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Einzelfallbetrachtung

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<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

mittels Ausbreitungs- und Auswirkungsberechnungen<br />

für die Biogasanlage Damme<br />

Auftraggeber: Dammer Bioenergie GbR<br />

Fledermausweg 4<br />

49401 Damme<br />

Standort: Reselager Moorweg<br />

49401 Damme<br />

Bearbeiter: TÜV NORD Systems GmbH & Co. KG<br />

Region Rostock<br />

Trelleborger Straße 15<br />

18107 Rostock<br />

Sachverständige: Dipl. Ing.<br />

Westphalen<br />

Dipl.-Ing. (FH)<br />

Zöfel<br />

Dipl.-Ing. (FH)<br />

Rottluff<br />

Telefon: (004) 855 72756<br />

(0381) 7703 473 (0381) 7703 472<br />

(160) 888 2755<br />

(0160) 888 0404 (0160) 888 0406<br />

Fax: (0381) 7703 462 (0381) 7703 492<br />

Email: mwestphalen@tuev-nord.de czoefel@tuev-nord.de trottluff@tuev-nord.de<br />

Auftragsnummer: 8107653922<br />

Rostock, 11.02.2011<br />

Systems


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

Seite 1 von 16<br />

Inhaltsverzeichnis Seite<br />

<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

1 Aufgabenstellung ................................................................................................ 2<br />

2 Verwendete Unterlagen und Erkenntnisquellen .................................................. 3<br />

3 Analyse möglicher Gefahren für die Umgebung und Nachbarschaft .................. 4<br />

4 Randbedingungen und Vorgehensweise ............................................................ 4<br />

4.1 Örtliche Lage .......................................................................................... 4<br />

4.2 Stoffliche Risiken Biogas ........................................................................ 5<br />

4.3 Vorgehensweise zur Berechnung .......................................................... 6<br />

5 Berechnungen .................................................................................................... 8<br />

5.1 Ausbreitungsberechnung zur Gasfreisetzung ........................................ 8<br />

5.1.1 Ergebnisse der Ausbreitung explosionsfähiger Atmosphäre ....... 9<br />

5.1.2 Ergebnisse der Ausbreitung toxischer Atmosphäre .................. 10<br />

5.2 Auswirkungen durch Explosion ............................................................ 11<br />

5.2.1 Ergebnisse der Auswirkungen durch Explosion ........................ 13<br />

6 Bewertung der Auswirkungen ........................................................................... 15<br />

7 Schlussfolgerungen .......................................................................................... 16


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

1 Aufgabenstellung<br />

Seite 2 von 16<br />

<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

Die Dammer Bioenergie GBR plant den Bau einer Biogasanlage am Standort Reselager<br />

Moorweg in 49401 Damme. Die Biogasanlage ist eine genehmigungspflichtige Anlage<br />

gemäß 4. Bundesimmissionsschutzverordnung (4.BImSchV) und unterliegt auf Grund<br />

der maximal vorhandenen Biogasmenge den Anforderungen der 12. Bundesimmissi-<br />

onsschutzverordnung (12. BImSchV / Störfallverordnung). Der Betreiber der Anlage hat<br />

insbesondere Angaben in den Unterlagen zur Genehmigung, zur Verhinderung von Stö-<br />

rungen des bestimmungsgemäßen Betriebes und zur Begrenzung der Auswirkungen,<br />

die sich aus Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebes ergeben können, zu ma-<br />

chen.<br />

Zur Quantifizierung der Auswirkungen im Störfall, beauftragte die Dammer Bioenergie<br />

GbR die TÜV NORD Systems GmbH & Co. KG, Region Rostock - nachfolgend TÜV<br />

NORD genannt -, mit einer <strong>Einzelfallbetrachtung</strong> für die Biogasanlage Damme.<br />

Neben der Untersuchung der Gefährdungen durch unkontrollierte Substratfreisetzung<br />

umfasst die <strong>Einzelfallbetrachtung</strong> u.a. die rechnerische Abstandsermittlung unter dem<br />

Szenario der Freisetzung der größten zusammenhängenden Menge an Biogas in der<br />

