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HOCHBAU -KONSTRUI(TIONEN.

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LEHRBUCH<br />

DER<br />

<strong>HOCHBAU</strong> -<strong>KONSTRUI</strong>(<strong>TIONEN</strong>.<br />

ERSTER THEIL.


Vor W 0 r t.<br />

Die vorhandene Literatur in den Bauwissenschaften war bis zum<br />

Ende des vorigen ,Tahrhunderts eine sehr einseitige. Wie schätzenswerth<br />

einzelne jener älteren iWerke über die" ge s a m mt e Ci v i I bau k uns t<br />

auch sein mögen, so behandeln sie doch fast ausnahmslos nur elen formalen<br />

Theil der Architektur, insbesondere die Säulenordnungen in Verbindung<br />

mit der Austheilung und Gliederung der Profile und Gesimse.<br />

Technische Mitthailungen über Baukonstruktionen und Baumaterialien<br />

aus den Schriften Vitruv's , aus Plinius, aus den Abhandlungen von<br />

Battista Alberti"}, Vignola und Palladio **) finden sich in ihnen nur<br />

höchst dürftig vor.<br />

Der verführerische Reiz der Zeichenkunst war zu jener Zeit bei<br />

den Baukünstlern so vorherrschend ,dass er ein anderweitiges ,ernstes<br />

Studium, auf welchem die Baukunst doch nicht minder beruht, gar nicht<br />

aufkommen liess; die Baumeister traten, mit Vitruv zu reden, nicht mit<br />

allen Waffen (omnibus armis ornati) auf die Wahlstatt.!<br />

Der Mangel an praktischen, die Konstruktion von Wohngebäuden<br />

behandelnden Büchern machte sich daher auch überall fühlbar. So richtet<br />

unter anderen eine öffentliche Stimme in der decade philosophique,<br />

Iitteraire et politique aus dem 3. Jahre der französischen Republik einen<br />

energischen Appell an die damals in Frankreich lebenden Architekten, in<br />

welchem gesagt wird: "es sei höchste Zeit, dass sich die Baukünstler<br />

endlich der wir t h s chaft1ich e n Bauk uns t befleissigen möchten.<br />

Man eröffne ihnen, durch Ausschreibung von Preisen, neue Laufbahnen,<br />

und sei vielleicht der Zeitpunkt nicht mehr fern, wo die allgemeine<br />

Achtung Demjenigen nicht weniger zu Theil wird, der sich bestrebt,<br />

*) De re aedificatoria, Florenz 1485.<br />

**) Dell' Architettura von Palladio (gestorben 1580) erschien m 4 Bänden, verdeutscht<br />

von Böckl-r 1698 in Nürnbersr,


VI<br />

gesunde und bequeme Wohngebäude. zn errichten, als dem, der Tempel<br />

und Paläste entwirft !;; Und schon unter der Regierung Louis XV.<br />

beklagte sich der Regierungsarchitekt Patte über den gänzlichen Mangel<br />

eines gründlichen Werkes über Baukonstruktion*).<br />

Auch in Deutschland konnten um dieselbe Zeit Bücher, wie: Helfenrieder's<br />

"Beiträge zur bürgerlichen Baukunst" (1793), dessen Autor Professor<br />

der Mathematik und Doktor der Theologie an der Universität in<br />

Ingolsta.dt war, die Lücken nicht beseitigen. welche von einsichtsvollen<br />

Baumeistern tief empfunden wurden; selbst das Buch: "Theoretischpraktischer<br />

Unterricht über die Baukunst, für Steinmetzen, Zimmerleute<br />

und jeden baulustigen Hausvater", welches in Nürnberg im Jahre 1794<br />

erschienen war , enthielt, ebenso wie mehrere andere literarische Produkte<br />

der damaligen Zeit mit ähnlich hochtönendem Titel, Nie h t s,<br />

was solchem nur einigermassen hätte entsprechen können.<br />

Der Altvater der neueren Hochbaukonstruktion, D. Gilly in Berlin,<br />

war es, welcher im .Jahre 1795 die Idee fasste, durch Herausgabe eines<br />

entsprechenden Handbuches den angehenden Baumeistern einen Leitfaden<br />

in die Hand zugeben, und diesen Gedanken durch die in den<br />

Jahren 1797 und 1798 erschienenen ersten Bände seiner Landbaukunst<br />

realisirte.<br />

Als im Jahre 1808 D. Gilly nach vollbrachtem 60. Lebensjahre als<br />

Geheimer Oberbaurath sein für die vVelt und den Staat so fruchtreiches<br />

Leben beschlossen hatte, übernahm es der Regierungsbaurath<br />

Friderici, Gilly's Schwiegersohn, und nach dessen Tode der Oberbaudirektor<br />

F. Triest, das Handbuch der Landbaukunst in Rücksicht auf<br />

die Konstruktion der Wohn- und Wirthschaftsgebäude in 3 Bänden<br />

mit Atlas in Kupferdruck weiter zu ergänzen; in dieser Gestalt wurde<br />

von diesem vortrefflichen Werke im Jahre 1831 die fünfte und letzte<br />

Auflage herausgegeben.<br />

Gilly's Bestrebungen waren hauptsächlich darauf gerichtet, "gu t<br />

und s par s a m " zu bauen, und den angehenden Baumeister sowohl,<br />

als auch den Ha n d werk e I' über die wichtigsten und zugleich nothwendigsten<br />

Baukonstruktionen, welche die Ausführung von Wohngebäuden<br />

bedingen, zu belehren. Um verstanden zu werden, begründete er seine<br />

Lehren in der Art, dass er über einen blinden Mechanismus sich zwar<br />

erhob, dabei aber die Schranken, welche eine praktische Anleitung von<br />

einer mathematischen Theorie hätten trennen können, nie überschritt; bei<br />

jeder Konstruktion entwickelte er die allgemein brauchbarsten Vorschriften<br />

und Handgriffe nach leicht fassbarer lVIethoc1e.<br />

In Frankreich war es Ronclelet, der, 1743 geboren, nach einer<br />

*) Observations 8Ur les objets les plus importanta c1e l'Architecture. Paris 1769.


VII<br />

gründlichen Vorbildung unter der Leitung Sufflot's eine vielseitige Bauthätigkeit<br />

entfaltete, später in Italien seinen Studien" oblag, und dann<br />

als Professor der Academie des beaux arts "wirkte und die Frucht seiner<br />

unermüdlichen Thätigkeit und seiner" Forschungen in 5 Quartbänden<br />

mit umfangreichem in Kupfer gestochenen Atlas herausgab.<br />

Rondelet's "Kuns t zu bau e n" erstreckt sich auf das gesammte<br />

Bauwesen und behandelt neben dem Hochbau den Brücken - und<br />

Strassenbau, sowie auch die Baumaterialien.<br />

Wenn Rondelet in allen seinen Schriften der Theorie eine hervorragende<br />

Stellung einräumt, so legt er doch ein sehr entschiedenes<br />

Gewicht auf praktisch erworbene Erfahrungen, welche sich jeder Baumeister<br />

vorher aneignen müsse. ,;Um über einen Gegenstand richtig<br />

urtheilen und endgiltig entscheiden zu können, muss man ihn vor Allem<br />

gründlich kennen lernen; solches Erkennen setzt aber oft eine grosse<br />

Summe von Wissen voraus; die nicht Jeder in sich vereint; die Theorie,<br />

die hauptsächlich auf realen B e 0 b a c h tun gen und U n t e r ­<br />

s u c h u n gen beruhe, könne nur in der Hand eines praktisch gebildeten<br />

Mannes Erfolge haben, sie müsse mit der Praxis Hand in Hand gehen!"<br />

Die Ku n s t zu bau e n wurde von dem Architekten Distelbarth<br />

ins Deutsche übersetzt im Jahre 1823 "herausgegeben. Einer grossen<br />

Verbreitung hat sich dieses vorzügliche Werk in Deutschland jedoch<br />

nicht zu erfreuen gehabt; abgesehen davon, dass die Anschauungen vom<br />

Bauen in Deutschland vielfach von denjenigen der Franzosen abweichen,<br />

mag der grosse Umfang des Werkes und der Preis Manchen davon<br />

abgehalten haben, es anzuschaffen.<br />

In unserm Vaterlande erwarben sich um die Bau k 0 n s t r u k t ion s­<br />

I ehr e ausser Friderici und Triest noch Menzel, "Linke und Manger<br />

vielfache Verdienste; sie alle waren bestrebt, die Lehren Gilly's ihrer<br />

Zeit entsprechend weiter auszubilden, und es haben die letzteren drei<br />

als Lehrer der Baukonstruktion lange und erspriesslich gewirkt. Ganz<br />

besonders aber war es G. Linke, welcher mit grösstem Eifer und besten<br />

Erfolgen ein halbes Säkulum hindurch an der Berliner Bauakademie<br />

Vorträge über Baukonstruktionhielt , denen er vorzugsweise seine ganze<br />

Kraft zuwandte, ohne dieselbe durch seine umfangreiche Baupraxis jemals<br />

beeinträchtigen zu lassen.<br />

Linke's Vorträge; die vorherrschend praktischer Natur waren, wurden<br />

seiner Zeit durch Zinkographie vervielfältigt und bildeten einen äusserst<br />

brauchbaren Berather für alle angehenden Baumeister.<br />

Um diese Vorträge erfolgreich zu unterstützen) wurden von der<br />

tee h ni s c h enD e P u tation für Ge wer b e (einer Schöpfung von<br />

Schinkel und Beuth) die Vorlegeblätter für lVlaurer und<br />

Z im 111 er1e u t e herausgegeben, "welchen später Nachträge, von G. Stier


VIII<br />

entworfen, folgten. Diese Vorlegeblätter*) bildeten und bilden heute !loch<br />

e111 vorzügliches Hülfsmittel für die U e b u n gen im K 0 n s t r u ire n.<br />

Nur durch fieissiges Zeichnen mit Zirkel und Massetab lässt sich<br />

ein gründliches Vorständniss für den konstruktiven Theil des Hochbaues<br />

gewinnen, nur hierdurch wird das Auge zum richtigen Sehen angeleitet<br />

und für das Erkennen der richtigen Massverhältnisse erzogen. Je mehr<br />

der angehende Architekt sich mit der vergleichenden Darstellung der<br />

verschiedenen Konstruktionen befasst, desto sicherer wird sein Blick für die<br />

Beurtheilung ihrer Stabilität sich ausbilden, so dass er der theoretischen<br />

Berechnung allenfalls nur zur Kontrolle' bedarf; eine 'I'hatsache, die freilich<br />

jedem Nichtzeichner verschlossen bleibt.<br />

Linke's Vorträge, so klar und verständlich sie auch immerhin waren,<br />

bewegten sich aber nur in engen und sehr konservativen Grenzen. Einem<br />

seiner Schüler, einem jungen Süddcutschen , war es vorbehalten, auf<br />

den alten Stamm ein junges Reis zu pfropfen. G. A. Breymann hat<br />

auf der Basis der Linke'schen Vorträge und unter Benutzung der bereits<br />

in voller Entwickelung begriffenen Tagesliteratur die Baukonstruktionslehre<br />

den Anschauungen und Anforderungen der neueren Zeit entsprechend<br />

umgestaltet. Als Lehrer der Stuttgarter polytechnischen Schule<br />

für das Fach der Baukonstruktion durfte er sich nachvieljähriger Lehrthätigkeit<br />

wohl dazu berufen fühlen.<br />

Um den Studirenden Gelegenheit zu geben, die von ihnen erlernten<br />

mathematischen Wahrheiten auf das Baufach zu übertragen, führte<br />

Breymann überall, wo dies zulässig erschien, die theoretische Begründung<br />

ein, ohne jedoch - wie er selbst sagt - den nöthigen Raum für die<br />

praktischen Betrachtungen ungebührlich zu beschränken, und es hat sein<br />

Lehrbuch der Baukonstruktionslehre Lehrern wie Studirenden wesentliche<br />

Dienste geleistet.<br />

Während Breymann's Baukonstruktionslehre mehr dem höheren<br />

technischen Unterrichte angepasst war, vermochten es andere Hülfsbücher<br />

ähnlichen Inhalts nicht, der Forderung der Zeit gernäss einen<br />

höheren Aufschwung zu nehmen.<br />

Den technischen Hochschülern unserer Zeit sind nun aber Aufgaben<br />

ganz anderer Art zugewiesen; denn, nachdem die technischen Hochschulen<br />

ins Leben gerufen worden, nachdem die früher vereinten Bauwissenschaften<br />

sich nunmehr in das Hochbau - und in das Ingenieurfach<br />

getheilt haben, zergliedert sich der gegenwärtig zu ortheilende Unterricht<br />

gleichfalls in Bau k 0 n s t ru k t ion s l e h r e für In gen i e u r e<br />

und Hoc h bau k 0 n s t r u k t ion s l e h r e fü rAr c h i te k t e n,<br />

*) Verlag von Emst & Korn in Berlin.


