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Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in ...

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<strong>Der</strong> <strong>Oberste</strong> <strong>Gerichtshof</strong> <strong>hat</strong> <strong>als</strong> <strong>Rekursgericht</strong> <strong>in</strong> Kartellrechtssachen durch die<br />

Vizepräsident<strong>in</strong> des <strong>Oberste</strong>n <strong>Gerichtshof</strong>es Hon. Prof. Dr. Birgit Langer <strong>als</strong> Vorsitzende, die<br />

Hofräte des <strong>Oberste</strong>n <strong>Gerichtshof</strong>es Dr. Gerhard Kuras und Univ. Doz. Dr. Georg Kodek<br />

sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer und Dr. Erich Haas<br />

<strong>als</strong> weitere Richter <strong>in</strong> der Kartellrechtssache<br />

der Antragsteller<strong>in</strong> Bundeswettbewerbsbehörde, 1020 Wien, Praterstraße 21, der weiteren<br />

Amtspartei Bundeskartellanwalt, 1010 Wien, Schmerl<strong>in</strong>gplatz 11,<br />

wider<br />

die Antragsgegner<strong>in</strong> C***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Norbert<br />

Gugerbauer, Rechtsanwalt <strong>in</strong> Wien,<br />

wegen Verhängung e<strong>in</strong>er Geldbuße (§ 142 Z 1 lit b erster Fall KartG), über den Rekurs der<br />

Antragsgegner<strong>in</strong> gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien <strong>als</strong> Kartellgericht vom<br />

21. Dezember 2005, GZ 26 Kt 95/03-50, <strong>in</strong> nichtöffentlicher Sitzung den<br />

gefasst:<br />

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.<br />

Beschluss<br />

Begründung:<br />

Dem vorliegenden Geldbußenverfahren g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> Verfahren wegen Abstellung des<br />

Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung (§ 35 Abs 1 und 2 KartG) voraus, das mit<br />

Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien <strong>als</strong> Kartellgericht vom 28. 4. 2004, 26 Kt 230/02, 26<br />

Kt 93, 94/03, bestätigt durch den Beschluss des <strong>Oberste</strong>n <strong>Gerichtshof</strong>s vom 4. 4. 2005, 16 Ok<br />

20/04, beendet wurde.<br />

1. Wesentliche Feststellungen des Vorverfahrens<br />

1.1. Die Antragsgegner<strong>in</strong><br />

Die Antragsgegner<strong>in</strong> hält 98 % der Anteile an der C<strong>in</strong>eplexx K<strong>in</strong>obetrieb Gesellschaft mbH<br />

und 100 % der Anteile an der Lichtspieltheater Betriebsgesellschaft mbH. Sie ist ke<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e<br />

Hold<strong>in</strong>g-Gesellschaft, sondern zählt zu den umsatzstärksten Filmunternehmen Österreichs.<br />

Die Anteile an der Antragsgegner<strong>in</strong> werden zu 98,42 % von der Langhammer Privatstiftung<br />

und zu 1,58 % von Ing. Christian Langhammer gehalten. Letzterer ist Alle<strong>in</strong>geschäftsführer<br />

der Antragsgegner<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>er von zwei selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführern<br />

der C<strong>in</strong>eplexx K<strong>in</strong>obetrieb Gesellschaft mbH. <strong>Der</strong> Konzern der Antragsgegner<strong>in</strong> betreibt


<strong>Oberste</strong> <strong>Gerichtshof</strong>, <strong>Rekursgericht</strong> <strong>in</strong> Kartellrechtssachen, 26 June 2006, Case 16 Ok 3/06, Constant<strong>in</strong><br />

http://www.ris.bka.gv.at/jus/<br />

e<strong>in</strong>es der bedeutendsten Filmverleihunternehmen <strong>in</strong> Österreich sowie zahlreiche K<strong>in</strong>os, zu<br />

denen e<strong>in</strong>ige der umsatzstärksten Großk<strong>in</strong>os gehören.<br />

1.2 Filmverleih <strong>in</strong> Österreich<br />

In Österreich gibt es neben der Antragsgegner<strong>in</strong> weitere fünf große Filmverleihgesellschaften:<br />

- United International Pictures (Vivendi/Universal)<br />

- Buena Vista International (Disney Corp.)<br />

- CentFox (News Corp.)<br />

- Columbia TriStar (Sony Corp.)<br />

- Warner Bros. (Time Warner Inc.).<br />

Auf diese konzentrieren sich jährlich ca 80 % des gesamten Marktvolumens. Die Marktanteile<br />

der Antragsgegner<strong>in</strong>, gemessen an Besucherzahlen und E<strong>in</strong>spielergebnissen, betrugen im Jahr<br />

2000 und 2001 jeweils 22-25 % und <strong>in</strong> den Jahren 2002 und 2003 jeweils ca 12 %. Für jede<br />

Erstaufführung steht dem österreichischen Markt e<strong>in</strong>e begrenzte Anzahl an Filmkopien zur<br />

Verfügung, deren Höhe sich primär nach den <strong>in</strong> den Film gesetzten Umsatzerwartungen<br />

richtet. <strong>Der</strong> Verleihmarkt lässt sich <strong>in</strong> drei Segmente unterteilen:<br />

1. Erfolgversprechende Filme („Blockbuster"):<br />

Es s<strong>in</strong>d dies Filme, von denen <strong>in</strong> Österreich e<strong>in</strong>e Besucherzahl von zum<strong>in</strong>dest 200.000 oder<br />

300.000 erwartet wird und die mit 50 oder mehr Kopien gestartet werden.<br />

2. Filme mit unsicherer Erwartung („mittleres Segment"):<br />

Es s<strong>in</strong>d dies Filme, die e<strong>in</strong> breiteres Publikum ansprechen, <strong>in</strong> die aber mäßige<br />

Erfolgserwartungen gesetzt und die mit 10 bis 49 Kopien gestartet werden. Das mittlere<br />

Segment ist das zahlenmäßig bedeutsamste.<br />

3. Nicht breitenwirksame Filme („Nischenfilme"):<br />

Es s<strong>in</strong>d dies Filme, die für e<strong>in</strong> kunsts<strong>in</strong>niges oder an Spezialgebieten <strong>in</strong>teressiertes Publikum<br />

gemacht oder <strong>in</strong> Orig<strong>in</strong><strong>als</strong>prache gezeigt werden und von denen erwartet wird, dass sie<br />

maximal 90.000 bis 100.000 Besucher erreichen; sie werden <strong>in</strong> der Regel mit maximal 10<br />

Kopien gestartet.<br />

Von den 1999 bis 2003 erstaufgeführten Filmen waren 470 Filme (rund 40 %) dem mittleren<br />

Segment zuzurechnen. Sie generierten e<strong>in</strong>en Umsatz von EUR 127,6 Mio, was e<strong>in</strong>em Anteil<br />

von rund 25 % am Gesamtumsatzvolumen entspricht. In diesem Segment lag der Anteil der<br />

Antragsgegner<strong>in</strong> an Besucherzahlen und E<strong>in</strong>spielergebnissen im Jahr 2000 bei 22 %, im Jahr<br />

2001 bei 32 %, im Jahr 2002 bei 30 % und im 2003 bei 17 %. Nach den Zahlen der<br />

Antragsgegner<strong>in</strong> lag ihr Anteil jeweils etwas höher, und zwar im Jahr 2001 bei 35 %, im Jahr<br />

2002 bei 33 % und im Jahr 2003 bei 20 %.<br />

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Die Marktstruktur im mittleren Segment stellt sich wie folgt dar:<br />

Wettbewerber Marktanteile Zeitraum 2001-2003 (Filme 10-49 Kopien)<br />

Umsatz Besucher Umsatz Besucher<br />

(´000 EUR) (´000) (%) (%)<br />

Constant<strong>in</strong> 22.233 3.346 31,07 30,98<br />

UIP 7.067 1.042 9,87 9,65<br />

Warner Bros. 9.403 1.430 13,14 13,25<br />

Centfox 8.711 1.262 12,17 11,68<br />

Columbia 5.002 742 6,99 6,87<br />

Buena Vista 5.496 854 7,68 7,91<br />

Filmladen 7.918 1.241 11,07 11,5<br />

E<strong>in</strong>horn 2.910 445 4,07 4,12<br />

Concorde 637 98 0,89 0,91<br />

Polyfilm 1.880 292 2,63 2,7<br />

Stadtk<strong>in</strong>o 240 37 0,34 0,34<br />

TOP/K<strong>in</strong>owelt 62 10 0,09 0,09<br />

Gesamt 71.559 10.799 1 00,01 100,01<br />

Das K<strong>in</strong>owesen erfuhr <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten e<strong>in</strong>en tiefgreifenden Strukturwandel. Ab<br />

dem Ende der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts kam es zu e<strong>in</strong>em deutlichen Wachstum der<br />

Anzahl an K<strong>in</strong>os und Le<strong>in</strong>wänden. Bestehende K<strong>in</strong>os vergrößerten ihr Saalangebot durch<br />

Aus- und Zubauten. In Wien und <strong>in</strong> den größeren (Landeshaupt-)Städten entstanden <strong>in</strong> den<br />

90er Jahren zahlreiche Mehrsaalk<strong>in</strong>os der Kategorie "Multiplex". Das früher übliche<br />

E<strong>in</strong>saalk<strong>in</strong>o wurde vor allem <strong>in</strong> Ballungszentren fast völlig zurückgedrängt. Die<br />

Inbetriebnahme von Multiplexen führte zu teilweise massiven Umsatzrückgängen bei<br />

herkömmlichen K<strong>in</strong>os. Insgesamt verzeichnete aber der K<strong>in</strong>omarkt von 1990 an jährlich<br />