Biogasanlage Damme. Im Rahmen dieser Betrachtung sollen die toxischen Risiken und<br />

die Gefährdungen einer Gaswolkenexplosion untersucht werden, welche in Folge einer<br />

größeren Gasfreisetzung entstehen. Dabei wird die Ausbreitung der freigesetzten Gas-<br />

wolke und deren Auswirkungen unter Zuhilfenahme anerkannter Berechnungsmetho-<br />

den quantifiziert.<br />

Als Grundlage für die Betrachtung dient der Leitfaden KAS 18 /5/ der Störfallkommissi-<br />

on für Anlagensicherheit. Dieser gibt Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbe-<br />

reichen nach der Störfallverordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der<br />

Bauleitplanung – Umsetzung § 50 BImSchG.<br />

Folgende Ausbreitungsszenarien werden für die Beurteilung der Auswirkungen betrach-<br />

tet:


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

Seite 3 von 16<br />

1. Ausbreitung der explosionsgefährlichen Bereiche (OEG bis UEG),<br />

<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

2. Ausbreitung bis zum Erreichen kritischer Mengenschwellen für toxische Inhalts-<br />

stoffe (ERPG, AEGL) und<br />

3. Explosionsdruckauswirkung durch Zündung der Gaswolke.<br />

Es wird darauf hingewiesen, dass nur die Einflüsse untersucht werden, welche gesund-<br />

heitsbeeinträchtigende Wirkungen auf angrenzende bewohnte Flächen und Wohnbe-<br />

bauung hat. Geruchs- und Schallemissionen wurden in separaten Stellungnahmen un-<br />

tersucht und sind nicht Bestandteil der <strong>Einzelfallbetrachtung</strong>.<br />

2 Verwendete Unterlagen und Erkenntnisquellen<br />

Folgende Verordnungen und Richtlinien werden u.a. als Erkenntnisquelle in ihren je-<br />

weils aktuellsten Fassungen verwendet:<br />

/1/ BImSchG und ihre Verordnungen<br />

/2/ 12. BImSchV – Störfallverordnung<br />

/3/ VDI 3783 Blatt 1 – Ausbreitung von störfallbedingten Freisetzungen – Sicher-<br />

heitsanalyse<br />

/4/ TNO – Yellow Book<br />

/5/ Leitfaden KAS 18 (ersetzt SFK/TAA – GS – 1) Ausbreitung von störfallbedingten<br />

Freisetzungen<br />

Als Grundlage der Abstandsbetrachtung und der dazu gehörigen Berechnung standen<br />

dem Sachverständigen folgende Unterlagen und Informationen zur Verfügung:<br />

/6/ Lageplan „Anlage 15.12.2010.pdf“<br />

/7/ GESTIS Stoffdatenbank<br />

/8/ Sicherheitsdatenblatt Biogas<br />

/9/ Pronuss 7- Programmbeschreibung<br />

/10/ Geruchsimmissionen, Ersteller: Zech Ingenieurgesellschaft, Projekt-Nr.:<br />

LG5462.1, Stand: 15.11.2010


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

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<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

3 Analyse möglicher Gefahren für die Umgebung und Nachbarschaft<br />

Ausgehend vom Verwendungszweck und der Lagercharakteristik der Anlage sind zwei<br />

Schadensszenarien denkbar, bei denen ein schädigender Einfluss über die Betriebs-<br />

grenzen denkbar wäre:<br />

und<br />

• Substratfreisetzung durch Versagen der zylindrischen Behälterwandungen<br />

• Biogasfreisetzung durch Versagen der Gasspeicherfolie.<br />

Um das größtmögliche Schadensausmaß zu unterstellen, müsste bei den beiden Stoff-<br />

freisetzungsszenarien der freigesetzte Inhalt ein Maximum des möglichen Behältervo-<br />

lumens einnehmen. Dies würde im angenommenen Fall der Beschädigung des größten<br />

Behälters (Endlager) bedeuten, dass bei der Substratfreisetzung der Behälter bis zum<br />

Freibord mit Substrat gefüllt ist, wogegen bei der Biogasfreisetzung der Behälter voll-<br />

ständig von Substrat entleert ist und der Inhalt zu annähernd 100% aus Biogas besteht.<br />

Die Sachverständigen weisen darauf hin, dass aufgrund der Bauweise der Behälter aus<br />