In ersterer Beziehung liegen bereits hochgeschätzte Arbeiten YOL<br />

wie : die Bauk 0 n s t r u k t ion s l oh r e für Ingen i eure als Lei tfad<br />

e n f ü r sei ne Vor t r ä ge, be ar bei t e t von W. Frauenholz.<br />

3 Bände, und All g e 111 ein e K 0 n s t r u k t ion sIe h red e s In ­<br />

gen i e urs,n a c h Vorträgen des Herrn Professor Baumeister,<br />

aus ge a r beite t Y 0 n E. Y. Fe1d e g g, Kar I s ruh e.<br />

Bei der Bearbeitung der Hoc h bau - K 0 n s t r u k t ion s l e h r e fü r<br />

Are h i t e k t e n hat es nun der Verfasser übernommen, das bisher vorhandene<br />

Material zweckentsprechend umzugestalten, beziehungsweise zu<br />

ergänzen; er glaubte sich hierzu nach einer nahezu 30jährigen Lehrthätigkeit<br />

in diesem Fache berufen und ging hierbei von folgenden Anschauungen<br />

aus:<br />

1. Es ist kein Grund vorhanden, die allgemeine Lehre von den<br />

Baustoffen (Baumaterialien) den Ingenieuren anders vorzutragen, als den<br />

Architekten; deshalb wurde es 'für zweckdienlicher gehalten, diesen<br />

Lehrstoff nicht, wie das meistentheils geschieht, als Einleitung den einzelnen<br />

Hauptabschnitten der Baukonstruktionslehre voranzuschicken.<br />

Beide Lehrdisciplinen sind auch so wichtig und umfangreich, dass jede<br />

für sich Stoff genug in sich fasst, um selbstständig gelehrt zu werden.<br />

Die Zeit, wo die Baumaterialienlehre nur oberflächlich behandelt wurde,<br />

scheint denn doch vorüber zu gehen, weil man sich klar darüber geworden<br />

ist, dass für den gebildeten Techniker die Kenntniss der Baustoffe<br />

ebenso wichtig ist, wie die Physiologie für den Mediziner.<br />

2. Der gesammte Lehrstoff erfordert eine streng systematische Behandlung.<br />

Der Verfasser war daher bemüht, denselben demgemässzu<br />

ordnen und dem angehenden Architekten zugleich in kurzer aber möglichst<br />

klarer Sprache vorzuführen; eben deshalb erschien es gerechtfertigt,<br />

dem Texte sehr viele Holzschnitte wie auch einen Atlas mit vielen Stahlstichen<br />

in korrektester Darstellung beizugeben; hierdurch findet das<br />

richtige und leichte Verständniss eine wesentliche Unterstützung. Das<br />

technische Zeichnen ist ja die eigentliche Sprache der gesammten Technik,<br />

und darf dem entsprechend unter gar keinem Vorwande vernachlässigt<br />

werden! *)<br />

3. Bei der Hochbaukonstruktionslehre ist die Bauformenlehre nahezu<br />

vollständig ausser Betracht zu lassen, denn letztere ist eine so umfassende<br />

und dabei für den Architekten so wichtige Lehre, dass sie unter keiner<br />

Bedingung nur so nebenbei behandelt werden darf ! Was haben überhaupt<br />

nur wenig ausladende Gesimse und Gliederungen mit der Baukonstruktion<br />

zu thun? Steht auch bei einer grossen Anzahl von Gesimsen<br />

*) Nicht mit Unrecht ist das Zeichnen von einem unserer älteren Philosophen<br />

als Pasigraphie, d. h. als die gemeinsame Schriftsprache bezeichnetworden, die<br />

allein von allen gebildeten Nationen verstanden wird.<br />

IX


x<br />

olme Zweifel die Form in einem gewissen Zusammenhange mit der Konstruktion,<br />

so erfordern sie doch, mit fast einziger Ausnahme der Hauptgesimse<br />

, keiner e i gen t 1ich e n k 0 n s t r u k t i v e n Lösung, und mit<br />

demselben Recht. , mit welchem man einen ugTOSSen<br />

Theil der Formenlehre<br />

in die Bücher über Baukonstruktion aufgenommen hat, könnte man denselben<br />

den Büchern der Baumaterialienlehre einverleiben: weil - wie allbekannt<br />

- das zur Disposition stehende Baumaterial in hohem Grade den<br />

Charakter aller Bauformen beeinflusst t Die Baukonstruktion in bezug<br />

auf Bauform hat sich vorherrschend nur mit elen weit ausladenden Hauptgesimsen<br />

zu befassen. Wollte man die Bauformenlehre mit der Baukonstruktion<br />

verquicken, so möchte bei dem Massenmaterial der ersteren<br />

letztere verschwindend klein ausfallen. - Der Verfasser war daher bemüht,<br />

sich streng an sein Programm zu halten.<br />

4. Ebenso hat der Verfasser sorgsam zu vermeiden gesucht, seiner<br />

Arbeit den Charakter einer Kompilation wirklich ausgeführter Baukonstruktionen<br />

zu geben, da es nur zu häufig geschieht, dass solche unvermittelt<br />

ohne Zusammenhang aneinander gereiht werden. Solche lVIittheilungen<br />

sind freilich dem Prakt i k e r stets ein sehr erwünschtes Material für<br />

die' unmittelbare Nachbildung ; nichts desto weniger aber möchten sie<br />

als ein Ruin alles selbstständigen Denkens und daher als bedenklich zu<br />

bezeichnen sein - ganz besonders in einem Lehrbuche. J eele Baukonstruktion<br />

geht aus einer Summe von gegebenen Bedingungen hervor,<br />

welche , wenn sie nicht alle bekannt sind, ihre richtige Beurtheilung<br />

unmöglich macht; daher soll eine Baukonstruktions1ehr e nur darauf<br />

hinzielen, das innere Wesen sämmtlicher Konstruktionen dem Studirenden<br />

soweit klar zu machen, dass sie dann weiter als Gegenstand graphischer<br />

Uebungsaufgaben verwendet werden können. Zu solchenpassenclen<br />

Uebungsbeispielen bietet der beigegebene Atlas das geeignete Material,<br />

vor dessen gedankenlosem Copiren jedoch nicht genug gewarnt werden<br />

kann! Es befinden sich in ihm Aufgaben von der leichtesten bis zur<br />

schwierigsten Art, so dass die Studirenclen für die schwerer zu lösenden<br />

Aufgaben sich Schritt für Schritt vorbereiten können.<br />

5. Alles, was vorherrschend Sache des Ha n d w er Je s der Maurer<br />

und Steinmetzen ist, gehört weniger in die Lehre der Baukonstruktion ;<br />

hieraus mag sich die vielleicht Manchem auffällige Kürze erklären, mit<br />

welcher z. B. die Steinverbäncle, die Pisetnauern etc. behandelt sind.<br />

Dagegen wurde ganz entschiedenes Gewicht (besonders bei den Gewölben)<br />

darauf gelegt, dass das in der' beschreibenden Geometrie Erlernte ebenso<br />

gewissenhaft zur Anwendung gebracht werde, als die graphische Statik bei<br />

den Untersuchungen über die Stabilität der Gewölbe. Hierbei war die<br />

Ansicht massgebend, dass die Baume c h a nik für Architekten, wie für<br />

Ingenieure immer noch neben cler Bau k 0 n s t r u k t ion bestehen solle,


jedoch ebenfalls mit fleissigeu analytischen wie graphischen Uebungen<br />

verbunden, ohne welche selbst der klarste Vortrag niemals den beabsichtigten<br />

Erfolg erreichen wird.<br />

Die statischen Untersuchungen wurden nur soweit verfolgt, als sie<br />

zum richtigen Verstandniss der Stabilitätsverhältnisse für die einfachen<br />

Tonnen-, Kappen-, Kreuz- und Kuppelgewölbe sich nothwendig erwiesen<br />

haben. Die bezüglichen Untersuchungen wurden in elementarer Weise<br />

mit ausschliesslicher Anwendung des graphischen Verfahrens angestellt,<br />

und konnte dies hier um so eher genügen, als eine<br />

eingehende theoretische Abhandlung über die statischen<br />

Momente der einfachen Mauern, der Stütz- und<br />

Futtermauern, sowie der Gewölbe und der dazu geh<br />

ö I' i ge n L ehrger ü s t e auf A n I' e gun g des Ver fa s s e r s von<br />

Herrn Privatdozenten Dr. Wittmann verfasst wurde,<br />

w e l c h e als Ergänzung der Hochbaukonstruktionen mit<br />

die sen i n g lei c h e m Ver1a g e e I' s chi e n e n ist.<br />

In Rücksicht auf die grossen Schwierigkeiten, welche sich in statischer<br />

Beziehung einer zuverlässigen theoretischen Erforschung aller in<br />

der Hochbaupraxis vorkommenden, 0 f t s ehr k o m pli z i r t e n K 0 ns<br />

t r u k t i o n e n entgegen stellen, sowie beidemauffälligen<br />

Faktum, dass so manche Bauausführung der gegenw<br />

ä r t i g a 11 g e m ein ein geführt e n T h e 0 r i e ger ade zu<br />

S pot t e t, w ä I' e e s ä u s s e r s t w ü n s c h e n s wer t h , d u r c h f 0 I' tgesetzte<br />

Studien eine gesichertere Basis für die<br />

T h e 0 r i e der Hoc h bau k 0 n s t-ru k t ion e n zu f in d e n.<br />

6. Schliesslich wurden vom Verfasser bei den Abschnitten über<br />

Mauern , Gewölbe, über Verputz und dessen ästhetische Ausbildung,<br />

sowie über Estriche geschichtliche Notizen entweder vorangeschickt oder<br />

auch mit hinein verflochten. -<br />

Was die Eintheilung des Lehrstoffes anbetrifft, so ergab sich die<br />

Nothwendigkeit einer Zerlegung desselben in 4 Hauptgruppen.<br />

1. Hochbaukonstruktionen in Stein 0 der die Ar beite n d e s<br />

Maurers und S' e i n h a u e r s ;<br />

11 Hochbaukonstruktionen in Holz 0 d e r d i e Ar beite n d e s<br />

Zimmermanns;<br />

IH. Hochbaukonstruktionen in Eisen 0 der d i e A r bei t e n cl e I'<br />

Schmiede und Schlosser;<br />

IV. Hochbaukonstruktionen des inneren Ausbaues; h i er her geh ö<br />

r<br />

XI<br />

e n<br />

dieThür- undFensterkonstruktionen, Heizung<br />

un d V e 11 t i 1a t ion , Haus was s er 1ei t TI 11 g e 11, Hau stel<br />

e g r a p h i e u n d Abo r t e.


XIII<br />

Ja ungenügend behandelt worden war. Um die Unklarheit übel' das<br />

\Vesen der Gewölbe zu beseitigen, hat der Verfasser bei Darstellung<br />

derselben sich theils der orthogonalen, theils der isometrischen Projektionen<br />

bedient; seine vieljährige Lehrpraxis hat ihn überzeugt, dass nur hierdurch<br />

das r ich t i g e Verständniss für die Gewölbe gewonnen werden kann,<br />

und dass es nur so möglich wird, die Studirenden auch mit Konstruktionen<br />

bekannt zu machen, welche früher aus dem Bereich der Bauschulen ausgeschlossen<br />

waren!<br />

So wurden genaue Anleitungen ertheilt zur Darstellung der verschiedenen<br />

Stichkappen bei den Tonnen - und Kuppelgewölben. Die Kreuzgewölbe,<br />

die Stern - und auch die normannischen Gewölbe sind in<br />

ihrem konstruktiven Wesen zuerst systematisch entwickelt und dann an<br />

ausgeführten Beispielen so eingehend behandelt, dass hierdurch nach des<br />

Verfassers Meinung eine wesentliche Lücke ausgefüllt wurde.<br />

In gleich systematischer Weise wurde auch das Kuppelgewölbe mit<br />

seinen Kassetten behandelt , und versucht, den Begriff, beziehungsweise<br />

die Nomenklatur der verwandten Kugel- und böhmischen Gewölbe richtig<br />

festzustellen, denn es erscheint nicht gerechtfertigt, den Namen Kuppelgewölbe<br />

auch auf diese letztgenannten Gewölbe anzuwenden, wenngleich<br />

dies selbst in den besten Werken über Baukonstruktion geschehen ist.<br />

Das Durcheinanderwerfen dieser Gewölbebezeichnungen hängt offenbar<br />

damit zusammen, dass man die Gewölbe selbst in ihren wesentlichen<br />

Unterschieden nicht erkannt hat, und dies ist besonders zu sagen vom<br />

sogenannten böhmischen Gewölbe. Der Verfasser hofft, auch in dieser<br />

Beziehung einen \Veg angegeben zu haben, welcher das bisher bestandene<br />

Dunkel übel' diese Gewölbe erhellt.<br />

Ohne die ganz genaue Kenntniss der im Hochbaue vorkommenden<br />

oft sehr komplizirten Gewölbe ist eine Stabilitätsuntersuchung nicht<br />

möglich, und erst die neuere Zeit hat sich daran gemacht, elie Kreuzund<br />

Kuppelgewölbe in den Kreis der Untersuchungen zu ziehen.<br />

Die in dem Kapitel über die Stabilität der Gewölbe und<br />

cl e I' e n S t ii t zen angestellten Betrachtungen basiren auf der Theorie<br />

der S t ü t z - beziehungsweise lVI i t tel d I' U c k s 1i nie. Hierbei wurde<br />

nun versucht, die Begriffe genauer festzustellen, als dies in vielen Abhandlungen<br />