Umsatzzuwächse. <strong>Der</strong> K<strong>in</strong>omarkt ist nunmehr im Wesentlichen gesättigt, an weiteren<br />

Multiplexen besteht ke<strong>in</strong> weiterer Bedarf. Es ist vielmehr <strong>in</strong> dieser K<strong>in</strong>o-Sparte mit e<strong>in</strong>er<br />

Konsolidierung zu rechnen. Folgende Übersicht gibt die Entwicklung des österreichischen<br />

K<strong>in</strong>omarktes <strong>in</strong> den letzten Jahren wieder:<br />

Jahr Anzahl der Anzahl der Besucher Umsatz <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong>os Säle (´000) Mio (EUR)<br />

1998 k.A. 424 15.219 87,06<br />

1999 208 524 15.023 87,3<br />

2000 204 534 16.298 93,2<br />

2001 201 564 18.832 108,6<br />

2002 199 564 19.316 114,5<br />

2003 k.A. k.A. k.A. k.A.<br />

<strong>Der</strong> Wettbewerb der K<strong>in</strong>os untere<strong>in</strong>ander wird weniger über den E<strong>in</strong>trittspreis, <strong>als</strong> über die<br />

Programmgestaltung und die Bewerbung der <strong>in</strong>s Programm genommenen Filme ausgetragen.<br />

K<strong>in</strong>os erwirtschaften aber auch Nebenumsätze mit der sogenannten kle<strong>in</strong>en Gastronomie.<br />

Manche Multiplex-Betreiber erzielen darüber h<strong>in</strong>aus E<strong>in</strong>nahmen aus der Vermietung anderer<br />

im ihrem Gebäude-Komplex untergebrachter Geschäfte. Schließlich erzielen K<strong>in</strong>os auch<br />

Werbee<strong>in</strong>nahmen, die nach Besucherzahlen abgerechnet werden. Multiplexe verfügen nach<br />

allgeme<strong>in</strong>em Branchenverständnis über m<strong>in</strong>destens 8 K<strong>in</strong>osäle. Für K<strong>in</strong>ohäuser mit 4 bis 7<br />

Sälen <strong>hat</strong> sich die Bezeichnung "M<strong>in</strong>iplex" etabliert. Lichtspieltheater mit 1 bis 3 Sälen<br />

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können <strong>als</strong> "traditionelle" K<strong>in</strong>os bezeichnet werden. Nachstehende Übersicht zeigt, dass 27<br />

Multiplexe den Großteil des österreichischen Marktvolumens, nämlich rund 64 %, gemessen<br />

an Umsatz- und Besucherzahlen, auf sich vere<strong>in</strong>en (Stand 2002):<br />

Säle<br />

(Stand<br />

2002)<br />

Anzahl<br />

der<br />

K<strong>in</strong>os<br />

% Besucher<br />

(´000)<br />

4 / 17<br />

% Nettoe<strong>in</strong><br />

nahmen<br />

(´000)<br />

8+ 27 13,64 12.340 63,88 73.554 64,24<br />

4-7 23 11,62 3.011 15,59 17.473 15,26<br />

1-3 148 74,74 3.966 20,53 23.476 20,50<br />

Gesamt 198 100 19.316 100 114.502 100<br />

<strong>Der</strong> wirtschaftliche Erfolg von Multiplexen hängt von der Breite des Filmangebots ab.<br />

Ma<strong>in</strong>stream-Filme, auch des Mittelsegments, erzielen etwa 60-70 % des Gesamtumsatzes <strong>in</strong><br />

den ersten drei bis vier Aufführungswochen nach ihrem Start. Für Multiplex-Betreiber ist es<br />

daher wichtig, mit e<strong>in</strong>er ausreichenden Zahl an Filmen des mittleren Segments, die zwar nur<br />

25 % des Gesamtumsatzes, aber 40 % aller herausgebrachten Filme repräsentieren, beliefert<br />

zu werden.<br />

1.3. K<strong>in</strong>os der Antragsgegner<strong>in</strong><br />

Die Antragsgegner<strong>in</strong> verfügt über folgende K<strong>in</strong>os:<br />

CINEPLEXX K<strong>in</strong>obetrieb Gesellschaft mbH:<br />

Hohenems 9 Säle<br />

Innsbruck 8 Säle<br />

Salzburg Airport 10 Säle<br />

Salzburg City 8 Säle<br />

L<strong>in</strong>z 10 Säle<br />

Graz 10 Säle<br />

Villach 6 Säle<br />

Leoben 6 Säle<br />

Wien: Apollo 12 Säle<br />

Palace Wien 14 Säle<br />

Wien-Auhof 8 Säle<br />

Wienerberg 10 Säle<br />

Donauplexx 13 Säle<br />

Lichtspieltheater Betriebsgesellschaft mbH:<br />

Baden „Beethoven" 2 Säle<br />

Graz „Geidorf" 3 Säle<br />

„Royal" 3 Säle<br />

%


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L<strong>in</strong>z „Kolosseum" 4 Säle<br />

Wien „Actors" 3 Säle<br />

„Artis" 6 Säle<br />

„Atelier" 1 Saal<br />

„Tuchlauben" 2 Säle<br />

„Urania" 1 Saal<br />

„Auge Gottes" 5 Säle<br />

Die K<strong>in</strong>os der Antragsgegner<strong>in</strong> stehen <strong>in</strong> direktem Wettbewerb zu den K<strong>in</strong>os der KINO<br />

Betriebsgesellschaft mbH, die <strong>in</strong> L<strong>in</strong>z/Pasch<strong>in</strong>g den „Hollywood-Megaplex" mit 12 Sälen und<br />

<strong>in</strong> St. Pölten e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>o mit 8 Sälen betreibt, sowie der KIMA C<strong>in</strong>emas Vienna GmbH, die im<br />

Shopp<strong>in</strong>g Center Nord e<strong>in</strong> Hollywood-Megaplex K<strong>in</strong>o mit 8 Sälen und im Gasometer e<strong>in</strong><br />

Multiplexk<strong>in</strong>o mit 12 Sälen betreibt.<br />

1.4. Praxis des Filmverleihs <strong>in</strong> Österreich<br />

Die österreichischen Filmverleiher beziehen ihre Aufführungsrechte für K<strong>in</strong>ofilme aus<br />

Lizenzverträgen. Die Rechtevergabe für e<strong>in</strong>en bestimmten Film erfolgt stets an e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen<br />

<strong>in</strong>ländischen Verleiher für das ganze Bundesgebiet. Österreichischen K<strong>in</strong>os ist es daher nicht<br />

möglich, die Aufführungsrechte für e<strong>in</strong>en bestimmten Film vom ausländischen Produzenten<br />

oder Verwertungsunternehmen zu beziehen.<br />

Die Filmverleihunternehmen schließen mit den K<strong>in</strong>ounternehmen Filmaufführungsverträge<br />

(„Filmmietvertrag" oder „Filmleihvertrag"), mit denen diese gegen Entgelt <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er<br />

vere<strong>in</strong>barten prozentuellen Beteiligung an den E<strong>in</strong>spielergebnissen e<strong>in</strong>e<br />

Werknutzungsbewilligung an Filmverleiher erwerben. <strong>Der</strong> österreichische Filmverleiher legt<br />

die Startkopienanzahl fest. Diese bedarf üblicherweise der Genehmigung der Lizenzgeber, die<br />

auch die Kopien herstellen lassen; sie wird aber so gut wie immer erteilt. Die Anzahl der vom<br />

Filmverleiher festgelegten Startkopien orientiert sich häufig an der <strong>in</strong> Deutschland<br />

vergebenen Startkopienanzahl und legt diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dem Verhältnis der<br />

Bevölkerungszahlen entsprechenden Schlüssel (1 : 10) auf den österreichischen Markt um.<br />

In der Regel werden auch Bestellungen vom Filmverleih - soweit wirtschaftlich s<strong>in</strong>nvoll -<br />

berücksichtigt. Spätestens vier Wochen vor dem Start ist jeder Verleiher <strong>in</strong> der Lage, ihm<br />

vorliegende Bestellungen von K<strong>in</strong>os zu beantworten. Die Zu- oder Absagen erfolgen<br />

üblicherweise formlos <strong>in</strong>nerhalb weniger Tage, manchmal auch Stunden nach E<strong>in</strong>gang der<br />

Bestellung. Spätestens vier Wochen vor dem Startterm<strong>in</strong> wird K<strong>in</strong>obetreibern <strong>in</strong> aller Regel<br />

Bescheid gegeben, ob sie den Film zur Erstaufführung erhalten. Am Montag vor dem<br />

Filmstart, der üblicherweise e<strong>in</strong> Freitag ist, leiten die K<strong>in</strong>ounternehmer um 13 Uhr das ab<br />

Freitag gültige K<strong>in</strong>oprogramm für die Folgewoche an die Medien weiter, damit dieses noch <strong>in</strong><br />

der selben Woche veröffentlicht wird. Dies ist der letztmögliche Zeitpunkt, e<strong>in</strong>en am<br />

darauffolgenden Freitag startenden Film noch <strong>in</strong>s Programm aufzunehmen. Für die<br />

ausreichende Bewerbung des Films im K<strong>in</strong>o mittels Aushangs oder Vorspannfilmen ist aber<br />

e<strong>in</strong>e Ankündigung des Films durch m<strong>in</strong>destens vier Wochen erforderlich.<br />