Stahlbetonbauteilen und der Errichtung nach dem Stand der Technik, ein Komplettver-<br />

sagen der zylindrischen Wandungen vernünftigerweise auszuschließen ist.<br />

Zudem sei darauf hingewiesen, dass der Anlagenstandort gemäß den Vorgaben der<br />

VAwS-NS vollständig mit einem Erdwall umschlossen ist, welcher als Sekundärschutz-<br />

maßnahme entgegen einer möglichen Substratfreisetzung dient.<br />

4 Randbedingungen und Vorgehensweise<br />

4.1 Örtliche Lage<br />

Der geplante Standort der Biogasanlage der Dammer Bioenergie GBR befindet sich am<br />

Standort Reselager Moorweg in 49401 Damme.


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

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Abstandsbetrachtungen zu außerbetrieblichen Gebäuden/Objekten<br />

<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

Der geplante Anlagenstandort ist weitestgehend von landwirtschaftlich genutzten Flä-<br />

chen umgeben auf denen vereinzelnd, in unterschiedlichen Abständen und Richtungen,<br />

Gehöfte mit Wohnbebauungen anzufinden sind.<br />

Als erste Wohnbebauungen sind alleinstehende Gebäude in Richtung Südwest nach<br />

ca. 180 m, an der Landstraße Jeddebrok (K278) anzufinden. Als weitere Wohnbebau-<br />

ungen in nächster Entfernung, sind Gehöfte in ca. 250 m Südwest und nach ca. 330 m<br />

Nordost, an der Landstraße Schullenmoor, zu benennen.<br />

Bis auf die genannten Objekte und mit ist der Standort weiträumig von landwirtschaftlich<br />

genutzten Flächen umgeben.<br />

Abstandsbetrachtungen zu Verkehrsflächen<br />

Direkt östlich vom Anlagenstandort verläuft die Landstraße „Reselager Moorweg“. Von<br />

diesem Verkehrsweg erfolgt auch die Zufahrt der Biogasanlage. In nordöstlicher Rich-<br />

tung verläuft die Landstraße Prenzlauer Allee (L34) in einer Entfernung von ca. 130 m<br />

entlang des Standortes.<br />

4.2 Stoffliche Risiken Biogas<br />

Die Angaben zur Identifizierung von Biogas sind im Sicherheitsdatenblatt /8/ enthalten.<br />

Biogas besteht zu ca. 60 % aus Methan und ca. 40 % aus Kohlendioxid /8/. 1 Aufgrund<br />

der enthaltenden Methangasmasse wird Biogas als hochentzündlich eingestuft und fällt<br />

unter die Nr. 8 der Störfall-Verordnung /2/.<br />

Explosionsgefährdung<br />

Störfallrelevant wirkt im Fall Biogas vor allem die Fähigkeit zur Bildung von explosions-<br />

fähigen Gemischen mit der Umgebungsluft. Hauptverantwortlich dafür ist der Bestand-<br />

teil Methan (CH4).<br />

1 Diese Werte sind als Standardwerte einzustufen. Auf der untersuchten Biogasanlage Damme ange-<br />

nommen Werte können davon unterscheiden und sind in den Randbedingungen zur Berechnung explizit<br />

dargestellt.


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

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Explosionsgrenzen CH4: UEG (untere Explosionsgrenze) 4,4 Vol. %<br />

Toxische Gefährdung<br />

OEG (obere Explosionsgrenze) 16 Vol. %<br />

<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

Als weiterer kritischer Bestandteil ist Schwefelwasserstoff im Biogas enthalten. Schwe-<br />

felwasserstoff wird als sehr giftig eingestuft. In den Regelwerken und Richtlinien werden<br />

folgende Werte zur Quantifizierung der Toxizität von Schwefelwasserstoff in der Atem-<br />

luft verwendet:<br />

H2S Konzentration zul. Einwirkzeit<br />

Giftigkeit: AEGL-2 Wert 41 ppm ≥ 10 min<br />

EPRG-2 Wert 30 ppm ≥ 60 min<br />

Tödliche Wirkung ab 500 ppm kurzzeitig<br />

Der ERPG-2 Wert beschreibt die maximale luftgetragene Konzentration unterhalb derer<br />

angenommen wird, dass Individuen dieser 1 Stunde ausgesetzt werden können, ohne<br />

dass ihnen irreversible oder andere gravierende Gesundheitseffekte widerfahren.<br />

