Säckinger Altstadt, ist<br />

das sehr große Münster. Im 7. Jahrhun-<br />

dert soll der Wandermissionar Fridolin<br />

auf der Rheininsel eine Kirche erbaut<br />

haben, in der er nach seinem Tode<br />

auch begraben wurde. Spätestens im<br />

8. oder 9. Jahrhundert entstand an der<br />

Kirche eine klösterliche Niederlas-<br />

sung, vielleicht ein Doppelkloster. Er-<br />

stes sicheres Datum ist das Jahr 878, in<br />

dem der Karolinger Karl III. seiner Frau<br />

die Einkünfte aus den Frauenklöstern<br />

Zürich und Säckingen überträgt. Im<br />

heutigen Münster sind die neu zu-<br />

gänglich gemachte und restaurierte<br />

Krypta und die unteren Teile der West-<br />

front aus dem 11. Jahrhundert erhal-<br />

ten. Das Münster selbst 1360 wurde<br />

geweiht. Der gotische Bau ist unter<br />

zweimaliger barocker Überformung<br />

noch deutlich zu erkennen. Zwei<br />

Brände lösten nacheinander zwei<br />

Neugestaltungen der Kirche aus. Die<br />

erste fand 1726 ihren Abschluß, die<br />

zweite 1754 mit einer Stuckierung von<br />

Langhaus und Chor durch Johann<br />

Michael Feichtmayr und einem Fres-<br />

kenprogramm von Franz Joseph<br />

Spiegier. Von der ersten Barockaus-<br />

stattung am Anfang des Jahrhunderts<br />

erhielten sich die Stuckierung in zwei<br />

Seitenkapellen und die Fresken von<br />

Francesco Antonio Giorgioii, der auch<br />

Rheinau, St. Trudpert, Ffäfers und Muri<br />

ausmalte.<br />

Durch die Säkularisation kam das Fri-<br />

dolinmünster in die staatliche Bau-<br />

pflicht und wird von den staatlichen<br />

Hochbauämtern betreut. Eine große<br />

Innen- und Außenrenovierung wurde<br />

1975 abgeschlossen. Sie umfaßte auch<br />

umfangreiche statische Sicherungs-<br />

maßnahmen. Schon 1991 erwies sich<br />

eine erneute Renovierung des Innen-<br />

raumes als notwendig. Nun wurde al-<br />

lerdings nicht mehr abgewaschen<br />

und neu gefaßt, sondern die Reini-<br />

206<br />

gung erfolgte trocken mit dem Wish-<br />

ab-Verfahren, das sich inzwischen bei<br />

sehr vielen großen Kirchen z. B. in<br />

Konstanz, Breisach, Freiburg, bewährt<br />

hat. Die Natursteinteile der Fassade<br />

bestehen aus dem berüchtigten, über-<br />

haupt nicht witterungsbeständigen<br />

Molasse-Sandstein. Bei der Restau-<br />

rierung nach 1970 wurden die teil-<br />

weise zentimetertief ausgewitterten<br />

Steinoberflächen mit einem armierten<br />

Steinersatzmaterial überzogen, das<br />

wegen erneuter, auch statisch beding-<br />

ter Schäden inzwischen durch Natur-<br />

steinmaterial ersetzt werden mußte.<br />

Die im Laufe der Geschichte mehrfach<br />

umgestaltete untere Fassade mit ei-<br />

nem 1740 eingefügten Portal nach<br />

dem Entwurf von Bagnato wurde im<br />

Zustand belassen und ergänzt, den sie<br />

zwischen 1911 und 1914 erhielt. Deut-<br />

lich ist, wie sehr der Stukkateur, der<br />

Rokokoformen zu wiederholen such-<br />

te, noch dem Jugendstil verhaftet ist.<br />

Die West- oder eher Südwestfassade,<br />

denn die Kirche ist nicht geostet, des<br />

Münsters markiert gleichzeitig die<br />

Westgrenze des stiftischen Hoheitsge-<br />

bietes, das innerhalb des dreieckigen<br />

Stadtumrisses das ganze nordöstliche<br />

Drittel einnahm. Der Bezirk grenzt im<br />

Osten an den Rhein; in Nordwesten<br />

und Südwesten legt sich die bürgerli-<br />

che Stadt um den Stiftsbezirk herum,<br />

im Nordwesten nur mit einer Häuser-<br />

zeile an der heutigen Fischergasse mit<br />

Resten der Stadtmauer. Quer durch<br />

den südwestlichen Teil der Bürger-<br />

stadt führt die nicht geradlinig ver-<br />

laufende Verbindungsstraße zwischen<br />

den beiden ehemaligen Rhein-<br />

brücken, die früher in einem Teil als<br />

Marktstraße diente. Beide Straßen<br />

weisen einen reichen historischen Be-<br />

stand an spätmittelalterlich-frühneu-<br />

zeitlichen Häusern in nahezu unun-<br />

terbrochener Reihe auf, natürlich mit<br />

vielen späteren Veränderungen. Eine<br />

ähnliche Häuserzeile gibt es noch<br />

in der Metzgergasse. Am Ende der<br />

Rheinbrückstraße, am Eingang zur ge-<br />

deckten Holzbrücke, steht der Hall-<br />

wyler Hof, Stadthaus eines Komturs<br />

der Deutschordenskommende Beug-<br />

gen, 1601, mit älteren Teilen. Weil Vik-<br />

tor von Scheffel in diesem Hause<br />

wohnte, ist es eher unter dem Namen<br />

Scheffelhaus bekannt. Mit dem Na-<br />

men Scheffel verbunden ist selbstver-<br />

ständlich auch das ehemalige Wasser-<br />

schloß der Herren von Schönau, im<br />

16. Jahrhundert als viertürmige Was-<br />

serburg errichtet, das Trompeter-<br />

schloß, ein Schauplatz des Versepos<br />

von Viktor von Scheffel, das ihn<br />

berühmt machte. Den zugehörigen<br />

Park mit einem Pavillon des 18. Jahr-<br />

hunderts und den dahinterliegenden<br />

alten Friedhof werden wir heute<br />

Abend betrachten können.<br />

Die Pflege des überkommenen Bildes<br />

der Altstadt ist der Stadt Säckingen ein<br />

sehr wichtiges Anliegen. Schon im<br />

Jahre 1961 wurde die gesamte Altstadt<br />

in das Denkmalbuch eingetragen.<br />

Rechtsgrundlage dafür war das badi-<br />

sche Denkmalschutzgesetz. Wahr-<br />

scheinlich werden viele von Ihnen<br />

nicht mehr wissen, daß ziemlich ge-<br />

nau vor fünfzig Jahren, am 12. Juli<br />

1949, das erste Denkmalschutzgesetz<br />

in der Bundesrepublik nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg in Kraft trat. „Das<br />

badische Volk hat durch den Landtag<br />

am 12. Juli 1949 das folgende Gesetz<br />

beschlossen", heißt es, und das Ju-<br />

biläum sollte sicher ein Anlaß sein, nur<br />

einige Worte über dieses Gesetz zu sa-<br />

gen. Es galt im Land <strong>Baden</strong>, später im<br />

Regierungsbezirk Freiburg, bis <strong>zum</strong><br />

Inkrafttreten des baden-württember-<br />

gischen Denkmalschutzgesetzes am<br />

1. januar1972. Das alte Gesetz hat den<br />

Gedanken der <strong>Denkmalpflege</strong> inner-<br />

halb des Regierungsbezirks und die<br />

Tätigkeit der für seinen Vollzug zustän-<br />

digen Landesämter für Denkmal-<br />

pflege und für Ur- und Frühgeschichte<br />

in ganz starkem Maße beeinflußt. Es<br />

war ein volkstümliches Gesetz mit<br />

ausführlicher Begründung zu Sinn<br />

und Zweck der <strong>Denkmalpflege</strong>, mit<br />

erstaunlich unbürokratischen Formu-<br />

lierungen und mit einerstarken Beto-<br />

nung des Gedankens des Heimat-<br />

schutzes über die klassifizierten und<br />

juristischen festgezurrten Kulturdenk-<br />

mäler hinaus. Den sehr weitreichen-<br />

den Vollmachten des Denkmalamtes<br />

auf der einen Seite stand auf der an-<br />

deren Seite die Forderung gegenüber,<br />

dem Gesetz vor allem durch Beratung<br />

und Überzeugung Geltung zu ver-<br />

schaffen. Viele Bestimmungen des ba-<br />

dischen Denkmalschutzgesetzes wa-<br />

ren Vorbild für ähnliche in allen spä-<br />

teren Denkmalgesetzen der Bundes-<br />

republik, darunter auch diejenige,<br />

durch die der Denkmalschutz auch<br />

auf Straßen-, Platz- oder Ortsbilder,<br />

die in ihrer Gesamterscheinung als<br />

Kulturwerte anzusehen sind, ausge-<br />

dehnt werden kann. Für eine solche<br />

Bestimmung gab es überhaupt nur ei-<br />

nen Vorläufer, das sächsische Heimat-


schutzgesetz von 1934. Charakteri-<br />

stisch für Gesetz und Cesetzesvollzug<br />

ist es, daß eine solche Eintragung wie<br />

in Säckingen von der Oberen Denk-<br />

malschutzbehörde hätte verfügt wer-<br />

den können, nachdem sie die Ge-<br />

meinde dazu gehört hatte. Tatsächlich<br />

aber stellte nach einem Jahr der Bera-<br />

tung und Überlegung der Gemeinde-<br />

rat den Antrag. Nachdem 1974 ein Teil<br />

der Altstadt von Säckingen festgeleg-<br />

tes Sanierungsgebiet war, wurde der<br />

Eintrag ins Denkmalbuch 1976 durch<br />

eine Gestaltungssatzung für die Säk-<br />

kinger Altstadt ergänzt. In ihrer Einlei-<br />

tung ist die Eigenart des Altstadtbildes<br />

beschrieben, die Weiträumigkeit des<br />

Stiftsbezirks und die charakteristische<br />

Form der aus vielen kleinen Häusern<br />

bestehenden Straßenbilder. Der Erhal-<br />

tung dieser charakteristischen Eigen-<br />

heiten gilt die Satzung. Sie deckt das<br />

gleiche Gebiet ab wie die Denkmal-<br />

bucheintragung, bezieht aber auch<br />

das Rheintalzentrum und die jeweils<br />

gegenüberliegende Straßenseite um<br />

den geschützten Bereich herum ein in<br />

der sicher richtigen Überzeugung, daß<br />

eine mißglückte Baumaßnahme auch<br />

einen erheblich größeren Bereich ver-<br />

unstalten kann.<br />

Säckingen war eine der ersten Städte<br />

in <strong>Baden</strong> <strong>Württemberg</strong>, die die finan-<br />

ziellen und gestalterischen Möglich-<br />

keiten der Stadterneuerungsprogram-<br />

me nach dem Städtebaufördemngs-<br />

gesetz nutzte. Zu sehr ausgedehnten<br />

Maßnahmen innerhalb des Altstadt-<br />

bereichs gehörte etwa die Erweiterung<br />

des Rathauses, das nun die bauliche<br />

Gestalt des alten Konvents am Frido-<br />

linmünster anschaulich werden läßt,<br />

und die Sanierung der teilweise in ei-<br />

nem höchst betrüblichen Zustand be-<br />

findlichen Gebäude des ehemaligen<br />

Stiftsbezirkes, etwa des Alten Hofes<br />

auf der Rheinseite und des Frühmes-<br />

nerhauses auf der Fischergassenseite.<br />

Dazu gehört aber auch der Verzicht<br />

auf eine Bebauung der Freiflächen in-<br />

nerhalb des Stiftsbezirkes. Auch eine<br />

große Baumaßnahme war Teil des Sa-<br />

nierungskonzeptes: Auf dem zuge-<br />

schütteten Rheinarm gab es nämlich<br />

nur eine spärliche Bebauung mit vie-<br />

len Schuppen und großen Gärten, al-<br />

lerdings auch mit einigen wertvollen<br />

Gebäuden des 19. Jahrhunderts. Hier<br />

entstand nach einem Entwurf des<br />

Büros F 70 in Freiburg ein ganz neuer<br />

Stadtteil mit höchst unterschiedlichen,<br />

aufeinander bezogenen Nutzungen,<br />

u.a. dem Kurhaus, in dem wir uns<br />

heute befinden. Die Gestaltung der<br />

Bauten ist heute schon deutlich als Ar-<br />

chitektur der siebziger Jahre des 20.<br />

Jahrhunderts zu erkennen. Deutlich ist<br />

aber auch das Bestreben, der Altstadt<br />

von Säckingen mit diesem angren-<br />

zenden Viertel möglichst wenig weh-<br />

zutun und das Neue als Erweiterung,<br />

nicht als Konkurrenz zur Altstadt er-<br />

scheinen zu lassen. <strong>Denkmalpflege</strong>-<br />

probleme gab es nur insofern, als ein-<br />

zelne alte Gebäude am Rande in das<br />

Konzept einbezogen wurden, u. a. das<br />

höchst bescheidene Marienhaus, das<br />

aber als das alte Badhaus und Badho-<br />

tel eine signifikante Bedeutung für den<br />

Kurort Bad Säckingen hat. Die Verlei-<br />

hung des Titels „Bad" stammt erst aus<br />

dem Jahr 1978, aber die Nutzung der<br />

Thermalquelle wird bereits in der Le-<br />

bensbeschreibung des Stadtheiligen<br />

Fridolin aus der Mitte des 10. Jahrhun-<br />

derts erwähnt. Leider nicht erhalten<br />

und einbezogen in die Gestaltung des<br />

Rheintalzentrums wurde das große<br />

alte Gasthaus „Zum Schützen", was<br />

der Stadtverwaltung herbe Kritik nicht<br />

nur von seifen des Denkmalamtes,<br />

sondern auch von Säckinger Bürgern<br />

und Vereinen eintrug, denn in Säckin-<br />

gen ist das Bewußtsein für die Qualität<br />

der Stadt sehr ausgeprägt; bürger-<br />

schaftliches Engagement meldet sich<br />

zu Wort und schont dabei weder die<br />

Stadtverwaltung noch das Landes-<br />

denkmalamt, wie wir es <strong>zum</strong> Beispiel<br />

bei der Renovierung der Holzbrücke<br />

erlebt haben. Dem bürgerschaftlichen<br />

Engagement, das sich in den letzten<br />

Jahren ganz besonders in der Tätigkeit<br />

der Projektgruppe Au-Friedhof mit<br />

Frau Enderle-Jehle manifestiert, steht<br />

eine Stadtverwaltung gegenüber, der<br />

die Erhaltung des Altstadtbildes, die<br />

Beschäftigung mit der Geschichte der<br />

Stadt und die Zusammenarbeit mit<br />

der <strong>Denkmalpflege</strong> ein Anliegen ist.<br />

Aufgabe des amtlichen Denkmal-<br />

pflegers ist es dabei, dem Gedanken<br />

<strong>zum</strong> Erfolg zu verhelfen, daß es nicht<br />

nur auf das Bild eines Gebäudes an-<br />

kommt, sondern daß das Ziel sein<br />

muß, auch den unabdingbaren mate-<br />

riellen Bestand der Denkmäler mit sei-<br />

nem unschätzbaren Quellenwert und<br />

seiner Geschichte weiter zu überlie-<br />

fern. Das gilt nicht nur für die Altstadt,<br />

sondern auch für manche Bauten<br />

außerhalb von dieser, Denkmäler, die<br />

auch die gerade fertiggestellte Denk-<br />

malliste ausweist. Jenseits des nörd-<br />

lichen Rheinarmes auf dem „Festland"<br />

bestand schon seit Jahrhunderten ein<br />

zu Säckingen gehöriges Gewerbe-<br />

gebiet mit Mühlen, auch Eisenwer-<br />

ken und Gerbereien. Die Werkstät-<br />

ten bezogen ihre Energie aus einem<br />

künstlich angelegten Wasserverlauf,<br />

dem Heidenwuhr. Im 19. Jahrhundert<br />

wurde dieses Gebiet ein Zentrum<br />

der Textilindustrie. Ein eindrucksvolles<br />

verbliebenes Zeugnis dafür ist die rie-<br />

sige schloßartige Fabrik, Rheinschloß<br />

genannt, neben dem Bahnhof. Das<br />

am besten erhaltene Beispiel für die<br />

natürlich zugehörigen Fabrikantenvil-<br />

len stellt die Villa Berberich dar, die<br />

heute in das Kurgebiet einbezogen ist.<br />

Auch über einen wichtigen Kirchen-<br />

bau von 1863 verfügt Säckingen. Die<br />

Pfarrkirche von Obersäckingen ist ein<br />

Spätwerk von Heinrich Hübsch, des<br />

nach Weinbrenner für die Geschichte<br />

der Architektur in <strong>Baden</strong> einflußreich-<br />

sten Baudirektors der Hochbauver-<br />

waltung.<br />

In der Nähe dieses Hauses steht eine<br />

Bronzestele des Bildhauers Klaus<br />

Ringwald, die Merkpunkte der Säckin-<br />

ger Geschichte festhält: das Leben des<br />

heiligen Fridolin, die Geschichte des<br />

Trompeters von Säckingen, die Ge-<br />

schichte des Heilbades und die Ent-<br />

stehung dieses Rheintalzentrums. Das<br />

alles macht Säckingen aus und noch<br />

viel mehr.<br />

Wenn Sie über unser spezielles Thema<br />

hinaus heute und morgen auch<br />

Säckingen besehen, glaube ich, daß<br />

Sie sich überzeugen können, daß die<br />

Wahl dieser Stadt für den Landes-<br />

denkmaltag eine gute Wahl war.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Stopfe!<br />

LDA • Bau- und Kunstdenkmalpflege<br />

Sternwaldstraße 14<br />

70102 Freiburg / Breisgau<br />

207


Altstädte - Denkmalgeschützte<br />

Freilichtmuseen oder moderne Dienst-<br />

leistungszentren<br />

Günther Nufer<br />

Zwei lustlose braune Pferde trotten<br />

vor einem Zweiradkarren mit eisenbe-<br />

reiften Rädern über holpriges Kopf-<br />

steinpflaster. Der junge Mann auf dem<br />

Kutscherbrett hält sie am langen Zü-<br />

gel. So schwimmen sie in der schma-<br />

len, von mittelalterlichen Häusern ge-<br />

säumten Gasse förmlich in einem<br />

Strom von Menschen, die mit Jeans,<br />

bunten Hemden, Baseball-Mützen so<br />

gar nicht zu den Häuserfassaden pas-<br />

sen. Wir erleben keine Zeitentransfor-<br />

mation, sondern den Alltag eines Frei-<br />

zeitparks in den USA. Die künstliche<br />

Urbanität des Kulissenstädtchens zieht<br />

täglich Tausende von Besuchern an.<br />

In unseren historischen Stadtquartie-<br />

ren können wir den Zeitraffer zwi-<br />

208<br />

schen Geschichte und Moderne live<br />

erleben. Echte Urbanität wird aber<br />

auch hier nur entstehen, wenn die al-<br />

ten Häuser Hülle sind für neuzeitliche<br />

Wohnungen und attraktive Geschäfte.<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> muß als wichtiger Teil<br />

eines Stadtentwicklungskonzepts ein-<br />

gebunden sein in einen Masterplan,<br />

der den Altstädten <strong>zum</strong>indest einen<br />

Großteil der traditionellen Multifunk-<br />

tion zuweist.<br />

Am Beispiel der Stadtsanierung in Bad<br />

Säckingen will ich unseren Weg zu<br />

dem Ziel aufzeigen, den Altstadtkern<br />

wieder zu einem Zentrum privater<br />

und öffentlicher Dienstleistungen,<br />

aber auch der Kommunikation wer-<br />

den zu lassen.<br />

■ 1 Bad Säckingen. Das 1985/86 renovierte<br />

Schloß Schönau, das „Trompeterschloß". Der<br />

frühere Adelssitz beherbergt heute das<br />

Hochrheinmuseum und das Trompetenmu-<br />

seum.<br />

Die Stadt<br />

Die Bad Säckinger Altstadt war ur-<br />

sprünglich eine von zwei Rheinarmen<br />

umflossene Insel. Die Gebäudepro-<br />

portionen haben sich gegenüber der<br />

Merian-Darstellung von 1630 bis<br />

heute nur wenig verändert. Die wich-<br />

tigsten Häuser erhielten ihre Grund-<br />

form Ende des 17. Jahrhunderts, nach-<br />

dem der größte Teil der Stadt durch<br />

den Dreißigjährigen Krieg und einen<br />

großen Brand zerstört worden war.<br />

Der Stadtgrundriß mit Straßenräumen<br />

und Plätzen ist ebenfalls weitgehend<br />

in seiner mittelalterlichen Form erhal-<br />

ten. An der Rheinseite der Insel be-<br />

grenzen zwei Türme - der Gallus- und<br />

der Diebsturm - die Stadt. Im südöst-


4/99 DENK :m ALSTIFTUNG<br />

Inhalt;<br />

1 Renchen, Ortenaukreis<br />

3 Interview<br />

4, 6 Nachrichten<br />

5 Kirchheim/Ries<br />

8 Details am Bau<br />

8 Baumeister<br />

8 Denkmalrätsel<br />

BADEN IWÜRTTEMBERG<br />

Simplicissimus-Haus Renchen:<br />

Ein Dichter als Bürgermeister<br />

Hans Jakob Christoffel von Grimmels-<br />

hausen, 1621 oder 1622 in Gelnhau-<br />

sen im Spessart geboren, beendete sein<br />

gefahrvolles, abenteuerliches Leben 1676<br />

als Bürgermeister in Renchen, wo man<br />

1998 nun, 350 Jahre nach Abschluß<br />

des Westfälischen Friedens, ein Simpli-<br />

cissimus-Haus eingerichtet hat. Kein Hei-<br />

mat- und Dichtermuseum mit Dreschfle-<br />

geln, alten Bettladen oder ausgestopften<br />

geln, sondern ein Ort, der sich in seinem<br />

jsstellungsbereich den Nachwirkungen<br />

Grimmelshausens widmet,<br />

der künstlerischen Aus-<br />

einandersetzung<br />

mit dem größten<br />

deutschen Ba-<br />

rockdichter.<br />

Und dazu eine lebendige Kulturstätte<br />

mit literarisch-musikalischen Veranstal-<br />

tungen auf hohem Niveau.<br />

Ortsbildprägender Abrißfall<br />

Das heute so genannte Grimmelshau-<br />

sen-Haus ist ein spätbarockes Kultur-<br />

denkmal aus dem Jahr 1756, das die Stadt<br />

Renchen 1984 erwarb, um es vor dem Ab-<br />

riß zu retten. Mittlerweile bildet es mit<br />

dem Rathaus und dem Gasthof <strong>zum</strong> Bären<br />

in unmittelbarer Nachbarschaft ein be-<br />

hagliches, ortsbildprägendes Ensemble.<br />

Dies Ackerbürgerhaus von 1756 folgte<br />

wohl Grimmelshausens tatsächlichem<br />

Wohnhaus nach und steht auf dem Platz,<br />

den der Dichter seinerzeit ständig fre-<br />

quentieren mußte als Bürgermeister, ein<br />

Amt, das er zwischen 1667 bis zu seinem<br />

Tod im Jahr 1676 inne hatte. Dabei muß-<br />

te auch diese Friedenszeit für Grimmels-<br />

hausen stürmisch gewesen sein - Ren-<br />

chen, am Ende des Dreißigjährigen<br />

Kriegs auf 17 Familien zusam-<br />

mengeschrumpft, hatte zur<br />

Zeit von Grimmelshausens<br />

Amtsausübung schon wie-<br />

der 700 Einwohner. Er mußte<br />

sich also um die Unterbringung<br />

Hunderter Flüchtlinge hier küm-<br />

mern - kein ganz unaktuelles Pro-<br />

blem für einen Bürgermeister.<br />

Zudem erschien 1668, gerade, daß<br />

er sein Renchener Amt ein Jahr ver-<br />

sehen hatte, sein bis heute be-<br />

rühmtester Roman, das Opus mag-<br />

num der deutschen Barockliteratur,<br />

„Der Abentheuerliche Simplicissi-<br />

mus Teutsch" unter dem anagram-<br />

Wieder zu einer markanten Position<br />

im Stadtbild geworden, das Simplicissimus-<br />

oder Grimmelshausen-Haus.


matischen, also aus den Buchstaben sei-<br />

nes Namens zusammengesetzten Pseud-<br />

onym „German Schleifheim von Sulsfort".<br />

Ein Kunstname, so geschickt ausbaldo-<br />

wert, daß er erst im 19. Jahrhundert ent-<br />

rätselt wurde.<br />

Hugo-Häring-Preis für erlebbare<br />

Baugeschichte<br />

Die Renchener haben alles getan, um<br />

das Andenken ihres großen Bürger-<br />

meisters aufrechtzuerhalten und dazu das<br />

verdiente Glück gehabt, daß der Umbau<br />

ihres Simplicissimus-Hauses in diesem<br />

Jahr auch noch den „Hugo-Häring-Preis<br />

2000" verliehen bekommen hat. In der<br />

Blick in den Ausstellungsraum mit seinen<br />

leichten Vitrinen und dem freigelegten Gebälk.<br />

Würdigung zu dieser äußerst angesehe-<br />

nen Auszeichnung des BDA <strong>Baden</strong>-Würt-<br />

temberg, mit dem für das Grimmelshau-<br />

sen-Haus die Karlsruher Architekten Adler<br />

und Retzbach geehrt wurden, heißt es:<br />

„Im Rahmen der Sanierung werden alle<br />

Veränderungen, die das Denkmal im Laufe<br />

der Jahrhunderte erfahren hat, sichtbar<br />

gemacht; die historische Baukonstruktion<br />

wird für den Besucher des Museums er-<br />

lebbar. Die Architekten zeigen viel Sensi-<br />

bilität im Umgang mit der alten Bausub-<br />

stanz und fügen behutsam neue Elemente<br />

in das Gebäude ein, die Einbindung in den<br />

städtebaulichen Außenraum ist mit einfa-<br />

chen Mitteln ebenso überzeugend gelöst."<br />

Das schmucke Gebäude war früher in rei-<br />

nem Sichtfachwerk ausgeführt, wurde aber<br />

Geschichte im Überblick<br />

1621 oder 1622: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen<br />

in Gelnhausen (Spessart) geboren<br />

1639: Musketier und später Regimentsschreiber In Offenburg<br />

1649-1665: Verschiedene Verwaltertätigkelten<br />

in der Ortenau<br />

1665: Schankwirt in Gaisbach („Silberner Stern")<br />

1667-1676: Bischöflich-straßburgischer Schultheiß<br />

in Renchen<br />

1668: Der „Simplicissimus" erscheint<br />

1984: Rettungskauf des Grimmelshausen-Hauses<br />

durch die Gemeinde Renchen<br />

1996: Baubeginn des Grimmelshausen-Hauses als moderne,<br />

der Rezeptionsgeschichte vorbehaltene Gedenkstätte<br />

1998: Am 2. Oktober Eröffnung des Hauses<br />

1999: Hugo-Häring-Preis<br />

wohl im 19. Jahrhundert verputzt, um ihm<br />

das Aussehen eines Steinhauses zu verlei-<br />

hen. Damals bekam es auch seinen winzi-<br />

gen, geradezu koketten Krüppelwalm.<br />

Dies Museumsgebäude will seine Konzep-<br />

tion gewissermaßen auch nach draußen<br />

tragen. So wird man vor dem Haus von ei-<br />

ner lebensgroßen Bronzeskulptur Gio-<br />

como Manzüs empfangen, einem der be-<br />

deutendsten Bildhauer unserer Tage. Sein<br />

Thema hier: „Der Jäger von Soest", der<br />

im „Simplicissimus" als „Kriegsheld" den<br />

deutschen Nordwesten durchstreift.<br />

Öffnungen nach außen und innen<br />

Bemerkenswert an diesem Literatur-<br />

haus ist auch, daß es nicht so sehr ein<br />

Archiv oder Museum ist, sondern vielmehr<br />

ein Ort der Grimmelshausen-Rezeption in<br />

unserem Jahrhundert, und damit wohl ei-<br />

ner der ersten rein rezeptionsgeschichtli-<br />

chen Literaturorte Deutschlands. Dabei<br />

ist „Offenheit" überhaupt das Stichwort<br />

für dieses Renchener Haus: Es öffnet sich<br />

nach draußen <strong>zum</strong> Rathausplatz und<br />

Grimmelshausenbrunnen über eine Art<br />

Schaufenster - die Leute sollen also von<br />

außen ins Museum sehen können wie in<br />

ein Schaufenster. Ein so raffiniertes wie<br />

einfaches Mittel, den Besuchern die viel-<br />

beschworene „Schwellenangst" zu nehmen.<br />

Durch die moderne Stahltreppe mit Mes-<br />

singhandlauf bekommt das Haus aber<br />

auch inwendig eine vertikale Offenheit,<br />

die es naturgemäß vor dem Umbau in<br />

seiner biedermeierlichen Verstiegenheit<br />

noch nicht hatte haben können. Eine ganz<br />

eigene Form der Offenheit ergibt sich<br />

dann an der Hinterfront; der frühere Ab-<br />

ßlick in die ehemalige Küche des Grimmels-<br />

hausen-Hauses.


tritt ist heute in einen rechteckigen ücht-<br />

schacht verwandelt, der den ersten Stock<br />

mit „available light" versorgt, ein Licht-<br />

häuschen sozusagen.<br />

„Grimmelshausen lebt und bedarf keines<br />

Grabsteins", heißt es denn auch im<br />

sprachlich und gedanklich überraschend<br />

luziden Konzeptionspapier der preisge-<br />

krönten Karlsruher Architekten Adler Et<br />

Retzbach. Alles in allem wurde auch hier<br />

wieder aus einem Abriß- ein Glücksfall,<br />

an dessen hohen Gesamtkosten von fast<br />

AKTIV<br />

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Unterm Balkenhimmel; der Seminarraum<br />

im Simplicissimus-Haus.<br />

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11N DER DENKMALPFLEGE<br />

Staatssekretär Dr. Horst Mehrländer. 60, seit 1996 im Wirtschaftsministerium tätig,<br />

außerdem Vorsitzender des Kuratoriums der Denkmalstiftung <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

War der Denkmalschutz mit seinen<br />

Aufgaben und Problemen beim Beginn<br />

Ihres jetzigen Amtes neu für Sie?<br />

Zu Beginn meiner Amtszeit als Staats-<br />

sekretär im Wirtschaftsministerium<br />

wurde ich vom Kuratorium der Denk-<br />

malstiftung <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> <strong>zum</strong><br />

Vorsitzenden gewählt. Seitdem nehme<br />

ich diese Aufgabe mit großem Inter-<br />

esse und Begeisterung wahr.<br />

Daß auch beim Denkmalschutz auf-<br />

grund der angespannten Kassenlage<br />

im Lande schon ordentlich gespart<br />

werden mußte, wissen wir alle. Ist die<br />

Situation durch den enormen Nach-<br />

holbedarf beim Denkmalschutz in den<br />

Neuen Bundesländern noch zusätz-<br />

lich verschärft worden?<br />

In der Tat konnte auch die <strong>Denkmalpflege</strong> von dem Zwang<br />

zu deutlichen Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben<br />

in den letzten Jahren nicht verschont werden. So ist das<br />

jährliche Bewilligungsvolumen für die staatlichen Denk-<br />

malzuschüsse von rund 60 Mio DM im Jahre 1995 auf rund<br />

35 Mio DM im Jahre 1999 gesunken. Eine direkte Auswir-<br />

kung des enormen Mitteleinsatzes für die Rettung der Kul-<br />

turdenkmale in den Neuen Bundesländern auf die Situa-<br />

tion der <strong>Denkmalpflege</strong> in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> gibt es<br />

nicht. Im Rahmen der Kulturhoheit der Länder ist jedes<br />

Bundesland selbst dafür verantwortlich, wieviel Haus-<br />

haltsmittel es für seine <strong>Denkmalpflege</strong> zur Verfügung<br />

stellt. Insgesamt allerdings ist der Haushalt des Landes<br />

durch die hohen Ausgleichszahlungen im Länderfinanz-<br />

ausgleich, die auch dem Aufbau Ost zugute kommen, zu-<br />

sätzlich belastet, so daß auch der finanzielle Spielraum für<br />

die <strong>Denkmalpflege</strong> dadurch eingeschränkt ist.<br />

Es liegt in der Natur der Sache, daß der Denkmalschutz<br />

häußg auch Einschränkungen für den Eigentümer mit sich<br />

bringt. Wo liegen Ihrer Meinung nach Grenzen der Zu-<br />

mutbarkeit? Müßten nicht auch Leistungen auf diesem<br />

Gebiet, die der Einzelne für die Allgemeinheit erbringt, ge-<br />

nerell mittels Steuergeldem vom Staat ausgeglichen wer-<br />

den?<br />

Die Grenzen der Zumutbarkeit sind dort erreicht, wo der<br />

Denkmaleigentümer gezwungen wäre, für die Erhaltung<br />

DM 1200000 die Denkmalstiftung mit<br />

DM 170000 beteiligt ist. Ein vergleichs-<br />

weise hoher Betrag, der sich übrigens, wie<br />

es im Protokoll der Denkmalstiftung<br />

heißt, mit „dem außergewöhnlichen En-<br />

gagement des Fördervereins" begründen<br />

läßt, der die erstaunliche Summe von<br />

mehr als DM 600000 aufgebracht hat.<br />

(Simplicissimus-Haus, Hauptstraße 56,<br />

77 871 Renchen, Tel. 07 843/707-20.<br />

Öffnungszeiten Do 17-20, So 15-18 Uhr. Führungen<br />

nach Vereinbarung.)<br />

des Denkmals zusätzliche Mittel aufzubringen, die nicht<br />

durch den Nutzen oder den Ertrag des Denkmals gedeckt<br />

sind. Deshalb ist auch die Denkmalförderung von so<br />

grundlegender Bedeutung für die <strong>Denkmalpflege</strong>. In vie-<br />

len Fällen kann mit Hilfe der Zuschüsse überhaupt erst die<br />

Zumutbarkeit von Erhaltungsinvestitionen für den Denk-<br />

maleigentümer hergestellt werden. Eine indirekte Förde-<br />

rung erhält der Denkmaleigentümer durch die Möglich-<br />

keit, seine Investitionen für die Erhaltung und Nutzung des<br />

Baudenkmals mit 10 v.H. pro Jahr abschreiben zu können.<br />

Wo sehen Sie in diesem sozial und rechtlich komplexen<br />

Bereich die wichtigsten Aufgaben der Denkmalstiftuna im<br />

Lande?<br />

In vielen Fällen ist es erst durch die Zuschüsse der Denk-<br />

malstiftung <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> möglich, die erforderli-<br />

chen Mittel für die Erhaltung wichtiger Kulturdenkmale<br />

aufzubringen. Denn die Denkmalstiftung kann auch dort<br />

tätig werden, wo mit staatlichen Zuschüssen nicht oder<br />

nicht ausreichend geholfen werden kann. Die gesell-<br />

schaftspolitisch wichtigste Bedeutung der Denkmalstif-<br />

tung sehe ich darin, daß sie vornehmlich Bürgerinitiativen,<br />

Fördervereine und im weitesten Sinne privates Engage-<br />

ment unterstützt.<br />

Unsere letzte Frage ist immer etwas persönlich und die<br />

Antwort sollte durchaus auch subjektiv sein: Welche<br />

denkmalschützerischen Maßnahmen in Ihren Amtsjahren,<br />

bzw. welche Instandsetzungen und „Rettungen" halten<br />

Sie für besonders erfreulich. Welche Maßnahmen, denken<br />

Sie, sind in der mittelfristigen Zukunft vordringlich und<br />

wichtig?<br />

Natürlich freue ich mich über alle gelungenen Maßnah-<br />

men zur Erhaltung von Kulturdenkmalen. Wenn ich ein<br />

Objekt hervorheben soll, dann ist es die Wutachtalbahn,<br />

auch „Sauschwänzlebahn" genannt, die wegen ihrer<br />

großen Bedeutung für den Tourismus eine konzertierte<br />

Förderung durch Denkmalschutz- und Fremdenverkehrs-<br />

mittel erhalten hat. Gefreut hat mich auch, daß so wich-<br />

tige, aber in ihrer Existenz gefährdete Kulturdenkmale, wie<br />

die Kelter in Knittlingen oder Schloss Ramsberg, mit Hilfe<br />

der Denkmalstiftung gerettet werden konnten. Was die<br />

Zukunft betrifft, so würde ich mich sehr freuen, wenn es<br />

gelingen würde, das ehemalige Kurtheater in Bad Wildbad<br />

vor dem Untergang zu retten und wieder in seiner alten<br />

Pracht herzustellen.<br />

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3


I<br />

Wissenswertes<br />

aus der <strong>Denkmalpflege</strong><br />

Kloster Beuren als „Kulturdenk-<br />

mal von besonderer Bedeutung"<br />

Auf Beschluß des Denkmalrats beim<br />

Regierungspräsidium Tübingen wurde<br />

das Kloster Beuron im Oberen Donautal<br />

ins Denkmalbuch eingetragen und da-<br />

durch unter besonderen Schutz gestellt.<br />

Ohne Zustimmung der Denkmalschutz-<br />

behörden dürfen nun keine Veränderun-<br />

gen mehr vorgenommen werden. Die ent-<br />

sprechende Begründung lautet, daß die<br />

Klosteranlage „aus künstlerischen, wis-<br />

senschaftlichen und heimatgeschichtli-<br />

Die Preisträger<br />

unseres zweiten Denkmalrätsels<br />

Unser Preisrätsel, In dem wir den<br />

hochveranlagten Rokokokünstler und<br />

Architekten Johann Christian Wenzin-<br />

ger (Wentzinger) und sein „Haus <strong>zum</strong><br />

Schönen Eck" am Freiburger Münster-<br />

platz gesucht haben, scheint doch um<br />

einiges schwieriger gewesen zu sein als<br />

das erste, bei dem wir ja den Fried-<br />

richshafener Hafenbahnhof gesucht<br />

haben. Denn zu Wenzinger kamen nur<br />

ungefähr halb so viele Einsendungen<br />

wie zu Friedrichshafen. Offensichtlich<br />

haben die deutlichen Querverweise,<br />

etwa auf das Porträt des nebenstehen-<br />

den Kollegen Michel d'lxnard man-<br />

chem ebensowenig genutzt wie der<br />

Wink mit einem „der schönsten Plätze<br />

Deutschlands ..., mit Gotik und Renais-<br />

sance reich bedacht". Dahinter meinten<br />

wir, müsse man einfach den Freiburger<br />

Münsterplatz erahnen und könne nun<br />

auch das „Haus <strong>zum</strong> Schönen Eck" kei-<br />

nesfalls mehr verfehlen. Doch nun auf<br />

ein Neues und wir sind gespannt, ob<br />

das heutige Rätsel eine Nuß ist, die<br />

viele knacken - hoffentlich.<br />

Wer übrigens letztes Mal zur richtigen<br />

Ahnung auch noch ein Quentchen<br />

Glück hatte, bekam den schönen Be-<br />

gleitband zur Ausstellung über Vor-<br />

derösterreich - zu dem ja einst auch<br />

Freiburg gehörte - „Nur die Schwanz-<br />

feder des Kaiseradlers?" Die Gewinner<br />

(in alphabetischer Reihenfolge):<br />

Claus Gräwe, Inzigkofen;<br />

Dr. Wolfgang Köhler, Freiburg:<br />

Joachim Landerer, Seelbach;<br />

Josef Schneider, Bruchsal:<br />

Dr. Eva Christina Vollmer, Wiesbaden.<br />

4<br />

Inmitten der prächtigen Felskulisse<br />

des Oberen Donautals liegt Kloster Beuron.<br />

chen Gründen ein Kulturdenkmal ganz<br />

besonderer Bedeutung" darstelle. Das<br />

1075 gegründete Augustiner-Chorher-<br />

renstift wurde 1657 zur Abteikirche erho-<br />

ben, 1802 säkularisiert, doch 60 Jahre<br />

später von zwei Benediktinerpatres reak-<br />

tiviert. 1868 hatte Beuron dann wieder<br />

den Rang einer Abtei und 1887 gar den<br />

einer Erzabtei, von der damals eine Er-<br />

neuerung des benediktinischen Mönch-<br />

tums ausging. Derzeit sind es sechzehn<br />

Klöster in Deutschland, Österreich und<br />

Südtirol, die der Beuroner Benediktiner-<br />

Kongregation angehören. An der statt-<br />

lichen Anlage, die hauptsächlich im 18.<br />

und 19. Jahrhundert entstand, haben die<br />

Barockbaumeister Franz Beer und Mathias<br />

Scharpf mitgewirkt. Aus der berühm-<br />

ten Wessobrunner Schule stammt der<br />

Stuck in der Bibliothek, die heute nahezu<br />

400000 Bände beherbergt.<br />

Sammeln für ein Juwel<br />

1 | nter dem Motto „Ein Juwel braucht<br />

U Hilfe" sammelt eine Bürgerinitiative<br />

Geld für eines der ältesten Häuser Blau-<br />

beurens, das „Kleine Große Haus" in der<br />

Webergasse 11. Das prächtige Fachwerk-<br />

haus mit seinem chrakteristischen acht-<br />

eckigen Erkerturm stammt noch aus dem<br />

15. Jahrhundert, ist also im Gegensatz zu<br />

vielen Fachwerkhäusern bei uns wirklich<br />

noch mittelalterlich.<br />

Bauherr und Architekt dieses seit 1983<br />

leerstehenden Hauses sind nicht überlie-<br />

fert. Man weiß lediglich, daß es um 1540<br />

ein Junker Claus von Grafeneck bewohnte<br />

und 1625 dann der damalige Blaubeurer<br />

Bürgermeister Mathäus Weingartner. Aus<br />

seinem Jahrhundert, dem 17., hat man im<br />

Haus auch Fresken entdeckt. Da es als Kul-<br />

turdenkmal gilt und nicht als „normales"<br />

DEN K M<br />

BADENS<br />

ALSTIFTUNG<br />

WÜRTTEMBERG<br />

Denkmalschutzpreis 1999<br />

Bei den fünf Gebäuden unterschied-<br />

lichster Art, von der ehemaligen Müh-<br />

le bis zu einem Badhaus aus den Tagen<br />

des Ersten Weltkriegs, die von der<br />

<strong>Württemberg</strong>ischen Hypo und dem<br />

Schwäbischen Heimatbund mit dem<br />

„Denkmalschutzpreis 1999" bedacht<br />

wurden, ist auch ein von der Denkmal-<br />

stiftung mit DM 150000 gefördertes<br />

Objekt: Schloß Heutingsheim in Frei-<br />

berg (Kreis Ludwigsburg).<br />

Das Hofgut Heutingsheim hat der<br />

württembergische Hofstallmeister Le-<br />

vin von Kniestedt, berühmt geworden<br />

durch die Zucht des „<strong>Württemberg</strong>i-<br />

schen Landpferds", nach vorhergegan-<br />

genen Zerstörungen in der Zeit zwi-<br />

schen 1695 und 1720 neu errichtet.<br />

Das noble, aber äußerlich eher be-<br />

scheiden wirkende Herrenhaus ist im<br />

Innern noch mit gut erhaltenen Ori-<br />

ginalsubstanzen wie Böden, Lambe-<br />

rien, Stuck, Treppen und Türen aus der<br />

Barockzeit ausgestattet. Heute wird<br />

das Schloß als Büro- und Geschäfts-<br />

haus vermietet, ohne daß ihm dadurch<br />

etwas von seinem ursprünglichen Er-<br />

scheinungsbild genommen worden<br />

wäre. Damit ein gelungenes Beispiel<br />

für praktischen Denkmalschutz und<br />

sinnvolle Nutzung.<br />

DenkmalschutzpreiswUrdig; Schloß Heutings-<br />

heim in Freiberg. Außen schmuck.<br />

Innen gekonnt renoviert und gut genutzt.