Wenn e<strong>in</strong> Film zum Startterm<strong>in</strong> von mehr K<strong>in</strong>obetreibern bestellt wird, <strong>als</strong> Startkopien zur<br />

Verfügung stehen, verwenden alle großen Filmverleiher <strong>in</strong>terne „Rank<strong>in</strong>gs", <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e<br />

Rangordnung der K<strong>in</strong>os nach den Umsätzen mit den Filmen aus dem eigenen Verleih gebildet<br />

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wird, um die Belieferungsentscheidung zu treffen. Die Grundlagen dieser Rangfolge werden<br />

dem K<strong>in</strong>ounternehmen nicht offengelegt.<br />

1.5. Verleihpraxis der Antragsgegner<strong>in</strong><br />

Die Filmstarts bei der Antragsgegner<strong>in</strong> erfolgten im Allgeme<strong>in</strong>en mit 20 bis 40 Kopien. Sie<br />

lehnte e<strong>in</strong>e Belieferung von ihr unabhängiger K<strong>in</strong>os zur Erstaufführung immer wieder mit<br />

dem H<strong>in</strong>weis auf die „ger<strong>in</strong>ge Startkopienanzahl" und den Listenplatz ihres <strong>in</strong>ternen<br />

Rank<strong>in</strong>gs, das im Übrigen nicht offengelegt wurde, ab. Sie behandelte ihre „eigenen" K<strong>in</strong>os<br />

bevorzugt. Diese wurden vielfach früher <strong>als</strong> andere mit Werbematerial versorgt und konnten<br />

daher früher beg<strong>in</strong>nen, den Film zu bewerben. Dieser Bevorzugung lag die<br />

Unternehmensstrategie der Antragsgegner<strong>in</strong> zugrunde, die eigenen K<strong>in</strong>os durch Mittel des<br />

Verleihs gezielt zu fördern. <strong>Der</strong> Film „Spy Kids 2" g<strong>in</strong>g am 31. 1. 2003 mit 26 Kopien, von<br />

denen 15 an die K<strong>in</strong>os der Antragsgegner<strong>in</strong> g<strong>in</strong>gen, an den Start. Die Bestellung des SCN<br />

wurde ursprünglich angenommen, später jedoch unter H<strong>in</strong>weis auf die ger<strong>in</strong>ge Kopienanzahl<br />

abgelehnt. Tatsächlich startete der Film <strong>in</strong> allen Wiener Multiplexen der Gruppe der<br />

Antragsgegner<strong>in</strong>, nicht aber im SCN. <strong>Der</strong> Film „Weißer Oleander" startete am 7. 2. 2003 mit<br />

12 Filmkopien, von denen 9 an K<strong>in</strong>os der Antragsgegner<strong>in</strong> geliefert wurden. Drei<br />

Multiplexk<strong>in</strong>os von Mitbewerbern wurden mit der unrichtigen Begründung, dass mit nur 10<br />

Kopien österreichweit gestartet werde, nicht beliefert. H<strong>in</strong>gegen wurden K<strong>in</strong>os der<br />

Antragsgegner<strong>in</strong> beliefert, deren Besucherzahlen h<strong>in</strong>ter denen der nicht belieferten<br />

Mitbewerber lagen.<br />

1.6. E<strong>in</strong>zelfälle<br />

<strong>Der</strong> Film „Lara Croft - Tomb Raider/Die Wiege des Lebens" wurde am 14. 8. 2003 mit 69<br />

Kopien gestartet. Die Antragsgegner<strong>in</strong> weigerte sich, die Multiplexe von Mitbewerbern mit<br />

zwei Kopien zu beliefern, und zwar mit der Begründung, es sei momentan nicht vorgesehen,<br />

mit zwei Kopien an e<strong>in</strong>em Standort zu spielen. In den C<strong>in</strong>eplexx-K<strong>in</strong>os der Antragsgegner<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> L<strong>in</strong>z, Graz, Salzburg und Hohenems wurde vom Start weg e<strong>in</strong>e zweite Kopie e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

<strong>Der</strong> Film „E<strong>in</strong> ungleiches Paar" startete am 19. 9. 2003 mit 21 Kopien. Dieser war mehr <strong>als</strong><br />

sechs Wochen vor dem Start auch für die Mitbewerber Megaplex Gasometer und SCN<br />

bestellt worden. Auf dieser Bestellung wurde <strong>in</strong> der Folge jedoch nicht bestanden, weil die<br />

Antragsgegner<strong>in</strong> mitteilte, der Film werde auch im C<strong>in</strong>eplexx Auhof nicht e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

Mit E-Mail vom 15. 9. 2003, soh<strong>in</strong> vier Tage vor dem Start, bot die Antragsgegner<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Kopie für das SCN mit dem H<strong>in</strong>weis an, dass der Film auch im C<strong>in</strong>eplexx Auhof e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werde. Dies war für das SCN zu spät, weil das Programm für die Woche ab 19. 9. schon an<br />

die Zeitungen weitergegeben worden war.<br />

2. Vorbr<strong>in</strong>gen der Bundeswettbewerbsbehörde<br />

Gestützt auf die vorigen, im Vorverfahren im Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien <strong>als</strong><br />

Kartellgericht vom 28. 4. 2004, 26 Kt 230/02, 26 Kt 93, 94/03, bestätigt durch den Beschluss<br />

des <strong>Oberste</strong>n <strong>Gerichtshof</strong>s vom 4.4.2005, 16 Ok 20/04, getroffenen Feststellungen beantragte<br />

die Bundeswettbewerbsbehörde die Verhängung e<strong>in</strong>er Geldbuße. Dazu brachte sie im<br />

wesentlichen vor, e<strong>in</strong> Filmverleiher sei verpflichtet, se<strong>in</strong>e ablehnende Entscheidung durch<br />

zutreffende und sachliche Argumente zu begründen. Dieser Begründungspflicht wäre durch<br />

den bloßen H<strong>in</strong>weis auf die ger<strong>in</strong>ge Kopienzahl oder auf e<strong>in</strong> unternehmens<strong>in</strong>tern geführtes<br />

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Rank<strong>in</strong>g mit den eigenen Verleihumsätzen nicht genüge getan.<br />

Die Nichtbelieferung des Megaplex Shopp<strong>in</strong>g City Nord mit dem Film „Spy Kids 2" sei<br />

fälschlich damit begründet worden, dass nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Kopienanzahl zur Verfügung stehe<br />

und auch das örtlich konkurrierende Multiplex der Antragsgegner<strong>in</strong> nicht beliefert werde. Die<br />

Belieferung der Multiplexe Shopp<strong>in</strong>g City Nord und Gasometer sei beim Film „Weißer<br />

Oleander" lediglich mit dem Argument der ger<strong>in</strong>gen Kopienanzahl verweigert worden. Die<br />

Wiener Multiplexe der Antragsgegner<strong>in</strong> seien h<strong>in</strong>gegen beliefert worden, obwohl diese bei<br />

den Besucherzahlen h<strong>in</strong>ter bzw gleichauf mit den Multiplexen Shopp<strong>in</strong>g City Nord und<br />

Gasometer lägen.<br />

Weiters habe sich die Antragsgegner<strong>in</strong> geweigert, e<strong>in</strong>er Mitbewerber<strong>in</strong> mehr <strong>als</strong> e<strong>in</strong>e Kopie<br />

des Films „Lara Croft - Tomb Raider" für ihre Multiplexe zur Verfügung zu stellen, was mit<br />

der unrichtigen Begründung gerechtfertigt worden sei, es sei nicht vorgesehen, mit zwei<br />

Kopien an e<strong>in</strong>em Standort zu spielen. Auch bei dem Film „E<strong>in</strong> ungleiches Paar" habe die<br />

Antragsgegner<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Belieferung der Multiplexe Gasometer und Shopp<strong>in</strong>g City Nord mit<br />

dem H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e zu ger<strong>in</strong>ge Anzahl von Startkopien verweigert. Auch die Zusage, dass<br />

eigene K<strong>in</strong>os den Film nicht spielen würden, sei nicht e<strong>in</strong>gehalten worden.<br />

Außerdem habe die Antragsgegner<strong>in</strong> zum Boykott des Burgk<strong>in</strong>os aufgerufen.<br />

3. Vorbr<strong>in</strong>gen der Antragsgegner<strong>in</strong><br />

Die Antragsgegner<strong>in</strong> wandte im Wesentlichen e<strong>in</strong>, es treffe sie ke<strong>in</strong> Verschulden. Zum Film<br />

„Spy Kids 2" wurde vorgebracht, das C<strong>in</strong>eplexx Auhof sei im Kalenderjahr 2003 im Rank<strong>in</strong>g<br />

vor dem Hollywood Megaplex Shopp<strong>in</strong>g City Nord gelegen. <strong>Der</strong> Film sei im C<strong>in</strong>eplexx Wien<br />