Der AEGL-2-Wert ist die Konzentration in Luft, bei der angenommen wird, dass emp-<br />

findliche Personen exponiert sein können, ohne dass irreversible oder andere ernste<br />

Gesundheitsbeeinträchtigungen auftreten oder dass die Fähigkeit zur Flucht beeinträch-<br />

tigt wird.<br />

Da in der Biogasanlage Damme zusätzlich zur biologischen Entschwefelung bereits<br />

während der Fermentation durch Zugabe von Eisensalzen chemisch entschwefelt wird,<br />

können Schwefelwasserstoffkonzentrationen von 40-60 ppm im Rohbiogas erreicht<br />

werden. Konservativ wird diese auf 60 ppm festgelegt.<br />

4.3 Vorgehensweise zur Berechnung


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

Seite 7 von 16<br />

<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

Im Rahmen dieser <strong>Einzelfallbetrachtung</strong>en werden die Auswirkungen untersucht, die zu<br />

erwarten sind wenn in der Biogasanlage Damme die größte zusammenhängende Men-<br />

ge an Biogas bei einer Störung trotz Störfallverhinderungsmaßnahmen unkontrolliert<br />

freigesetzt wird. Die Betrachtung der Störfallverhinderungsmaßnahmen ist nicht Be-<br />

standteil dieser Stellungnahme.<br />

Die größte zusammenhängende Menge an Biogas ist die, welche in der BGA Damme<br />

im Gärrestlager mit einem Volumen von maximal 8.730 m³, vorgehalten werden kann.<br />

Zur <strong>Einzelfallbetrachtung</strong> wird angenommen, dass das Gärrestlager zum Zeitpunkt der<br />

Komplettfreisetzung vollständig gelehrt vorliegt und der Inhalt somit zu 100 % aus Bio-<br />

gas besteht.<br />

Primärer Bestandteil der Abstandsbetrachtung ist die Ausbreitungsberechnung der frei-<br />

gesetzten Gaswolke, in der Konzentrationen von toxischen und brennbaren Bestandtei-<br />

len vorhanden sind. In Folge dessen können die toxischen Risiken und die Gefährdun-<br />

gen einer explosiven Zone als Funktion des Abstandes zur Freisetzungsquelle darge-<br />

stellt werden. Zusätzlich werden die Druckwellenauswirkungen einer möglichen Explo-<br />

sion der freigesetzten Gaswolke betrachtet und dargelegt. Es werden die mittleren Aus-<br />

breitungsbedingungen gemäß VDI 3783 angewendet.<br />

Die <strong>Einzelfallbetrachtung</strong> der Spontanausbreitung der größten zusammenhängenden<br />

Menge von Biogas in der Biogasanlage Damme erfolgt mit dem Programm Pronuss in<br />

der Version 7. Dem Programm ist zur Berechnung der Gasausbreitung die Richtlinie<br />

VDI 3783 implementiert.<br />

Die Sachverständigen weisen darauf hin, dass Berechnungsergebnisse, welche mit<br />

dem Rechenmodell der Richtlinie VDI 3783-Blatt 1 berechnet wurden ab Entfernungen<br />

< 100 m nicht mehr durch Messungen verifiziert sind. Die Ergebnisse wurden durch das<br />

verwendete Programm linear interpoliert.<br />

Die Berechnungen der Auswirkungen des Explosionsdruckes einer Biogaswolkenexplo-<br />

sion erfolgt nach dem international anerkannten TNO-Multi-Energy-Modell.


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

Seite 8 von 16<br />

2 entsprechend /1/. „spontane Freisetzung“<br />

<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

Es wird zusätzlich darauf hingewiesen, dass die betrachteten Stofffreisetzungen ursa-<br />

chenunabhängig angenommen werden. Somit wird bei den im Folgenden beschriebe-<br />

nen Szenarien nicht betrachtet, ob die Freisetzung verfahrenstechnisch oder durch Ein-<br />

griffe Unbefugter verursacht wurde.<br />

5 Berechnungen<br />

5.1 Ausbreitungsberechnung zur Gasfreisetzung<br />

Die Untersuchung unkontrollierter Biogas-Freisetzungen und die Ermittlung möglicher<br />

exponierter Bereiche erfolgt unter der Annahme eines sog. Dennoch-Störfalles.<br />