über elieGevvölbetechnik geschehen ist. Der Unterschied<br />

beider Linien wurde oftmals nicht scharf genug betont, ja zuweilen ganz<br />

übersehen.<br />

Zur Unterscheidung beider Begriffe· wurde jene Gleichgewichtslinie,<br />

welche die Druckmittelpunkte in den aufeinander folgenden Lamellengrenzen<br />

enthält, der Definition entsprechend S t ü t z I i nie genannt, wobei<br />

diese Lamellengrenzen vertikale oder radiale Ebenen (Fugenflächen) sein<br />

können. Dagegen wurde das über den Einzelgewichten konstruirtc Seil-


XIV<br />

polygen, ebenfalls ohne Rücksicht auf die Richtung der Lamellengrenzen,<br />

der Bezeichnung in der graphischen Statik entsprechend, als JH i t t e 1k<br />

r a f t 1i nie, oder, da hier nur Druckkräfte in Betracht kommen;<br />

als JH i t tel d r u c k s 1i nie bezeichnet.<br />

Bezüglich des Verlaufs der Mitteldmckslinie aber stehen sich die<br />

einzelnen Meinungen immer noch schroff gegenüber, und es wird sich diese<br />

Frage endgültig auf rein theoretischem Wege nie mal s lösen lassen,<br />

da aus den drei Gleichgewichtsgleichungen der Horizontalschub nach<br />

Grösse und Lage nicht vollständig bestimmt, also auch der Angriffspunkt<br />

im Scheitel des Gewölbes nicht durch Rechnung erhalten werden<br />

kann.<br />

Hiermit fallen alle Anhaltspunkte für den thatsächlichen Verlauf<br />

der Drucklinie , für die Art der Vertheilung des Drucks in den Fugen,<br />

und in letzter Linie für die Bestimmung der Gewölbedicke fort, und sind<br />

wir in dieser Beziehung lediglich auf die Erfahrung angewiesen.<br />

Dementsprechend wurden fÜT die Dimensionirung der Gewölbebögen<br />

die empirischen Angaben aufgenommen; ebenso der Verlauf der Stützlinie<br />

im Innern den neueren Beobachtungen an ausgeführten Konstruktionen<br />

anzupassen gesucht. Wenn dabei auch die wissenschaftliche<br />

Seite der Abhandlung eine Einbusse erlitten haben sollte, so zeigt sich<br />

andererseits, dass die mit Hülfe der hier entwickelten Anschauungen gewonnenen<br />

Resultate sich den Erfahrungen. der Praxis besser anschliessen,<br />

als jene, welche mit Anwendung der Na v i er' s ehe n oder gar der<br />

ViII are e au ' s c h e n Theorie der Drucklinie erhalten werden.<br />

Von den Gewölbeanordnungen wurden nur die symmetrischen behandelt,<br />

indem die Theorie auf die unsymmetrischen oder einhüftigen einerseits<br />

nicht schwer anzuwenden ist, andererseits solche unsymmetrischen<br />

oder einhüftigen Bögen wegen ihres unschönen Ansehens wohl nur selten<br />

vorkommen dürften.<br />

Gewölbe unter Belastungen zu untersuchen, wie<br />

solche niemals im Hochbaue vorkommen, wurde unterlassen;<br />

auch möchte darauf aufmerksam zu machen sein,<br />

dass bei Untersuchung .v o n Hochbaukonstruktionen<br />

Resultate, die 3 bis 4 m starke :Mauern ergeben, auf<br />

Voraussetzungen beruhen, welche im Hochbaue ausges<br />

chI 0 s s e n sei n soll t e n.<br />

Der Abhandlung über die Gewölbe schliesst sich diejenige übel' die<br />

massiven Treppen an.<br />

Als Schluss werden die Putz- und Pilasterarbeiten besonders in bezug<br />

auf ihre ästhetische Bedeutung besprochen; hier. finden sich auch Mittheilungen<br />

über die verschiedenen Arten, ursprünglich rohes Mauerwerk<br />

das Kunatbedürfniss befriedigend zur Anschauung zu bringen,


xv<br />

indem nicht allein die verschiedenen Methoden der monumentalen Malerei,<br />

sondern auch die Marmorinkrnstationen , der Schmuck durch Intarsien<br />

und .l\Iosaik eine eingehende Besprechung finden. Das Gleiche ist bei<br />

der Abhandlung über die Bildung der aus Steinmaterial hergestellten<br />

Fussböden zu sagen.<br />

Indem nun der Verfasser noch die angenehme Pflicht erfüllt,<br />

Herrn Architekt G ö 11n er, Assistent des Hochbaulehrfachs in München,<br />

an dieser Stelle für seine Mitwirkung bei der Bearbeitung dieses Handund<br />

Lehrbuches zu danken, übergiebt er dasselbe hiermit der Oeffentlichkeit<br />

mit dem Wunsche, dass sein Werk wohlwollende Aufnahme bei<br />

drn Publikum und nachsichtige Beurtheilung Seitens der Fachkenner<br />

finden möge.<br />

M ii n c h e n, im November 1879.<br />

Der Verfasser.


Einleitung . . .<br />

Die Lehre vom Baugrunde:<br />

seine Beschaffenheit .<br />

" Untersuchung.<br />

das Grundgraben .<br />

Illhaltsverzeichniss.<br />

Die Fundation oder der Grundbau:<br />

durch Verdichten des Erdreichs<br />

" Steinschüttungeri..<br />

"Betonirung . . . . .<br />

" plattenförmige Gesteine und Sandschüttung<br />

" Holzkonstruktionen<br />

" liegenden oder Schwellrost<br />

" stehenden oder Pfahlrost<br />

" Schraubenpfähle<br />

Konstruktion der Spundwände<br />

Mauerbrul1nen und Senkkästen<br />

]Iaurer- und Steinmetzarbeiten (Steinkonstruktionen).<br />

Arbeiten des Rohbaues.<br />

Die Mauern mit ihren Rauchröhren, Bögen und Gesimsen.<br />

Geschichtliches<br />

Mauern aus künstlichen Steinen<br />

Der Block- und Kreuzverband<br />

" Dreiquartierverband<br />

" gothische Strom- und Säulenverband .<br />

Das Vorsetzmauerwerk. . . . . . .<br />

" Mauerwerk mit Hohlräumen . . . .<br />

Die praktische Ausführung des Mauerwerks<br />

" Permeabilität der Mauern . .<br />

Mauern' aus natürlichen Steinen:<br />

aus rohen Bruchsteinen . . . .<br />

" bearbeiteten Werkstücken (Quadern)<br />

" gemischtem, Mauerwerk . . . .<br />

Sockelverkleidungen . . .<br />

Mauern aus Stampf- und Gusswerk<br />

Rauchrähren, steigbare<br />

" russische (nicht steigbare)<br />

Seite<br />

1<br />

5<br />

11<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

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65<br />

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70<br />

73


XVIII<br />

Inhaltsverzeiclmiss.<br />

Bö ge 11. Allgemeines .<br />

" scheitrechte.<br />

Segment- und Rundbögen<br />

Spitzbögen. .<br />

Gedrückte Bögen (elliptische)<br />

Boge n ver b a n d für Backstein<br />

v" " Haustein<br />

Stärke der Bögen<br />

Lehrgerüste<br />

Konstruktion der Gesimse (Hauptgesimse)<br />

Stärke der Mauern:<br />

der freistehenden<br />

Stützmauern.<br />

., Raum umschliessenden<br />

Gewölbe.<br />

Ge s chichtli ehe Notiz e n<br />

Gewölbe bei den Assyriern<br />

" "Aegyptern<br />

.• ' 'i n Rölnern<br />

" der Sophienkirche .<br />

" des Doms zu Speyer .<br />

" "" Köln<br />

" " " "Florenz<br />

" der Peterskirche in Rom<br />

Allgemeines und Eintheilung der Gewölbe<br />

Das Tonnengewölbe (Kufengewölbe)<br />

Widerlagsstärke nach Rondelet<br />

Backsteingewölbe mit Stichkappen .<br />

Kassebtirbes Tonnengewölbe nach Möller<br />

Das Kappen- oder Gurtgewölbe<br />

Konstruktion nach Moller<br />

Das Klostergewölbe ohne und mit Stichkappen<br />

Das Kreuzgewölb e ohne Stich und mit Stich<br />

Die Entwickelung der Gratform .<br />

Das normännische Kreuzgewölbe .<br />

Das gothische oder Sterngewölbe (Grundrissformen)<br />

Die Rippenformen . .<br />

über quadratischem Raum (ohne Stelze)<br />

" " " (mit Stelze) .<br />

" oblongem Raum.<br />

Stelzmethode .<br />

N etzgewölb e ..<br />

Pfeiler und Dienste, Gewölbeanfänger, Schlussstein<br />

Das normännische oder angelsächsische Gewölbe (Fächergewölbe)<br />

.<br />

Das Kuppelgewölbe<br />

mit Pendentifs<br />

" Stichkappen.<br />

" mit Kassetten<br />

Das Kugelgewölbe<br />

nach Moller's Konstruktion<br />

über achtseitigem Raum .<br />

Das böhmische Gewölbe<br />

Kugelkappen, böhmische Kappen<br />

Das scheitrechte, Spiegel- und lYIuldengewölbe<br />

Die Topf- und Gussgewölbe .<br />

Seite<br />

75<br />

77<br />

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9G<br />

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200<br />

201<br />

207<br />

208<br />

211


xx Inhaltsverzeichniss.<br />

Die Pflasterungen<br />

mitte l s t natürlicher Gesteine<br />

" Marmorplatten (Lithostrata)<br />

Die Nielloarbeiten . . .<br />

mitte1st Marmormosaik<br />

Der 'I'errazzo-, Battula- oder venetianische Estrich<br />

Das Mosaik-Asphaltpflaster .<br />

m i tt el s t künstlicher Steine (Ziegel) .<br />

,. engobirter und plattirter Fliesen<br />

"<br />

"<br />

Thonmosaik .<br />

Cernentplättchen<br />

Estriche.<br />

Lehmestriche<br />

Kalkmörtelestriche .<br />

Cementestriche (Trassestriehe)<br />

Gyps- und Asphaltestriche<br />

Seite<br />

307<br />

308<br />

309<br />

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311<br />

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316<br />

316<br />

317<br />

818<br />

319


XXII Inhaltsverz.eichniss des beigegebenen Atlas.<br />

Tafel X. Zur geschichtlichen Entwickelung der Gewölbe.<br />

Fig. 1: Cloaca maxima; Fig. 2: Porta deI Arco, Fig. 3: Tempel der<br />

Venus und Roma zu Rom; Fig. 4: das Pantheon in Rom; Fig. 5: Scphienkirehe<br />

in Konstantinopel ; Fig. 6: Dom zu Speyer; Fig.7: Dom zu Köln;<br />

Fig. 8; S. Maria deI Fiore zu Florenz; Fig. 9: Baptisterium S. Giovanni<br />

zu Florenz; Fig. 10: St, Peterskirche zu Rom.<br />

Tafel XI. Das Tonnengewölbe mit Stichkappen in Üylinder-, Kegel- und Kugelform.<br />

Tafel XII. Das Kappengewölbe (mit Stichkappe).<br />

Tafel XIII. Das Kreuzgewölbe mit geradem Stich und Entwickelung der Gratform.<br />

Tafel XIV. Das Kreuzgewölbe mit geradem Stich; Gewölbe über einem regulären<br />

achtseitigen Raum.<br />

Tafel XY. Das spät-romanische Kreuzgewölbe.<br />

Tafel XVI. Das spitzbogige Sterngewölbe übel' quadratischem Raum,<br />

Tafel XVII. Das Sterngewölbe übel' einem oblongen Raum.<br />

Tafel XVIII. Das Sterngewölbe; Details von Rippen, Pfeilern und Schlusssteinen.<br />

(<br />

'I'afel XIX. Das normannische oder Fächergewölbe.<br />

Figg. 1, 2 u, 3: Entwickelung der einzelnen Felder nach der Abwickelung;<br />

Figg. 4 u. 5: hängendes Fächergewölbe; Figg. 6 u. 7: Deckendekoration<br />

im Schlosse zu Babelsberg.<br />

Tafel XX. Das ellipsoidische Gewölbe,<br />

Tafel XXI. Das böhmische Gewölbe,<br />

Tafel XXII. Das Kuppelgewölbe mit kegelförmigen Stichkappen, mit und ohne<br />

Pendentifs.<br />

Taf. XXIII. Das Kuppelgewölbe mit Kassetten.<br />

Fig. 1: Konstruktion nach Emy und Gottgetreu; Fig. 2: Kassettenkonstruktion<br />

am Pantheon zu Rom.<br />

Tafel XXIY. Das Kuppelgewölbe der Befreiungshalle in Kelheim,<br />

Tafel XXV. Einfache überwölbte Treppe mit hölzernen Deckplatten.<br />

Tafel XXVI. Freitragende Treppe aus Granit; freitragende Treppe in Hufeisenform.<br />

Tafel XXVII. Bestimmung der Stütz - und Mitteldruckslinie für das Tonnen - und<br />

preussische Kappengewölbe.<br />

Tafel XXVIII. Stabilitätsuntersuchung eines Kreuzgewölbes über quadratischem Raum.<br />

Tafel XXIX. Die Peterskuppel in Rom; zur Untersuchung der Stabilität derselben.