Auhof <strong>in</strong> den ersten vier Wochen nur von 1.178 K<strong>in</strong>obesuchern, <strong>in</strong> weiteren sechs Wochen<br />

von zusätzlich 589 K<strong>in</strong>obesuchern gesehen worden, sodass dem Shopp<strong>in</strong>g Center Nord ke<strong>in</strong><br />

nennenswerter wirtschaftlicher Schaden erwachsen sei.<br />

Gleiches gelte auch für den Film „Weißer Oleander". Beim Film „Lara Croft" handle es sich<br />

um das Unterblieben der Belieferung mit e<strong>in</strong>er Zweitkopie. Zudem hätten e<strong>in</strong>zelne K<strong>in</strong>ocenter<br />

von Mitbewerbern über die technische Möglichkeit zur Vorführung e<strong>in</strong>er Filmkopie <strong>in</strong><br />

mehreren K<strong>in</strong>osälen („<strong>in</strong>terlog") verfügt.<br />

Die Startkopien beim Film „E<strong>in</strong> ungleiches Paar" seien kurzfristig frei geworden. Dieser Film<br />

habe nicht e<strong>in</strong>mal die Kopiekosten here<strong>in</strong>spielen können, sodass durch die Nichtbelieferung<br />

des Hollywood-Megaplex Gasometer und des Hollywood-Megaplex Shopp<strong>in</strong>g City Nord ke<strong>in</strong><br />

nennenswerter betriebswirtschaftlicher Nachteil entstanden sei.<br />

Die Orig<strong>in</strong>alfassung des Films „Two Weeks <strong>in</strong> Notice" seien ursprünglich für das Artis K<strong>in</strong>o<br />

und das Haydn K<strong>in</strong>o vorgesehen gewesen. Die Vorgaben des Filmverleihs, der Film dürfe nur<br />

im größten Saal gespielt werden, hätte aber nur für die Dauer e<strong>in</strong>er Woche e<strong>in</strong>gehalten<br />

werden können. Die E<strong>in</strong>räumung von Exklusivzusagen an e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>o sei unüblich.<br />

4. Die Entscheidung des Erstgerichts<br />

Mit dem angefochtenen Beschluss verhängte das Erstgericht e<strong>in</strong>e Geldbuße <strong>in</strong> der Höhe von<br />

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EUR 150.000.<br />

4.1. Ergänzende Feststellungen des Erstgerichtes Im Geldbußenverfahren traf das<br />

Erstgericht ergänzend folgende<br />

Feststellungen: Die Start-Kosten e<strong>in</strong>es Films setzen sich aus den Startwerbekosten, den<br />

Herstellungskosten der Filmkopien von etwa EUR 1.100 bis EUR 1.300 pro Kopie samt<br />

Nebenkosten sowie der „M<strong>in</strong>imum-Garantie" zusammen. Dabei handelt es sich um Kosten,<br />

die der Filmverleiher dem Rechte<strong>in</strong>haber im Vorh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>als</strong> garantierten Erfolgsanteil zu<br />

bezahlen <strong>hat</strong>.<br />

Für die Kalenderjahre 2001 bis 2003 ergibt sich für die im vorliegenden Fall e<strong>in</strong>e Rolle<br />

spielenden K<strong>in</strong>os folgende Rangfolge nach Leihmieterlösen:<br />

01-09/2001<br />

5) L<strong>in</strong>z C<strong>in</strong>eplexx c/o Wien ATS 6,329.458,45<br />

7) Wien C<strong>in</strong>eplexx Palace c/o Wien ATS 5,862.884,58<br />

10) Pasch<strong>in</strong>g Hollyw Megaplex L<strong>in</strong>z-Pasch<strong>in</strong>g ATS 4,165.180,76<br />

11) Wien Hollyw Megaplex im DX Wien ATS 3,442.137,95<br />

30) Wien C<strong>in</strong>eplexx Auhof Wien ATS 1,032.775,67<br />

34) Wien Hollyw Megaplex SCN Wien ATS 911.358,08<br />

Das Rank<strong>in</strong>g unter Berücksichtigung der umsatzstarken Monate Oktober bis Dezember 2001<br />

kann - mangels Vorlage von Urkunden durch die Antragsgegner<strong>in</strong> - nicht festgestellt werden.<br />

2002<br />

6) L<strong>in</strong>z C<strong>in</strong>eplexx Wien EUR 293.644,38<br />

8) Pasch<strong>in</strong>g Hollyw Megaplex L<strong>in</strong>z-Pasch<strong>in</strong>g EUR 212.699,29<br />

10) Wien Hollyw Megaplex im DX Wien EUR 171.166,97<br />

11) Wien C<strong>in</strong>eplexx Palace Wien EUR 166.680,68<br />

19) Wien C<strong>in</strong>eplexx Auhof Wien EUR 87.312,11<br />

24) Wien Artis Ing. C<strong>in</strong>ema Wien EUR 80.911,52<br />

37) Wien Hollyw Megaplex im SCN Wien EUR 43.492,82<br />

63) Wien English C<strong>in</strong>ema Haydn Wien EUR 16.214,79<br />

118) Wien Burg-K<strong>in</strong>o Wien EUR 3.144,06<br />

2003<br />

5) L<strong>in</strong>z C<strong>in</strong>eplexx EUR 131.730,28<br />

8) Pasch<strong>in</strong>g Hollyw Megaplex L<strong>in</strong>z-Pasch<strong>in</strong>g EUR 97.539,64<br />

12) Wien Hollyw Megaplex im DX Wien EUR 83.063,64<br />

14) Wien-C<strong>in</strong>eplexx Wienerberg Wien EUR 70.646,51<br />

15) Wien-C<strong>in</strong>eplexx Palace Wien EUR 69.883,59<br />

18) Wien Hollyw Megaplex Gasometer Wien EUR 53.051,64<br />

23) Wien C<strong>in</strong>eplexx Auhof Wien EUR 42.902,31<br />

34) Wien Hollyw Megaplex im SCN Wien EUR 25.070,27<br />

Den für die Antragsgegner<strong>in</strong> Handelnden war die marktbeherrschende Stellung der<br />

Antragsgegner<strong>in</strong> <strong>als</strong> Verleiher<strong>in</strong> von erstmalig im Inland <strong>in</strong> die K<strong>in</strong>os kommenden Filmen des<br />

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Mittelsegments bekannt. Es war ihnen auch klar, dass Multiplex-K<strong>in</strong>os regelmäßig e<strong>in</strong>e<br />

Vielzahl attraktiver, verschiedenartiger Filme („Film-Mix") benötigten, um ihre m<strong>in</strong>destens<br />

acht Le<strong>in</strong>wände breitenwirksam bespielen zu können.<br />

<strong>Der</strong> Bevorzugung der eigenen K<strong>in</strong>os lag die bewusste Unternehmensstrategie der<br />

Antragsgegner<strong>in</strong> zugrunde, die eigenen K<strong>in</strong>os durch die Mittel des Filmverleihs zu stärken.<br />

<strong>Der</strong> Film „Spy Kids 2" zog durchschnittlich nur acht zahlende Besucher pro Vorstellung an.<br />

Zum Zeitpunkt des Filmstarts am 31. 1. 2003 lag das Auhofk<strong>in</strong>o an 19. Position des Rank<strong>in</strong>gs<br />

der Antragsgegner<strong>in</strong>, das C<strong>in</strong>eplexx Palace an 11. Stelle und das Megaplex Shopp<strong>in</strong>g City<br />

Nord an 37. Stelle. Dieses Rank<strong>in</strong>g wurde erstm<strong>als</strong> im Geldbußenverfahren offengelegt.<br />

<strong>Der</strong> Film „Weißer Oleander" war e<strong>in</strong> sogenannter „Vertriebs-Film", den die Antragsgegner<strong>in</strong><br />

nur zum Vertrieb und zur Verrechnung übernahm. Die Aufführungsrechte blieben beim<br />

Lizenzgeber, der auch das wirtschaftliche Risiko trug. Über Umsatz- und Gew<strong>in</strong>nzahlen<br />

konnten ke<strong>in</strong>e Feststellungen getroffen werden.<br />

Beim Film „Lara Croft - Tomb Raider/Die Wiege des Lebens" wurde das Megaplex Pasch<strong>in</strong>g<br />

von der Antragsgegner<strong>in</strong> nicht mit der bestellten zweiten Kopie beliefert. Es wäre dem<br />

Megaplex Pasch<strong>in</strong>g technisch möglich gewesen, mit e<strong>in</strong>er Kopie den Film <strong>in</strong> zwei K<strong>in</strong>osälen<br />

zu zeigen. Es wäre allerd<strong>in</strong>gs nicht möglich gewesen (und alle<strong>in</strong> darauf kommt es an), den<br />

Film zeitversetzt gleichzeitig <strong>in</strong> zwei K<strong>in</strong>osälen zu zeigen.<br />

<strong>Der</strong> Film „E<strong>in</strong> ungleiches Paar" war ke<strong>in</strong> wirtschaftlicher Erfolg und spielte nicht e<strong>in</strong>mal die<br />

Kopiekosten here<strong>in</strong>.<br />

Das Burg-K<strong>in</strong>o bespielt zwei Säle mit fremdsprachigen Filmen <strong>in</strong> Orig<strong>in</strong>alversion. Die<br />

unmittelbaren Konkurrenten s<strong>in</strong>d die der Antragsgegner<strong>in</strong> zuzurechnenden „Haydn-K<strong>in</strong>o" und<br />

„Artis"-K<strong>in</strong>o sowie das „De France-K<strong>in</strong>o", die ebenfalls fremdsprachige Filme <strong>in</strong><br />

Orig<strong>in</strong>alfassung ohne Untertitel spielen.<br />

Vertreter der Antragsgegner<strong>in</strong> haben den Verleiher des Films „Two Weeks <strong>in</strong> Notice", der<br />

Anfang 2003 aufgeführt wurde, nicht aufgerufen, das Burgk<strong>in</strong>o mit der Belieferung dieses<br />

Films zu boykottieren.<br />

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Antragsgegner<strong>in</strong> e<strong>in</strong>schließlich der<br />

konzernverbundenen Unternehmen stellt sich wie folgt dar:<br />

Umsatz Jahresgew<strong>in</strong>n<br />

2002 73 Mio EUR 6,048.000 EUR<br />

2003 64 Mio EUR 163.000 EUR<br />

2004 80 Mio EUR 3,040.000 EUR<br />

<strong>Der</strong> konsolidierte Konzernumsatz für das Geschäftsjahr 2004 betrug EUR 68 Mio.<br />