Durch die Verwendung von Dennoch-Störfällen können die größtmöglichen Auswirkun-<br />

gen abgeschätzt werden. Somit wird eine sehr konservative Betrachtungsweise ermög-<br />

licht.<br />

Als Dennoch-Störfall wird die Komplettfreisetzung aus dem Gärrestsbehälter der BGA<br />

Damme angenommen. Dabei wird die Dachhaut des Gärrestlagers ursachenunabhän-<br />

gig komplett entfernt und das komplette Biogasvolumen von 8.730 m³ wird innerhalb<br />

einer Sekunde an die Umgebung freigesetzt 2 .<br />

Randbedingungen und Eingabeparameter für die Ausbreitungsberechnung:<br />

1. Quellparameter<br />

• Max. Biogasvolumen Gärrestbehälter: ca. 8.730 m³<br />

• Max. Biogasmenge: ca. 11.174 kg<br />

• Max. Methangasmenge: ca. 3.331 kg (entspricht 53 Vol%)<br />

2. Umgebungsparameter<br />

• Umgebungstemperatur: 20°C<br />

• Windgeschwindigkeit:


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

Seite 9 von 16<br />

o mittlere Ausbreitungssituation: 4 m/s<br />

• Witterung: kein Regen<br />

• Rauigkeit der Umgebung: 3 (z0=0,5 m)<br />

• Stabilitätsklasse: different<br />

• Mittlere Bebauungshöhe: 10 m<br />

• Freisetzungshöhe: 8 m<br />

3. Stoffeigenschaften der kritischen Hauptbestandteile im Biogas:<br />

- Methan 3: (Bestandteil mit 60 Vol. %)<br />

• UEG (untere Explosionsgrenze): 4,4 Vol.%<br />

• OEG (obere Explosionsgrenze): 16 Vol.%<br />

- Schwefelwasserstoff 4 : (Bestandteil mit 60 ppm)<br />

• Molmasse: 34,08 g/mol<br />

• Dichte bei 0°C: 1,53 kg/m³<br />

• Relative Gasdichte 1,18<br />

(Dichteverhältnis zu trockener Luft bei gl. Temp. und gleichem Druck)<br />

3 Quelle: GESTIS Stoffdatenbank<br />

4 Quelle: GESTIS Stoffdatenbank<br />

<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

Die Ausbreitungsrechnung wird mit dem Programm Pronuss 7 nach VDI 3783 Blatt 1<br />

durchgeführt.<br />

5.1.1 Ergebnisse der Ausbreitung explosionsfähiger Atmosphäre<br />

Eine explosionsfähige Atmosphäre durch freigesetztes Biogas ist primär durch den Be-<br />

standteil Methan gekennzeichnet. Methan ist zwischen der Unter- und der Oberen-<br />

Explosionsgrenze (UEG und OEG) explosionsfähig. Diese Grenzwerte werden als Ge-<br />

fährdungskriterien verwendet und dargestellt. Die Ergebnisse der Berechnungen für die<br />

Explosionsgefährdungen durch Biogas (Erreichen UEG) für die mittlere Ausbreitungssi-<br />

tuation sind im Bild 1 dargestellt.


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

ppm<br />

Seite 10 von 16<br />

Bild 1: Explosionsfähige Atmosphäre in Entfernung von der Quelle<br />

<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

Bei der spontanen Freisetzung der maximalen Gasmenge des Gärrestbehälters in der<br />

BGA Damme besteht Explosionsgefahr in ca. 85 m in Windrichtung vom äußeren Rand<br />

des Gärrestbehälters.<br />

5.1.2 Ergebnisse der Ausbreitung toxischer Atmosphäre<br />

Toxische Gefährdungen im Biogas werden primär durch Schwefelwasserstoff als Be-<br />

standteil des freigesetzten Volumens von 8.730 m³ bestimmt. Der Schwefelwasserstoff-<br />

anteil im Biogas der Biogasanlage Fürstenhagen kann Werte von 40 bis 60 ppm errei-<br />

