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Inhalt des Kaufvertrags - Studentenverbindung Concordia Bern

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OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

<strong>Inhalt</strong>sverzeichnis<br />

Erster Teil: <strong>Inhalt</strong> <strong>des</strong> <strong>Kaufvertrags</strong> .................................................................................................................. 2<br />

I. Der Kauf ................................................................................................................................. 2<br />

1. Gesetzlicher Aufbau ........................................................................................................ 2<br />

2. Abgrenzung zu anderen Verträgen .................................................................................. 2<br />

3. Nichtige Kaufverträge...................................................................................................... 2<br />

II. Kaufgegenstand und Kaufpreis............................................................................................... 3<br />

1. Essentialia negotii............................................................................................................ 3<br />

2. Kaufgegenstand ............................................................................................................... 3<br />

3. Kauf einer nicht bestehenden Sache ................................................................................ 3<br />

4. Stückkauf und Gattungskauf............................................................................................ 4<br />

5. Kaufpreis ......................................................................................................................... 4<br />

III. Die Pflichten der Parteien ....................................................................................................... 4<br />

1. Die Pflichten <strong>des</strong> Verkäufers ........................................................................................... 4<br />

2. Die Pflichten <strong>des</strong> Käufers ................................................................................................ 5<br />

IV. Gefahrtragung (Art. 185 OR).................................................................................................. 6<br />

1. Die Handhabung im OR, Gründe..................................................................................... 6<br />

2. Die Gefahrtragung im Einzelnen ..................................................................................... 6<br />

3. Zum Vergleich: Gefahrübergang bei Verträgen allgemein (OR AT) .............................. 7<br />

Zweiter Teil: Rechtsbehelfe Kauf........................................................................................................................ 8<br />

I. Verzug und Nichterfüllung ..................................................................................................... 8<br />

1. Verzug und Nichterfüllung <strong>des</strong> Verkäufers ..................................................................... 8<br />

A. Nichtkaufmännischer Verkehr.................................................................................. 8<br />

B. Kaufmännischer Verkehr.......................................................................................... 8<br />

2. Verzug und Nichterfüllung <strong>des</strong> Käufers .......................................................................... 9<br />

A. Rücktritt vom Vertrag (Art. 214 OR) ....................................................................... 9<br />

B. Schadenersatz wegen Nichterfüllung (Art. 215, 107 OR) ........................................ 9<br />

3. Regelungen <strong>des</strong> OR AT: Art. 102 ff. ............................................................................. 10<br />

II. Gewährleistung <strong>des</strong> Verkäufers vs. (Nicht)erfüllung............................................................ 10<br />

III. Rechtsmängelhaftung (Art. 192 – 196 OR) .......................................................................... 11<br />

1. Voraussetzungen............................................................................................................ 11<br />

2. Rechtsfolgen der Entwehrung (Art. 195f. OR) .............................................................. 11<br />

3. Rechtsmängelhaftung und gutgläubiger Erwerb............................................................ 11<br />

4. Konkurrenz zu anderen Rechtsbehelfen ........................................................................ 12<br />

IV. Sachmängelgewährleistung................................................................................................... 12<br />

1. Sachmangel.................................................................................................................... 12<br />

2. Zusicherung von Eigenschaften..................................................................................... 13<br />

3. Voraussetzungen der Geltendmachung von Sachmängelansprüchen ............................ 13<br />

4. Vertragliche Gewährleistungsausschluss....................................................................... 13<br />

5. Verjährung der Gewährleistungsansprüche ................................................................... 14<br />

V. Sachmängelansprüche im Einzelnen..................................................................................... 14<br />

1. Allgemeines ................................................................................................................... 14<br />

2. Wandelung..................................................................................................................... 15<br />

3. Minderung ..................................................................................................................... 16<br />

4. Schadenersatz ................................................................................................................ 16<br />

A. Schadenersatz bei der Wandelung .......................................................................... 16<br />

B. Schadenersatz bei der Minderung........................................................................... 17<br />

VI. Konkurrenz der Sachmängelhaftung mit anderen Rechtsbehelfen ....................................... 17<br />

1. Schadenersatzansprüche nach Art. 97 ff. OR ................................................................ 17<br />

2. Schadenersatz aus Delikt (Art. 41 ff. OR) ..................................................................... 17<br />

3. Schadenersatzansprüche nach dem Produktehaftpflichtgesetz (PrGH) ......................... 18<br />

4. Konkurrenz von Sachmängelhaftung und Irrtumsanfechtung ....................................... 18<br />

VII. Gattungskauf......................................................................................................................... 20<br />

1. Die Lieferpflicht <strong>des</strong> Verkäufers ................................................................................... 20<br />

2. Nachlieferung (Art. 206 Abs. 1 OR).............................................................................. 20<br />

3. Abgrenzung von Schlechtlieferung (peius) und Falschlieferung (aliud) ....................... 20<br />

1


OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

Erster Teil: <strong>Inhalt</strong> <strong>des</strong> <strong>Kaufvertrags</strong><br />

I. Der Kauf<br />

<strong>Inhalt</strong> & Definition: Der Kauf ist die entgeltliche Übertragung eines Gegenstan<strong>des</strong>.<br />

Die Parteien werden zur Verfügung verpflichtet. Das OR regelt in Art. 184 ff. nur das Verpflichtungsgeschäft!<br />

Das Verfügungsgeschäft ist z.B. bei Sachen im ZGB geregelt.<br />

Es handelt sich um einen vollkommen zweiseitigen Vertrag (Synallagma).<br />

1. Gesetzlicher Aufbau<br />

Art. 184 – 186 OR Allgemeine Bestimmungen<br />

Art. 187 – 215 OR Fahrniskauf<br />

Art. 216 – 221 OR Grundstückskauf<br />

Art. 222 – 236 OR Besondere Arten <strong>des</strong> Kaufs<br />

Art. 237 ff. OR Tauschvertrag<br />

2. Abgrenzung zu anderen Verträgen<br />

Werkvertrag (363 ff. OR): Beim Werkvertrag werden Sachen individuell für den Besteller hergestellt.<br />

Beim Kaufvertrag, kann die Sache dann noch nicht hergestellt worden sein, wenn es sich um<br />

eine serienmässige Produktion handelt. Die Unterscheidung zwischen den beiden Vertragstypen spielt<br />

insbesondere bei der Gefahrentragung und der Sachmängelgewährleistung eine Rolle.<br />

Verträge über die Lieferung von elektrischer Energie sind Kaufverträge, nie Werkverträge!<br />

Leasingvertrag: Ziel <strong>des</strong> Leasingvertrages ist nicht die Eigentumsübertragung, sondern nur die<br />

Gebrauchsüberlassung.<br />

Schenkung (239 ff. OR): Die Schenkung ist unentgeltlich. Zu beachten ist ausserdem die gemischte<br />

Schenkung, bei der ein äusserst günstiger „Kauf“preis abgemacht wird.<br />

Kaufsrechte (Art. 216 II OR): Der Erwerber einer Kaufoption hat das Recht, innerhalb einer vereinbarten<br />

Frist, durch einseitige Erklärung einen Kaufvertrag zu bereits festgelegten Bedingungen zustande<br />

zu bringen.<br />

3. Nichtige Kaufverträge<br />

Unmöglichkeit: Die Sache existiert nicht mehr oder eine solche Sache hat nie existiert. Weiter ist es<br />

unmöglich jemandem sein eigenen Eigentum nochmals übertragen zu wollen.<br />

Widerrechtlichkeit: Der Kauf verstösst gegen ein gesetzliches Verbot oder eine strafrechtliche<br />

Norm.<br />

Sittenwidrigkeit: Der <strong>Inhalt</strong> <strong>des</strong> Vertrages ist sittenwidrig, verstösst gegen die Moral (insb. sexuelle<br />

Moral).<br />

2


OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

II. Kaufgegenstand und Kaufpreis<br />

1. Essentialia negotii<br />

Beim Kaufvertrag müssen folgende Punkte zwingend geregelt werden (Art. 184 Abs. 1 OR):<br />

- Einigung darüber, dass der Verkäufer zur Übergabe <strong>des</strong> Kaufgegenstand verpflichtet ist.<br />

- Einigung darüber, dass der Verkäufer zur Eigentumsverschaffung verpflichtet ist.<br />

- Einigung darüber, dass der Käufer zur Kaufpreiszahlung verpflichtet ist.<br />

Alles andere wird im dispositiven Recht geregelt, kann aber auch modifiziert werden.<br />

2. Kaufgegenstand<br />

- Sachen: (bewegliche oder unbewegliche ; körperliche oder unkörperliche)<br />

- Rechte: Absolute Rechte (z.B. Eigentumsrechte) und relative Rechte (z.B. Forderungen).<br />

Auch hier sind das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft auseinander zu halten!<br />

Bei Wertpapieren: die Übertragung erfolgt nach sachenrechtlichen Regeln (Art. 714 ff. ZGB),<br />

nicht etwa Zession.<br />

- Sonstige Rechtsgüter: rechtlich nicht absolut geschützte Immaterialgüter (Know-How; Informationen;<br />

Software).<br />

- Sachgesamtheiten: Die Gesamtheit (Sammlung mehrerer Sachen) ist Kaufgegenstand!<br />

Gesamtes Vermögen: Sind Rechte darin enthalten, spricht man von Rechtsgesamtheiten. Bei<br />

Schulden ist OR 181 zu beachten.<br />

Erbschaft: Sie stellt eine Rechtsgesamtheit dar. Zu unterscheiden sind Art. 635 ZGB (bereits<br />

angefallene Erbschaft) und Art. 636 ZGB (noch nicht angefallene Erbschaft - hier nur mit Zustimmung<br />

<strong>des</strong> Erblassers!).<br />

- Unternehmen: Es handelt sich grundsätzlich eine Rechtsgesamtheit! Aber die Übertragung von<br />

Rechten und Eigentum erfolgt gesondert (Spezialitätenprinzip).<br />

Problem: Prüfung „due diligence“ (Verkäufer & Käufer durchleuchten gemeinsam die Unternehmensabteilungen).<br />

Die Mangelhaftigkeit einzelner Teile führt nicht zur Wandelung <strong>des</strong> ganzen<br />

Kaufs, sondern nur zu Teilwandelung oder Minderung. Mangelnde Aufklärung führt allenfalls<br />

zur c.i.c. In Betracht kommen Grundlagenirrtum oder absichtliche Täuschung (OR 24 / 28).<br />

- Gesellschaftsanteile: Bei der Übertragung von Anteilen einer Personengesellschaft, ist die Zustimmung<br />

der Gesellschafter nötig.<br />

- Aktien: Inhaberaktien sind SACHKAUF! (möglich, so ganzen Konzern zu kaufen) ABER:<br />

Sachmängelhaftung kann nur für die Urkunde (Aktienpapier) geltend gemacht werden, nicht für<br />

den Konzern! Prüfung, wie bei Unternehmenskauf.<br />

3. Kauf einer nicht bestehenden Sache<br />

- Erst herzustellende Sache: Handelt es sich um einen Kauf- oder einen Werkvertrag?<br />