Verzeichniss<br />

derjenigen Bücher, welche in mehr oder weniger eingehender<br />

Weise die Hochbaukonstruktionen behandelt haben:<br />

Gilly, D., Handbuch der Landbaukunst , bearbeitet von D. G. Friderici und<br />

F. T riest. 6. Auflage. 1831-1836.<br />

Rondelet, J., Theoretisch-praktische Anleitung zur Kunst zu bauen, übersetzt<br />

nach der 6. französ. Auflage von C. H, D'i es t eIb arth und J. Hess.<br />

1833 -1836.<br />

Wolfram, B., Lehrbuch der Baukunst. 1839.<br />

Moller, G., Beiträge zur Lehre der Baukonstruktionen. 1833-1.844.<br />

Rarres, B.,Die Schule der Baukunst für Maurer und Steinmetzen. 3. Auflage.<br />

1870.<br />

Engel, F., Handbuch des gesammten landwirthschaftl. Bauwesens. 6. Auflage.<br />

1879.<br />

Ringhofer, E., Die Lehre vom Hochbau. 1862.<br />

Wanderley, G., Die Konstruktionen in Stein. 2 Bände. 2. Auflage. 1878.<br />

Linke, G., Vorträge über Kamoralbau (liehogr.). 1855.<br />

Menzel, Dr. C. A. und C. Schwatlo, Der Steinbau. 7. Auflage. 1879.<br />

Fleischinger, A. F. und W. A. Becker, Systematische Darstellung der<br />

im Gebiete der Landbaukunst vorkommenden Konstruktionen. (Die<br />

Mauerwerks- oder Steinkonstruktionen. 1858-1861.)<br />

Becker, W. A., Der feuerfeste Treppenbau von natürlichen und künstlichen<br />

Steinen. 2. Auflage. 1862.<br />

Behse, Dr. W. H., Die praktischen Arbeiten des Maurers und Steinhauers.<br />

5. Auflage. 1879.<br />

Schmölke, 0., Die Konstruktionen des Hochbaues.<br />

Scheffers, A., Handbuch der Baukonstruktionslehre.<br />

Reine, G., Darstellung der allgemeinen Baukunde.<br />

Michel, Jos., Praktische Baugewerkslehre. 1870.<br />

Müller, H., Die Maurerkunst. 1875.<br />

1. Theil.<br />

1865.<br />

1842.<br />

1879.<br />

Breymann, G. A. und R. Lang, Allgemeine Baukonstruktionslehre. 4 Bände.<br />

5. Auflage. 1879.<br />

Neumann, R., Ueber den Backstein. 1879.<br />

Degen, L., Der Ziegelrohbau. 1874.<br />

Bethke, H., Dekorativer Ziegelbau. 1878.


XXIV<br />

"<br />

Büoherverzeiclrniss,'<br />

Heinzerling, Dr. F., Die angreifenden und widerstehenden Kräfte der Brückenund<br />

Hochbaukonstruktionen. 1867.<br />

Navier, L., Die Mechanik der Baukunst. 1851,<br />

Scheffler, Dr. H., Theorie der Gewölbe, Futtermauern etc. 1857.<br />

Ott, K. v., Vorträge über Baumechanik. 1877.<br />

Holzhey, E., Vorträge über Baumechanik. 1879.<br />

Wittmann, Dr. W., Die Statik der Hochbaukonstruktionen. 1879.<br />

Leroy, C. T. A., Dei.' Steinschnitt, übersetzt von Kaufmann. 184'7.<br />

Ringleb, Dr, A., Lehrbuch des Steinschnitts.<br />

Vorlegeblätter für Maurer, herausgegeben von der k. technischen Baudeputation.<br />

für Ziegel- und Steinarbeiten von Ungewitter. 1855.<br />

der Baugewerkschule in Holzrainden. 1857.<br />

für Maurer und Zimmerleute von G. Stier.<br />

" der Baugewerkschule zu Höxter.<br />

Taschenbuch des Ingenieurs vom Verein die Hütte. 1877.<br />

L'architecture et la construction par D. Ramm ee. 1871.


2<br />

Einleitung.<br />

,yohnstätten, der Fabriken und der andern Gebände zn gewerblichen Zwecken:<br />

sondern hat sich auch mit dem Bau von Palästen. Domen, Kirchen, Kapellen,<br />

Denkmälern und allen audern Staatsgebiluc1en der verschiedensten Art zu<br />

beschäftigen.<br />

Bei allen Werken der Rmkunst. bei welchen allein dem äussern Bedürfnisse<br />

des Lebens geniigt werden soll, kommt es streng genommen nur darauf<br />

an: eine vollständige Zweckerfüllung zu erstreben, und hierzu genügt die Aneignung<br />

einer glücklichen Kombinationsgabe, U ebung und 'mechanisches Geschick;<br />

geht aber der Baumeister davon aus, dem mechanischen Werke seiner Hand<br />

zugleich das Gepräge seines Geistes aufzudrücken, und erhebt er dasselbe zum<br />

Träger einer höheren Idee, so betritt er damit das Gebiet der s c h Ö n e n<br />

Ban k u Tl S t -- der Ar c 11 i t e k t u r - welche als Schwester der P 0 e sie,<br />

der Mal e I' ei und der S k 11I pt u I' dem Gebiete der Aesthetik mit angehört.<br />

Welcher Art auch immerhin ein Gebäude sein möge, so stellen wir stets<br />

an dasselbe folgende drei Hanptbedingungen:<br />

1. Dauer entsprechende Festigkeit;<br />

2. zweckmässige Iiequemlichkeit (Brauchbarkeit);<br />

3.ä s t h e t i s ehe Dur c h b i I d u n g (S c h lJ n h e i t ).<br />

Die Dan er e n t s P r e c 11 end e Fes ti g k ei t gipfelt vor allen Dingen<br />

in der Forderung, dass ein jedes Gebände unter allen Umständen so lange ein<br />

durchaus sicheres Gefüge besitzt,als es sein Zweck erheischt, und demgernäss<br />

kann -die Festigkeit eines te m pOl' ä I'enG e b ä u des eine ganz verschiedene<br />

sein von der eines mon u m e n t a l e n Bau wer k es, das stets darauf berechnet<br />

sein muss, der spätesten Nachwelt erhalten zu bleiben.<br />

Mit der Dauer entsprechenden Festigkeit befasst sich nunc1ie L ehr e<br />

von der K 0 n s t l' U k t i o n des Hoc h b n u o s im innigen Verein mit der<br />

L ehr e von cl e n B a um a tel' i a l i e n; obwohl beide nur eine rein praktische<br />

Bedeutung zu haben scheinen, so übten sie doch bei der Entwickelung der<br />

Architekturgeschichte eine intensive Wirkung mit aus; in allen Zeitperioden<br />

beeinflussten neue Konstruktionssysteme und die Anwendung verschiedener Baumaterialien<br />

den formalen Charakter der Architektur und wirkten denmach mit<br />

bei der Ausbildung aller Baustile. So steht - um nur einige Beispiele anzuführen<br />

der in Griechenland in Fülle vorhandene prachtvolle Marmor<br />

im innigen Zusammenhange mit der Architrav - Architektur der Tempelbauten.<br />

während die Römer durch das ihnen zur Disposition stehende Baumaterial zur<br />

Bogen- und Gewälbekonstruktion hingeleitet wurden; im weitem Verlaufe der<br />

Architekturgesehiehte spielte die erweiterte Gewölbetechnik eine hervorragende<br />

Rolle in der byzantinischen, romanisehen und gothisehen Stilbildung und selbst<br />

hat das vielfach vorkommende, erst in der Renaissancezeit näher erkannte<br />

Material -- der Gyps - auf den formal dekorativen Theil der sogenannten<br />

Rococcozeit einen nicht zu unterschätzenden Einfluss ausgeübt; eine ähnliche<br />

Wirkung möchte für unsere Zeit der immer mehr sich geltend machenden Verwendung.<br />

des Eisens und der andern Metalle zuzugestehen sein I<br />

Mit der z w eck m ä s s i gen B e q u e m I ich k e i t und der äst h e t i ­<br />

sc h enD ure h b i I du n g eines Gebäudes beschäftigt sich der Unterricht im<br />

E nt wer fe n von Ge b 11 u den (Komposition). Dieser hat darauf hinzuarbeiten,<br />

dass jedes Gebäude so eingerichtet wird, dass die Benützung seiner<br />

Räumlichkeiten nach allen Seiten hin zweckentsprechend und bequem ist; demgemäss<br />

muss der Anordnung und der Aufeinanderfolge der einzelnen Ränmlichkeiten,<br />

der Wahl ihrer Grössenycrhältnisse, der Beleuchtung und der zw eck-


entsprechenden Kommunikation<br />

geschieht dies nicht, kann ein<br />

total unbrauchbar erweisen.<br />

Einleitung. 3<br />

aufs Gewissenhafteste entsprochen werden ;<br />

noch so grossartig erscheinender Bau sich als<br />

Die äst h e t i s ehe Aus s tat tun g endlich hat sich nicht nur auf das<br />

Aeussere eines Gebändes zu erstrecken, sondern in gleicher "Weise auf das<br />

Innere; vorzugsweise aber ist die architektonische Schönheit in den Hauptverhältnissen<br />

zu suchen und ist eine rhythmische Anordnung der Massen anzustreben,<br />

zu denen dann wieder jeder Einzeltheil in harmonische Beziehung zu<br />

treten hat. Jedem Gebäude ist dabei der entsprechende Charakter klar und<br />

deutlich aufzuprägcn , so dass die architektonische Schönheit eines Landhauses<br />

in ganz anderer IV eise aufzufassen ist, als die eines städtischen Wohngebaudes,<br />

dessen formale Bedeutung wiederum nach den obwaltenden Umständen sich in<br />

sehr weiten Grenzen bewegen kann.<br />

Soll zur wirklichen Ausführung eines Gebäudes geschritten werden, so ist<br />

es nothwendig, auch die ökonomisch-wirthschaftliche Seite ins Auge zu fassen,<br />

und denmach bedingt eine geordnete Bauführung einen gewissenhaft aufgestellten<br />

K 0 s t e n v 0 r ans c h I a g.<br />

In1 innigen Zusammenhang mit den Kosten eines Bauwerkes steht aber<br />

auch die Bedingung; dass jeder Konstruktionstheil über die statischen Bedürfnisse<br />

seiner Zwecklichkeit nicht unnöthiger vVeise einen Mehraufwand von Baumaterial<br />

und Arbeit erfordert.<br />

Der Prozess; mit den geringsten Massen an Material die absolut nothwendige<br />

Sicherheit für alle Konstruktionstheile eines Bauwerks zu erreichen, verlief<br />

als ein vorherrschend empirischer in ziemlich träger Langwierigkeit und erst die "<br />

vorgeschrittene Entwickelung der mathematischen Wissenschaften diente dazu,<br />

den Sinn und den. Geist der Konstruktion zu erläutern und so recht anschaulich<br />

zu machen.<br />

Die Mathematik lehrt uns, die Gesetze der S tat i k , der Me c h a ni k<br />

und der gr a p h i s ehe n S tat i k auf alle Konstruktionen in bezug auf Stabilität<br />

anzuwenden, und kann somit als sicherer Regulator aller konstruktiven<br />

Ideen angesehen werden. Ein Hauptfaktor in dieser Frage bleibt aber stets<br />

die im Verlauf der Architekturgeschichte sich geltend gemachte Er fa h r U n g ,<br />

die nie unbeachtet bleiben darf und aus der wir alle unsere Erfahrungskoefficienten<br />

ermittelt haben.<br />

Praxis und Theorie haben sich in der Neuzeit segenbringend ergänzt und<br />

haben Resultate hervorgebracht, von denen die frühere Zeit keine Ahnung<br />

hatte. Beweise hierfür liefern die kühnen Brücken und Viadukte unserer Eisenbahnen,<br />

die kühnen eisernen Konstruktionen unsrer Ausstellungspaläste etc.,<br />

die im Vergleich mit früheren Bauwerken des Mittelalters mit so geringem<br />

Aufwand an Material ausgeführt sind und dadurch - besonders dem Laien -das<br />

höchste Staunen erwecken; hier erkennen wir die epochemachende vVirkung<br />

der mathematischen "Wissenschaften in hohem Grade an!<br />

Gehen wir nun auf die K 0 n s tr u k ti 0 n des Hoc h bau es selbst über,<br />

so versteht man darunter die Lehre von der zweckmässigen und regelrechten<br />

Zusammenfügung aller und jeder einzelnen Theile eines Bauwerks, so dass dem<br />

ersten Haupterforderniss eines jeden Baues, der Da u e r h a ft i g k ei t , in jeder<br />