4.2. Rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes<br />

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dah<strong>in</strong>gehend, dass nach § 142 Z 1 lit b<br />

KartG auf Antrag e<strong>in</strong>er Amtspartei e<strong>in</strong>e Geldbuße <strong>in</strong> Höhe von EUR 10.000 bis EUR 1 Mio<br />

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oder über diesen Betrag h<strong>in</strong>aus bis zu 10 % der vom Unternehmer im letzten Geschäftsjahr<br />

erzielten weltweiten Umsatzerlöse aufzuerlegen sei, wenn der Unternehmer se<strong>in</strong>e<br />

marktbeherrschende Stellung missbrauche. Die Rechtsnatur der Geldbuße im S<strong>in</strong>ne dieser<br />

Bestimmung sei nicht e<strong>in</strong>deutig bestimmbar (unter Berufung auf Rosbaud, Das<br />

Kartellstrafrecht ist tot! Lang lebe das „Kartellstrafrecht!", JBl 2003, 907 ff).<br />

Die Verhängung e<strong>in</strong>er Krim<strong>in</strong><strong>als</strong>trafe über e<strong>in</strong> Unternehmen würde nach dem<br />

Verbandsverantwortlichkeitsgesetz Feststellungen über die <strong>in</strong>nere Tatseite von<br />

Entscheidungsträgern und Mitarbeitern voraussetzen. Weil es sich jedoch um ke<strong>in</strong><br />

Krim<strong>in</strong><strong>als</strong>trafrecht im engeren S<strong>in</strong>n handle, sei es für die Verhängung e<strong>in</strong>er Geldbuße<br />

ausreichend, wenn festgestellt werden könne, dass handlungsbefugte natürliche Personen<br />

Verhalten, das vom Kartellgesetz mit Geldbußen bewehrt sei, setzten, ohne dass es darauf<br />

ankäme, diese Personen namentlich zu <strong>in</strong>dividualisieren. Dass die Antragsgegner<strong>in</strong> ihre<br />

marktbeherrschende Stellung iSd § 35 KartG auch <strong>in</strong> Ansehung der Filme „Spy Kids 2",<br />

„Weißer Oleander", „Lara Croft" und „E<strong>in</strong> ungleiches Paar" missbraucht habe, stehe nach der<br />

Vorentscheidung fest und sei im Geldbußenverfahren nicht neuerlich aufzurollen. Die<br />

objektive Tatbestandsmäßigkeit ihres Verhaltens werde von der Antragsgegner<strong>in</strong> auch nicht<br />

<strong>in</strong> Zweifel gezogen. In subjektiver H<strong>in</strong>sicht sei von vorsätzlichem Handeln der<br />

Entscheidungsträger der Antragsgegner<strong>in</strong> auszugehen. Letztlich spreche auch der<br />

Fortsetzungszusammenhang ähnlicher Handlungen über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum für e<strong>in</strong><br />

strategisches - und somit vorsätzliches - Vorgehen der Entscheidungsträger der<br />

Antragsgegner<strong>in</strong>. Die vor dem 1. 7. 2002 gesetzten Handlungen könnten zwar nicht mit<br />

Geldbuße belegt werden, sie ließen jedoch wegen der langen Dauer fortgesetzter,<br />

gleichgelagerter Handlungen auf die subjektive Tatseite der Entscheidungsträger schließen.<br />

<strong>Der</strong> E<strong>in</strong>wand der Antragsgegner<strong>in</strong>, <strong>in</strong> der Vorentscheidung sei von der Rechtsprechung<br />

abgegangen worden und e<strong>in</strong>e bis dah<strong>in</strong> nicht judizierte Marktabgrenzung vorgenommen<br />

worden, sei <strong>als</strong> E<strong>in</strong>wand e<strong>in</strong>es vorsatzausschließenden Tatbildirrtums zu verstehen. E<strong>in</strong><br />

allfälliger vorsatzausschließender Tatbildirrtum würde nicht notwendigerweise zu e<strong>in</strong>er<br />

Abweisung des Geldbußenantrages führen, weil auch die fahrlässige Verwirklichung des<br />

Geldbußen-Tatbestandes zur Verhängung e<strong>in</strong>er Geldbuße führen könne; die Schuldform beim<br />

Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung (vorsätzlich oder fahrlässige Begehung) habe<br />

grundsätzlich nur Auswirkungen auf die Höhe der zu bemessenden Geldbuße.<br />

E<strong>in</strong> Tatbildirrtum liege jedoch nach den Feststellungen nicht vor. <strong>Der</strong> E<strong>in</strong>wand, die<br />

Antragsgegner<strong>in</strong> habe die Berufung auf <strong>in</strong>terne Rank<strong>in</strong>gs nach Verleihumsätzen für<br />

rechtmäßig gehalten, sei <strong>als</strong> E<strong>in</strong>wand fehlenden Unrechtsbewusstse<strong>in</strong>s (vgl § 9 StGB) zu<br />

werten. Hiefür sei nicht die genaue Kenntnis der entsprechenden Verbotsnorm erforderlich,<br />

sondern lediglich das Wissen der Handelnden vom Unwertgehalt der Handlung im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>er „Parallelwertung <strong>in</strong> der Laiensphäre". Es genüge, dass die Handelnden die<br />

marktbeherrschende Stellung des eigenen Unternehmens zum Nachteil der Mitbewerber<br />

bewusst e<strong>in</strong>setzten. Dass die Antragsgegner<strong>in</strong> ihre Marktmacht durch bewusste<br />

Benachteiligungen der Mitbewerber am nachgelagerten K<strong>in</strong>omarkt ausnützte, sei schon <strong>in</strong> der<br />

Vorentscheidung festgestellt worden. Dies reiche für die Annahme von Unrechtsbewusstse<strong>in</strong><br />

aus; die Kenntnis der Sanktionierbarkeit dieses Verhaltens sei nicht Gegenstand des<br />

Unrechtsbewusstse<strong>in</strong>s (Ste<strong>in</strong><strong>in</strong>ger <strong>in</strong> Salzburger Kommentar zum StGB4 § 9 Rz 10 f).<br />

Die Geldbuße sei gemäß § 143 KartG nach den Kriterien der Schwere und Dauer der<br />

Verletzung, der durch die Rechtsverletzung erzielten Bereicherung, dem Grad des<br />

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Verschuldens und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu bemessen.<br />

Nach den Leitl<strong>in</strong>ien der Europäischen Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von<br />

Geldbußen (Amtsblatt 1998 Nr C 9/3) sei bei der Bemessung von Geldbußen zunächst nach<br />

Maßgabe der Schwere und Dauer des Verstoßes e<strong>in</strong> Grundbetrag zu errechnen, der dann bei<br />

erschwerenden Umständen erhöht und bei mildernden Umständen gemildert werden könne.<br />

Wenngleich diese Leitl<strong>in</strong>ien für das Kartellgericht nicht b<strong>in</strong>dend seien, überzeugten deren<br />

Grundgedanken, nach denen die Kriterien der Schwere und Dauer der Verletzung besonders<br />

<strong>in</strong>s Gewicht fielen.<br />

Die der Antragsgegner<strong>in</strong> anzulastenden Handlungen stellten m<strong>in</strong>derschwere Verstöße im<br />

S<strong>in</strong>ne der zitierten Leitl<strong>in</strong>ien dar, weil die <strong>in</strong> vertikaler Verb<strong>in</strong>dung des Verleihunternehmens<br />

der Antragsgegner<strong>in</strong> zu den K<strong>in</strong>os der Antragsgegner<strong>in</strong> stattgefunden habenden<br />

Bevorzugungen zu ke<strong>in</strong>en im Verfahren festgestellten umfassenden Auswirkungen am<br />

betroffenen Markt geführt hätten. Die Verstöße seien dennoch geeignet, die Interessen der<br />

Antragsgegner<strong>in</strong> effizient gegen deren Mitbewerber am K<strong>in</strong>omarkt durchzusetzen. Die<br />

Verstöße ereigneten sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zeitraum von kurzer Dauer, weil die vor dem 1. 7. 2002<br />

festgestellten Missbrauchshandlungen wegen des Rückwirkungsverbotes nicht berücksichtigt<br />

werden könnten und Handlungen nach dem 31. 12. 2003 nicht berücksichtigt wurden.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs sei die Dauer der Rechtsverletzung nur von untergeordneter Bedeutung, weil es<br />

nicht um e<strong>in</strong>e, sondern um mehrere Missbrauchshandlungen gehe.<br />

Das Zumessungskriterium der Bereicherung bleibe im vorliegenden Fall neutral, weil ke<strong>in</strong>e<br />

Bereicherung vorliege.<br />

In Anbetracht der erheblichen Gew<strong>in</strong>ne und des Umsatzes der Antragsgegner<strong>in</strong> ersche<strong>in</strong>e die<br />

Verhängung e<strong>in</strong>er Geldbuße von EUR 150.000 (rund 2,2 % der höchstmöglichen Geldbuße)<br />

<strong>als</strong> angemessen. Es solle jedoch ke<strong>in</strong> Zweifel daran gelassen werden, dass das Kartellgericht<br />

bereit sei, dem pönalen Charakter der Geldbuße im Wiederholungsfall durch die Verhängung<br />

wesentlich höherer Geldbußen Rechnung zu tragen.<br />

5. Zum Rekurs<br />

5.1. Parteienanträge<br />

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragsgegner<strong>in</strong> mit dem Antrag, ke<strong>in</strong>e<br />