- Untergegangene Sache: können nicht Gegenstand eines <strong>Kaufvertrags</strong> sein! Unmöglichkeit nach<br />

OR 20 I. Bei Gattungswaren gilt dies nicht: genus perire non potest.<br />

- Rechtskauf: Keine anfängliche Unmöglichkeit möglich.<br />

- Künftige Sachen<br />

Kauf einer erhofften Sache (emptio rei speratae): Der Kauf wird erst mit Entstehung der Sache<br />

wirksam (suspendiv bedingt).<br />

Hoffnungskauf (emptio spei): Kauf einer Chance (Kauf eines Loses, einer Ernte,...) – unbedingter<br />

Kauf.<br />

3


OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

4. Stückkauf und Gattungskauf<br />

Im Gesetz wird der Stückkauf als Regel und der Gattungskauf als Ausnahme behandelt. Die Unterscheidung<br />

spielt bei der Gefahrtragung (Art. 185 OR) und bei der Abgrenzung zwischen Sachmängelhaftung<br />

und Nichterfüllung (Art. 206 OR) eine Rolle.<br />

Stückkauf Bestimmter individualisierter Gegenstand.<br />

Gattungskauf Gegenstand, der nur quantitativ und qualitativ bestimmbar ist.<br />

Ob Stückkauf oder Gattungskauf vorliegt, bestimmt sich nach dem Parteiwillen. Subsidiär kann auf<br />

die Verkehrsauffassung zurückgegriffen werden.<br />

Vertretbare Sachen Nach Zahl, Mass oder Gewicht bestimmte Sache (5l Heizöl, 50kg Sand).<br />

Unvertretbare Sachen Individualität <strong>des</strong> Stücks (Grundstücke, Gemälde).<br />

Die beiden Begriffspaare sind zu unterscheiden. Ein Stückkauf über vertretbare Sachen ist genauso<br />

möglich, wie ein Gattungskauf über unvertretbare Sachen (z.B. ein beliebiges Bild von Picasso).<br />

5. Kaufpreis<br />

Der Kaufpreis muss ziffernmässig bestimmt sein: Wird er nicht explizit vereinbart wird der Vertragsschluss<br />

zum „mittleren“ Preis vermutet (Art. 212 Abs. 1 OR). Die Preisbestimmung durch einen<br />

Dritten ist zulässig.<br />

Der Kaufpreis muss in Geld bestehen, sonst handelt es sich um ein Tauschgeschäft! Grundsätzlich<br />

ist der Kaufpreis in bar zu zahlen. Die Bezahlung mit Kreditkarte, Check oder mittels Banküberweisung<br />

ist aber zulässig und üblich.<br />

Grundsätzlich gilt bei der Preissetzung wegen der Privatautonomie Freiheit. Der Kaufpreis muss<br />

aber gerecht sein: Grenzen finden sich vor allem bei OR 20 und 21.<br />

(OR 186: kantonale Regelung bei Wirtszeche. Allerdings wird die Zechprellerei schon in Art. 149<br />

StGB geregelt.)<br />

III. Die Pflichten der Parteien<br />

1. Die Pflichten <strong>des</strong> Verkäufers<br />

- Übergabe <strong>des</strong> Besitzes<br />

• Bewegliche Sachen: Der Käufer soll tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache erlangen.<br />

Dies geschieht mittels Übertragung gemäss Art. 922 ZGB.<br />

• Übergabesurrogate: Möglich ist die Übergabe <strong>des</strong> Besitzes auch mittels den sachenrechtlichen<br />

Übergangssurrogaten (vgl. Art. 924 ff. ZGB)<br />

• Der Ort der Übergabe entspricht dem Erfüllungsort nach Art. 74 OR. Wird nichts anderes<br />

vereinbart gilt für die Stückschuld der Ort, an dem sich die Sache zur Zeit <strong>des</strong> Vertragschluss<br />

befindet und für die Gattungsschuld: Schuldnerwohnsitz.<br />

- Eigentumsverschaffung<br />

• Der Verkäufer hat dem Käufer Eigentum zu verschaffen: Art. 184 OR beinhaltet Folgen<strong>des</strong>:<br />

Der Wortlaut bezieht sich erstens nicht nur auf Eigentum, sondern auch auf Rechte,<br />

bei denen nur von Inhaberschaft gesprochen werden kann. Zweitens haftet der Verkäufer<br />

nicht für die Entwehrung, also dafür, dass dem Käufer kein Dritter die Sache entziehen<br />

kann („Eviktionshaftung“) – vgl. Art. 192 ff. OR.<br />

• Unbelastetes Material: Die Sache ist ohne Belastung durch beschränkte dingliche Rechte<br />

geschuldet. Ebenfalls ist sie auch frei von obligatorischen Rechten zu übertragen (andere<br />

Abmachungen vorbehalten).<br />

4


OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

• Genügt die tatsächliche Übergabe zur Übereignung? Oder ist ein dinglicher Vertrag<br />

(traditio = Vertrag) nötig? Art. 714 ZGB ist das Erfordernis einer dinglichen Einigung<br />

prinzipiell nicht zu entnehmen. ABER: durch Zufall kann Eigentum nicht übergehen und<br />

wenn der Käufer eine Sache abholt, ohne das Wissen <strong>des</strong> Verkäufers, ebenfalls nicht.<br />

Diese Überlegungen sprächen für das Erfordernis eines dinglichen Vertrags. Unbestritten<br />

ist jedenfalls die Unentbehrlichkeit der Übergabe für den Eigentumsübergang.<br />

Im CH-Recht ist unbestritten, dass die Übereignung kausal ist (Prinzip der kausalen Tradition).<br />

Eigentum kann nur mit gültigem Grundgeschäft übergehen. Fehlt ein solches,<br />

geht kein Eigentum über! Für Grundstücke ergibt sich dies aus Art. 947 Abs. 2 OR. Die<br />

herrschende Lehre bejaht die Kausalität auch für Fahrnis.<br />

Aus der Kausalität der Tradition folgt, dass die Kaufsache vindiziert werden kann, falls es<br />

an einem Rechtsgrund mangelt. (Vindikation (Eigentumsklage) verdrängt Kondiktion<br />

(Bereicherungsklage)).<br />

Der Kaufpreis kann nicht vindiziert werden, es sei denn er würde nicht beim Verkäufer vermischt.<br />

Hier hilft nur die Kondiktion weiter.<br />

Kausalität bei der Tradition – Abstraktheit bei der Zession!<br />

Die Zession gilt als abstraktes Rechtsgeschäft. Ist der Kaufvertrag über eine Forderung<br />

ungültig, so fällt sie nicht ins Vermögen <strong>des</strong> Verkäufers zurück. Sie muss rückzediert<br />

werden. Folgende Unterschiede ergeben sich:<br />

Veräusserungskette (Sache wird verkauft): Ist das Grundgeschäft (A – B) ungültig, wird<br />

der Dritterwerber C nicht Eigentümer, da er nicht vom Berechtigten erwirbt. Eine Durchbrechung<br />

<strong>des</strong> Kausalitätsprinzips machen jedoch Art. 714 Abs. 2 und 933 ZGB, wenn C<br />

gutgläubig ist (A B C).<br />

Kettenzession (Forderung wird weiterzediert): Die Gutgläubigkeit <strong>des</strong> C ist irrelevant,<br />

d.h. wenn C weiss, dass B von A kein Eigentum erworben hat, wird er trotzdem Eigentümer<br />

der Forderung. Der Grund ist darin zu finden, dass C vom Berechtigten erwirbt. Wegen<br />

der Abstraktheit der Zession, ging trotz ungültigem Grundgeschäft (A – B), die Forderung<br />

auf B über.<br />

Ein weiterer Unterschied ergibt sich im Konkursfall: Fällt der Käufer in Konkurs, so kann<br />

der Verkäufer, wenn das Grundgeschäft nicht gültig ist, im ersten Fall vindizieren (Aussonderungsrecht)<br />

und im zweiten Fall entfällt dieses Aussonderungsrecht.<br />

- Nebenpflichten <strong>des</strong> Verkäufers: Tragung der Kosten der Übergabe; Messen und Wägen;<br />

Verpackung; sorgfältige Verwahrung; fallweise Aufklärungspflicht und Untersuchungspflicht.<br />

2. Die Pflichten <strong>des</strong> Käufers<br />

- Zahlung <strong>des</strong> Kaufpreises: Eine Bringschuld (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR). Wird nichts anderes<br />

abgemacht, werden Kaufpreis und Kaufsache Zug-um-Zug ausgetauscht (Art. 184 Abs. 2<br />

OR).<br />

- Annahme der Kaufsache: Nimmt der Käufer den Kaufgegenstand nicht an, so gerät er in<br />

Gläubigerverzug. Verweigert er die Zahlung <strong>des</strong> Kaufpreises zusätzlich, so gerät er zusätzlich<br />

in Schuldnerverzug. Wenn die Annahme für den Verkäufer sehr relevant ist, weil er etwa<br />

nachher sein Lager abreissen will, dann hat der Käufer eine echte Annahmepflicht. Sie ist<br />

dann als synallagmatische Hauptpflicht zu qualifizieren und löst bei Nichterfüllen die Folgen<br />

<strong>des</strong> Art. 107 ff. OR aus (Schuldnerverzug).<br />

- Nebenpflichten: Wenn nichts anderes verabredet ist, hat der Käufer die Transportkosten (Art.<br />

189 Abs. 1 OR), die Kosten der Beurkundung und der Abnahme (Art. 188 OR) zu tragen.<br />

Die Untersuchung der Kaufsache (Art. 201 Abs. 1 OR) ist eine Obliegenheit! Wird diese unterlassen,<br />

so hat dies eine Schlechterstellung <strong>des</strong> Käufers zur Folge, begründet aber keine Ansprüche<br />

<strong>des</strong> Verkäufers oder Dritter.<br />

Weitere Nebenpflichten können vertraglich vereinbart werden!<br />

5


OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

IV. Gefahrtragung (Art. 185 OR)<br />

1. Die Handhabung im OR, Gründe.<br />

Problemstellung: Die Gefahr ist das Risiko <strong>des</strong> zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung der<br />

Sache. Der Eigentümer trägt im Normalfall dieses Risiko. So müsste eigentlich die Gefahr mit dem<br />

Übergang <strong>des</strong> Eigentums übergehen. ABER:<br />

Art. 185 Abs. 1 OR lässt die Gefahr schon mit dem Abschluss <strong>des</strong> <strong>Kaufvertrags</strong> übergehen,<br />

auch dann, wenn der Eigentumsübergang noch nicht erfolgt ist!<br />

Konsequenz: Bei nachträglicher unverschuldeter Unmöglichkeit der Leistung <strong>des</strong> Verkäufers,<br />

behält dieser den Anspruch gegen den Käufer! Dies ist in Art. 119 Abs. 3 vermerkt.<br />