Weise entsprochen wird, den anderen Hauptbedingungen aber, der Zweckmässigkeit<br />

und Schönheit; kein Eintrag geschehe; dabei soll die Form selbst ans der<br />

Konstruktion leicht hervorgehen und in ihrem Charakter die Eigenthümlichkeit<br />

des verwendeten Materials nie verläugnen ; es darf denmach kein Baumaterial


Einleitung.<br />

Die Lehre vom Baugrunde,<br />

s e i n e Beschaffenheit und seine Ü<br />

n<br />

te r s u c h u u g.<br />

Die gewälllte oder gegebene Stelle, welche zur Ausführung eines Gebändes<br />

dient, heisst dessen GI' und und B 0 den; die Dauer eines auf demselben errichteten<br />

Bauwerks hängt wesentlich von der tragfähigen, unwandelbaren Beschaffenheit<br />

des Baugrunc1es ab. Die Ennittclung dieser Tragfähigkeit ist für<br />

jeden Baumeister höchst wichtig.<br />

. Wie ein jeder Körper nach dem Verhältniss seiner Schwere auf seine<br />

U nterlage drückend. wirkt, ebenso drückt ein Gebäude nach dem Verhältniss<br />

seiner Massen auf seinen Baugrund, welcher so widerstandsfähig sein muss, dass<br />

er nicht allein in folge dieses Druckes keine Einsenkung erleidet, sondern auch<br />

noch einen bedeutenden U eberschuss an Widerstand zu leisten vermag.<br />

Besteht der Baugrund nicht gerac1e aus Fels, sondern aus den bekannten<br />

Erdarten , so wird der Untergrund durch das darauf lastende Bauwerk mehr<br />

oder weniger eine Zusammenpressung erfahren, wodurch im Bauwerke selbst<br />

eine Höhenveränderung sich geltend machen wird, welche das" Sie h set z e n "<br />

genannt wird. Ein ungleiches Sichsetzen der Baumassen verursacht aber unter<br />

Umständen gewaltsame Trennungen in denselben, ja kann sognr zum Einsturz<br />

Veranlassung geben.<br />

Jedes Gebäude bedarf zu seiner Sicherstellung eine tragfähige Subs<br />

t r u k t i o n , welche keiner Veränderung durch Frost unterworfen sein darf;<br />

solche Substruktionen nennt man Fun d a m e n t e oder G run d m aue r n und<br />

werden dieselben überall da angeordnet, wo das Mauerwerk eines Gebäudes<br />

auf den Baugrund pressend wirkt.<br />

Der Frost bewirkt , indem er in den feuchten Boden eindringt, eine Ausdehnung<br />

des Grund nndBodens, besonders ein Heben, das sich bei eintretendem<br />

Thauwetter im Frühjahr oft in hohem Grade bemerkbar macht; bei uns<br />

in Deutschland nimmt man an, dass der Frost auf die Tiefe von 0,80 bis<br />

1,00 m, allerhöchstens bis 1,50 m nicht mehr schädlich auf den Untergrund<br />

einwirken kann, und deshalb sind die Fundamente unserer Bauwerke bei an<br />

und für sich gut e m Baugrunde im allgemeinen nicht tiefer als 1,00 m zu<br />

legen. Fundamente, die im Innern eines Gebändes liegen und gegen Frost<br />

geschützt erscheinen, können weniger tief angelegt werden, wenn dies die G (He<br />

des Baugrundes gestattet.<br />

Tiefer wie 1,00, höchstens 1,50 m in einen festen Baugrund mit der<br />

Substruktion hinabzugehen , ist durchaus nicht nothwendig, und die vielverbreitete<br />

Anschauung, dass Gebäude, je höher und schwerer sie sind, auch um<br />

so tiefer fundirt werden müssen, beruht durchaus auf irrigen Anschauungen;<br />

es kommt einzig und allein darauf an, dass der Baugrund das Gewicht des<br />

Gebäudes sicher zu tragen im Stande ist, gleichviel in welcher Tiefe über 1 bis<br />

1,50 m er zum Fundiren benützt wird.<br />

Aeltere Baumeister wollen die eben ausgesprochene Ansicht nicht in allen<br />

Fällen gelten lassen und behaupten, besonders hohe Bauobjekte , wie Fabrikschornsteine<br />

, Thürme müssten schon deshalb auf grosse Tiefen hinab fundirt<br />

werden, um hierdurch für sie einen möglichst tiefliegenclen Schwerpunkt zu<br />

gewinnen. In bezug auf die Fundation der Thürme weisen sie auf den Umstand<br />

hin, dass alle Kirchenbaumeister der früheren Zeit ihre Thurmbauten<br />

ungemein tief func1irt haben; aus diesen nicht stichhaltigen Gründen besteht noch<br />

die veraltete Hegel: Bei hohen Schornsteinen und Thürmen wähle man. zur


Einleitung. 11<br />

Sehr bedenklich als Baugrund ist der T lt 0 n, besonders der blaugefärbte ;<br />

wird er temporär vom Wasser erweicht, dann aber wieder trocken, so macht<br />

sich in seiner ganzen Masse nbwochsolungsweise ein Anschwellen und Schwinden<br />

geltend, das dem darauf fundirten Bauwerke sehr gefährlich werden kann;<br />

bleibt J' edoch sein Feuchtiskeitszustand stets derselbe, so treten die eben erb<br />

'<br />

wähnten Bedenken wohl mehr und mehr zurück, immerhin hat man beim Fundiren<br />

auf Thongrund die grösste Vorsicht anzuwenden.<br />

Ist Tor f - und ,V i e sen erd e sehr kompakt, so kann sie, je nachdem<br />

sie trocken oder sehr nass ist, durch Betonirung oder liegenden Rost zum<br />

Baugrund verwendet werden; gehen diese Erdarten aber in flüssigen Schlamm<br />

und Moor über, so zählen sie zum schlechten Baugrund und erfordern dann<br />

wohl, um darauf bauen zu können, Pfahlrost oder Senkbrunnen.<br />

vVe i tau s der s c h l e c h t e s t e Bau g r und aber ist der durch Auffit<br />

11u n g entstandene, der fast in allen älteren Städten vielfach vorhanden<br />

ist, indem Weiher, Stadtgräben, Kanäle, Kies- und Sandgruben durch<br />

Bauschutt und Kehricht ausgefüllt und planirt wurden; um das gewonnene<br />

Terrain wieder nutzbar zu machen, wurde es bepflanzt und es almt oft Niemand,<br />

was hinter dem anscheinend' schön gelegenen Bauplatz steckt! Solch ein<br />

Baugrund verlangt in der Hegel die allerkostspieligsten Mittel.<br />

A c k er -, Gar t e n - und D a m m erd e sind vor dem Bauen vollständig<br />

vom Baugrunde zu entfernen und dürfen selbst zum Hinterfüllen des Mauerwerks<br />

nicht verwendet werden; ihr Gehalt an organischen Stoffen, ihr häufiger<br />

Gehalt an Kochsalz erzeugen nur zu häufig den für die Gebäude so gefährlichen<br />

Mauerfrass (vergl. S. 4).<br />

Ein guter Baugrund ist aber - wie dies bereits erwähnt wurde - abhängig<br />

von der Mächtigkeit,. in der er ansteht; sehr häufig finden sich weit<br />

ausgedehnte Sandablagerungen , welche Torf oder Wiesen bei Ueberfiuthungen<br />

vollständig, hin und wieder nur in mässig starker Schiebt, überdeckt haben,<br />

und es tritt hier der Fall auf, dass unter einem anscheinend guten Baugrunde<br />

ein schlechter Untergrund sich befindet; eine wichtige Frage beim Fundiren<br />

von Gebäuden betrifft auch das Grundwasser , das stets nach seinem höchsten<br />

Stande ermittelt werden sollte. Aus alle dem geht hervor, dass es eine Hauptbedingung<br />

beim Bauen ist, vor der Wahl eines Bauplatzes die Beschaffenheit<br />

seines Grund und Bodens nach allen Beziehungen hin gr Ü n d 1ich kennen zu<br />

lernen, und dies kann nur durch eine sorgsame U n t crs u c h u n g des Baugr<br />

und e s geschehen.<br />

Die Untersuchung des Baugrundes<br />

hat sich stets auf eine grössere Anzahl von Stellen zu erstrecken und namentlich<br />

sind jene Punkte zu untersuchen, wohin die Hauptmassen des Bauwerks<br />

zu stehen kommen. Ein wichtiges Hilfsmittel bei Beurtheilung eines Baugrundes<br />

einer bestimmten Oertlichkeit gewahren dem ausübenden Baumeister die Erfahrungen<br />

der Brunnenmacher, die oft tief in die Erde eindringen, um brauchbares<br />

Trinkwasser heraufzufördern ; '\tuch vorhandene Gebäude, die sich in ihren<br />

Fundationen vollständig bewährt haben, lassen darauf schliessen, dass in ihrer<br />

unmittelbaren Nachbarschaft sich gleichfalls ein guter Baugrund befindet. Immerhin<br />

aber ist es sicherer, in allen, auch anscheinend noch so günstigen Verhältnissen<br />

eine wirkliche Untersuchung des Baugrundes vorzunehmen, denn die Möglichkeit<br />

eines plötzlichen Wechselns der Terrainbeschaffenheit oder das V orhandensein<br />

eines aufgefüllten Grundes ist keineswegs ausgeschlossen und können sich durch


14<br />

Einleitung.<br />

P fä h 1 e n; wie dies öfter vorgeschlagen wird; zu untersuchen; möchte in den<br />

meisten Fällen unthunlich erscheinen; allerdings wird man durch Eintreiben<br />

eines langen Pfahles mitte1st der Lauframme aus dem leichten oder schweren<br />

Durchdrinzen desselben Cl<br />

Bodens ziehen können;<br />

ziemlich sichere Schlüsse über die Beschaffenheit des<br />

die ganze Manipulation hat aber -- besonders in der<br />

Nähe von schon bestehenden, Gebäuden - seine Bedenklichkeiten und ist auch<br />

mit ziemlichen Unkosten verbunden ; demgernäss möchte die Untersuchung des<br />

Baugrundes durch Eintreiben von Probepfählen nur da angezeigt sein, wo man<br />

von vornherein eine Fundation durch Pfahlrost herzustellen in Aussicht genommen<br />

hat, in welchem Falle dann die Probepfähle so angeordnet werden, dass<br />

sie als "G r 11n d P f ä 11 I e" mit verwendet werden können.<br />

Die erste Arbeit, die nun das Errichten eines Bauwerks erheischt; besteht im<br />

G run d g r ab e n.<br />

Bei trockenen, ziemlich festen Bodenarten bietet das Ausaraben des Ban-<br />

, '--'<br />

grundes keine besondern Schwierigkeiten; bei lockerem, sogenanntem fliessenden<br />

Boden werden aber Böschungen nothwendig, die um so flacher angelegt<br />

werden müssen I je lockerer der auszugrahende Sandboden ist. Bei grossen<br />

Tiefen werden stufenförmig zurückgesetzte Böschungen - sogenannte Bänke ­<br />

nothwendig, die dann zugleich dazu dienen, den Grund und Boden ohne Anwendung<br />

von Gerüsten aus der Baugrube heraus zu befördern. Können des<br />

fehlenden Raumes wegen - was nur zu häufig der Fall' ist - solche<br />

Böschungen oder Bänke nicht nngelegt werden, so sind Holzabsteifungen nothwendig,<br />

so dass dann die losen Erdschichten durch Bretter oder Bohlen mit<br />

Zuhülfenahme von Pfahl- und Riegelholz am Abrutschen verhindert werden.<br />

Sehr erschwert wird jedoch das Ausheben und Fortschaffen des Baugrundes<br />

aus der Baugrube, wenn das Grund- oder Quellwasser in grossen Massen sich<br />

geltend macht. Das Quellwasser lässt sich unter sehr günstigen Umständen<br />

verstopfen und zwar durch Einschlagen eines Pfahles, durch Dichten mittelst<br />