Geldbuße aufzuerlegen bzw - hilfsweise - diese bloß mit EUR 10.000 festzusetzen.<br />

Die Bundeswettbewerbsbehörde <strong>hat</strong> e<strong>in</strong>e Rekursbeantwortung e<strong>in</strong>gebracht und beantragt,<br />

dem Rekurs nicht Folge zu geben. <strong>Der</strong> Rekurs ist nicht berechtigt.<br />

5.2. Übergangsrecht<br />

Rechtssatz<br />

Vorweg ist festzuhalten, dass nach der ausdrücklichen Übergangsbestimmung des § 90 Z 2 lit<br />

d KartG 2005 Anträge auf Verhängung von Geldbußen nach § 142 KartG 1988 nach den<br />

Bestimmungen des KartG 1988 fortzusetzen s<strong>in</strong>d.<br />

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5.3. Verfahrensgegenstand und Feststellungsrügen<br />

Soweit sich die Rekurswerber<strong>in</strong> gegen die Berücksichtigung von vor dem 1. 7. 2002<br />

stattgefundenen Vorfällen wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass das Erstgericht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Entscheidung die Verhängung der Geldbuße ohnedies ausdrücklich nur auf nach dem 1. 7.<br />

2002 stattgefundene Fälle gestützt <strong>hat</strong>. Das diesbezügliche Rekursvorbr<strong>in</strong>gen geht soh<strong>in</strong> <strong>in</strong>s<br />

Leere. Das Rückwirkungsverbot des Art 7 MRK schließt jedoch ke<strong>in</strong>eswegs aus, dass das<br />

Erstgericht auf der Tatsachenebene im Wege von Schlussfolgerungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />

gesetzte Verhaltensweisen der Antragsgegner<strong>in</strong> <strong>als</strong> Indiz für das Vorliegen e<strong>in</strong>er umfassenden<br />

Strategie der Antragsgegner<strong>in</strong>, eigene K<strong>in</strong>os durch die Verleihpraxis gezielt gegenüber<br />

Mitbewerbern zu begünstigen, heranzieht. Die Richtigkeit der vom Erstgericht getroffenen<br />

Tatsachenfeststellungen kann - wie <strong>in</strong> der Vorentscheidung 16 Ok 20/04 (= ÖBl-LS<br />

2005/177) e<strong>in</strong>gehend begründet wurde - im Kartellverfahren vom <strong>Oberste</strong>n <strong>Gerichtshof</strong> nicht<br />

überprüft werden.<br />

Inwieweit dieser Grundsatz auch im Geldbußeverfahren une<strong>in</strong>geschränkt aufrecht zu erhalten<br />

ist, braucht im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden, zumal die Rekurswerber<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e<br />

stichhaltigen Bedenken gegen die Feststellungen des Erstgerichts aufzuzeigen vermag.<br />

<strong>Der</strong> im Rekurs vertretene Standpunkt, der Film „Lara Croft - Tomb Raider" sei nicht<br />

Gegenstand des Bußgeldverfahrens, ist aktenwidrig. Vielmehr <strong>hat</strong> die<br />

Bundeswettbewerbsbehörde <strong>in</strong> ihrem Schriftsatz vom 15. 7. 2005 (ON 31) ausdrücklich auch<br />

den Film „Lara Croft" zum Gegenstand ihres Antrags auf Verhängung e<strong>in</strong>es Bußgeldes<br />

gemacht (vgl <strong>in</strong>sbes S 5 <strong>in</strong> ON 31 = AS 339/II). Wenngleich dieser Film nach der<br />

festgestellten Anzahl der Startkopien oberhalb des eigentlichen „mittleren Segments"<br />

angesiedelt ist, <strong>hat</strong> doch die Antragsgegner<strong>in</strong> im Verfahren erster Instanz trotz e<strong>in</strong>gehender<br />

Prüfung und Erörterung der sich auf diesen Film beziehenden Vorwürfe der<br />

Bundeswettbewerbsbehörde nicht substantiiert bestritten (vgl auch § 33 Abs 1 iVm § 199<br />

AußStrG), dass ihr (auch) <strong>in</strong> diesem Bereich marktbeherrschende Stellung zukomme. Auch<br />

im Rekurs wird nicht behauptet, dass sich die Marktposition der Antragsgegner<strong>in</strong> <strong>in</strong>sofern <strong>in</strong><br />

relevanter Weise von derjenigen <strong>in</strong>nerhalb des „mittleren Segments" unterscheide. Die<br />

diesbezüglich im Rekurs vertretene, ausschließlich formale Argumentation, dieser Film sei<br />

nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen, trifft nach dem Gesagten nicht zu.<br />

Den Film „The Passion of Christ" <strong>hat</strong> das Erstgericht im H<strong>in</strong>blick auf die diesbezügliche<br />

Rückziehung des Strafantrags durch die Bundeswettbewerbsbehörde (S 2 <strong>in</strong> ON 43 = AS<br />

489/II) ohnedies nicht bei der Festsetzung der Geldbuße berücksichtigt (vgl S 22 und 41 des<br />

angefochtenen Beschlusses). Gleiches gilt für den Film „Bandits", der vom Erstgericht zwar<br />

<strong>in</strong> den Feststellungen erwähnt, aber der Geldbußenverhängung nicht zugrundegelegt wurde<br />

(vgl S 41 des angefochtenen Beschlusses).<br />

<strong>Der</strong> Umstand, dass das Erstgericht teilweise auf Feststellungen der Vorentscheidung verweist,<br />

begründet ke<strong>in</strong>e Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Dadurch wird die Überprüfung der<br />

angefochtenen Entscheidung <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise bee<strong>in</strong>trächtigt, zumal wesentliche Elemente<br />

dieser Entscheidung vom Erstgericht sogar wörtlich wiedergegeben werden. Von e<strong>in</strong>em<br />

„pauschalen Verweis" auf Feststellungen der Vorentscheidung kann daher den<br />

Rekursvorbr<strong>in</strong>gen zuwider ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>. Die im Rekurs erhobene Behauptung, es fehle<br />

„schon an objektiven Tatsachensubstrat, aus welchem auf die subjektive Tatseite geschlossen<br />

werden kann", negiert die detaillierten und m<strong>in</strong>utiösen Feststellungen des Erstgerichtes.<br />

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Die Behauptung, die Antragsgegner<strong>in</strong> verfüge über ke<strong>in</strong>e marktbeherrschende Stellung im<br />

„mittleren Segment", steht im Widerspruch zu den ausdrücklich vom Erstgericht getroffenen<br />

Feststellungen. Das Erstgericht <strong>hat</strong> die marktbeherrschende Stellung der Antragsgegner<strong>in</strong><br />

vielmehr durch Verweis auf die Vorentscheidung und durch ergänzende Feststellungen zum<br />

Missbrauch durch die Antragsgegner<strong>in</strong> (S 32 der Beschlussausfertigung) festgestellt und<br />

durch umfassende Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung e<strong>in</strong>gehend begründet (S 39<br />

der Beschlussausfertigung). Die Richtigkeit dieser dem Tatsachenbereich zuzuordnenden<br />

Erwägungen können vom <strong>Oberste</strong>n <strong>Gerichtshof</strong> im Kartellverfahren nicht überprüft werden.<br />

<strong>Der</strong> behauptete Widerspruch zwischen den Feststellungen auf S 20 und 32 liegt nicht vor.<br />

Zunächst bezieht sich die Feststellung auf S 20 auf die Besucherzahlen, die Feststellungen auf<br />

S 32 h<strong>in</strong>gegen auf die entsprechenden Leihmieterlöse. Außerdem liegen den jeweiligen<br />

Feststellungen unterschiedliche Zeiträume zugrunde. Während die Feststellungen auf S 20 des<br />

angefochtenen Beschlusses ausschließlich die Laufzeit des Films „Weißer Oleander" zum<br />

Gegenstand haben, beziehen sich die Feststellungen auf S 32 auf das gesamte Jahr 2003.<br />

Außerdem lag auch bei Zugrundelegung der auf S 32 angeführten Zahlen zum<strong>in</strong>dest das von<br />

e<strong>in</strong>em Mitbewerber betriebene Megaplex Donauplex deutlich vor den - im Gegensatz zu den<br />

K<strong>in</strong>os der Mitbewerber - belieferten K<strong>in</strong>os der Antragsgegner<strong>in</strong>. Für die - von der<br />

Rekurswerber<strong>in</strong> ohneh<strong>in</strong> ausdrücklich nur <strong>als</strong> „theoretisch" bezeichnete - Möglichkeit, dass<br />

das nach den Feststellungen des Erstgerichtes mit dem Film „Weißer Oleander" nicht<br />

belieferte, nicht namentlich angeführte dritte K<strong>in</strong>o (neben dem ausdrücklich angeführten<br />

Megaplex Gasometer und Megaplex Donauplex) nicht mit der Antragsgegner<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

Wettbewerb stehe, bietet der Sachverhalt nicht den ger<strong>in</strong>gsten Anhaltspunkt.<br />

Dass die Rekurswerber<strong>in</strong> die Ausführungen des Erstgerichtes <strong>als</strong> „unbeachtlich" und ihrer<br />

Auffassung nach nicht ausreichend konkret ansieht, vermag ebensowenig e<strong>in</strong>e<br />

Mangelhaftigkeit der Feststellungen des Erstgerichtes aufzuzeigen wie der von der<br />

Rekurswerber<strong>in</strong> erhobene, der Sache nach jedoch jeder Berechtigung entbehrende Vorwurf,<br />

das Erstgericht verstoße gegen „Denkgesetze der Logik". Dass die Gew<strong>in</strong>nung von<br />

tatsächlichen Schlussfolgerungen aus vor dem 1. 7. 2002 gesetzten Verhaltensweisen mit dem<br />