Diese Regelung gilt nur beim Fahrniskauf. Beim Grundstückskauf oder dem Werkvertrag geht die<br />

Gefahr mit der Übergabe über. (Art. 220 OR resp. Art. 376 OR).<br />

Immerhin soll der Käufer als stellvertreten<strong>des</strong> commodum bei versicherten Gegenständen, den Versicherungsanspruch<br />

abgetreten bekommen. Vorausgesetzt ist natürlich, dass die Sache bis zum Eigentumsübergang<br />

versichert bleiben soll und nicht nur bis zum Abschluss <strong>des</strong> <strong>Kaufvertrags</strong>.<br />

Grund für diese unsachgemässe Regelung: Art. 185 Abs. 1 OR folgt dem römischrechtlichen<br />

Grundsatz: periculum est emptoris (der Käufer trägt die Gefahr). Die Regelung im OR erfolgte auf<br />

einen Kompromiss mit der Westschweiz, welche sich am Code civil (F) orientiert hatte. Dort geht das<br />

Eigentum mit Vertragsschluss über.<br />

2. Die Gefahrtragung im Einzelnen<br />

REGEL: Art. 185 Abs. 1 OR gilt nur für den Stückkauf und die Holschuld! Gerät der Verkäufer in<br />

Schuldnerverzug, haftet der Verkäufer für Zufall, er trägt damit auch die Gefahr (Art. 103 Abs. 1 OR).<br />

Bei Gläubigerverzug geht die Gefahr auf den Gläubiger über, dies spielt aber beim Werkvertrag nur eine Rolle.<br />

AUSNAHMEN VON ART. 185 ABS. 1 OR: Eine Ausnahme <strong>des</strong> Grundsatzes ist gerechtfertigt, wenn der<br />

Verkäufer es zu verantworten hat, dass Vertragsschluss & Verfügungsgeschäft auseinander fallen<br />

oder dies in <strong>des</strong>sen Interesse liegt:<br />

- Besondere Verhältnisse:<br />

Geht bei einer Wahlschuld (OR 72) die eine Sache unter, kann der Verkäufer nicht die untergegangene<br />

Sache wählen und dann den Kaufpreis fordern.<br />

Mehrfachverkauf: Der Verkäufer kann den Preis von keinem der beiden Käufer verlangen,<br />

mit dem Abschluss <strong>des</strong> 2. <strong>Kaufvertrags</strong> geht Gefahr wieder auf den Verkäufer zurück.<br />

Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens: Der Verkäufer muss den Neuwagen nicht günstiger<br />

geben, wenn der Gebrauchtwagen nach Vertragsschluss durch den Käufer untergeht.<br />

( Sukzessivlieferungsverträge: werden grundsätzlich nach Art. 185 Abs. 1 OR behandelt.)<br />

- Abweichende Verabredungen von Art. 185 Abs. 1 OR sind möglich (dispositive Norm):<br />

Wenn ein spezieller Erfüllungsort verabredet ist, dann gehen Nutzen und Gefahr erst über,<br />

wenn sich die Sache an diesem Erfüllungsort befindet.<br />

Wird eine Bringschuld verabredet, gehen Nutzen und Gefahr erst bei Übergabe über. Da bei<br />

der Versendungsschuld (unten) die Gefahr ebenfalls später übergeht, ist Folgen<strong>des</strong> festzuhalten:<br />

Art. 185 Abs. 1 OR gilt nur bei Holschulden, bei denen der Erfüllungsort...<br />

a) ...der Wohnsitz / die Niederlassung <strong>des</strong> Schuldners ist (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 3 OR). oder<br />

b) ...der Ort, wo sich die Sache bei Vertragsschluss befindet ist (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR).<br />

International Commercial Terms: Spezielle internationale Regelungen, welche von Art. 185<br />

OR abweichen (z.B.: Wenn die Fracht die Schiffsreling überwunden hat, geht Gefahr über,...).<br />

6


OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

- Versendungskauf (Schickschuld, OR 185 II): Die Gefahr geht bei der Übergabe zur Versendung<br />

über. Sachgerecht, da der Verkäufer am Ort der Versendung erfüllt, obschon der Leistungserfolg<br />

erst beim Käufer eintritt. Die Norm ist analog für die Stückschuld anzuwenden!<br />

Drittschadensliquidation: Geht die Sache beim Transport unter, so wird der Schaden <strong>des</strong> Käufers<br />

(weil er den Kaufpreis zahlen muss) zum Anspruch <strong>des</strong> Verkäufers (aus Transportvertrag und<br />

aus Art. 41 OR wegen Zerstörung von Eigentum) gezogen. Der Verkäufer muss den Anspruch<br />

als stellvertreten<strong>des</strong> commodum abtreten. (Einfacher: Transportvertrag = Vertrag zugunsten Dritter).<br />

- Bedingter Kaufvertrag:<br />

Aufschiebend: die Gefahr geht mit Eintritt der Bedingung über (Art. 185 Abs. 3 OR).<br />

Auflösend: für eine analoge Anwendung <strong>des</strong> Art. 185 Abs. 3 OR spricht die Austauschbarkeit<br />

der beiden Figuren durch die Vereinbarung negativer oder positiver Bedingungen.<br />

Gegen die analoge Anwendung spricht, dass dem Gesetzgeber beide Figuren geläufig<br />

sind (in Art. 151 und 154 OR).<br />

GATTUNGSKAUF (Art. 185 Abs. 2 OR): Mit Aussonderung der Ware geht die Gefahr über, da erst<br />

dann feststeht, welches bestimmte Stück Kaufgegenstand geworden ist. Zu unterscheiden ist die<br />

Sach- von der Preisgefahr. Beide trägt der Verkäufer vor der Aussonderung. Er muss bei Untergang<br />

<strong>des</strong> vorgesehenen Stücks eine andere Sache liefern: Genus perire non potest.<br />

3. Zum Vergleich: Gefahrübergang bei Verträgen allgemein (OR AT)<br />

Die Gefahr geht bei Verträgen allgemein mit dem Eigentumsübergang (Art. 714 ZGB) über, denn das<br />

Risiko <strong>des</strong> zufälligen Untergangs trägt grundsätzlich der Eigentümer (casum sentit dominus).<br />

Dies gilt grundsätzlich für Innominatkontrakte und für alle Verträge <strong>des</strong> Besonderen Teils, ausgenommen<br />

dem Kaufvertrag über Fahrnis.<br />

OR AT:<br />

Veräusserer trägt Gefahr<br />

Abschluss <strong>des</strong> Vertrages<br />

(Verpflichtungsgeschäft)<br />

Fahrniskauf (Stückschuld, Holschuld):<br />

Verkäufer trägt Gefahr<br />

Abschluss Kaufvertrag<br />

(Verpflichtungsgeschäft)<br />

Eigentumsübergang<br />

(Verfügungsgeschäft)<br />

Käufer trägt Gefahr<br />

Eigentumsübergang<br />

(Verfügungsgeschäft)<br />

Erwerber trägt Gefahr<br />

Vorbehalten bleiben die Ausnahmen (besondere Verhältnisse, abweichende Verabredungen, Versendungskauf,<br />

bedingter Verkauf) und der Gattungskauf.<br />

t<br />

t<br />

7


OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

Zweiter Teil: Rechtsbehelfe Kauf<br />

I. Verzug und Nichterfüllung<br />

1. Verzug und Nichterfüllung <strong>des</strong> Verkäufers<br />

A. Nichtkaufmännischer Verkehr<br />

Zuerst die gute Nachricht: Für den Verzug <strong>des</strong> Verkäufers im nichtkaufmännischen Verkehr gelten<br />

ausschliesslich die Regeln <strong>des</strong> Allg. Teils, also Art. 102 ff. OR, insbesondere Art. 107 ff. OR.<br />

Entscheidet sich der Käufer bei Art. 107 OR für den Schadenersatz aus Nichterfüllung, gilt für den Schadenersatz<br />

grundsätzlich das Gleiche, wie in Art. 191 OR scheinbar nur für den kaufmännischen Verkehr geregelt<br />

wird. Insbesondere sind Deckungskäufe auch zulässig. (vgl. unten unter B.)<br />

B. Kaufmännischer Verkehr<br />

Beim kaufmännischen Verkehr werden Sondervorschriften in Art. 190, 191 OR aufgestellt:<br />

Was gehört zum kaufmännischen Verkehr? Der Begriff ist nicht ganz geklärt: Weder kann<br />

verallgemeinert werden, dass Kauf zum Zwecke <strong>des</strong> Weiterverkaufs immer kaufmännischer<br />

Verkehr darstellt, noch ist nur auf den gewerbsmässigen Kauf zum Zwecke <strong>des</strong> Weiterverkaufs<br />

abzustellen: Kauft ein Unternehmen eine Sache, um sie im eigenen Betrieb zu verwenden,<br />

liegt kaufmännischer Verkehr vor, wohingegen beim Privaten, der zum Zwecke <strong>des</strong><br />

Weiterverkaufs kauft, nicht kaufmännischer Verkehr vorliegt.<br />

(Kauft ein Kaufmann privat, so ist unumstritten, dass kein kaufmännischer Verkehr vorliegt.)<br />

Rechte <strong>des</strong> Käufers beim Fixgeschäft: Art. 190 Abs. 1 OR stellt die Vermutung auf, dass der Käufer<br />

bei Nichtleistung an einem bestimmten Liefertermin (= Verfalltag i. S. v. Art. 102 OR) auf die<br />

Lieferung verzichtet und Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangt. Falls er dies jedoch nicht will,<br />

muss er das Festhalten an der Leistung dem Verkäufer unverzüglich anzeigen (Art. 190 Abs. 2 OR).<br />

Vorausgesetzt ist also nur das Vorliegen eines bestimmten Lieferungstermins. Es handelt sich hier um<br />

ein relatives Fixgeschäft, nicht etwa um ein absolutes, bei dem es gerade auf den Liefertermin ankommt.<br />

Bei letzterem ist eine Nichtlieferung nach der Unmöglichkeit (Art. 97, 119 OR) zu beurteilen!<br />

Problem <strong>des</strong> Art. 190 OR: Die Regelung ist oft weder im Interesse <strong>des</strong> Käufers ( ohne Anzeige,<br />

verliert er denn Anspruch auf Leistung) noch im Interesse <strong>des</strong> Verkäufers ( sofort Schadenersatz<br />

zahlen ohne Nachfrist)! Deshalb sollte man die Regelung wie Art. 108 Ziff. 3 OR behandeln:<br />

Ergibt sich aus dem Vertrag, dass die sofortige Erfüllung für den Käufer wesentlich ist, so<br />

gilt die Vermutung <strong>des</strong> Verzichts auf die Lieferung gemäss Art. 190 OR.<br />

Schadenersatz; Schadensberechnung: Gemäss Art. 190 OR kann der Käufer Schadenersatz wegen<br />