Bis zu den Gewölbeansätzen hatte sich die<br />

Feuchtigkeit hochgearbeitet, sodaß zur Sanie-<br />

rung der Putz abgeschlagen werden mußte.<br />

Die als „bedeutend" eingestufte Zister-<br />

zienserinnenkloster-Kirche in Kirch-<br />

heim/Ries entstand um 1295 und ge-<br />

langte 1802 in das Eigentum der Fürsten<br />

Oettingen-Wallerstein. 1948 bekam die<br />

katholische Kirchengemeinde das Ge-<br />

bäude kostenlos gegen Übernahme der<br />

Baulast übereignet und nutzte sie als<br />

Pfarrkirche.<br />

Kleine Gemeinde - riesige Aufgabe<br />

TV jun wäre die kleine katholische Kir-<br />

I \ chengemeinde mit derzeit 766 See-<br />

len allerdings heillos überfordert, wenn<br />

sie die Gesamtkosten von mehr als zwei-<br />

einhalb Millionen Mark für Sanierung<br />

und Restaurierung im Inneren aufbrin-<br />

gen sollte, <strong>zum</strong>al sich der denkmalbe-<br />

dingte Mehraufwand auf DM 1602 501<br />

beläuft. So brauchte es eine regel-<br />

rechte Bündelung von Maßnahmen,<br />

Ein Blickfang<br />

in der flachen Ebene<br />

des Nördlinger Ries',<br />

•> die Klosterkirche<br />

Die Klosterkirche Kirchheim/Ries:<br />

Rettung fürs Kircheninnere?<br />

um eines der bedeutendsten kirchlichen<br />

Gebäude Ostwürttembergs vor dem wei-<br />

teren Verfall zu bewahren:<br />

• Zuschuß des Landesdenkmalamts von<br />

mehr als DM 800000<br />

• Unterstützung der Denkmalstiftung<br />

in Höhe einer Viertelmillion<br />

• Unterstützung der Deutschen Stiftung<br />

Denkmalschutz DM 300000<br />

• Öffentliche Mittel von fast<br />

DM 1700000<br />

• Eigenmittel von DM 25000.<br />

Bemerkenswert in diesem Zusammen-<br />

hang, daß sich die Denkmalstiftung be-<br />

reits in den Jahren 1988 bis 1996 mit<br />

mehr als DM 400000.- an den Rettungs-<br />

maßnahmen für das Gotteshaus beteiligt<br />

hat, wobei in den vergangenen zehn Jah-<br />

ren zusammen mehr als DM 6000000.-<br />

in die Sanierung eingeflossen sind.<br />

Diffizile geologische Situation<br />

An der Steinrestaurierung war dann<br />

sogar das Bundesbildungsministe-<br />

rium in Form eines Forschungsvorha-<br />

bens beteiligt: Bei diesem Pilotprojekt<br />

arbeiteten die Materialprüfungsan-<br />

stalten <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> und Bre-<br />

men sowie die Universitäten Karls-<br />

ruhe und Oldenburg zusammen. Für<br />

die Sanierung der geologisch kompli-<br />

zierten Steinzusammenset-<br />

zung der Außen-<br />

fassade - Suevit und Dogger-ß-Sandstein<br />

- empfahlen die Wissenschaftler schließ-<br />

lich eine Kalktechnik zur Rettung des Ge-<br />

steins.<br />

Denn das Nonnenkloster ist auf einem<br />

erdgeschichtlich höchst interessanten<br />

Grund emporgewachsen, und zwar im<br />

westlichen Randbezirk jenes Meteoriten-<br />

einschlagkraters mit seinem Durchmesser<br />

von etwa 26 Kilometern, der als „Nörd-<br />

linger Ries" ja weltbekannt wurde, seit-<br />

dem amerikanische Astronauten, vor ihrer<br />

Mondmission 1970, hier trainierten. Und<br />

diese Krater-Randlage erklärt auch die<br />

schwierige geologische Situation des Klo-<br />

sters und seiner Kirche. Denn die Anlage<br />

steht teils auf verkarsteten Jura-Kalk-<br />

schichten (Malm), teils auf kristallinem<br />

Grundgebirge, der „Bunten Breccie" oder<br />

auch „Bunten Trümmermasse". Hieraus re-<br />

sultiert auch der Dogger-ß-Sandstein als<br />

der eine Hauptbaustoff für die Klosteran-<br />

lage. Der andere ist der sogenannte Sue-<br />

vit, ein tuffähnliches Gestein, das sich aus<br />

der glutflüssigen Masse, die beim Meteo-<br />

riteneinschlag durch gewaltige frei wer-<br />

dende Energie entstanden war, beim Er-<br />

starren gebildet hat.<br />

Diese Steinsituation aber ist es, die den<br />

Feuchtigkeitshaushalt des Mauerwerks so<br />

nachhaltig beeinträchtigte, daß schon im<br />

18. Jahrhundert Klage geführt wurde über<br />

das feuchte Mauerwerk. Dieses ist nun sa-<br />

niert. Bei den neuerlichen Maßnahmen<br />

geht es ums Kircheninnere, wo sich nach<br />

jüngsten Untersuchungen herausgestellt<br />

hat, daß die Raumschale des Schiffs und<br />

der angrenzenden Münsterkapelle sowie<br />

der Sakristei stark ver-


Unter dem Putz kamen auch in die Wand<br />

eingearbeitete Epitaphe zutage.<br />

schmutzt ist und sich zentimeterbreite<br />

Risse zeigen. Außer Rissen sind in der Kir-<br />

che aber auch großflächige Hohlräume<br />

unter dem Putz entstanden. An einigen<br />

Stellen droht die Stuckierung herunterzu-<br />

■ Wissenswertes<br />

aus der <strong>Denkmalpflege</strong><br />

Fortsetzung<br />

Wohnhaus genutzt werden kann, soll dar-<br />

aus eine Art Kultur- und Festzentrum für<br />

Blaubeuren werden. Eine ins Leben geru-<br />

fene Stiftung rechnet mit einem Kosten-<br />

aufwand von DM 4000000 für die Sanie-<br />

rung. Bisher sind immerhin schon eine<br />

halbe Million an Spendengeldern zusam-<br />

mengekommen.<br />

Die Reichenau <strong>zum</strong> Weltkultur-<br />

erbe!<br />

enn es nach den Plänen des für den<br />

Denkmalschutz zuständigen baden-<br />

württemberigschen Wirtschaftsministeri-<br />

ums geht, soll die Bodenseeinsel Rei-<br />

chenau <strong>zum</strong> Weltkulturerbe erklärt wer-<br />

den.<br />

Einziges UNESCO-Welterbe in <strong>Baden</strong>-<br />

<strong>Württemberg</strong> ist bisher das Zisterzienser-<br />

kloster Maulbronn. Aber auch der römi-<br />

sche Limes und Heidelbergs Altstadt sind<br />

Die Stiftskirche St. Georg von Oberzell<br />

birgt Fresken aus ottonischer Zeit, sie gehören<br />

zu den ältesten nördlich der Alpen.<br />

6<br />

fallen. Insbesondere im Bereich des<br />

Sockels ist es so naß, daß sich Schimmel<br />

und Algen, aber auch Salzausblühungen<br />

gebildet haben.<br />

Rundumemeuerung fürs Inventar<br />

Große Probleme macht auch das ei-<br />

cherne Kirchengestühl, das aus dem<br />

Erdreich ständig Feuchtigkeit zieht, wes-<br />

halb etwa die Unterkonstruktionen der<br />

Bankblöcke völlig verfault sind, vor allem<br />

an der Südseite, wo die Bänke förmlich<br />

absacken. Und weiter: Bänke, Beicht-<br />

stühle, Altäre und Emporenböden sind<br />

von Insekten befallen, die Eingangstüren<br />

verwittert, sie schließen nicht mehr, der<br />

Bodenbelag hebt sich und springt, die Fu-<br />

gungen sind bisweilen verschwunden. Die<br />

früher unter dem Boden verlaufenden<br />

Warmwasserleitungen sind undicht ge-<br />

mittlerweile als Vorschläge fürs Weltkul-<br />

turerbe vorgesehen. - Auf der Reichenau<br />

gründete um 725 der Wanderbischof Pir-<br />

min, einer der wichtigsten Vertreter der<br />

iroschottischen Mönchsmission, ein Be-<br />

nediktinerkloster, von dem wesentliche<br />

Impulse für die Karolingerzeit ausgingen.<br />

Auf der auch archäologisch hervorragend<br />

erforschten Seeinsel war sozusagen der<br />

„Braintrust" Karls des Großen versammelt.<br />

Reichenauer Äbte waren Kanzler, Bischöfe<br />

und Prinzenerzieher. Die vielen romani-<br />

schen Reste, vor allem die drei noch er-<br />

haltenenen Gotteshäuser Ober-, Mittel-<br />

und Niederzell provozieren geradezu die<br />

Aufnahme ins Menschheitserbe, die nun<br />

im Falle Reichenau fürs Jahr 2000 erwar-<br />

tet wird.<br />

UNSER BUCHTIPP<br />

Balthasar Neumann<br />

(1687-1753)<br />

Balthasar Neumanns Rang als „Vollen-<br />

der" des Barock in Deutschland ist<br />

längst unbestritten. Als Baumeister der<br />

„bauwütigen" Schönborns kam er mit der<br />

Würzburger Residenz und dem Schloß<br />

Augustusburg in Brühl auch noch zu<br />

posthumen Ehren: beide sind ins Weltkul-<br />

turerbe der UNESCO aufgenommen.<br />

Zu Neumanns Arbeiten in <strong>Baden</strong>-Würt-<br />

temberg gehören die höchst originelle<br />

Eremitage in Waghäusel mit ihrem sech-<br />

zehneckigen Grundriß, die geradezu über-<br />

irdische Benediktinerabtei Heiligkreuz in<br />

Neresheim, für die er 1745 den Auftrag<br />

worden und liegen deshalb provisorisch<br />

über dem Fußboden, die Elektroinstalla-<br />

tionen entsprechen keinesfalls mehr den<br />

VDI-Normen, so daß es in den vergange-<br />

nen Wintern oft zu Kurzschlüssen und to-<br />

talem Stromausfall gekommen war.<br />

All diese gravierenden Mängel erzwingen<br />

inwendige Sanierungsarbeiten, damit ein<br />

äußerlich aufwendig gerettetes Gebäude,<br />

dessen Barockisierung übrigens schon im<br />

17. Jahrhundert eingeleitet worden war,<br />

nicht noch sozusagen von innen zerfällt.<br />

Nach der Rettung indes könnten dieser<br />

Kirche, die in der gleichmäßigen Land-<br />

schaft des Ries in ihrer äußerlich spätgo-<br />

tisch-zisterziensischen Schlichtheit weit-<br />

hin einen Orientierungspunkt bietet, auch<br />

wieder regelmäßig Gottesdienste stattfin-<br />

den und könnten auch wieder Besucher<br />

dieses außergewöhnliche barocke Schnitz-<br />

werk an Altären, Beichtstühlen und den<br />

Wangen des Kirchengestühls bestaunen.<br />

bekam, deren Bauzeit sich aber bis 1792<br />

hinzog. Und dann das Bruchsaler Schloß.<br />

Konzipiert hatte es der große Barockkol-<br />

lege Maximilian von Welsch schon 1720.<br />

Die Ausführung aber übernahm Neumann<br />

dann von 1728 bis zu seinem Tod im Jahr<br />

1753.<br />

Das weithin berühmte Bruchsaler Trep-<br />

penhaus spielt in dem großzügig ausge-<br />

statteten Bildband von Wilfried Hans-<br />

mann und Florian Monheim natürlich<br />

ebenso eine Rolle wie Neresheim, wobei<br />

Monheims lichtvolle und farbenfrohe Fo-<br />

tografierweise sich ganz in den Dienst ih-<br />

rer faszinierenden Sache stellt, ohne aus-<br />

schließlich dokumentarisch sein zu wol-<br />

len. Daß Neumann für das Karlsruher und<br />

insbesondere das Stuttgarter Schloß ge-<br />

plant hat, erfährt man beiläufig auch. Im<br />

Falle Stuttgarts kommt es zwischen 1747<br />

und 1749 „zu herrlichen Treppenhausent-<br />

würfen im Anschluß an die Stiegen in<br />

Würzburg und Brühl und an die Stiegen-<br />

planung für Wien", wie es bei Hansmann<br />

heißt. Indes: Stuttgart blieb leider nur<br />

Etüde für Wien.<br />

{Der reichlich mit<br />

Originalmaterial<br />

bestückte, gut re-<br />

produzierte Band<br />

hat 231 Seiten,<br />

ist bei Du Mont in<br />

Köln erschienen und<br />

kostet 99 Mark.)<br />

Der nördliche Trep-<br />

penaufgang im<br />

Bruchsaler Schloß<br />

zeugt vom phäno-<br />

menalen Raum-<br />

empfinden Balthasar<br />

Neumanns.


Dank an alle Spender<br />

T'fs sind immer wieder Kraflakte der Finanzierung sowie des persönlichen<br />

1/ 1/ Engagements von Bürgern notwendig, um Denkmale zu retten, deren Exi-<br />

' ' Stenz und Erhaltung uns eigentlich selbstverständlich ist. Das Haus für einen<br />

der bedeutendsten Dichter deutscher Sprache, Hans Jakob Christojfel von Grim-<br />

melshausen in Renchen, ist sogar zu einer Art Gesamtkunstwerk geworden: Doku-<br />

mentations- und Erinnerungsstätte einerseits, markantes platzprägendes Gebäude<br />

andererseits. Daß die Freude bei der Denkmalstiflung über ein so gut gelungenes<br />

Projekt nicht gering ist, versteht sich. Doch sie verbindet sich stets mit dem Dank<br />

an alle Helfer, die mit Spenden zu einem solchen Erfolg wesentlich beitragen. Zeit<br />

allerdings, um sich etwas zurückzulehnen und die Freude zu genießen, bleibt nicht.<br />

Unsere Denkmallandschafi ist so vielgestaltig und hochwertig, daß sich die Projekte<br />

rastlos aneinanderreihen, ja viele bedeutende Rettungsarbeiten natürlich parallel be-<br />

trieben werden müssen. Dies zeigt unser zweiter Fall, das Gotteshaus von Kirch-<br />

heim/Ries, in aller Deutlichkeit. Zur Genugtuung über die Rettung des Bestands und<br />

der Mauersanierung gesellt sich die Notwendigkeit, nun im Inneren weiter<strong>zum</strong>a-<br />

chen, damit kein wertvolles Inventar endgültig verrottet und das Gebäude auch wie-<br />

der sinnvoll genutzt werden kann. Die Denkmalstifiung konnte hier eine Viertel-<br />

million aus ihrem Spendentopf für die unabdingbaren Restaurierungsarbeiten in<br />

Aussicht stellen. Auch dies ist nur möglich durch den ständigen Zußuß von Spen-<br />

den. Nehmen Sie es uns deshalb nicht übel, liebe Leser, wenn wir an dieser Stelle<br />

immer wieder an Ihre Spendenbereitschaft appellieren. Wir sind auf jede Mark an-<br />

gewiesen, um unserer Aufgabe nachzukommen, nämlich Denkmale zu erhalten und<br />

unser Land auf diesem Sektor nicht ärmer werden zu lassen.<br />

Ihre Spende - eine Zukunfisinvestition<br />

äac<br />

/ Hans Freiländer<br />

Vorsitzender<br />

Denkmalstiftung <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Stiftung des bürgerlichen Rechts<br />

Geschäftsstelle; Charlottenplatz 17<br />

70173 Stuttgart<br />

Telefon; 0711/2261185<br />

Fax; 0711/2268790<br />

Geschäftsführer; Dieter Angst<br />

Geschäftsstelle; Ulrike Dziellak<br />

Spendenkonto; Konto 2020404<br />

bei der Landesbank <strong>Baden</strong>-Württem-<br />

berg (BLZ 60050101)<br />

Bitte vermerken Sie auf der Über-<br />

weisung „9878350000025 Spende<br />

Denkmalstiftung"<br />

Als Spendenquit'ung für Beträge bis<br />

zu 100,- DM genügt der Einzahlungs-<br />

beleg zur Vorlage beim Finanzamt.<br />

Für höhere Beträge stellen wir Ihnen<br />

eine Spendenbescheinigung aus;<br />

hierzu ist die Angabe der vollständigen<br />

Adresse notwendig.<br />

Förderungszweck der Denkmal-<br />

stiftung <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

(Auszug aus den Vergaberichtlinien)<br />

Die Denkmalstiftung fördert die<br />

Erhaltung von Kulturdenkmalen<br />

im Sinne des Denkmalschutzgesetzes.<br />

Sie fördert vorrangig private Ini-<br />

tiativen auf dem Gebiet der Denkmal-<br />

pflege. Zuwendungen werden bei-<br />

spielsweise gewährt für;<br />

• Maßnahmen von gemeinnützigen<br />

Bürgeraktionen zur Erhaltung und<br />

Pflege von Kulturdenkmalen<br />

• Erhaltungsmaßnahmen an Kultur-<br />

denkmalen im privaten Eigentum<br />

• den Erwerb von Grundstücken,<br />

die besonders bedeutsame Bodendenk-<br />

male bergen<br />

• den Erwerb gefährdeter, besonders<br />

bedeutsamer Kulturdenkmale zur<br />

Durchführung von Erhaltungsmaßnah-<br />

men und Weitergabe an neue Nutzer<br />

• wissenschaftliche Arbeiten auf dem<br />

Gebiet der <strong>Denkmalpflege</strong>.<br />

Denkmale brauchen auch Ihre Hilfe<br />

iieAr<br />

IMPRESSUM<br />

Dieter Angst<br />

Geschäftsführer<br />

Herausgeber;<br />

Denkmalstiftung <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Redaktion;<br />

Dieter Angst (ViSdP),<br />

Dr. Karlheinz Fuchs,<br />

Dr. Sabine Leutheußer-Holz,<br />

Andre Wais<br />

Gestaltung;<br />

Hans-Jürgen Trinkner, Stuttgart<br />

Produktion;<br />

Verlagsbüro Wais Et Partner,<br />

Reinsburgstraße 104<br />

70197 Stuttgart<br />

Nachdruck und Vervielfältigung<br />

sowie die Einspeicherung und Ver-<br />

breitung in elektronischen Systemen<br />

nur mit Genehmigung des Heraus-<br />

gebers.<br />

© 1999 Denkmalstiftung<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Erfüllungsort und Gerichtsstand;<br />

Stuttgart


Details am Bau<br />

Ädikula<br />

Ädikula ist lateinisch und meint ein kleines<br />

Tempelchen von geringer Tiefe, in dem sich<br />

eine (Götter)Statue unterbringen ließ. Be-<br />

krönt war es in seiner einfachsten Form von<br />

einem leeren, an ein Tympanon erinnernden<br />

Dreiecksgiebel, der auf einem Architrav ruh-<br />

te, den wiederum zwei Säulen trugen. In kei-<br />

nem römischen Wohnhaus durfte ein solches<br />

Hausheiligtum fehlen. Man stellte es gern im<br />

Eingangsbereich auf, und zwar in Form eines<br />

kleinen Schreins oder eines Altarblocks. Die<br />

einfachste Art war die ädikulaförmige Nische<br />

als Aussparung in einer Wand. Die Form hat<br />

sich bis ins Mittelalter im westlichen Mittel-<br />

meerraum, namentlich in Italien und Süd-<br />

frankreich erhalten. Mit der Renaissance<br />

kommt sie dann auch in unsere Breiten. Im<br />

Barock dienen Ädikula gern als Fensterum-<br />

rahmungen zur Aufhebung des „horror va-<br />

cui", des Schreckens vor der Leere großer Fas-<br />

sadenfronten. Der Ädikula-Form verwandt,<br />

nur zurückgezogener, profanierter sind die<br />

Fensterverdachungen oder Fenstergiebel, bei<br />

Fensterumrahmung und spltzgieblige<br />

Überdachung, eine Spielform aus dem späten<br />

19. Jahrhundert.<br />

denen die steinernen Wändungen der Längs-<br />

seiten gewissermaßen die Adikula-Säulen er-<br />

setzen. Ursprünglich vielleicht sogar als Re-<br />

genschutz gedacht, übernimmt diese Fen-<br />

sterverdachung schon seit dem 16. Jahrhun-<br />

dert rein dekorative Aufgaben - bis hinein in<br />

die Zeiten des Historismus, sei's als Giebel-<br />

dreieck, sei's als Segmentbogen, sei's mit lee-<br />

ren oder auch wieder reich ausgeschmückten<br />

Giebelfeldern. Auf unseren Bildern Fenster-<br />

verdachungen an zwei Nachbarhäusern des<br />

späten 19. Jahrhunderts im Stuttgarter We-<br />

sten. Einfache Ausführungen, bei denen sich<br />

gleichwohl die Unerschöpflichkeit formaler<br />

Weiterungen der ursprünglich antiken Form<br />

erahnen lassen.<br />

8<br />

Kennen Sie ihn?<br />

Diese Männerbüste vom ehemaligen Stuttgarter<br />

Lusthaus könnte die einzige überlieferte<br />

Portraitdarstellung des großen Baumeisters sein.<br />

Heinrich Schickhardt<br />

Ein Bau-Genie<br />

Es herrscht derzeit eine Renaissance um den<br />

großen württembergischen Renaissancebau-<br />

meister, den Herrenberger Heinrich Schick-<br />

hardt (1558-1634), auch „schwäbischer Leo-<br />

nardo" genannt. Schickhardt war ein Univer-<br />

salist, der den Architekten mit dem Bauinge-<br />

nieur vereinigte, den Ästheten und Stilisten<br />

mit dem Erfinder und Praktiker. Als Zwanzig-<br />

jähriger war er bereits Gehilfe Georg Beers<br />

beim Bau des legendären, 1902 abgebrann-<br />

ten Stuttgarter Lusthauses, einst ein heraus-<br />

ragendes Stück deutscher Renaissancearchi-<br />

tektur. Seit 1590 für den württembergischen<br />

Hof tätig, dessen herzoglicher Baumeister er<br />

1596 wurde, hatte Schickhardt Beer bis zu<br />

dessen Tod (1600) allmählich ersetzt. Kurz<br />

hintereinander (1598 und 1599/1600) berei-<br />

ste er Italien, vor allem für Studienzwecke<br />

<strong>zum</strong> „Neuen Bau" in Stuttgart, einem seiner<br />

Hauptwerke (1599-1609), das 1757 ab-<br />

brannte. Schickhardt war Hauptgestalter des<br />

ehemaligen Stuttgarter Schloßplatzes um<br />

das Alte Schloß. Er hat am Prinzenbau mit-<br />

gewirkt (heute Justizministerium) und dem<br />

Fruchtkasten neben der Stiftskirche seinen<br />

stolzen Renaissancegiebel aufgesetzt. An-<br />

dere Hauptwerke sind der Esslinger Rathaus-<br />

giebel mit seinem Glockenspiel (1586-1589),<br />

die höchst originelle Gründungsidee für<br />

Freudenstadt (1599) auf einem hochver-<br />

größerten Mühlbrettraster mit der Winkel-<br />

kirche (1601-1618) als einer der Eckmarkie-<br />

rungen. Während Schickhardts Zeit als Hof-<br />

baumeister gab es im Herzogtum Württem-<br />

berg kaum eine wichtige Baumaßnahme an<br />

Kirchen und Schlössern, an der Schickhardt<br />

nicht wenigstens beratend mitgewirkt hätte.<br />

Der Mann, der so viel Konstruktives für die<br />

Baukultur <strong>Württemberg</strong>s geleistet hat,<br />

wurde das Opfer einer marodierenden kaiser-<br />

lichen Soldateska, die ihn in seinem Heimat-<br />

ort Herrenberg heimsuchte, wo er 1635 an<br />

den Folgen einer Stichwunde starb.<br />

Gewußt wo?<br />

Denkmäler und Baumeister<br />

im Lande<br />

Etwas pointiert gesagt, scheiterte er auf<br />

höchstem Niveau. Dabei genoß er die besten<br />

Ausbildungsmöglichkeiten, die das Herzog-<br />

tum <strong>Württemberg</strong> zu bieten hatte: 1778<br />

wurde er in die Ludwigsburger Militäraka-<br />

demie (später Hohe Karlsschule) aufgenom-<br />

men und in der klassizistischen Malerei aus-<br />

gebildet. Zur weiteren Vervollkommnung<br />

dann Malstudien im revolutionären Paris und<br />

schließlich in Rom, wo er die Bekanntschaft<br />

mit Friedrich Weinbrenner machte, der ihm<br />

zur Architektur riet. 1797 machte er wieder<br />

eine folgenreiche Bekanntschaft: Goethe<br />

begegnete ihm beim Aufenthalt in Stutt-<br />

gart und vermittelt ihn nach Weimar, wo er<br />

den Wiederaufbau des 1774 abgebrannten<br />

Schlosses besorgen soll. Zwischen Weimar<br />

und Stuttgart pendelnd, wird er 1798 hier<br />

<strong>zum</strong> Hofbaumeister ernannt und beginnt als<br />

„Leibarchitekt" des späteren Königs Friedrich<br />

viele württembergische Schlösser im klassi-<br />

zistischen Stil um- oder fertigzubauen: Ho-<br />

henheim. Favorite, Monrepos, Freudenthal,<br />

Solitude oder Scharnhausen. Auch an Stutt-<br />

garts Neuem Schloß arbeitet er um 1800.<br />

„Sein" Ludwigsburger Schloßtheater, un-<br />

längst schön restauriert einer staunenden<br />

Öffentlichkeit übergeben, zeugt von seinem<br />

eminenten dekorativen Geschick. 1810 wird<br />

er geadelt. Aber mit dem Tod „seines" Königs<br />

scheidet er 1816 aus dem Hofdienst aus,<br />

gründet ein gutgehendes Baubüro in Stutt-<br />

gart und ist um 1820 ein gemachter Mann.<br />

Weswegen er trotzdem auf höchstem Niveau<br />

gescheitert sein soll? Nun, es war ihm nicht<br />

vergönnt, städtebaulich bleibende Spuren zu<br />

hinterlassen wie seine großen Kollegen und<br />

Altersgenossen Weinbrenner in Karlsruhe<br />

oder Klenze in München. So sind nur einige<br />

bemerkenswerte Solitäre auf uns gekommen,<br />

etwa Badarchitekturen in Wildbad oder in<br />

Stuttgart. Wie heißt er und wie das abge-<br />

bildete Gebäude. Wenn Sie's wissen, schicken<br />

Sie bitte eine Postkarte an die Denkmal-<br />

stiftung <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, Charlotten-<br />

platz 17, 70173 Stuttgart.<br />

Unter den Einsendern, die das Rätsel lösen<br />

konnten, verlosen wir 5 Expemplare des Wer-<br />

kes „Heinrich Schickhardt, Baumeister der<br />

Renaissance". 390 S., 300 Abb., DRW-Verlag,<br />

Leinfelden-Echterdingen, 1999, 98,- DM.<br />

Dieses Bauwerk unseres gesuchten Architekten<br />

diente einst der Gesundheit.


Förderbericht 1998<br />

DENK<br />

BADEN<br />

Die Denkmalstiftung hat 1998 mit DM 3.632.300 insgesamt 42 Maßnahmen<br />

gefördert - vom kleinen Zuschuß für die Reparatur eines Mannheimer Krie-<br />

gerdenkmals aus den fünfziger Jahren in der Größenordnung von DM 7.000 bis<br />

hin zur Beteiligung an der Rettung eines Renaissance-Palais in Ingelfingen, mit<br />

DM 800.000 in diesem Berichtsjahr der größte „Brocken".<br />

Durch die Mithilfe der Denkmalstiftung ist 1998 eine mitterweile äußerst inter-<br />

essante literarische Gedenkstätte für den großen Barockdichter Grimmelshausen<br />

in Renchen entstanden, eine andere <strong>zum</strong> Andenken an die Schwäbische Dich-<br />

terschule wächst mit Hilfe der Denkmalstiftung in Weinsberg heran. Und neben<br />

Kirchen, Burgen und Schlössern, naturgemäß seit eh und je die aufwendigsten<br />

Förderprojekte, flössen in diesem Berichtsjahr auch erhebliche Mittel in die Auf-<br />

rechterhaltung bedeutender Ensembles in Denkendorf und Steinhausen sowie in<br />

die Rettung ortsbildprägender Bürgerhäuser etwa in Saulgau oder <strong>Baden</strong>weiler.<br />

Ein außergewöhnliches Objekt in diesem Berichtsjahr ist die Orangerie im<br />

Schloßpark von Donaueschingen, aus der, 1998 mit DM 200.000 gefördert, wenn<br />

sie fertiggestellt sein wird, nicht nur ein Schmuckstück für die Baar, sondern für<br />

ganz <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> werden könnte.<br />

Regierungsbezirk Stuttgart<br />

Ehemalige Wallfahrtskirche,<br />

Ortsweg 10<br />

Ehningen-Mauren<br />

Landkreis Böblingen<br />

Die Wallfahrtskirche basiert <strong>zum</strong> Teil noch<br />

auf romanischen Mauern. Seit 1827 in Pri-<br />

vatbesitz, war sie lange Zeit als Scheuer ge-<br />

nutzt. Gleichwohl sind im Chor noch ein<br />

Kreuzrippengewölbe aus dem 14. Jahrhun-<br />

dert und Grabmäler der Schloßherren aus<br />

der Zeit vom 16. bis <strong>zum</strong> 20. Jahrhundert er-<br />

halten. Bereits 1928 kam die Maurener Kir-<br />

che in das Landesverzeichnis württembergi-<br />

scher Baudenkmale. Um die Kirche weiter-<br />

hin benutzen zu können, wurden für einen<br />

Sandsteinboden Kosten von DM 30.000 ver-<br />

anschlagt, an denen sich die Denkmalstif-<br />

tung mit DM 8.000 beteiligte.<br />

Fachwerkhaus, Stiftstraße 12<br />

Sindelfingen<br />

Landkreis Böblingen<br />

Das barocke Fachwerkhaus in der Sindel-<br />

finger Altstadt, 1681 entstanden, demon-<br />

striert an seinen Giebelschauseiten reichen<br />

„schwäbischen" Fachwerkbestand - An-<br />

dreaskreuze und „halbe" schwäbische Män-<br />

ner. Zusätzlichen Reiz bekommt die Fassade<br />

durch ihre grünen, massiven Holzfensterlä-<br />

den. Bemerkenswert auch die Geschoßvor-<br />

kragungen mit ihren Balkenköpfen. Dieses<br />

Haus wurde bereits 1926 in das „Landesver-<br />

zeichnis der Baudenkmale in <strong>Württemberg</strong>"<br />

eingetragen. Nun aber galt es, die westliche<br />

Giebel- und die südliche Trauffassade in-<br />

standzusetzen. Von den etwa DM 70.000<br />

Kosten waren DM 25.000 denkmalpflegeri-<br />

scher Mehraufwand. Die Denkmalstiftung<br />

hat sich hier mit DM 12.500 beteiligt.<br />

Ehemalige Klosterscheuer,<br />

Maierhof 8-10<br />

Denkendorf<br />

Landkreis Esslingen<br />

Die am Fuß des Denkendorfer Klosterbergs<br />

gelegene Zehntscheuer war bis zur Mitte<br />

des 19. Jahrhunderts in<br />

die Klosterummauerung<br />

einbezogen. Der stattliche<br />

Bau von 1532 stellt<br />

einen typischen Fachwerkvertreter<br />

des frühen<br />

16. Jahrhunderts dar.<br />

Eindrucksvoll die Konstruktionsweise<br />

mit ihren<br />

langen, verzapften Streben.<br />

Problematisch allerdings<br />

wurde der gegenwärtige<br />

Zustand des Baudenkmals,<br />

weil es in Jahren<br />

nicht gelang, die 25<br />

Eigentümer an einen<br />

Tisch zu bringen, um Sanierungsmaßnahmen<br />

zu<br />

erörtern. Da aber nun das<br />

Gebäude weitgehend in<br />

den Besitz der Gemeinde<br />

Ehemalige Klosterscheuer, Denkendorf<br />

ALSTIFTUNG<br />

WÜRTTEMBERG<br />

Denkendorf übergegangen ist, ließen sich<br />

endlich die seit langem dringenden Siche-<br />

rungsarbeiten an Dachstuhl, Giebelwänden<br />

und Dachhaut einleiten. An den Kosten<br />

von DM 487.000, von denen bis auf DM<br />

27.000 alle denkmalbedingt sind, hat sich<br />

die Denkmalstiftung mit DM 25.000 betei-<br />

ligt.<br />

Flaus „Schnecken", Llhlbergstr. 11<br />

Filderstadt-Plattenhardt<br />

Landkreis Esslingen<br />

Das um 1550 entstandene Haus ist - für die<br />

Filder eine Rarität - mit Wendeltreppe und<br />

Treppenturm ausgestattet. Daher der Name<br />

„Schnecken". Gleichwohl wollten es die Plat-<br />

tenhardter abreißen. Dann aber fand sich<br />

ein privater Investor bereit, das Haus denk-<br />

malgerecht herzurichten. Bei Gesamtkosten<br />

von DM 1 600.000 und einem denkmalbe-<br />

dingten Mehraufwand von DM 280.000 hat<br />

sich die Denkmalstiftung mit DM 60.000 an<br />

der Erhaltung dieses Plattenhardter Ori-<br />

ginals beteiligt.<br />

Alter Friedhof: Historische Grab-<br />

platten<br />

Nürtingen<br />

Landkreis Esslingen<br />

Um 1840 wurden auf dem Nürtinger Fried-<br />

hof 24 Grabplatten aus dem 16. und 17.<br />

Jahrhundert in die Friedhofsmauer einge-<br />

9


Alter Friedhof, Nürtingen<br />

lassen. Es handelt sich dabei sowohl in<br />

künstlerischer wie heimatgeschichtlicher<br />

Hinsicht um außerordentliche Stücke, deren<br />

fortschreitenden Verfall man dringend<br />

durch restauratorische Maßnahmen aufhal-<br />

ten mußte. Von den Gesamtkosten von fast<br />

DM 53.000, die identisch sind mit dem<br />

denkmalbedingten Mehraufwand, hat die<br />

Denkmalstiftung DM 10.000 übernommen.<br />

Schloß Ramsberg<br />

bei Donzdorf<br />

Landkreis Göppingen<br />

Das Wahrzeichen des Mittleren Filstals, zugleich<br />

die einzige noch bewohnte Stauferburg,<br />

war lange vom Einsturz bedroht. Eine<br />

kräftige Finanzspritze des Landesdenkmalamtsvon<br />

fast einer Million half nun, das Gebäude<br />

<strong>zum</strong>indest vor dem Teileinsturz zu<br />

bewahren. Die Denkmalstiftung selber beteiligte<br />

sich mit DM 210.000 an der Bestandsicherung<br />

eines Ensembles, von dem<br />

Göppingens Landrat Franz Weber sagt: „Mit<br />

dem Schloß wird eine für den Kreis wichtige<br />

historische Landmarke und wertvolle<br />

Denkmalsubstanz erhalten." (Die Rettung<br />

von Schloß Ramsberg war uns auch einen<br />

Bericht in der Beilage 111/99 wert.)<br />

Fachwerkkelter, Balzstr. 4<br />

Eppingen-Kleingartach<br />

Landkreis Appingen<br />

Die Fachwerkkelter in Eppingens Gemeinde-<br />

teil Kleingartach stellt ein Kulturdenkmal<br />

von besonderer Bedeutung dar. Um 1475 er-<br />

richtet und damals zur Grafschaft Württem-<br />

berg gehörend, ist dies stattliche spätmittel-<br />

alterliche Fachwerkgebäude unmittelbar<br />

neben der Kirche auch ein Ortswahrzeichen.<br />

In der Kombination von Kelter mit Frucht-<br />

kasten ist es dazuhin ein Kulturdenkmal von<br />

überörtlicher Bedeutung. Für die Substanz-<br />

sicherung vor allem im Dachbereich wurden<br />

DM 550.000 veranschlagt, von denen das<br />

Landesdenkmalamt etwa die Hälfte über-<br />

nommen hat. Die Denkmalstiftung hat sich<br />

mit DM 70.000 an der Kelter beteiligt.<br />

10<br />

„Altes Spital", Neuenstein<br />

Alexanderhäuschen,<br />

Öhringer Straße 8<br />

Weinsberg<br />

Landkreis Heilbronn<br />

Das sogenannte Alexan-<br />

derhäuschen in Weins-<br />

berg stammt im Kern aus<br />

derZeit um 1600 und war<br />

ursprünglich eine Ka-<br />

pelle. Seit 1844 nutzte es<br />

die Familie des Dichters<br />

Justinus Kerner als Gäste-<br />

haus. Mit dem Namen Ju-<br />

stinus Kerner verbindet<br />

sich eine Fülle literaturhistorischer Assozia-<br />

tionen, denn all die Vertreter der „Schwäbi-<br />

schen Dichterschule" waren bei ihm zu Gast:<br />

Gustav Schwab, Nikolaus Lenau, Alexander<br />

Graf von <strong>Württemberg</strong> oder auch Ludwig<br />

Uhland. Wegen dieser literaturhistorischen<br />

Bedeutung ist das Alexanderhäuschen auch<br />

1986 ins Denkmalbuch eingetragen worden.<br />

Gleichwohl stand es jahrzehntelang leer.<br />

Insbesondere Dach, historische Fenster und<br />

Außenputz waren äußerst gefährdet. Die<br />

Maßnahmen verschlangen insgesamt DM<br />

175.000. Der denkmalbedingte Mehrauf-<br />

wand betrug dabei DM 100.000. Die Denk-<br />

malstiftung hat diesen kulturhistorischen<br />

Ort, aus dem später einmal eine Gedächtnis-<br />

und Veranstaltungsstätte <strong>zum</strong> Andenken an<br />

die Schwäbische Schule werden soll, mit DM<br />

33.000 unterstützt.<br />

Schloß Eyb<br />

Dörzbach<br />

Hohenlohekreis<br />

Dies Schloß der Freiherren von Eyb, ein Re-<br />

naissancekomplex aus der Zeit zwischen<br />

1526 und 1607, wurde schon früher mit<br />

höheren Beiträgen gefördert. Dieses Mal<br />

ging es um denkmalbedingte Mehraufwen-<br />

dungen an Brücke, Grabenstützmauern so-<br />

wie den Treppen vom Schloßhof <strong>zum</strong> südli-<br />

chen Graben. Von den etwa DM 163.000 Ko-<br />

sten für die Maßnahme waren DM 135.000<br />

denkmalbedingt. Die Denkmalstiftung hat<br />

sich an den substanzsichernden Maßnah-<br />

men mit DM 33.800 beteiligt.<br />

„Schwarzer Hof<br />

Ingelfingen<br />

Hohenlohekreis<br />

Der „Schwarze Hof" in Ingelfingen gehört zu<br />

den herausragenden Fachwerkgebäuden im<br />

Hohenlohischen. Das stattliche Renais-<br />

sance-Stadtpalais geht auf das 16. Jahrhun-<br />

dert zurück. Malerisch der Innenhof mit sei-<br />

nen Laubengängen. (Dies imposante Anwe-<br />

sen war uns auch in der Beilage 11/99 eine<br />

ausführliche Darstellung wert.) Von den Ge-<br />

samtkosten von mehr als DM 6 000.000 zur<br />

Rettung und Neunutzung des Komplexes<br />

gingen DM 2 100.000 auf den denkmalbe-<br />

dingten Mehraufwand. Die Denkmalstiftung<br />

wird in diesem Jahr <strong>zum</strong> „Schwarzen Hof"<br />

die stolze Summe von DM 800.000 beitra-<br />

gen.<br />

„Altes Spital", Spitalgasse 1 3<br />

Neuenstein<br />

Hohenlohekreis<br />

Die Entstehungsgeschichte des sogenann-<br />

ten Spitals in Neuenstein reicht noch ins<br />

Spätmittelalter. 1474 begonnen, im 17.<br />

Jahrhundert erweitert, im 19. Jahrhundert<br />

verfallen und 1988 fast abgerissen, gilt es<br />

heute nach gelungener Außenrenovierung<br />

als eines der schönsten Gebäude Neuen-<br />

steins. (Wir haben über seine Restaurierung<br />

ausführlich im Einhefter9/98 berichtet.) Die


Gesamtkosten zur Rettung, bei der überra-<br />

schend auch eine Renaissance-Loggia ent-<br />

deckt wurde, betrugen DM 827.000, denk-<br />

malbedingt waren ca. DM 440.000. Die<br />

Denkmalstiftung hat dazu DM 100.000 bei-<br />

getragen.<br />

Schloß Haltenbergstetten<br />

Niederstetten<br />

Main-Tauber-Kreis<br />

Der Hauptbau von Schloß Haltenbergstet-<br />

ten, das dem Prinzen zu Hohenlohe-Jagst-<br />

berg gehört, ist eine um 1600 erbaute, vier-<br />

flügelige Anlage. Sie gilt als Kulturdenkmal<br />

von besonderer Bedeutung, insondere we-<br />

gen ihrer zimmermannstechnisch meister-<br />

haft gearbeiteten Dachstühle. Allerdings<br />

haben Witterungseinflüsse sie derart be-<br />

schädigt, daß man sie endlich fachgerecht<br />

restaurieren mußte. Die Gesamtkosten hier-<br />

für beliefen sich auf DM 2 800.000. Zur Be-<br />

wahrung jenes eindrucksvollen Belegs für<br />

die Zimmermannskunst der Renaissance<br />

brauchte es allerdings die Bündelung ver-<br />

schiedener „Retter": Gemeinde, Landkreis,<br />

Landesdenkmalamt, Deutsche Stiftung<br />

Denkmalschutz - und eben auch die Denk-<br />

malstiftung. Die hatte sich bereits 1997 mit<br />

DM 100.000 an der Rettungstat beteiligt<br />

und 1998 dann gar mit DM 220.000.<br />

Evangelische Jacobuskirche<br />

Wertheim-Urphar<br />

Main-Tauber-Kreis<br />

Bei der Jacobuskirche Urphar, oberhalb des<br />

Maintals in der Nähe von Wertheim gelegen,<br />

handelt es sich um ein Denkmal von regio-<br />

naler Bedeutung. Aus einer romanischen<br />

Wehrkirche herausgewachsen, deren Kern<br />

noch ins erste Jahrtausend n. Chr. reicht,<br />

Sebastianskapelle, Ellwangen<br />

Schloß Haltenbergstetten, Niederstetten<br />

wuchs die Kirche bis 1780 durch alle Stil-<br />

epochen. Wertvoll insbesondere ihre In-<br />

nenausmalung aus derZeit um 1300, die al-<br />

lerdings durch Putzschäden an der Außen-<br />

front wie auch im Innern gefährdet war. Der<br />

denkmalpflegerische Mehraufwand für wei-<br />

tere dringende Arbeiten liegt bei DM<br />

100.000. Die Denkmalstiftung hat sich mit<br />

DM 20.000 daran beteiligt.<br />

Sebastianskapelle<br />

Ellwangen<br />

Ostalbkreis<br />

Die Sebastianskapelle ist bauhistorisch noch<br />

nicht ganz erschlossen. Und auch die Beson-<br />

derheit des achteckigen Gebäudes erschließt<br />

sich nur dem geschulten Auge, so zerfallen<br />

wie es ist. Bemerkenswert im Innern der rad-<br />

speichenartige Dachstuhlausbau, eine kon-<br />

struktive Preziose. Das Gebäude soll nun zu<br />

einem ökumenischen Jugendzentrum aus-<br />

gebaut werden. Die Gesamtkosten belaufen<br />

sich auf DM 375.000, zu denen die Denk-<br />

malstiftung DM 100.000 beitrug, nachdem<br />

sie sich 1996 bereits mit DM 50.000 am Er-<br />

werb des Gebäudes beteiligt hatte.<br />

Kloster Kirchheim<br />

Kirchheim/Ries<br />

Ostalbkreis<br />

Kloster Kirchheim am Ries, 1267 gegründet,<br />

war zeitweise größter Frauenkonvent der<br />

Zisterzienserinnen in Oberdeutschland. Die<br />

ehemalige Klosterkirche, heute Pfarrkirche<br />

Maria Himmelfahrt, gehört zu den Haupt-<br />

werken der Gotik in Ostwürttemberg. Das 50<br />

Meter lange Schiff (Saalbau) demonstriert<br />

außen noch zisterziensischen Purismus, also<br />

den Verzicht auf allen Aufwand und Zierrat.<br />

1662 wurde die Kirche im Inneren barocki-<br />

siert. Als herausragendes Ausstattungsstück<br />

gilt der Hochaltar von 1756. Angesichts der<br />

exemplarischen Bedeutung dieses Gottes-<br />

hauses, das auch einen architektonischen<br />

Markierungspunkt inmitten reizvollster<br />

Landschaft darstellt, hat die Denkmal-<br />

stiftung von 1988-1996 bereits mehr als<br />

DM 400.000 zur Rettung investiert. Zur In-<br />

neninstandsetzung, insgesamt mit mehr als<br />

DM 2 540.000 veranschlagt, wovon mehr als<br />

DM 1 600.000 denkmalbedingter Mehrauf-<br />

wand sind, trägt die Denkmalstiftung DM<br />

250.000 bei.<br />

Kapelle St. Katharinen<br />

Schwäbisch Gmünd<br />

Ostalbkreis<br />

1326 <strong>zum</strong> ersten Mal urkundlich erwähnt,<br />

erhielt die Kapelle 1747 ihre heutige Form,<br />

wurde 1926 in das Landesverzeichnis der<br />

11


Baudenkmale in <strong>Württemberg</strong> aufgenom-<br />

men und gilt als Kulturdenkmal von beson-<br />

derer Bedeutung. Nun aber ist vor allem die<br />

Innenausstattung, wie die katholische Kir-<br />

chenpflege in Schwäbisch Gmünd mitteilt,<br />

in einem „schlechten bis sehr schlechten Er-<br />

haltungszustand". Für Restaurierung von<br />

Stuck, Fresken und Gemälden sind insge-<br />

samt DM 234.000 veranschlagt. Der denk-<br />

malbedingte Mehraufwand beläuft sich auf<br />

DM 105.000. Die Denkmalstiftung beteiligte<br />

sich an den Rettungsmaßnahmen mit DM<br />

30.000.<br />

Gebäude Hauptstraße 56<br />

Waldstetten<br />

Ostalbkreis<br />

Beim Gebäude Hauptstraße 56 handelt es<br />

sich um ein traufständiges, zweigeschossi-<br />

ges Wohnstallhaus vermutlich aus dem er-<br />

sten Viertel des vergangenen Jahrhunderts.<br />

Als eines der ältesten Gebäude Waldstettens<br />

ist es in die Liste der Bau- und Kunstdenk-<br />

male eingetragen, weil ihm aus heimat- und<br />

stadtbaugeschichtlichen sowie gebäudety-<br />

pologischen Gründen hohe Bedeutung zu-<br />

kommt. Nach längerer Zeit des Leerstands<br />

konnte es nun der ortsansässige Fieimatver-<br />

ein zur Einrichtung eines kleinen Fleimat-<br />

museums erwerben. Doch hat das Flaus vor<br />

allem am Dach starken Schaden gelitten:<br />

Die Kosten des Rettungskaufs belaufen sich<br />

auf DM 130.000. Die Denkmalstiftung ist<br />

daran mit DM 40.000 beteiligt.<br />

Schloß Bartenstein<br />

Sdirozberg-Bartenstein<br />

Landkreis Schwäbisch Hall<br />

Schloß Zwingenberg<br />

Regierungsbezirk Karlsruhe<br />

Abtei Neuburg<br />

Heidelberg-Ziegelhausen<br />

Stadtkreis Heidelberg<br />

Die Benediktinerabtei Neuburg im Neckartal<br />

östlich von Fleidelberg wurde 1130 von<br />

Lorsch aus gegründet. Nach wechselnden<br />

Schicksalen während Reformation und Ge-<br />

genreformation ging das Anwesen zu Be-<br />

ginn des 19. Jahrhunderts in private Flände<br />

über und wurde <strong>zum</strong> Treffpunkt vieler Den-<br />

ker und Künstler, die damals für den Ruhm<br />

der Fleidelberger Romantik sorgten. Und ein<br />

Jahrhundert später verkehrten hier die Re-<br />

präsentanten von Fleidelbergs großen<br />

zwanziger Jahren - Friedrich Gundolf, Ste-<br />

fan George und Klaus Mann etwa. Doch<br />

konnte der private Besitzer das Anwesen<br />

Das aus einer Burganlage heraus von 1711 nicht halten, weshalb es 1927 <strong>zum</strong> Benedik-<br />

an entstandene Barockschloß Bartenstein tinerstift zurückverwandelt wurde, was es<br />

gilt als eine der bedeutendsten Residenzan- bis heute geblieben ist Nachdem die Denk-<br />

lagen Flohenlohes. Es birgt, neben dem malstiftung bereits 1996 für Instandset-<br />