chen.<br />

200000<br />

180000<br />

160000<br />

140000<br />

120000<br />

100000<br />

80000<br />

60000<br />

40000<br />

20000<br />

0<br />

0 50 100 150 200<br />

Entfernung von der Quelle [m]<br />

Biogasfreisetzung Gärrestbehälter<br />

Biogasanlage "Dammer Bioenergie GBR "<br />

Explosionsgefährdungen<br />

mittlere Ausbreitungssituation - VDI 3783<br />

Ex-Bereich<br />

maximale Methan-Konzentration<br />

UEG Methan (44.000 ppm)<br />

OEG Methan (160.000 ppm)<br />

Abstand zur nächsten<br />

Wohnbebauung (180m)<br />

Als Kriterium toxischer Gefahren wird im Leitfaden /KAS 18/ die Verwendung des<br />

ERPG-Wertes zur Flächennutzungsplanung empfohlen, u.a. da die Expositionsdauer<br />

von einer Stunde für die Zielrichtung der Flächennutzungsplanung als ausreichend zu<br />

bewerten ist. Da eine Exposition jedoch bereits bei geringeren Zeitdauern zu Schädi-


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

Seite 11 von 16<br />

<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

gungen führen kann, wird in dieser <strong>Einzelfallbetrachtung</strong> zusätzlich der AEGL-2-Wert<br />

für 10 Minuten zur Beschreibung der für Menschen gefährlichen Gaskonzentrationen,<br />

bei deren Überschreitung mit irreversiblen Schäden zu rechnen ist, als Grenzschwelle<br />

dargestellt. Für die graphische Darstellung der Schwefelwasserstoffkonzentrationen, als<br />

Funktion über die Entfernung zur Freisetzungsquelle, wird der höhere Wert von 60 ppm<br />

herangezogen. Die Ergebnisdarstellung erfolgt im Bild 2.<br />

ppm<br />

45,00<br />

40,00<br />

35,00<br />

30,00<br />

25,00<br />

20,00<br />

15,00<br />

10,00<br />

5,00<br />

0,00<br />

Biogasfreisetzung Gärrestbehälter<br />

Biogasanlage "Dammer Bioenergie GBR "<br />

toxische Gefährdung durch Schwefelwasserstoffanteil (60ppm)<br />

mittlere Ausbreitungssituation - VDI 3783<br />

0 50 100 150<br />

Entfernung von Quelle [m]<br />

Bild 2: Schwefelwasserstoffkonzentrationen in Entfernung von der Quelle – 60 ppm<br />

Bei einem Schwefelwasserstoffgehalt von 60 ppm sind keine gesundheitsbeeinträchti-<br />

genden Auswirkungen auf außerbetrieblichen Gebieten zu erwarten.<br />

5.2 Auswirkungen durch Explosion<br />

Konzentration ppm<br />

AEGL-2 für 10 min<br />

(41 ppm)<br />

ERPG-2 für 1 h<br />

(30 ppm)<br />

Ausgehend einer wirksamen Zündung der freigesetzten Biogaswolke ist der dabei er-<br />

zeugte Explosionsüberdruck als primäre Auswirkung mit schädigender Beeinflussung


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

Seite 12 von 16<br />

<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

zu benennen. Im Folgenden werden die Spitzenüberdrücke, welche bei Explosion der<br />

freigesetzten Biogaswolke möglich sind, berechnet und quantitativ dargestellt.<br />

Zur Untersuchung des Ablaufes einer Gaswolkenexplosion wird das mathematische<br />

Multi-Energy-Modell nach TNO verwendet.<br />

Die Berechnung der Explosionsüberdrücke wird mit dem Programm Pronuss 7 durchge-<br />

führt, in welchem das genannte Modell implementiert ist.<br />

TNO/Multi-Energy-Modell - Randbedingungen und Vorbetrachtungen<br />

Gaswolken, die wie in diesem Fall ursachenunabhängig explodieren, entwickeln im<br />

Freien nur sehr geringe Explosionsdrücke. Haupteinflussparameter ist der Grad der<br />

Turbulenz, der mit zunehmender Größe die Flammengeschwindigkeit und damit den<br />

Explosionsdruck ansteigen lässt. Diese Einflüsse der Turbulenz werden beim TNO-<br />