Nichterfüllung geltend machen. Die Regelungen von Art. 191 OR gelten nicht nur für den kaufmännischen<br />

Verkehr (vgl. oben A.), sind aber nur dort explizit beschrieben!<br />

zu Abs. 1: Der Käufer kann den objektiver Verkehrswert der Sache geltend machen. Er kann andererseits<br />

auch das subjektive Interesse geltend machen: entgangener Gewinn oder Haftungsansprüche,<br />

die ihm aus Weiterverkauf entgegenstehen (Beweislast trägt der Käufer).<br />

zu Abs. 2: Konkrete Schadenersatzberechnung nach einem Deckungskauf: Die Differenz zwischen<br />

den höheren Deckungskosten und dem vereinbartem Kaufpreis.<br />

zu Abs. 3: Ist ein Markt- oder Börsenpreis vorhanden: abstrakte Schadensberechnung. Es ist die<br />

Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem Marktpreis zu ermitteln.<br />

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OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

2. Verzug und Nichterfüllung <strong>des</strong> Käufers<br />

Wenn der Käufer nicht bezahlt, kann der Verkäufer...<br />

...entweder nach Art. 214 OR vom Vertrag zurücktreten (nachfolgend A.).<br />

...oder Schadenersatz geltend machen (nachfolgend B.)<br />

A. Rücktritt vom Vertrag (Art. 214 OR)<br />

Art. 214 Abs. 1 OR verlangt keine Nachfristsetzung (vgl. 107)! Der Verkäufer kann ohne weiteres<br />

vom Vertrag zurücktreten, sobald das Verfallsdatum überschritten wurde oder, wenn kein solches<br />

vorliegt, dem Käufer eine Mahnung zugegangen ist. Zu beachten bleibt aber Abs. 3!<br />

Abs. 1 und 2: Betroffen sind nur der Praenumerando-Kauf (Vorausbezahlung) & der Barkauf (Zugum-Zug):<br />

Gemäss Abs. 2 muss der Verkäufer, wenn er zurücktreten will, sofort Anzeige machen!!!<br />

Abs. 3: Betroffen ist der Postnumerando-Kauf (Kreditkauf): Der Verkäufer kann nur zurücktreten,<br />

wenn er sich das Rücktrittsrecht vertraglich vorbehalten hat. (Der Käuferschutz steht im Vordergrund,<br />

obwohl dies „unfair“ ist, weil der Käufer ja einen Fehler gemacht hat...)<br />

Nach herrschender Lehre liegt ein Kreditkauf immer bei Vorleistung <strong>des</strong> Verkäufers vor, die Vorleistung<br />

muss nicht vertraglich abgemacht werden – d.h. er verzichtet grundsätzlich bei Vorleistung<br />

auf den Rücktritt.<br />

Der Eigentumsvorbehalt gilt als konkludente Rücktrittsvereinbarung.<br />

Abs. 3 betrifft nur das Rücktrittsrecht, nicht das Recht auf Schadenersatz.<br />

B. Schadenersatz wegen Nichterfüllung (Art. 215, 107 OR)<br />

Entscheidet sich der Verkäufer für Schadenersatz wg. Nichterfüllung, so muss unterschieden werden:<br />

Beim kaufmännischen Verkehr: Nach Art. 215 Abs. 1 OR kann der Verkäufer die Differenz<br />

zwischen einem durchgeführten Deckungsverkauf und dem abgemachten Kaufpreis verlangen.<br />

Beim nichtkaufmännischen Verkehr: Art. 107 Abs. 2 kommt zur Anwendung. Hauptunterschied<br />

ist, dass hier eine Nachfrist zur Erfüllung gesetzt werden muss.<br />

Strittig ist, ob die Differenztheorie oder die Austauschtheorie bei Art. 107 OR zum Zuge kommt:<br />

Differenztheorie: der Verkäufer muss seine Leistung nicht mehr erbringen und erhält,<br />

was ihm durch das Dahinfallen der Leistung entgangen ist. Z.B. die Differenz zwischen<br />

Kaufpreis und Preis eines Deckungsverkaufs.<br />

Austauschtheorie: der Verkäufer muss seine Leistung noch erbringen. Den durch die<br />

Nichterfüllung <strong>des</strong> Käufers entstandenen Schaden, trägt der Käufer.<br />

Kritik Austauschtheorie: Die Anwendung hat den gleichen Effekt, wie wenn man beim Erfüllungsanspruch<br />

bliebe (der Differenzschaden ist bei Insolvenz <strong>des</strong> Käufers zudem leichter eintreibbar,<br />

da er niedriger ist – zudem bleibt die Kaufsache beim Verkäufer).<br />

Kritik Differenztheorie: Die Kombination <strong>des</strong> Rücktritts und <strong>des</strong> positiven Interessens ist nach<br />

h. L. unmöglich, weil Art. 26 & 39 OR (mit der gleichen Formulierung) eindeutig das negative Interesse<br />

meinen. Für die Differenztheorie spricht, dass bei Insolvenz <strong>des</strong> Käufers der Gläubigeranspruch<br />

nicht einfach beschränkt werden soll.<br />

Abstrakte Schadensersatzberechnung bei Markt- und Börsenpreisen: ebenfalls Differenztheorie<br />

anwenden, weil Art. 215 Abs. 2 nicht auf den kaufmännischen Verkehr beschränkt ist (vgl. Wortlaut).<br />

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OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

3. Regelungen <strong>des</strong> OR AT: Art. 102 ff.<br />

Gemäss Art. 102 OR gerät der Schuldner an einem verabredeten Verfalltag oder, wenn kein solcher<br />

vorliegt, mit Mahnung <strong>des</strong> Gläubigers in Verzug. Bei Verschulden <strong>des</strong> Schuldners haftet dieser von<br />

nun an auch für Zufall, ausgenommen sind die Ausnahmen in Art. 103 Abs. 2 OR.<br />

Art. 107 ff. OR regeln die Folgen <strong>des</strong> Verzugs. Als erstes muss der Gläubiger dem Schuldner eine<br />

angemessene Nachfrist zur nachträglichen Erfüllung ansetzen, sonst kann der Gläubiger keine weiteren<br />

Schritte vornehmen. Verstreicht die Frist ohne die Erfüllung <strong>des</strong> Schuldners, so hat der Gläubiger<br />

ein erstes Wahlrecht: Er darf auf Erfüllung nebst Schadenersatz klagen oder aber auf die nachträgliche<br />

Leistung verzichten. Entscheidet er sich für letzteres, kommt ihm ein zweites Wahlrecht zu: Er darf<br />

den Schaden aus Nichterfüllung verlangen oder gemäss Art. 109 OR vom Vertrage zurücktreten.<br />

Auflistung der Unterschiede zu den kaufrechtlichen Verzugsnormen:<br />

- Der Verzug <strong>des</strong> Schuldners wird im AT auf beiden Seiten gleich behandelt.<br />

Beim Kauf gibt es für den Verzug <strong>des</strong> Verkäufers in der Rolle <strong>des</strong> Schuldners und jenen <strong>des</strong><br />

Käufers in der Rolle <strong>des</strong> Schuldners verschiedene Normen.<br />

- Beim Kauf findet die Unterscheidung zwischen kaufmännischem und nichtkaufmännischem<br />

Verkehr statt. Nichtkaufmännischer Verkehr wird grundsätzlich nach den AT-Regeln behandelt.<br />

- Art. 107 OR verlangt für die Ausübung der Rechte eine Nachfristsetzung. Sie entfällt beim<br />

kaufmännischen Verkehr.<br />

- ACHTUNG: Der Schadenersatz und die Schadenersatzberechnung wird zwar in Art. 191 OR behandelt,<br />

gelten aber im nichtkaufmännischen Verkehr (nach Art. 107 OR) genauso.<br />

Weitere spezielle Verzugsnormen finden sich im OR BT u. a. für...<br />

- das Mietrecht: Art. 258 OR verweist jedoch auf Art. 107 – 109 OR.<br />

- die Pacht: Art. 288 OR verweist auf Art. 258 OR <strong>des</strong> Mietrechts.<br />

- den Frachtvertrag: Art. 448 OR regelt den Schaden aus Verspätung.<br />

II. Gewährleistung <strong>des</strong> Verkäufers vs. (Nicht)erfüllung<br />

Anders als im Wiener Kaufrecht, wird im Schweizerischen Recht zwischen Nichterfüllung und Gewährleistung<br />

unterschieden. Das Wiener Kaufrecht stellt nur noch darauf ab, ob eine wesentliche Vertragsverletzung<br />

vorliegt.<br />

Die Nichterfüllung ist in Art. 97 und 107 ff. OR, die Gewährleistung wird speziell für den Kauf in<br />

Art. 192 ff. OR geregelt. Grund für diese Trennung ist ein Theorienstreit:<br />

Gewährleistungstheorie: Der Verkäufer schuldet eine Stückschuld so, wie sie ist. Konsequenz: Wird<br />

sie dem Käufer übergeben, so ist erfüllt. Dazu hat er aber eine Garantiepflicht, welche ihn für einen<br />

nicht geschuldeten Erfolg behaftet. Die Mangelfreiheit ist folglich Gegenstand der Gewährleistung,<br />

nicht der Erfüllung.<br />

Erfüllungstheorie: Die Mangelfreiheit einer Stückschuld ist Teil der Leistungspflicht. Die Sachmängelhaftung<br />

also nur ein spezieller Fall der Leistungsstörungen.<br />

Folgende Gewährleistungen sind im Kaufrecht zu unterscheiden:<br />

- Rechtsmängelgewährleistung.<br />

- Sachmängelgewährleistung bzgl. der Sache selbst.<br />

bzgl. rechtlicher Eigenschaften (z.B. TÜV geprüft).<br />

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OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

III. Rechtsmängelhaftung (Art. 192 – 196 OR)<br />

Art. 184 Abs. 1 OR erweckt den Eindruck, dass der Verkäufer zur Eigentumsverschaffung verpflichtet<br />

ist. Tatsächlich haftet er aber nur für Eviktion, d.h. er muss dafür Gewähr leisten, dass dem Käufer<br />

niemand aus Rechtsgründen die Sache entziehen kann (Art. 192 Abs. 1 OR). Da der Käufer nur bei<br />

Eviktion einen Schaden erleidet, soll er grundsätzlich nur dann gegen den Verkäufer vorgehen können.<br />

1. Voraussetzungen<br />

- Was gilt als Rechtsmangel? Ein Dritter beansprucht das Eigentum oder er macht ein beschränktes<br />

dingliches Recht geltend (teilweise Eviktion). Achtung: blosse obligatorische Rechte Dritter<br />

sind Fälle von Schlechterfüllung (Art. 97 OR), wenn sie den Käufer beeinträchtigen.<br />