Wohnbereich für den Privatei-<br />

gentümer, in 24 Räumen das Kloster Seligental, Osterburken-Schlierstadt<br />

größte private Militärmuseum<br />

Deutschlands. Nachdem sich die<br />

Denkmalstiftung bereits mit na-<br />

hezu DM 500.000 an der Sanierung<br />

von Dachstuhl und Dachhaut be-<br />

teiligt hatte, ging es nun um sub-<br />

stanzsichernde Maßnahmen gro-<br />

ßen Stils, unter anderem an der<br />

Außenfassade und den Portalen, im<br />

Schloßhof, bei der Kirchenausstat-<br />

tung, an der Orgel und im reprä-<br />

sentativen Roten Salon. Die Ge-<br />

samtkosten hierfür beliefen sich<br />

auf insgesamt fast DM 1 410.000.<br />

Denkmalbedingter Mehraufwand:<br />

etwa DM 1 030.000. Die Denkmal-<br />

stiftung beteiligte sich daran mit<br />

einer Viertelmillion.<br />

12<br />

zungsarbeiten an der Klostermauer DM<br />

300.000 aufgewendet hatte, galt es nun,<br />

sich an den DM 1 200.000 für die Reparatu-<br />

ren am Dach und an 43 historischen Fen-<br />

stern zu beteiligen. Angesichts des hohen<br />

denkmalbedingten Mehraufwands von<br />

mehr als DM 640.000 hat die Denkmalstif-<br />

tung DM 100.000 für diese Maßnahmen be-<br />

willigt.<br />

Ruine Ravensburg<br />

Sulzfeld<br />

Landkreis Karlsruhe<br />

Der Bergfried dieser Ruine ist ein weithin<br />

sichtbares Sulzfelder Zeichen. Er stammt aus<br />

dem 13. Jahrhundert und mußte nun zur<br />

Substanzrettung dringend repariert werden,<br />

insbesondere an der Mauerkrone und am<br />

Ausstieg, der bisher nur durch eine Boden-<br />

klappe gesichert war. Von den DM 90.000<br />

Kosten hierfür waren DM 74.000 denkmal-<br />

bedingt. Die Denkmalstiftung hat sich mit<br />

DM 20.000 an diesen Sicherungs-<br />

maßnahmen beteiligt.<br />

Mahnmal „Friedensengel",<br />

E 6<br />

Mannheim<br />

Stadtkreis Mannheim<br />

Das drei Meter hohe Mahnmal für<br />

die Toten des Zweiten Weltkriegs<br />

hat der Bildhauer Gerhard Mareks<br />

1952 geschaffen. Ursprünglich bei<br />

der berühmten Jesuitenkirche pla-<br />

ziert, steht es nun auf Quadrat E 6<br />

neben der Bürgerhospitalkirche.<br />

Der Bronzeengel verdankt seinen<br />

hohen Dokumentationswert so-<br />

wohl künstlerischen wie auch hei-<br />

matgeschichtlichen und wissen-


schaftlichen Aspekten. Risse und Roststellen<br />

an der Statue könnten kostengünstig für le-<br />

diglich DM 10.000 behoben werden. Die<br />

Denkmalstiftung wird sich an dieser Maß-<br />

nahme mit bis zu DM 7.000 beteiligen.<br />

Kloster Seligental<br />

Osterburken-Schlierstadt<br />

Neckar-Odenwald-Kreis<br />

Das ehemalige Zisterzienserinnenkloster Se-<br />

ligental, 1236 gegründet, nach der Refor-<br />

mation 1568 aufgehoben und der Besitz<br />

1803 säkularisiert, ist seit 1934 in landwirt-<br />

schaftlichem Privatbesitz. Es hat im Bereich<br />

des früheren Dormentgebäudes (Schlaf-<br />

trakt) der Nonnen noch Originalsubstanz<br />

aus der Gründungszeit aufzuweisen. Eine<br />

Einmaligkeit! Es wurde deshalb 1996 auch<br />

mit erheblichen Mitteln der Denkmalstif-<br />

tung (DM 430.000) restauriert. (Wir haben<br />

darüber in unserem „Einhefter" berichtet.)<br />

Nun aber galt es, gerade den Dormentsaal<br />

im Innern zu „erwecken", die Malereien in<br />

der Sakristei und den freigelegten Nischen<br />

zu restaurieren, um durch Einbau von Fen-<br />

stern, Türen und Böden das Gebäude wenig-<br />

stens im Sommer für die Besucher zugäng-<br />

lich machen zu können. Eine mit fast<br />

640.000 Mark veranschlagte Maßnahme,<br />

bei der sich die Denkmalstiftung mit DM<br />

92,000 beteiligt hat.<br />

Schloß Zwingenberg<br />

Zwingenberg<br />

Neckar-Odenwald-Kreis<br />

Schloß Zwingenberg gilt als eine der bester-<br />

haltenen Burganlagen der Stauferzeit und<br />

insofern auch als Kulturdenkmal von beson-<br />

derer Bedeutung, Nun aber hat der Efeu<br />

dem Mauerwerk so viel Kalk entzogen, daß<br />

insbesondere im Turm C 2 Mauerwerksschä-<br />

den entstanden sind. Dazu mußte das acht-<br />

eckige Dach mit Biberschwanzziegeln neu<br />

gedeckt und vorher das Balkenwerk des<br />

Dachstuhls ausgebessert werden. Neben den<br />

Zimmererarbeiten waren auch Blechnerar-<br />

beiten vonnöten, unter anderem zur Wie-<br />

derherstellung der Turmspitze. Zur Förde-<br />

rung all dieser Maßnahmen hat die Denk-<br />

malstiftung DM 40.000 beigesteuert.<br />

Regierungsbezirk Freiburg<br />

Haus Luginsland, Römerstraße 6<br />

<strong>Baden</strong>weiler<br />

Landkreis Breisgau-Hochschwarz-<br />

wald<br />

Ein durch seinen winzigen Krüppelwalm, die<br />

ockerfarbene Putzfassade und dunkle Lasur<br />

der Fachwerkbalken äußerst markant wir-<br />

kendes Wohnhaus aus den Tagen der Jahr-<br />

Filialkirche St. Michael, Vogtsburg-Niederrotweil<br />

hundertwende. Besonders augenfällig das<br />

differenzierte Zierfachwerk am Sockel des<br />

Giebelfelds mit seinen bemalten Rosetten.<br />

Um Haus Luginsland zu retten, war eine um-<br />

fassende Dachinstandsetzung nötig. Von<br />

den insgesamt veranschlagten DM 114.000<br />

waren DM 24.500 denkmalbedingter Mehr-<br />

aufwand. Die Denkmalstiftung hat dafür<br />

DM 20.000 bereitgestellt.<br />

Filialkirche St. Michael<br />

Vogtsburg-Niederrotweil<br />

Landkreis Breisgau-Hochschwarz-<br />

wald<br />

Es ist wohl das bemerkenswerteste architek-<br />

tonische Kleinod der Kaiserstuhlgegend,<br />

sieht man von Breisachs Münster St. Steph-<br />

an ab. Geradezu weltberühmt der bemalte<br />

Schnitzaltar eines Meisters „H. L." vom er-<br />

sten Viertel des 16. Jahrhunderts. Bedeut-<br />

sam auch die gotische Innenbemalung. Im<br />

Flammhof, Glottertal-Föhrental<br />

Bereich des Chors wurde ihre Renovierung<br />

zusammen mit der des Altars bereits<br />

1995 mit DM 100,000 gefördert. (Wir haben<br />

in unserem „Einhefter" 1/98 darüber berich-<br />

tet.) Als es danach um die Restaurierung der<br />

Fresken im Kirchenschiff ging, hat sich die<br />

Denkmalstiftung wiederum mit DM 100,000<br />

beteiligt. Eine Maßnahme, mit der die Wie-<br />

derherstellungsarbeiten an diesem hochbe-<br />

deutsamen Kirchlein vorerst abgeschlossen<br />

werden konnten.<br />

Flammhof<br />

Glottertal-Föhrental<br />

Landkreis Breisgau-Hochschwarz-<br />

wald<br />

Wie aus der Landschaft herausgewachsen<br />

steht er da: Der Flammhof am Eingang des<br />

Glottertals ist einer der wenigen Schwarz-<br />

waldhöfe mit einem strohgedeckten, tief<br />

heruntergezogenen Walmdach. Die Denk-<br />

malstiftung hat die Sanierung des Reet-<br />

dachs bereits mit DM 60.000 unterstützt<br />

(Wir haben in unserem „Einhefter" IV/98<br />

darüber berichtet). Nun aber war auch noch<br />

die statische Sicherung dieses 300 Jahre al-<br />

ten Baus zu bewerkstelligen, an der sich die<br />

Denkmalstiftung wiederum mit einem Zu-<br />

schuß von DM 6.000 beteiligte.<br />

Stadtwüstung Münster<br />

Münstertal<br />

Landkreis Breisgau-Hochschwarz-<br />

wald<br />

Die archäologischen Ausgrabungen im<br />

Münstertal haben seit 1995 Erstaunliches<br />

zutage gefördert. Danach hat sich auf dem<br />

Gelände der heutigen Gemeinde Münstertal<br />

im Flochmittelalter die Bergbaustadt Mün-<br />

ster befunden, in der nach Silber gegraben<br />

wurde - jetzt gräbt man hier nach den Re-<br />

13


sten der Silbergräberstadt. Insbesondere<br />

Funde von Glas und Ofenkacheln lassen dar-<br />

auf schließen, daß es sich hierbei offen-<br />

sichtlich um eine ehedem wohlhabende ur-<br />

bane Einheit gehandelt haben muß. Die<br />

Denkmalstiftung hat die Auswertung der<br />

archäologischen Arbeiten mit DM 25,000<br />

unterstützt.<br />

Katholische Pfarrkirche St. Martin<br />

Mühlingen<br />

Landkreis Konstanz<br />

Die Hauptattraktion der 1747 errichteten<br />

kleinen Dorfkirche in Mühlingen sind die<br />

beiden Seitenaltäre Joseph Anton Feucht-<br />

mayers. Jedoch weist die Statik mittlerweile<br />

solche Mängel auf, daß die Kirche seit 1994<br />

nicht mehr zu betreten ist. Die Restaurie-<br />

rungskosten betragen mehr als anderthalb<br />

Millionen Mark und der denkmalbedingte<br />

Mehraufwand beläuft sich auf annähernd<br />

DM 350.000. Die Denkmalstiftung ist hier<br />

mit DM 110.000 beteiligt.<br />

Schwarzwaldhof, 3. Hof<br />

Homberg-lMiederwasser<br />

Ortenaukreis<br />

Nach Aussage des Hornberger Bürgermei-<br />

sters handelt es sich bei dem direkt an der<br />

Gutach gelegenen Haus im Hornberger Orts-<br />

teil Niederwasser um den „Schwarzwaldbau-<br />

ernhof schlechthin". Diesen exemplarischen<br />

Charakter verdankt er naturgemäß seinem<br />

Reetdach, dessen Neueindeckung schließlich<br />

fast DM 122.000 kostete, wobei sich der<br />

denkmalbedingte Mehraufwand auf mehr als<br />

DM 83.000 belief. Die Denkmalstiftung hat<br />

sich an diesem Dach mit DM 28.000 beteiligt,<br />

davon im Jahr 1998 mit DM 13.000.<br />

Haus Bären, Kottweil-Deißlingen<br />

14<br />

Schwarzwaldhof, Landstraße 23<br />

Hornberg-Niederwasser<br />

Ortenaukreis<br />

Er ist dem Reetdach-Hof fast benachbart<br />

und liegt ebenfalls an der Gutach. Stilistisch<br />

handelt es sich um einen Eindachhof, wohl<br />

aus dem späten 18. Jahrhundert, mit einem<br />

gewaltigen Dachstuhl, der noch weitgehend<br />

original erhalten geblieben ist. Das ehedem<br />

eternitgedeckte Dach war löchrig gewor-<br />

den, der Dachstuhl mußte instandgesetzt<br />

werden. Kosten: Eine Viertelmillion Mark.<br />

Zur Neueindeckung entschied sich der Ei-<br />

gentümer Peter Klausmann für einen Dop-<br />

pelmuldenfalzziegel, der im Kinzigtal seit<br />

1870 belegt ist. An dem denkmalbedingten<br />

Mehraufwand von etwa DM 60.000 hat sich<br />

die Denkmalstiftung mit DM 30.000 betei-<br />

ligt.<br />

Grimmelshausen-Haus,<br />

Hauptstraße 59<br />

Renchen<br />

Ortenaukreis<br />

Der große Barockdichter Johann Christoph<br />

von Grimmelshausen (1622-1676) hat sein<br />

abenteuerliches Leben als Bürgermeister in<br />

Renchen beendet. An Stelle seines einstigen<br />

Wohnhauses neben dem Rathaus entstand<br />

1756 ein zweigeschossiges Ackerbürger-<br />

haus, woraus nach dem Rettungskauf der<br />

Stadt eine bemerkenswerte Erinnerungs-<br />

und Gedenkstätte für Grimmelshausen<br />

wurde. Von den fast 1 200.000 DM Gesamt-<br />

kosten hierfür waren DM 270.000 denkmal-<br />

bedingter Mehraufwand. Im Blick auf das<br />

außergewöhnliche Engagement des „För-<br />

dervereins Grimmelshausenfreunde e. V."<br />

hat sich die Denkmalstiftung hier mit DM<br />

170.000 beteiligt. (Dazu auch der Aufma-<br />

cher in unserer „Beilage" IV/1999.)<br />

Haus Bären, Gupfenstraße 18<br />

Kottweil-Deißlingen<br />

Landkreis Rottweil<br />

Der ortsbildprägende „Bären" ist das Inbild<br />

eines schwäbisch-alemannischen Land-<br />

gasthofs, zu dem früher neben der Wirt-<br />

schaft selber auch noch Brauerei, Brennerei<br />

und eine große Ökonomie gehört haben.<br />

Lange vom Abriß bedroht, wurde das Anwe-<br />

sen nun zu einem Heim für behinderte<br />

Menschen umgebaut. Aber auch Wirt-<br />

schaft, Laden, Biergarten und verschiedene<br />

Werkstatträume sollen hier unterkommen.<br />

So könnte aus einem Abrißfall ein neues<br />

Dorfzentrum werden. Zu den dafür nötigen<br />

DM 1 200.000 trägt die Denkmalstiftung<br />

DM 150.000 bei.<br />

Schwarzwaldhof, 3. Hof, Hornberg-Niederwasser<br />

Schwarzwaldhof, Landstraße 23,<br />

Hornberg-Niederwasser<br />

Hasenhof 1: Mühle<br />

Lauterbach<br />

Landkreis Rottweil<br />

Der Hasenhof datiert aus dem Jahr 1584<br />

und gilt in seiner Sachgesamtheit als ein<br />

Kulturdenkmal, die dazugehörige Mühle gar<br />

als eines von besonderer Bedeutung. Zwar<br />

ist ihr Mahlwerk vollständig intakt, aber das<br />

Gehäuse um den Mechanismus herum war<br />

so marode geworden, daß man schadhafte<br />

Hölzer ersetzen und eine Drainage legen<br />

mußte. Zur Rettung dieses pittoresken Tech-<br />

nikdenkmals, dessen Gesamtkosten sich auf<br />

knapp über DM 100.000 beliefen, wobei sich<br />

der denkmalbedingte Mehraufwand bei<br />

etwa DM 80.000 bewegt, hat die Denkmal-<br />

stiftung DM 25.000 beigesteuert.<br />

Friedhofskirche St. Remigius<br />

Bräunlingen<br />

Landkreis Schwarzwald-Baar<br />

Auch die in beherrschender Hanglage über<br />

Bräunlingen sich erhebende Friedhofskirche<br />

St. Remigius, als „Mutterkirche der Baar"<br />

bezeichnet, war stark durch eindringendes<br />

Wasser gefährdet. Die notwendigen Außen-<br />

renovierungen (1991-1993), von der Denk-<br />

malstiftung mit DM 30.000 unterstützt,<br />

haben die Gemeinde derart in Anspruch ge-<br />

nommen, daß für die ebenso dringende In-<br />

nensanierung, besonders aber für die Re-<br />

staurierung eines im 15. Jahrhundert ent-<br />

standenen Tafelgemäldes, vor allem die Be-<br />

teiligung der Denkmalstiftung vonnöten<br />

war. Bei fast DM 310.000 für die wohlgelun-<br />

gene Innenausstattung und einem denk-<br />

malbedingten Mehraufwand von nahezu<br />

DM 200.000 waren die DM 50.000 der Denk-<br />

malstiftung die Rettung.


Friedhofskirche St. Remigius, Bräunlingen<br />

Orangerie und Palmenhaus,<br />

Schloßpark<br />

üonaueschingen<br />

Landkreis Schwarzwald-Baar<br />

Das Orangeriegebäude nahe beim Donau-<br />

eschinger Schloß und unmittelbar neben der<br />

Donauquelle stammt aus der ersten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts, gilt als Kulturdenkmal<br />

von besonderer Bedeutung und gehört dazu-<br />

hin zur Gesamtanlage Donaueschingen, für<br />

die § 19 des Denkmalschutzgesetzes zutrifft.<br />

Bemerkenswert an dem reich gestalteten<br />

Gebäude ist die Kombination von Putz-<br />

wänden und Stahl-Glaskonstruktionen. Bei-<br />

des aber muß restauriert werden. Die Kosten<br />

dafür sollen etwa DM 1 040.000 betragen.<br />

Der denkmalbedingte Mehraufwand da-<br />

bei beträgt um die DM<br />

740.000. Ohne einen Zu-<br />

schuß der Denkmalstiftung<br />

in Höhe von DM 200.000<br />

wäre die Rettung dieses<br />

weithin einmaligen Ge-<br />

bäudes nicht möglich ge-<br />

wesen. Die Arbeiten sind<br />

mitten im Gang. Hernach<br />

soll die Anlage „denkmal-<br />

verträglichen" Nutzungen<br />

zugeführt werden. Ge-<br />

dacht ist an eine museale<br />

Nutzung im Zusammen-<br />

hang mit einer gastrono-<br />

mischen. Man muß kein<br />

Prophet sein, um vorherzu-<br />

sehen, daß es eine zusätzli-<br />

che Attraktion dieses oh-<br />

nedies sehr sehenswerten<br />

Städtchens werden wird.<br />

Regierungsbezirk Tübingen<br />

Ehemaliges Franziskanerkloster,<br />

Spitalstraße 30<br />

Ehingen<br />

Alb-Donau-Kreis<br />

Ehingens ehemaliges Franziskanerkloster<br />

wurde 1650 von dem Ulmer Baumeister<br />

Leonhard Bachmüller errichtet, der wenig<br />

später auch am Wiederaufbau der evangeli-<br />

schen Schorndorfer Stadtpfarrkirche betei-<br />

ligt war. Seit 1825 diente es als Spital.<br />

Längst als herausragendes Baudenkmal er-<br />

kannt, sind die Gesamtausgaben für seine<br />

Renovierung auf fast DM 11.000.000 veran-<br />

schlagt. Hernach soll die Anlage als Jugend-<br />

musikschule und Archiv genutzt werden.<br />

Nun aber haben sich im ersten Stockwerk<br />

unbedingt restaurierungswürdige Holzkas-<br />

settendecken gezeigt, deren Wiederherstel-<br />

lung noch zusätzlich DM 113.000 verschlin-<br />

gen. Die Denkmalstiftung hat diese Sonder-<br />

maßnahme mit DM 90.000 unterstützt.<br />

„Alte Schmiede", Dorfstraße 1a<br />

Bad Schussenried-Steinhausen<br />

Landkreis Biberach<br />

Die „Alte Schmiede" steht in unmittelbarer<br />

Nachbarschaft jenes Gotteshauses, von dem<br />

es heißt, es sei die „schönste Dorfkirche der<br />

Welt"; Domenikus Zimmermanns 1728 be-<br />

gonnene katholische Pfarrkirche St. Peter<br />

und Paul, zugleich die Wallfahrtskirche U. L.<br />

Frau. In einer Stellungnahme des Landes-<br />

denkmalamts zur Schmiede heißt es, sie<br />

nehme im Ortsbild eine besondere Stellung<br />

ein, da sie zusammen mit einer kleinen<br />

Gruppe von anderen Gebäuden um die<br />

Wallfahrtskirche die historisch dörfliche Ge-<br />

stalt bewahrt habe und insofern „für das Er-<br />

scheinungsbild der aus dieser Umgebung<br />

aufragenden Wallfahrtskirche von besonde-<br />

rer Bedeutung ist." Dennoch wurde vor 15<br />

Jahren ein Antrag auf Abbruch gestellt. Ein<br />

eigens gegründeter örtlicher Denkmalverein<br />

verhinderte das Schlimmste. Doch sind des-<br />

sen Mittel seit dem Ankauf erschöpft. Die<br />

Erhaltung der Schmiede soll mit der Einrich-<br />

tung eines Dorf- und Wallfahrtmuseums<br />

verknüpft werden. Von den DM 500.000<br />

Gesamtkosten sind DM 200.000 denkmal-<br />

bedingter Mehraufwand. Die Denkmalstif-<br />

tung hat sich mit DM 70.000 an der „Alten<br />

Schmiede" beteiligt.<br />

Münster Salem<br />

Schloß Salem<br />

Bodensee-Kreis<br />

Beim Münster im bodenseenahen Salem<br />

handelt es sich um ein Kulturdenkmal von<br />

nationaler Bedeutung. 1297 in Zeiten der<br />

Hochgotik begonnen, ist diese Blüte spätzi-<br />

sterziensischen Bauens im heutigen Gebiet<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>s allenfalls noch mit<br />

Bebenhausen zu vergleichen. Der in Salem<br />

Bildnachweis;<br />

Karl G. Geiger, Stuttgart; Si, S2, S3 o; Wirt-<br />

schaftsmin. <strong>Baden</strong>.-Württ.: S3 u; A. Wais, Stuttgart:<br />

S4 o; Denkmalstiftung <strong>Baden</strong>-Württ: S4 u; LDA<br />

<strong>Baden</strong>-Württ. (Schreiner): S5. S6 o; A. Wais: S6 u 1;<br />

LDA <strong>Baden</strong>-Württ.: S6 u r; Karl G. Geiger, Stuttgart:<br />

S8;<br />

Karl G. Geiger: S9, S10 o; LDA <strong>Baden</strong>-Württ.: SlO u;<br />

Luftbild Otto Braasch, Landshut: Sll, S12 o; LDA<br />

<strong>Baden</strong>-Württ: S12 u; LDA <strong>Baden</strong>-Württ.: Sl3 o, Sl3<br />

u; Karl G. Geiger: S13 m, S14 alle, S15 o, m;<br />

Denkmalstiftung <strong>Baden</strong>-Württ.: S15; Bild Oser: Sl 5 u<br />

r; LDA <strong>Baden</strong>-Württ. S16 o, m; Denkmalstiftung Ba-<br />

den-Württ.: S16 u r, u I.<br />

Münster Salem<br />

15


verwendete Molassensandstein weist aller-<br />

dings ein so ausgeprägtes Schadensbild auf,<br />

daß man für die Sanierungskosten der Ge-<br />

samtanlage in den kommenden Jahren mit<br />

etwa DM 10.000.000 rechnen muß. Die<br />

Denkmalstiftung hat sich bisher bereits mit<br />

DM 600.000 an der Dachstuhlsanierung des<br />

Westgiebels beteiligt. Zur Beendigung der<br />

Restsanierungen am Westgiebel und dem<br />

Dach des Hauptschiffs wurden Kosten von<br />

DM 450.000 veranschlagt, an denen die<br />

Denkmalstiftung mit DM 100.000 beteiligt<br />

ist.<br />

Burg Neideck<br />

Argenbühl<br />

Landkreis Ravensburg<br />

Der noch erhaltene Burgteil aus dem 13.<br />

Jahrhundert, bestehend aus Burgverlies und<br />

Rittersaal, droht durch Absacken der Funda-<br />

mente auseinanderzubersten. Die Wände<br />

müssen deshalb durch Stahlanker gesichert<br />

und die Risse verpreßt und ausgefugt wer-<br />

den. Die Gesamtkosten für diese Maßnah-<br />

men belaufen sich auf DM 343.000, der<br />

denkmalbedingte Mehraufwand auf etwa<br />

DM 273.000. Die Denkmalstiftung hat sich<br />

hieran mit DM 100.000 beteiligt.<br />

Wimsener Mühie<br />

Hayingen<br />

Landkreis Reutlingen<br />

Die ehemalige Mühle des Klosters Zwiefal-<br />

ten, 1754 gebaut, ist mittlerweile äußerst<br />

desolat. Da dies Gebäude allerdings in un-<br />

mittelbarer Nähe der Wimsener Höhle liegt,<br />

mithin der tiefsten Karstwasserhöhle in<br />

Deutschland, über deren andauernde Erfor-<br />

schungen die Ergebnisse in der Mühle de-<br />

monstriert werden könnten, die auch noch<br />

für ein multiflexibles Kulturzentrum taugen<br />

könnte. Die Gesamtkosten belaufen sich auf<br />

DM 620.000, der denkmalbedingte Mehr-<br />

aufwand auf etwa DM 378.000. Die Denk-<br />

malstiftung ist in diesem Fall mit DM 58.000<br />

beteiligt.<br />

Wimsener Mühle, Hayingen<br />

16<br />

Burg Neideck, Argenbühl<br />

Ehemalige Burg Ramsberg: Kapelle St. Wende- Bahnhofstraße 13, Saulgau<br />

lin, Heiligenberg-Hattenweiler<br />

Ehemalige Burg Ramsberg: Kapelle<br />

St. Wendelin<br />

Heiligenberg-Hattenweiler<br />

Landkreis Sigmaringen<br />

Die mittelalterliche, wohl von den Grafen<br />

von Ramsberg errichtete Burg, weist nach<br />

den Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg<br />

an ursprünglicher Sub-<br />

stanz noch Umfassungs-<br />

mauern und auch die<br />

1467 geweihte Wall-<br />

fahrtskirche St. Wende-<br />

lin auf. Übriggebliebene<br />

Zeugen einer mittelal-<br />

terlichen Höhenburgen-<br />

kultur zwischen Boden-<br />

see und Oberem Donau-<br />

tal. Die als äußerst qua-<br />

litätvoll beschriebenen,<br />

auf das Jahr 1467 datier-<br />

ten Wandmalereien sind<br />

mitsamt anderen wert-<br />

vollen Teilen der Aus-<br />

stattung äußerst restaurierungsbedürftig,<br />

ebenso wie die Raumschale des Schiffs. Die<br />

bereits zwischen 1994 und 1997 von der<br />

Denkmalstiftung unterstützte Anlage wurde<br />

nun mit DM 20.000 gefördert.<br />

Bahnhofstraße 13<br />

Saulgau<br />

Landkreis Sigmaringen<br />

Das noble Wohn- und Geschäftshaus der<br />

ehemaligen Tonwarenfabrik Emil Bacher<br />

von 1898 gilt wegen seiner heimatge-<br />

schichtlichen und künstlerischen Bedeu-<br />

tung als Kulturdenkmal. An der reich gestal-<br />

teten Fassade des hellen Klinkerbaus sind in-<br />

des gravierende Schäden aufgetaucht. Ihre<br />

Behebung wird sich auf fast DM 190.000<br />

belaufen. Der denkmalbedingte Mehrauf-<br />

wand dabei beträgt etwa DM 74.000. Die<br />

Denkmalstiftung beteiligt sich an der Ret-<br />

tung dieser großstädtisch wirkenden histo-<br />

ristischen Fassade mit DM 20.000.


liehen Teil lag der geschlossene Bezirk<br />

des reichsunmittelbaren Damenstifts,<br />

den heute noch das Münster des hl.<br />

Fridolin krönt. Im Südwesten ragt das<br />

Schloß der Grafen Schönau auf, um<br />

das sich jene romantische Liebesge-<br />

schichte des Trompeters von Säckin-<br />

gen rankt, mit der Joseph Victor von<br />

Scheffel die Stadt weltberühmt ge-<br />

macht hat.<br />

Die alte gedeckte Holzbrücke im Sü-<br />

den trotzt seit über 400 Jahren den Flu-<br />

ten des Rheins. Die Steinbrücke, an<br />

deren nördlichem Fuß das alte Bad zu<br />

sehen ist, verschwand 1830, als der<br />

rechte Rheinarm zugeschüttet wurde.<br />

Die Stadt erweiterte sich nach Nor-<br />

den. Der „Bauboom" ergriff auch die<br />

Altstadt. Viele Gebäude wurden zu-<br />

nächst im Biedermeier-, später im Ju-<br />

gendstil umgestaltet.<br />

Der Baubestand innerhalb des Insel-<br />

bezirks ist als Ensemble 1961 in das<br />

Denkmalbuch des Landes <strong>Baden</strong>-<br />

<strong>Württemberg</strong> eingetragen worden. Er<br />

umfaßt ein Gebiet von 10 ha mit 212<br />

Gebäuden. Nach dem Zweiten Welt-<br />

krieg hat sich die Stadt vor allem im<br />

Norden der alten Rheininsel erweitert.<br />

Der Kern blieb weitgehend unangeta-<br />

stet. Allerdings wurde die Altstadt, frü-<br />

her blutvoller Mittelpunkt pulsieren-<br />

den Lebens, in der zweiten Hälfte die-<br />

ses Jahrhunderts mehr und mehr zu ei-<br />

nem Problemgebiet. Die Bausubstanz<br />

verfiel. Die alteingesessene Bevölke-<br />

rung zog in die Außenbezirke. Alte<br />

Menschen und sozial Schwache blie-<br />

ben zurück. Der Ausländeranteil stieg<br />

auf 44% der Altstadtbevölkerung.<br />

Ziele der Stadterneuerung<br />

Zu Beginn der 70er Jahre kam „Sanie-<br />

rungsbewußtsein" auf. Die politisch<br />

Verantwortlichen, die Verwaltung, Ar-<br />

chitekten, Kunsthistoriker und vor al-<br />

lem die Bürgerschaft begannen zu<br />

entdecken, daß sich Säckingen ty-<br />

pisch und unverwechselbar in der Alt-<br />

stadt darstellt und diese Identität auch<br />

bewahrt werden müsse. Hauptziel der<br />

Sanierung und Modernisierung ist es,<br />

die Altstadt wieder <strong>zum</strong> kulturellen<br />

Mittelpunkt, zur bevorzugten Wohn-<br />

lage und <strong>zum</strong> Zentrum privater und<br />

öffentlicher Dienstleistungen zu ent-<br />

wickeln.<br />

Darüber hinaus wird angestrebt,<br />

- moderne Miet- und Eigentumswoh-<br />

nungen entstehen zu lassen, die auch<br />

für die bisher in der Altstadt wohn-<br />

hafte Bevölkerung erschwinglich sind;<br />

- in sozialen Einrichtungen, wie <strong>zum</strong><br />

Beispiel einem Altenstift und der Be-<br />

gegnungsstätte im „Alten Hof", auslän-<br />

dische Mitbürger und alte Menschen<br />

in das Leben der Altstadt einzubezie-<br />

hen;<br />

- großzügige Grünanlagen, Fußgän-<br />

gerzonen und Parkplätze zur Verbes-<br />

serung der Wohnumfeldqualität zu<br />

schaffen;<br />

- die Altstadt mit dem neuen Kurzen-<br />

trum zu vernetzen und die Arbeitstei-<br />

lung im Dienstleistungsangebot fest-<br />

zulegen.<br />

Gestaltungsziele für den Alt-<br />

stadtbereich<br />

Für die gesamte Altstadt und für an-<br />

grenzende Gebiete mit einer Fläche<br />

von 14 ha ist 1976 eine Gestaltungssat-<br />

zung erlassen worden. Sie legt die all-<br />

gemeinen und besonderen Gestal-<br />

tungsziele für Gebäude, Straßenräu-<br />

me und Plätze fest. Bei Gebäudeer-<br />

neuerungen im Gebiet der alten<br />

Rheininsel wird regelmäßig der älteste<br />

Befund wieder hergestellt. Im Inneren<br />

der Gebäude wird meist keine Rück-<br />

sicht auf die ursprüngliche Raumauf-<br />

teilung und die Geschoßhöhe ge-<br />

nommen. Hier entstehen Wohnräu-<br />

me und gewerbliche Flächen, die den<br />

heutigen Anforderungen entsprechen.<br />

Besonders wertvolle Treppenhäuser,<br />

Stuckdecken und Wandverkleidungen<br />

werden allerdings erhalten und sorg-<br />

fältig restauriert.<br />

Im Gegensatz dazu wurde im Gebiet<br />

des zugeschütteten Rheinbetts Flä-<br />

chensanierung betrieben. Hier ent-<br />

stand ein modernes Dienstleistungs-<br />

zentrum, das in Maßstab und Gliede-<br />

■ 2 Ein Blick <strong>zum</strong> „Alten Hof". Die Sanie-<br />

rung der ehemaligen Residenz der Säckin-<br />

ger Äbtissinnen wurde 1975 abgeschlossen.<br />

Links der Erweiterungsbau des Rathauses von<br />

1997.<br />

rung das Vorbild der gewachsenen Alt-<br />

stadt aufnimmt, sich aber in Material-<br />

wahl und Formensprache zur Architek-<br />

tur des 20. Jahrhunderts bekennt.<br />

Die Gestaltungssatzung formuliert als<br />

wichtigste Einzelziele<br />

- die Erhaltung der räumlichen Glie-<br />

derung der Straßenzüge durch Ver-<br />

springen der Gebäudefronten;<br />

- die Erhaltung der Dachlandschaft<br />

durch unterschiedliche Traufhöhen,<br />

wechselnde Dachneigungen und<br />

Dachgaupen;<br />

- die Fassadengestaltung durch unter-<br />

schiedliche Breiten und kleinteilige<br />

Gliederung;<br />

- ein Farbkonzept mit besonderer<br />

Berücksichtigung historischer Farbbe-<br />

funde;<br />

- das Verbot von Dachantennen für<br />

Fernseh- und Rundfunkempfang (in<br />

der ganzen Altstadt sind Kupferkoaxi-<br />

alkabel verlegt);<br />

- das Verbot oberirdischer Versor-<br />

gungsleitungen;<br />

- die Pflasterung der Straßen und Plät-<br />

ze mit Granit oder Porphyr.<br />

Fahrplan der Stadt-<br />

erneuerung<br />

- 1972 Konsumbefragung einschließ-<br />

lich Bürgerbefragung über kommu-<br />

nalpolitische Prioritäten;<br />

- 1972 Ausschreibung eines städte-<br />

baulichen Wettbewerbs für den Be-<br />

reich der „Flächensanierung"; Ergeb-<br />

nis 1973;<br />

209


■ 3 Der Münsterplatz- historische Kulisse<br />

für den bei den Einwohnern und Gästen be-<br />

liebten Treffpunkt in der Altstadt.<br />

■ 4 Die Fußgängerzone in der Rheinbrück-<br />

straße lädt <strong>zum</strong> Altstadtbummel ein. Bis 1979<br />

rollten hier Fahrzeuge <strong>zum</strong> Grenzübergang<br />

über die historische Rheinbrücke zwischen<br />

Bad Säckingen und Stein im Kanton Aargau.<br />

210<br />

- 1973 vorbereitende Untersuchung<br />

nach dem Städtebauförderungsge-<br />

setz;<br />

-1974 Aufnahme der Gebiete Altstadt<br />

I und 1! mit 4,2 ha Fläche in das SE-Pro-<br />

gramm (Subventionierung nach dem<br />

Städtebauförderungsgesetz);<br />

-1974 Sozialpian;<br />

- 1974 Einschaltung eines Sanierungs-<br />

trägers;<br />

-1975 rechtskräftige Bebauungspläne<br />

für das Cesamtgebiet;<br />

- 1976 Gestaltungsplan für Grünanla-<br />

gen;<br />

-1976 Gestaltungssatzung;<br />

- 1977 erste Untersuchung über das<br />

Einkaufsverhalten im Einzugsgebiet<br />

der Stadt;<br />

- 1977 Fertigstellung des Rheintalzen-<br />

trums I mit einem Großkaufhaus, al-<br />

tengerechten Wohnungen, dem Spar-<br />

kassenneubau, Geschäften und Tief-<br />

garagen;<br />

-1978 zweite Konsumbefragung;<br />

- 1979 Studie „Investitionsverhalten<br />

privater und öffentlicher Eigentümer<br />

in Stadterneuerungsgebieten" (Institut<br />

für Stadtforschung, Berlin);<br />

-1980 zweiter Farbleitplan;<br />

- 1980 umfassender Grünordnungs-<br />

plan;<br />

-1980 Gestaltungskonzept für die ver-<br />

kehrsberuhigten Zonen;<br />

- 1980 Kurortentwicklungsplan, Neu-<br />

fassung;<br />

- 1980 Erarbeitung einer Konzeption<br />

zur Wohnumfeldverbesserung;<br />

-1982 Fertigstellung des Rheintalzen-<br />

trums II mit dem Kursaal, Wohnungen,<br />

Geschäften und einerweiteren Tiefga-<br />

rage;<br />

- 1984 zweite Marktanalyse über das<br />

Einkaufsverhalten;<br />

- 1985 Aufnahme in das Wohnum-<br />

feldprogramm für das Gebiet Altstadt<br />

III mit 79 ha;<br />

-1990 Abschluß und Dokumentation<br />

der Sanierung;<br />

- 1996 neue Marktstruktur-Untersu-<br />

chung;<br />

- 1998 Aufnahme des Projekts „Loh-<br />

gerbe" in das Sanierungsprogramm.<br />

Finanzielle Abwicklung<br />

Die Bau- und Ordnungsmaßnahmen<br />

haben allein im förmlich festgestellten<br />

Sanierungsgebiet ca. DM 80 Mio. ge-<br />

kostet.<br />

Ca. DM 14 Mio. sind „unrentier-<br />

lich". Die Stadt trägt davon rd. DM 6<br />

Mio. DM 8 Mio. geben Bund und<br />

Land als Zuschuß. Den weitaus größ-<br />

ten Teil der Investitionen - ca. DM 60<br />

Mio. tragen Privatleute. Auch in der<br />

Modernisierungszone, die jetzt in das<br />

Wohnumfeldprogramm aufgenom-<br />

men ist, hat sich die Bevölkerung von<br />

der Sanierungsidee anstecken lassen.<br />

Es gibt kaum noch ein Gebäude, das


nicht außen und innen erneuert wor-<br />

den ist. Der Einsatz an privaten und öf-<br />

fentlichen Mitteln in diesem Gebiet<br />

wird auf rd. DM 25 Mio. geschätzt. Die<br />

förderungsfähigen Kosten lagen bei<br />

etwa DM 4 Mio.<br />

Das Investitionsvolumen im Gebiet<br />

„Lohgerbe" wird bei rd. DM 50 Mio.<br />

liegen. Zuschüsse von DM 3,72 Mio.<br />

sind beantragt (bewilligt sind bisher<br />

DM 2,4 Mio).<br />

Für denkmalpflegerische Maßnahmen<br />

in Bad Säckingen wurden vom Land<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> seit 1977 rd. DM<br />

2,5 Mio. bewilligt. Für die Renovierung<br />

des Münsters hat das Land <strong>Baden</strong>-<br />

<strong>Württemberg</strong> DM 9 Mio. eingesetzt.<br />

Ergebnisse der Stadt-<br />

erneuerung<br />

Die Einwohnerzahl im Sanierungs-<br />

und Erneuerungsgebiet ist um rd. 20%<br />

angestiegen; die Zahl der Arbeitsplät-<br />

ze hat sich etwa verfünffacht.<br />

Die Sozialstruktur ist wieder ausgewo-<br />

gen. Der Ausländeranteil hat sich von<br />

44% (1973) auf knapp 10% (1995) der<br />

Bevölkerung verringert (Ausländeran-<br />

teil in der Gesamtstadt: 10,5%).<br />

Nach dem Bau der neuen Rhein-<br />

brücke ist die Innenstadt vom Durch-<br />

gangsverkehrbefreit. Großzügige Fuß-<br />

gängerzonen und verkehrsberuhigte<br />

Bereiche sind geschaffen worden.<br />

Die Zahl der Parkplätze hat sich von<br />

830 (1973) auf 1.365 (1999) erhöht. Da-<br />

von befinden sich rd. 600 in öffentli-<br />

chen und privaten Tiefgaragen. Wei-<br />

tere 350 Parkplätze sind in dem Bau-<br />

gebiet Lohgerbe und zusätzliche 100<br />

im Bahnhofsumfeld geplant.<br />

Die Einkaufszentralität der Innenstadt<br />

hat sich deutlich verbessert. Nicht<br />

zuletzt deshalb, weil es gelungen ist,<br />

neben einem seit Jahren ansässigen<br />

Kaufhaus ein weiteres anzusiedeln.<br />

Dieses - zunächst gegen den Wider-<br />

stand der Einzelhändler in der Innen-<br />

stadt errichtete großflächige Waren-<br />

angebot - hat sich als Magnet erwie-<br />

sen, der für die notwendige zusätz-<br />

liche Kundenfrequenz sorgt. Wichtig<br />

für die Entwicklung der innerstäd-<br />

tischen Dienstleistungszentralität ist,<br />

daß die Stadt keine neuen Super-<br />

märkte „auf der grünen Wiese" zu-<br />

läßt.<br />

Die Angebots- und Nachfragestruktur<br />

des Einzelhandels sowie die Entwick-<br />

lung der Kundenströme wurden seit<br />

1972 in insgesamt vier Marktstudien<br />

untersucht. Mit diesen Marktanalysen<br />

sollten private Investitionsentschei-<br />

dungen erleichtert und Weichen für<br />

eine Erhöhung der innerstädtischen<br />

Einkaufszentralität gestellt werden.<br />

Die letzte Marktanalyse aus dem Jahr<br />

1996 gab den Impuls zur Sanierung<br />

des „Lohgerbe-Areals", in das ein wei-<br />

terer Magnetbetrieb angesiedelt und<br />

über 5.000 m 2 Verkaufsfläche geschaf-<br />

fen werden sollen.<br />

Im Rahmen der Marktuntersuchung<br />

der BBE <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> GmbH<br />

Beratungsgesellschaft Handel und<br />

Kommune aus dem Jahr 1996 wurden<br />

Kurgäste und Touristen interviewt. Auf<br />

die Frage: „Was gefällt Ihnen an Bad<br />

Säckingen?" nannten die meisten die<br />

Altstadt, die Brücke, das Münster und<br />

die gesamte Innenstadt.<br />

In der gleichen Studie wird festgestellt,<br />

daß sich die Verbrauchsausgaben in<br />

Deutschland stärker in Richtung<br />

Dienstleistungen, Reisen und Freizeit<br />

verlagern werden. Unter den image-<br />

bildenden Faktoren nennt die Unter-<br />

suchung an erster Stelle Stadtbild, At-<br />

mosphäre und Aufenthaltsqualität.<br />

Mit den historischen Pfunden wuchert<br />

die Stadt auch bei ihrer Werbung.<br />

Vielleicht waren wir auch deshalb von<br />

der allgemeinen Krise des Fremden-<br />

verkehrs in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> nicht<br />

so sehr berührt wie andere Gebiete.<br />

Während z.B. im Landkreis Waldshut<br />

1997 rd. 5% Gäste-Ankünfte weniger<br />

zu verzeichnen waren als im Vorjahr,<br />

konnte Bad Säckingen die Übernach-<br />

■ 5 Die 1997 zur beruhigten Verkehrszone<br />

umfunktionierte Steinbrückstraße. Ihr Name<br />

erinnert an die steinerne Brücke über einen<br />

rechten Seitenarm des Hochrheins und an<br />

die Insellage (bis 1830) der Stadt.<br />

211


tungszahlen noch steigern. Vor allem<br />

erfreulich ist die Steigerung im priva-<br />

ten Übernachtungsgewerbe. Dort ver-<br />

zeichnen wir in den vergangenen Jah-<br />

ren jeweils zweistellige Zuwachsraten.<br />

Neben- und Außenwirkung<br />

der Sanierung<br />

Die sanierte Altstadt entwickelte sich<br />

im jüngsten Heilbad Deutschlands mit<br />

einer sprunghaft steigenden Über-<br />

nachtungszahl als Magnet, der selbst<br />

die Anziehungskraft des neuen Kur-<br />

zentrums übertrifft. Sie ist daher fest<br />

in die Kurortrahmenplanung einbe-<br />

zogen, gewissermaßen als zweiter<br />

Brennpunkt einer Stadtentwicklungs-<br />

elipse. Eine City-Bus-Linie verknüpft<br />

das Stadtzentrum mit allen Stadtteilen.<br />

Das Sanierungsgebiet wird mit um-<br />

weltfreundlicher Energie einer Elektro-<br />

wärmepumpenanlage beheizt.<br />

Die Bevölkerung ist nicht nur in der<br />

Altstadt, sondern auch in der Gesamt-<br />

stadt in einer Zeit angestiegen, in der<br />

andere Mittelzentren Abwanderungs-<br />

verluste hinnehmen mußten (1973:<br />

14.824 Einwohner; 1978:14.578,1995:<br />

16.656 Einwohner). Diese positive Ent-<br />

wicklung ist auch zu einem Teil auf die<br />

Wiederbelebung des Stadtkerns zu-<br />

rückzuführen. Die Folgelasten für den<br />

Einsatz privater Gelder sind ver-<br />

gleichsweise gering zu dem, was wir<br />

uns in anderen Bereichen der Da-<br />

seinsvorsorge aufladen.<br />

Heute ist die Altstadt eine erste Adres-<br />

se in Bad Säckingen. Mit der Fertig-<br />

stellung des Kursaales und der gro-<br />

ßen Wohn- und Geschäftsanlage im<br />

alten Rheinbett ist sie wieder zur<br />

Drehscheibe des Handels und der<br />

menschlichen Begegnungen gewor-<br />

212<br />

den. Gleichzeitig ist mit der Stadter-<br />

neuerung auch ein Stück Stadtkultur<br />

wieder lebendig geworden. Oswald<br />

Spengler schreibt in seinem Buch „Der<br />

Untergang des Abendlandes" mit<br />

Blick auf die Städte der Antike: „Es ist<br />

eine ganz entscheidende ... Tatsache,<br />

daß alle großen Kulturen Stadtkultu-<br />

ren sind ... Weltgeschichte ist die Ge-<br />

schichte des Stadtmenschen ... Die<br />

Stadt ist Geist". Nicht die Einwohner-<br />

zahl bestimmt, wer Stadt in diesem<br />

Sinne ist. Zu allen Zeiten gab es kleine<br />

Städte mit einem hohen Grad an Or-<br />

ganisation und viel größere unorga-<br />

nisierte Siedlungen ohne städtischen<br />

Charakter.<br />

Wir haben in Bad Säckingen versucht.<br />

Überkommenes mit dem Stilem-<br />

pfinden unserer Tage in Einklang zu<br />

bringen. Die architektonischen und<br />

menschlichen Maßstäbe des histo-<br />

risch Gewachsenen wurden beachtet.<br />

Stätten organisierter sozialer Kontakte<br />

sind geschaffen worden. Treffpunkte<br />

für alt und jung, für Ausländer und Ein-<br />

heimische. Deshalb schlägt das Herz<br />

von Bad Säckingen wieder in der Alt-<br />

stadt und die Bürger sind stolz auf<br />

diese Renaissance ihrer städtebauli-<br />

chen Vergangenheit. Mehr nämlich als<br />

in den Neubaugebieten entdecken sie<br />

hier das Besondere, das Unverwech-<br />

selbare, die Identität ihrer Stadt, die<br />

ihren Bewohnern den Weg zur Identi-<br />

fikation mit Bauwerken und Men-<br />

schen ebnet.<br />

Dr. Dr. b.c. Günther Nufer<br />

Bürgermeister der Stadt<br />

Bad Säckingen<br />

Stadtverwaltung<br />

79713 Bad Säckingen


■ 1 Blick auf die Klosteranlage Maulbronn,<br />

seit 1993 Weltkuiturerbe.<br />

Staatliche Kulturbauten - ein Standort-<br />

faktorfür <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

ffe« y<br />

[- - y j*<br />

Dem Land <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> ge-<br />

hören rund 2500 denkmalgeschützte<br />

Gebäude. Dies ist etwa 1/4 des Staat-<br />

lichen Cebäudebestandes. Die Denk-<br />

malschutzquote ist also sehr hoch.<br />

Die Nutzung der denkmalgeschützten<br />

Gebäude des Landes ist vielfäl-<br />

tig und breit gefächert. Auf der Festung<br />

Hohenasperg bei Ludwigsburg hat das<br />

Land ein Justizvollzugskrankenhaus;<br />

Universitätsbibliotheken und Univer-<br />

sitätsinstitute befinden sich in denk-<br />

malgeschützten Gebäuden; selbst Uni-<br />

versitätsklinika, in denen moderne<br />

medizinische Spitzenforschung und<br />

Krankenbetreuung der Maximalver-<br />

sorgung geleistet wird, sind noch in<br />

denkmalgeschützter Bausubstanz un-<br />

tergebracht. Das Spektrum der Nut-<br />

zung geht hin bis zu den vielen kul-<br />

turellen Nutzungen und Ausbildungs-<br />

stätten in alten Klosteranlagen, wie<br />

das oberschwäbische Ochsenhausen<br />

oder Weingarten; Kulturdenkmale sind<br />

Thomas Knödler<br />

natürlich auch die staatlichen Schlös-<br />

ser und Gärten (SSG), die museal als<br />

Schloßmuseum präsentiert werden<br />

wie Heidelberg, Schwetzingen, Lud-<br />

wigsburg, wie auch die Schlösser, in<br />

denen sich Museen befinden, das<br />

württembergische und badische Lan-<br />

desmuseum in Stuttgart und Karls-<br />

ruhe. Viele Amts- und Landgerichte<br />

sind in barocken Palazzi unterge-<br />

bracht; dem Land gehören auch viele<br />

Gotteshäuser wie der Dom in St. Bla-<br />

sien oder das Fridolins-Münster hier in<br />

Bad Säckingen.<br />

Wenn ich überstaatliche Kulturbauten<br />

als Standortfaktor im Land <strong>Baden</strong>-<br />

<strong>Württemberg</strong> unter dem Oberthema<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> als Wirtschaftsfaktor<br />

rede, will ich aber auch historische Ba-<br />

deanlagen wie das alte Eberhardsbad<br />

in Wildbad, das Markgrafenbad in Ba-<br />

denweiler nennen und den Neubau<br />

von James Stirling aus dem Jahre 1984<br />

für die Neue Staatsgalerie in Stuttgart.<br />

213


■ 2 Schloß Heidelberg mit Friedrichsbau.<br />

214<br />

Für all diese Gebäude trägt die Staat-<br />

liche Vermögens- und Hochbauver-<br />

waltung die Verantwortung.<br />

Oft steht der Name der Institution oder<br />

der Name des denkmalgeschützten<br />

Gebäudes synonym; vielfach sind es<br />

stadtbildprägende, ortstypische und<br />

lokalgeschichtlich besonders bedeu-<br />

tende Objekte. Viele haben eine Aus-<br />

strahlung als geistiges und kulturelles<br />

Zentrum in unserem Gemeinwesen.<br />

Ein erster simpler Standortfaktor für<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> ist die Last, die<br />

das Land als Eigentümer mit diesen<br />

Gebäuden hat. Die Pflege und der<br />

Bauunterhalt, dies weiß jeder, der mit<br />

alter Bausubstanz umgeht, ist deutlich<br />

höher als im Schnitt für funktionale<br />

Neubauten der Nachkriegsgeschichte.<br />

Seit Bestehen des Landes <strong>Baden</strong>-<br />

<strong>Württemberg</strong> haben wir immense<br />

Summen für unsere Kulturbauten auf-<br />

gebracht. Die im Staatshaushaltsplan<br />

genannten Baukosten sprechen für<br />

sich:<br />

Schloß Ludwigsburg 145 Mio.<br />

Schloß Bruchsal 50 Mio.<br />

Schloß Schwetzingen 110 Mio.<br />

Schloß Rastatt 47 Mio.<br />

Kloster Maulbronn 60 Mio.<br />

Dies ist nur ein Teil der insgesamt rund<br />

250 historischen Anlagen, die von den<br />

SSG verwaltet und betreut werden.<br />

Dazu kommen die anderen Kultur-<br />

bauten, wie das Fridolins-Münster<br />

Bad Säckingen mit 10 Mio. DM.<br />

Wir geben Jahr für Jahr kontinuierlich<br />

100-150 Mio. DM für die Pflege und<br />

den Unterhalt unserer denkmalge-<br />

schützten Gebäude aus.<br />

Der Aufwand des Landes für diese<br />

seine Kuiturbauten ist beachtlich und<br />

allein die rund 20 größten und be-<br />

deutendsten historischen Baudenk-<br />

male, die von den SSG verwaltet wer-<br />

den, stehen derzeit mit Erhaltungs-<br />

und Renovierungskosten im Gesamt-<br />

betrag von 700 Mio. DM zu Buche.<br />

30-40 Mio. DM pro Jahr werden auf-<br />

gewendet. Die vom Land investierten<br />

Mittel sind ein wirtschaftlich nicht<br />

zu unterschätzender Standortfaktor<br />

für Wirtschaft und Handwerk. Sie sind<br />

ein tragender Faktor für die Erhaltung<br />

der traditionellen Handwerkskunst.<br />

Ein für mich sehr wichtiger Standort-<br />

faktor der denkmalgeschützten Ge-<br />

bäudesubstanz ist die Arbeits- und Le-<br />

bensqualität, die in diesen Gebäuden


spürbar ist oder von ihnen ausstrahlt.<br />

Viele dieser Gebäude geben den<br />

Städten und Gemeinden ihre unver-<br />

wechselbare, individuelle Gestalt. Die<br />

Architektur spricht nicht zu den Men-<br />

schen, sie beeinflußt aber das Lebens-<br />

gefühl weit stärker, als wir uns norma-<br />

lerweise bewußt machen.<br />

Ich habe die beeindruckenden Zah-<br />

len vorher nicht ohne Bedacht ge-<br />

nannt. Die Frage ist nicht, ob dem<br />

Land seine Kulturbauten diesen Auf-<br />

wand wert sind. Soweit wir uns den<br />

Aufwand finanziell leisten können,<br />

müssen wir auch dazu stehen. Kultur-<br />

denkmale zu besitzen und zu erhal-<br />

ten, ist eine Daueraufgabe der öffent-<br />

lichen Hand. Das Land bekennt sich<br />

in langjähriger Übung zu dieser Pflicht.<br />

Sie gehört <strong>zum</strong> Grundauftrag des Staa-<br />

tes, zur Daseinsvorsorge für seine Bür-<br />

ger. Die bebaute Kulturlandschaft ist<br />

Zeugnis des geschichtlichen Werdens<br />

unseres Landes in all seinen Teilen und<br />

damit Teil der Identität dieses Bundes-<br />

staates und seiner Bürger. Dieser Auf-<br />

gabe hat sich das Land auch in finanzi-<br />

ell schwierigen Zeiten zu stellen.<br />

Ich will mich dem Standortfaktor<br />

Staatliche Kulturliegenschaften und<br />

Tourismus zuwenden.<br />

Dort, wo die Neugier auf die Gebäu-<br />

de oder das Gefühl, etwas besonde-<br />

res sehen zu wollen, so kraftvoll wird,<br />

daß wir hinfahren, entsteht Tourismus.<br />

Denkmale generieren also, wenn wir<br />

es in der neudeutschen Immobilien-<br />

terminologie ausdrücken, Besucher,<br />

Lebensqualität und Kaufkraft. Touris-<br />

mus ist ein nicht zu unterschätzen-<br />

der wesentlicher Standortfaktor im<br />

Lande.<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> ist das Touris-<br />

musland Nr. 2 in der Bundesrepublik.<br />

Der Fremdenverkehr trägt über 5 %<br />

<strong>zum</strong> Bruttosozialprodukt des Landes<br />

bei. im Tourismusbereich sieht die<br />

Landesregierung Wachstumschan-<br />

cen, auch für die Beschäftigung. In<br />

einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit heißt<br />

Ausbau des Dienstleistungssektors<br />

auch, den Fremdenverkehrssektor<br />

und den Tourismus neu zu bewerten.<br />

Dazu wollen wir uns zunächst einige<br />

Zahlen vor Augen halten:<br />

Jährlich verzeichnen die Staatlichen<br />

Schlösser und Gärten in ihren rund 50<br />

der Öffentlichkeit gegen Entgelt prä-<br />

sentierten Objekten 2,5 Mio. Besu-<br />

cher.<br />

Davon besichtigen allein Schloß Hei-<br />

delbergjährlich mehrals1,1 Mio. Tou-<br />

risten; die <strong>zum</strong> Weltkulturerbe erho-<br />

bene Klosterstadt Maulbronn haben<br />

1997132000 Touristen aufgesucht.<br />

Die Wilhelma, ein denkmalgeschütz-<br />

ter historischer Garten, war in den letz-<br />

ten 10 Jahren Attraktion für durch-<br />

schnittlich 1,7 Mio. Besucher.<br />

Das Blühende Barock in Ludwigsburg<br />

besuchen jährlich zusätzlich rund<br />

1,3 Mio. Gartenfreunde.<br />

Alles in allem sind dies rund 5,5 Mio.<br />

Touristen, die Jahr für Jahr gegen Ent-<br />

gelt den Weg in die Staatlichen Kultur-<br />

bauten und Gärten finden. Die Viel-<br />

zahl frei zugänglicher Garten- und<br />

Parkanlagen sowie Ruinen im Eigen-<br />

tum des Landes ziehen mit Sicherheit<br />

noch einmal den gleichen Besucher-<br />

strom an.<br />

Damit ist es nicht zu hoch gegriffen,<br />

wenn man von jährlich rd. lOMio. Be-<br />

suchern der staatlichen Kulturliegen-<br />

schaften ausgeht.<br />

Nach unseren Erhebungen kommt die<br />

Hälfte der Besucher aus <strong>Baden</strong>-Würt-<br />

temberg, die andere Hälfte von außer-<br />

halb des Landes. Ausländische Touri-<br />

sten erreichen einen Anteil von 6 %.<br />

Tagestouristen sind rd. 65 %, Ferntou-<br />

risten kommen demnach auf einen<br />

Anteil von 35 %.<br />

Das Deutsche Wissenschaftliche Insti-<br />

tut für Fremdenverkehr an der Uni-<br />

versität München hat die Ausgaben<br />

der Tagestouristen am jeweiligen Be-<br />

suchsort mit 35 DM je Kopf und Tag<br />

ermittelt. Für die Ferntouristen wurde<br />

der entsprechende Betrag mit 120 DM<br />

ermittelt. Hochgerechnet auf die o.g.<br />

5,5 Mio. Besucher pro Jahr in den ein-<br />

trittspflichtigen Objekten ergibt sich<br />

damit ein Umsatzvolumen aus Tou-<br />

rismus von rund 370 Mio. DM. Diese<br />

Umsatzströme werden größtenteils<br />

■ 3 Die große römische Badeanlage in Ba-<br />

denweiler, Zustand zu Beginn der 50er Jahre.<br />

215


■ 4 Schloß Rastatt, Ahnensaal.<br />

■ 5 Schloß Favorite bei Rastatt.<br />

216<br />

von den staatlichen Kulturbauten und<br />

Gärten ausgelöst. Sie kommen vor-<br />

nehmlich der Gastronomie und dem<br />

Einzelhandel im Lande zugute; sie tra-<br />

gen zur Sicherung der Beschäftigung<br />

in diesen Bereichen bei.<br />

Unsere Verwaltung der Staatlichen<br />

Schlösser und Gärten muß darauf zie-<br />

len, die Sehenswürdigkeiten unserer<br />

Kulturlandschaft als touristische At-<br />

traktionen weiter auszubauen.<br />

Professionelles Marketing des landes-<br />

eigenen Besitzes ist Tourismusförde-<br />

rung für das Land in toto.<br />

In einer Zeit permanenter und voll-<br />

ständiger Reizüberflutung hat es eine<br />

Denkmallandschaft schwer, Aufmerk-<br />

samkeit zu gewinnen, aus sich selbst<br />

heraus den Wert des historischen<br />

Erbes zu vermitteln und auch die<br />

Chance auszufüllen, Geschichtsbe-<br />

wußtsein und Kulturentwicklung ein<br />

breites und meist nicht fachkundiges<br />

Publikum anhand der gebauten Um-<br />

welt zu lehren.<br />

Wir sind mit den Staatlichen Schlös-<br />

sern und Gärten im Internet; wir prä-<br />

sentieren vermietbare Räume in<br />

Schlössern und Klosteranlagen, die<br />

von Einzelpersonen, Institutionen, Fir-<br />

men und Vereinen gegen Entgelt ge-<br />

nutzt werden können.<br />

Es geht uns auch darum, kulturelle<br />

Vielfalt in unserem Land zu zeigen.<br />

Wir wollen nicht dem amerikanischen<br />

Tourismusprinzip Vorschub leisten: If<br />

you have seen one, you have seen all.<br />

Im Gegenteil: Das Gesehene soll Lust<br />

machen, mehr zu sehen und nicht<br />

einfach nach dem asiatischen Kame-<br />

raprinzip: Klick und weiter durchzu-<br />

fahren, sondern zu verweilen.<br />

Es gibt harte und weiche Standortfak-<br />

toren: Die Vielfalt von der römischen<br />

Badruine in <strong>Baden</strong>weiler über die Ro-<br />

manik auf der Reichenau bis <strong>zum</strong> ba-<br />

rock/klassizistischen Schloßtheater in<br />

Ludwigsburg müssen wir von einem<br />

weichen zu einem harten Standortfak-<br />

tor machen.<br />

Vermarktung kann jedoch verantwor-<br />

tungsvoll nur geschehen, wenn die<br />

Einsicht in die Grenzen der Präsenta-<br />

tion von Baudenkmalen vorhanden<br />

ist.