Modell durch die Wahl entsprechender Kategorien berücksichtigt, welche ansteigend<br />

von 1 bis 10 unterschiedliche Turbulenzgerade darstellen. Die Kategorie 1 hat einen<br />

geringen maximalen Explosionsüberdruck, während die Kategorie 10 eine starke Deto-<br />

nation beschreibt.<br />

Die wesentliche Fragestellung zur Berechnung ist die Wahl einer zum Szenario korres-<br />

pondierenden Kategorie. Aufgrund der Gasfreisetzung aus dem Gärrestbehälter in einer<br />

Höhe von ca. 8 m und den bisher bekannten Bebauungsplänen des Betriebsgeländes,<br />

ist bei der Modellrechnung nicht mit einer nennenswerten Verdämmung durch angren-<br />

zende Bebauung zu rechnen. Im Pronuss-Handbuch /9/ wird als Hilfestellung die Matrix<br />

von Kinsella angegeben. Mit dieser Matrix wird unter den drei Parametern geringer<br />

Zündenergie, geringe Verblockung und geringe Verdämmung die Kategorie 2-3 emp-<br />

fohlen. Konservativ wird die Kategorie 3 gewählt.<br />

Randbedingungen und Eingabeparameter für die Explosionsdruckberechnung<br />

• Quellparameter<br />

- Biogasvolumen Gärrestbehälter: 8.730 m³<br />

- Methangasmenge: ca. 3.331 kg (entspricht 53 Vol%)<br />

- Molmasse: 16,10 g/mol<br />

- Flammengeschwindigkeit: 0,4 m/s


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

Seite 13 von 16<br />

• Eigebeparameter TNO/Multi-Energy-Modell<br />

- Kategorie: 3<br />

5.2.1 Ergebnisse der Auswirkungen durch Explosion<br />

Ergebnis der Explosionsdruckberechnungen:<br />

<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

Die errechneten Explosionsüberdrücke sind im Bild 3 dargestellt. Die Abstandsangaben<br />

beziehen sich auf den Abstand vom Rand des Gärrestbehälters und berücksichtigen<br />

den Drift der Gaswolke.<br />

Bild 3: Explosionsüberdrücke


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

Seite 14 von 16<br />

Bewertung möglicher Auswirkungen durch Explosionsdruck:<br />

<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

Folgende Schadensbilder sind dem Programm-Handbuch /9/ entnommen und basieren<br />

auf Forschungsberichten des Umweltbundesamtes (UBA) und der Bundesanstalt für<br />

Materialforschung und -prüfung (BAM).<br />

Glasscheiben<br />

Bruch von 10 % der Scheiben 0,01 bar<br />

Bruch von 75 % der Scheiben 0,03 bar<br />

Bruch von 100 % der Scheiben 0,05 bar<br />

Personenschaden<br />

Geringe Verletzung durch Spreng- und<br />

Wurfstücke<br />

0,015 bar<br />

Grenzwert gemäß KAS 18 0,1 bar<br />

Untere Grenze Trommelfellriss 0,175 bar<br />

Untere Grenze für Lungenschäden 0,85 bar<br />

Untere Grenze für ernste Lungenschäden 1,85 bar<br />

Untere Letalitätsgrenze 2,05 bar<br />

Ausgewählte Abstandsbetrachtungen:<br />

Auswirkung TNO/Multi-Energy-Modell<br />

Bruch Fensterscheiben 100% 112,9 m<br />

Grenzwert gemäß KAS 18 Kein Funktionswert<br />

Untere Grenze Trommelfellriss Kein Funktionswert<br />

Untere Grenze für Lungenschäden Kein Funktionswert<br />

Geringe Verletzung durch Spreng- und<br />

Wurfstücke<br />

282,9 m<br />

Auswirkungen, welche mit „kein Funktionswert“ gekennzeichnet sind, sind in dem dar-<br />

gestellten Szenario nicht zu erwarten. Der Toleranzbelastungswert für Spitzenüberdrü-<br />

cke ist gemäß dem Leitfaden KAS 18 /5/ mit 0,1 bar definiert. Die Berechnungsergeb-<br />

nisse zeigen, dass dieser Wert bei dem beschriebenen Szenario ebenfalls mit „kein


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

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<strong>Einzelfallbetrachtung</strong>_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_110202.docx<br />