Thon oder Beton, in den meisten Fällen aber muss es, wie auch das Grundwasser,<br />

entweder abgeleitet oder ausgeschöpft werden.<br />

Das Ableiten ist selbstverständlich nur dann ausführbar, wenn ein tiefer<br />

gelegener Ort vorhanden ist, wohin das 'Wasser geleitet werden kann. Wird<br />

ein Ausschöpfen nothwendig, so geschieht dies entweder mit Handsimern,<br />

Wurfschaufel , Schwungschaufel , Pumpen, Paternosterwerken, Schanfelwerken,<br />

Kastenwerken oder N orien und endlich archimedischen Wasserschnecken, wobei<br />

theils Menschenkraft, theils Dampfkraft in Anwendung kommt.<br />

Ist ein Gebäude in nächster Nähe von stehendem oder fliessendem Wasser<br />

zu bauen, so erscheint es oft geboten, die Baugrube durch eine künstliche vVand<br />

gegen das andringende Wasser abzuschliessen ; solche künstlichen Wände bestehen<br />

entweder aus einem b l o s s e n Erd da m moder aus D ä m m e n aus<br />

Hol z w ä n den.<br />

Erd d ä m m e werden in der Regel aus dem stehen gebliebenen gewachsenen<br />

Boden gebildet; ihre Breite an der Basis beträgt dann das Vierfache der<br />

Wasserhöhe.<br />

D ä m m e ans Hol z w ä n d e n werden Fan g e d 11, m m e genannt und<br />

unterscheidet man dabei Sei t e n fa 11 g e d ä m me mit einer Holzwand und<br />

vorgeschüttetem Erdreich, oder K ast e 11f a n g e d ä m m o mit zwei Holzwänden,<br />

deren Zwischenraum am besten mit einem gemischten thonhaltizen Erdreich ausgestampft<br />

wird; die Konstruktion solcher Fang'ecHimme wird bei der Rostfundation<br />

weitere Besprechung finden. .-


Einleitung. 15<br />

In 'weit höherem Gr::tde als beim Gebtiudebau machen sich bei den Fundationen<br />

des Wasser- und Brückenbaues sehr bedeutende Schwierigkeiten geltend;<br />

auf diese hier einzusrehen . würde zu weit führen, und haben wir es hier mit<br />

1:> ,<br />

einer Spezialität zu thun , die mehr der Baukonstruktion für Ingenieure und<br />

namentlich dem "\Yasser - und Brückenbaue zugezählt werden muss. Um sich<br />

über diesen Theil der Bautechnik eingehend zu unterrichten, wird 11:i8r auf das<br />

H a n d b u c 11 der W as s erb a u ku n s t von G. H::t g e 11 hingewiesen, das<br />

in seinem zweiten Bande die Brunnen , Wasserleitungen und Fundimngen behandelt.<br />

(Berlin bei Ernst & Korn. IH. Auflage. 1870.)*)<br />

Die Fun d a t ion 0 der der G r und bau.<br />

Unter Fun d a t ion oder GI' und bau versteht man im allgemeinen die<br />

Herstellnng derjenigen meist in der Erde liegenden Mauermassen, welche einem<br />

Bauwerke zur unmittelbaren sicheren Unterstützung dienen, inbegriffen sind<br />

hierbei alle Anlagen, welche zur Verbesserung des Baugrundes oder zur gleich-<br />

,mässigen Vertheilung der ungleichen Belastung nothwendig sind. Nur wenn<br />

ein Gebäude auf zu Tage tretendem Felsengrund errichtet wird, dessen vretterbeständigkeit<br />

unzweifelhaft ist, kann ein Gebäude olme ein eigentliches Fundament<br />

belassen werden.<br />

Bei einem Gebäude mit unter der Erde liegenden Kellerräumen dienen<br />

deren Mauern dem darüber sich erhebenden Mauerwerke zwar auch als Fundarnent<br />

, werden aber Kellermauern genannt, und nur ihre unter der Kellersohle<br />

liegenden 'I'heile erhalten den Namen Fundnmentmauern und bilden<br />

Fundamente für die Kellermauem und im weitem Sinne für die höher<br />

liegenden Etagenmauern. Giebt man den Fundamenten, wie dies häufig der<br />

Fall ist, einen oder mehrere nach unten hin sich verstärkende Absätze, so nennt<br />

man diese Ban q u e t t e oder Erd b ä n k e.<br />

Da der Grund und Boden, auf dem ein Bauwerk errichtet werden soll,<br />

nicht immer der Art ist, dass man ihn ohne weiteres' zum Daraufbauen verwenden<br />

kann, so muss auf Mittel Bedacht genommen werden, denselben in<br />

entsprechenJer 'IV eise zu verbessern, solche Mittel bestehen nun:<br />

I. im Verdichten des Erdreichs vor dem Legen der Fundamente;<br />

H. durch Bildung fester zusammenhängender Zwischenlagen zwischen<br />

dem pressbaren Boden und dem Fundamentmauerwerke des Bauwerks ;<br />

dies geschieht:<br />

a) durch Stein-, Beton- oder Konkretschüttung,<br />

b) durch natürliche Gesteine mit möglichst grossen Lagerflächeu,<br />

c) durch Sandschüttung ;<br />

In. dnrch Holzkonstruktionen, und diese sind:<br />

a) der liegende Bohlen- oder Schwellrost,<br />

b) der stehende Pfahlrost (Pilotage);<br />

IV. durch Herstellung einzelner, bis auf den festen Grund abgetiefter<br />

Pfeiler.<br />

Das Ver die h t endes Erdreiches kann nur bei gleichmässiger Beschaffenheit<br />

des Untergrundes ausgeführt werden, und geschieht wohl' durch Aufbringen<br />

von Lasten, oder auch durch Schlagen mit gewöhnlichen Handrammen.<br />

Eine solche Verbesserung des Baugrundes hat seiner Unvollkommenheit wegen<br />

*) Sehr empfehlenswcrth ist auch das Handbuch der Pundirungsmefhodsn von<br />

L. Klasen. Leinziz 1879.


22<br />

Einleitung.<br />

eine möglichst groBse 'werde; auch ure Breite der Rostbcbohlung c lässt<br />

man über das Banqnett um ;) bis 6 cm vorstehen.<br />

Ist es nothwendig, die Langschwellen zusammenzusetzen, so darf dies nur<br />

auf einer Grunclschwelle geschehen; sie erhalten dann entweder einen arm i l' t e n<br />

Stoss , wie dies in Tafel II des Nähern dargestellt ist, oder sie werden mit<br />

dem s c h r ii gen B 1a t t verbunden. Die Bebohlung, welche schliesslich auf<br />

die Langschwellen aufgebracht wird, erhält ihren Halt durch Nagelung.<br />

Auch beim Schwellrost, der selbstverständlich durchaus horizontal gestreckt<br />

werden muss, greifen die einzelnen Hölzer bei sich abzweigenden Mauern und<br />

an den Ecken der Bauwerke übe I' einander fort, wodurch in der Oberfläche<br />

des Boblenbelags sich Höhendifferenzen ergeben, die, wie beim Bohlenroste,<br />

durch Mauerwerk ausgeglichen werden.<br />

Sind sämrntliche Schwellen verlegt, so füllt man die "R 0 s tf e l d er"<br />

mit Sand, Kies oder Lehm aus, und stampft diese möglichst fest ein; besser<br />

ist es, hier eine Mauerschüttung oder eine Ausmauerung mitte1st Bruchsteine<br />

und Cementmörtel zu verwenden, am allerbesten aber ist es, zum Ausfüllen<br />

Beton zu wählen.<br />

Der in Tafel II zu lösenden Aufgabe liegt die Idee zu Grunde, das<br />

Mauerwerk eines sehr ansehnlichen Gebändes durch einen liegenden Rost zu<br />

fundiren, Von diesem Grundmauerwel'k, das auf einern Bruchsteinsockel sich<br />

erhebt, ist eine Ecke der vier Stein starken Umfassungsmauern im Grundrisse<br />

Fig. 1 sowohl, wie auch in der Ansicht Fig. 2 dargestellt, desgleichen eine<br />

drei Stein starke Scheidemauer, welche unter rechtem 'Winkel sich an die Frontmauer<br />

anschliesst und im Aufrisse selbstverständlich nicht sichtbar sein kann.<br />

Um sich über eine solche Aufgabe klar zu werden, ist es nothwendig,<br />

vor allem die verschiedenen Mauerprofile aufzutragen: Fig. 3 stellt das Profil<br />

der Vorderfrontmauer, Fig. 4 das der Seitenfront und Fig. 5 das der Scheidemauer<br />

dar. Ordnet man nun für das Profil Fig. 3 den Bohlenbelag so an,<br />

dass derselbe je 5 bis 6 cm über den Bruchsteinsockel vortritt, so wird sich<br />

die beste Lage der diesen Rostbelag unterstützenden Langschwellen b b dadurch<br />

ergeben, dass man sie bündig mit den Sockelkanten legt. Unter die Langschwellen<br />

b b werden dann die Quer- oder Grundschwellen gestreckt, von beiden<br />

Seiten die Langschwellen um 30 bis 50 cm überragend.<br />

Von dieser Darstellung des Profils der Frontmauer lassen sich dann unter<br />

Berücksichtigung der vorher entwickelten Konstruktionsregeln der Bohlenbelag<br />

a a, die Langschwellen b b, die Grundschwellen C C leicht in den Aufriss Fig. 2<br />

übertragen.<br />

In gleicher Weise werden dann die Mauerprofile Fig. 4 und Fig. 5 behandelt,<br />

nur mit dem einzigen Unterschiede, dass hier der Rostbelag um die<br />

Langschwellendicke von b b niedriger zu liegen kommt, denn nur hierdurch<br />

wird es möglich, dass die Langschwellen eines liegenden Rostes in den<br />

Eck- und Kreuzungspunkten der zu fundirenden Mauern sich gegenseitig überkämmen,<br />

was zur soliden Konstruktion absolut nothwendig erscheint.<br />

Zur leichtern Orientirung sind die Bohlenbeläge , die Lang - und Quel'schwellen<br />

für die Profile Fig. 4 und Fig. 5 mit a' a' beziehungsweise mit b' b'<br />

und c' Cl bezeichnet, und finden ausserdem auch bei ihrer Darstellung im<br />

Grund- und Aufrisse dieselbe Bezeichnung.<br />

Fig. 9 und 10 geben eine Detaildarstellung davon, wie eventuell die<br />

Langschwellen entweder" ge s tos sen und arm i r t" oder durch ein schräges<br />

Blatt mit einander verbunden werden; die Verbindung zwischen Lang - und<br />

Grunc1schwellen findet durch die Verkämrnung statt.


Einleitung. 25<br />

und Boden, den die Pfähle zu durchdringen haben, ein tlel11' stennger , oder<br />

stark mit verwachsenen ,Yurzeln durchzogen, so erhält jeder Pfahl einen eisernen<br />

Schuh mit zwei bis vier Lappen und einem Gewichte von 2 bis 7 kg. Solche<br />

Pfahlschuhe werden entweder aus Schmiedeeisen hergestellt und erhalten ihren<br />

Halt durch starke Nägel, oder aus Gusseisen mit hohlem Kegel und innerm<br />

Dorn, oder endlich aus beiden Materialien; in letzterm Falle 'wird eine gusseiserne<br />

Spitze von zwei Vförmig gebogenen, die vier Lappen bildenden Schienen<br />

zusammengehalteil.<br />

Dringen die Pfähle tiefer in den Grund, als zu vermuthen war , so wird<br />

es nothwenc1ig, sie durch andere Pfähle zu verlängern, und dies geschieht<br />

durch "aufpfropfen" mit oder ohne eiserne Bänder; wie dies in Tafel III<br />

in Details dargestellt ist.<br />

vVenn auch im allgemeinen die Entfernung der Grundpfähle zwischen<br />

0,80 und 1,25 m als Maximum gewählt wird, so kann unter Umständen dieses<br />

Mass auch wohl bis auf 1,80 m angenommen werden; dann aber müssen die<br />

über die Pfähle gestreckten Langhölzer, welche dazu bestimmt sind, die Last<br />

des Mauerwerks aufzunehmen, um so stärker gemacht werden. Was auf diese<br />

vVeise durch Anwendung einer ,geringem Anzahl von Grundpfählen an Holz<br />

und Rammarbeit erspart wird, gleicht sich durch die nothwendig grössere Stärke<br />

der Traghölzer wieder aus.<br />

Die einzelnen Pfahlreihen werden horizontal unter dem niedrigsten Wasserstande<br />

mitte1st einer Grundsäge abgeschnitten und erhält jeder Pfahl einen<br />

starken Zapfen von nahezu 15 C111 Länge und 9 cm Breite; darüber werden<br />

dann die La n g sc h w e l l e n oder Hohne mindestens 26 cm *) im Quadrat<br />

stark mit den entsprechenden Zapfenlöchern gestreckt, ihr Stoss erfolgt allemal<br />

auf der Mitte eines Grundpfahls, und muss derselbe durch Eisen armirt werden,<br />

wie dies Fig. 12 zeigt.<br />

Als Verbindung zwischen Grundpfahl und Holm wendet man wohl auch<br />

den Grundzapfen an, der durch die ganze Höhe des Holms hindurch greift und<br />

durch Anwendung von Keilen die schwalbenschwanzförmige Form annimmt. Fig. 13.<br />

Fig. 12, Fig'. 13.<br />

Die auf die Grundpfähle gezapften Langschwellen erhalten oft zur Sicherung<br />

ihrer parallelen -Lage rechtwinklig sich kreuzende Q u e r s eh w e l l e n<br />

oder Z an gen; zur gegenseitigen Verbindung dieser Hölzer wird die Verkämmung<br />

gewählt; die Zangen liegen 1,50 bis 2 m entfernt und greifen wohl<br />

beiderseits 30 cm über die Holme hinweg; die Bohlen) mit welchen die Holme<br />

schliesslich belegt werden, erhalten die Zangenlänge und werden 5 bis 7 cm<br />

stark gewählt; im· Bohlenbelag stehen dann die Zangen gegen 9 cm über die<br />

Bohlen vor.<br />

Gleich dem Bohlen- und dem Schwellroste greifen auch beim stehenden Rost<br />

*1 Besser wählt man einen Ouerschnitt VOll 24 em Breite, 30 em Höhe.