Die Verstärkung von Besucherströ-<br />

men werten wir unter den touristi-<br />

schen Aspekten als Erfolg. Touristische<br />

Aufwertung gerät jedoch dort zur Ver-<br />

wertung, ja sogar zur Entwertung, wo<br />

die Baudenkmäler durch den An-<br />

drang der Besucher Schäden erleiden.<br />

Schäden, die nicht nur hohe Instand-<br />

setzungskosten, sondern unwieder-<br />

bringlichen Substanzverlust der histo-<br />

rischen Objekte bedeuten.<br />

Damit ist das größte Spannungsfeld<br />

unserer Verwaltung angesprochen;<br />

Das Erfordernis, im Interesse größt-<br />

möglicher Wirtschaftlichkeit die Besu-<br />

cherzahlen zu erhöhen, ist in Über-<br />

einstimmung zu bringen mit dem un-<br />

verzichtbaren Schutz des Denkmais.<br />

Verdeutlichen können wir uns die<br />

Problematik am Beispiel von Schloß<br />

Favorite bei Rastatt. Der außerordent-<br />

lich hohe Rang des Denkmals und<br />

seine originale Qualität sind unserer<br />

Verwaltung wohl bewußt. Gleichwohl<br />

ist die Besucherzahl in den letzten Jah-<br />

ren nicht wesentlich gesteigert wor-<br />

den. Dies ist kein Versäumnis. Favorite<br />

wurde nicht für Besuchermassen ge-<br />

baut. Die aufs kostbarste ausgestatte-<br />

ten, kleinen und engen Innenräume<br />

können ohne irreparable Langzeit-<br />

schäden der Substanz nur zahlen-<br />

mäßig begrenzten Besuchergruppen<br />

gezeigt werden.<br />

Mit dieser Selbstbeschränkung wer-<br />

den wir unserer Verantwortung ge-<br />

genüber dem geschichtlich überkom-<br />

menen Erbe gerecht. Wir sichern das<br />

Objekt aber auch für künftige Besu-<br />

cher. Was nicht mehr in seiner Ori-<br />

ginalitäterlebbarist, kann künftig Tou-<br />

risten nur noch sehr eingeschränkt an-<br />

ziehen.<br />

Lassen Sie uns in diesem Zusammen-<br />

hang einen häufig übersehenen As-<br />

pekt des Staatlichen Bauens betrach-<br />

ten. Auch die Neubauten des Landes<br />

lösen Besucherströme aus. Dies ins-<br />

besondere dann, wenn das Bauwerk<br />

selbst integraler Bestandteil des kultu-<br />

rellen Erlebens ist, ja sogar das eigent-<br />

liche Ereignis darstellt. Zum Beleg<br />

möchte ich den Neubau der Stuttgar-<br />

ter Staatsgalerie, den bedeutenden<br />

Stirling-Bau, anführen. Dieser Cebäu-<br />

dekomplex ist bereits heute zweifels-<br />

frei ein Bestandteil der Architekturge-<br />

schichte. Er hat schon 1984, im Jahr<br />

seiner Eröffnung, ganze Besucher-<br />

scharen angezogen. Während 1983<br />

die Besucherzahl der Staatsgalerie bei<br />

166000 lag, schnellte sie im Eröff-<br />

nungsjahr auf 1,2 Mio. hoch. Dies ist<br />

mehr als das 7-fache. Ich meine, dies<br />

ist ein schlagender Beweis für die tou-<br />

ristische Anziehungskraft gelungener<br />

zeitgenössischer Architektur. Mehr<br />

noch: die bauliche Hülle wird <strong>zum</strong> ei-<br />

gentlichen Anlaß für den Besuch einer<br />

gleichwohl hochrangigen Sammlung.<br />

Daß Bauwerke touristische Standort-<br />

faktoren sind, zeigt sich jüngst in Bil-<br />

bao; Gehrys Bau für Teile der Guggen-<br />

heim-Kunstbestände hat die Provinz-<br />

stadt Nordspaniens zu einem Reise-<br />

ziel gemacht und unterstreicht, was<br />

wir in Stuttgart mit der Staatsgalerie<br />

ausgelöst und erlebt haben.<br />

Die staatlichen Kulturbauten waren in<br />

den vergangenen Jahrzehnten oft<br />

Spitzenreiter der Erneuerung der ba-<br />

den-württembergischen Städteland-<br />

schaft. Sie zeichnet sich durch eine<br />

Vielzahl hervorragend sanierter und<br />

gepflegter Stadtkerne aus. Von der<br />

Großstadt bis <strong>zum</strong> ländlich gepflegten<br />

kleinstädtischen Ambiente haben<br />

diese Gemeinwesen seit dem Krieg<br />

■ 6 Mittelsaal, Sala terrena, im Schloß Favo-<br />

rite.<br />

217


die Stadtbilder wieder hergestellt,<br />

vom fließenden Verkehr befreit und<br />

mit zeitgemäßen Nutzungen berei-<br />

chert. Jeder von uns kennt eine Fül-<br />

le hervorragend gelungener Beispiele.<br />

Sie sind Ausdruck gewachsenen<br />

Selbstbewußtseins, aber auch des Bür-<br />

gerstolzes.<br />

Das Land <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> hat<br />

jüngst im oberschwäbischen Städt-<br />

chen Aulendorf in enger Kooperation<br />

mit der Kommune das Schloß für über<br />

30 Mio. DM der Bürgerschaft zurück-<br />

gegeben und mit den Museumsbe-<br />

ständen des <strong>Württemberg</strong>ischen Lan-<br />

desmuseums zu einer kulturellen At-<br />

traktion im südlichen Landesteil ge-<br />

macht. Ein Beispiel, wie lebenswerte<br />

städtische Umwelt entsteht. Sie schafft<br />

Wohlbefinden und eine urbane At-<br />

mosphäre. Sie fördert ein pulsieren-<br />

des innerstädtisches Leben.<br />

Städte mit dieser Qualität sind es auch,<br />

die von den qualifiziertesten Arbeits-<br />

kräften als Wohnort für sich und ihre<br />

Familien bevorzugt ausgewählt wer-<br />

den. Nurwenn zu einem grundständi-<br />

gen kulturellen und Freizeitangebot<br />

die städtebauliche Attraktivität hinzu<br />

kommt, wird eine Stadt als attraktiv<br />

empfunden. Die zukunftsträchtigsten<br />

Wirtschafts- und Industrieunterneh-<br />

men folgen mit ihrer Standortent-<br />

scheidung der Wohnortentscheidung<br />

ihrer potentiellen Arbeitnehmer.<br />

Bisher hat München unter diesen As-<br />

pekten den ersten Platz in Deutsch-<br />

land eingenommen. Berlin ist dabei,<br />

die bayerische Landeshauptstadt in-<br />

soweit abzulösen. Die in den letzten<br />

15 Jahren entstandenen und noch<br />

hinzukommenden staatlichen Kultur-<br />

■ 7 Das Zisterzienserkloster Bebenhausen. bauten an der Konrad-Adenauer-Stra-<br />

218<br />

ße in Stuttgart sind nicht zuletzt auch<br />

Ausdruck des Bemühens der Landes-<br />

regierung, den nationalen und inter-<br />

nationalen Standortwettbewerb zu<br />

bestehen.<br />

Gleichzeitig, und deshalb wollen wir<br />

uns dies besonders nachdrücklich in<br />

Erinnerung rufen, erfüllen die Stadtbil-<br />

der auch eine wichtige Funktion für<br />

den Tourismus. Eine Stadt, die von<br />

ihren Bürgern geliebt und angenom-<br />

men wird, eine solche Stadt ist auch<br />

für Touristen attraktiv. Wer will seine<br />

Freizeit schon in einer grauen Beton-<br />

wüste zubringen?<br />

Natürlich sind es nicht allein die staat-<br />

lichen Kulturbauten, die das Ortsbild<br />

unserer Innenstädte prägen. Aber: Sie<br />

waren und sind vielfach Auslöser und<br />

Initiator gleichgerichteter Bemühun-<br />

gen der Städte und Gemeinden sowie<br />

ihrer Bürger. Die denkmalpflegende<br />

Aufarbeitung der Innenstädte nimmt<br />

oftmals ihren Ausgang mit den zentral<br />

gelegenen Landesgebäuden. Dies läßt<br />

sich z. B. in Stuttgart und Tübingen<br />

nachweisen. Der Sanierung und Re-<br />

novierung staatlicher Kulturbauten<br />

folgt die Stadtsanierung in größerem<br />

Rahmen nach.<br />

Die Erhaltung, Pflege und behutsame<br />

Renovierung und Präsentation der<br />

staatlichen Kulturbauten ist eine fa-<br />

cettenreiche Aufgabe der Staatlichen<br />

Vermögens- und Hochbauverwal-<br />

tung. Die Präsentation unserer Bau-<br />

denkmale ist kein Selbstzweck. Sie<br />

gehört <strong>zum</strong> Bildungsauftrag, den das<br />

Land seinen Bürgern und insbeson-<br />

dere derjugend unseres Landes schul-<br />

det. Unsere Geschichte als wesentli-<br />

cher Teil unseres Werdens und unse-<br />

res Selbstverständnisses wird desto<br />

greifbarer und be-greifbarer, je näher<br />

sie einem kommt, je konkreter sie<br />

dem Bürger entgegentritt.<br />

Oft wird behauptet, unserer Jugend,<br />

der sogenannten Null-Bock-Genera-<br />

tion, seien die alten Baudenkmale<br />

nicht zu vermitteln, sie seien ihr im be-<br />

sten Fall gleichgültig.<br />

Dieser Befund entspricht nicht unse-<br />

ren Erfahrungen. Wir haben ganz im<br />

Gegenteil festgestellt, daß eine alters-<br />

gemäße Präsentation Interesse wek-<br />

ken, ja sogar Begeisterung auslösen<br />

kann. Deshalb haben unsere Staatli-<br />

chen Schlösser und Gärten neue For-<br />

men des Kennenlernens von Bau-


denkmalen und des Erlebens von Ge-<br />

schichte in ihren Schloßführungen<br />

entwickelt. Bereits seit mehreren Jah-<br />

ren führen wir in Rastatt, Schwetzin-<br />

gen und Ludwigsburg mit großem<br />

Erfolg gesonderte Führungen für Ju-<br />

gendliche durch.<br />

Spielerische Szenen, von den Besu-<br />

chern dargestellt, bilden den Höhe-<br />

punkt. Sie lassen das historische Leben<br />

nachempfinden. Die bauliche Hülle<br />

bekommt in diesem Zusammenhang<br />

eine neue, bisher nicht erlebte Bedeu-<br />

tung. In Schloß Tettnang haben wir<br />

dieses Jahr mit speziellen Kindernach-<br />

mittagen begonnen. Auch hier zeich-<br />

net sich ein Erfolg ab. Wir werden<br />

diese Art der Hinführung <strong>zum</strong> histori-<br />

schen Bauwerk und zur Landesge-<br />

schichte künftig noch verstärken. Da-<br />

mit wollen wir unseren spezifischen<br />

Beitrag <strong>zum</strong> kultur- und bildungspoli-<br />

tischen Auftrag des Landes leisten.<br />

Die Bezugspunkte werden immer un-<br />

gewisser, die Orientierung für unsere<br />

Jugend in der sie prägenden Lebens-<br />

phase immer schwieriger. In dieser,<br />

gewissermaßen aus den Fugen gera-<br />

tenden Welt, kann die festgefügte Sta-<br />

tik der Baudenkmale und Kulturbau-<br />

ten ein Gegengewicht bilden. Der<br />

Anblick und das Erleben dieses uns<br />

über die Jahrhunderte überkomme-<br />

nen Erbes aus Stein läßt uns innehal-<br />

ten, macht uns im besten Sinne nach-<br />

denklich, vermittelt uns das Wissen<br />

um die Vergänglichkeit zeitgebunde-<br />

ner Ansichten; sie verdeutlicht uns<br />

darüber hinaus, daß es jenseits der vir-<br />

tuellen Welt eine konkrete, geschicht-<br />

lich gewachsene Wirklichkeit gibt.<br />

Eine Wirklichkeit, die über uns hinaus<br />

Bestand haben wird.<br />

Wenn man auf dem Landesdenkmal-<br />

tag redet, weiß man, daß man trotz al-<br />

ler Schnellebigkeit unserer medienge-<br />

prägten Zeit auch Gewinn aus lang-<br />

sam sich entwickelnder Geschichte<br />

ziehen kann und auf den rechten Zeit-<br />

punkt warten können muß. Wenn wir<br />

unsere Denkmale aktivieren wollen,<br />

gelingt dies am besten im historischen<br />

Kontext. 900 Jahre Zisterzienserorden<br />

war der Anlaß, Bebenhausen aus der<br />

Kontemplation zu führen. Anlässe zu<br />

historischen Daten wahrzunehmen,<br />

ist das Gegenstück zur Event-Kultur<br />

unserer Tage.<br />

Immer weniger wird es als zeitgerecht<br />

empfunden, daß der Staat die ihm zu-<br />

kommende Repräsentationsaufgabe<br />

wahrnimmt. Damit wird dem Bürger<br />

die Chance genommen, sich mit die-<br />

sem, seinem Staat zu identifizieren.<br />

Gleichgültigkeit, ja sogar Abwendung<br />

vom Gemeinwesen sind die Folge.<br />

Mit den staatlichen Kulturbauten in ih-<br />

rer besten Ausprägung wird hier zu-<br />

mindest teilweise Abhilfe geschaffen.<br />

Dem Bürger präsentiert sich ein kraft-<br />

voller Staat, dessen Schutz er sich an-<br />

vertrauen kann.<br />

Zum Schluß:<br />

Kloster Maulbronn wurde 1993 von<br />

der UNESCO als erstes Kulturdenkmal<br />

in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> <strong>zum</strong> Weltkul-<br />

turerbe ernannt. Dies hat uns mit eini-<br />

gem Stolz erfüllt. Die nahezu verdrei-<br />

fachten Besucherzahlen belegen, daß<br />

wir damit in unserem Land nicht allein<br />

waren.<br />

Eine weitere hohe Anerkennung für<br />

unsere Bauverwaltung war der Eu-<br />

ropäische Denkmalpreis der Europa-<br />

Nostra. Er wurde ihr für die denkmal-<br />

pflegerischen Leistungen für Schloß<br />

Rastatt verliehen. Die Insel Reichenau<br />

wird wahrscheinlich in naher Zukunft<br />

■ 8 Die Neue Staatsgalerie von James Stir-<br />

ling in Stuttgart.<br />

ebenfalls <strong>zum</strong> Weltkulturerbe erho-<br />

ben. Auch dazu haben unsere Bau-<br />

leute ihren Beitrag geleistet. Die Denk-<br />

malverwaltung wird demnächst<br />

Schloß, Stadt und Landschaft Heidel-<br />

berg sowie den Schloßgarten in<br />

Schwetzingen zur Anerkennung als<br />

Weltkulturerbe vorschlagen. Dies er-<br />

füllt uns mit Genugtuung. Verstärkter<br />

Tourismus mit all seinen positiven Wir-<br />

kungen für das Land wird sich daraus<br />

ergeben. Es macht uns aber auch zu-<br />

gleich bewußt, welche Verantwortung<br />

wir mit unseren Baudenkmälern für<br />

das nationale und internationale An-<br />

sehen <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>s tragen. In<br />

diesem Bewußtsein wollen wir uns<br />

weiterhin mit aller Kraft der Erhaltung<br />

und Fliege unserer staatlichen Kultur-<br />

bauten widmen.<br />

Ministerialdirigent Thomas Knödler<br />

Leiter der Staatlichen Vermögens-<br />

und Hochbauverwaltung<br />

Finanzministerium<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Postfach 10 14 53<br />

70013 Stuttgart<br />

219


Die Deutsche Limes-Straße -<br />

eine touristische Chance<br />

für die <strong>Denkmalpflege</strong><br />

Ulrich Pfeifle<br />

Meine sehr geehrten Damen und Her-<br />

ren,<br />

als Vorsitzender des Vereins Deutsche<br />

Limes-Straße e.V. nutze ich gerne die<br />

Gelegenheit, im Rahmen dieses Lan-<br />

desdenkmaltages ein Projekt zu prä-<br />

sentieren, bei dem sich in idealer<br />

Weise <strong>Denkmalpflege</strong> und Tourismus<br />

begegnen.<br />

Die Deutsche Limes-Straße, ein neues<br />

touristisches Higlight in vier Bundes-<br />

ländern hat als Zielgruppe den histo-<br />

risch interessierten Touristen, der über<br />

mehrere Tage hinweg sich auf eine<br />

Reise begibt vom Rhein bis zu Donau,<br />

ständig in enger Anlehnung an den<br />

Verlauf des obergermanisch-rätischen<br />

Limes.<br />

Der obergermanisch-rätische<br />

Limes<br />

Es ist Ihnen sicher bekannt, daß der<br />

obergermanisch-rätische Limes zu<br />

den bedeutendsten archäologischen<br />

Bodendenkmälern Mitteleuropas<br />

220<br />

zählt, was durch die Anmeldung <strong>zum</strong><br />

Weitkulturerbe der UNESCO deutlich<br />

dokumentiert wird.<br />

Der obergermanisch-rätische Limes<br />

erstreckt sich als jüngste Grenzzie-<br />

hung der Römer über 548 km vom<br />

Rhein bis zur Donau. Entlang seines<br />

Verlaufes sind zahlreiche Limesanla-<br />

gen konserviert oder sogar rekonstru-<br />

iert bzw. nachgebildet, z. B. Kastelle<br />

und <strong>Baden</strong>anlagen, Limestürme mit<br />

Teilen der Grenzbefestigung selbst,<br />

wie Wallanlagen, Graben, Mauer oder<br />

Palisaden.<br />

Herausragende Museen wie z.B. die<br />

Saalburg, das Aalener Limesmuseum<br />

oder das Museum in Weißenburg do-<br />

kumentieren eindrucksvoll das mili-<br />

tärische und auch das zivile Leben am<br />

Limes.<br />

Aber auch zahlreiche kleinere Mu-<br />

seen bergen interessante Fundstücke<br />

und sind didaktisch gut aufgearbeitet.<br />

Daneben existieren Schutzbauten<br />

■ 1 Das Limesmuseum (links) und die re-<br />

staurierte Principia im Kastell Aalen bilden ei-<br />

nen hervorragenden Ausgangspunkt für eine<br />

Fahrt auf der Deutschen Limes-Straße ent-<br />

lang des Limes.<br />

über römische Ruinen, die den jewei-<br />

ligen Fundpunkt durch Texte, Pläne,<br />

Ausgrabungsfotos und Fundmaterial<br />

erläutern.<br />

Die Idee für eine Touristik-<br />

straße<br />

Vor diesem eindrucksvollen Hinter-<br />

grund historischer Gegebenheiten<br />

lag es eigentlich nahe, entlang des Li-<br />

mes eine Touristikstraße zu führen.<br />

Die Überlegungen hierzu wurden<br />

zeitgleich in Aalen und in Weißenburg<br />

in den jähren 1994 und 95 angestellt.<br />

Wir konstatierten parallel zueinander,<br />

daß einerseits das Interesse gerade an<br />

der römischen Besatzungszeit und<br />

den Hinterlassenschaften der Römer<br />

in den letzten Jahrzehnten enorm ge-<br />

wachsen ist, und daß andererseits die,<br />

aus welchen Gründen auch immer,<br />

gestiegene Freizeit der Bürgerinnen<br />

und Bürger in unserem Land gerade-<br />

zu danach ruft, neue Freizeitange-<br />

bote auf gehobenem Niveau anzubie-<br />

ten.


26 OSTERBURKEN<br />

RAVCNSTE'N<br />

GROSSERLACH<br />

27 JAGSTHAUSEN<br />

28 OHRINGEN , ■ ><br />

PFEDELBACH , ■d;<br />

30 GRAB<br />

31 MURRHARDT<br />

Die Vereinsgründung<br />

Im September 1995 gründeten wir in<br />

Aalen den gemeinnützigen Verein<br />

Deutsche Limes-Straße mit Sitz in Aa-<br />

len. Bis <strong>zum</strong> heutigen Tage sind 73<br />

Städte, Gemeinden und Landkreise,<br />

die am obergermanisch-rätischen Li-<br />

mes liegen und die eine römische Ver-<br />

gangenheit aufweisen können, Mit-<br />

glieder in diesem Verein geworden. In<br />

einem ersten Kraftakt war es unser<br />

Bestreben, die Deutsche Limes-Straße<br />

vom Main bis zur Donau, also von<br />

Miltenberg bis Regensburg, zu führen.<br />

Diese Beschränkung erfolgte aus<br />

Gründen der Vereinfachung der ver-<br />

kehrsrechtlichen Genehmigungsver-<br />

fahren und zur schnelleren Realisie-<br />

rung.<br />

Inzwischen ist die Strecke erweitert bis<br />

<strong>zum</strong> Limesbeginn am Rhein. Wir hat-<br />

ten die offizielle Eröffnung der Ge-<br />

samtstrecke im April diesen Jahres.<br />

Sie erstreckt sich über 700 km durch<br />

Rheinland-Pfalz, Hessen, Bayern und<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>.<br />

Bei der Realisierung dieses Vorhabens<br />

wurden wir nachhaltig unterstützt<br />

durch die verschiedenen Landes-<br />

denkmalämter, insbesondere durch<br />

Frau Dr. Rabold vom Landesdenk-<br />

malamt <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>. Von ihr<br />

stammen z. B. die Texte zu den ent-<br />

sprechenden Werbebroschüren und<br />

unter ihrer wesentlichen Mitwirkung<br />

wird im Frühjahr 2000 im Theiss Verlag<br />

ein 160 Seiten umfassendes Buch mit<br />

Der Ortsteil Grab ist staatlich aner<br />

kannter Erholungsort und hat seiner<br />

Namen von -Schweinsgraben- (Limes<br />

graben). Die Umgebung ist beson<br />

ders geeignet für ausgedehnte Wald<br />

Wanderungen.<br />

❖ Sehenswert: ümesrekonstruktior<br />

mit L imes wach tturm.<br />

I Bürgermeisteramt, Stuttgarter<br />

Str. 18, 71577 Großedach,<br />

Tel 0 79 03/9154-0, Fax 9154^33<br />

MURRHARDT<br />

wieder auf Spuren der Römer.<br />

* Sehenswert: Heimatmuseum mit Zentrum im Naturpark Schwabisch<br />

Funden aus dieser Zeit. Pahl-Museum Fränkischer Wald. Neben Freizeitan<br />

in Gailsöach. Es locken aber auch geboten bietet die neue Festhalle eiurige<br />