- Wann muss der Rechtsmangel bestehen? Der Rechtsmangel muss schon bei Vertragsschluss<br />

bestanden haben und die Sache muss dem Käufer übergeben worden sein, damit es überhaupt zu<br />

einer Eviktion kommen kann.<br />

Wurde die Sache schon beim Verkäufer vindiziert, so ist <strong>des</strong>sen Leistung unmöglich (Art. 97<br />

OR). Bei anfänglicher Unmöglichkeit wird hier nicht Nichtigkeit (Art. 20 Abs. 1 OR) angenommen,<br />

weil der Verkäufer für seine Verfügungsbefugnis einstehen muss.<br />

- Streitverkündung Art. 193 OR: Kommt es zum Prozess zwischen dem Käufer und dem Dritten,<br />

so muss der Käufer dem Verkäufer den Streit verkünden, andernfalls haftet der Verkäufer<br />

nicht mehr, falls dieser beweisen kann, dass der Prozess bei Streitverkündung günstiger ausgegangen<br />

wäre. Der Verkäufer soll im Nachhinein nicht behaupten können, dass der Prozess unrichtig<br />

ausgegangen sei (Art. 193 Abs. 2 OR).<br />

- Was ist sonst zu beachten?<br />

Art. 192 Abs. 2 OR: Die Eviktionshaftung ist ausgeschlossen, wenn der Käufer die Gefahr der<br />

Eviktion kannte. Ausnahme: Der Verkäufer verpflichtete sich ausdrücklich zur Haftung.<br />

Art. 192 Abs. 3 OR: Die Aufhebung oder Beschränkung dieser Haftung ist zulässig, sofern der<br />

Verkäufer das Recht eines Dritten nicht absichtlich verschweigt.<br />

Art. 194 Abs. 1 OR: Anerkannt der Käufer das Dritte Recht ohne richterliche Entscheidung oder<br />

unterwirft er sich einem Schiedsgericht, so besteht die Gewährleistungspflicht weiterhin.<br />

Art 194 Abs. 2 OR: Gleiches gilt, wenn der Käufer die Sache herausgibt und dann beweist, dass<br />

er zur Herausgabe verpflichtet war.<br />

2. Rechtsfolgen der Entwehrung (Art. 195f. OR)<br />

Die Rechtsfolgen der Eviktion regelt Art. 195 OR. In Abs. 2 wird geregelt, dass der weitere Schaden<br />

(= entgangener Gewinn) nur ersetzt wird, wenn der Verkäufer sich nicht exkulpieren kann. Die<br />

Rechtsfolgen für die teilweise Eviktion regelt Art. 196 OR.<br />

3. Rechtsmängelhaftung und gutgläubiger Erwerb<br />

Fahrniskauf: Die Rechtsmängelhaftung entfällt, wenn der Käufer die Gefahr der Eviktion kannte.<br />

Hinzu kommt, dass Art. 933 ZGB den gutgläubigen Käufer schützt und ihm Eigentum verschafft.<br />

Folglich kommt die Rechtsmängelhaftung nur dort zum Zuge, wo der gutgläubige Erwerb wegen<br />

fahrlässiger Unkenntnis nicht erfolgt. Bei abhanden gekommenen Sachen i. S. v. Art. 934 Abs. 1 ZGB<br />

kommt die Rechtsmängelgewährleistung ebenfalls zum Zuge (Beachte aber auch Abs. 2: Lösungsrecht<br />

<strong>des</strong> Eigentümers Der Schadenersatzanspruch mindert sich um den erhaltenen Betrag.<br />

Grundstückkauf: Art. 221 OR verweist auf die Normen <strong>des</strong> Fahrniskaufs. Hier kommt nur fahrlässige<br />

Unkenntnis in Betracht, weil Art. 937 ZGB den gutgläubigen Erwerber eines eingetragenen Rechts<br />

schützt.<br />

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OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

4. Konkurrenz zu anderen Rechtsbehelfen<br />

Sachmängelhaftung (Art. 197ff. OR): Die Abgrenzung betrifft die Art <strong>des</strong> Mangels. Zu beachten ist<br />

vor allem der Sachmangel über rechtliche Eigenschaften.<br />

Schadenersatzansprüche nach Art. 97 ff. OR: Es herrscht alternative Konkurrenz.<br />

Irrtums- und Täuschungsanfechtung (Art. 23 ff. OR): Der Käufer kann sich wahlweise auf Willensmängel<br />

oder auf Rechtsmängelgewährleistung berufen, wenn er über den Rechtsmangel im Irrtum<br />

war oder absichtlich getäuscht wurde.<br />

IV. Sachmängelgewährleistung<br />

1. Sachmangel<br />

Ein Sachmangel liegt vor, wenn die Sache einen Fehler hat oder wenn ihr zugesicherte Eigenschaften<br />

fehlen (Art. 197 OR). Die „Ist“-Beschaffenheit weicht von der „Soll“-Beschaffenheit ab. Es kommt<br />

dabei darauf an, als was die Sache verkauft wurde. So kann eine Sache objektiv fehlerfrei sein, jedoch<br />

vertraglich zugesicherte Eigenschaften nicht besitzen. Andererseits kann eine Sache vertraglich fehlerfrei<br />

sein, wäre aber unter anderen Umständen fehlerhaft (z.B. wurmstichiges Obst, welches nicht<br />

als Tafelobst, sondern als Pressobst gebraucht wird). Nur im ersten Fall liegt ein Sachmangel vor.<br />

Unterscheidung: aliud und peius<br />

aliud: ein Gegenstand anderer Gattung. Es liegt Nichterfüllung vor, weil die geleistete Sache<br />

nicht Gegenstand <strong>des</strong> Vertrages war.<br />

peius: ein Gegenstand der richtigen Gattung, welche aber nicht der vereinbarten oder gesetzlichen<br />

Qualität entspricht. Es liegt ein Sachmangel vor, weil die Sache zwar Gegenstand<br />

<strong>des</strong> Vertrags war, jedoch nicht in dieser Qualität – nicht mit diesen Eigenschaften.<br />

Die Unterscheidung spielt nur beim Gattungskauf eine Rolle. Die bestimmte Speziesware<br />

beim Stückkauf ist immer die geschuldete Sache: Deshalb ist eine tadellose Geige, wenn sie<br />

fälschlicherweise als Stradivari verkauft wurde, eine fehlerhafte Stradivari und nicht etwa<br />

eine Falschlieferung.<br />

Aus der Unterscheidung zwischen aliud und peius folgern wir, dass bei der Stückschuld nur eine<br />

Nichterfüllung vorliegen kann, wenn eine andere Sache, als die vertraglich individualisierte geliefert<br />

wird („Identitätsaliud“). Es kommen Art. 107 ff. zur Anwendung.<br />

In allen anderen Fällen liegt ein Sachmangel vor.<br />

Sachmängel können rechtlicher oder körperlicher Natur sein. (Beispiele: Honsell S. 78ff)<br />

Massgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines Sachmangels ist derjenige der Gefahrübertragung.<br />

Bei der Gattung also mit der Aussonderung/Versendung, bei der Stückschuld mit Vertragsschluss.<br />

Die Beweislast für den Mangel trägt der Käufer, wenn er Sache angenommen hat. Er muss beweisen,<br />

dass die Sache bereits vor der Gefahrübertragung mangelhaft war, der Mangel jedenfalls im<br />

Keim bereits angelegt war.<br />

Verweigert der Käufer wegen Vertragswidrigkeit die Annahme, oder macht er bei der Annahme<br />

einen Vorbehalt, so kehrt die Beweislast: der Verkäufer muss die Mangelfreiheit beweisen.<br />

Für unerhebliche Mängel haftet der Verkäufer nicht, es sei denn, er hat entsprechende Eigenschaften<br />

zugesichert.<br />

12


OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

2. Zusicherung von Eigenschaften<br />

Eine Zusicherung muss Vertragsbestandteil sein. Strittig ist, ob es sich um eine vertragliche oder eine<br />

gesetzliche Haftung handelt. Wichtig ist, dass die Zusicherung nicht an eine Formpflicht gebunden<br />

werden soll. Konkludente Zusicherungen sind auch möglich. Werturteile (z.B. reklamehafte Anpreisungen)<br />

sind nicht Zusicherungen. Zusicherungen beziehen sich auf konkrete Sacheigenschaften.<br />

Abgrenzung zur selbständigen Garantie: Sie wird für künftige Eigenschaften und Erfolge abgegeben.<br />

Sie geht über die Zusicherung vertragsgemässer Beschaffenheit hinaus und liegt <strong>des</strong>halb ausserhalb<br />

der Einflussmöglichkeit <strong>des</strong> Verkäufers.<br />

3. Voraussetzungen der Geltendmachung von Sachmängelansprüchen<br />

- Prüfungs- und Rügeobliegenheit (Art. 201 OR): Gemäss Abs. 1 muss der Käufer die Ware sofort<br />

prüfen und Mängel anzeigen. Es handelt sich um eine Obliegenheit, nicht um eine Pflicht.<br />

Prüft er nicht, dann gilt die gekaufte Sache als genehmigt und Sachmängelansprüche entfallen<br />

(Abs. 2).<br />

Die Regel gilt für Käufe jeder Art – auch Unternehmens- und Grundstückskäufe. Bei Unterlassung<br />

werden die Gewährleistungspflicht und der Schadensersatz aus Art. 97 OR ausgeschlossen.<br />

Hingegen setzt die Irrtumsanfechtung nach OR 24 I Ziff.4 eine rechtliche Rüge nicht voraus.<br />

Umfang & Intensität der Prüfung ergeben sich aus Verkehrssitte, Handelsgebrauch und Branchenübung.<br />

Versteckte Mängel, die bei übungsgemässer Untersuchung nicht erkennbar sind,<br />

bleiben ausser Betracht. Bei umfangreichen Lieferungen reichen Stichproben.<br />

Rechtsfolgen bei Unterlassen der Prüfung ist die Genehmigungsfiktion nach Art. 201 Abs. 2 OR.<br />

Sie umfasst nur erkennbare Mängel.<br />

Art. 201 OR ist dispositiv: die Parteien können die Rügeobliegenheit verschärfen, mildern, oder<br />

abbedingen. Liegt eine Garantiefrist vor, ist die Sache trotzdem zu untersuchen und zu rügen.<br />

- Ausschluss der Gewährleistung bei Kenntnis <strong>des</strong> Käufers: Art. 200 Abs. 2 OR schliesst die<br />

Gewährleistung auch bei fahrlässiger Unkenntnis (hätte kennen müssen) aus, ausser bei Arglist<br />

oder Zusicherungen <strong>des</strong> Verkäufers.<br />

4. Vertragliche Gewährleistungsausschluss<br />

Die Haftung <strong>des</strong> Verkäufers kann eingeschränkt oder im Rahmen von Art. 199 OR ausgeschlossen<br />

werden. Dies geschieht mit vertraglichen Freizeichnungsklauseln (z.B. „wie besehen“,...)<br />