Einleitung. 31<br />

Eis er 11 e Sen k b r u n n e n aus Guss - oder Schmiedeeisen dienen fast<br />

nur zur Fundirurig von Brückenpfeilern.·<br />

Die grossartigen P n e 11 m a t i s c h e 11 G r ü n dun g e n , welche in n euster<br />

Zeit so vielfach für Brückenpfeiler im fliessenden Wasser zur Ausführung<br />

kamen, gehören so vorherrschend den Ingenieurarbeiten an ,' dass sie einer<br />

Hochbaukonstruktionslehre doch sehr fern stehen, und wird hier auf die betreffende<br />

Literatnr hingewiesen ;").<br />

*) L. Khsen, Fundirungsmethode», 1879.


Die Hochbaukonstrukttonen<br />

zergliedern sich nun in folgende Hauptkapitel:<br />

1. Maurer- und Steinmetzarbeiten (Steinkonstruktionen).<br />

11. Zimmermanns ar beiten (Holzkonstruktionen).<br />

III. Eis enkonstruktionen.<br />

IV. Innerer Ausbau.<br />

Zu A. gehören:<br />

Die lUanrer- und Stetnmetzarb ett.en<br />

zerfallen:<br />

A. in die Arbeiten des Rohbaues,<br />

B. in die Arbeiten des Ausbaues.<br />

1. Mauern mit ihren Rauchröhren, Bögen und Gesimsen;<br />

2. Gewölbe;<br />

3. Steinerne Treppen.<br />

Zu B. gehören:<br />

Die Putz- und Pilasterarbeiten und der Anstrich.


J. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

(Steinkonstruktion.)<br />

Ä. Arbelten des Rohbaues.<br />

1. Mauern mit ihren Ranchröhren. Bögen und Gesimsen..<br />

Die Fes t i g k e i tun d D 0, U e I' aller aus S t ein m a t e I' i a I herge<br />

s tell t e n Mau ern 0 der 1V ä n d e hängt einerseits von der Verbindung<br />

der einzelnen Steine unter sich ab, andrerseits von ihren Stabilitätsverhältnissen ;<br />

vorausgesetzt wird hierbei, dass das Material, aus welchem die Mauer erbaut<br />

ist, ein durchaus zweckentsprochendes sei.<br />

Je nach dem Material, das zur-.Ausführung von massiven Mauern benutzt<br />

wird, unterscheidet man:<br />

a) Mauern aus künstlichen Steinen;<br />

b) Mau ern aus n a t ü r 1ich e n S te i n e n, und zwar:<br />

1. aus rohen Bruchsteinen,<br />

2. aus b e 0, r b e i t e t e n 1V e r k s t ü c k e n ;<br />

c) Mau ern 0, u s S t a m pf - und G u s s wer k,<br />

Geschichtliche Notizen.<br />

Zü den Mauern aus künstlichen Steinen sind in erster Reihe die aus<br />

Ziegeln hergestellten zu erwähnen; die Technik des Ziegelbaues ist eine uralte<br />

und möchte deren Heimath in Asien zu. suchen sein und speziell in jenen<br />

Ländern ,die vielfach als .die ältesten Kulturstätten der Erde sich ergeben<br />

haben, wie China, Japan, Hinterindien. . Die ältesten unserer Zeit überlieferten<br />

Ziegelbauten entstammen dem alten Pharaonenlande Aegypten; dort wurde erst<br />

in neuerer Zeit in einer Tiefe von 20 bis 24 m (unter der mittlern Durchschnittsebene<br />

des Ni1s) eine 8 Meilen lange Ringmauer entdeckt, die nach<br />

den vorhandenen Terrainverhältnissen in einer Zeit errichtet sein muss, die<br />

weit zurück in die Mythenzeit fällt, sodass sich für dieselbe ein Alter von<br />

über 10 000 Jahre vermuthen lässt.<br />

Bei den Aegyptern wurde das Bauen 'mit Nil z i e ge In (Lehmsteinen)<br />

in grossem Mass stabe betrieben, und erfahren wir aus Herodot *), dass der<br />

Kern der meisten Pyrnmiden ans solchem Material hergestellt war, während<br />

*) Herodot, LibeT n c. 136.


34 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

König Asychis selbst eine der grössten Pyramiden erbaute, die nur aus Lehmsteinen<br />

bestand; Nilziegel wurden auch in Keilform zum Einwölben der<br />

durch Steinbalken gebildeten Deckenfelder und anderer Bogenöfiimngen verwendet<br />

und reichen solche Konstruktionen zwei bis drei Tausend Jahre v. Chr.<br />

zurück.<br />

Die Technik, mit g e b r a n n t e n Ziegeln zu bauen, scheint zuerst von<br />

den Babyioniern in grossartigem Mussstabe betrieben zu sein, und giebt auch<br />

hierüber Herodot *) ausführliche Mittheilungen, wobei unter anderm der Ringmauer<br />

gedacht wird, die Babyion umgab, und die 50 Ellen Breite und<br />

200 Ellen Höhe hatte. Dass in Babyion die Technik des Ziegelbaues auf hoher<br />

Stufe stand, erfahren wir auch aus Diodor, welcher der Bauten der Semiramis<br />

und des Nebukadnezar gedenkt, die aus gebrannten Steinen mit Basreliefs geziert<br />

waren und Thiere von allen Gattungen mit ihren natürlichen Farben darstellten.<br />

Auch die Griechen bedienten sich des Ziegelbaues in sehr vielen Fällen,<br />

nach Pli n i u s **) zogen sie, "ausser wo man mit natürlichen Steinen bauen<br />

konnte, für Mauern die Ziegelsteine vor, weil sie von ewiger Dauer sind, wenn<br />

sie senkrecht stehen; daher haben sie ihre öffentlichen Gebäude und ihre<br />

Königsburgen auf diese Art erbaut, so auch die Mauer bei Athen, welche die<br />

Richtung nach dem Berge Hymettus hat".<br />

Nach Pausanlas ***) bestanden die Festungsmauern Mantineas im Jahre<br />

362 v. Chr, aus Lehmsteinen , und nach Böttcher und Poppe hatte auch das<br />

alte Erechteum Backsteindetails und wurde erst nach der Zeit der Perserkriege<br />

in Marmor umgebaut.<br />

Die Römer unterschieden Lateres und Testae, erstere waren Lehmsteine,<br />

die an der Sonne getrocknet waren, während letztere aus einer gebrannten<br />

Lehmerde bestanden. Von den La te r e s hatte man (nach Plinius) drei<br />

Arten: "die lydische (Lydion) , deren wir uns bedienen, ist anderthalb Fuss<br />

lang und einen Fuss breit; die andere heisst Tetradoron, die dritte Pentadoron ;<br />

sie haben ihre N amen nach den vier oder fünf Handbreiten ihrer verschiedenen<br />

Grösse; die Breite ist dieselbe. In Griechenland nimmt man zu Privatgebäuden<br />

die kleineren, zu öffentlichen die grösseren; für Gebäude hält man nur die<br />

zweijährigen für gut". Da weder Plinius noch Vitruv t) die Dicke der Steine<br />

angiebt, so wird von Vielen angenommen, dass die Lehmsteine in bezug auf<br />

ihre Dicke den gebrannten Steinen ähnlich waren. Dies wird namentlich von<br />

Rondelet widerlegt, der nachzuweisen sucht, dass die Lehmsteine die kubische<br />

Form hatten, in folge dessen sie auch eine so sehr lange Zeit zum Trocknen<br />

bedurften. Aber, auch Vitruv sagt: "was n a c h j e d e r Sei te fünf Handbreiten<br />

misst, wurde Pentadoron, was vier misst Tetradorontt) genannt."<br />

Zum Verbande verwendete man H'a 1b z.i e g e l , also halbirte Würfel.<br />

Die geringste Dicke, welche die Griechen ihren Mauern gaben, war die<br />

eines Lehmsteines , den gemeinschaftlichen Mauern gaben sie anderthalb und<br />

den dicksten zwei Steine zur Mauerdicke.<br />

Von gebrannten Ziegeln geht eine umfassende Anwendung<br />

jedoch keineswegs über das Zeitalter der Kaiserr<br />

e gi e run g hin a 11 S und scheint das Pantheon (die Thermen des Agrippa)<br />

*) Herodot, Liber T, c, 178-179.<br />

**) Plinius, Liber 35, c. 49.<br />

***) Pausanias, Liber VIII, e, 8.<br />

t) Vitruv, Liber III, c, 3.<br />

rt) Pentadorcn war ein Cubus von 745 111m, r.I.'es,:ac1orol1 Y011 5 6 111m.


36 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

transportiren und aufzustellen: An den Resten alter ägyptischer Bauwerke<br />

sind häufig Quadern von 10m Länge, 3 bis 4 m Breite und 2 bis 3 m Dicke<br />

zu finden, deren Kubikinhalt mehr als 100 cbm und deren Ge-..vicht 250 000 bis<br />

280 000 kg beträgt.<br />

An den Ruinen von Persepolis findet man Steine von 17 m Länge, 6 m<br />

Höhe und ebenso grossei Dicke, am Tempel zu Baalbock solche von 19 m<br />

Länge und 4 m Höhe und Dicke.<br />

Auch in Amerika in Peru sind Bauwerke von kolossaler Grösse aus der<br />

Urgeschichte der Inkas auf unsere Zeit gekommen; bei Casco, der alten Hauptstadt<br />

(Nabel der Erde), befinden sich Ruinen, in denen man Steine 'von 12 111<br />

Länge sieht, die über 400 Meilen weit auf den beschwerlichsten Wegen herbei<br />

geschafft sein sollen. Die Steine haben alle eine umegelmässige Form, sind<br />

aber mit solcher Geschicklichkeit und Genauigkeit zugerichtet, dass man kaum<br />

die Fugen bemerkt; dies ist um so auffallender, da die Peruaner, welche diese<br />

Steine so gut bearbeiteten, den Gebrauch des Eisens nicht kannten *); wahrscheinlich<br />

haben sie, nach einer vorhergehenden U eberarbeitung der Fläche mit<br />

Obsidian-Instrumenten, dieselben durch Aneinanderschleifen verbunden; eine<br />

Zwischenlage von Mörtel fehlt bei allen Steinmauern aus jenen uralten Zeiträumen:<br />

In Griechenland und in Italien sind viele Ruinen von uralten Städtemauern<br />

erhalten, die ihres fremdartigen Aussehens wegen den Namen c y klopis<br />

c h e Mauern erhielten; das Wesentliche dieser Reste von Argos, Mykenae,<br />

Tiryns und andern Orten besteht darin, dass man beim Ineinanderfügen der<br />

rohen' Felsstücke sich so viel wie möglich der natürlichen Form anschloss und<br />

sich darauf beschränkte, die einzelnen sich berührenden Flächen gegenseitig<br />

mit dem Meissel zu ebnen; je roher im übrigen die Massen blieben, je unvollkommner<br />

das Gefüge, je häufiger und nothwenc1iger das Einschieben kleinerer<br />

Steine zur Verbindung war, desto mehr verdienen die Mauern nach Pausanias<br />

das Epitheton "c y klo pis c h ". Andererseits findet man aus der Zeit der<br />

Pelasger und Etrusker rohe und mit geringer Nachhilfe des Meissels zugerichtete<br />

Mauern, welche ohne systematische Anordnung der Fugen und von<br />

grosser Verschiedenheit in den Dimensionen der einzelnen Steine, ohne Mörtel<br />

unmittelbar aufeinandergethürmt sind. Fig. 26 giebt ein Beispiel und stellt<br />

ein Stück der Stadtmauer von Veji dar **).<br />

Fig. 26.<br />

,*) ROllc1elet, l'art de batir, II. Tom., I. eh.<br />

**) Abek e n, Mittelitalien vor den Zeiten römischer Herrschaft, nach seinen<br />

Denkmälern dargestellt.