Gasthäuser zur Einkehr. Auch nc bunte Vielfalt kultureller Angebote.<br />

für andere Freizeit-Aktivitäten ist gesorgt.<br />

Zum Beispiel im Mineralfreibad mv —,<br />

oder auf Tennis- und Sportplätzen.<br />

' Bürgermeisteramt. Hauptstr. 1.<br />

74535 Mainhardt.<br />

Tel 0 79 03/9150-0, Fax 9150-50<br />

GROSSERLACH<br />

Im Mainhardter Wald gelegen (500-<br />

586 m).<br />

* Sehenswert: Silberstollen<br />

welche die bauhistohschen Glanzlichter<br />

wie die Wattenchskapelle er<br />

ganzen.<br />

« Sehenswert: Freizeitgebiet Wald<br />

see mit Ganzjahres-Campingplatz.<br />

Stadt. Kunstsammlung. Carl-Schwei<br />

zer-Museum mit Tierpräparaten uno<br />

histor. Abteilung, schön gelegenes<br />

Freibad im Trauzenbachtal.<br />

i Verkehrsamt Im Rathaus.<br />

Marktplatz 10. 71540 Murrhardt.<br />

Tel 07192/213-124. Fax 52 83<br />

ca. 150 größtenteils farbigen Abbil-<br />

dungen mit dem Arbeitstitel „Der Li-<br />

mes in Deutschland - die Deutsche<br />

Limes-Straße" erscheinen.<br />

Wirtschaftliche Aspekte<br />

Dieser 8. Landesdenkmaltag <strong>Baden</strong>-<br />

<strong>Württemberg</strong> steht unter der Gesamt-<br />

überschrift: <strong>Denkmalpflege</strong> als Wirt-<br />

schaftsfaktor. Lassen Sie mich deshalb<br />

Ihnen zunächst die wirtschaftliche Be-<br />

deutung dieser neuen deutschen Tou-<br />

ristikstraße darstellen.<br />

Wir haben als Ziele des Vereins Deut-<br />

sche Limes-Straße u.a. in unserer Sat-<br />

zung formuliert, daß wir die Besucher-<br />

zahlen in unseren musealen Einrich-<br />

tungen durch die Straße steigern<br />

wollen, daß wir gleichzeitig natürlich<br />

dadurch auch die Gäste- und Über-<br />

nachtungszahlen in den Mitglieds-<br />

orten steigern werden. Dazu sollten<br />

Sie wissen, daß Tagestouristen rund<br />

60 DM pro Tag ausgeben. Übernach-<br />

tungsbesucher geben rund 130 DM<br />

pro Tag aus.<br />

In der europäischen Union geht man<br />

für die nächsten zehn Jahre weiterhin<br />

von Wachstumsraten im Tourismus<br />

aus, durchschnittlich soll die Wachs-<br />

tumsziffer zwischen 2,5 bis 4% betra-<br />

gen.<br />

Daneben ist die Straße ideal geeignet<br />

für die Imagewerbung der einzelnen<br />

Mitgliedsorte und ihrer Einrichtungen.<br />

Dies geschieht durch Präsentationen<br />

in Broschüren des Vereins, durch Nen-<br />

■ 2 Karte des im nördlichen <strong>Baden</strong>-Würt-<br />

temberg geradlinig verlaufenden Limes und<br />

dessen touristische Erschließung durch die<br />

neue Limesstraße (schwarze Linie). Rechts<br />

Hinweise auf einzelne Stationen am Limes<br />

(aus der Broschüre der Deutschen Limes-<br />

Straße).<br />

■ 3 Hinweisschild auf die Deutsche Limes-<br />

Straße.<br />

221


222<br />

nung in den zahlreichen Presseveröf-<br />

fentlichungen usw. sowie durch die Ei-<br />

genwerbung mit dem Thema Deut-<br />

sche Limes-Straße, wie dies z.B. ein-<br />

drucksvoll geschieht in Weißenburg,<br />

Bad Homburg, Aalen.<br />

Doch nicht nur für die einzelnen Mit-<br />

gliedsorte bringt die Deutsche Limes-<br />

Straße einen Werbeeffekt mit, son-<br />

dern natürlich auch für ganze Regio-<br />

nen und Landschaften wie z.B. den<br />

Naturpark Altmühltal, den Naturpark<br />

Schwäbisch-fränkischer Wald oder<br />

das neue Fränkische Seenland.<br />

Ein nicht zu unterschätzender wirt-<br />

schaftlicher Faktor ist schließlich auch<br />

die Konzentration von Mitteln durch<br />

die gemeinsame Vermarktung der 73<br />

Städte, Gemeinden und Landkreise.<br />

Chance für <strong>Denkmalpflege</strong><br />

Die Deutsche Limes-Straße ist aber<br />

gleichermaßen neben dem wirtschaft-<br />

lichen Aspekt auch eine Chance für<br />

die <strong>Denkmalpflege</strong>.<br />

So ist es keine Frage, daß die Existenz<br />

dieser Touristikstraße das Interesse an<br />

der römischen Geschichte weiter stei-<br />

gern wird ebenso wie das Bewußtsein<br />

für die Heimat und für deren histori-<br />

sche Entwicklung.<br />

Die Denkmale, die sich entlang der<br />

Strecke befinden, erfahren durch die<br />

Deutsche Limes-Straße eine vorher<br />

nie dagewesene Aufwertung.<br />

Das geschieht zunächst einmal be-<br />

reits durch die Ausschilderung der rö-<br />

mischen Sehenswürdigkeiten entlang<br />

der Strecke. Wir haben uns als Ver-<br />

ein aber auch <strong>zum</strong> Ziel gesetzt, den Er-<br />

haltungszustand einzelner Denkmäler<br />

nachhaltig zu verbessern. Wir geben<br />

darüber hinaus Anstöße zur verbes-<br />

serten Darstellung durch Rekonstruk-<br />

tionen, Modelle, Informationstafeln<br />

usw; so hat z. B. die Stadt Schwäbisch<br />

Gmünd auf Grund ihrer Mitgliedschaft<br />

im Verein im vergangenen Jahr be-<br />

schlossen, erheblich in die Konser-<br />

vierung und verbesserte Präsentation<br />

des Kastells Schierenhof zu investie-<br />

ren.<br />

Durch die Aktionen, Feste, besondere<br />

Ausflugsangebote wollen wir die rö-<br />

mischen Denkmale mit Leben erfüllen<br />

und den Alltag der Römer am Limes<br />

veranschaulichen.<br />

Dies kann man vielleicht besonders<br />

anschaulich darstellen mit dem Aus-<br />

flugsangebot der Stadt Aalen entlang<br />

der Deutschen Limes-Straße mit rö-<br />

mischen Aktionen <strong>zum</strong> Mitmachen,<br />

Kleiderprobe, Herstellung römischer<br />

Duftsalben, Römerquiz, Römermahl<br />

usw. Ich meine also wirklich sagen<br />

zu können, daß <strong>Denkmalpflege</strong> und<br />

Tourismus in Gestalt der Deutschen Li-<br />

mes-Straße eine sehr glückliche Sym-<br />

biose ist und daß beide in erhebli-<br />

chem Maße voneinander profitieren.<br />

Bisherige Entwicklung und<br />

heutige Perspektiven<br />

Was ist die bisherige Entwicklung und<br />

was sind die zukünftigen Perspektiven<br />

der Deutschen Limes-Straße?<br />

Im September 1996, also jetzt vor drei<br />

Jahren haben wir eine viertägige Pres-<br />

sefahrt zur Eröffnung des ersten Ab-<br />

schnittes vom Main bis zur Donau mit<br />

23 Journalisten gemacht. In der Folge<br />

gab es unzählige Presseveröffentli-<br />

chungen im In- und Ausland über den<br />

Zeitraum von einem Jahr. Zur Eröff-<br />

nung haben wir auch eine erste Bro-<br />

schüre herausgegeben mit 20 Seiten,<br />

die einerseits den Streckenverlauf in<br />

Kartenform schilderte und die ande-<br />

rerseits die jeweiligen römischen Se-<br />

henswürdigkeiten mit ihrer histori-<br />

schen Bedeutung erläuterte. Die Bro-<br />

schüre mit einer Erstauflage von<br />

10.000 Exemplaren war bereits nach<br />

einem halben Jahr vergriffen.<br />

Allein die Geschäftsstelle in Aalen er-<br />

hielt im Herbst 1996 über2 000 schrift-<br />

liche und telefonische Anfragen als<br />

unmittelbare Resonanz auf diese Pres-<br />

sereise. Dazu kommen natürlich die<br />

direkten Anfragen bei einzelnen Mit-<br />

gliedern vor allem in den touristischen<br />

Hochburgen wie z. B. dem Altmühltal.<br />

Im Frühjahr 1997 folgte dann die Her-<br />

ausgabe eines Flyers mit Kurzinforma-<br />

tionen zur Deutschen Limes-Straße.<br />

Wir waren auf allen großen deutschen<br />

Tourismusmessen Z.B.Berlin, Ham-<br />

burg, Stuttgart, Essen; ebenso war der<br />

Verein Deutsche Limes-Straße auf Rö-<br />

merfesten und sonstigen Veranstal-<br />

tungen dabei<br />

Seit Herbst 1997 wird mit einem eng-<br />

lischsprachigen Flyer für die Deutsche<br />

Limes-Straße auch intensiv im Aus-<br />

land geworben. Dieser Flyer kommt<br />

bei Auslandsmessen ebenso zur Ver-<br />

teilung wie über die Deutsche Zen-


trale fürTourismus. Insbesondere eng-<br />

lische Reisemagazine haben große<br />

Veröffentlichungen über die Deut-<br />

sche Limes-Straße gebracht. Ein Jahr<br />

nach der Eröffnung der Deutschen Li-<br />

mes-Straße erster Teil, im Herbst 1997,<br />

haben wir unseren Verein erweitert<br />

auf die Gemeinden und Städte im<br />

nördlichen Abschnitt, also vom Main<br />

bis <strong>zum</strong> Rhein. Nachdem alle Vor-<br />

arbeiten, und die waren außerordent-<br />

lich umfangreich, erledigt waren,<br />

konnten wir im April diesen Jahres<br />

eine Pressereise zur Eröffnung des<br />

zweiten Abschnitts vom Rhein <strong>zum</strong><br />

Main mit 30 Journalisten machen.<br />

20 weitere Journalisten mußten eine<br />

Absage erhalten. Aus diesem enor-<br />

men Zuspruch der Reisejournalisten,<br />

aus der umfangreichen Berichterstat-<br />

tung in mehreren Fernsehanstalten, in<br />

Rundfunk und Presse mögen Sie er-<br />

sehen, auf welch fruchtbaren Boden<br />

die Kombination von <strong>Denkmalpflege</strong><br />

und Tourismus gefallen ist. Inzwischen<br />

gibt es auch die neue Broschüre über<br />

die Gesamtstrecke mit 32 Seiten in<br />

einer Auflage von 15000 Exemplaren.<br />

Der neue Flyer über die Gesamt-<br />

strecke mit 30.000 Exemplaren ist ver-<br />

griffen, es mußte bereits eine Neuauf-<br />

lage in selber Höhe in Auftrag gege-<br />

ben werden.<br />

Die Besucherzahlen in den entlang<br />

der Strecke liegenden Museen und<br />

römischen Einrichtungen sind deut-<br />

lich angestiegen, ebenso die Über-<br />

nachtungszahlen. Genaue statistische<br />

Auswertungen liegen allerdings noch<br />

nicht vor.<br />

Jedenfalls hat uns der bisherige Zu-<br />

spruch ermutigt, nun parallel zu Deut-<br />

schen Limes-Straße einen durchgän-<br />

gigen Limes-Radweg auszuweisen.<br />

Der erste Teil vom Main zur Donau<br />

soll bereits im kommenden Frühjahr<br />

der Presse vorgestellt werden. Die<br />

renommiertesten Radführerverlage<br />

haben sich um die Herausgabe eines<br />

Führers zu diesem Radweg bewor-<br />

ben. Geplant ist für die nahe Zukunft<br />

auch eine verstärkte Kooperation mit<br />

Busreiseveranstaltern im In- und Aus-<br />

land, die die Deutsche Limes-Stra-<br />

ße als Pauschalangebot anbieten wol-<br />

len.<br />

Und schließlich soll bis in zwei Jahren<br />

auch ein durchgehender Limes-Wan-<br />

derweg entlang der Gesamtstrecke<br />

vom Rhein bis zur Donau vorliegen.<br />

Meine Damen und Herren, ich habe,<br />

als ich das Thema für diesen heuti-<br />

gen Vortrag formuliert habe, von der<br />

touristischen Chance für die Denk-<br />

malpflege gesprochen. Nach mei-<br />

nem Referat werden sie mir sicher<br />

zustimmen, daß man diese Aussage<br />

auch herumdrehen könnte und von<br />

der <strong>Denkmalpflege</strong> als Chance für<br />

den Tourismus sprechen könnte. Bei-<br />

des gibt gleichermaßen Sinn. Beide<br />

Betrachtungsweisen eröffnen auch<br />

Chancen für die Zukunft. Denkmal-<br />

pflege und Tourismus können, wenn<br />

man es richtig anpackt, echte Partner<br />

sein. Beide können von der Partner-<br />

schaft profitieren. Bei der Deutschen<br />

Limes-Straße ist dies in idealer Weise<br />

geschehen.<br />

■ 4 Römertage mit Legionärs-Parade vor<br />

dem Limes-Museum in Aalen.<br />

■ 5 Logo der Deutschen Limes-Straße.<br />

Ulrich Pfeifle<br />

Oberbürgermeister der Stadt Aalen<br />

Rathaus<br />

Marktplatz 30<br />

73430 Aalen<br />

223


Bahn- und Industriekultur<br />

Ausflugstourismus als Geschäft und Mittel zur Erhaltung<br />

von Bahn- und Industriedenkmälern der Nordostschweiz<br />

Hans-Peter Bärtschi<br />

120 Millionen Schweizerfranken sind<br />

in den vergangenen 15 Jahren in<br />

Grundstücke und Umnutzungen für<br />

die 50 aufgelisteten historischen Ob-<br />

jekte am Industrielehrpfad Zürcher<br />

Oberland investiert worden. Ziel des<br />

Pfad-Projektes war es, die Lebens-<br />

qualitäten einer der ältesten Industrie-<br />

landschaften der Schweiz einer brei-<br />

ten Bevölkerung bewusst zu machen<br />

und die von Stillegungen geplagte<br />

Textilindustrieachse zu revitalisieren -<br />

der Autor dieses Artikels durfte für<br />

diese Bemühungen 1990 einen Preis<br />

im Rahmen des Wettbewerbs „700<br />

jähre Schweiz - Zürich morgen" für<br />

eine innovative Revitalisierung in<br />

Empfang nehmen. Ausschlaggebend<br />

für den Erfolg waren ebenso die aus-<br />

harrenden und zeitraubenden Bemü-<br />

hungen von über 60 Vereinsaktivisten<br />

aus 10 Vereinsgruppen wie die Unter-<br />

stützung durch Presse, Grundeigentü-<br />

mer und Behörden, aber auch ein<br />

Durchsetzungsvermögen in manchen<br />

Auseinandersetzungen um Abbrüche.<br />

Die Revitalisierungen umfassen eine<br />

breite Pallette von Umnutzungen und<br />

musealen Projekten, die im folgenden<br />

224<br />

kurz vorgestellt wird. Der diese Ob-<br />

jekte verbindende Lehrpfad ist 30 Ki-<br />

lometer lang. Er verbindet 50 Sehens-<br />

würdigkeiten zwischen dem Bergge-<br />

biet bei Bäretswil, das auf 1000 Meter<br />

über Meer ansteigt, und dem Greifen-<br />

see, dessen Seespiegel auf 435 Metern<br />

über Meer liegt.<br />

Musealisierte Objekte<br />

Als erstes Objekt konnte der Verein<br />

zur Erhaltung alter Handwerks- und<br />

Industrieanlagen 1979 die letzte Was-<br />

serradsägerei des Zürcher Oberlands<br />

restaurieren. Eine Vereinsgruppe hält<br />

in der Brauerei Uster die letzte Dampf-<br />

maschine der Region betriebsfähig.<br />

Ganze Fabrikkanalabschnitte, Weiher<br />

und Turbinenanlagen, wovon eine<br />

mit der ursprünglichen Drahtseiltrans-<br />

mission, konnten erhalten werden.<br />

Den erfolgreichen Höhepunkt der<br />

denkmalpflegerischen Bemühungen<br />

bildet die Museumsspinnerei Neuthal.<br />

Aus dem Nachlass des letzten Unter-<br />

nehmergeschlechts hat der Kanton<br />

Zürich den Spinnereihauptbau erwor-<br />

ben, dessen Wasserkraftanlagen sa-<br />

■ 1 Museumsspinnerei in Neuthal/ZH.<br />

niert und die Wiederherstellung der<br />

im Privatbesitz befindlichen Parkanla-<br />

gen mitfinanziert. Im Altbau von 1827<br />

richteten aktive und pensionierte<br />

Monteure der Maschinenfabrik Rieter<br />

in ihrer Freizeit den im internationalen<br />

Rahmen einzigartig vollständigen hi-<br />

storischen Spinnereimaschinenpark<br />

wieder betriebsfähig ein. Diese zweite<br />

Etappe des Ausbaus der Museums-<br />

spinnerei wurde am 21. Juni 1998<br />

im Rahmen der Festivitäten „150 Jahre<br />

Bundesstaat - 150 Jahre Industriekul-<br />

tur" eingeweiht. Seither kann mit der<br />

aus den Jahren 1856 bis 1942 stam-<br />

menden Originalmaschinerie der gan-<br />

ze Produktionsprozess vom Baum-<br />

wollballen bis <strong>zum</strong> Garn gezeigt wer-<br />

den.<br />

Umgenutzte Objekte<br />

Noch wichtiger als Musealisierungen<br />

sind für die Erhaltung der Industrie-<br />

landschaft Zürcher Oberland proviso-<br />

rische Umnutzungen für Werkstätten,<br />

Büros, Ateliers oder Kulturveranstal-<br />

tungen und schliesslich definitive Um-<br />

nutzungen leerstehender Fabriken


für Gewerbe- und Wohnräume. Zu<br />

den besonders kreativen Umnutzun-<br />

gen gehören der Einbau von 56 Rei-<br />

heneinfamilienhäusern in die ehema-<br />

lige Spinnerei HESTA in Oberuster, ei-<br />

nem Bau von 40x150 Metern Grund-<br />

fläche, und das „Saurier-Museum" im<br />

Shed der Spinnerei Unteraathal. Mit<br />

solchen seit 20 Jahren verfolgten Kon-<br />

zepten ist es gelungen, die Lebens-<br />

qualität dieser alten Industrieland-<br />

schaft mit ihren Fabrikbauten, Wei-<br />

hern und Kanälen, Siedlungen, Villen<br />

und Parks zu erhalten.<br />

Nostalgiefahrten als Mittel<br />

zur Erhaltung von histori-<br />

schen Verkehrsmitteln und<br />

stillgelegten Bahnen<br />

Der Erfolg des Industrielehrpfades<br />

Zürcher Oberland hat dazu beigetra-<br />

gen, ähnliche Konzepte für die Revita-<br />

lisierung alter Industrielandschaften in<br />

den Regionen Zug, <strong>Baden</strong> (Kanton<br />

Aargau), Bischofszell-Hauptwil (Kan-<br />

ton Thurgau) und Glarus umzusetzen.<br />

Im Zürcher Oberland erhöhen zwei<br />

von eigenständigen Vereinen be-<br />

triebene Verkehrsmittel die Attraktion<br />

des Industrielehrpfades: Auf dem<br />

Greifensee kann das 1895 erbaute<br />

Dampfschiff Greif für beschauliche<br />

Fahrten für bis zu 22 Leute gemietet<br />

werden. Und der Dampfbahnver-<br />

ein Zürcher Oberland betreibt an<br />

Sommerwochenenden die stillge-<br />

legte Bahnlinie Hinwil-Bauma mit<br />

Dampfzügen. Die Lokomotiven die-<br />

ses Vereins werden in der wieder in<br />

den Ursprungszustand zurückversetz-<br />

ten Lokremise Uster aus dem Jahre<br />

1856 unterhalten. Im Unterschied zur<br />

Inhaltsvermittlung der Lehrpfade, die<br />

immer auch ökologische und sozial-<br />

kritische Aspekte umfasst, muss man<br />

bei der breiten Benutzung historischer<br />

Verkehrsmittel Nostalgie als zentralen<br />

Vermarktungsaspekt akzeptieren, was<br />

die Bestrebungen, beide Aspekte mit-<br />

einander zu verbinden, nicht verhin-<br />

dern soll.<br />

Die Erschliessung der historischen In-<br />

dustrielandschaft in Verbindung mit<br />

der Möglichkeit, historische Verkehrs-<br />

mittel zu benutzen, ermöglicht der<br />

Region Zürcher Oberland einen be-<br />

scheidenen, aber anhaltenden touri-<br />

stischen Erfolg. Neben 7000 Eintrit-<br />

ten in den von Freiwilligen gezeig-<br />

ten Industrieobjekten sind jährlich<br />

rund 14000 Industrielehrpfadwan-<br />

derer und 22000 Fahrgäste auf der<br />

Dampfbahn zu verzeichnen. Für die<br />

Region, die in den vergangenen bei-<br />

den Jahrzehnten fast alle ursprüng-<br />

lich dominierenden Textilarbeitsplät-<br />

ze verloren hat, ist das eine willkom-<br />

mene Ergänzung für die wirtschaftli-<br />

che Neuausrichtung.<br />

Vernetzung mit Hilfe des<br />

„Netzwerks Industriekultur<br />

Schweiz"<br />

Vernetzungen, wie sie im Zürcher<br />

Oberland immer noch im Aufbau<br />

sind, werden in mehreren alten Indu-<br />

strieregionen der Schweiz angestrebt.<br />

Das isolierte Einzelobjekt aber bildet<br />

quantitativ bei weitem noch den Nor-<br />

■ 2 Umnutzung einer ehemaligen Spinnerei<br />

in Oberuster zu Wohnungen.<br />

225


■ 3 Dampfbahnlinie Hinwil-Bauma im Zürcher Oberland<br />

malfall; die Schweiz besitzt als Land<br />

mit der grössten Museumsdichte nicht<br />

nur viele thematisch wenig speziali-<br />

sierte Museen, sondern auch eine<br />

grosse Zahl von oft ähnlichen, kleine-<br />

ren Denkmalobjekten. Eine Vernet-<br />

zung solcher Objekte und Museen in<br />

Regionen mit hoher Dichte verbessert<br />

ihre langfristige Überlebenschance.<br />

In Regionen, in denen das Thema In-<br />

dustriekultur Akzeptanz gefunden hat,<br />

ermöglicht diese zudem auch das Er-<br />

halten grosser Objekte, was im extrem<br />

föderalistischen Schweizerland meis-<br />

tens besonders schwierig ist. Mit dem<br />

Projekt „Netzwerk Industriekultur<br />

Schweiz" strebt die „Schweizerische<br />

Gesellschaft für Technikgeschichte<br />

und Industriekultur" zudem langfristig<br />

Schweizerische Gesellschaft für Technik-<br />

geschichte und Industriekultur (SGTI).<br />

Zu den Vereinszielen der SGTI und ihrer seit<br />

1977 aufgebauten Vorläufer-Organisationen ge-<br />

hören die Inventarisierung und Erhaltung von<br />

technischen Denkmalen und anderen Zeugen<br />

des technischen Wirkens in der Schweiz, die<br />

Förderung der technikgeschichtlichen For-<br />

schung und die Verbreitung eines technikge-<br />

schichtlichen Bewusstseins in der schweizeri-<br />

schen Öffentlichkeit.<br />

Das Organ „Industriekultur-Bulletin" erscheint<br />

vier Mal jährlich. Postadresse: SGTI, Postfach<br />

952, 8401 Winterthur, Präsident ist Prof. Dr.<br />

H. P. Haeberli, ZHW, Sekretär Dr. H. P. Bärtschi,<br />

Lindstrasse 35,8400 Winterthur.<br />

226<br />

auch einen besseren und schnelleren<br />

Austausch von Informationen über<br />

bedrohte Objekte und Archivalien an.<br />

Damit sollten der Austausch und die<br />

Aufbewahrung in den vorhandenen<br />

dezentralen Stellen in Zukunft schnel-<br />

ler ermöglicht werden können. Im<br />

Vordergrund aber steht eine integrier-<br />

tere touristische Vermarktung des Be-<br />

reichs Bahn- und Industriekultur, de-<br />

ren Wertschöpfung weitere Erhaltun-<br />

gen ermöglicht.<br />

Literatur:<br />

Verband der Museen der Schweiz: Schwei-<br />

zer Museumsführer, Basel 19967.<br />

A. Gysin: Schweizerferien 1999 mit Dampf<br />

und Nostalgie, Liestal 1999.<br />

H. P. Bärtschi: Das industrielle Erbe und die<br />

Schweiz. La Suisse et son patrimoine indu-<br />

strial, Basel/Boston 1998.<br />

H. P. Bärtschi: Der Industrielehrpfad Zürcher<br />

Oberland, Wetzikon 1994.<br />

H, P. Bärtschi: Industriekultur im Kanton Zü-<br />

rich, Zürich 1995.<br />

Dr. Hans-Peter Bärtschi<br />

Lokomotivdepot<br />

Lindstraße 35<br />

CH-8400 Winterthur


Denkmalschutz - Herausforderung<br />

Neue Anforderungen<br />

an die Städte<br />

Die fundamentalen Veränderungen<br />

der internationalen wirtschaftlichen<br />

und politischen Rahmenbedingun-<br />

gen stellen auch die Städte immer<br />

wieder vor neue Herausforderungen.<br />

Sie müssen sich mit den Verände-<br />

rungen auseinander setzen und ihre<br />

Position im Wettbewerb der Städte<br />

und Regionen neu finden. Auf die<br />

Städte als Wirtschaftsstandort und<br />

Lebensraum wirken sich vor allem<br />

folgende übergreifende Veränderun-<br />

gen aus:<br />

Die Globalisierung der Märkte, der<br />

Produktion sowie der Wissenschaft<br />

und Technik, der weltweite Wettbe-<br />

werb von Unternehmen und Standor-<br />

ten, das Zusammenwachsen Europas,<br />

die Öffnung Osteuropas und - immer<br />

noch - die Ausgleichsprozesse zwi-<br />

schen West- und Ostdeutschland.<br />

Darüber hinaus wird dieser Struktur-<br />

wandel verstärkt durch Entwicklungen<br />

bei der Nachfrage nach Gütern und<br />

Dienstleistungen aufgrund von ver-<br />

änderten Altersstrukturen, Konsum-<br />

gewohnheiten {Erlebnisorientierung),<br />

und Wertvorstellungen (Umweitbe-<br />

wußtsein).<br />

Die skizzierten Entwicklungen und<br />

Einflüsse verändern den Standortwett-<br />

bewerb sowohl in großräumiger Hin-<br />

sicht als auch auf regionaler Ebene.<br />

Nicht nur harte Standortfaktoren wie<br />

Verkehrsanbindungen und -bedin-<br />

gungen, Flächenverfügbarkeit, Einzel-<br />

handelsangebote erhalten eine stär-<br />

kere Bedeutung, sondern auch wei-<br />

che Faktoren wie die Qualität der<br />

Arbeitskräfte, die Wohn- und Lebens-<br />

bedingungen, das Image oder Flair ei-<br />

ner Stadt, die Kultur- und Freizeitange-<br />

bote; <strong>Denkmalpflege</strong> und Denkmal-<br />

schutz sind in diesem Zusammen-<br />

hang von großer Bedeutung.<br />

für eine zukunftsorientierte<br />

Stadtentwicklungspolitik<br />

Ulrike Matthes<br />

Zu beachten ist, daß mit den verän-<br />

derten Rahmenbedingungen auch<br />

die Anforderungen an die städtischen<br />

Akteure erheblich gestiegen sind. Dies<br />

gilt nicht nur hinsichtlich der Inhalte,<br />

sondern mehr noch in Bezug auf die<br />

Kommunikation zwischen den Akteu-<br />

ren sowie in Bezug auf unterschiedli-<br />

che Zielgruppen, die für die Stadtent-<br />

wicklung gewonnen werden sollen.<br />

Hier werden neue Wege der Zusam-<br />

menarbeit entwickelt und gepflegt.<br />

Insbesondere geht es darum, die vor-<br />

handenen innovativen Kräfte organi-<br />

satorisch zu bündeln, bestehende Po-<br />

tenziale zu identifizieren und zu nut-<br />

zen sowie diese in einen tragfähigen<br />

Prozeß der Stadtentwicklung zu inte-<br />

grieren.<br />

Ich möchte im folgenden anhand<br />

von fünf mir wichtig erscheinenden<br />

Stichworten die Bedeutung des Denk-<br />

malschutzes für die Stadtentwicklung<br />

skizzieren und die damit verbunde-<br />

nen Herausforderungen beschreiben.<br />

• Potenziale erkennen und nutzen<br />

• Konflikte reduzieren<br />

• Nachhaltige Stadtentwicklung<br />

• Synergieeffekte in den Mittelpunkt stellen<br />

• Kommunikation und Kooperation<br />

Potenziale erkennen<br />

und nutzen<br />

Vordem Hintergrund der veränderten<br />

Rahmenbedingungen für die Stadt-<br />

entwicklung geht es insbesondere<br />

darum, bestehende Potenziale zu<br />

identifizieren und zu nutzen. Das Vor-<br />

handensein von Denkmälern - hier<br />

als umfassender Begriff für das ge-<br />

samte Spektrum vom klassischen Ein-<br />

zelbaudenkmal über Bereiche und<br />

Ensembles bis zu historischen Stadt-<br />

kernen verstanden - stellt unbestritten<br />

ein solches Potenzial dar. Die Heraus-<br />

forderung besteht darin, dieses sinn-<br />

voll in die Entwicklung einer Stadt zu<br />

227


228<br />

integrieren; das heißt, Denkmälern<br />

muß eine im Rahmen dieser Gesamt-<br />

entwicklung tragfähige Nutzung unter<br />

Bedingungen ermöglicht werden, die<br />

heutigen und zukünftigen sozialen,<br />

ökonomischen und ökologischen<br />

Anforderungen genügt.<br />

Die positiven Effekte von Denkmal-<br />

pflege und Denkmaischutz sind viel-<br />

fältig:<br />

Sie können einen deutlichen Beitrag zur<br />

Revitalisierung der Innenstädte leisten,<br />

sie prägen das spezifische Erschei-<br />

nungsbild einer Stadt und tragen zu<br />

ihrer Unverwechselbarkeit bei,<br />

Identität und Image, Flair und Lebens-<br />

gefühl einer Stadt hängen eng damit<br />

zusammen,<br />

historisch gewachsene Strukturen för-<br />

dern die Identifikation der Menschen<br />

mit ihrer Stadt, machen Geschichte er-<br />

fahrbar,<br />

kulturell und historisch attraktive Städte<br />

stellen einen Touristenmagnet dar,<br />

sie sind Standortfaktor für Handel,<br />

Wirtschaft und Gewerbe,<br />

sie sind attraktiv für die Ansiedlung<br />

von Kultur- und Medienunterneh-<br />

men,<br />

sie tragen dazu bei, Arbeitsplätze zu si-<br />

chern und neue zu schaffen, insbe-<br />

sondere im beschäftigungintensiven<br />

Handwerk und im mittelständigen<br />

Baugewerbe.<br />

Denkmäler sind somit nicht nur mu-<br />

seale Zeugen der Vergangenheit, son-<br />

dern sie können - sinnvoll in die Ge-<br />

samtentwicklung integriert - Kristalli-<br />

sationspunkte zukünftiger Entwick-<br />

lungen darstellen.<br />

Konflikte reduzieren<br />

Bei der Integration von Denkmalpfle-<br />

ge und Denkmalschutz in die Stadt-<br />

entwicklung geht es allerdings nicht<br />

immer konfliktfrei zu. Denkmäler sind<br />

einer Reihe von Gefahren ausgesetzt<br />

oder sie sind Gegenstand kontrover-<br />

ser Interessen. Dazu zählen vor allem:<br />

der natürliche Aiterungs- und Zer-<br />

fallsprozeß,<br />

Kriegsschäden und unqualifizierte Re-<br />

paraturen,<br />

Schäden durch Umweltverschmut-<br />

zung, schleichender Verfall vieler<br />

Denkmäler,<br />

Übernutzung durch den Tourismus,<br />

gegensätzliche Nutzungsinteressen<br />

(Investoren können nicht immer ihre<br />

Interessen gegenüber der Öffentlich-<br />

keit durchsetzen).<br />

mangelnde Wirtschaftlichkeitvon Nut-<br />

zungskonzepten,<br />

Finanzknappheit.<br />

Konflikte, die das Handlungsfeld<br />

Denkmalschutz und <strong>Denkmalpflege</strong><br />

betreffen, müssen im Zusammenhang<br />

mit anderen Handlungsfeldern der<br />

Stadtentwicklung, zu denen es Berüh-<br />

rungspunkte gibt, analysiert werden,<br />

z.B. der wirtschaftlichen Entwicklung,<br />

der Siedlungsentwicklung, dem Um-<br />

weltschutz und dem Verkehr. Maß-<br />

nahmenansätze zur Lösung von Kon-<br />

flikten lassen sich nur unter Berück-<br />

sichtigung der Wechselbeziehungen<br />

zwischen den Handlungsfeldern fin-<br />

den. Sie müssen im konstruktiven Dia-<br />

log gelöst werden, in dem die unter-<br />

schiedlichen Interessen offengelegt<br />

und sorgfältig gegeneinander abge-<br />

wogen werden. Allen Problemlösun-<br />

gen muß ein Leitbild als längerfristige<br />

Orientierung vorangestellt werden.<br />

Dieses Leitbild dient dazu, alle Akti-<br />

vitäten im Rahmen der Stadtentwick-<br />

lung zu bündeln, Teilkonzepte zu in-<br />

tegrieren und Maßnahmen unter<br />

Berücksichtigung ihrer Zusammen-<br />

hänge und Wechselwirkungen zielge-<br />

richtet zu optimieren.<br />

Nachhaltige Stadt-<br />

entwicklung<br />

Das im Anschluß an die Konferenz<br />

von Rio verabschiedete Aktionspro-<br />

gramm Agenda 21, die Tagesordnung<br />

für das 21. Jahrhundert, formuliert Zie-<br />

le und beschreibt Handlungsansätze<br />

für eine nachhaltige zukunftsfähige<br />

Entwicklung.<br />

Habitat II, die Zweite UN-Konferenz<br />

für menschliche Siedlungen vom Ju-<br />

ni 1996 sowie die Weltkommission<br />

URBAN 21, die auf den Aktivitäten der<br />

UN-Konferenzen aufbaut, konzen-<br />

trieren sich auf die lokale Ebene. Sie<br />

haben <strong>zum</strong> Ziel, auf eine nachhaltige<br />

Stadtentwicklungs- und Siedlungspo-<br />

litik hinzuwirken, die dazu beiträgt,<br />

zukünftigen Generationen weltweit<br />

eine angemessene und gesunde Le-<br />

bensweise zu gewährleisten.<br />

Nachhaltige Stadtentwicklung steht<br />

auch im Zusammenhang mit einem<br />

neuen siedlungsstrukturellen Leitbild.<br />

Es zielt ab auf eine dezentrale Konzen-<br />

tration, auf dichte, kompakte Städte<br />

mit Funktionsmischung. Durch eine<br />

vorrangige Innenentwicklung mit<br />

Funktionsverflechtungen, Rekultivie-


ung von Brach- und Konversions-<br />

flächen sowie sinnvollen Nachver-<br />

dichtungen soll eine Aufwertung der<br />

Innenstädte, verknüpft mit einer maß-<br />

vollen Außenentwicklung der Städte<br />

gestaltet werden.<br />

Die Stadterneuerung und der Stadt-<br />

umbau im Siedlungsbestand stellen<br />

einen wichtigen Beitrag zur nachhal-<br />

tigen Stadtenwicklung dar. Historische<br />

Innenstädte und Stadtkerne zeichnen<br />

sich aus durch kompakte Struktu-<br />

ren und Nutzungsmischung und ent-<br />

sprechen damit einer Stadt, die be-<br />

wohnet-, fußgänger- und radfahrer-<br />

freundlich ist. Die vorhandene und<br />

gestaltbare Funktionsdichte, -Vielfalt<br />

und -Verflechtung bilden die Voraus-<br />

setzung für eine lebendige Stadtkultur,<br />

für attraktive Wohnstandorte und die<br />

effiziente Nutzung von Infrastruktu-<br />

ren. Der sparsame, schützende Um-<br />

gang mit den Ressourcen, die Erhal-<br />

tung und die zur Erhaltung erforderli-<br />

che zeitgemäße Nutzung von histori-<br />

schen Bauwerken und Stadtkernen<br />

sind - auch wenn sie nicht die einzige<br />

Lösung für die Stadtrandprobleme<br />

sein können - ein wichtiger Kern für<br />

nachhaltige Stadtentwicklung.<br />

• Kompakte Strukturen mit Funktions-<br />

mischung<br />

• Vorrangige Innenentwicklung, Stadt-<br />

erneuerung, Stadtumbau<br />

• Ressourcenschonung, Umweltschutz<br />

• Rekultivierung von Brach- und Konver-<br />

sionsflächen<br />

• Sinnvolle Nachverdichtung<br />

• Fußgänger- und radfahrerfreundlicher<br />

Verkehr<br />

Synergieeffekte<br />

in den Mittelpunkt stellen<br />

Die Entwicklungsmöglichkeiten einer<br />

Stadt gewinnen an zusätzlichen Per-<br />

spektiven durch die Nutzung der<br />

wechselseitigen Funktionsverflechtun-<br />

gen und Synergien von Stadtentwick-<br />

lung und <strong>Denkmalpflege</strong>, die ich im<br />

folgenden skizzieren möchte:<br />

Die Stadt bietet dem Denkmalschutz:<br />

• Einbindung in gesamtstädtische Leit-<br />

bilder, Ziele und Maßnahmen<br />

• planungsrechtliche Voraussetzungen<br />

und Planungssicherheit, Lagevorteile<br />

• Leitlinien für neue Nutzungen aus Nach-<br />

frageentwicklungen (Wohnen, gewerb-<br />

liche Nutzung/Dienstleistungen, Kultur<br />

und Bildung, Tourismus)<br />

• Nachfragepotential kulturell und histo-<br />

risch interessierter Bürger<br />

• Investoren, Unternehmen als Sponso-<br />

ren<br />

• Voraussetzungen/Strukturen für das<br />

Stadtmarketing oder Citymanagement<br />

• Infrastrukturausstattung<br />

• Größeres, breiteres Arbeitsfeld für spe-<br />

zialisiertes Handwerk<br />

Der Denkmalschutz bietet der Stadt:<br />

• „Weicher" Standortfaktor für Flandel,<br />

Handwerk und Gewerbe<br />

• Imageförderung, Flair und Lebensgefühl<br />

einer Stadt<br />

• Stadtbild, Unverwechselbarkeit<br />

• Funktionale Werte (verschiedene Nut-<br />

zungsoptionen)<br />

• Emotionale Werte (Identifikationsmög-<br />

lichkeiten, Heimatgefühl, historische<br />

Kontinuität)<br />

• Revitalisierung, Halten der Bevölke-<br />

rung in der Stadt, Anziehung neuer Ein-<br />

wohner<br />

• Anziehungskraft für Städtetourismus<br />

• Attraktivität für Investoren<br />

Stadtentwicklungsplanung ist ein quer-<br />

schnittorientierter Planungsprozeß.<br />

Der Denkmalschutz muß mit seinen<br />

verschiedenen Funktionen, insbeson-<br />

dere seiner Stadtbild- und kulturellen<br />

Funktion, ökologischen, sozialen und<br />

bevölkerungspolitischen Funktionen,<br />

Wirtschafts- und Tourismusfunktionen<br />

in den mehrdimensionalen Kontext<br />

der Stadtentwicklungsplanung einge-<br />

bunden sein. Ihn allein auf seine wirt-<br />

schaftlichen Funktionen zu reduzie-<br />

ren, wäre sicherlich zu kurz gegriffen.<br />

Kommunikation und<br />

Kooperation<br />

Die Entwicklung der angedeuteten<br />

Synergieeffekte muss sich an einem<br />

Leitbild orientieren und unter aktiver<br />

Beteiligung möglichst vieler Akteure<br />

schrittweise erfolgen. Für den Erfolg ist<br />

von ausschlaggebender Bedeutung,<br />

einen konstruktiven Dialog zwischen<br />

den Entscheidungsträgern aus Wirt-<br />

schaft, Verwaltung, Politik und For-<br />

schung wie auch mit der allgemeinen<br />

Öffentlichkeit oder den speziell Be-<br />

troffenen (Eigentümer, Mieter, Pächter<br />

und sonstige Betroffene) zu initiieren<br />

und zielgerichet zu steuern. Für die-<br />

sen Prozeß ist ein organisatorischer<br />

Rahmen zu schaffen, der aus arbeits-<br />

definierten Aufgaben und Funktionen<br />

besteht. Diese Kommunikations- und<br />

Kooperationsstrukturen müssen dabei<br />

auf die jeweiligen Verhältnisse und<br />

Problemlagen zugeschnitten werden.<br />

Grundsätzlich sollte von bestehen-<br />

den organisatorischen Gegebenhei-<br />

ten ausgegangen werden, um so eng<br />

wie möglich an die vorhandenen Res-<br />

sourcen anzuknüpfen. Zu regeln sind<br />

dabei insbesondere die aufgabenbe-<br />

zogene (d. h. ressortübergreifende)<br />

Zusammenarbeit innerhalb der Ver-<br />

waltung, die frühzeitige Einbindung<br />

der politischen wie privaten Entschei-<br />

dungträger, die Sicherstellung eines<br />

geregelten Informationsflusses zu den<br />

politischen Entscheidungsgremien,<br />

die Beteiligung der Betroffenen, die<br />

kontinuierliche Information der Öf-<br />

fentlichkeit, das Zusammenspiel von<br />

Investoren und <strong>Denkmalpflege</strong>rn, das<br />

Miteinander von öffentlichem und<br />

privatem Engagement.<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> und Denkmalschutz<br />

sowie zukunftsorientierte Stadtent-<br />

wicklung stellen - wie ich mit meinem<br />

Referat zeigen wollte - keine Gegen-<br />

sätze dar. Sie ergänzen und unterstüt-<br />

zen sich oder verhelfen einander so-<br />

gar zu neuen tragfähigen Zukunftsper-<br />

spektiven.<br />

Dr. Ulrike Matthes<br />

prognos AG<br />

Missionsstraße 62<br />

CH-4012 Basel<br />

229


Umsetzung denkmalverträglicher<br />

Konzepte unter Beteiligung qualifizierter<br />

Handwerker und Restauratoren<br />

Helmut F. Reichwald<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> als Wirtschaftsfaktor<br />

ist das Thema des diesjährigen Lan-<br />

desdenkmaltages, die <strong>Denkmalpflege</strong><br />

als Auftraggeber das des heutigen<br />

Nachmittags.<br />

Nach den jüngsten Erhebungen des<br />

Handwerks - und diese Branche ist<br />

nun einmal die Hauptbeteiligte bei Er-<br />

haltungsmaßnahmen am Kulturdenk-<br />

mal und in der Altbausanierung - be-<br />

trägt der Anteil dieser Arbeiten jährlich<br />

7% vom Gesamtumsatz. Hinzu kom-<br />

men noch die Aufwendungen von<br />

Architekten, Statikern, Bauforschern,<br />

Technikern , Restauratoren und vielen<br />

anderen, die hier im Einzelnen nicht<br />

beziffert werden können. Es ist nicht<br />

Aufgabe dieses Beitrags mit Zahlen zu<br />

jonglieren, man muß sich nur einmal<br />

vor Augen führen, wie unsere Städte<br />

und die gesamte Kulturlandschaft aus-<br />

sehen würden, wenn die Denkmal-<br />

substanz sich um jährlich 7% dezimie-<br />

ren würde, weil wegen fehlender För-<br />

dermittel die Investitionen einge-<br />

schränkt werden.<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> ist also ohne Frage ein<br />

Wirtschaftsfaktor für den Mittelstand.<br />

Aus den alten Bundesländern haben<br />

wir nur wenige überzeugende Bei-<br />

spiele, an denen dieser Verlust in der<br />

Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregt.<br />

Hier wurde kontinuierlich investiert,<br />

auch wenn dies nicht immer der Sub-<br />

stanzerhaltung diente.<br />

Anders dagegen führen die flächen-<br />

deckenden Förderungen in den neu-<br />

en Bundesländern vor Augen, daß In-<br />

vestitionen alleine noch keine Denk-<br />

malpflege ausmachen. 45 jähre konti-<br />

nuierliche Abnutzung und Verfall<br />

haben der Substanz derart zugesetzt,<br />

daß heute Milliardeninvestitionen not-<br />

wendig sind, um das noch zu retten,<br />

was einmal stadtbildprägend war. Ein<br />

solcher Kraftakt hat zur Folge, daß<br />

denkmalverträgliche Konzepte auf der<br />

Strecke bleiben, ja überhaupt nicht<br />

230<br />

gewünscht sind, weil sie die allzu<br />

schnelle Wiederaufbauleistung be-<br />

hindern.<br />

In einer solchen Situation können die<br />

besten denkmalpflegerischen Kon-<br />

zepte nicht mehr greifen, weil sie vom<br />

Tagesgeschehen überholt werden.<br />

Jeder, der kurz nach der Wende Gele-<br />

genheit hatte, den Denkmalbestand<br />

in den neuen Bundesländern in Au-<br />

genschein zu nehmen, war über-<br />

rascht, in welchem Ausmaß hier Ge-<br />

schichte noch ablesbar und nachvoll-<br />

ziehar anzutreffen war. Vieles durch<br />

Nutzung und Umnutzung nicht sofort<br />

präsent, aber in den historischen<br />

Schichtenabfolgen vorhanden. Eine<br />

wahre Fundgrube für denkmalverträg-<br />

liche Lösungsansätze, wenn mit dem<br />

entsprechenden Sachverstand indivi-<br />

duelle Konzepte erarbeitet werden.<br />

Wir selbst haben ja zur Genüge die Er-<br />

fahrung machen müssen, daß Moder-<br />

nisierung oder andere Sachzwänge zu<br />

erheblichen Substanzverlusten ge-<br />

führt haben. Unsere Wiederaufbau-<br />

phase in den alten Bundesländern ließ<br />

uns damals nicht die Zeit, über Details<br />

wie Bauaufnahme, restauratorische<br />

Untersuchungen und materialgerech-<br />

te Reparatur nachzudenken. Dies sind<br />

alles Methoden, die sich im Laufe der<br />

Jahre entwickelt haben, als sich her-<br />

ausstellte, daß ein Kulturdenkmal eine<br />

sensible Vorbereitungsphase braucht,<br />

um denkmalpflegerische Konzepte zu<br />

entwickeln und umsetzen zu können.<br />

Wir haben Jahrzehnte gebraucht, um<br />

feststellen zu müssen, daß wir nicht<br />

immer die richtigen Partner an unser<br />

Kunst- und Kulturgut Hand anlegen<br />

ließen. Die dadurch eingetretenen<br />

Verluste sind erheblich und unwieder-<br />

bringlich.<br />

Der Exkurs <strong>zum</strong> Denkmalbestand in<br />

den neuen Bundesländern ist not-<br />

wendig, weil er uns heute am besten<br />

verdeutlicht, daß durch jahrzehnte-<br />

lange Vernachlässigung die Substanz<br />

zwar erheblich leidet, dies aber nicht<br />

zu gänzlichen Verlusten führen muß.<br />

Ein weiterer Vorteil liegt darin, nicht<br />

falsche Methoden angewendet und<br />

falsche Eingriffe vorgenommen zu ha-<br />

ben. Der Nachteil - und dieser hat für<br />

den Bestand schwerwiegende Folgen<br />

- liegt darin, daß jetzt durch Großin-<br />

vestitionen schlagartig die gesamte<br />

Denkmallandschaft durchpflügt wird.<br />

Es besteht zu befürchten, es ist wieder<br />

einmal zu spät.<br />

Qualitätsanspruch ist eine für das Bau-<br />

denkmal unabdingbare Forderung bei<br />

Erhaltungsmaßnahmen und hierzu<br />

bedarf es einer kontinuierlichen Inve-<br />

stition und Förderung. Qualitätsan-<br />

spruch ist nicht gleichzusetzen mit er-<br />

höhtem finanziellem Aufwand, er be-<br />

inhaltet vielmehr weniger Eingriffe,<br />

Substanzschonung und mehr Sub-<br />

stanzerhalt. Dies ist möglich, wenn die<br />

auf das Objekt abgestimmten Kon-<br />

zepte von qualifizierten Partnern um-<br />

gesetzt werden. Es setzt voraus, daß<br />

nicht schon im Vorfeld die Erwar-<br />

tungshaltung besteht, man könne mit<br />

unseren heutigen Mitteln und Erfah-<br />

rungen alles wiederherstellen, um es<br />

im „neuen Glanz" erstrahlen zu lassen.<br />

Ein altes Schlagwort, das leider in der<br />

Öffentlichkeit noch immer mehr Fas-<br />

zination ausübt, als eine behutsame<br />

Erhaltungsmaßnahme, der man nicht<br />

sofort ansieht, was hier der Nachwelt<br />

an nachprüfbaren Informationen wei-<br />

tergegeben wird.<br />

Solange ein Begriff wie die „Wieder-<br />

herstellung" des Originalzustands in<br />

den Köpfen der Öffentlichkeit nicht<br />

durch eine reale Definition wie Be-<br />

standssicherung ersetzt wird, wird das<br />

behutsam instandgesetzte oder repa-<br />

rierte Denkmal gegenüber dem insze-<br />

nierten Denkmal kaum mehr Akzep-<br />

tanz erfahren.<br />

Obwohl Bestandssicherung sich von


dem Begriff Besitzstandssicherung nur<br />

durch die Definition Besitz oder Ei-<br />

gentum unterscheidet, wird letzterer<br />

in der Öffentlichkeit sofort verstan-<br />

den. Würde der Öffentlichkeit immer<br />

wieder ins Bewußtsein gerufen, daß<br />

sie selbst Besitzer des kulturellen Erbes<br />

ist, wäre vielleicht eine Sensibilisie-<br />

mng erreicht, die keine Inszenierun-<br />

gen am Denkmal fordert.<br />

Und somit sind wir wieder bei den<br />

denkmalverträglichen Konzepten, die<br />

sich aus Untersuchung, Wertung und<br />

einer im Vorfeld interdisziplinären Zu-<br />

sammenarbeit erst entwickeln lassen.<br />

Um diese Konzepte umsetzen zu kön-<br />

nen, bedarf es kompetenter Partner -<br />

in diesem Fall den Handwerker und<br />

den Restaurator. Beide werden am<br />

Kulturdenkmal und seiner Ausstat-<br />

tung gebraucht. Dies setzt aber vor-<br />

aus, daß <strong>Denkmalpflege</strong>r, Architekten<br />

und technische Planer Voraussetzun-<br />

gen schaffen, die sich am Objekt ori-<br />

entieren und nicht einen historischen<br />

Bestand als Feigenblatt einer Denk-<br />

malinszenierung der Nachwelt hinter-<br />

lassen.<br />

Der weitaus größte Arbeitsumfang am<br />

Baudenkmal fällt auf die verschie-<br />

denen Handwerkszweige, bei der<br />

Ausstattung und den ortsgebunde-<br />

nen Kunstwerken ist der Restaurator<br />

gefragt. Beide Berufszweige erfüllen<br />

unterschiedliche Aufgaben, je nach<br />

Cewerk ist eine Zusammenarbeit not-<br />

wendig, andere Bereiche werden je-<br />

weils nach den vorliegenden An-<br />

forderungen getrennt bearbeitet.<br />

Beide Berufsgruppen haben eine un-<br />

terschiedliche Vita, die eine kann auf<br />

jahrhundertalte Traditionen verwei-<br />

sen, die andere ist noch sehr jung. Um<br />

diese Partner vorzustellen, bedarf es<br />

eines kurzen Zeitsprungs.<br />

Bleiben wir für das Handwerk im 19.<br />

Jahrhundert - eine Zeit, die mit der<br />

Entwicklung der <strong>Denkmalpflege</strong> ein-<br />

herging. Das damalige Handwerk war<br />

traditionell auf solide Neuschaffungen<br />

ausgerichtet, nicht Restaurierung im<br />

heute verstandenen Sinn, sondern<br />

Restauration entsprechend des Zeit-<br />

geistes war ihr Betätigungsfeld.<br />

Die in dieser Zeit entstandenen Kunst-<br />

werkstätten fertigten neue Ausstat-<br />

tungen für Kirchen, Schlösser und Bür-<br />

gerhäuser. Faßmaler, Vergolder und<br />

Künstler schufen die Oberflächen in<br />

historischen Techniken. Andere Werk-<br />

stätten befaßten sich mit der Aus-<br />

schmückung von Innenräumen.<br />

Kunstmaler entwarfen und führten<br />

Decken- und Wandmalereien aus,<br />

Bildhauer den Fassadenschmuck. Ne-<br />

ben den Handwerkern; wie Maurer,<br />

Zimmerleute, Stukkateure, Schreiner,<br />

Schlosser, Flaschner und Dekorations-<br />

maler, um nur einige zu nennen, wur-<br />

den auch die Kunstwerkstätten im<br />

späten 19. Jahrhundert immer häufiger<br />

zu Reparatur- und Wiederherstel-<br />

lungsarbeiten in die <strong>Denkmalpflege</strong><br />

eingebunden. Als dann im frühen 20.<br />

Jahrhundert der Bedarf an Neuschaf-<br />

fungen in den Kunstwerkstätten er-<br />

heblich zurückging, entwickelten sich<br />

andere Strukturen.<br />

Wegen fehlender Aufträge verlagerten<br />

diese Werkstätten ihre Tätigkeit immer<br />

mehr in den Denkmalbereich, in dem<br />

sie nach den damaligen Vorgaben der<br />

Konservatoren den historischen Be-<br />

stand restaurierten.<br />

Den Restaurator gab es zwar schon im<br />

19. Jahrhundert in den Museen, in der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> wurde er erst viel spä-<br />

ter tätig. In den 20er und 30er Jahren<br />

hatte die <strong>Denkmalpflege</strong>, je nach Auf-<br />

gabenstellung, Handwerker, Kunst-<br />

werkstätten, Kirchenmaler und Re-<br />

stauratoren - die damals an Kunst-<br />

schulen und in Museen ausgebildet<br />

wurden - zur Instandsetzung und Re-<br />

staurierung von Kunst und Kulturgut<br />

eingesetzt. Mit dem Wiederaufbau<br />

nach 1945 hatte das Handwerk so-<br />

wohl im Wohnungsbau wie auch im<br />

Denkmalbereich enorme Leistungen<br />

zu erbringen. Dank der traditionellen<br />

Hand Werkstechniken gab es anfäng-<br />

lich für die <strong>Denkmalpflege</strong> kaum Pro-<br />

bleme bei Reparaturen am Baudenk-<br />

mal. Anfang der 50er Jahre, als das<br />

Handwerk im Neubau neue Techno-<br />

logien und moderne Werkstoffe ein-<br />

setzte, die dann auch am Denkmal<br />

Verwendung fanden, war noch nicht<br />

abzusehen, welche Schäden diese<br />

Fortschrittsgläubigkeit am historischen<br />

Baugefüge anrichten würde.<br />

Durch die neuen Technologien ver-<br />

flachte schon sehr bald das hand-<br />

werklich traditionelle Arbeiten. Nicht<br />

Reparatur, sondern die Rundumer-<br />

neuerung mit den neuen Werkstoffen<br />

wurde vom Handwerk in den Denk-<br />

malbereich getragen. <strong>Denkmalpflege</strong>r<br />

haben dieser Entwicklung nur wenige<br />

Argumente entgegengesetzt, sie selbst<br />

waren an den Sünden der 50er, 60er<br />

231


232<br />

und noch 70er Jahre und an den Ent-<br />

scheidungsprozessen beteiligt.<br />

Das Handwerk, eine Stützsäule bei der<br />

Erhaltung von Kulturdenkmalen, hat<br />

bis Ende der 70er Jahre nur wenige In-<br />

itiativen ergriffen, sich in die Bestands-<br />

sicherung einzubringen. Eine Aus-<br />

nahme bildete hier das Zimmerhand-<br />

werk.<br />

Diesen Part der Substanzsicherung<br />

übernahmen die aus den Werkstätten<br />

hervorgegangenen Restauratoren und<br />

Kirchenmaler, die historische Techni-<br />

ken und Verfahren weiter pflegten<br />

und anwendeten.<br />

Das Handwerk hat Anfang der 80er<br />

Jahre den Verlust alter Handwerks-<br />

techniken erkannt. Mit der Einführung<br />

des Restaurators im Handwerk wur-<br />

de über die Ländergrenzen hinaus<br />

eine Weiterbildung geschaffen, die<br />

die Defizite ihres eigenen Berufsstan-<br />

des kompensieren sollte. Eine Initia-<br />

tive, die anfänglich von der Denkmal-<br />

pflege und den Restauratoren mit<br />

Skepsis aufgenommen und nach hef-<br />

tigen Reaktionen öffentlich diskutiert<br />

wurde, wie beispielsweise auf den<br />

Tagungen des Nationalkomitees für<br />

Denkmalschutz.<br />

Mittlerweile hat sich das Handwerk<br />

selbst durch intensive Forschung in<br />

den verschiedenen Fachdisziplinen<br />

einen Wissensstand erarbeitet, der<br />

durchaus für denkmaipflegerische Be-<br />

lange hilfreich und praktikabel ist.<br />

In einer von der Europäischen Union<br />

initiierten Studie, die erst kürzlich ver-<br />

öffentlicht wurde, sind zahlenmäßig<br />

alle bisher vom Handwerk erbrachten<br />

Leistungen im Bereich der Denkmal-<br />

pflege in den verschiedenen Ländern<br />

aufgeführt und der zukünftige Bedarf<br />

an neuen Arbeitsplätzen zur Erhaltung<br />

unserer Kulturlandschaft genannt. Da<br />

diese Studie länderübergreifend an-<br />

gelegt ist und fast alle Mitgliedstaaten<br />

der Europäischen Union erfaßt, erge-<br />

ben sich nach dem heutigen Stand<br />

noch gravierende Unterschiede, wie<br />

und was in der <strong>Denkmalpflege</strong> an<br />

den Kulturdenkmalen geschieht und<br />

welcher Anspruch an die Erhaltungs-<br />

maßnahme gestellt wird. Neben den<br />

Strukturen in den einzelnen europäi-<br />

schen Ländern, in der Mehrzahl wird<br />

die <strong>Denkmalpflege</strong> zentral gesteuert,<br />

ergeben sich auch sehr unterschiedli-<br />

che Auffassungen in der Vergabepra-<br />

xis und wer an einem Kulturdenkmal<br />

tätig werden darf. In Frankreich z.B.<br />

sind es nur bestimmte Firmen, die<br />

nach einem sogenannten Qualitäts-<br />

schlüssel sich um Aufträge bewerben<br />

dürfen. Nach den vorliegenden Fall-<br />

studien sind es dort ca. 959 Firmen mit<br />

ca. 11.000 Mitarbeitern, die nach den<br />

vorgegebenen Kriterien der dortigen<br />

Instanzen am Kulturdenkmal arbeiten.<br />

Aber auch Österreich und Italien sind<br />

in ihrer Grundstruktur vergleichbar<br />

angelegt. Ob diese Praxis im Einzelfall<br />

auch den von der <strong>Denkmalpflege</strong> vor-<br />

gegebenen Qualitätsansprüchen ent-<br />

spricht, bleibt weiteren Untersuchun-<br />

gen vorbehalten. Das zentral organi-<br />

sierte Handwerk mit den einzelnen<br />

Kammern in den Bundesländern hat<br />

mit dieser Studie erstmals statistisch<br />

den Bedarf angesprochen und im An-<br />

satz nachvollziehbar dargelegt. Im eu-<br />

ropäischen Vergleich hat das Hand-<br />

werk in Deutschland eine Sonderstel-<br />

lung, da die Ausbildungskriterien und<br />

Fortbildungsmöglichkeiten besser or-<br />

ganisiert sind und somit zu einer qua-<br />

lifizierteren Ausbildung führen. Bis<br />

1998 haben ca. 3500 Meister die Prü-<br />

fung <strong>zum</strong> Restaurator im Handwerk<br />

abgelegt. Dennoch gibt es nach dieser<br />

Statistik nur 250 Handwerksbetriebe<br />

mit 6468 Arbeitsplätzen, die aussch-<br />

ließlich im Denkmalbereich tätig sind.<br />

Weitaus mehr Handwerksbetriebe -<br />

ca. 80 mit einer Beschäftigungszahl<br />

von ca. 10-20 Mitarbeitern - führen<br />

Arbeiten in der <strong>Denkmalpflege</strong> mit ei-<br />

nem Anteil von 5-30% aus. Diese<br />

Mischtätigkeit hat zur Folge, daß<br />

Handwerker am Kulturdenkmal nur<br />

gelegentlich arbeiten, den weitaus<br />

größten Bedarf aber durch andere<br />

Tätigkeiten abdecken.<br />

Die Schwierigkeiten bei der Umset-<br />

zung denkmalverträglicher Erhaltungs-<br />

maßnahmen bekommen die Denk-<br />

malpfleger tagtäglich zu spüren, wenn<br />

aus der zuletzt genannten Gruppe<br />

Handwerker über den Wettbewerb<br />

Aufträge erhalten. Die Bemühungen<br />

des Handwerks durch Fortbildungen<br />

in den einzelnen Fachgruppen eine<br />

spezielle Qualifikation anzubieten, die<br />

dem Anspruch der <strong>Denkmalpflege</strong> ge-<br />

recht wird, kann deshalb nicht greifen,<br />

weil der Wettbewerb nach wie vor un-<br />

ter Handwerkern und handwerklich<br />

spezialisierten Fachkräften aus den ei-<br />

genen Reihen stattfindet.<br />

Das Handwerk selbst bemängelt in<br />

der genannten Studie diesen Zustand,


sieht sich aber wegen der gesetzlichen<br />

Vorgaben bei der Vergabe öffentlicher<br />

Aufträge nicht in der Lage, spezielle<br />

Qualifikationen am Denkmai einzu-<br />

bringen.<br />

Weiterhin wird vom Handwerk die<br />

Vergabepraxis in Frage gestellt. Nicht<br />

nur das preisgünstigste Angebot, son-<br />

dern Dumping-Preise führen zu einer<br />

Wettbewerbsverzerrung. Sie selbst<br />

stellen fest, daß den spezialisierten<br />

Handwerkern, die fachlich anspruchs-<br />

volle Qualitätsarbeit <strong>zum</strong> Erhalt des<br />

Kulturerbes leisten oder leisten könn-<br />

ten, durch den verzerrten Wettbe-<br />

werb die Existenzgrundlage genom-<br />

men wird.<br />

Der zukünftige europäische Markt im<br />

Bereich der <strong>Denkmalpflege</strong> wird zu<br />

weiteren Verzerrungen führen, so-<br />

lange nicht bestimmte, für den Denk-<br />

malerhalt definierte Rahmenbedin-<br />

gungen geschaffen werden.<br />

Auch bei den Restauratoren ist in<br />

den vergangenen 25 Jahren ein Struk-<br />

turwandel zu verzeichnen. Mit dem<br />

1976 eingerichteten Diplomstudien-<br />

gang für Restauratoren am Institut für<br />

Technologie der Malerei in Stuttgart<br />

war <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> in der Bun-<br />

desrepublik Wegbereiter einer Hoch-<br />

schulausbildung. Zeitgleich sind in der<br />

damaligen DDR an der Hochschule in<br />

Dresden Studiengänge für Restaurie-<br />

rung etabliert worden.<br />

1989 und 1992 kamen in Stuttgart die<br />

Studiengänge für archäologische Ob-<br />

jekte, Kunsthandwerk und Papier hin-<br />

zu. Mitte der 80er Jahre sind an den<br />

Fachhochschulen in Köln und Hildes-<br />

heim ebenfalls Studiengänge für meh-<br />

rere Fachbereiche eingerichtet wor-<br />

den. In den 90er Jahren wurden wei-<br />

tere Studiengänge an den Fachhoch-<br />

schulen Erfurt und Potsdam etabliert.<br />

Seit 1998 gibt es an der Universität in<br />

München einen Studiengang für Kon-<br />

servierung und Restaurierung, der<br />

mehrere Fachrichtungen abdeckt.<br />

Die auf wissenschaftlichen Grundla-<br />

gen ausgerichteten Studiengänge ha-<br />

ben dennoch einen engen Praxisbe-<br />

zug. Hier werden nicht etwa ÜBER-<br />

Restauratoren ausgebildet, sondern in<br />

der Praxis dringend benötigte Fach-<br />

kräfte, die zuerst den Kopf und dann<br />

die Hand gebrauchen. 95% der Studi-<br />

enabgänger lassen sich nach ihrem<br />

Studium als freie Restauratoren nieder.<br />

sie arbeiten im Bereich der Denkmal-<br />

pflege, Museen und Archive. Als aus-<br />

gebildete Fachrestauratoren arbeiten<br />

sie ständig selbst am Objekt, sie unter-<br />

suchen, werten aus, entwickeln Kon-<br />

zepte, führen Konservierungs- und<br />

Restaurierungsschritte durch und do-<br />

kumentieren die ausgeführten Maß-<br />

nahmen. Bei größeren Projekten wer-<br />

den Arbeitsgemeinschaften gebildet.<br />

Diese Form der Projektbearbeitung<br />

besteht seit 20 Jahren im Bereich der<br />

Restaurierung in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

und hat sich über unsere Landesgren-<br />

zen hinaus auch in anderen Bundes-<br />

ländern bewährt. Die anfänglichen<br />

Bedenken der Auftraggeber, daß sich<br />

durch den Zusammenschluß von<br />

mehreren Fachrestauratoren die Maß-<br />

nahmen verteuern würden, hat sich<br />

sehr bald ins Gegenteil umgekehrt.<br />

Nachdem auch diese Arbeitsgemein-<br />

schaften untereinander dem Wett-<br />

bewerb unterliegen, hat sich ein Preis-<br />

und Kalkulationsgefüge gebildet, wel-<br />

ches den Verrechnungssätzen im<br />

Handwerk entspricht. Dieser Gleich-<br />

stand mag wegen der unterschiedli-<br />

chen Ausbildung und Aufgaben nicht<br />

berechtigt sein, verdeutlicht aber, daß<br />

die Kosten für Erhaltungsmaßnahmen<br />

am Kunst und Kulturgut genauso ho-<br />

noriert werden, wie eine Reparatur an<br />

einem Wasserhahn.<br />

Hinzu kommt, daß sich in der Restau-<br />

rierung, dank anders orientierter Aus-<br />

bildung, ein Qualitätsanspruch ent-<br />

wickelt hat, der sich im Bereich der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> bei Erhaltungsmaß-<br />

nahmen positiv auswirkt.<br />

Eine Umsetzung denkmalverträglicher<br />

Konzepte durch Handwerker und Re-<br />

stauratoren hängt nicht nur von deren<br />

Qualifikation ab, sie muß vom Denk-<br />

maleigentümer und allen Beteiligten<br />

gewollt und mitgetragen werden.<br />

Hierbei geht es nicht um überzoge-<br />

ne Forderungen der <strong>Denkmalpflege</strong>,<br />

sondern ausschließlich darum, über-<br />

kommenen Bestand zu respektieren<br />

und durch objektbezogene Lösungen<br />

nachfolgenden Generationen verfüg-<br />

bar zu halten. Dies schließtauch nicht<br />

neue Nutzungsanforderungen aus,<br />

wenn diese überlegt und objektorien-<br />

tiert geplant werden und den histo-<br />

rischen Bestand in die Gesamtkon-<br />

zeption einbeziehen. Dies bedeutet<br />

aber auch, nicht schon im Vorfeld ei-<br />

ne Rundumerneuerung anzustreben<br />

oder zu planen, bevor der überkom-<br />

mene Bestand erfaßt, gewertet und<br />

233


dessen Erhaltungsfähigkeit geprüft ist.<br />

Ein denkmalverträgliches Konzept<br />

beinhaltet alle Arbeitsschritte, die zur<br />

Erhaltung überkommener Substanz<br />

notwendig sind. Hierzu bedarf es so-<br />

wohl qualifizierter Handwerker, die<br />

fachgerechte Reparaturen in traditio-<br />

neilen Verfahren und Techniken aus-<br />

führen, als auch Fachrestauratoren für<br />

Konservierung und Restaurierung.<br />

Aus diesem Grund dürfen im Denk-<br />

malbereich nicht die gleichen Maß-<br />

stäbe und gesetzlichen Vorgaben zur<br />

Anwendung kommen, wie diese nach<br />

der DIN-Norm, VOB und anderen Kri-<br />

terien bestehen. Ein Wettbewerb un-<br />

ter Cleichqualifizierten ist auch in der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> möglich und unbe-<br />

dingt erforderlich. In der Denkmalpra-<br />

xis wird dieses schon lange gefordert,<br />

aber durch juristische Bedenken häu-<br />

fig behindert.<br />

Das Arbeitsfeld allen Trittbrettfahrem<br />

zu öffnen, die ihre dubiosen Leistun-<br />

gen anbieten, sollte nicht nur einge-<br />

schränkt, sondern verhindert werden,<br />

wenn politisch der Wille besteht, un-<br />

ser Kulturgut als eine Urzelle mensch-<br />

licher Entwicklung und Identität zu<br />

begreifen.<br />

Daß denkmalverträgliche Konzepte<br />

nicht nur entwickelt, sondern auch in<br />

der Praxis an vielen Objekten umge-<br />

setzt worden sind, ist hinlänglich be-<br />

kannt. Durch eine qualifizierte Fort-<br />

bildung von Handwerkern kann die<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> heute wieder auf<br />