Rückwirkungsverbot des Art 7 MRK nichts zu tun <strong>hat</strong>, wurde bereits ausgeführt.<br />

5.4. Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung<br />

H<strong>in</strong>sichtlich der Qualifikation der festgestellten Verhaltensweisen der Antragsgegner<strong>in</strong> <strong>als</strong><br />

Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung kann auf die zutreffenden Ausführungen des<br />

Erstgerichtes verwiesen werden (§ 60 Abs 2 AußStrG). Dass der Antragsgegner<strong>in</strong> im hier <strong>in</strong><br />

Rede stehenden (Teil-)Markt marktbeherrschende Stellung zukommt, wurde vom <strong>Oberste</strong>n<br />

<strong>Gerichtshof</strong> bereits <strong>in</strong> der Vorentscheidung 16 Ok 20/04 ausgesprochen. Die <strong>in</strong>soweit<br />

maßgebliche Tatsachengrundlage <strong>hat</strong> durch das vom Erstgericht nunmehr durchgeführte<br />

ergänzende Beweisverfahren ke<strong>in</strong>e relevanten Änderungen erfahren. <strong>Der</strong> Verweis der<br />

Rekurswerber<strong>in</strong> auf die Beweislastregel des § 34 Abs 1a Z 1 KartG geht <strong>in</strong>s Leere, weil das<br />

Erstgericht ke<strong>in</strong>e Beweislastentscheidung gefällt <strong>hat</strong>, sondern positive Feststellungen<br />

getroffen <strong>hat</strong>.<br />

Die Lieferverweigerung gegenüber den Mitbewerbern erfolgte nach den Feststellungen des<br />

Erstgerichts durchwegs ohne sachliche, das heißt nachvollziehbare bzw zutreffende<br />

Begründung, während die örtlich konkurrierenden K<strong>in</strong>os der Antragsgegner<strong>in</strong> beliefert<br />

wurden, obwohl deren Umsatzzahl nach den Feststellungen des Erstgerichtes teilweise<br />

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deutlich unter denen von Mitbewerbern lagen. Im Übrigen vermag die nachträgliche<br />

Offenlegung <strong>in</strong>terner Rank<strong>in</strong>gs erstm<strong>als</strong> im Rahmen des Geldbußenverfahrens e<strong>in</strong>e<br />

entsprechende Begründung e<strong>in</strong>er Lieferverweigerung nicht zu ersetzen. Beim Film „Spy Kids<br />

2" ist zudem auch unter Zugrundelegung der von Antragsgegner<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrem Rekurs<br />

angeführten Zahlen davon auszugehen, dass rund 58 % der zur Verfügung stehenden<br />

Startkopien an K<strong>in</strong>os der Gruppe der Antragsgegner<strong>in</strong> geliefert wurden, sodass nur rund 42 %<br />

für Mitbewerber zur Verfügung standen.<br />

Entgegen der Rechtsansicht der Rekurswerber<strong>in</strong> zeigt auch die Vorgangsweise der<br />

Antragsgegner<strong>in</strong> beim Film „E<strong>in</strong> ungleiches Paar" e<strong>in</strong>e gezielte Ausnutzung ihrer<br />

marktbeherrschenden Stellung, weil das Zurverfügungstehen e<strong>in</strong>er entsprechenden Filmkopie<br />

derart kurzfristig mitgeteilt wurde, dass für e<strong>in</strong>e entsprechende Bewerbung des Films ke<strong>in</strong><br />

Raum blieb. In Anbetracht der zwangsläufig erforderlichen Vorlaufzeiten ersche<strong>in</strong>t es auch<br />

geradezu denkunmöglich, dass der Antragsgegner<strong>in</strong> nicht früher bekannt war, dass dieser<br />

Film <strong>in</strong> ihrem eigenen C<strong>in</strong>eplexxcenter <strong>in</strong> Auhof e<strong>in</strong>gesetzt werden würde. Gerade die -<br />

unrichtige - Angabe, die Antragsgegner<strong>in</strong> werde diesen Film im C<strong>in</strong>eplexx Auhof nicht<br />

zeigen, war aber nach den Feststellungen der Grund dafür, dass die Mitbewerber<strong>in</strong> nicht auf<br />

ihrer Bestellung für die Megaplexk<strong>in</strong>os Gasometer und Shopp<strong>in</strong>g Center Nord beharrte.<br />

Auch von e<strong>in</strong>er - gegebenenfalls auf der Ebene der Strafbemessung zu berücksichtigenden -<br />

Änderung der Rechtsprechung kann im vorliegenden Zusammenhang ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>. Nach<br />

den - e<strong>in</strong>er Überprüfung durch den <strong>Oberste</strong>n <strong>Gerichtshof</strong> nicht zugänglichen - Feststellungen<br />

des Erstgerichtes war vielmehr den für die Antragsgegner<strong>in</strong> handelnden Personen während<br />

des gesamten Tatzeitraums ihre marktbeherrschende Stellung durchwegs bewusst. Lediglich<br />

am Rande sei angemerkt, dass die Antragsgegner<strong>in</strong> ihr Verhalten teilweise auch nach<br />

Anhängigkeit e<strong>in</strong>es entsprechenden Missbrauchsverfahrens fortgesetzt <strong>hat</strong>.<br />

5.5. Zur Höhe der Geldbuße<br />

Auch die Bemessung der Geldbuße durch das Erstgericht ist nicht zu beanstanden. <strong>Der</strong><br />

<strong>Oberste</strong> <strong>Gerichtshof</strong> billigt die diesbezügliche rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes sowohl<br />

im Ergebnis <strong>als</strong> auch <strong>in</strong> der methodischen Ableitung, sodass une<strong>in</strong>geschränkt darauf<br />

verwiesen werden kann (§ 60 Abs 2 Satz 2 AußStrG). Von e<strong>in</strong>er „unreflektierten"<br />

Vorgangsweise des Erstgerichts kann - entgegen den Rekursausführungen - <strong>in</strong> Anbetracht der<br />

ausführlichen und sorgfältigen Entscheidungsbegründung ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>.<br />

Die Geldbuße nach der KartGNov 2002 ist e<strong>in</strong>e Neuerung im österreichischen Recht. Sie<br />

dient nicht nur <strong>als</strong> Beugemittel der Erzw<strong>in</strong>gung gebotener Handlungen, sondern verfolgt nach<br />

der Lehre (Rosbaud, Das Kartellstrafrecht ist tot! Lang lebe das „Kartellstrafrecht"! Zur<br />

Rechtsnatur der Geldbuße nach § 142 Z 1 KartG idF KartG-Novelle 2002, JBl 2003, 907 ff;<br />

Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht, 56) auch den Zweck, begangenes Unrecht zu ahnden<br />

(Repression) und der Begehung weiterer Zuwiderhandlungen vorzubeugen (Prävention).<br />

Damit weist sie die typischen Merkmale e<strong>in</strong>er Strafe auf (Rosbaud aaO 926 spricht von e<strong>in</strong>er<br />

„zivilrechtlichen Strafe"). Dieser Auffassung <strong>hat</strong> sich der <strong>Oberste</strong> <strong>Gerichtshof</strong> <strong>in</strong> der<br />

Entscheidung 16 Ok 52/05 angeschlossen.<br />

§ 143 KartG sieht vor, dass bei der Bemessung der Geldbuße <strong>in</strong>sbesondere auf die Schwere<br />

und Dauer der Rechtsverletzung, auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung,<br />

auf den Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen<br />

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<strong>Oberste</strong> <strong>Gerichtshof</strong>, <strong>Rekursgericht</strong> <strong>in</strong> Kartellrechtssachen, 26 June 2006, Case 16 Ok 3/06, Constant<strong>in</strong><br />

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ist. Das Erstgericht <strong>hat</strong> sich ausführlich mit diesen Bemessungskriterien ause<strong>in</strong>andergesetzt.<br />

Die Rekurswerber<strong>in</strong> vermag es nicht, e<strong>in</strong>en wesentlichen Rechtsirrtum <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang aufzuzeigen (vgl 16 Ok 21/04).<br />

Zusammenfassend läuft die weitwendige Argumentation der Rekurswerber<strong>in</strong> darauf h<strong>in</strong>aus,<br />

ihre mehrfach wiederholten und systematisch fortgesetzten Missbrauchshandlungen, die Teil<br />

e<strong>in</strong>er gezielten Unternehmensstrategie der Antragsgegner<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d, <strong>als</strong> „außerordentlich<br />

ger<strong>in</strong>gen" Wettbewerbsverstoß darzustellen. Dass diese Auffassung <strong>in</strong> Anbetracht der<br />

Vielzahl von Verletzungshandlungen und der diesen zugrunde liegenden zielgerichteten und<br />

planmäßigen Absicht nicht zutrifft, <strong>hat</strong> bereits das Erstgericht überzeugend dargelegt. Aus<br />

diesem Grund ist das Argument der Rekurswerber<strong>in</strong>, es sei von e<strong>in</strong>em - der österreichischen<br />

Rechtsordnung im Übrigen <strong>in</strong> dieser Form fremden - „Grundbetrag" von EUR 1.000<br />

auszugehen, schon im Ansatz verfehlt.<br />

Zudem verkennt die Rekurswerber<strong>in</strong>, dass nach den - ihrer Ansicht nach <strong>als</strong> Orientierung<br />

heranzuziehenden - Leitl<strong>in</strong>ien der Europäischen Kommission (Mitteilung der Kommission -<br />