Freizeichnungsklauseln in AGB: insbesondere Art. 8 UWG ist zu beachten:<br />

Art. 8 Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen<br />

Unlauter handelt insbesondere, wer vorformulierte allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet,<br />

die in irreführender Weise zum Nachteil einer Vertragspartei:<br />

a. von der unmittelbar oder sinngemäss anwendbaren gesetzlichen Ordnung erheblich abweichen oder<br />

b. eine der Vertragsnatur erheblich widersprechende Verteilung von Rechten und Pflichten vorsehen.<br />

Auslegung von Freizeichnungsklauseln: Die h. L. wendet die Unklarheitenregel an, wonach unklare<br />

Vertragsbestimmungen (in AGB) zum Nachteil <strong>des</strong>jenigen ausgelegt werden, der sie verwendet hat.<br />

Wird eine Zusicherung gemacht und gleichzeitig eine Freizeichnungsklausel verwendet, so gilt die<br />

Freizeichnung nicht für die zugesicherte Eigenschaft (BGE 109 II 25) – widersprüchliches Verhalten.<br />

Strittig ist, ob wegen Art. 100 Abs. 1 OR, die grobe Fahrlässigkeit wegbedungen werden kann. Bejahend Honsell,<br />

weil Art. 199 OR lex specialis sei, verneinend Koller, weil unterschiedliche Fragen geregelt werden.<br />

Die Produktehaftpflicht betrifft Mangelfolgeschäden. Sie kann gemäss Art. 8 PrGH nicht wegbedungen<br />

werden.<br />

13


OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

5. Verjährung der Gewährleistungsansprüche<br />

Die kurze Verjährung der Sachmängelansprüche, soll baldige Klarheit schaffen, zudem schwindet<br />

mit der Zeit die Sicherheit, dass ein Mangel bei der Gefahrübertragung schon bestand.<br />

Die allgemeinen Vorschriften von Art. 127 ff. OR gelten auch hier. Jedoch kann die Verjährungsfrist<br />

im Gegensatz zu Art. 129 OR verlängert oder verkürzt werden.<br />

Die Verjährung gilt für alle Ansprüche aus Sachmängeln, also für die Wandlung, Minderung, Schadenersatz<br />

und den Nachlieferungsanspruch.<br />

Für folgende Ansprüche ist die kurze Frist nicht anwendbar: Art. 41ff. OR (dort nach Art. 60 OR),<br />

Grundlagenirrtum, Selbständige Garantie, Lieferung eines aliud bei Gattungskauf.<br />

Die Frist beträgt 1 Jahr (Art. 210 Abs. 1 OR) und beginnt mit Ablieferung der Kaufsache, nicht erst<br />

mit der Entdeckung <strong>des</strong> Mangels.<br />

Abweichende Vereinbarungen: Die Frist darf verlängert oder verkürzt werden, soll aber nach<br />

herrschender Lehre nicht länger als 10 Jahre sein dürfen (im Hinblick auf Art. 127 OR).<br />

Wird eine Garantiefrist vereinbart, welche kürzer als die Verjährungsfrist ist, so kann damit eine<br />

Verkürzung der Jahresfrist von Art. 210 OR gemeint sein, manchmal wird aber auch eine Rügefrist<br />

hineininterpretiert, welche die Verjährungsfrist unberührt lässt. Letzteres ist problematisch, weil dann<br />

die Rügeobliegenheit nicht mehr sofort ausgeübt werden muss.<br />

Mängeleinrede & Verrechnung nach Eintritt der Verjährung: Hat der Käufer den Kaufpreis<br />

noch nicht bezahlt und vor Ablauf der Verjährungsfrist die vorgeschriebene Anzeige nach Art. 201<br />

OR gemacht, so steht ihm gegen die Kaufpreiszahlung die Mängeleinrede zur Verfügung, auch wenn<br />

die Gewährleistungsfrist abgelaufen ist! „Anspruch vergeht, Einrede besteht“.<br />

Gleichermassen kann der Käufer die Verrechnungseinrede nach Art. 120 OR geltend machen.<br />

Hat der Käufer den Kaufpreis teilweise bezahlt, so kann er die Einrede nur gegenüber dem Restanspruch<br />

geltend machen (die Anzahlung kann er aber nach h. L. nicht zurückverlangen).<br />

V. Sachmängelansprüche im Einzelnen<br />

Käufer muss<br />

Verkäufer in Verzug<br />

(OR 102) setzen.<br />

Nachbesserung<br />

(wenn vereinbart)<br />

1. Allgemeines<br />

Vorliegen eines Sachmangels<br />

gemäss Art. 197 OR.<br />

+ Sofort geprüft und gerügt.<br />

- kein Gewährleistungsausschluss.<br />

Minderung<br />

Schadenersatz<br />

nur aus<br />

Art. 97 OR<br />

Wandlung<br />

Schadenersatz<br />

aus<br />

Art. 208 OR<br />

- Nachbesserung. Es handelt sich nicht um einen gesetzlichen Gewährleistungsanspruch: Damit<br />

ein Nachbesserungsanspruch besteht, muss ein solcher vereinbart werden. Der Käufer muss den<br />

Verkäufer nach Art. 102 und 107/108 OR in Verzug setzen und eine Nachfrist ansetzen. Nach<br />

Ablauf der Frist leben die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche wieder auf. Bei leichten Mängeln<br />

ist ein Nachbesserungsrecht <strong>des</strong> Verkäufers nach Art. 2 ZGB zu gewähren.<br />

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OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

- Geltendmachung von Sachmängelansprüchen, ius variandi:<br />

Grundsätzlich kann der Käufer auf Wandelung oder Minderung klagen, auch wenn dies von den<br />

Parteien nicht vertraglich vorgesehen ist. Es bedarf also keiner Klage auf Wandelungsvertrag.<br />

Wenn der Käufer einen Wandelungsanspruch geltend macht, kann der Richter auch bloss die<br />

Minderung zusprechen, wenn die Umstände eine Wandelung nicht rechtfertigen (Art. 205 Abs. 2<br />

OR – Relativierung <strong>des</strong> Wandelungsanspruchs durch richterliches Ermessen).<br />

Darf der Käufer, der auf Wandelung klagt, sich noch umentscheiden auf Minderung oder umgekehrt<br />

(ius variandi)? Die Frage ist streitig. Honsell: Solange der Verkäufer den Anspruch bestreitet,<br />

soll der Käufer sich noch anders entscheiden können.<br />

- Abtretbarkeit der Sachmängelrechte? Die herrschende Lehre verneint dies. Gewisse BGE haben<br />

sich in gewissem Sinne für die Abtretbarkeit entschieden.<br />

2. Wandelung<br />

- Durchführung der Wandelung: Der Kauf soll rückgängig gemacht werden.<br />

Beide Parteien müssen so gestellt werden, wie wenn der Vertrag nicht geschlossen worden<br />

wäre. Die Rückerstattung der Leistungen erfolgt Zug um Zug (Art. 82 OR).<br />

Den Parteien erwachsen zusätzlich folgende Rechte & Pflichten:<br />

Käufer Verkäufer<br />

Pflichten - Bisherige Nutzungen herausgeben<br />

(OR 208 I).<br />

- Sache sorgfältig verwahren (204 I).<br />

- Verderbliches darf/muss veräussert<br />

werden (OR 204 III).<br />

Rechte Des einen Pflicht ist <strong>des</strong> anderen Recht.<br />

- Kaufpreis verzinsen OR 208 II.<br />

- Ersatz <strong>des</strong> unmittelbaren Schadens<br />

(OR 208 II).<br />

- Muss Prozesskosten ersetzen.<br />

- Kostentragung <strong>des</strong> Rücktransports.<br />

Dingliche Rückwirkung? Art. 205 Abs. 1 OR spricht von „rückgängig machen“ – was<br />

heisst das bezüglich <strong>des</strong> Eigentums? Die herrschende Lehre geht vom Wegfall der causa ex<br />

tunc aus, d.h. wie wenn der Käufer nie Eigentümer geworden wäre. Folglich stünde dem<br />

Verkäufer die Vindikation zu.<br />

Eine Gegenmeinung und das Bun<strong>des</strong>gericht gehen von einem obligatorischen Rückgewähranspruch<br />

aus. Der Rücktritt wird als ex nunc wirken<strong>des</strong> Abwicklungs- und Liquidati<br />

onsverhältnis qualifiziert. Der Vorteil ist, dass dann die Nebenansprüche der Vindikation in<br />

Art. 938 ff. ZGB nicht zur Anwendung kommen, welche auf die Wandelung nicht passen.<br />

- Ausschluss der Wandelung<br />

Die Wandelung ist bei der Weiterveräusserung, Weiterverarbeitung und dem Untergang durch<br />

das Verschulden <strong>des</strong> Käufers ausgeschlossen. In diesen Fällen ist nur noch die Minderung möglich<br />

(Art. 207 Abs. 3 OR). Der Untergang infolge eines Mangels oder durch Zufall schliesst die<br />

Wandelung nicht aus (Art. 207 Abs. 1 OR).<br />

- Wandelung bei einer Mehrheit von Kaufsachen<br />

Einzelwandelung: Die Wandelung kann bei einer Mehrheit von Kaufsachen nur im Bezug auf<br />

die mangelhaften Teile vorgenommen werden (Art. 209 Abs. 1 OR).<br />

Gesamtwandelung: Wenn sich Stücke nicht trennen lassen oder das Aussortieren nicht zumutbar<br />

ist (Art. 209 Abs. 2 OR).<br />

Bei Sukzessivlieferverträgen gilt das Prinzip von Abs. 1 ebenfalls. Wenn aber aus einer Lieferung<br />

zu schliessen ist, dass Verkäufer überhaupt nicht im Stande ist, vertragsgemäss zu liefern,<br />

ist die Gesamtwandelung zulässig.<br />

15


OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

3. Minderung<br />

Voraussetzungen: Der Käufer kann die Minderung wählen, wenn ein Sachmangel vorliegt. Zudem<br />

kommt Minderung zum Zuge, wenn die Wandelung nach den Umständen nicht gerechtfertigt ist (Art.<br />

205 Abs. 2 OR). So etwa, wenn die Wandelung dem Verkäufer einen unverhältnismässigen Nachteil<br />

bringen würde. Die Wandelung verdient hingegen den Vorzug, wenn die Mängel objektiv wesentlich<br />

sind oder dem Käufer eine für ihn subjektiv wesentliche Zusicherung gemacht wurde.<br />

Berechnung: Ursprünglich ging das OR von der objektiven Methode aus, welche die Differenz <strong>des</strong><br />

objektiven Werts der Sache ohne Mangel zum objektiven Wert der Sache mit Mangel ermittelt.<br />

Die herrschende Lehre folgt der relativen Methode: Dabei wird eine allfällige Differenz zwischen<br />

dem objektiven Wert der Sache und dem Verkaufspreis mitberücksichtigt:<br />

Der gewandelte Preis wird aber auch oft an den Mängelbeseitigungskosten bemessen. Dann beträgt<br />

die Minderung die Reparaturkosten.<br />

Ist eine Sache völlig wertlos, so ist nur die Wandelung möglich (Art. 205 Abs. 3 OR).<br />