Fachkräfte zurückgreifen, die in der<br />

Lage sind, mit dem erforderlichen<br />

Sachverstand ein Kulturdenkmal in-<br />

standzusetzen - vorausgesetzt, diese<br />

Fachkräfte erhalten bei einer Aus-<br />

schreibung den Zuschlag.<br />

Durch eine geregelte Hochschulaus-<br />

bildung haben die Restauratoren ein<br />

spezielles Fachwissen erworben, das<br />

sie in die Lage versetzt, von der Be-<br />

standsaufnahme über die Objektana-<br />

lyse mit allen hierzu notwendigen<br />

Kenntnissen zu umweltbedingten Ver-<br />

fallserscheinungen ein Konzept für<br />

234<br />

Konservierungs- und Restaurierungs-<br />

maßnahmen zu erarbeiten und dieses<br />

auch umzusetzen. Für den Restaurator<br />

hat Substanzsicherung den Vorrang,<br />

um mit minimalen Eingriffen einen<br />

Verfallsprozeß zu verlangsamen.<br />

Andere Fachbereiche, die bisher<br />

glaubten, mit Hilfskräften den An-<br />

sprüchen einer Restaurierung zu ge-<br />

nügen, werden sich zukünftig mit ei-<br />

nem qualifizierten Nachwuchs aus-<br />

einanderzusetzen haben, um den<br />

Qualitätsansprüchen gerecht zu wer-<br />

den. Qualitätsansprüche nach unse-<br />

rem heutigen Verständnis und Stan-<br />

dard haben nichts mit unrealistischen<br />

finanziellen Ansprüchen zu tun, viel-<br />

mehr wird durch das breit angelegte<br />

Wissen der Eingriff am Kunst- und Kul-<br />

turgut auf das Nötigste beschränkt.<br />

Die Denkmaipflege hat sich, um die-<br />

sen Standard zu erreichen, an vielen<br />

Objekten eingebracht und mit dazu<br />

beigetragen, dem Handwerk und den<br />

Restauratoren in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

eine Basis zu schaffen, denkmalver-<br />

trägliche Konzepte umzusetzen. Poli-<br />

tisch müssen diese Bemühungen<br />

mißverstanden worden sein. Ein fach-<br />

lich begründeter Minimalismus zur Er-<br />

haltung unserer Kulturlandschaft ist<br />

durch Halbierung der staatlichen För-<br />

dermittel nicht zukunftsorientiert ent-<br />

schieden worden. Daß mit 1 DM För-<br />

dermittel in ein Kulturdenkmal ein<br />

Vielfaches an freien Investitionen akti-<br />

viert wird, ist mittlerweile allseits be-<br />

kannt. Wenn die Tendenz bei Investi-<br />

tionen weiter rückläufig ist, werden<br />

gerade die qualifizierten Fachkräfte,<br />

die ja ausschließlich im Denkmalbe-<br />

reich arbeiten, schon bald auf der<br />

Strecke bleiben. Dann wären alle bis-<br />

herigen Bemühungen um eine qualifi-<br />

zierte Ausbildung der Partner in der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> umsonst gewesen.<br />

Helmut F. Reichwald<br />

LDA Referat Restaurierung<br />

Mörikestraße 12<br />

70178 Stuttgart


Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme -<br />

mehr als reine Beschäftigungstherapie<br />

Meine Damen und Herren,<br />

diejenigen, die sich etwas in der regio-<br />

nalen Organisation der Arbeitsämter<br />

auskennen, werden sich vielleicht<br />

wundern, daß jetzt jemand vom<br />

Arbeitsamt Konstanz referiert. Aber es<br />

klang schon an, es ist nicht so, daß im<br />

Arbeitsamt Lörrach, das für den hiesi-<br />

gen Bezirk ja zuständig ist, niemand<br />

diesen Vortrag halten könnte. Mein<br />

Lörracher Kollege könnte das genau-<br />

sogut. Es ist auch nicht so, daß dort<br />

keine Arbeitsbeschaffungsmaßnah-<br />

men laufen würden; bei uns in Kon-<br />

stanz besteht aber ein Schwerpunkt in<br />

Gaienhofen-Hemmenhofen, eine Ar-<br />

beitsstelle des Landesdenkmalamtes.<br />

Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme<br />

ist kein Kind unserer neuen, moder-<br />

nen Zeit. Sonst hieße sie wahrschein-<br />

lich auch nicht einfach nur so, sondern<br />

es wär' noch irgendein englischer Aus-<br />

druck dabei. Die Anfänge gehen ja<br />

zurück in die Antike, ja bis zu den Göt-<br />

tern: Ich erinnere an einen gewissen<br />

Herrn Sisyphus, der in einer für ihn<br />

höchst lästigen Dauer-ABM immer ei-<br />

nen großen Stein den Berg rauf rollen<br />

mußte. Wenn er oben angekommen<br />

war, rollte der Stein wieder runter. Und<br />

genau diese Dinge machen uns<br />

manchmal ein bißchen Schwierigkei-<br />

ten, wenn wir Arbeitsbeschaffungs-<br />

maßnahmen einrichten wollen, weil<br />

dies manchmal noch so in den Köpfen<br />

rumspukt: ABM einfach als Beschäfti-<br />

gungstherapie, damit jemand beschäf-<br />

tigt ist, damit es ihm nicht zu wohl<br />

wird. Aber genau das ist die moderne<br />

Arbeitsbeschaffungsmaßnahme abso-<br />

lut nicht, und schon gar nicht im Be-<br />

reich der <strong>Denkmalpflege</strong>!<br />

Aber es gibt auch heutzutage natürlich<br />

noch jede Menge Leute, die ein Haar<br />

in der Suppe finden. Gegner der Ar-<br />

beitsbeschaffungsmaßnahmen wer-<br />

fen uns vor, sie würden den Wettbe-<br />

werb verzerren; die Arbeitslosen wür-<br />

den ausgebeutet werden, sagen ande-<br />

im Bereich der <strong>Denkmalpflege</strong><br />

Hansjörg Dufner<br />

re; die Arbeitsbeschaffungsmaßnah-<br />

men seien zu teuer, sie seien ineffektiv.<br />

Aber das ist ein Irrglaube, wie ich im<br />

Laufe der Vortrages Ihnen noch besser<br />

aufzeigen werde.<br />

Gerade aufgrund der langen Ge-<br />

schichte der Arbeitsbeschaffungsmaß-<br />

nahme wurden nämlich die gesetz-<br />

lichen Voraussetzungen so verfeinert,<br />

daß Mißbrauch und Ausbeutung<br />

vermieden werden. Es wäre uns gar<br />

nicht möglich, solche Arbeitsbeschaf-<br />

fungsmaßnahmen einzurichten, bei<br />

denen z. B. ein Handwerker oder Mit-<br />

bewerber dann in das Hintertreffen<br />

geraten würde. Die ABM wurde eben<br />

im Laufe der Zeit zu dem, was ihren ei-<br />

gentlichen Wert auf dem Arbeitsmarkt<br />

ausmacht. Sie ist natürlich auch nicht<br />

alleinige Arbeitsmarktstrategie, son-<br />

dern sie ist in einem Gesamtzusam-<br />

menhang der arbeitsmarktpolitischen<br />

Instrumentarien zu sehen. Sie kann<br />

abgestimmt auf die jeweilige Arbeits-<br />

marktsituation im jeweiligen Bezirk<br />

angewendet werden, und sie kann<br />

vor allem hervorragend die individu-<br />

ellen Voraussetzungen der Teilnehmer<br />

und Teilnehmerinnen berücksichti-<br />

gen. Also nicht Beschäftigung um der<br />

Beschäftigung willen, sondern Be-<br />

schäftigung um des Gemeinwohlwil-<br />

lens und - die Betonung liegt auf und<br />

- des jeweiligen individuellen Wohls<br />

des Teilnehmers.<br />

Gerade der Bereich der Denkmalpfle-<br />

ge bietet hier sehr interessante Mög-<br />

lichkeiten und gute Ansätze, weil<br />

nämlich das Spektrum sehr weit ge-<br />

spannt ist. Hier gibt es Arbeiten von<br />

der einfachen Grabung über die be-<br />

sondere Grabung. Da gibt es in der<br />

Folge natürlich Auswertungen, es gibt<br />

Restaurationen des Ausgegrabenen.<br />

Es gibt manchmal so neue Erkennt-<br />

nisse, daß die Geschichte umgeschrie-<br />

ben werden muß. Also man sieht; ein<br />

breites Berufsfeld tut sich auf. Viele<br />

Leute, die sonst keine Arbeit finden<br />

235


würden, können sich in der ABM wie-<br />

der an die Arbeit machen und wieder<br />

ins Arbeitsleben hineinfinden.<br />

Wenn man unsere Akten<br />

durchblättert<br />

Da werden technische Hilfskräfte be-<br />

schäftigt, da werden aber auch hoch<br />

spezialisierte Leute wie Biologen be-<br />

schäftigt, die eben sonst keinen Ar-<br />

beitsmarkt haben. Auf diese Weise<br />

öffnet sich oft der Markt erst. Im An-<br />

schluß an die Maßnahme kommen<br />

viele in reguläre Arbeit; nicht unbe-<br />

dingt nur beim Träger, oft auch bei ei-<br />

nem anderen Arbeitgeber.<br />

Ich möchte auf die erste Folie (Abb. 1)<br />

zu sprechen kommen. Das Bild zeigt<br />

zunächst einmal von links nach rechts<br />

eine Zeitachse. Es zeigt nach oben<br />

fachliche Qualifikation, nach unten<br />

die soziale Qualifikation, die übrigens<br />

beim Einstellungsverhalten der Arbeit-<br />

geber mittlerweile, möchte ich aus<br />

der vermittlerischen Erfahrung sagen,<br />

gleichgewichtet mit der fachlichen<br />

Qualifikation ist. Das heißt, es nützt<br />

nichts, wenn jemand fachlich up to<br />

date ist, aber in der sozialen Qualifika-<br />

tion Mängel hat; Teamfähigkeit z. B.<br />

gehört ganz stark und immer mehr<br />

dazu. Der Arbeitgeber, der bei uns ein<br />

Stellungsangebot aufgibt, umschreibt<br />

es meist so: „a bißle ordentlich sollte er<br />

halt sein". Es kann meistens niemand<br />

so ganz genau umreißen, was die<br />

benötigte soziale Qualifikation ganz<br />

■ 1 Abhängigkeit der fachlichen und sozia-<br />

len Qualifikation eines Arbeitnehmers vom<br />

Zeitfaktor.<br />

236<br />

Vorschule Berufsaus- Berufsaus- Arbeits-<br />

Schule bildung Übung losig-<br />

keit<br />

haargenau ist, aber jeder hat so eine<br />

gewisse Vorstellung davon. Beides,<br />

die fachliche sowie die soziale Quali-<br />

fikation, ergibt sich nicht von Geburt<br />

an oder bekommt man nicht einfach<br />

so, sondern sie wird erworben; sicher-<br />

lich die soziale Qualifikation mehr in<br />

dem Bereich Kindheit/Schule/Berufs-<br />

ausbildung, die fachliche mehr in der<br />

Berufsausbildung und vor allem auch<br />

in der Berufsausübung. Halten Sie<br />

mich bitte nicht an diesen Größen-<br />

ordnungen fest, es sind einfach nur<br />

schematische Darstellungen. Sicher-<br />

lich könnte man auch noch ein, zwei<br />

Sternenreihen verändern, je nach-<br />

dem, welcher Meinung man ist. Ich<br />

will damit einfach nur zeigen: Die<br />

fachliche Qualifikation hat sich aufge-<br />

baut, bis dann dieses Ereignis - Ar-<br />

beitslosigkeit - eintritt. Die soziale<br />

Qualifikation hat sich weitgehend<br />

gleichlaufend aufgebaut. Ab dem<br />

Zeitpunkt Arbeitslosigkeit stellen wir<br />

folgendes fest: Die fachliche Qualifi-<br />

kation hält eigentlich länger. Was man<br />

mal gelernt hat, verlernt man nicht<br />

so schnell. Sie hält auch mal die Zeit<br />

der Arbeitslosigkeit von einem Jahr<br />

durch. Bei der sozialen Qualifikation<br />

allerdings stellen wir einen immens<br />

schnellen Abbau fest. Die ersten vier,<br />

fünf Wochen der Arbeitslosigkeit wer-<br />

den noch als Urlaub empfunden, vor<br />

allem wenn der Leistungsanspruch<br />

realisiert werden kann. Aber dann<br />

beginnt alles Negative, vom Schwin-<br />

den des Selbstwertgefühls bis über<br />

psychosomatische Beschwerden. Be-<br />

reits bei Eintritt der Langzeitarbeits-<br />

losigkeit (= Arbeitslosigkeit länger als<br />

ein Jahr), ist die soziale Qualifikation<br />

auf einem derart niedrigen Stand, daß<br />

Langzeit- Arbeits- Arbeits- Wiederein- Beschäfarbeits-<br />

beschaf- beschaf- gliederung tigung.<br />

losigkeit fung. Be- fung. in ersten Weiterschäfti-<br />

Quafifi- Arbeits- bilgung<br />

zierung markt dung<br />

MARKTES<br />

niedrig<br />

FACH-<br />

LICHE<br />

QUALI-<br />

FIKA-<br />

TION<br />

QUALI-<br />

FIKA-<br />

TION<br />

dies die Vermittlungschancen stark<br />

einschränkt. Genau da setzt das Kon-<br />

zept der Arbeitsbeschaffungsmaß-<br />

nahme ein. Denn fachliche Qualifika-<br />

tion ist noch vorhanden, aber die so-<br />

ziale fehlt. Sie kann am besten wieder<br />

aufgebaut werden, wenn jemand wie-<br />

der eine geregelte Arbeit aufnimmt.<br />

Bei der Arbeitsbeschaffungsmaßnah-<br />

me handelt es sich um ein Arbeitsver-<br />

hältnis, d. h. auch gegenüber Nach-<br />

barn, gegenüber der Familie, steigt das<br />

Sozialprestige wieder, so daß auch das<br />

Selbstvertrauen wieder ansteigt. Man<br />

kann dann im Laufe der Maßnahme<br />

auch wieder höherwertige Tätigkeiten<br />

wahrnehmen (je nach den Fähigkei-<br />

ten des Einzelnen natürlich), so daß<br />

diese fachliche Qualifikation ihre frü-<br />

here Ausgangsstufe wieder erreicht,<br />

wie nach der Berufsausbildung.<br />

Wenn danach die Wiedereingliede-<br />

rung in den ersten Arbeitsmarkt ge-<br />

lingt, also in ungeförderte Arbeitsver-<br />

hältnisse, kann die Qualifikation mit<br />

den Markterfordernissen Schritt halten.<br />

Denn man sieht - das habe ich oben<br />

versucht anzudeuten -, die Anforde-<br />

rungen fachlicher Art steigen immer<br />

schneller, eigentlich sogar exponential.<br />

Die Anforderungen „soziale Qualifi-<br />

kation" steigt zwar auch ständig, aber<br />

nicht so stark. Auf jeden Fall: Beide<br />

Qualifikationen entwickeln sich dann<br />

am Arbeitsplatz weiter, so daß wir da-<br />

von ausgehen können, wenn nicht ein<br />

Firmenzusammenbruch kommt, ist<br />

dieser Arbeitlose wieder dauerhaft<br />

untergebracht. Und darum ging es uns<br />

ja hauptsächlich.<br />

Auf der nächsten Folie (Abb. 2) habe<br />

ich versucht, in aller Kürze die wichtig-<br />

sten Voraussetzungen für eine Arbeits-<br />

beschaffungsmaßnahme zusammen-<br />

zustellen.<br />

Es gibt bestimmte Anforderungen an<br />

die Teilnehmer und die Maßnahme,<br />

die vorliegen müssen, damit gefördert<br />

werden kann. Zunächst müssen die<br />

Arbeiten „im öffentlichen Interesse"<br />

liegen. Da tut man sich förderungs-<br />

rechtlich im Denkmalbereich eigent-<br />

lich überhaupt nicht schwer. Aber<br />

die Arbeiten müssen „zusätzlich" sein.<br />

Damit will man verhindern, daß ei-<br />

ne Wettbewerbsverzerrung auf dem<br />

Markt eintritt. „Zusätzlich" kann man<br />

eigentlich so definieren: Es dürfen kei-<br />

ne l^flichtaufgaben sein, die jetzt und


Die ABH- Förderung<br />

Voraussetzungen<br />

Arbeiten In der Maßnahme Teilnehmer<br />

im öffentlichen Interesse<br />

zusätzlich (= ohne Maßnahme keine ■ oder<br />

erst viel spätere Erledigung<br />

regulärer Arbeitsvertrag<br />

(befristet und gekoppelt an Maßnahmedauer)<br />

Dauer:<br />

um<br />

idR<br />

1<br />

bis<br />

weiteres<br />

zu 1 Jahr<br />

Jahr.<br />

mit<br />

Nochmals<br />

der Möglichkeit<br />

weitere Verlängerung<br />

der Verlängerung<br />

um I<br />

weiteres Jahr nur wenn Dauerarbeitsplatz zugesichert<br />

wird (verbindlich)<br />

- Langzeitarbeitslose (= ab ein Jahr)<br />

- LeistungsbezieherInnen (Arbeitslosengeld/<br />

Arbei tsTosenhi1feanspruch)<br />

Zuschuß<br />

- Regelfall; 30 bis 70 i (Ausnahmen bis 100 t) aus 80 X des Arbeitgeberbruttos. Verstärkte Förderungen<br />

und Sachkostenzuschüsse möglich, wenn Mittel eingestellt.<br />

an Arbeitgeber (Arbeitnehmer erhält Arbeitsentgelt vom Maßnahmeträger (= Arbeitgeber mit<br />

allen Rechten und Pflichten)<br />

sofort erledigt werden müssen. Es<br />

können auch Aufgaben sein, die zu ei-<br />

nem späteren Zeitpunkt schon auch<br />

noch erledigt werden, würden aber<br />

jetzt über die Arbeitsbeschaffungs-<br />

maßnahme wesentlich früher ge-<br />

macht werden.<br />

Notwendig ist, daß der Teilnehmer<br />

einen regulären Arbeitsvertrag be-<br />

kommt, tarifliche Entlohnung entspre-<br />

chend der Tätigkeitsinhalte. Die ein-<br />

zige Besonderheit im Arbeitsrecht ist,<br />

daß der Arbeitsvertrag an die Maß-<br />

nahme selbst gekoppelt ist, so daß der<br />

Arbeitsvertrag mit Ende der Maß-<br />

nahme endet, ohne daß es einer Kün-<br />

digung bedarf. Von der Dauer her<br />

kann im Regelfall zunächst bis zu ei-<br />

nem Jahr bewilligt und gefördert wer-<br />

den. Dabei kann meistens schon ge-<br />

rade in diesem Bereich, wo es um län-<br />

gerfristige Projekte geht (z. B. um die<br />

Auswertung von Ausgrabungsergeb-<br />

nissen), eine Förderung ins zweite Jahr<br />

beantragt werden, was dann auch in<br />

aller Regel bewilligt wird. Allerdings ist<br />

dann Schluß. Es sei denn, der Maß-<br />

nahmeträger sichert uns zu (und zwar<br />

nicht nur „auf die lockere", das muß<br />

schon schriftlich sein), daß im An-<br />

schluß an das dritte Förderungsjahr<br />

der Teilnehmer in ein unbefristetes<br />

Dauerarbeitsverhältnis übernommen<br />

wird. Dann kann auch das dritte Jahr<br />

gefördert werden.<br />

Wie fördern wir? Wir zahlen einen Zu-<br />

schuß (und zwar an den Arbeitgeber,<br />

er zahlt ja den Lohn bzw. das Gehalt<br />

an den Maßnahmeteilnehmer), von<br />

den gesetzlichen Voraussetzungen<br />

her 30-70% der Lohnsumme und<br />

zwar des sogenannten Arbeitgeber-<br />

bruttos, wobei die Regel wegen der Fi-<br />

nanzknappheit der öffentlichen Kas-<br />

sen jetzt eher 70% bedeutet. In Aus-<br />

nahmen kann der Zuschuß bis zu<br />

100% betragen. Dies ist abhängig von<br />

der Kraft, die gefördert wird. Eine Ein-<br />

schränkung haben wir noch. Die<br />

stammt aus der ersten „Krisenzeit", als<br />

das Geld knapp wurde. Da hat der Ge-<br />

setzgeber kurzerhand gesagt: Ihr dürft<br />

den prozentualen Zuschuß aber nur<br />

aus 80% des Arbeitgeberbruttos be-<br />

rechnen und hat damit zu den Arbeit-<br />

gebern faktisch gesagt; Wenn ihr nur<br />

80% des tariflichen Lohns zahlt, dann<br />

sind die 80% ja auch wieder 100%, hat<br />

aber übersehen, daß in vielen Tarifver-<br />

trägen noch gar keine Öffnungsklau-<br />

seln drin waren, so daß gerade im Be-<br />

reich des öffentlichen Dienstes hier<br />

die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />

einen schwerwiegenden „Genick-<br />

schlag" bekamen. Unsere Zahlen sind<br />

arg zurückgegangen, weil die öffent-<br />

lichen Arbeitgeber schlicht und ein-<br />

fach nicht genügend Geld für die Rest-<br />

finanzierung hatten. Arbeitgeber in<br />

Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind<br />

hauptsächlich öffentliche Arbeitgeber,<br />

gemeinnützige Vereine, karitative Un-<br />

ternehmen - also in der Regel diejeni-<br />

Von 85 ABM- Beenderinnen sind:<br />

Arbeitsmarktliche Erfolgsquote bei ABM<br />

ABH-Abgängerlnnen der letzten 7 Monate.<br />

■ 2 Voraussetzungen für eine Arbeitsbe-<br />

schaffungsmaßnahme.<br />

gen, die sowieso kein Geld haben.<br />

Die trifft so eine Regelung bei der<br />

Restfinanzierung natürlich hart. Mitt-<br />

lerweile hat die Tarifwelt nachgezo-<br />

gen, es gibt jetzt in den meisten Tarif-<br />

verträgen Einstiegsklauseln, daß tat-<br />

sächlich dann auch nur 80% des Tari-<br />

fes bezahlt werden müssen. Das halte<br />

ich persönlich auch für richtig. Wenn<br />

derjenige in der Maßnahme erst auf-<br />

gebaut wird, dann ist seine Arbeitslei-<br />

stung am Anfang ja auch deutlich un-<br />

ter dem Normalsoll, so daß er sich mit<br />

80% des Tariflichen zufriedengeben<br />

kann. Er muß ja auch sehen, daß er in<br />

Zukunft wesentlich mehr Nutzen von<br />

der ABM hat.<br />

Zur nächsten Folie (Abb. 3);<br />

Es wird mancherorts behauptet, die<br />

Arbeitsbeschaffungsmaßnahme sei<br />

nur ein „Drehtüreffekt", die Teilneh-<br />

mer würden nach der Maßnahme<br />

wieder „vor die Tür gestellt".<br />

Das stimmt nicht, wie ich nachweisen<br />

kann. Ich habe die letzten Tage alle<br />

Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der<br />

letzten sieben Monate untersuchen<br />

lassen, in diesem Zeitraum endeten<br />

85 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen,<br />

42 Teilnehmer/innen - das entspricht<br />

fast 50% - waren gleich nach der Maß-<br />

nahme in Beschäftigung, und zwar da-<br />

von 55% beim Träger selbst und 45%<br />

bei anderen Arbeitgebern. Daraus<br />

folgt: Wenn ich in einer Arbeitsbe-<br />

schaffungsmaßnahme bin und einen<br />

Arbeitsvertrag habe, Referenzen ange-<br />

■ 3 Arbeitsmarktliche Erfolgsquote bei den<br />

Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.<br />

42 (= 49,4 t) gleich nach der MaBnahme in Arbeit<br />

davon 55 S: beim Träger<br />

45 X bei anderem Arbeitgeber<br />

39 {= 45,9 t) wieder ohne Beschäftigung<br />

Leistungsbezug, oder in anderen Förderarten.<br />

1 Asylantin wurde aus ABM<br />

abgeschoben, zwei sind im Alkoholbzw.<br />

Drogenentzug.<br />

4 {= 4.7 t) unbekannt verblieben<br />

Nicht mehr gemeldet,nicht mehr<br />

erreichbar, unbekannt verzogen<br />

237


■ 4 Ausgabemittel für Arbeitsbeschaf-<br />

fungsmaßnahmen, Bezirk Arbeitsamt Kon-<br />

stanz.<br />

ben kann, dann erhöhen sich meine<br />

Chancen auf dem Arbeitsmarkt signi-<br />

fikant. Meine Bewerbung sieht eben<br />

besser aus.<br />

Lediglich 39, das entspricht 45,9%, wa-<br />

ren wieder ohne Beschäftigung. Da<br />

waren <strong>zum</strong> Teil auch Dinge ursäch-<br />

lich, wie (als Beispiel), daß eine Asy-<br />

lantin aus der ABM heraus abgescho-<br />

ben wurde. Das kann man sicherlich<br />

nicht dem Instrument ABM anlasten,<br />

wenn es nicht <strong>zum</strong> Erfolg geführt hat.<br />

Bei zweien hat sich erst durch die<br />

Maßnahme ein Alkohol- bzw. ein<br />

Drogenproblem offenbart. Die Maß-<br />

nahme wurde solange ausgesetzt und<br />

entsprechende Therapien vereinbart,<br />

die dann auch dankbar angetreten<br />

wurden. Bei vier wußten wir nichts<br />

über den Verbleib, weil sie sich ein-<br />

fach nicht mehr gemeldet haben. Da<br />

sie aber einen Leistungsanspruch ge-<br />

habt hätten, denn sie waren ein Jahr<br />

bzw. länger als ein Jahr in der Maß-<br />

nahme beitragspflichtig beschäftigt,<br />

hätten sie, mit Sicherheit versucht, die-<br />

sen Leistungsanspruch geltend zu ma-<br />

chen. Wenn sie wieder arbeitslos ge-<br />

worden wären, wären sie bei uns wie-<br />

der in Erscheinung getreten. Also ich<br />

denke eher, daß man diese vier sogar<br />

noch dem Erfolg <strong>zum</strong>essen kann.<br />

Zur letzten Folie (Abb. 4):<br />

Um was für Summen geht es denn?<br />

Ich habe da mal zurückgerechnet in<br />

unseren Unterlagen. Sie sehen: 1997<br />

sind in unserem Amtsbezirk Konstanz<br />

(wohlgemerkt, das ist der Landkreis<br />

Konstanz und ein Stück vom Boden-<br />

seekreis, der frühere Kreis Überlingen)<br />

4,5 Mio. DM Zuschüsse ausgegeben<br />

worden für Arbeitsbeschaffungsmaß-<br />

nahmen. Das waren 11,7% des Ein-<br />

gliederungstitels (EGT ist die Abkür-<br />

zung für Eingliederungstitel), in dem<br />

die ganzen Geldleistungen zu arbeits-<br />

marktpolitischen Instrumenten zu-<br />

sammengefaßt den Arbeitsämtern zu-<br />

geteilt werden. Die Arbeitsämter kön-<br />

nen dann im Benehmen mit ihrem<br />

Verwaltungsausschuß festlegen, wie-<br />

viel Prozent sie von dieser Gesamt-<br />

summe für z. B. ABM, für Förderung<br />

der beruflichen Weiterbildung usw. im<br />

laufenden Haushaltsjahr ausgeben<br />

wollen, sie können auch im Haus-<br />

haltsjahr selbst noch nachbessern,<br />

wenn sich herausstellt, daß man sich<br />

238<br />

1997<br />

1998<br />

1999 geplant<br />

Mio DM * des EGT Teiln/ Jahr. Durchschn.<br />

4.5<br />

3.6<br />

3.9<br />

11.7<br />

7.5<br />

7.2<br />

Mit dem Landesdenkmal amt zusammen konnte das Arbeitsamt Konstanz<br />

in den letzten Jahren insgesamt für 104 Arbeitslose mit einem Förderauf-<br />

wand von<br />

DM 2.8 Mio Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durchführen.<br />

Wenn man bedenkt, daß<br />

- bei ABM im Schnitt etwa 50 t der Teilnehmerinnen nach Abschluß der Maßnahme<br />

in einen festen Arbeitsplatz einmünden,<br />

- diese arbeitslosen Leistungsbezieherlnnen die Arbeitslosenversicherung<br />

mit ca. 32.000 DM (einschl. Beiträgen zu der Sozialversicherung) belastet<br />

hätten.<br />

- in ihrem jetzt wieder angelaufenen Arbeitsleben Steuern und Beiträge in<br />

die öffentlichen Kassen zahlen,<br />

■ fachliche und soziale Qualifikation bei allen Teilnehmerinnen erhalten,<br />

wiederhergestellt und erweitert werden konnte.<br />

HO<br />

90<br />

95<br />

können beide Institutionen sehr zufrieden mit diesem Ergebnis sein.<br />

verkalkuliert hat. Es ist ein wesentlicher<br />

Fortschritt gegenüber früher, wo man<br />

z. B. bei Arbeitsbeschaffungsmaßnah-<br />

men noch Geld gebraucht hätte, bei<br />

Fortbildungen und Umschulungen<br />

noch welches hatte, aber nicht in der<br />

Lage war (also nicht durfte, in der Lage<br />

wären wir schon gewesen), das Geld<br />

untereinander auszugleichen. Man<br />

mußte unter Umständen dann Geld<br />

zurückgeben, obwohl man es für<br />

ABM gebraucht hätte.<br />

Aber zurück <strong>zum</strong> Thema: 4,5 Mio. =<br />

11,7% - das entsprach einem Teilneh-<br />

merjahresdurchschnitt von 110, 1998<br />

kam aber ein kleiner Einbruch durch<br />

die Restriktion im Förderungsrecht, so<br />

daß nur 3,6 Mio. DM ausgegeben wer-<br />

den konnten. Wir hatten ursprünglich<br />

mehr vorgesehen, mußten es aber<br />

dann nach unten korrigieren zugun-<br />

sten von anderen Instrumenten. Das<br />

entsprach ^5% des Gesamteingliede-<br />

rungstitels. Die Teilnehmerzahl sank<br />

auf 90. Für 1999 (wir sind ja noch ein<br />

halbes Jahr im Plan), haben wir 3,9<br />

Mio. DM veranschlagt. Das entsprä-<br />

che 72% und müßte im Jahresdurch-<br />

schnitt für 95 Teilnehmer reichen.<br />

Mich interessiert hier in diesem Krei-<br />

se natürlich: Wie sieht es jetzt aus<br />

mit Landesdenkmalamt und Arbeits-<br />

amt (also Arbeitsbeschaffungsmaß-<br />

nahmen zwischen diesen beiden Ge-<br />

schäftspartnern). Wir haben in den<br />

letzten Jahren insgesamt 104 Arbeits-<br />

lose in Arbeitsbeschaffungsmaßnah-<br />

men gehabt, Arbeitsbeschaffungs-<br />

maßnahmen im Bereich der Denk-<br />

malpflege, und haben zusammenge-<br />

zählt 2,8 Mio. DM Zuschüsse bezahlt.<br />

Ich muß noch dazusagen, daß auch<br />

das Landesdenkmalamt wie die ande-<br />

ren Träger noch eine Restfinanzierung<br />

tragen mußten, die bis zu 50% betra-<br />

gen kann. Man kommt also insgesamt<br />

auf über 5 Mio., die in diesem Bereich<br />

ausgegeben wurden. Und wenn man<br />

jetzt bedenkt: Bei der Arbeitsbeschaf-<br />

fungsmaßnahme stehen im Schnitt<br />

etwa 50% der Teilnehmer nach Ab-<br />

schluß der Maßnahme in einem festen<br />

Arbeitsverhältnis. Diese ehemals ar-<br />

beitslosen Leistungsbezieher hätten ja<br />

ansonsten gegenüber der Arbeitslo-<br />

senversicherung einen Anspruch, der<br />

bei uns im Schnitt beim Arbeitslosen-<br />

geldempfänger mit 32000 DM pro<br />

Jahr zu Buche schlagen würde. Wenn<br />

man dann noch sieht: Diese 50%, die<br />

wieder in Arbeit sind, zahlen wieder<br />

Beiträge, zahlen Steuern. Es entstehen<br />

steuerliche, wirtschaftliche und be-<br />

triebswirtschaftliche positive Effekte.<br />

Bei den übrigen sollte man vielleicht<br />

auch nicht übersehen, daß die fachli-<br />

che und soziale Qualifikation bei vie-<br />

len wiederhergestellt bzw. verbessert<br />

wurde. Ich meine, beide Institutionen<br />

können mit diesem Ergebnis sehr zu-<br />

frieden sein. Damit möchte ich auch<br />

meinen Vortrag beenden. Vielleicht<br />

kann man in der Diskussion noch auf<br />

einiges mehr eingehen.<br />

Hansjörg Dufner<br />

Arbeitsamt Konstanz<br />

Stromeyersdorfstraße 1<br />

78467 Konstanz


Photovoltaik, d.h. die Erzeugung von<br />

elektrischer Energie durch direkte<br />

Umwandlung von Sonnenlicht, hat in<br />

den letzten Jahren enorme technische<br />

und ökonomische Fortschritte erzielt.<br />

In industrieller Fertigung werden heu-<br />

te weltweit jährlich Solarzellen mit ei-<br />

ner Leistung von etwa 150 Megawatt<br />

hergestellt. Das entspricht einer Fläche<br />

von 1,5 Millionen Quadratmetern, die<br />

überwiegend als standardisierte soge-<br />

nannte Photovoltaikmodule mit Lei-<br />

stungen von wenigen Watt bis zu eini-<br />

gen hundert Watt vertrieben werden.<br />

Die Wahl der Bauart hängt sehr stark<br />

vom Verwendungszweck ab und ist<br />

gleichzeitig ein Merkmal der großen<br />

Photovoltaik als Element<br />

alterund neuer Architektur<br />

Thomas Schott<br />

Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten<br />

für Solarzellen.<br />

Ein schon früh verfolgter Markt für So-<br />

larzellen ist die Integration in die der<br />

Sonne ausgesetzten Gebäudeflächen<br />

aller Art. Damit lassen sich in der Kom-<br />

bination von klassischen Aufgaben<br />

einer Gebäudehülle mit der neuen<br />

Funktion der Stromerzeugung und So-<br />

larenergienutzung wesentliche Kosten-<br />

reduzierungen erreichen. Im Neubau-<br />

bereich mit seiner ohnehin sehr ausge-<br />

prägten Tendenz zu technisch orien-<br />

tierter Architektur läßt sich ein solches<br />

„HighTech-Produkt" wie die Solarzelle<br />

auch gestalterisch gut integrieren, was<br />

239


■ 2 Kirche in Hamburg. ■ 3 Kirche in Neuenrade.<br />

zahlreiche gelungene Beispiele moder-<br />

ner Architektur belegen.<br />

Es ist aber auch klar, daß die sehr gro-<br />

ßen Flächenpotentiale im Altbau-<br />

bestand für Photovoltaik nur zu er-<br />

schließen sind, wenn technische und<br />

gestalterische Fragen befriedigend ge-<br />

löst werden. Eine besondere Heraus-<br />

forderung stellt dabei der Bereich<br />

Denkmalschutz dar. Wenngleich hier<br />

vielleicht nicht das technische Poten-<br />

tial im Vordergrund steht, so ist doch<br />

das Ideal einer den Denkmalcharakter<br />

nicht oder möglichst wenig tangieren-<br />

den technischen Lösung eine schwie-<br />

rige Aufgabe.<br />

Dies hängt <strong>zum</strong> einen mitprimärtech-<br />

nisch und teilweise kaum veränderba-<br />

ren Cestaltsmerkmalen zusammen,<br />

wie der Farbwirkung der absorbieren-<br />

den Solarzellenoberfläche.<br />

Heutige Solarzellen aus Silizium {90%<br />

Marktanteil) sind tendenziell blau,<br />

gewisse Einfärbungen sind möglich.<br />

Sogenannte Dünnschichtsolarzellen<br />

weisen in der Regel eine sehr dunk-<br />

le Färbung auf, die durch die ge-<br />

wünschte hohe Absorption des Son-<br />

nenlichts für einen guten Wirkungs-<br />

grad physikalisch zwingend ist. Hier<br />

kann nur eine Farbtendenz verliehen<br />

werden.<br />

Ceometrische Gestaltung<br />

der Photovoltaikmodule<br />

Hier weisen die klassischen Silizium-<br />

Solarzellen, die zwingend aus kleinen<br />

Scheiben zu größeren Leistungsein-<br />

heiten (dem Modul) zusammenge-<br />

setzt werden müssen, nur eine sehr<br />

begrenzte Flexibilität in der geometri-<br />

240<br />

schen Gestaltung auf. Aus Gründen<br />

der maximalen Flächennutzung sind<br />

dies dann in der Regel quadratische<br />

Elemente und die resultierenden Mo-<br />

dule sind ebenfalls rechteckig. Zusam-<br />

men mit einer Einbettung in beidersei-<br />

tiges Deckglas und einer Metallrah-<br />

mung entsteht ein sehr einheitlicher<br />

Eindruck eines Bauelementes.<br />

Aufbringung auf Gebäude-<br />

flächen<br />

Die Integration in die Gebäudefläche<br />

kann bei nachträglicher Aufbringung<br />

meist nur mit vielen Kompromissen<br />

gelöst werden, da dann zusätzliche<br />

Halte- und Montagevorrichtungen im<br />

mechanischen und elektrischen Teil<br />

erforderlich sind. Eher selten kommen<br />

dabei architektonisch attraktive Lösun-<br />

gen heraus. Im Denkmalschutzbereich<br />

muß dann auch diese Gestaltung noch<br />

hohe Anforderungen erfüllen.<br />

Eine interessante Möglichkeit eröffnet<br />

sich, wenn ein klassisches Bauele-<br />

ment, wie z.B. der Dachziegel, ersetzt<br />

werden kann (Restaurierung, Reno-<br />

vierung etc.). Es ist deshalb ein Trend<br />

der Photovoltaik, Lösungen zu finden,<br />

bei denen die aktive Solarzelle im<br />

Bauteil so integriert wird, daß die ur-<br />

sprüngliche architektonische Funk-<br />

tion, Form und das Aussehen maximal<br />

erhalten bleiben und dennoch eine<br />

Photovoltaik integriert ist.<br />

Gute Ansätze dafür bieten wiederum<br />

Dünnschichttechnologien, weil bei<br />

ihnen prinzipiell das solarelektrisch<br />

aktive Material in einer sehr dünnen<br />

von wenigen Tausendstel Millimetern<br />

Schicht auf ein Substrat (bislang mei-<br />

stens Glas) aufgebracht wird, dessen<br />

wesentliche Funktion eine mecha-<br />

nische Stabilität ist. Gelingt es, hier<br />

auch andere tragende Substratmate-<br />

rialien zu verwenden, wie z.B. Kera-<br />

mik, Blech, Kunststoff-Folien etc., so<br />

sind weit vielfältigere Einsatzmöglich-<br />

keiten gegeben. Damit könnte auch<br />

auf klassische Bauelemente nachträg-<br />

lich eine gestalterisch angepaßte Pho-<br />

tovoltaikschicht aufgebracht werden<br />

oder direkt im integrierten Herstel-<br />

lungsprozeß realisiert werden.<br />

Inzwischen finden sich bereits viele<br />

Beispiele für Versuche in diesen Rich-<br />

tungen. Eine sicherlich architektonisch<br />

und baudenkmalpflegerisch noch<br />

nicht befriedigende Lösung stellt <strong>zum</strong><br />

Beispiel der kleine Solargenerator auf<br />

dem Dach der reformierten Stadtkir-<br />

che in Wien dar.<br />

Schon weiter gediehen erscheint dem-<br />

gegenüber die Nutzung der Dachflä-<br />

che einer evangelischen Kirche in<br />

Hamburg, bei der der Solargenerator<br />

immer noch <strong>zum</strong> dominierenden (und<br />

neuartigen) Gestaltungselement wird.<br />

Schon recht gut gelungen erscheint<br />

hingegen die Integration im Fall der ka-<br />

tholischen Kirche in Neuenrade. Hier<br />

fügt sich der Solargenerator schon<br />

recht harmonisch als Teil einer (zuge-<br />

geben recht nüchternen) kirchlichen<br />

Architektur ein. Generell lassen die der-<br />

zeitigen technischen Lösungen noch<br />

nicht die denkmalpflegerisch ideale<br />

Lösung zu.<br />

Die absehbar verfügbaren neuen Tech-<br />

niken der Photovoltaik bieten aber An-<br />

sätze für eine grundsätzlichere Lösung<br />

des Problems. Das Augenmerk ist hier-<br />

bei auf die Dünnschichttechnologien<br />

zu richten, mit denen generell ein viel<br />

höherer Integrationsgrad auch bei<br />

konventionellen Bauelementen der<br />

Architektur möglich wird. Hier sind<br />

überzeugende Pilotvorhaben gefor-<br />

dert. Eine erfolgreiche Integration der<br />

Photovoltaik hätte dann auch Aus-<br />

strahlungskraft in den allgemeinen Alt-<br />

baubestand hinein.<br />

Kurzfassung eines am Landesdenkmal-<br />

tag, 29.6.1999, gehaltenen Vortrages.<br />

Dr. Thomas Schott<br />

Zentrum für Sonnenenergie-<br />

und Wasserstoff-Forschung <strong>Baden</strong>-<br />

<strong>Württemberg</strong><br />

Heßbühlstraße 21 c<br />

70565 Stuttgart


■ 1 Hannover, Grabmal vom jüdischen<br />

Friedhof „An der Strangriede", mit Darstel-<br />

lung der Synagoge Hannover.<br />

Innovation und <strong>Denkmalpflege</strong> -<br />

Landläufig wird oft die Meinung ver-<br />

treten, die <strong>Denkmalpflege</strong> und deren<br />

Befürworter seien rückwärts gewandt.<br />

Im politischen Zwist wird ihnen sogar<br />

manchmal vorgeworfen, sie seien Ver-<br />

hinderer von Investitionen und Wirt-<br />

schaftskraft. Wie kann aus einer ver-<br />

meintlich nur in die Vergangenheit<br />

blickenden Personengruppe so et-<br />

was wie Innovation, wie Zukunftsge-<br />

staltendes entstehen? Scheint somit<br />

die Aufgabenstellung, <strong>Denkmalpflege</strong><br />

und Innovation miteinander zu ver-<br />

binden, etwas Unmögliches zu ver-<br />

langen? Fragt man nach der ursprüng-<br />

lichen Bedeutung der Schlüsselwörter<br />

„conservare" (für die <strong>Denkmalpflege</strong>)<br />

und „innovare" so findet man im Ge-<br />

orges, Ausführliches Lateinisch-Deut-<br />

sches Handwörterbuch zu „conser-<br />

vare" die Erklärung „bewahren, im Be-<br />

stehen erhalten", besonders bei leb-<br />

losen Objekten vom „Untergange,<br />

Verderben, vor dem Verfall usw. be-<br />

wahren", zu „innovare" die Erklärung<br />

kein Widerspruch<br />

Arno Weinmann<br />

„erneuern, verändern". Dies ist kein<br />

ermutigender Befund, da er die Un-<br />

möglichkeit einer Verbindung nur zu<br />

bestätigen scheint. Trotzdem soll die<br />

These gewagt werden, daß Innovatio-<br />

nen nicht nur notwendiger Teil einer<br />

erfolgreichen <strong>Denkmalpflege</strong> sind<br />

und sein müssen, sondern gleichzeitig<br />

aus der <strong>Denkmalpflege</strong> heraus Anre-<br />

gungen zu Innovationen in anderen<br />

Bereichen kommen können. Hier-<br />

unter fällt insbesondere die nachhal-<br />

tige Bewahrung unserer über die ge-<br />

schützten Kulturgüter hinausgehen-<br />

den Umwelt. An wenigen Beispielen,<br />

die sich ausnahmslos auf Förderpro-<br />

jekte der in Osnabrück ansässigen<br />

Deutschen Bundesstiftung Umwelt<br />

beziehen, sollen diese Zusammen-<br />

hänge deutlich gemacht werden.<br />

Begonnen werden soll mit dem ersten<br />

Teil der These, die sich auf eine Nutz-<br />

barmachung von Innovationen durch<br />

die <strong>Denkmalpflege</strong> <strong>zum</strong> Wohle der<br />

241


■ 2 Der Grabstein nach der Reinigung mit Kulturgüter bezieht. Nicht erst durch<br />