Leitl<strong>in</strong>ien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Art 15 Abs 2 der VO<br />

Nr 17 und gem Art 65 Abs 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, ABl C 9 vom 14. 1. 1998, S<br />

3 ff) der „Grundbetrag" der Geldbuße <strong>in</strong> m<strong>in</strong>der schweren Fällen zwischen EUR 1.000,- und<br />

EUR 1 Million, soh<strong>in</strong> immerh<strong>in</strong> nahezu das Siebenfache der tatsächlich verhängten Geldbuße,<br />

beträgt (Punkt 1 A der zitierten Leitl<strong>in</strong>ien). Die von der Rekurswerber<strong>in</strong> <strong>in</strong> Anlehnung der<br />

Term<strong>in</strong>ologie der zitierten Leitl<strong>in</strong>ien mehrfach hervorgehobene „kurze" Dauer des Verstoßes<br />

von weniger <strong>als</strong> e<strong>in</strong>em Jahr (vgl Punkt 1 B der Leitl<strong>in</strong>ien) bedeutet lediglich, dass der<br />

Grundbetrag nicht zu erhöhen ist (vgl EuGH vom 28. 6. 2005, Dansk Ror<strong>in</strong>dustri<br />

ua/Kommission, Slg 2005 Seite I-05425, Tz 228).<br />

Warum die Geldbuße trotz der planmäßig und systematisch begangenen Verstöße an der<br />

Untergrenze dieses Rahmens auszumessen se<strong>in</strong> soll, ist schlicht unerf<strong>in</strong>dlich. Damit könnte<br />

die kartellrechtliche Geldbuße die ihr nach dem Willen des Gesetzgebers zukommende<br />

Präventionsfunktion (vgl ErläutRV 1005 BlgNR 21. GP 32) auch nicht annähernd erfüllen.<br />

Dass die Geldbuße auch e<strong>in</strong>en Präventionszweck erfüllt, entspricht auch der Rechtsprechung<br />

des Europäischen <strong>Gerichtshof</strong>s (Urteil vom 14. 5. 1998, Rs T-327/94 - SCA/Kommission, Tz<br />

168), worauf im Übrigen auch der von der Rekurswerber<strong>in</strong> zur Stützung ihrer Argumentation<br />

herangezogene, <strong>in</strong>soweit jedoch nicht zitierte Aufsatz von Deselaers (Uferlose Geldbußen bei<br />

Kartellverstößen nach der neuen 10 % Umsatzregel des § 81 Abs 4 GWB WUW 2006, 118<br />

[119]) h<strong>in</strong>weist.<br />

Soweit dieser Autor gegen den Strafrahmen der - § 142 KartG vergleichbaren - Regelung des<br />

§ 81 Abs 4 GWB verfassungsrechtliche Bedenken wegen der umsatzabhängigen und damit<br />

„wandernden" Strafobergrenze erhebt (aaO 121 ff), ist dem jedenfalls für den österreichischen<br />

Rechtsbereich nicht zu folgen. Vielmehr s<strong>in</strong>d die Strafzumessungskriterien des § 143 KartG<br />

ebenso wie die Obergrenze des § 142 Z 1 lit b KartG ausreichend bestimmt, zumal e<strong>in</strong>e der<br />

Rekurswerber<strong>in</strong> offenbar vorschwebende ziffernmäßig exakte Berechnung der Strafe auch im<br />

Bereich des Krim<strong>in</strong><strong>als</strong>trafrechts <strong>als</strong> nicht möglich angesehen wird (vgl nur Ebner <strong>in</strong> Wiener<br />

Kommentar zum StGB § 32 Rz 51 ff und 96). Auch der EuGH billigt, dass nach den<br />

Leitl<strong>in</strong>ien der Kommission die Geldbuße nicht nach e<strong>in</strong>er arithmetischen Formel berechnet<br />

werden kann (vgl EuGH vom 28. 6. 2005, Dansk Ror<strong>in</strong>dustri ua/Kommission, Slg 2005 Seite<br />

I-05425, Tz 259 ff mit zustimmender Zitierung der Ausführungen des Urteils des<br />

Europäischen Gerichts Erster Instanz Tz 285). Dass der Gesetzgeber zum Schutz der Existenz<br />

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<strong>Oberste</strong> <strong>Gerichtshof</strong>, <strong>Rekursgericht</strong> <strong>in</strong> Kartellrechtssachen, 26 June 2006, Case 16 Ok 3/06, Constant<strong>in</strong><br />

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des Unternehmens dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit durch E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er<br />

absoluten Obergrenze <strong>in</strong> Höhe von 10 % des Umsatzes Rechnung trägt, ist<br />

verfassungsrechtlich daher nicht zu beanstanden.<br />

<strong>Der</strong> Umstand, dass e<strong>in</strong>zelne der von der diskrim<strong>in</strong>ierenden Verleihpraxis der Antragsgegner<strong>in</strong><br />

betroffenen Filme sich rückschauend betrachtet <strong>als</strong> wirtschaftlicher Misserfolg darstellten, ist<br />

nicht geeignet, die Schwere des zugrunde liegenden Verstoßes zu mildern, kam es der<br />

Antragsgegner<strong>in</strong> doch nach den Feststellungen des Erstgerichtes bei der von ihr geübten<br />

Verleihpraxis - ex ante betrachtet - auf gezielte Begünstigung ihrer eigenen K<strong>in</strong>os an, nicht<br />

etwa darauf, die K<strong>in</strong>os von Mitbewerbern vor wirtschaftlichen Nachteilen zu bewahren. Dass<br />

aus der unsachlichen Verweigerung der Zurverfügungstellung entsprechender Filmkopien im<br />

E<strong>in</strong>zelfall ke<strong>in</strong> Schaden entstand, weil sich die entsprechenden Erfolgserwartungen der<br />

Antragsgegner<strong>in</strong> nicht verwirklichten, bedeutet lediglich, dass - wie gleichfalls schon das<br />

Erstgericht zutreffend erkannt <strong>hat</strong> - hier für e<strong>in</strong>e Erhöhung der Geldbuße ke<strong>in</strong> Raum bleibt.<br />

Diesen Umstand jedoch - wie dies die Rekurswerber<strong>in</strong> anstrebt - ausdrücklich <strong>als</strong> „mildernd"<br />

zu werten, wäre jedoch verfehlt.<br />

Soweit die Rekurswerber<strong>in</strong> behauptet, e<strong>in</strong> Abstellen auf den Gesamtumsatz sei „a priori<br />

unverhältnismäßig", verkennt sie, dass das Erstgericht nicht etwa e<strong>in</strong>e Geldbuße <strong>in</strong> Höhe<br />

e<strong>in</strong>es bestimmten Prozentsatzes des Gesamtumsatzes festgelegt <strong>hat</strong>, sondern lediglich<br />

ergänzend darauf h<strong>in</strong>weist, dass die verhängte Geldbuße (nur) rund 2,2 % der<br />

höchstmöglichen Geldbuße und damit <strong>in</strong> Wahrheit nur rund 2,2 %0 des Umsatzes betragen<br />

<strong>hat</strong>.<br />

Im Übrigen ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens nach § 143 KartG<br />

ausdrücklich Strafbemessungskriterium. Dass hiefür nicht nur der - vom Erstgericht<br />

gleichfalls herangezogene - Gew<strong>in</strong>n, sondern auch der Umsatz e<strong>in</strong> Kriterium darstellt, kann <strong>in</strong><br />

Anbetracht des Umstandes, dass dieser auch Maß für die Obergrenze der höchstzulässigen<br />

Geldstrafe bietet, ke<strong>in</strong>en Zweifel unterliegen. Dies wurde auch vom Europäischen<br />

<strong>Gerichtshof</strong> ausdrücklich anerkannt (vgl EuGH vom 28. 6. 2005, Dansk Ror<strong>in</strong>dustri<br />

ua/Kommission, Slg 2005 Seite I-05425, Tz 243). Demnach darf bei der Festsetzung des<br />

Unternehmens der Umsatz, der - wenn auch nur annähernd und unvollständig - etwas über<br />

dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, herangezogen werden. Die Geldbuße darf jedoch<br />

nicht das Ergebnis e<strong>in</strong>es bloßen auf den Gesamtumsatz abstellenden Rechenvorgangs se<strong>in</strong>,<br />

weil damit das Gebot der Berücksichtigung aller Faktoren nicht beachtet würde (EuGH aaO).<br />

Die weiteren Rekursausführungen zur Höhe von <strong>in</strong> anderen Fällen verhängten Geldbußen<br />

übersehen zunächst, dass es sich dabei um nicht vom <strong>Oberste</strong>n <strong>Gerichtshof</strong> stammende<br />

Entscheidungen handelt. Zudem verkennt die diesbezügliche Argumentation der<br />

Rekurswerber<strong>in</strong>, dass die Höhe der Geldbuße wesentlich von den jeweiligen Umständen des<br />

E<strong>in</strong>zelfalles abhängt. <strong>Der</strong> von der Rekurswerber<strong>in</strong> primär <strong>als</strong> Vergleichsmaßstab<br />

herangezogene Umsatz der betroffenen Unternehmen ist zudem nur e<strong>in</strong>es von mehreren<br />

Bemessungskriterien. Damit erweist sich der angefochtene Beschluss aber <strong>als</strong> frei von<br />

Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs e<strong>in</strong> Erfolg zu versagen war.<br />

Anmerkung<br />

E81233<br />

16Ok3.06<br />

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Dokumentnummer<br />

JJT/20060626/OGH0002/0160OK00003/0600000/000<br />

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