4. Schadenersatz<br />

bezahlter Kaufpreis × Wert der mangelhaften Sache<br />

hypothetischer Wert der Sache ohne Mangel<br />

Art. 208 OR regelt den Schadenersatz bei der Wandelung. Schäden, die mit der Wahl der Minderung<br />

entstehen, können nur nach Art. 97ff. OR geltend gemacht werden.<br />

Unterscheidung: Mangelschaden und Mangelfolgeschaden<br />

= geminderter Preis<br />

Ein Mangelschaden, ist der Schaden der „unmittelbar“ aus dem Mangel an der Sache<br />

selbst entsteht. Ein Mangelfolgeschaden tritt durch den Mangel an der Sache „mittelbar“<br />

an anderen Rechtsgütern <strong>des</strong> Käufers auf (z.B. giftiges Futter tötet Pferde).<br />

Begriffspaare: positives/negatives Interesse und unmittelbarer/mittelbarer Schaden<br />

Positives Interesse: Der Geschädigte wird so gestellt, wie wenn der Vertrag ordnungsgemäss<br />

erfüllt worden wäre. Negatives Interesse: Der Geschädigte wird so gestellt, wie<br />

wenn er auf die Gültigkeit bzw. den Bestand <strong>des</strong> Vertrages nicht vertraut hätte. Vergebliche<br />

Aufwände werden vor allem erfasst.<br />

Unmittelbarer Schaden entstehen direkt aus dem schädigenden Ereignis. Mittelbare<br />

Schäden (weitere Schäden) sind fernere Schäden. Es kommt also auf die Länge der Kausalkette<br />

an. Die Unterscheidung gilt als eher unbrauchbar.<br />

A. Schadenersatz bei der Wandelung<br />

Art. 208 Abs. 1 und Abs. 2 regeln, was der Verkäufer und der Käufer bei der Wandelung zu leisten<br />

haben. Abs. 2 regelt die Abgeltung unmittelbarer Schäden <strong>des</strong> Käufers. So sind vom Verkäufer der<br />

Verkaufspreis samt Zinsen, Vertrags-, Transport und Prozesskosten, Kursverluste zu ersetzen.<br />

Der Käufer hat gemäss Abs. 1 den bereits gezogenen Nutzen und die Sache selbst dem Verkäufer<br />

zurückzugeben.<br />

Dabei handelt es sich überall um unmittelbare Schäden (Mangelschäden), keine Mangelfolgeschäden.<br />

Mangelschäden fallen unter das positive, sowie unter das negative Interesse.<br />

In Art. 208 Abs. 3 OR, werden die weiteren Schäden geregelt – es handelt sich also um Mangelfolgeschäden,<br />

welche an Rechtsgütern <strong>des</strong> Käufers entstehen. Diese werden nur dann ersetzt, wenn den<br />

Verkäufer ein Verschulden trifft. Entgangener Gewinn und das Haftungsinteresse gehören ebenfalls<br />

zu Abs. 3. Letzteres ist das Interesse <strong>des</strong> Käufers, der die Sache weiterveräussert hat und nun wegen<br />

dem Mangel selbst haftet.<br />

Für die Subsumtion der Mangelfolgeschäden unter Abs. 3 spricht die Ähnlichkeit zu Art. 97 OR.<br />

16


OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

Ist Art. 97 ff. OR bei der Wandelung anwendbar? Die Rechtssprechung hat den Schadenersatz von<br />

Art. 97 OR konkurrierend zugelassen. Honsell lehnt dies entschieden ab, weil Art. 197 ff. OR abschliessende<br />

Regelungen für den Kauf enthalten. Soweit also Gewährleistungsansprüche betroffen<br />

sind, so solle Art. 97 OR nicht zur Anwendung kommen.<br />

Im Falle der Anwendung von Art. 97 OR muss zumin<strong>des</strong>t auch eine rechtzeitige Mängelrüge nach<br />

den Grundsätzen von Art. 201 OR erfolgen und die Verjährungsfrist <strong>des</strong> Kaufrechts gelten. Zudem<br />

gilt eine Haftungsfreizeichnung gemäss Art. 199 OR auch für Ansprüche aus Art. 97 ff. OR.<br />

Zu beachten ist, dass Art. 97 immer eine Vertragsverletzung voraussetzt. Soll bei einem verschuldeten<br />

Sachmangel also 97 angewendet werden, läuft es praktisch auf das gleiche hinaus, wie wenn Art.<br />

208 OR angewendet würde (vgl. auch Eugen Bucher, OR BT, S.107 oben).<br />

B. Schadenersatz bei der Minderung<br />

Der Mangelschaden wird gerade mit der Minderung ausgeglichen. Weiterer Schadenersatz kann also<br />

nur für Mangelfolgeschäden geltend gemacht werden. Art. 208 OR kommt nicht zur Anwendung!<br />

Vielmehr wird Art. 97 ff. OR im Rahmen der Gewährleistung bei der Minderung angewendet. Ein<br />

Mangelfolgeschaden kann gegeben sein, wenn zwar nur der Minderwert bezahlt werden muss, aber<br />

zum Beispiel...<br />

- ...die Nichtverfügbarkeit einer sich in Reparatur befindlichen Sache noch zusätzliche Kosten<br />

verursacht (Mangelfolgeschaden).<br />

- ...die Sache untergegangen oder verbraucht worden ist (z.B. Konsum verdorbener Lebensmittel)<br />

und somit infolge <strong>des</strong> Mangels ein Schaden entsteht (Mangelfolgeschaden).<br />

VI. Konkurrenz der Sachmängelhaftung mit anderen Rechtsbehelfen<br />

1. Schadenersatzansprüche nach Art. 97 ff. OR<br />

Die Rechtssprechung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichts lässt die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen<br />

gemäss Art. 97 OR konkurrierend zu. Methodisch mag dies unzutreffend sein, für die Praxis hat es<br />

allerdings keine Konsequenzen, da die Besonderheiten <strong>des</strong> Sachmängelgewährleistungsrechts auf Art.<br />

97 ff. übertragen werden (vgl. oben).<br />

Fazit: dogmatisch wohl unzutreffend, praktisch ohne Konsequenzen.<br />

BEACHTE: Die Verletzung von Nebenpflichten fällt immer unter Art. 97 ff. OR, da es sich dabei um<br />

eine positive Vertragsverletzung handelt. Ebenso ist eine vom Verkäufer verschuldete Verschlechterung<br />

der Kaufsache nach Gefahrenübergang unter Art. 97 ff. zu behandeln.<br />

2. Schadenersatz aus Delikt (Art. 41 ff. OR)<br />

Deliktsansprüche können stets mit vertraglichen Rechtsbehelfen konkurrieren, weil der Verkäufer<br />

gegen Vertragspflichten und Pflichten gegenüber der Allgemeinheit gleichzeitig verstossen kann. Es<br />

bestehen allerdings oft Schwierigkeiten bei der Zuordnung im Einzelfall.<br />

VORSICHT: Mit dem Inverkehrbringen von gefährlichen Gütern, können Deliktsansprüche entstehen.<br />

Es wird dabei nicht auf den Vertragsschluss, sondern auf das Inverkehrbringen als solches abgestellt.<br />

Voraussetzung für Deliktsansprüche ist die Anwendbarkeit <strong>des</strong> allgemeinen Gefahrensatzes<br />

oder die Verletzung einer Schutznorm.<br />

Was Mangelschäden betrifft, so sind sie grundsätzlich dem Vertragsrecht zugewiesen.<br />

Fazit: konkurrierende Anwendung stets möglich<br />

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OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

3. Schadenersatzansprüche nach dem Produktehaftpflichtgesetz (PrGH)<br />

Was ist die Produkthaftung?<br />

Hersteller und Verkäufer sind oftmals nicht identisch. Bei der Produkthaftung haftet derjenige<br />

(nur) für Mangelfolgeschäden, der ein Produkt hergestellt hat, sofern sein Produkt ein<br />

Fehler hat und in den Verkehr gebracht worden ist. Zu ersetzen sind Personenschäden und<br />

Sachschäden an privat genutzten Sachen <strong>des</strong> Käufer.<br />

Der Verkäufer haftet für Mängel an der Sache (schliesslich ist die Sachmängelhaftung verschuldensunabhängig),<br />

Art. 197 ff. OR. Für Mangelfolgeschäden, die er nicht zu verantworten<br />

hat (keine Untersuchungspflicht <strong>des</strong> Verkäufers!), haftet er nicht. Hier setzt die<br />

Produkthaftung ein.<br />

Importeure werden wie Hersteller behandelt!<br />

Sind Hersteller und Verkäufer identisch, so konkurrieren die Produkthaftung und die Sachmängelgewährleistung.<br />

Wesentliche Unterschiede zur Sachmängelgewährleistung:<br />

- Die Wegbedingung der Produkthaftung ist unzulässig!<br />

- Die relative Verjährungsfrist beträgt bei der Produkthaftung 3 Jahre, die absolute Verjährungsfrist<br />

(ab dem Inverkehrbringen <strong>des</strong> Produkts) 10 Jahre.<br />

Fazit: Sind Hersteller und Verkäufer identisch, konkurrieren die Ansprüche aus Produkthaftung<br />

und Sachmängelgewährleistung.<br />

4. Konkurrenz von Sachmängelhaftung und Irrtumsanfechtung<br />

Die Irrtumsanfechtung betrifft erstens v. a. den Spezieskauf. Bei der Gattungsschuld ist sie nur denkbar,<br />

wenn die ganze Gattung mangelhaft ist oder ihr zugesicherte Eigenschaften fehlen.<br />

Zweitens betrifft es nur den Käufer. Unterliegt der Verkäufer dem Irrtum, kann er diesen anfechten.<br />

Das Bun<strong>des</strong>gericht lässt die Anfechtung wegen Grundlagenirrtums nach Art. 24 Abs. 1 Ziff 4. zu.<br />

Insbesondere bei Bilderfällen kommt diese Vorgehensweise zur Anwendung, da die Mängel oft erst<br />

nach Ablauf der 1-jährigen Verjährungsfrist entdeckt werden, wohingegen die Frist der Irrtumsanfechtung<br />

erst ab Beginn der Entdeckung <strong>des</strong> Irrtums beginnt.<br />

Eine Geltendmachung <strong>des</strong> Grundlagenirrtums ist aber nach der Geltendmachung der Sachmängelgewährleistung<br />

nicht mehr möglich, weil letzteres eine Genehmigung <strong>des</strong> Vertrags darstellt.<br />

Zustimmung findet diese Rechtssprechung bei einem Teil der Lehre, weil der Irrtum auf der Ebene<br />

Vertragsschluss liegt, der Sachmangel jedoch auf der Ebene Vertragserfüllung. So gesehen wäre die<br />