Systems<br />

Funktionswert“ gekennzeichnet wurde. Dementsprechend ist dieser Wert bereits bei der<br />

nächstgelegenen Wohnbebauung (ca. 180 m) unterschritten. Hier liegt der Spitzen-<br />

überdruck bei ca. 0,026 bar.<br />

6 Bewertung der Auswirkungen<br />

In den vorangegangenen Abschnitten wurden die unter dem beschriebenen Szenario<br />

einer spontanen Komplettfreisetzung von 8.730 m³ Biogas zu erwartenden Auswirkun-<br />

gen untersucht. Die Sachverständigen weisen darauf hin, dass diese Auswirkungen<br />

durch das Zusammenwirken mehrerer konservativer Randbedingungen erreicht wer-<br />

den. Im Folgenden werden die Sachverständigen eine zusätzliche Betrachtung, aus<br />

Sicht der getroffenen Annahmen und allgemeiner Gesichtspunkte, zu den Berech-<br />

nungsergebnissen geben. Die unter konservativen Gesichtspunkten getroffenen Rand-<br />

bedingen [RBxx] werden folgendermaßen aufzeigt und ggf. bewertet.<br />

RB01 Das komplette Entfernen der Dachhaut eines Gasspeichers ist vernünftiger-<br />

weise auszuschließen.<br />

RB02 Die spontane Freisetzung innerhalb einer Sekunde ist aufgrund der geringen<br />

Druckunterschiede zur Umgebung als konservativ anzusehen.<br />

RB03 Das gleichzeitige Wirksamwerden von:<br />

1. Kompettversagen der Dachhaut des größten Behälters auf dem Be-<br />

triebsgelände,<br />

2. Bei gleichzeitig entleerten Behälter, was einem 100%igen Inhalt aus Gas<br />

entspricht,<br />

kann als unwahrscheinlich angenommen werden.<br />

RB04 Die ermittelten Abstände berücksichtigen die Strömung der Wolke bis zur<br />

UEG (85 m). Eine Zündung der Wolke ist bereits vorher zu erwarten, somit<br />

verringern sich die Abstände.<br />

Die Sachverständigen weisen darauf hin, dass die ermittelten Entfernungen windrich-<br />

tungsunabhängig dargestellt sind.


<strong>Einzelfallbetrachtung</strong><br />

Biogasanlage Damme<br />

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rtNNORD<br />

Systems<br />

RB05 Die ermittelten Entfernungen sind nur für Objekte geltend, welche sich zum<br />

Zeitpunkt der Freisetzung innerhalb der Windeinzugsrichtung befinden.<br />

7 Schlussfolgerungen<br />

Nach Auswertung der Ergebnisse der <strong>Einzelfallbetrachtung</strong>, kommen die Sachverstän­<br />

digen zu der Erkenntnis, dass keines der aufgeführten benachbarten Schutzobjekte<br />

(Wohnbebauung) innerhalb der ermittelten Grenzkonzentrationen gemäß dem Leitfaden<br />

KAS 18 für<br />

liegt.<br />

• Explosions- und<br />

• toxische Risiken<br />

Zu den Berechnungsergebnissen ist zusätzlich zu erwähnen, dass diese als sehr kon­<br />

servativ zu betrachten sind (siehe Randbedingungen Abschnitt 6). Dies wird auch durch<br />

die Annahmen gemäß dem Leitfaden KAS 18/5/, Kapitel 3.2, unterstützt, wo der Verlust<br />

des gesamten Inventars, der Verlust der größten zusammenhängenden Menge, Behäl­<br />

terbersten und der Abriss sehr großer Rohrleitungen beim land-use-planing nicht zu<br />

berücksichtigen sind, da sie bei Einhaltung des Standes der Sicherheitstechnik zu un­<br />

wahrscheinlich sind.<br />

Dipl.-Ing. Westphalen Dipl.-Ing. (FH) Rottluff<br />

Sachverständige nach § 29 a BlmSchG der<br />

TÜV NORD Systems GmbH & Co. KG<br />

Einzelfalibetrachlung_Ausbreitungsberechnung_BGA Damme_11 0202.docx<br />

().?:#<br />

Dipl.-Ing. (FH) Zöfel<br />

Mitarbeiter der<br />

TÜV NORD Systems GmbH & Co. KG

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