dem Lasergerät. das langjährige groß angelegte und<br />

nunmehr beendete Forschungspro-<br />

gramm der Bundesregierung ist of-<br />

fenbar, daß der denkmalpflegerische<br />

Sachverstand sich in vielen Fragen<br />

naturwissenschaftlicher Methodik und<br />

Erkenntnisse bedienen muß, um<br />

Schäden zu beseitigen, die nicht we-<br />

nig auf chemische Reaktionen, verur-<br />

sacht häufig durch Umweltbelastun-<br />

gen, beruhen. Gefordert ist deshalb<br />

eine enge Kooperation von Denkmal-<br />

pflegern, Naturwissenschaftlern und<br />

Restauratoren, welche Probleme am<br />

Denkmal vor Ort durch objektspezi-<br />

fische Lösungsvorschläge beheben<br />

kann. Dabei lassen sich auch sehr kon-<br />

kret die Grenzen verschiedener Ver-<br />

fahren und Produkte aufzeigen. Um<br />

Mißverständnissen vorzubeugen: Es<br />

geht nicht um das willkürliche Erpro-<br />

ben dieser an der Originalsubstanz,<br />

sondern um die vorsichtige unter<br />

■ 3 Das Gebäude des heutigen Kindergar-<br />

tens von Groß Lengden bei Göttingen wäh-<br />

rend seiner energetischen Sanierung.<br />

242<br />

denkmalfachlicher Beratung und Auf-<br />

sicht stattfindende Anwendung, so-<br />

fern die Verfahren und Produkte als<br />

hinreichend erprobt bewertet wer-<br />

den.<br />

Beispielhaft sei die Vorgehensweise in<br />

verschiedenen Projekten der Deut-<br />

schen Bundesstiftung Umwelt ge-<br />

nannt, die sich mit der Anwendung<br />

des Lasergerätes an Naturstein sowie<br />

an Glas mit dem Ziel der Bewahrung<br />

wertvoller Kulturgüter befassen. Nun<br />

ist der Einsatz des Lasers gerade zur<br />

Reinigung von Flächen aus Naturstein,<br />

insbesondere aus Frankreich, Italien<br />

oder Griechenland bekannt, aber<br />

auch in Deutschland arbeiten zuneh-<br />

mend mehr Restauratorenbetriebe<br />

mit diesem Verfahren. Damit Fehler<br />

vermieden werden, die zu einer Zer-<br />

störung wertvoller Originalsubstanz<br />

führen können, setzen sich die aus La-<br />

serfachleuten, Naturwissenschaftlern,<br />

Restauratoren und <strong>Denkmalpflege</strong>rn<br />

gebildeten Projektgruppen mit der<br />

spezifischen Wirkungsweise verschie-<br />

dener Geräte, den unterschiedlichen<br />

Reaktionen der Gesteinsarten sowie<br />

mit Fragen des Arbeits- und Umwelt-<br />

schutzes auseinander. Über Foren wer-<br />

den die erzielten Ergebnisse durchge-<br />

hend bekannt gemacht und diskutiert.<br />

Wie der bisherige Verlauf der Projekte<br />

zeigt, wird man bei der Parameterfin-<br />

dung sehr wohl Grenzen des Lasers<br />

feststellen, aber auch erste sichtbare<br />

Erfolge konnten erzielt werden. So ge-<br />

lang es beispielsweise an einem Grab-<br />

mal des jüdischen Friedhofs „An der<br />

Strangriede" in Hannover, das Bild der<br />

ehemaligen jüdischen Synagoge in<br />

Hannover mittels Reinigung mit dem


Lasergerät (Ausführende; Bauhütte<br />

Naumburg) wieder sichtbar zu ma-<br />

chen. Eine dicke Schmutzkruste, de-<br />

ren Ablagerungen besonders von den<br />

Emissionen einer in unmittelbarer<br />

Nähe gelegenen Buntmetallgießerei<br />

bestimmt waren, konnte beseitigt<br />

werden, um die filigranen zeichneri-<br />

schen Elemente der Synagoge dem<br />

Betrachter wieder deutlich werden zu<br />

lassen.<br />

Ebenso interessant werden die Ergeb-<br />

nisse sein, die sich aus dem Vorhaben<br />

ergeben werden, das sich mit der Wir-<br />

kungsweise des Lasers zur Reinigung<br />

von Glasoberflächen beschäftigt. Ne-<br />

ben dem Abtrag von Korrosionskru-<br />

sten steht die erfolgreiche Reinigung<br />

von Biofilmen im Vordergrund des<br />

Projektes. Vergleiche der bisher übli-<br />

chen Reinigungsmethoden gewähr-<br />

leisten die im Projekt beteiligten Re-<br />

stauratoren der Dombauhütten Köln<br />

und Erfurt sowie eines mittelständi-<br />

schen Betriebes.<br />

Die besondere Vorsicht, mit der in<br />

den genannten Projekten an die Lö-<br />

sung der Probleme und Fragen heran-<br />

gegangen wird, ergibt sich aus den be-<br />

sonders hohen Anforderungen und<br />

Ansprüchen, die der Umgang mit ei-<br />

nem Denkmal stellt - einem Kulturgut,<br />

dessen Substanz mit den in ihr enthal-<br />

tenen Aussagen unrettbar verloren-<br />

geht, sollten grobe Fehler gemacht<br />

werden. Gerade die <strong>Denkmalpflege</strong><br />

fordert also besonders schonende<br />

und schützende Verfahren und regt<br />

mit dieser hohen Meßlatte sowohl die<br />

Wissenschaft als auch die Industrie zur<br />

Bereitstellung innovativer Lösungen<br />

an, die dann wiederum in ganz ande-<br />

ren Bereichen, man denke nur an den<br />

Schutz von Mensch und Natur, wirk-<br />

sam werden können. So klingt es gar<br />

nicht verwunderlich, daß sich die Pro-<br />

jektgruppe, die sich mit Laser und Glas<br />

auseinandersetzt, im Diskurs mit inter-<br />

essierten Vertretern der Zahnärzte be-<br />

findet und erst kürzlich die Gelegen-<br />

heit hatte, Probleme der Denkmal-<br />

pflege in einem überregionalen Zahn-<br />

ärzteblatt zu veröffentlichen.<br />

Damit ist auch schon der Übergang<br />

<strong>zum</strong> zweiten Teil der an den Anfang<br />

gestellten These geschaffen, der eine<br />

anschiebende Wirkung der Denkmal-<br />

pflege im Hinblick auf Innovationen<br />

behauptet. Da der Schwierigkeitsgrad<br />

der Fferausforderungen an einem<br />

Denkmal oftmals größer ist als an-<br />

derswo, muß die Innovationskraft der<br />

Lösungswege auch höher zu bewer-<br />

ten sein. Belegt werden soll dies am<br />

Beispiel der Thematik Klimaschutz<br />

und Denkmalschutz oder - wie es im<br />

Untertitel einer gleichnamigen Publi-<br />

kation des Deutschen Zentrums für<br />

Fiandwerk und <strong>Denkmalpflege</strong>, Prop-<br />

ste! Johannesberg, Fulda e.V. heißt -<br />

Argumente und Hinweise für die en-<br />

ergetische Modernisierung von Bau-<br />

denkmälern. Aus diesem ursprünglich<br />

als Konfliktfeld betrachteten Thema,<br />

nämlich Schutz des Baudenkmals ver-<br />

sus Verbesserung der Umweltsituation<br />

entstand aufgrund der sowohl dem<br />

Denkmal als auch der Umwelt ver-<br />

pflichteten Vorgehensweise ein Leitfa-<br />

den, der verschiedene Möglichkeiten<br />

zur Einsparung von Energie in Bau-<br />

denkmälern und auch in nicht als Bau-<br />

denkmäler erfaßten Gebäuden be-<br />

schreibt und diskutiert. Damit bezieht<br />

sich die Publikation auch auf den be-<br />

sonders in den neuen Bundesländern<br />

hohen Bestand an Altbauten, deren<br />

Nutzung und Bewahrung Ziel einer<br />

auf Maß bedachten städtebaulichen<br />

Entwicklung sein sollte, und verknüpft<br />

seine Bewahrung mit den Anforde-<br />

rungen des heutigen modernen Um-<br />

weltschutzes. Als relevant für das<br />

Thema Innovationen aus der Denk-<br />

malpflege soll folgende Passage aus<br />

der Einführung der genannten Publi-<br />

kation zitiert werden:<br />

„In der Praxis läßt natürlich ein ge-<br />

wöhnlicher Altbau viel mehr Freihei-<br />

ten bei der energetischen Modernisie-<br />

rung zu als ein Baudenkmal. Es muß<br />

aber davon ausgegangen werden, daß<br />

die Untersuchungen und Maßnah-<br />

men, die an Baudenkmalen exempla-<br />

risch und in besonderer Sorgfalt mit<br />

dem Ziel einer optimalen Bauwerkser-<br />

haltung durchgeführt werden, eine<br />

Vorbildfunktion für den Umgang mit<br />

der Masse der Altbausubstanz dersel-<br />

ben Epoche haben. Insofern tragen<br />

die an Baudenkmalen entwickelten<br />

Energiesparlösungen trotz (der) abso-<br />

lut eher geringen Menge der Bau-<br />

denkmäler durch die Multiplikation in<br />

diesem Sinne <strong>zum</strong> Klimaschutz bei."<br />

Energiefachleute, <strong>Denkmalpflege</strong>rund<br />

Eigentümer der Gebäude sind in der<br />

Lage, einen erheblichen Beitrag zur<br />

Energieeinsparung zu leisten, da der<br />

Altbaubestand mit 95% am baulichen<br />

Energieverbrauch in Deutschland be-<br />

teiligt ist. Das Projekt der Deutschen<br />

Bundesstiftung Umwelt beschäftigt<br />

■ 4 Holzfeuchtemessung während der Sa-<br />

nierung des Gebäudes In Groß Lengden.<br />

sich daher mit der Untersuchung und<br />

Erprobung verschiedener Varianten<br />

zur wärmetechnischen Verbesserung<br />

der Gebäudehülle an unterschiedli-<br />

chen Objekten, die jedoch alle die<br />

bauphysikalischen Voraussetzungen<br />

<strong>zum</strong> Erhalt des Denkmals beachten.<br />

Hierunter fallen unter anderem die<br />

Verbesserungen des Wärmeschutzes<br />

von Wänden, Fenstern und Verglasun-<br />

gen. Aber auch die Modernisierung<br />

vorhandener Heizungsanlagen, der<br />

Einsatz alternativer Techniken zur<br />

Energiegewinnung sowie Fragen der<br />

Temperierung spielen eine große Rol-<br />

le. Am Beispiel eines denkmalge-<br />

schützten Fachwerkhauses in Diemel-<br />

see-Adorf stellten sich Eigentümer<br />

und Deutsches Zentrum für Hand-<br />

werk und <strong>Denkmalpflege</strong> die Auf-<br />

gabe, Niedrigenergiestandard im<br />

Denkmal zu verwirklichen. Vorausset-<br />

zung war, „daß die denkmalpflegeri-<br />

sche Zielsetzung den Dämm- und<br />

Luftdichtmaßnahmen im Bereich der<br />

gesamten Gebäudehülle nicht entge-<br />

gensteht".<br />

Das Projektvorhaben steht kurz vor<br />

dem Abschluß, so daß sicherlich erste<br />

Ergebnisse noch dieses Jahr veröffent-<br />

lichtwerden. Schon publiziert sind die<br />

Erfahrungen, die unter Anwendung<br />

einer ähnlichen Vorgehensweise im<br />

Kindergarten Groß Lengden bei Göt-<br />

tingen gemacht werden konnten, der<br />

Titel lautet: Niedrigenergiebauweise<br />

im alten Fachwerkhaus. Betroffen war<br />

243


ein stark sanierungsbedürftiges 150<br />

Jahre altes, jedoch nicht unter Denk-<br />

malschutz stehendes Fachwerkhaus,<br />

das weiterhin als Kindergarten genutzt<br />

werden sollte. Um zukünftig sowohl<br />

ein angenehmes Raumklima zu schaf-<br />

fen als auch die bisherigen Schwierig-<br />

keiten mit der Ölheizung zu vermei-<br />

den, sollten technische Anlage und<br />

Gebäudehülle unter ökologischen<br />

Gesichtspunkten verbessert werden.<br />

Folgende Projektziele wurden im Vor-<br />

feld festgelegt;<br />

- Beheizung des Gebäudes über ein<br />

ausgereiftes, energiesparendes und<br />

abgasarmes Heizsystem,<br />

- Reduzierung der Lüftungswärme-<br />

verluste und optimale Frischluftversor-<br />

gung der Nutzer durch Einbau einer<br />

Lüftungsanlage,<br />

- Dämmung der Dach- und Fußbo-<br />

denflächen gemäß dem Standard in<br />

Niedrigenergiegebäuden, Fenster mit<br />

Wärmesch utzverglasu ng,<br />

- Optimierung des Wärmeschutzes<br />

der Außenwände,<br />

- luftdichte Gebäudehülle zur Vermei-<br />

dung von Tauwassereintrag durch<br />

Raumluftkonvektion in die Gebäude-<br />

hülle und als Voraussetzung für die<br />

Funktionsfähigkeit der Lüftungsanlage.<br />

Liest man die Auswertung nach drei-<br />

jähriger Projektlaufzeit am Ende der<br />

Publikation, wird man feststellen, daß<br />

die gewonnenen Ergebnisse sehr dif-<br />

ferenziert zu betrachten und nicht un-<br />

bedingt sofort zu übertragen sind. Die<br />

Feuchtebeanspruchung der Holzkon-<br />

struktion ist als „deutlich erkennbar^'<br />

bezeichnet. Positiv bewertet wird hin-<br />

gegen die Verwendung traditioneller<br />

und ökologischer Materialien wie z. B.<br />

Lehmputz. Vorsichtig ziehen die Be-<br />

teiligten das Fazit, daß es immerhin<br />

gelungen ist zu demonstrieren, „wie<br />

eine energetische Sanierung mit der<br />

unverzichtbaren Dämmung der Bau-<br />

hülle und Bewahrung der alten Fach-<br />

werkkonstruktion möglich und sinn-<br />

voll ist".<br />

Den Schutz der alten Bausubstanz ei-<br />

nes Denkmals sicherzustellen, gleich-<br />

244<br />

zeitig aber auch einen Beitrag zur Be-<br />

wahrung der natürlichen Umwelt zu<br />

leisten, stellt <strong>Denkmalpflege</strong>r, Archi-<br />

tekten und die Vertreter der Fachbe-<br />

triebe vor neue innovative Aufgaben,<br />

deren Bewältigung nicht schematisch<br />

geschehen kann, sondern immer von<br />

den objektspezifischen Gegebenhei-<br />

ten abhängig sein wird. Es ist damit<br />

aber ein Feld beschriften, das nicht<br />

mehr verlassen werden kann, denn<br />

viele Denkmäler können nur erhalten<br />

werden, wenn sie auch genutzt wer-<br />

den.<br />

Zum Abschluß soll noch auf eine För-<br />

derinitiative der Deutschen Bundes-<br />

stiftung Umwelt „300 Kirchgemeinden<br />

für die Sonnenenergie" verwiesen<br />

werden, mit der die stärkere Nutzung<br />

von thermischen und photovoltai-<br />

schen Anlagen angeregt werden soll.<br />

Verbunden mit der Nutzung ist die öf-<br />

fentlichkeitswirksame Demonstration.<br />

Soweit Kirchgemeinden die Errich-<br />

tung solcher umweltfreundlicher En-<br />

ergiegewinner mit denkmalgeschütz-<br />

ten Gebäuden koppeln wollen, sind<br />

wiederum die <strong>Denkmalpflege</strong>r gefor-<br />

dert, wenn es das Denkmal erlaubt,<br />

Lösungen zur Installation mit zu über-<br />

denken.<br />

Somit ist festzuhalten, <strong>Denkmalpflege</strong><br />

und Innovation sind sich nicht feind,<br />

im Gegenteil: <strong>Denkmalpflege</strong> kann<br />

und muß innovativ sein. In Abwägung<br />

aller Gegebenheiten am Denkmal un-<br />

ter Berücksichtigung aller Anforderun-<br />

gen an das Denkmal sowie unter Her-<br />

anziehung aller durch Wissenschaft<br />

und Technik möglich gewordenen<br />

Verfahren wird der <strong>Denkmalpflege</strong>r<br />

seine Entscheidungen treffen. Wie ge-<br />

zeigt werden konnte, werden hiervon<br />

Impulse auch auf andere Bereiche<br />

ausgehen.<br />

Dr. Arno Weinmann<br />

Deutsche Bundesstiftung Umwelt<br />

Postfach 1705<br />

49007 Osnabrück


Die Spatzen pfeifen es von den<br />

Dächern: Es ist in den letzten Jahren<br />

schwieriger geworden, Denkmäler zu<br />

schützen und zu pflegen. Nach der<br />

Begeisterung des Denkmalschutzjah-<br />

res 1976 und der allgemeinen Identi-<br />

fikation mit dem, was die Öffentlich-<br />

keit irrtümlich für die wichtigsten,<br />

wenn nicht einzigen Ziele des Denk-<br />

malschutzes und der <strong>Denkmalpflege</strong><br />

hielt, ist Ernüchterung und nicht selten<br />

bittere Enttäuschung bei den Fach-<br />

leuten eingekehrt. Die Öffentlichkeit,<br />

die Verwaltung, auch die Politik, ha-<br />

ben erkennen müssen, daß das<br />

scheinbar handliche Instrument zur<br />

Heilung ästhetischer Wunden, zur<br />

Wiedergewinnung einer scheinbar<br />

heilen Heimat, zur Förderung des Tou-<br />

rismus und zur Verbesserung der<br />

Standortfaktoren wesentlich andere,<br />

komplexe, Laien oft schwer vermittel-<br />

bare Ziele verfolgt. Die Denkmalpfle-<br />

ger spüren einen wachsenden Wider-<br />

stand, der sich selten mit fachlichen<br />

Argumenten öffentlich artikuliert, son-<br />

dern in einschränkenden Maßnah-<br />

men des Gesetzgebers und der Ver-<br />

waltungen konkretisiert, Festlegun-<br />

gen, die Denkmalschutz und eine<br />

fachlich vertretbare <strong>Denkmalpflege</strong><br />

erschweren, in manchen Fällen be-<br />

reits unmöglich machen.<br />

In den „fetten" Jahren nach 1976 wur-<br />

de von <strong>Denkmalpflege</strong>ämtern, wie<br />

dem von <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, Struk-<br />

turen aufgebaut, die sich weltweit se-<br />

hen lassen können. In bestimmten Be-<br />

reichen, etwa in der Inventarisierung<br />

und der wissenschaftlichen Unterstüt-<br />

zung und Dokumentation bei Restau-<br />

rierungen, in der Bauforschung sowie<br />

bei intensiv betreuten Restaurierun-<br />

gen brauchen diese Denkmalämter<br />

weltweit keinen Vergleich zu scheuen.<br />

Was ganz offensichtlich allzu viele be-<br />

unruhigt, ist somit nicht ein Scheitern<br />

bei der Lösung komplizierter Aufga-<br />

ben. Im Gegenteil: Das hohe Niveau<br />

der Anforderungen und zugleich der<br />

Braucht unsere Gesellschaft<br />

eine andere <strong>Denkmalpflege</strong>?<br />

Wolfgang Wolters<br />

Nachweis, diesem Anspruch fachlich<br />

entsprechen zu können und weiter<br />

entsprechen zu wollen, beginnt Allzu-<br />

viele zu beunruhigen. Dabei richtet<br />

die <strong>Denkmalpflege</strong> diese unbeque-<br />

men Anforderungen nicht nur an ihre<br />

Partner, sondern ebenso an sich selbst.<br />

Roman Herzog, damals noch Innen-<br />

minister und für die <strong>Denkmalpflege</strong><br />

zuständig, hat 1982 in Stuttgart bei der<br />

Eröffnung der Tagung „Erfassen und<br />

Dokumentieren im Denkmalschutz"<br />

die Hoffnung ausgesprochen, daß<br />

man zu Maßstäben kommen könne<br />

„oder jedenfalls einen Schritt in die<br />

Richtung auf Maßstäbe geht, die dann<br />

allgemein oder wenigstens einiger-<br />

maßen allgemein und damit überzeu-<br />

gend sein mögen". Maßstäbe im Be-<br />

reich der Erfassung des Dokumentie-<br />

rens und Restaurierens bestehen. Hof-<br />

fen wir mit Roman Herzog, daß sie,<br />

weil fachlich einwandfrei, die Ent-<br />

scheidungsträgerauch überzeugen.<br />

Die schwäbische Autoindustrie - und<br />

natürlich nicht nursie-wirbt weltweit<br />

erfolgreich mit „kompromißlos gu-<br />

ten", dabei in Serie gefertigten und so-<br />

mit stets wiederholbaren Produkten.<br />

Der <strong>Denkmalpflege</strong> wird hingegen<br />

immer wieder vorgeworfen, sie for-<br />

dere eine Qualität bei Restaurierun-<br />

gen und Instandsetzungen, die den<br />

Einzelnen und den Staat - letzteren<br />

über die Finanzierung - überfordere.<br />

Man fordert Augenmaß und nennt es<br />

nicht Kurzsichtigkeit.<br />

Wer aber will der immer wieder vor-<br />

gebrachten Forderung nach Augen-<br />

maß widersprechen? Augenmaß ist<br />

vernünftig, das Fehlen von Augenmaß<br />

gefährdet den, der es nicht hat. „Au-<br />

genmaß" bedeutet im Zusammen-<br />

hang mit der denkmalpflegerischen<br />

Praxis in der Regel den Verzicht auf die<br />

Beachtung fachlich vernünftiger An-<br />

sprüche. Wer sich den Interessenaus-<br />

gleich als Ziel denkmalpflegerischen<br />

245


Handelns zu eigen gemacht hat, tole-<br />

riert meist erhebliche Verluste. Ein<br />

schreckliches Dilemma für die Fach-<br />

leute der <strong>Denkmalpflege</strong>. Zudem ver-<br />

schiebt sich nach jedem „Kompromiß<br />

mit Augenmaß" die Meßlatte zuun-<br />

gunsten des Denkmals.<br />

Daß die hohe Qualität der Forschung<br />

und die darauf gegründeten Maßnah-<br />

men als Politikum genutzt werden<br />

können, hat die bayerische Denkmal-<br />

pflege mit ihren intensiven Kontakten<br />

mit China und Japan nachgewie-<br />

sen. Bayern exportiert nicht nur die<br />

bekannten Produkte, sondern auch<br />

Kompetenz und Know-how in der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong>. Es sind somit nicht in<br />

erster Linie die für die Denkmäler oft<br />

gefährlichen touristischen Konse-<br />

quenzen, sondern der herausragende<br />

Rang der vorbereitenden Forschun-<br />

gen und der Durchführung von denk-<br />

malpflegerischen Maßnahmen, die<br />

der <strong>Denkmalpflege</strong> nationale und in-<br />

ternationale Reputation bringen. Zu<br />

oft verengt sich der Blickwinkel auf die<br />

regionale Dimension und die positive<br />

oder unwillige Reaktion nicht ausrei-<br />

chend aufgeklärter, nicht immer und<br />

niemals leicht erreichbarer Bürger.<br />

Vertreter meines eigenen Fachs, der<br />

Kunstgeschichte, die ich in Berlin nicht<br />

selten auf der anderen Seite der Barri-<br />

kade wiederfinde, will ich da nicht<br />

ausnehmen.<br />

Die korrekte oder gar mustergültige<br />

Durchführung denkmalpflegerischer<br />

Maßnahmen - von der Restaurierung<br />

eines Altars bis zur Sanierung und Mo-<br />

dernisierung eines Fachwerkhauses -<br />

verlangt hervorragend ausgebildete<br />

Fachleute, in den letzten Jahren haben<br />

sich viele junge Restauratoren und<br />

Bauforscher, angeleitet und gefördert<br />

von den Denkmalämtern, für eine<br />

Arbeit auf diesem Feld entschieden.<br />

Sie sind als Existenzgründer tätig ge-<br />

worden und haben somit auch einer<br />

Forderung der Politik zu eigenver-<br />

antwortlichem Handeln entsprochen.<br />

Diese Spezialisten, um die Sie auch<br />

Länder beneiden, die selbst eine gro-<br />

ße Tradition auf diesen Berufsfeldern<br />

haben, können nur existieren, wenn<br />

ausreichende Voraussetzungen für die<br />

Durchführung quaiitätsvoller Maß-<br />

nahmen bestehen, wenn hohe Qua-<br />

lität das Ziel bleibt. Überlegungen,<br />

die im Bereich der <strong>Denkmalpflege</strong><br />

Qualitätsminderungen als hinnehm-<br />

bar, vielleicht gar als unvermeidbar<br />

betrachten, gefährden ebenso die<br />

246<br />

Kunstwerke wie die wirtschaftliche<br />

Existenz und die Kompetenz hoch-<br />

qualifizierter Fachleute. Eine solche<br />

Zielsetzung oder das Hinnehmen ei-<br />

ner solchen Entwicklung kann weder<br />

von der Gesellschaft noch den Fach-<br />

leuten oder der Politik gewollt oder<br />

hingenommen werden.<br />

Schaut man sich in der deutschen<br />

Universitäts- und Fachhochschulland-<br />

schaft um, begegnet man immer häu-<br />

figer Aufbaustudiengängen, die di-<br />

plomierte Architekten und Vertreter<br />

anderer Disziplinen auf einen korrek-<br />

ten Umgang mit denkmalgeschütz-<br />

ten Gegenständen vorbereiten. Wozu<br />

aber dient die vom Staat geförder-<br />

te Kompetenzverbesserung, wenn die<br />

Umsetzung der Erkenntnisse und Er-<br />

fahrungen gleichzeitig immer schwie-<br />

riger wird?<br />

Nun wäre es gar zu naiv zu glauben,<br />

schon die Forderung nach hohen Stan-<br />

dards garantierte das Erreichen dersel-<br />

ben. Es ist aber nicht naiv zu behaup-<br />

ten, daß der Verzicht auf eine solche<br />

Forderung Qualitätseinbußen fördert.<br />

Qualitätssicherung setzt Urteilsfähig-<br />

keit voraus. Im hochspezialisierten<br />

Metier der Konsetvierung und Restau-<br />

rierung sowie der substanzschonen-<br />

den Instandsetzung von Gebäuden ist<br />

die Zahl derer, die fachliche Kompe-<br />

tenz zur Beurteilung dieser Maßnah-<br />

men haben, im Verhältnis zu denen,<br />

die sich an fachlich nicht vertretbaren<br />

Maßnahmen erfreuen, eher klein. Das<br />

gilt wohl auch für mein eigenes Fach.<br />

Würden die Kunsthistoriker sonst<br />

nicht häufiger für die Belange der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> in der Öffentlichkeit<br />

eintreten? Zyniker könnten aus diesen<br />

Mehrheitsverhältnissen die Legitima-<br />

tion zu unsachgemäßem Handeln<br />

herleiten. Umso wichtiger ist Auf-<br />

klärung der Öffentlichkeit, auch über<br />

das Scheitern. Ihre schöne Zeitschrift -<br />

eine wahre Fundgrube - könnte in<br />

jedem Heft Beispiele für das Mißlin-<br />

gen vorstellen und sich dabei auf<br />

knapp erläuternde Gegenüberstellun-<br />

gen konzentrieren.<br />

Wenn auch hierzulande eine Verwal-<br />

tungsreform vorbereitet wird, sollte<br />

nicht die „Verschlankung", das Priva-<br />

tisieren, das Abschaffen der Einver-<br />

nehmensregelung im Zentrum der<br />

Überlegungen stehen. Richtschnur für<br />

alle Überlegungen muß die Qualitäts-<br />

sicherung bei denkmalpflegerischen<br />

Maßnahmen sein. Dies entspricht<br />

dem Geist des Gesetzes und nicht zu-<br />

letzt unserer allein treuhänderischen<br />

Verantwortung. Es wäre der falsche<br />

Weg, erreichbare Standards zu verrin-<br />

gern, weil deren Durchsetzung nicht<br />

immer auf Zustimmung der Betroffe-<br />

nen stößt.<br />

Immer stärker macht sich unter Fach-<br />

leuten die Erkenntnis breit, daß durch<br />

mangelnde Kompetenz der Gutach-<br />

tenden und der Ausführenden in un-<br />

serem Jahrhundert (und wohl ganz<br />

besonders in den Jahren von 1945 bis<br />

etwa 1970) weit mehr vernichtet<br />

wurde, als eine Gesellschaft klaglos<br />

und vor allem widerstandslos hinneh-<br />

men durfte. Das Erschrecken ist immer<br />

wieder groß, die Chancen, auf diese<br />

Einsicht Taten folgen zu lassen, sind<br />

nicht einmal gering. Dabei wäre es<br />

verfehlt, wollte man heute die ge-<br />

samte Last der Verantwortung dem je-<br />

weils letzten in der Entscheidungs-<br />

kette, also dem Handwerker und dem<br />

Restaurator aufbürden.<br />

Die <strong>Denkmalpflege</strong> selbst droht unter<br />

dem Druck, dem sie sich derzeit aus-<br />

gesetzt sieht, zu zerbrechen. Erste,<br />

wohldosierte Signale, man müsse<br />

nicht immer den fachlichen Gesichts-<br />

punkten folgen, das Gefühl, die Emp-<br />

findungen des Durchschnittsbürgers<br />

hätten gleichermaßen ein Recht, wur-<br />

den jüngst auf einer Tagung in Passau<br />

ausgesandt. Der Adressat dieser Bot-<br />

schaften waren neben der für mich<br />

überraschend lethargisch verharren-<br />

den Fachöffentlichkeit wohl die Ver-<br />

waltungen und last not least die Poli-<br />

tik. Brauchen wir also eine andere<br />

<strong>Denkmalpflege</strong>?<br />

Immer wieder ist zu hören, die bald<br />

nach 1900 formulierten Ansätze zu ei-<br />

ner Theorie der <strong>Denkmalpflege</strong> seien<br />

überholt. Mag sein, mag aber auch<br />

nicht sein. In der Zwischenzeit haben<br />

Bauforscher, Restauratoren und Natur-<br />

wissenschaftler so viel Wissen über ei-<br />

nen vernünftigen Umgang mit Objek-<br />

ten erarbeitet und verfügbar gemacht,<br />

daß die Theorie sich auch an deren<br />

Brauchbarkeit in der alles entschei-<br />

denden Praxis messen lassen und in<br />

ihr bewähren muß. Die Restaurie-<br />

rungswissenschaft macht die Denk-<br />

malpflegetheorie, die Teil ihrer selbst<br />

ist, im Hinblick auf deren Wert für die<br />

Praxis überprüfbar.<br />

Die Vertreter der <strong>Denkmalpflege</strong> wer-


den sich in Zukunft entscheiden müs-<br />

sen, ob sie - wie jüngst in Berlin bei ei-<br />

ner Tagung des deutschen National-<br />

komitees - über die veränderte Ce-<br />

samtwetterlage klagen oder offensiv<br />

hohe Standards fordern und dies ge-<br />

genüber der Öffentlichkeit und der<br />

Politik, am besten mit aktuellen Bei-<br />

spielen begründen. Wer nur sich über<br />

Gegenwind beklagt, hat in der Öffent-<br />

lichkeit und der Politik kaum eine<br />

Chance auf Solidarität. Verlierer oder<br />

Leute, die man dafür hält, leben in der<br />

Regel sehr einsam.<br />

Politik und Verwaltung von <strong>Baden</strong>-<br />

<strong>Württemberg</strong> haben im Hinblick auf<br />

die <strong>Denkmalpflege</strong> in den nächsten<br />

Jahren eine große, in die Zukunft wei-<br />

sende Aufgabe. Von seltenen Ausnah-<br />

men abgesehen, wird kaum jemand<br />

unverhüllt für eine Beschädigung oder<br />

gar Zerstörung von Kunstwerken oder<br />

Geschichtszeugnissen in diesem herr-<br />

lichen Land plädieren. Und dennoch<br />

sind in allen Bundesländern Entwick-<br />

lungen spürbar, die unausweichlich zu<br />

dieser Konsequenz führen werden.<br />

Ein unüberhörbares, immer wieder<br />

ausgesprochenes, nicht zuletzt in Etats<br />

verankertes Bekenntnis von Politik<br />

und Verwaltung zur höchsten Qualität<br />

beim Umgang mit Baudenkmalen<br />

und deren Ausstattung ist geboten.<br />

Nicht die Bändigung einer angeblich<br />

zu mächtigen, kompromißunwilligen<br />

<strong>Denkmalpflege</strong>, sondern der Schutz<br />

der Denkmale vor denen, die andere<br />

Ziele als deren intakte Überlieferung<br />

im Sinn haben, ist die Voraussetzung<br />

für das Weiterbestehen der Denkmale<br />

und unserer regionalen und somit<br />

auch nationalen kulturellen Identi-<br />

tät. Der Kampf der Dresdner für den<br />

Wiederaufbau der Frauenkirche, ein<br />

Projekt, mit dem die Denkmalpfle-<br />

ge sich ja nicht identifizieren muß,<br />

zeigt, welch eine Kraft aus dem Leiden<br />

des Verlustes erwächst. Die Wände<br />

der potemkinschen Dörfer, die in<br />

Deutschland überall aus dem Boden<br />

sprießen oder in die sich Denkmäler<br />

nach ihrer Auskernung verwandeln,<br />

zeigen aber auch, daß die oft unbe-<br />

queme Substanzerhaltung einflußrei-<br />

che und auch in schweren Zeiten<br />

treue Freunde braucht.<br />

Die Politik kann ihr vielfältiges Instru-<br />

mentarium nutzen, um die Einhaltung<br />

hoher Standards bei der Erhaltung<br />

und Pflege gefährdeter Bauten auch in<br />

Zukunft möglich zu machen. Ein Vor-<br />

schlag; Unter dem Arbeitstitel „Qua-<br />

litätssicherung bei denkmalpflegeri-<br />

schen Maßnahmen" könnte gleich im<br />

Anschluß an unsere Tagung ein kurz-<br />

fristiger Forschungsauftrag der Regie-<br />

rung von <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> verge-<br />

ben werden. Seine mit einer geringen<br />

Investition erzielten Ergebnisse wür-<br />

den all denen, die an der Verwal-<br />

tungsreform arbeiten, nachprüfbare<br />

Argumente <strong>zum</strong> Urteilen liefern und<br />

so Toleranzgrenzen für die erwoge-<br />

nen Veränderungen nachweisen.<br />

Mörsch hat einmal davon gespro-<br />

chen, daß die staatliche Denkmal-<br />

pflege das Recht und die Pflicht habe,<br />

Ansprüche an die Gesellschaft zu stel-<br />

len. Die <strong>Denkmalpflege</strong> als kompe-<br />

tenter Auftragnehmer einer Gesell-<br />

schaft, die Denkmalschutz und Denk-<br />

malpflege als wesentliche Aufgaben<br />

einer aufgeklärten, selbstbewußten<br />

Gesellschaft erkannt hat.<br />

Daß <strong>Denkmalpflege</strong> Ressourcen be-<br />

wahrt, Arbeitsplätze schafft, ein we-<br />

sentlicher Standortfaktor geworden<br />

ist, sogar Müll vermeidet, ist oft und<br />

natürlich mit Recht zur Rechtfertigung<br />

von Etats und von Investitionen be-<br />

tont worden. Eine damit verbundene<br />

Quantifizierung, die ideelle Faktoren<br />

ausspart, birgt neben allem Nutzen die<br />

Gefahr, daß die <strong>Denkmalpflege</strong> an<br />

den zahlreichen, um Fördermittel<br />

konkurrierenden Interessen und Auf-<br />

gaben gemessen wird. Die Denkmal-<br />

pflege, so man ihr die Chance dazu<br />

bietet, sichert einen ganz wesentli-<br />

chen Teil der geistigen und handwerk-<br />

lichen Überlieferung einer Region, ei-<br />

nes Landes. Die hierzu notwendigen<br />

Investitionen, der „Mehraufwand",<br />

wird von den folgenden Generatio-<br />

nen amortisiert. Auch hier besteht ein<br />

Generationenvertrag.<br />

Was würde geschehen, wenn der Lei-<br />

ter, sagen wir der Stuttgarter Landesbi-<br />

bliothek, - aus Finanznot - mit den<br />

Verantwortlichen (auf welcher Ebene<br />

auch immer) einen der Denkmal-<br />

pflege immer wieder abgenötigten<br />

„Kompromiß" im Hinblick auf die Si-<br />

cherung und Pflege der ihm anver-<br />

trauten schriftlichen und bildlichen<br />

Quellen schlösse? Ein Teil der er-<br />

forschten und ein Teil der noch nicht<br />

erforschten Bestände würde ohne viel<br />

Aufhebens „entsorgt" und könnte zur<br />

Auffüllung einer ehemaligen Kies-<br />

grube sogar genutzt werden. In die so<br />

frei gewordenen Räume zieht gegen<br />

eine angemessene Miete ein Müllent-<br />

sorgungsbetrieb, der <strong>zum</strong> Schrecken<br />

der Bibliothekare durch die zahlrei-<br />

chen Abbrüche gerade beim Expan-<br />

dieren ist. „Unsinn" - werden Sie<br />

sagen, „ein blödsinniger Vergleich".<br />

Wieso eigentlich? Enthalten Häuser<br />

und Kirchen, archäologische Stätten<br />

weniger wichtige Informationen als<br />

das, was schriftlich fixiert wurde? Ist<br />

nicht durch Grabungen, Haus- und<br />

Bauforschung, vorbereitete Untersu-<br />

chungen zu Restaurierungen mehr<br />

über das Leben und die Entwicklung<br />

der Technik in Zeiten zu erfahren, in<br />

denen sich die schriftlichen Quellen<br />

auf andere Dinge konzentrierte?<br />

Jahreswenden, Jahrhundert- oder gar<br />

Jahrtausendwenden bringen selten<br />

die erhofften grundsätzlichen Ände-<br />

rungen, stimulieren jedoch den<br />

Wunsch, neu zu beginnen, die ge-<br />

machten Fehler vergessen zu dürfen,<br />

erneut, vielleicht ein letztes Mal eine<br />

Chance zu erhalten. In Kürze wird<br />

vom Europarat die Kampagne „Europa<br />

- ein gemeinsames Erbe" gestartet<br />

werden. Vieles im Erbe von <strong>Baden</strong>-<br />

<strong>Württemberg</strong> gehört zu den kostba-<br />

ren Perlen. Diese Kampagne wird eine<br />

unterschiedliche Behandlung des<br />

„Erbes" in den verschiedenen Ländern<br />

der Gemeinschaft konstatieren. Ist es<br />

denkbar, daß in einem solchen Au-<br />

genblick die <strong>Denkmalpflege</strong> von Ba-<br />

den-<strong>Württemberg</strong> durch tief ein-<br />

schneidende Mittelkürzungen und<br />

Festlegungen im Rahmen der geplan-<br />

ten Verwaltungsreform nicht nur ein<br />

wenig, sondern entscheidend ge-<br />

schwächt wird? Wäre es nicht eine<br />

große Chance, im Rahmen der Kam-<br />

pagne des Europarats sich in Worten<br />

und Taten zur Qualitätssicherung zu<br />

bekennen und mit diesem Pfund na-<br />

tional und international zu wuchern,<br />

den schlechter gestellten Ländern<br />

durch ein Beispiel zu helfen? Der<br />

Nachweis fällt sehr leicht, daß einzig<br />

hohe Qualität im Urteil der folgenden<br />

Generationen Bestand hat. Es genügt,<br />

die Geschichte der Zerstörung von<br />

Dörfern und Städten, aber auch von<br />

einzelnen Bauten, Bildern und Skulp-<br />

turen anhand von Texten und Abbil-<br />

dungen zu studieren. Das aber, was<br />

heute noch weitgehend unverfälscht<br />

steht, wird in der Regel der Un-<br />

beirrbarkeit der in den Augen vieler<br />

nicht ausreichend „kompromißberei-<br />

ter" Gebietsreferenten, der Munifi-<br />

zenz aufgeklärter Bauherren sowie<br />

den Zuschüssen des Landes, der Kir-<br />

chen und weiterer, hier nicht einzeln<br />

zu Nennender verdankt.<br />

247


Kaum traut man sich, in der Öffent-<br />

lichkeit den Kompromiß als ideal, als<br />

Ziel denkmalpflegerischen Handelns<br />

infrage zu stellen. Was im täglichen<br />

Zusammenleben der Menschen als<br />

Folge nicht gleichgerichteter Kräfte<br />

notwendig ist, kann für Fachleute der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> nicht das Ziel sein. Oft<br />

genug ist er aber das verlustreiche Er-<br />

gebnis. Schließlich geht es ja nicht im-<br />

mer um ein altes FHaus, das weiter be-<br />

wohnt werden soll und bei dem<br />

maßvolle Veränderungen der Sub-<br />

stanz, also Kompromisse unvermeid-<br />

lich und vernünftig sind. Es geht auch,<br />

um nur ein Beispiel zu nennen, um die<br />

Ausstattung von Kirchen und Zivilar-<br />

chitekturen, an denen Ihr Land so be-<br />

sonders reich ist. Die bei Restaurie-<br />

rungen von Innenräumen der Denk-<br />

malpflege ständig abverlangten Kom-<br />

promisse würden, fände der gleiche<br />

Abwägungsprozeß mit den gleichen<br />

Ergebnissen in einem staatlichen Mu-<br />

seum statt, einen Skandal hervorrufen.<br />

Gewiß: Kirchen sind keine Museen.<br />

Daraus ergibt sich jedoch nicht not-<br />

wendig die Schlußfolgerung, mit der<br />

Kunst in Kirchen weniger kompetent<br />

als mit der in Museen umzugehen.<br />

Sind also im Bereich der Restaurierung<br />

von Kunstwerken Kompromisse zwi-<br />

schen dem fachlich Erreichbaren und<br />

anderen Interessen zu befürworten?<br />

Die Antwort liegt auf der Hand.<br />

Die <strong>Denkmalpflege</strong> braucht aber auch<br />

in diesem Bereich Unterstützung auf<br />

allen Ebenen, um ihrer Forderung<br />

nach Qualität Nachdruck zu verleihen<br />

und deren Durchsetzung <strong>zum</strong> Wohl<br />

der Allgemeinheit zu ermöglichen.<br />

Durch die radikale Kürzung von<br />

<strong>Denkmalpflege</strong>etats wird das Gewicht<br />

der <strong>Denkmalpflege</strong> bei Verhandlun-<br />

gen gemindert und somit die unsach-<br />

gemäße Durchführung gefördert.<br />

Bleibt der Ausweg, durch ein Instand-<br />

setzungs- und Restaurierungsmorato-<br />

rium Denkmale, die nicht in ihrerSub-<br />

stanz akut gefährdet sind, vor fachlich<br />

nicht vertretbaren Eingriffen zu schüt-<br />

zen. Aber auch dies wäre nur realisier-<br />

bar, wenn die Partner der Denkmal-<br />

pflege sich auf allen Ebenen für die Pri-<br />

orität fachlicher Exzellenz einsetzten.<br />

Ein Traum?<br />

248<br />

Der <strong>Denkmalpflege</strong> wird immer wie-<br />

der vorgeworfen, sie verhindere zu<br />

viel. Leider wird es wohl nie gelingen,<br />

einmal eine Ausstellung zu zeigen<br />

(begleitet von einem dicken Katalog),<br />

in dereine repräsentative Auswahl der<br />

von der <strong>Denkmalpflege</strong> schändlicher-<br />

weise verhinderten Projekte vorge-<br />

führt wird. Im Katalog könnte dann die<br />

Chronik der Entscheidungsprozesse<br />

aufgezeichnet und deren Protagoni-<br />

sten genannt sein. In einem zweiten<br />

Band könnten dann die Projekte ge-<br />

zeigt werden, die in den letzten 20<br />

Jahren gegen den Willen der Denk-<br />

malpflege realisiert wurden. Aus die-<br />

sen Gegenüberstellungen ergäbe sich<br />

ein konturenscharfes Bild. Ich bin si-<br />

cher, daß eine solche Ausstellung auch<br />

die sehr nachdenklich machen wür-<br />

de, die Einschränkungen für die Denk-<br />

malpflege fordern. Übrigens: Soweit<br />

ich informiert bin, war es die „ewig ge-<br />

strige" <strong>Denkmalpflege</strong>, die Richard<br />

Meiers Bau in Ulm befürwortet und<br />

somit ermöglicht hat.<br />

Die <strong>Denkmalpflege</strong> hat in den letzten<br />

Jahrzehnten im Rahmen der von ihr<br />

betreuten Maßnahmen und bei der<br />

Inventarisierung eine kaum mehr<br />

überschaubare Menge wichtiger In-<br />

formationen zutage gefördert, Infor-<br />

mationen, die in vielen Disziplinen<br />

ein Umdenken erforderlich machen.<br />

Nicht nur an die farbigen Fassungen<br />

und Ausmalungen ziviler und sakraler<br />

Bauten, sondern ebenso an die Infor-<br />

mationen über Wohnen und Arbeiten<br />

von der Vor- und Frühgeschichte bis<br />

<strong>zum</strong> Mittelalter sei erinnert. Die auf-<br />

strebende Bauforschung ist nicht nur<br />

zu einem zentralen Instrument der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> geworden, sondern<br />

hat die Kunstgeschichte nie erwartete<br />

neue Einsichten, ja neue Sehweisen<br />

gelehrt. <strong>Denkmalpflege</strong> erschöpft sich<br />

nicht im Vollzug des Gesetzes. Viele<br />

<strong>Denkmalpflege</strong>r forschen und erzie-<br />

len dabei höchst beachtliche und viel<br />

beachtete Ergebnisse. Wer aber unter<br />

den Gebietsreferenten ist heute noch<br />

in der Lage, will er nicht seine sozialen<br />

Bindungen opfern, dieses kostbare<br />

Material angemessen zu veröffentli-<br />

chen? Wird es aber ungedeutet archi-<br />

viert, ist die Chance einer angemesse-<br />

nen Verfügbarmachung von Wissen<br />

vertan. Die Parallelen zu unveröffent-<br />

lichten Ausgrabungen sind evident.<br />

Was an Universitäten durch Vertretun-<br />

gen möglich ist, sollte auch in anderen<br />

Bereichen, die für die Wissenschaft<br />

wichtige Unterlagen erarbeiten, mög-<br />

lich sein. Denkmalforschung verdient<br />

staatliche Förderung durch zeitlich be-<br />

grenzte Freistellungen zur Veröffentli-<br />

chung der Forschungsergebnisse. Eine<br />

solche Forschungsphase ist nicht ko-<br />

stenneutral zu erreichen. Die Betreu-<br />

ung der jeweiligen Gebiete muß gesi-<br />

chert bleiben. An den Universitäten<br />

werden zu vergleichbaren Vertretun-<br />

gen Drittmittel eingesetzt. Diese Mittel<br />

sind nach meinerfesten Überzeugung<br />

über Stiftungen oder forschungsför-<br />

dernde Institutionen zu beschaffen.<br />

Erst nachdem ich Ihre Einladung ange-<br />

nommen und mein Thema formuliert<br />

hatte, ist mir deutlich geworden, auf<br />

was ich mich eingelassen hatte. Alles<br />

mir Wichtige ist immer wieder und vor<br />

allem von Kompetenteren gesagt<br />

worden. Wie also, wenn das Beharren<br />

eines Outsiders auf Selbstverständ-<br />

lichkeiten der <strong>Denkmalpflege</strong> gar ei-<br />

nen Bärendienst erweisen würde?<br />

Wenn die Forderung nach einerweni-<br />

ger unbequemen, vielleicht sogar ge-<br />

schmeidig sich anpassenden Denk-<br />

malpflege durch solche Äußerungen<br />

noch bestärkt würde? Die Denkmal-<br />

pflege in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> hat im-<br />

mer wieder nachgewiesen, daß sie<br />

der oftmals sich selbst gestellten For-<br />

derung nach hoher Qualität bei der<br />

Vorbereitung und Durchführung von<br />

Maßnahmen entsprechen will und<br />

kann. Die folgenden Generationen<br />

werden unseren Umgang mit dem<br />

Überlieferten ohne Milde beurteilen<br />

und nicht verkennen, daß die Setzung<br />

von Prioritäten auf allen Ebenen für<br />

das Ergebnis entscheidend war. Im<br />

Guten wie im Schlechten.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Wolters<br />