Andersbehandlung begründet.<br />

KRITIK: Das Problem liegt darin, dass für jeden Fall der Sachmängelgewährleistung auch die Irrtumsanfechtung<br />

in Frage kommt. So können mit der alternativen Wahl <strong>des</strong> Grundlagenirrtums Art.<br />

201, 210 und 200 Abs. 2 OR praktisch immer umgangen werden. Da die Rechtsfolgen verschieden<br />

sind, der Sachverhalt aber der gleiche bleibt, wird diese Rechtssprechung von der h. L. kritisiert.<br />

Fazit: Die Rechtssprechung wendet die Sachmängelgewährleistung und die Irrtumsanfechtung<br />

(insbesondere bei Bilderfällen) konkurrierend an – ein Teil der Lehre kritisiert dies.<br />

Diese Thematik wird vom Picasso-Fall BGE 114 II 131 aufgegriffen. Daneben werden noch weitere<br />

Aspekte angeschnitten (Urteilsbesprechung in: recht 1989 S. 101 von Wolfgang Wiegand):<br />

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OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

Exkurs: <strong>Inhalt</strong> <strong>des</strong> Picasso-Falls (BGE 114 II 131)<br />

Zum Sachverhalt: A kauft von X ein Bild mit der Unterschrift Picassos. 11 Jahre später will A<br />

dieses weiterverkaufen und als es überprüft wird, stellt sich heraus, dass das Bild nicht von Picasso<br />

ist. Ein Jahr darauf klagt A gegen die Witwe von X auf Rücknahme <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> und Rückzahlung<br />

<strong>des</strong> Preises nebst Zinsen wegen Grundlagenirrtums.<br />

Aus den Erwägungen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichts:<br />

In der ersten Erwägung behandelt das Bun<strong>des</strong>gericht ob neben der Sachmängelgewährleistung<br />

auch die Irrtumsanfechtung möglich sei. Es bejaht die Alternativität der beiden Normen aus folgenden<br />

Gründen:<br />

Erstens betreffen die beiden Rechtsbehelfe verschiedene Rechtsgründe: Die Irrtumsanfechtung<br />

beruht auf dem Vertragsschluss, wohingegen die Gewährleistung die Vertragserfüllung betrifft.<br />

Zweitens verneint das Bun<strong>des</strong>gericht das Argument, dass die Folgen von Sachmängeln im Kaufrecht<br />

abschliessend geregelt werden, da sich die Tatbestände nicht decken, sondern nur überschneiden.<br />

Drittens: Der Käufer ist der schutzwürdigere Teil der Vertragsparteien, mit den kurzen Prüfungs-<br />

und Rügefristen <strong>des</strong> Sachmängelgewährleistungsrechts wird jedoch der Verkäufer begünstigt.<br />

Dies widerspricht in vielen Fällen dem Sinn und Zweck <strong>des</strong> Gesetzes.<br />

Viertens: Die Rechtsprechung hat bisher immer so entschieden, eine Änderung wäre nicht im<br />

Interesse der Rechtssicherheit.<br />

In der zweiten Erwägung geht es um die relative Frist der Anfechtung in Art. 31 OR. Das Bun<strong>des</strong>gericht<br />

betont, dass es keine absolute Frist für die Anfechtung gibt und die klar unterschiedliche<br />

Regelung von Art. 67 OR (welche eine absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren vorsieht) deutlich<br />

macht, dass eine solche bei Willensmängeln bewusst weggelassen wurde.<br />

<br />

Die dritte Erwägung beschäftigt sich dann mit der Verjährung der Ansprüche aus ungerechtfertigter<br />

Bereicherung. Art. 67 OR sieht eine absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren vor.<br />

Fraglich bleibt, ob diese Frist ab Vertragsschluss oder ab dem Zeitpunkt der Anfechtung zu laufen<br />

beginnt . Zur Ermittlung der Antwort auf diese Frage, behandelt<br />

es v. a. die Ungültigkeitstheorie und die Anfechtungstheorie. Erstere geht davon aus, dass der<br />

Vertrag von Anfang an ungültig ist und zur Gültigkeit der Genehmigung <strong>des</strong> Käufers bedarf (Suspensivbedingung),<br />

letztere dass es zur Ungültigkeit der Anfechtung bedarf, ansonsten gilt der<br />

Vertrag (Resolutivbedingung). Die herrschende Lehre geht von der Anfechtungstheorie aus.<br />

Bleibt zu prüfen, ob damit die 10-Jahresfirst erst mit der Anfechtung beginnt. Das Bun<strong>des</strong>gericht<br />

kommt zum Schluss, dass dies nicht der Fall ist, da mit der erfolgreichen Anfechtung der Vertrag<br />

ex tunc aufgehoben wird – folglich von Anfang an unwirksam war. Konsequenz: Ob Ungültigkeitstheorie<br />

oder Anfechtungstheorie – die Frist beginnt mit Vertragsschluss zu laufen .<br />

Kritik am Entscheid: Bemerkungen zum Picasso-Entscheid, Wolfgang Wiegand in: recht 1989,<br />

S. 101 ff. ; Zur ersten Erwägung ist insbesondere festzuhalten, dass das Bun<strong>des</strong>gericht von Anfang<br />

an nicht beabsichtigt, die Rechtsprechung zu ändern. Es zählt daher nur die verschiedenen Lehrmeinungen<br />

auf ohne die Sachproblematik zu analysieren. Es ist wahr, dass gerade im Fall eines<br />

gefälschten Bil<strong>des</strong>, das Interesse der Anfechtung wegen Willensmangels gerechtfertigt ist. Dogmatisch<br />

konnte die Frage nie abschliessend geklärt werden. Das Bun<strong>des</strong>gericht hätte sich damit<br />

begnügen müssen, dass in der momentanen Situation kein Anlass zur Änderung der Rechtssprechung<br />

bestehe.<br />

Das Bun<strong>des</strong>gericht hat es zudem versäumt das Verhältnis der Sachmängelgewährleistung zur<br />

Nichterfüllung (Art. 97 ff. OR) und den deliktischen Ansprüchen (Art. 41 ff. OR) zu erwähnen,<br />

sowie die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 24 Ziff. 4 OR zu prüfen.<br />

Die beiden anderen Erwägungen werden im Aufsatz ausführlich besprochen und kritisiert (S. 106<br />

– 111). Sie gehören aber nicht direkt zu der hier behandelten Konkurrenzthematik, <strong>des</strong>halb werden<br />

sie nicht weiter zusammengefasst...<br />

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OR – Zusammenfassung zum Kaufvertrag Dominic Buttliger<br />

VII. Gattungskauf<br />

Die Ware bestimmt sich nach Gattungsmerkmalen. Ob eine Stückschuld oder eine Gattungsschuld<br />

vorliegt, richtet sich primär nach dem Parteiwillen, subsidiär nach der Verkehrsauffassung.<br />

1. Die Lieferpflicht <strong>des</strong> Verkäufers<br />

Der Verkäufer darf das Stück, das er leisten will auswählen (Art. 71 Abs. 1 OR), aber es muss min<strong>des</strong>tens<br />

mittlerer Qualität sein.<br />

Erfüllungsort ist der Wohnsitz <strong>des</strong> Schuldners. Es handelt sich um eine Holschuld (Art. 74 Abs. 2<br />

Ziff. 3 OR).<br />

Es besteht eine Beschaffungspflicht <strong>des</strong> Käufers: Genire perire non potest! Wenn das vom Verkäufer<br />

ausgewählte Stück untergeht, muss er ein anderes beschaffen.<br />

Ausnahme: Wenn eine Sache unerschwinglich ist (z.B. im Kriegsfall, bei einem Embargo) oder bei<br />

Unmöglichkeit (wenn der gesamte Vorrat untergegangen ist).<br />

2. Nachlieferung (Art. 206 Abs. 1 OR)<br />

Neben der Wandelung und der Minderung hat der Käufer die Möglichkeit die Nachlieferung zu<br />

verlangen. Auf diesen Anspruch sind die Gewährleistungsregeln von Art. 201 & 210 OR anwendbar.<br />

Art. 206 Abs. 2 gewährt dem Verkäufer beim Platzkauf ein Recht auf Nachlieferung. So kann er die<br />

Wandelung oder Minderung durch Nachlieferung abwenden. Die herrschende Lehre gewährt diesen<br />

Anspruch auch beim Distanzkauf.<br />

3. Abgrenzung von Schlechtlieferung (peius) und Falschlieferung (aliud)<br />

Die Abgrenzung ist beim Gattungskauf von Bedeutung, weil die Sache nicht durch ihre Individualität<br />

bestimmt ist, sondern durch ihre Zugehörigkeit zu einer Gattung. Wird also eine Sache anderer<br />

Gattung geliefert, handelt es sich um eine Falschlieferung, nicht um eine Schlechtlieferung.<br />

Die Falschlieferung hat Nichterfüllung, die Schlechtlieferung Sachmängelgewährleistung zur Folge.<br />

Die Gattungszugehörigkeit ist ein schlechtes Kriterium, weil man in der Gattungspyramide beliebig<br />

auf- und absteigen kann (z.B. ein seidenes Kleid: Ist die Gattung „seidene Kleider“ oder „Kleider“. Im ersten<br />

Fall liegt beim Fehlen der Eigenschaft „seiden“ eine Falsch-, im zweiten Fall eine Schlechtlieferung vor).<br />

Da die unterschiedliche Qualifikation andere Rechtsfolgen herbeiführt, obwohl die tatsächliche Folge<br />

oftmals gleich ist (z.B. zerstörte Ernte), sind für die Abgrenzung nach h. L. die Verkehrsauffassung<br />

und der Verwendungszweck massgeblich. Bei Vorliegen einer konkreten Beschreibung <strong>des</strong> Kaufgegenstands,<br />

kann auf diese abgestellt werden.<br />

Eine Mindermeinung ist der Ansicht, für aliud- und peius-Lieferungen immer das Sachmängelrecht<br />

anzuwenden.<br />

Die herrschende Lehre wendet für aliud-Lieferungen (Falschlieferungen) beim Gattungskauf anstatt<br />

das Sachmängelrecht folgende Regeln an:<br />

a) Der Käufer hat einen Erfüllungsanspruch und kann nach Art. 107 bzw. 190 OR vorgehen. Ein<br />

Rücktritt ist nicht mit der Wandelung möglich, sondern nur nach Art. 107 OR (es bedarf einer<br />

Nachfristsetzung!).<br />

b) Da es sich nicht um einen Sachmangel handelt, spielt die Versäumung der Rüge und der Prüfungsobliegenheit<br />

keine Rolle.<br />

c) Die Verjährungsfrist nach Art. 210 OR gilt nicht.<br />

d) Folgeschäden unterliegen der allgemeinen Haftung von Art. 97 ff. OR. Die gewährleistungsrechtlichen<br />

Schadenersatzbesonderheiten von Art. 210 und 201 OR gelten nicht.<br />

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