Technische Universität<br />

Fachgebiet Kunstwissenschaft<br />

Straße des 17. Juni 150-152<br />

10673 Berlin


Meine sehr geehrten Damen und<br />

Herren,<br />

<strong>zum</strong> gemeinschaftlichen Empfang<br />

der Landesregierung <strong>Baden</strong>-Würt-<br />

temberg und der Stadt Bad Säckingen<br />

<strong>zum</strong> achten Landesdenkmaltag darf<br />

ich Ihnen die herzlichen Grüße der<br />

Landesregierung überbringen.<br />

Leider war es mir nicht möglich, heute<br />

tagsüber beim 8. Landesdenkmaltag<br />

anwesend zu sein.<br />

Das Programm der Referate und Dis-<br />

kussionen zeigt jedoch, welche<br />

Spannbreite und gesellschaftspoliti-<br />

sche Bedeutung das Thema Denkmal-<br />

pflege als Wirtschaftsfaktor besitzt.<br />

Am Ende dieses langen und gewiß<br />

auch anstrengenden Tages möchte<br />

ich nur einen Aspekt nochmals auf-<br />

greifen und eine Verbindung vom<br />

Denkmalschutz <strong>zum</strong> Heilbäder- und<br />

Kurortewesen in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

schlagen.<br />

Bad Säckingen nimmt unter den rd. 60<br />

Heilbädern einen besonderen Platz<br />

ein. Es zeichnet sich durch sein her-<br />

vorragendes Klinikangebot mit sehr<br />

guter medizinischer Betreuung aus.<br />

Ein weiterer Vorzug der Stadt ist die in-<br />

tensive Forschung durch das Hoch-<br />

rhein-Institut für Rehabilitationsfor-<br />

schung.<br />

Mit einem breitgefächerten Ereizeit-<br />

angebot, wie z.B. einer 3-Feld-Ca-<br />

brio-Tennishalle, einer Saunaland-<br />

schaft und einem Thermal-Mineral-<br />

Wellness-Bereich im Waldbad wer-<br />

den zukunftsweisende und innovative<br />

Wege gegangen, zu denen ich die<br />

Stadt nur beglückwünschen kann.<br />

Erfreulicherweise sind die Ankünfte<br />

und die Übernachtungen hier in der<br />

Stadt nach den Einbrüchen aufgrund<br />

der Cesundheitsreform in den Jahren<br />

Grußwort <strong>zum</strong> Empfang<br />

der Landesregierung<br />

Staatssekretär Dr. Horst Mehrländer<br />

1995 bis 1997 im Jahr 1998 erstmals<br />

wieder angestiegen auf erfreuliche<br />

35690 Ankünfte und 303988 Über-<br />

nachtungen.<br />

Das macht in Prozent ausgedrückt<br />

eine Steigerung von 1997 auf 1998 bei<br />

den Übernachtungen von 3,4%. Ähn-<br />

lich siebtes bei den anderen Kurorten<br />

und Heilbädern in <strong>Baden</strong>-Württem-<br />

berg aus. Die Zahlen lassen uns hof-<br />

fen, daß die Talsohle durchschritten<br />

ist.<br />

Mit einer der Gründe für diese leich-<br />

ten Zuwächse ist auch die Umorientie-<br />

rung der Heilbäder und Kurorte auf<br />

Privatkunden, d.h. Selbstzahler. Ge-<br />

rade durch erweiterte Angebote für<br />

Ereizeit und Wellness können gezielt<br />

neue Kundengruppen angesprochen<br />

werden.<br />

Mit rund 60 prädikatisierten Heilbä-<br />

dern und Kurorten ist <strong>Baden</strong>-Würt-<br />

temberg das Bäderland Nummer 1 in<br />

Deutschland. Das Kur- und Bäderwe-<br />

sen hat damit eine große Bedeutung<br />

für den Tourismus und auch für unsere<br />

Wirtschaft. Um dieser Bedeutung<br />

auch innerhalb der Landesregierung<br />

Rechnung zu tragen, hat der Wirt-<br />

schaftsminister eine Clearing-Stelle-<br />

Tourismus unter meinem Vorsitz ein-<br />

gesetzt, die sich mit der Bündelung<br />

der Kräfte vor allem finanzieller Art<br />

und der Entwicklung neuer und inno-<br />

vativer Maßnahmen innerhalb der<br />

Landesregierung beschäftigen soll.<br />

Jüngstes Produkt dieser Clearing-Stel-<br />

le ist das Pilotprojekt Kultur- und Festi-<br />

valland <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, eine Ko-<br />

operation zwischen dem Wirtschafts-<br />

ministerium und dem Wissenschafts-<br />

ministerium.<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> verfügt über ei-<br />

nen außerdordentlichen Reichtum an<br />

Kunst und Kultur mit zahlreichen Ver-<br />

anstaltungen und Sehenswürdigkei-<br />

249


ten im ganzen Land. Unser Ziel wares<br />

deshalb, das vielfältige Angebot zu-<br />

sammenzufassen und in einer Bro-<br />

schüre darzustellen.<br />

Damit schließe ich den Kreis <strong>zum</strong><br />

Denkmalschutz. Viele dieser Sehens-<br />

würdigkeiten wären ohne den Denk-<br />

malschutz keine mehr. Erst durch den<br />

Denkmalschutz können wir das Kul-<br />

turland <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> auch er-<br />

folgreich als Reiseland anbieten.<br />

Land und Kommunen, meine sehr ge-<br />

ehrten Damen und Herren, sind in<br />

ihrer Aufgabenerfüllung für das Ge-<br />

meinwohl in vielfältiger Weise auf-<br />

einander angewiesen. Dort, wo das<br />

partnerschaftliche Zusammenwirken<br />

am besten funktioniert, dort hat auch<br />

der Bürger, hat die Allgemeinheit den<br />

größten Nutzen. Ganz besonders<br />

deutlich wird dies in den Aufgaben-<br />

bereichen des Tourismus, der Stadter-<br />

neuerung und der <strong>Denkmalpflege</strong>.<br />

Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit<br />

von Stadt und Land in Bad Säckingen<br />

ist eine revitalisierte Altstadt, die kein<br />

begehbares Freilichtmuseum ist, son-<br />

dern gelebte Tradition; eine Stadt, in<br />

der sich der Bürger zu Hause fühlt. In<br />

einer Zeit des rasanten wirtschaftli-<br />

chen und gesellschaftlichen Wandels<br />

ist gerade dies eines der wichtigsten<br />

Korrelate zu den Anforderungen der<br />

modernen Welt, die vom einzelnen<br />

die ständige Bereitschaft zur An-<br />

nahme von Neuerungen und Verän-<br />

derungen, zu Flexibilität und Innova-<br />

tion abverlangt.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Her-<br />

ren, lassen Sie mich heute Abend ein<br />

weiteres Ergebnis der Stadt/Land-Ko-<br />

operation ansprechen. Ich meine da-<br />

mit nicht die hervorragende Zusam-<br />

menarbeit bei der Organisation und<br />

Durchführung des Landesdenkmalta-<br />

ges und des Empfangs heute Abend.<br />

Obwohl auch dies einer besonderen<br />

Erwähnung wert ist. Denn Stadt und<br />

Land führen nicht nur protokollarisch<br />

einen gemeinsamen Empfang durch,<br />

sondern teilen sich auch ganz prak-<br />

tisch die Kosten.<br />

Bevor ich jedoch das städtisch-staatli-<br />

che Gemeinschaftsbuffet <strong>zum</strong> Verzehr<br />

freigebe, möchte ich ein weiteres Ge-<br />

meinschaftsprojekt von Stadt und<br />

250<br />

Landesdenkmalamt der Öffentlichkeit<br />

vorstellen:<br />

Es handelt sich um die großartige, ge-<br />

rade erschienene und vom Landes-<br />

denkmalamt herausgegebene Publi-<br />

kation über das Münster St. Fridolin in<br />

Bad Säckingen.<br />

Das zu den bedeutendsten mittelal-<br />

terlichen Sakralbauten am Hochrhein<br />

zählende Münster wurde in der Zeit<br />

von1970 bis1995 vom Staatlichen Ver-<br />

mögens- und Hochbauamt Konstanz<br />

umfassend saniert und restauriert. Be-<br />

gleitet wurden die Arbeiten von plan-<br />

mäßigen mittelalterarchäologischen<br />

Grabungen innerhalb und außerhalb<br />

der Krypta durch das Landesdenkmal-<br />

amt.<br />

Es ist der Initiative und der großzügi-<br />

gen finanziellen Unterstützung durch<br />

die Stadt Bad Säckingen zu verdan-<br />

ken, daß die bei diesen Arbeiten ge-<br />

wonnenen Untersuchungsergebnisse<br />

nicht in den Archiven verschwanden,<br />

sondern im unmittelbaren Anschluß<br />

daran wissenschaftlich ausgewertet<br />

wurden und heute mit diesem Bande<br />

der Fachwelt und der interessierten<br />

Öffentlichkeit vorgestellt werden kön-<br />

nen.<br />

Das Werk bringt eine Fülle interessan-<br />

ter Forschungsergebnisse und enthält<br />

erstmals gesicherte Aussagen über die<br />

Baugeschichte des Münsters und der<br />

angrenzenden Stiftsgebäude vom 10.<br />

bis <strong>zum</strong> 17. Jahrhundert.<br />

Lassen Sie mich heute Abend allen<br />

Beteiligten für dieses großartige Werk<br />

herzlich danken, der Stadt Bad Säk-<br />

kingen, dem Landesdenkmalamt,<br />

dem Münsterpfarramt, dem Staatli-<br />

chen Vermögens- und Hochbauamt<br />

Konstanz, den zuständigen Architek-<br />

ten und den ausführenden Restaura-<br />

toren und natürlich und vor allem den<br />

Autorinnen und Autoren.<br />

Ihnen, sehr geehrter Herr Bürgermei-<br />

ster Dr. Nufer, darf ich heute das erste<br />

Exemplar dieses Werkes offiziell über-<br />

reichen.<br />

Und nun, meine Damen und Herren,<br />

möchte ich <strong>zum</strong> Abschluß doch noch<br />

den in Bad Säckingen allgegenwärti-<br />

gen Victor von Scheffel zitieren, aller-<br />

dings nicht aus dem Trompeter von<br />

Säckingen, sondern aus den sog.<br />

Säckinger Episteln.<br />

Vor 150 Jahren, Ende 1849, wurde<br />

Scheffel Rechtspraktikant am Bezirks-<br />

amt Säckingen. In der Ersten Epistel in<br />

die Heimat schildert er seinen An-<br />

gehörigen seine neue Wirkungsstätte:<br />

„Seit Mittwoch sitze ich nun ... in mei-<br />

ner Amtsstube, und helfe mit an der<br />

Weltverbesserung durch Vermehrung<br />

der Akten-Faszikel... und schreibe ...<br />

im Gefühle meiner Würde, dass die<br />

Feder knarrt und das Papier rauscht<br />

und braust. In diesen Mittelpunkt mei-<br />

nes hiesigen Lebens, in diese Schreib-<br />

stube, wo alle Wurzeln meiner Kraft<br />

liegen, muss ich Euch aber noch des<br />

nähern einführen. Seitab vom Markt-<br />

platz von Säckingen, von der Kirche<br />

weg nach dem Rhein hin, steht eine<br />

Reihe hochgiebliger alter Gebäude<br />

mit spitzbogigen Türen, vergitterten<br />

Fenstern etc. In diesen haust der Staat.<br />

Das stattlichste der Gebäude, ein drei-<br />

stockiges, ist das Amthaus. Durch eine<br />

alten Bogentüre tritt man ein in die<br />

Vorhalle. Wir gehen aber noch nicht<br />

so schnell weiter, sondern verweilen<br />

eine Zeitlang bei den sinnigen In-<br />

schriften der Halle. Der deutsche bu-<br />

reaukratische Staat kennt nur einfach<br />

geweißelte Wände. Aber der biedere<br />

Sinn des Volkes hat hier ergänzend<br />

gewirkt und mit zarten Sprüchen die<br />

kahlen Mauerwände geschmückt."<br />

Zwei dieser Sprüche, meine Damen<br />

und Herren, möchte ich Ihnen nicht<br />

vorenthalten:<br />

Der erste:<br />

„Wenn doch nur ein heiliges Kreuz-<br />

donnerwetter das ganze Amtshaus<br />

verschlüge!"<br />

Der zweite:<br />

„Lange warten müssen, macht zor-<br />

nig."<br />

Und bevor Sie nun alle zornig auf<br />

mich werden, eröffne ich hiermit das<br />

Gemeinschaftsbuffet.<br />

Dr. Horst Mehrländer<br />

Staatssekretärwirtschaftsministerium<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Theodor-Heuß-Straße 4<br />

70174 Stuttgart


Fünf Gebäude unterschiedlicher Art -<br />

vom ehemaligen Mühlengebäude bis<br />

zur ländlichen Schloßanlage - wur-<br />

den von der <strong>Württemberg</strong>er Hypo<br />

und vom Schwäbischen Heimatbund<br />

mit dem Denkmalschutzpreis 1999<br />

ausgezeichnet. Der mit insgesamt<br />

50000 DM dotierte und landesweit<br />

einzigartige Denkmaipreis honoriert<br />

das große Engagement privater Ei-<br />

gentümer für ihre historischen Ge-<br />

bäude.<br />

Aus 57 Bewerbungen wählte die Jury<br />

fünf überzeugende Beispiele aus, die<br />

vorbildlich erneut und restauriert wur-<br />

den. Nach Meinung der Jury bewiesen<br />

die Bauherren und ihre Architekten<br />

große Sensibilität im Umgang mit<br />

ihrem Gebäude. Mit beispielhaften<br />

persönlichen Einsatz arbeiteten sie für<br />

die Erhaltung des historisch gewach-<br />

senen Erscheinungsbildes auf der<br />

Grundlage früherer Raum- und Ge-<br />

Denkmalschutzpreis 1999<br />

bäudestrukturen und wertvoller Bau-<br />

details.<br />

Die Signalwirkung dieser Gebäude<br />

auf ihre Umgebung ist um so wichti-<br />

ger, als es auch zahlreiche Beispiele<br />

gibt, die durch unsachgemäße Be-<br />

handlung, ungeeignete Nutzungsvor-<br />

stellungen oder aus schlichter Un-<br />

kenntnis entstellt wurden.<br />

Ausgezeichnet werden die Alte Mühle<br />

in Eberdingen, Stuttgarter Straße 43;<br />

das sog. Stelzenhaus in Stuttgart-Bad<br />

Cannstatt, Felgergasse 4; das ehema-<br />

lige Badhaus in Rottweil, Neckartal<br />

167; die Bürk-Villa in Schwenningen,<br />

Bürkstraße 35, und Schloß Heutings-<br />

heim in Freiberg, Schloßstraße 12.<br />

Die Auszeichnung ist mit Urkunden<br />

für den Eigentümer und den Architek-<br />

ten verbunden. Als Zeichen der Aner-<br />

kennung erhält jeder Bauherr 10000<br />

251


DM und eine Bronzeplakette für das<br />

Gebäude. Die Preisverleihung fand<br />

am 4. November 1999 im Theatersaal<br />

des ehemaligen Badhauses in Rott-<br />

weil, Neckartal 167, statt.<br />

Mit ihrem Denkmaischutzpreis wol-<br />

len die <strong>Württemberg</strong>er Hypo und der<br />

Schwäbische Heimatbund allen priva-<br />

ten Eigentümern von Kulturdenkma-<br />

len und Altbauten Mut zur Renovie-<br />

rung ihrer Gebäude machen und mit<br />

Prämierungen von beispielhaft in-<br />

standgesetzten, gestalteten und ge-<br />

nutzten Gebäuden ein Zeichen set-<br />

zen.<br />

Die Preisträger sind:<br />

Alte Mühle In Eberdingen,<br />

Stuttgarter Straße 43<br />

In unmittelbarer Nachbarschaft zur<br />

ehemaligen Kelter, dem heutigen Rat-<br />

haus von Eberdingen, stellt die reno-<br />

vierte Alte Mühle ein wichtiges orts-<br />

bildprägendes Gebäude dar. Auf die<br />

Bauzeit um 1580 weisen vor allem die<br />

Fachwerkzierelemente in den Giebel-<br />

feldern im Dachgeschoß hin. Erwei-<br />

terungen im 18. und 19. Jahrhundert<br />

haben den alten Giebel im Dachge-<br />

schoß mit eingeschlossen und ver-<br />

deckt. Mit dem Rückbau des Strudel-<br />

baches wurde 1924 das alte Wasserrad<br />

der Getreidemühle durch Motoren<br />

ersetzt, die erst 1963 stillgelegt wur-<br />

den. Der ehemalige Sackboden ergibt<br />

heute einen großzügigen Galerie-<br />

Raum mit Emporen auf zwei Seiten<br />

und dem offenliegenden Transmissi-<br />

ons-Antrieb der ehemaligen Mühle.<br />

Durch geschickte Zusammenlegung<br />

von teilweise gut ausgestatteten Räu-<br />

men des 19. Jahrhunderts ist es gelun-<br />

gen, mehrere Wohnungen einzurich-<br />

ten, die alle erhaltenswerten Teile des<br />

historischen Bestandes weitertradie-<br />

ren.<br />

„Stelzenhaus" in Stuttgart-Bad Cann-<br />

statt, Felgergasse 4<br />

Eines der bekanntesten Häuser in der<br />

spätmittelalterlichen Altstadt von Bad<br />

Cannstatt ist das wegen seiner beson-<br />

■ 2 „Stelzenhaus" in Stuttgart-Bad Cann-<br />

statt,<br />

■ 3 Ehemaliges Badhaus der Pulverfabrik in<br />

Rottweil.<br />

■ 4 Die Villa Bürk in Schwenningen.<br />

252


deren Giebelschräglage und der Cas-<br />

sendurchfahrt häufig fotografierte und<br />

gezeichnete „Stelzenhaus". Überblat-<br />

tungen an den Kehlbalken des Dach-<br />

stuhls weisen auf eine Bauzeit im<br />

frühen 16. Jahrhundert hin. Die Frei-<br />

fläche im Erdgeschoß ist brückenartig<br />

überspannt und sitzt mit dem Giebel<br />

auf einer kräftigen Sandsteinmauer<br />

auf. Darüber befinden sich die Wohn-<br />

geschosse, die über eine rückseitige<br />

Blockstufentreppe mit neu gestalteter<br />

Bedachung erschlossen wurden. An<br />

der straßenseitigen Ecke im Oberge-<br />

schoß befindet sich die gute Stube,<br />

eine Bohlenstube mit Bohlen-Balken-<br />

Decke sowie an der südlichen Außen-<br />

wand mit einem alemannischen Fen-<br />

stererker.<br />

Die Wandmalereien in den Wohnge-<br />

schossen, die Bohlenstube und die<br />

vorhandene Ausstattung des 18./19.<br />

Jahrhunderts mit allen Unebenheiten<br />

und Schieflagen wurden in die neue<br />

Wohnnutzung integriert, und Mo-<br />

dernes mit Historischem verbunden.<br />

Ohne Veränderung der historischen<br />

Struktur und Ausstattung konnte die<br />

neue Wohnnutzung realisiert werden.<br />

Ehemaliges Badhaus in Rottweil,<br />

Neckartal 167<br />

Das 1915-1916 errichtete Badhaus für<br />

die damalige Pulverfabrik ist repräsen-<br />

tativer Teil eines Ensembles verschie-<br />

dener Gebäude aus unterschiedli-<br />

chen Zeiten. Der Bau eines Bad- und<br />

Gemeinschaftshauses für einen Indus-<br />

triebetrieb mit modernsten sanitären<br />

Einrichtungen war überregional bei-<br />

spielhaft.<br />

Mit mehreren größeren Räumen war<br />

es ideal auf die heutige neue Nutzung<br />

als Gesang- und Theaterschule zuge-<br />

schnitten. In Verbindung mit einem<br />

neuen Theatersaal und Räumen für<br />

die Gastronomie konnten die Struktu-<br />

ren und die Ausstattung mit schönen<br />

und interessanten Baudetails von 1916<br />

erhalten und weitertradiert werden.<br />

Im Untergeschoß sind die histori-<br />

schen Badeanlagen erhalten.<br />

Das mit hohem Aufwand und großem<br />

persönlichen Einsatz restaurierte Ge-<br />

bäude ist mit seinen neuen Nutzun-<br />

gen als Zentrum für kulturelle Veran-<br />

staltungen beispielhaft.<br />

Bürk-Villa in Schwenningen,<br />

Bürkstraße 35<br />

Die Villa wurde 1909 als Wohnhaus<br />

des Uhrenfabrikanten Richard Bürk,<br />

Inhaber der <strong>Württemberg</strong>ischen Uh-<br />

renfabrik, durch den Schwenninger<br />

Architekten Blasius Geiger errichtet.<br />

Das zweigeschossige Gebäude, mit<br />

ausgebauten Mansard-Krüppelwalm-<br />

dach an der Bürkstraße, mit kleinem<br />

Gartenpavillon, Remise und Garten-<br />

umfriedung, besitzt noch eine fast<br />

komplett erhaltene Innenausstattung<br />

mit Böden, Decke, Fenstern, Buntver-<br />

glasungen, Türen, Wandtäfelungen,<br />

Einbaumöbeln, Prägetapeten sowie<br />

Einrichtungen der Haustechnik.<br />

Unter Integration des Bestandes in<br />

die neue Nutzung des Erdgeschosses<br />

als Cafe und Friseurgeschäft und des<br />

Obergeschosses als Wohnung führten<br />

die neuen Eigentümer die Sanierung<br />

und Restaurierung durch. Die neuen<br />

■ 5 Schloß Heutingsheim in Freiberg/Nek-<br />

kar, Kreis Ludwigsburg.<br />

funktionellen und gestalterischen Zu-<br />

taten stehen mit ihrem modernen De-<br />

sign in interessantem Kontrast zur Aus-<br />

stattung und Formensprache der Jahr-<br />

hundertwende.<br />

Schloß Heutingsheim in Freiberg,<br />

Schloßstraße 12<br />

Das Schloßgut Heutingsheim wurde<br />

in den Jahren 1695-1720 durch den<br />

württembergischen Hofstallmeister<br />

Levin zu Kniestedt nach vorangegan-<br />

genen Zerstörungen neu errichtet.<br />

Kniestedt wurde berühmt durch die<br />

Zucht des „württembergischen Land-<br />

pferdes".<br />

Das noble Herrenhaus ist in äußerlich<br />

bescheidenen Form gehalten und be-<br />

sitzt im Inneren repräsentative Raum-<br />

fluchten mit gut erhaltenen Böden,<br />

Treppen, Türen, Lamberien und<br />

Stuckierungen aus der Barockzeit.<br />

Die heutige Vermietung des Schloß-<br />

gebäudes für Büro- und Geschäfts-<br />

räume nutzt in idealerWeise die Funk-<br />

tion und Form der historischen Aus-<br />

stattung. Dem Eigentümer ist es gelun-<br />

gen, mit hohem persönlichem<br />

Aufwand die zeitlich sehr intensiven<br />

Restaurierungsarbeiten durchzufüh-<br />

ren und dem Gebäude wieder sein ur-<br />

sprüngliches Erscheinungsbild im In-<br />

neren und Äußeren zurückzugeben.<br />

Schwäbischer Heimatbund<br />

Weberstraße 2<br />

70182 Stuttgart<br />

253


254<br />

Mitteilung<br />

Jahrestagung der Landesarchäologen<br />

in Wiesbaden<br />

50 Jahre Verband der Landes-<br />

archäologen<br />

Die diesjährige Tagung des Verban-<br />

des der Landesarchäologen in der<br />

Bundesrepublik Deutschland vom<br />

3. bis 5. Mai 1999 war einem besonde-<br />

ren Ereignis gewidmet, nämlich der<br />

Verbandsgründung vor 50 Jahren in<br />

Wiesbaden. Das fünfzigjährige Beste-<br />

hen war Anlaß für ein besonderes Kol-<br />

loquium, das im Mittelpunkt des Tref-<br />

fens stand und sich der Geschichte<br />

der Archäologischen <strong>Denkmalpflege</strong><br />

in Deutschland widmete. Es war dies<br />

das erste Mal, daß die Entwicklung der<br />

Bodendenkmalpflege nach aussage-<br />

kräftigen Aspekten über alle Regionen<br />

Deutschlands durchleuchtet und dar-<br />

gestellt wurde. Sachkundige Archäo-<br />

logen und Historiker befaßten sich mit<br />

den frühen Anfängen des Schutzes<br />

und der Pflege von archäologischen<br />

Denkmälern vom 17. bis ins 19. Jahr-<br />

hundert, mit der weiteren Entwicklung<br />

in den Deutschen Staaten sowie mit<br />

dem Fach im 20. Jahrhundert. Die er-<br />

kenntnisreichen Rückblicke, die letzt-<br />

endlich in eine Standortdarstellung<br />

der heutigen Bodendenkmalpflege<br />

einmündeten, werden in nächsterZeit<br />

gedruckt vorliegen.<br />

Rechtzeitig erschienen ist eine kleine<br />

Festschrift zur Geschichte des Ver-<br />

bandes seit 1949. Mit einer festlichen<br />

Veranstaltung, auf der der Präsident<br />

des Deutschen Nationalkomitees für<br />

Denkmalschutz, Herr Staatsminister<br />

Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, Freistaat<br />

Sachsen, vor zahlreich geladenen Gä-<br />

sten die Festrede gehalten hat, gelang<br />

im Schloß Biebrich ein stimmungsvol-<br />

ler Abschluß dieses Tages.<br />

Vor diesem Ereignis beschäftigten sich<br />

die fast vollständig angereisten Ver-<br />

bandsmitglieder - ausnahmslos Leiter<br />

der zuständigen Amter und Abtei-<br />

lungen für Bodendenkmalpflege - am<br />

3. Mai 1999 in der Mitgliederver-<br />

sammlung mit den alljährlich anste-<br />

henden Regularien. Besonders wich-<br />

tig sind die Inhalte der anschließen-<br />

den Arbeitssitzungen. In verstärktem<br />

Maße muß Klage geführt werden über<br />

zunehmendes Raubgräberwesen, das<br />

sich mittlerweile im Internet etabliert<br />

hat, wo unverblümt für derartige<br />

„Schatzsuche" - vorrangig mit Metall-<br />

detektoren - geworben wird. Hier gilt<br />

es, in der Öffentlichkeit und vor allem<br />

in den Medien noch mehr als bisher<br />

Aufklärungsarbeit über das schädliche<br />

Tun dieses Personenkreises zu leisten.<br />

Weitere Themen der Jahresversamm-<br />

lung, die stets durch Arbeitsgruppen<br />

aufbereitet werden, widmeten sich<br />

z.B. einer umfangreichen Zusammen-<br />

stellung von Empfehlungen, die bei<br />

der technischen Durchführung von<br />

Ausgrabungen und Prospektionen<br />

Hilfe bieten sollen. In eine „heiße"<br />

Phase sind inzwischen die Arbeiten zu<br />

einer großen Ausstellung „Archäolo-<br />

gie in Deutschland" geraten, die im<br />

Jahre 2002 in Berlin und danach<br />

vermutlich auch in Bonn gezeigt wer-<br />

den soll. Eine gute Entwicklung nimmt<br />

das populäre Magazin des Verbandes,<br />

die Vierteljahreszeitschrift „Archäolo-<br />

gie in Deutschland", die mittlerweile<br />

von über 12000 Abonnenten bezo-<br />

gen wird.<br />

Noch in diesem Jahr wird eine Eu-<br />

ropäische Vereinigung der Landesar-<br />

chäologen gegründet, an der sich der<br />

Verband engagiert beteiligen will. Ne-<br />

ben dieser Zusammenarbeit auf eu-<br />

ropäischer Ebene dürfen die Kontakte<br />

zu nationalen Organisationen, z. B.<br />

<strong>zum</strong> Deutschen Nationalkomitee für<br />

Denkmalschutz, nicht vernachlässigt<br />

werden. Intensiviert werden muß<br />

nach einhelliger Meinung die Koope-<br />

ration mit den kommunalen Boden-<br />

denkmalpflegern, die in beträchtli-<br />

cher Zahl bei den Städten und Land-<br />

kreisen angesiedelt sind. Die fachliche<br />

Förderung der Nachwuchskräfte und<br />

der Grabungstechniker war ein wei-<br />

teres Thema der Veranstaltung. Wie<br />

eine Umfrage zeigt, gibt es in den<br />

Amtern viel zu wenig Stellen für wis-<br />

senschaftliche Volontäre. Hier wird<br />

sich der Verband ebenso um Verbes-<br />

serung bemühen wie bei der Besol-<br />

dung, die geradezu beschämend<br />

niedrig ist. - In der Grabungstechni-<br />

kerfortbildung sind weitere Sonder-<br />

veranstaltungen geplant. Vor kurzem<br />

konnte der Verband mit der zweiten<br />

Lieferung ein umfangreiches „Hand-<br />

buch der Grabungstechnik" abschlie-<br />

ßen.<br />

Mit großer Sorge beobachtet der Ver-<br />

band die Bestrebungen, die archäolo-<br />

gische <strong>Denkmalpflege</strong> im Zuge von<br />

Verwaltungsreformen in einer Weise<br />

zu verändern, die Nachteile sowohl in


der personellen und finanziellen Aus-<br />

stattung der Fachämter als auch bei<br />

Neufassungen der gesetzlichen Vor-<br />

schriften befürchten läßt. In Nieder-<br />

sachsen und Berlin sind tiefgreifende<br />

Strukturreformen bereits verwirklicht,<br />

in Nordrhein-Westfaien hält die Dis-<br />

kussion hierzu noch an, und in einer<br />

ganzen Reihe von Bundesländern<br />

sind einzelne Veränderungsmaßnah-<br />

men geplant oder bereits beschlos-<br />

sen.<br />

Die Jahrestagung bietet stets eine gute<br />

Gelegenheit, am letzten Tag eine Ex-<br />

kursion ins Gelände zu unternehmen<br />

und dabei die Arbeit des gastgeben-<br />

den Amtes kennenzulernen. Die Ziele<br />

am 5. Mai 1999 waren - wie könnte es<br />

anders sein - der Glauberg bei Büdin-<br />

gen mit der bemerkenswerten Grab-<br />

anlage eines keltischen Fürsten aus<br />

dem 5. Jahrhundert v. Chr. Und das<br />

Lahntal bei Waldgirmes, wo vor weni-<br />

gen Jahren die Reste einer römischen<br />

Stadt entdeckt wurden, die fernab des<br />

römischen Herrschaftsgebietes um<br />

Christi Geburt gegründet worden war<br />

und offensichtlich schon nach etwa<br />

einem Jahrzehnt aufgegeben wurde.<br />

Bei beiden Fundorten kann man ge-<br />

trost von „Jahrhundertfunden" spre-<br />

chen, die die Forschung ungemein<br />

beflügeln werden und auch der hessi-<br />

schen Landesarchäologie zu der Be-<br />

deutung verhelfen sollten, die ihr - im<br />

Vergleich zu anderen Bundesländern<br />

- zukommen muß. Die neue Mini-<br />

sterin für Wissenschaft und Kunst<br />

und Stellvertretende Ministerpräsi-<br />

dentin des Landes Hessen, Frau Ruth<br />

Wagner, will - wie sie vor der Ver-<br />

sammlung erklärte - dem Rechnung<br />

tragen und die Mittel der hessischen<br />

Landesarchäologie auf 600000,-DM<br />

verdoppeln. Außerdem soll geprüft<br />

werden, ob ein Landesmuseum für<br />

Vor- und Frühgeschichte in Hessen<br />

gebaut werden kann. Besonders unter<br />

diesem Aspekt hat die Jubiläumsta-<br />

gung in Wiesbaden die in sie gesetz-<br />

ten Hoffnungen erfüllt.<br />

Harald Koschik<br />

Neuerscheinung<br />

Martin Ehlers / Karin Stober: Maul-<br />

bronn. Das Kloster und die Maler.<br />

Eine Abtei in alten Ansichten. Mit<br />

Beiträgen von Herrmann Diruf und ei-<br />

nem Vorwort von Volker Himmelein.<br />

Verlag am Klostertor Maulbronn, Klaus<br />

Krüger. Maulbronn 1998, 236 S., zahl-<br />

reiche Färb- und Schwarzweiß-Abbil-<br />

dungen. ISBN 3-926414-27-8. Preis<br />

58 - DM.<br />

1993 wurde das 1147 im Württember-<br />

gischen gegründete Zisterzienser-Klo-<br />

ster Maulbronn mit seiner vergleichs-<br />

weise sehr gut erhaltenen Gesamtan-<br />

lage in die Liste der <strong>zum</strong> „Weltkul-<br />

turerbe" zählenden aufgenommen.<br />

Zahlreiche wissenschaftliche Veröf-<br />

fentlichungen und Untersuchungsbe-<br />

richte sind diesem eindrucksvollen<br />

Architekturensemble des Mittelalters<br />

vor allem im 20. Jahrhundert gewid-<br />

met worden. Hinzuweisen ist hier auf<br />

die grundlegende zweibändige Pub-<br />

likation des Landesdenkmalamtes Ba-<br />

den-<strong>Württemberg</strong> von 1997 „Maul-<br />

bronn. Zur 850jährigen Geschichte<br />

des Zisterzienserklosters", in der die<br />

Forschungsergebnisse akribisch zu-<br />

sammengefaßt und durch Planunter-<br />

lagen sinnvoll ergänzt worden sind.<br />

Die von Martin Ehlers und Karin Sto-<br />

ber in Zusammenarbeit und im Auf-<br />

trag von Klaus Krüger, dem langjährig<br />

engagierten Maulbronner Buchhänd-<br />

ler, 1999 herausgegebene Zusatzedi-<br />

tion unter dem Titel „Maulbronn. Das<br />

Kloster und die Maler^' ergänzt die wis-<br />

senschaftliche Recherche durch eine<br />

eigene reizvolle Facette, nämlich die<br />

der Klostergeschichte in Bildern. Wie<br />

schon im Titel angedeutet, geht es hier<br />

vorrangig um die Entdeckung der mit-<br />

telalterlichen Anlage von Seiten der<br />

bildenden Künstler. Was von Her-<br />

mann Diruf, dem langjährig für Maul-<br />

bronn bei der Karlsruher Außenstelle<br />

des Landesdenkmalamtes zuständi-<br />

gen Kollegen vorab in einem Vortrag<br />

skizziert wurde, nämlich der Wandel<br />

in der bildnerischen Rezeption der<br />

Klosteranlage vom 15. bis 19. Jahrhun-<br />

dert, wird in dieser reich bebilderten<br />

Publikation anschaulich vertieft und<br />

erweitert.<br />

Ausgehend von dem die Gründungs-<br />

geschichte symbolisch überhöhen-<br />

den Stifterbild (1424/50) an der Süd-<br />

wand der Vierung in der Klosterkirche,<br />

verfolgen die Autoren schrittweise<br />

den zwischen topographischer Ge-<br />

nauigkeit, romantisierender Verklä-<br />

rung und architektonischer Bauauf-<br />

nahme oszillierenden Wandel der<br />

künstlerischen Auseinandersetzung<br />

mit Maulbronn. Die Qualitätsschwan-<br />

kungen in den Ergebnissen sind er-<br />

heblich und gewinnen in diesem Zu-<br />

sammenhang marginale Namen wie<br />

Wilhelm Heck oder Johann C. Obach<br />

einige Bedeutung. Doch finden sich<br />

unter den Malern auch namhafte<br />

Künstler wie Matthäus Merian d. Ä.,<br />

Domenico Quaglio, Michael Neher,<br />

Albert Emil Kirchner, Christian Mali,<br />

Carl Weysser und nicht zuletzt der Li-<br />

terat Viktor von Scheffel. Es geht je-<br />

doch bei dieser an Informationen wie<br />

an lebendigen Schilderungen reichen,<br />

lesenswerten Publikation um mehr als<br />

um große Namen, die sich um die<br />

großartige Klosteranlagen ranken: Bei-<br />

spielhaft wird hier am Exemplum<br />

Maulbronn nachvollziehbar, welche<br />

Wege der Rezeptionsgeschichte das<br />

mittelalterliche Architekturdenkmal<br />

im öffentlichen (deutschen) Bewußt-<br />

sein durchlaufen hat. Zentral ist hierfür<br />

das 19. Jahrhundert. So kristallisiert<br />

sich ab den 1820er Jahren bei den ver-<br />

schiedensten Künstlern eine über-<br />

schaubare Zahl von Hauptmotiven im<br />

Außenbereich und den Innenräumen<br />

heraus, die am Ende des 19. Jahrhun-<br />

derts zu den im Holzstich weitverbrei-<br />

teten „Sammelveduten" führen und<br />

sich bis heute in dem Postkartenange-<br />

bot Maulbronns erhalten haben.<br />

Ausstellungen<br />

Von Wotan zu Christus<br />

Die Alamannen und das Kreuz<br />

Erika Röder<br />

13.November 1999-30. April 2000<br />

Archäologisches Landesmuseum<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Benediktinerplatz 5<br />

78467 Konstanz<br />

Tel. 07 531/9804-0<br />

Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr<br />

Die Taufe des Frankenkönigs Chlod-<br />

wig nach dem Sieg gegen die Ala-<br />

mannen in der Schlacht bei Zülpich<br />

(496/97 n.Chr.) war ein erster Schritt<br />

255


zur Christianisierung der Franken und<br />

zur Entstehung christlicher Germa-<br />

nenreiche. Bei den Alamannen sollte<br />

es noch fast hundert Jahre dauern, bis<br />

die ersten christlichen Heilszeichen<br />

in den Gräbern auftauchen, bis sich<br />

die ersten Kirchenbauten nachweisen<br />

lassen. Auch die Gründung des Bi-<br />

stums Konstanz für Alamannien in<br />

der Zeit um 600 n.Chr. erfolgte ver-<br />

gleichsweise spät. Eine regelhafte Mis-<br />

sion desalamannischen Kernbereichs<br />

in Südwestdeutschland ist - anders als<br />

z. B. für die Bajuwaren - nicht überlie-<br />

fert. Es war wohl die bereits christiani-<br />

sierte Oberschicht, die durch ihr Vor-<br />

bild und durch die ersten Kirchen-<br />

bauten die Christianisierung voran-<br />

trieb.<br />

Da wir nur wenige Schriftquellen die-<br />

ser Zeit für den alamannischen Be-<br />

reich besitzen, sind es vor allem die<br />

Grabfunde aus der Alamannia mit<br />

ihren z.T. äußerst reichen Beigaben,<br />

die uns Auskunft über die Glaubens-<br />

vorstellungen geben. Besonders ein-<br />

drucksvoll und wertvoll sind die<br />

Gold blattkreuze, die speziell für die<br />

Bestattung verfertigt wurden. Direkte<br />

Hinweise und Zeugnisse frühalaman-<br />

nischer heidnischer Glaubensvorstel-<br />

lungen sind aber umgekehrt äußerst<br />

selten, germanische Götternamen<br />

und -darstellungen tauchen nur in der<br />

„Hinwendungsphase" <strong>zum</strong> Christen-<br />

tum auf.<br />

Mit dem Erlöschen der ursprünglich<br />

heidnischen Beigabensitte in den<br />

Gräbern scheint um 700 n.Chr. die<br />

Christianisierung der Alamannen zu<br />

einem Abschluß gekommen zu sein.<br />

Die Gründung der ersten Klöster im<br />

südlichen alamannischen Raum (in<br />

St. Gallen und auf der Reichenau, zu<br />

Beginn des 8. Jahrhunderts), im Nord-<br />

bereich der ehemaligen Alamannia<br />

(in Ellwangen, Mitte 8. Jh.) war eine<br />

Voraussetzung für die Verankerung<br />

des christlichen Glaubens bei der Be-<br />

völkerung.<br />

Schliz- ein Schliemann im Unterland?<br />

100 Jahre Archäologie im Heilbronner<br />

Raum<br />

17. September 1999-9. Januar 2000<br />

Städtische Museen Heilbronn<br />

Deutschhofstraße 6<br />

74072 Heilbronn<br />

Tel. 07131756 22 95, 56 31 44<br />

Täglich außer Montag 10-17 Uhr<br />

Dienstag u. Donnerstag 10-19 Uhr<br />

256<br />

Zwischen 1898 und 1915 hat der Heil-<br />

bronner Stadtarzt Dr. Alfred Schliz<br />

(1849-1915) in rastlosem Schaffen die<br />

vor- und frühgeschichtliche Besied-<br />

lung der Heilbronner Gegend er-<br />

forscht: Bereits mit seiner ersten Gra-<br />

bung 1898 bei Großgartach gelang<br />

ihm die Entdeckung einer bis dahin<br />

unbekannten jungsteinzeitlichen Kul-<br />

turgruppe, die von Schliz nach diesem<br />

Fundort benannt wurde, und deren<br />

zeitliche Einordnung durch Schliz- oft<br />

stark polemisch verteidigt- sich erst in<br />

den letzten Jahrzehnten bestätigt hat.<br />

Alfred Schliz war - durch seine medi-<br />

zinische Ausbildung geprägt- mit sei-<br />

nem Interesse für die Anthropologie<br />

und die Vorgeschichte ein charakteri-<br />

stischer Vertreter der Vorgeschichts-<br />

forschung um die Jahrhundertwende.<br />

Den Höhepunkt seiner archäologi-<br />

schen Forschungen und die allge-<br />

meine Anerkennung seiner Tätigkeit<br />

erbrachte der 1911 in Heilbronn abge-<br />

haltene große gemeinsame Kongreß<br />

der Deutschen und Wiener Anthro-<br />

pologischen Gesellschaften.<br />

Schliz präsentierte seine archäologi-<br />

sche Sammlung, seine große anthro-<br />

pologische Schädelsammlung und<br />

seine <strong>zum</strong> Teil höchst phantasievol-<br />

len Modelle von Rekonstruktionen<br />

vorgeschichtlicher Häuser im Histori-<br />

schen Museum der Stadt. 20 Jahre<br />

nach seinem Tod richtete die Stadt ein<br />

eigenes „Alfred-Schliz-Museum" ein,<br />

das 1944 mit der Bombardierung Heil-<br />

bronns zugrunde ging. So haben sich<br />

von den vielen wichtigen Funden aus<br />

den Grabungen und Sondierungen<br />

von Schliz nur wenige, meist ver-<br />

brannte Stücke erhalten !<br />

Die Ausstellung gibt in einem 2. Teil<br />

mit „100 Jahre Archäologie im Heil-<br />

bronner Raum" einen Überblick über<br />

die zahlreichen Notgrabungen der<br />

letzten Jahrzehnte mit hervorragen-<br />

den Ergebnissen zur archäologischen<br />

Landeskunde: von den jungsteinzeit-<br />

lichen befestigten Höhensiedlungen,<br />

neolithischen und bronzezeitlichen<br />

Bestattungen, der spätkeltischen Sied-<br />

lungs- (Viereckschanzen) und Wirt-<br />

schaftsforschung (Salzgewinnung), der<br />

römischen Besiedlung bis zu völker-<br />

wanderungszeitlichen Gräbern. Mit<br />

allen diesen Epochen hat sich auch<br />

Schliz bereits vor hundert Jahren in-<br />

tensiv beschäftigt!<br />

Die Ausstellung stellt so die große Lei-<br />

stung dieses Pioniers der Heilbronner<br />

Archäologieforschung vor und spannt<br />

aber zugleich den Bogen <strong>zum</strong> aktuel-<br />

len Archäologiegeschehen.<br />

Zur Ausstellung ist als wichtige Ergän-<br />

zung das umfangreiche Katalogheft<br />

museo 14/1999 erschienen, das einen<br />

vertiefenden Einblick in das Heilbronn<br />

der Jahrhundertwende und in die Vor-<br />

geschichtsforschung dieser Epoche<br />

gibt.<br />

Abbildungsnachweis<br />

H. Bärtschi, Winterthur: 224-226;<br />

Th. Schott, Stuttgart: 239, 240;<br />

Deutsches Zentrum für Handwerk<br />

und <strong>Denkmalpflege</strong>, Fulda: 242<br />

Abb. 3, 243;<br />

Niedersächsiches Landesamt für<br />

<strong>Denkmalpflege</strong>, Hannover: 241, 242<br />

Abb. 2;<br />

Schwäbischer Heimatbund, Stuttgart:<br />

251 -253;<br />

Staatliche Schlösser und Gärten, Stutt-<br />

gart: 213, 214, 216-219;<br />

Stadtverwaltung Aalen: 221, 223;<br />

Stadtverwaltung Bad Säckingen: 205,<br />

208-211;<br />

LDA-Stuttgart, O. Braasch: Titelbild<br />

(L 8512-018), 197 (L 7520/19-4), 220<br />

(L 7126/026);<br />

LDA-Stuttgart, R. Hajdu: 198;<br />

LDA-Stuttgart, B. Steiner:191, 200;<br />

LDA- Stuttgart: 215.


Veröffentlichungen des Landesdenkmalamtes <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Hochdorf IV<br />

Johanna Banck-Burgess<br />

Landesdenkmalamt <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Konrad Theiss Verlag Stuttgart<br />

Johanna Banck-Burgess, Hochdorf IV<br />

Die Funde aus dem späthallstattzeitlichen Fürsten-<br />

grab von Eberdingen-Hochdorf<br />

Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühge-<br />

schichte in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> 70. Konrad Theiss<br />

Verlag, Stuttgart 1999. Preis: 128.- DM.<br />

256 Seiten Text mit 65 teilweise farbigen Abbildun-<br />

gen, 34 Tafeln und 2 Beilagen. ISBN 3-8062-1453-0.<br />

Malerialhefte zur Archäulogte<br />

Die Martinskirchc in Pfullingen<br />

Archäulgie und Baugnchkhtc<br />

K«MVIISMI)NSS»MJvr. • KOMCAU tHUSS VIJUAii STUI IMKt<br />

Barbara Scholkmann und Birgit Tuchen,<br />

Die Martinskirche in Pfullingen. Archäologie und<br />

Baugeschichte<br />

Materialhefte zur Archäologie in <strong>Baden</strong>-Württem-<br />

berg 53. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1999. Preis:<br />

34.- DM.<br />

126 Seiten mit 57 Abbildungen.<br />

ISBN 3-8062-1479-4.<br />

DAS HUMPISQUARTIER<br />

IN RAVENSBURG<br />

5I ÄUTISCHES WOHNEN DES<br />

SPÄTMI'I TfcLAI.TERS IN OUEKSCHWABEN<br />

Stefan Uhl, Das Humpisquartier in Ravensburg<br />

Forschungen und Berichte der Bau- und Kunst-<br />

denkmalpflege in <strong>Baden</strong>- <strong>Württemberg</strong> 8. Konrad<br />

Theiss Verlag, Stuttgart 1999. Preis: 189.- DM.<br />

447 Seiten Text mit 393 Abbildungen. ISBN 3-8062-<br />

1452-2.<br />

Günter Eckstein<br />

Empfehlungen<br />

itationen<br />

Günter Eckstein, Empfehlungen für Baudokumen-<br />

tationen. Bauaufnahme - Bauforschung<br />

Arbeitsheft 7. Landesdenkmalamt <strong>Baden</strong>-Württem-<br />

berg.<br />

Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1999. Preis: 19,50<br />

DM. 78 Seilen mit 52 teilweise farbigen Abbildun-<br />

gen. ISBN 3-8062-1475-1.<br />

BEZUG DURCH DEN BUCHHANDEL<br />

Die Wallanlagen auf den Geisinger<br />

Bergen bei Geisingen<br />

und Bad Dürrheim-Unterbaldingen<br />

Vor- und frühgeschichtliche<br />

Befestigungen 7<br />

Landesdenkmalamt <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Konrad Theiss Verlag Stuttgart<br />

Atlas Archäologischer Geländedenkmäler<br />

in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Band 2: Christoph Morrissey und Dieter Müller,<br />

Vor- und frühgeschichtliche Befestigungen, Hefte<br />

7-10. Preise: 20 bzw. 24.- DM.<br />

Band 3: Martin Luik und Dieter Müller, Römerzeitli-<br />

che Geländedenkmäler, Fieft 2. Preis: 24.- DM.<br />

Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1999.<br />

Südwesfdeutsche Beiträge zur<br />

historischen Bauforschung<br />

Südwestdeutsche Beiträge zur historischen Bau-<br />

forschung Band 4, Stuttgart 1999.<br />

Hrsg. Arbeitskreis für Hausforschung, Regional-<br />

gruppe <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, und Landesdenkmal-<br />

amt <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>.<br />

300 Seiten mit 222 Abbildungen. Preis: 66.- DM.<br />

Bezug: Hohenloher Freilandmuseum Schwäbisch<br />

Hall und Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte,<br />

Stuttgart. ISBN 3-927714-41 -0.


Die Dienststellen des Landesdenkmalamtes<br />

Das Landesdenkmalamt ist Landesoberbe-<br />

hörde für Denkmalschutz und Denkmal-<br />

pflege mit Sitz in Stuttgart; die örtlich zu-<br />

ständigen Referate der Fachabteilungen<br />

Bau- und Kunstdenkmalpflege (I) und<br />

Archäologische <strong>Denkmalpflege</strong> (Ii) sind<br />

nach dem Zuständigkeitsbereich der Re-<br />

gierungspräsidien jeweils in Außenstellen<br />

zusammengefaßt.<br />

Hauptaufgaben des Landesdenkmalam-<br />

tes als Fachbehörde sind: Überwachung<br />

des Zustandes der Kulturdenkmale; fach-<br />

konservatorische Beratung der Denkmal-<br />

schutzbehörden (Landratsämter; Untere<br />

Baurechtsbehörden; Regierungspräsidien;<br />

Wirtschaftsministerium), Beteiligung als<br />

Träger öffentlicher Belange und Planungs-<br />

beratung zur Wahrung denkmalpflegeri-<br />

scher Belange insbesondere bei Orts-<br />

planung und Sanierung; Beratung der<br />

Eigentümervon Kulturdenkmalen und Be-<br />

treuung von Instandsetzungsmaßnahmen;<br />

Gewährung von Zuschüssen für Erhal-<br />

tungsmaßnahmen; Bergung von Boden-<br />

funden aus vor- und frühgeschichtlicher<br />

Zeit und dem Mittelalter, planmäßige<br />

Durchführung und Auswertung von ar-<br />

chäologischen Ausgrabungen; wissen-<br />

schaftliche Erarbeitung der Grundlagen<br />

der <strong>Denkmalpflege</strong> und Erforschung der<br />

vorhandenen Kulturdenkmale (Inventari-<br />

sation).<br />

Alle Fragen in Sachen der <strong>Denkmalpflege</strong><br />

und des Zuschußwesens sind entspre-<br />

chend bei der für den jeweiligen Regie-<br />

rungsbezirk zuständigen Dienststelle des<br />

LDA vorzutragen.<br />

4/1999<br />

E 6594 F<br />

Landesdenkmalamt <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

DENKMALPFLEGE<br />

IN BADEN-WÜRTTEMBERG<br />

Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Mörikestraße 12, 70178 Stuttgart<br />

ISSN 0342-0027<br />

4/1999 28. Jahrgang Oktober-Dezember 1999<br />

Amtsleitung, Verwaltung, Fachbereich luK, Öffentlichkeitsarbeit:<br />

Mörikestraße 12; Technische Dienste, Inventarisation: Mörikestraße 20<br />

70178 Stuttgart, Telefon (0711) 1694-9, Telefax (0711) 1694-513<br />

Dienststelle Stuttgart (zuständig für den Regierungsbezirk Stuttgart)<br />

Bau- und Kunstdenkmalpflege<br />

Abteilungsleitung<br />

Mörikestraße 12<br />

70178 Stuttgart<br />

Telefon (0711) 1694-9<br />

Telefax (0711)1694-513<br />

Restaurierung<br />

Mörikestraße 12<br />

70178 Stuttgart<br />

Telefon (0711) 664 93-15<br />

Telefax (0711) 664 93-41<br />

Bau- und Kunstdenkmalpflege<br />

Durmersheimer Straße 55<br />

76185 Karlsruhe<br />

Telefon (0721) 50 08-0<br />

Telefax (07 21) 50 08-100<br />

Bau- und Kunstdenkmalpflege<br />

Sternwaldstraße 14<br />

79102 Freiburg/Br.<br />

Telefon(0761) 70368-0<br />

Telefax (0761) 703 68-44<br />

Archäologische <strong>Denkmalpflege</strong><br />

Abteilungsleitung<br />

Archäologische Zentralbibliothek<br />

Silberburgstraße 193<br />

70178 Stuttgart<br />

Telefon (0711)1694-700<br />

Telefax (0711)1694-707<br />

Unterwasser-ZPfahlbauarchäologie<br />

Fischersteig 9<br />

78343 Gaienhofen-Hemmenhofen<br />

Telefon (07735) 3001<br />

Telefax (07735)1650<br />

Außenstelle Karlsruhe (zuständig für den Regierungsbezirk Karlsruhe)<br />

Archäologische <strong>Denkmalpflege</strong><br />

Amalienstraße 36<br />

76133 Karlsruhe<br />

Telefon (0721) 91 85-4 00<br />

Telefax (0721)91 85-410<br />

Archäologie des Mittelalters<br />

Durmersheimer Straße 55<br />

76185 Karlsruhe<br />

Telefon (0721)50 08-2 05<br />

Telefax (0721)50 08-1 00<br />

Außenstelle Freiburg (zuständig für den Regierungsbezirk Freiburg)<br />

Archäologische <strong>Denkmalpflege</strong><br />

Marienstraße 10 a<br />

79098 Freiburg/Br.<br />

Telefon (0761)2 0712-0<br />

Telefax (0761)2 0712-11<br />

Archäologie des Mittelalters<br />

Kirchzartener Straße 25<br />

79117 Freiburg/Br.<br />

Telefon (0761)6 79 96<br />

Telefax (0761)67998<br />

Außenstelle Tübingen (zuständig für den Regierungsbezirk Tübingen)<br />

Bau- und Kunstdenkmalpflege<br />

Cartenstraße 79<br />

72074 Tübingen<br />

Telefon (07071) 2 00-1<br />

Telefax (07071) 2 00-26 00<br />

Archäologische <strong>Denkmalpflege</strong><br />

Alexanderstraße 48<br />

72070 Tübingen<br />

Telefon (07071)913-0<br />

Telefax (07071)913-201

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