Arbeiten des Holibaues. 39<br />

Das Prinzip des unregelmässigen Quaderbaues erreicht seine höchste systematische<br />

Ausbildung dann, wenn' die horizontale Schichtung der Steine fast<br />

ganz aufgegeben wird, das Polygon freier hervortritt und nach allen Seiten<br />

sich im Gefüge der Mauer geltend macht; hierbei liegen die einzelnen Steine<br />

oft in einem "Yinkel von 45 Grad gegen einander, wie in den Mauern von<br />

Fondi, Bovianum (Fig. 35), Voltera etc.; eine Nachahmung ist gewissermassen<br />

das opus reticulaturn der spätem römischen Zeit.<br />

Fig-. 35.<br />

Vitruv theilt uns mit, dass das ne tz f ö r m i ge Mau e r wer k (reticulaturn)<br />

zu seiner Zeit das allgemein übliche gewesen sei; er lobt dessen<br />

Schönheit, tadelt aber daran,<br />

dass es leicht geneigt sei, Risse<br />

zu bekommen; dauerhafter, aber<br />

weniger schön sei das an t i k e<br />

(antiquum}, welches auch das<br />

u n g e w iss e (incertum) heisst.<br />

Das 0 p u s r e t i c u 1a ­<br />

tu m , bei den Griechen<br />

OOt'Cvw'Cov genannt, wurde<br />

meistens als Verkleidung des<br />

Füllmauerwerks (Emplekton)<br />

angewendet, es war meistentheils<br />

aus kleinen Tuffsteinen<br />

hergestellt, deren V orderfiäche<br />

ein Quadrat von ungefähr 8 cm<br />

Seitenlänge zeigt; diese Steine<br />

werden rautenartig angeordnet,<br />

wie dies Fig. 36 nachweist.<br />

Mit einem Ansatze von 15 bis<br />

16 cm, dessen Dicke allmälig<br />

abnimmt, greifen sie mehr oder<br />

weniger in das Innere der Mauer<br />

ein, und verbinden sich mit<br />

dem dort angebrachten Füllwerke.<br />

Fig. 36.


Arbeiten des Roh1)rlues. 41<br />

mitteist Quadern, Bruch - oder gebrannter Steine aufgeführt hatten, die Füllmasse<br />

aus Mörtel und umegelmässig grossen und kleinen Steinen olme weitere<br />

Sorgfalt zum Ausfüllen einbrachten; ein solches Mauerwerk kann unter Umständen<br />

als total unbrauchbar sich erweisen.<br />

Das Füllwerk soll stets aus kleinen Steinen, kleiner als eine Faust, bestehen<br />

und sind diese womöglich recht gleichmässig in die Mörtelmasse einzubetten,<br />

so dass die Märtelquantität mit dem Volumen der kleinen Steine verglichen<br />

etwas weniger als die Hälfte beträgt.<br />

So scheint das Füllwerk, das wir in römischen Ruinen vielfach vorfinden,<br />

und sich bis heute vorzüglich erhalten hat, schichtenweise ausgeführt zu sein,<br />

indem in die flach ausgebreitete Mörtelmasse die einzelnen Steine von ziemlich<br />

gleichmässiger Grösse "a1s Pa c k un g" eingelegt wurden.<br />

Solches Mischmauerwerk , Emplekton , erhielt entweder Einfassungen von<br />

Haustein , von Bruchsteinen<br />

oder auch von<br />

gebrannten Ziegeln, die<br />

Figuren 36, 37, 38 geben<br />

hierüber Aufschluss. Bei<br />

Anwendung von gebrann­<br />

ten Steinen wurden in<br />

entsprechender Höhe horizontal<br />

durchgreifende Ziegelschichten<br />

eingelegt, wie<br />

dies Fig. 39 bei a a<br />

weiter erklärt. Diese<br />

Bauweise wurde unter<br />

der Regierung der rormsehen<br />

Kaiser, somit zur<br />

hervorragendsten Bauperiode<br />

der Römer, fast<br />

für alle Bauwerke, selbst<br />

für die bedeutendsten ver-<br />

=-----'1<br />

---'--<br />

Fig. 39.<br />

wendet; der Kaiserpalast mit dem goldnen Palast des Nero, der Friedenstempel,<br />

das Pantheon des Agrippa, die Thermen des Diocletian und des Caracalla, elie<br />

Circus, die Naumachien und der grösste Theil der Theater und Amphitheater<br />

zeigen in ihren auf unsere Zeit gekommenen Resten diese Konstruktionsweise<br />

nicht nur in den glatten Mauern, sondern auch in elen höchstwichtigen Bogenund<br />

Gewölbekonstruktionen *).<br />

Die Herstellung des Emplekton war so einfach und mit so wenig kostspieligem<br />

Material ausführbar, dass tausende von gewöhnlichen Arbeitern dazu<br />

benutzt werden konnten; dabei war es geeignet zur Ausführung von all e n<br />

:F 0 I' me n und beseitigte hierdurch die ungemeinen Schwierigkeiten, die der<br />

reine Quaderbau im Gefolge hatte, besonders wenn es sich darum handelte,<br />

Gebäude von so kolossaler Grösse in verhältnissmässig kurzer Zeit mit den<br />

wenigsten Kosten auszuführen. Der reine Quaderbau erfordert besonders für<br />

Gewölbe eine umfassende Kenntniss des Steinschnitts, und erfordert ausgesuchte<br />

Materialien von beträchtlichen Abmessungen, welche mit grossen Schwierigkeiten<br />

zu transportiren und zu versetzen sind, hierzu gesellt sich ein sehr<br />

*) Siehe diese.<br />

a


42 1. Maurer- und Steinmetzcubeiten.<br />

bedeutender Zeit- und Kostenaufwand; über alle diese Schwierigkeiten half das<br />

Emplekton den praktischen Römern hinweg! Dabei hat es sich vorzüglich<br />

bewährt; die kleinen Tuffsteinehen sind von der Mörtelmasse , die steinhart<br />

geworden ist, nur mit grösster Gewalt zu trennen; wir haben es hier förmlich<br />

mit Monolithen zu thun , die oft ihrer Bekleidung beraubt der Zerstörung der<br />

Athmosphärilien Jahrhunderte lang vollständig widerstanden haben, abgesehen<br />

VOll dem guten Zustande jener Bauwerke, die seiner Zeit restaurirt , aus der<br />

römischen Kaiserzeit stammend, noch heut zu Tage bestehen !Bei der Ausführung<br />

des Emplektons wurde übrigens auch das Füllwerk oft ein ge s ta m p f t ,<br />

und dies geschah fast durchweg bei Fundationen, indem die vertikal ausgehobenen<br />

Fundamentgräben dann selbst die widerstandsfähige Form bildeten, in welche sich<br />

ohne weiteres das Füllwerk einstampfen liess, Hierbei wurden nahezu 15 cm<br />

hohe Mörtelschichten gegeben, auf diese eine gleich hohe Schicht kleiner<br />

Steine ausgebreitet und dann das Ganze scharf ), a b ger a m m t ". Hatte der<br />

Fundamentgraben nicht Widerstandskraft genug, dem Seitendrucke, den das<br />

Rammen veranlasste, zu widerstehen, so wurde er mit einer Bretterwand unter<br />

Zuhülfenahme hölzerner Pfosten vorher ausgefüttert. An vielen alten römischen<br />

Fundamenten lässt sich noch heutzutage diese S t am p ft e eh ni k aufs Evidenteste<br />

nachweisen *).<br />

Bei Mau ern übe l' der Erd e w u r d e das Füll wer k n 11r dan n<br />

einge s ta m p ft, wenn die Mauereinfassungen aus grossen widerstandsfähigen<br />

Steinquadern bestanden; hatte die Mauereinfassung die genügende Widerstandsfähigkeit<br />

nicht, so begnügte man sich damit, 3 bis 4 cm starke Steinlagen in<br />

den erforderlichen Mörtel schichtenweise übereinander auszuführen, wobei alle<br />

Steine in ganz regelmässigen Lagen flach in den Mörtel eingebettet wurden.<br />

Die oft ausgesprochene Ansicht, dass das Emplekton identisch sei mit einer<br />

ans Mörtel und Steinen hergestellten _Gussmasse , ist von Choisy eingehend<br />

widerlegt.<br />

Mau ern aus g e s ta m p f tel' Erd e (P i s e) sind bei den alten Griechen<br />

und Römern nicht gang und gäbe gewesen; Plinius **) spricht davon als<br />

etwas Aussergewähnlichem: "vVerden nicht in Afrika sogenannte Formwände<br />

aus Erde ausgeführt, die man so nennt, weil man die Erde zwischen zwei<br />

umgebende Bretter mehr stampft als wirft, und welche mit der Zeit so hart<br />

werden, dass sie von Regen, 'Wind und Feuer nicht leiden und fester als<br />

aller Mörtel sind? Noch jetzt sieht man die Warten Hannibals in Hispanion<br />

und Thürme von Erde, die auf den Höhen der Berge aufgeführt sind."<br />

a) Mau ern aus k ü n s tl ich e n S t ein e n.<br />

Zu den k ü n S t 1ich e n S t ein e n rechnet man in erster Linie die<br />

g e b 1;a n n t e n k ü n S t 1ich e n S t ein e, auch B a c k - oder Z i e gel s t ein e<br />

genannt; in zweiter Linie sind hier die u n g e b r an n t e n S te i n e zu erwähnen,<br />

deren Fabrikation auf der Erhärtungsfähigkeit der verschiedenen Verbindungsmaterialien<br />

beruht und die wohl im allgemeinen als K uns t s t ein e<br />

bezeichnet werden; von diesen haben in neuster Zeit die Schlackensteine und<br />

auch die rheinischen Schwämmsteine vielseitige Anwendung gefunden.<br />

Um einen richtigen Ver b a n d mit den künstlichen Steinen herstellen zu<br />

*) Spezielles über diesen Gegenstand giebt August Ohoisy's: L'art de batir chez<br />

les ROl11ains. Paris 1873.<br />

**) Plinius, Liber 35, calJ. 14.


Arbeiten des Rohbaues. 43<br />

können, gieht man denselben eine parallelepipedischo Form und zwar in der<br />

Art, dass zwei ihrer Breitseiten mit der dazwischen liegenden Fuge genau mit<br />

der Länge übereinstimmen; diese Massverhältnisse müssen aufs strengste eingehalten<br />

werden, während die 'Vahl der Stärke der künstlichen Steine und<br />

deren anderweitige Grössenverhältnisse vielfachen Schwankungen unterworfen<br />

sind.<br />

Obwohl man sich in Deutschland in den meisten Staaten im allgemeinen<br />

über ein Backsteintnass geeinigt hat, nämlich 250 mm Länge, 120 mm Breite<br />

und 65 mm Dicke, so werden doch vielfach auch Backsteine mit andern Dimensionen<br />

verbaut; in München hält man noch immer fest an den Steinen, die<br />

nahezu dem frühem Fussmasse entsprechen, und diese sind 300 mm lang,<br />

144 mm breit, während ihre dazwischen liegende Fuge 12 mm<br />

in Anspruch nimmt; andern Orts in Bayern werden wohl noch<br />

Backsteine von 340 mm Länge, 164 mm Breite und 66 mm<br />

Dicke vermauert, während in Norddeutschland, besonders aber in<br />

Holland, Backsteine verwendet werden, die 200 mm Länge,<br />

95 mm Breite und 55 mm Dicke haben; demnach ist man<br />

wohl berechtigt, von Backsteinen g r 0 S se r, mit tl e r er und<br />

k lei n er Form zu sprechen.<br />

Betrachtet man einen der in nebenstehender Fig. 40 dargestellten<br />

Backsteine, so nennt man seine Seite a: die Läuferseite,<br />

seine Seite h : die Bieder- oder Streckerseite.<br />

Eine Mauerschicht, in deren Aussenfläche lauter Läuferseiten<br />

sich sichtbar machen, wie in c c Fig. 41, nennt man L ä u f ers<br />

chi c h t und jeden' einzelnen Stein einen L ä u fe r; diese<br />

c<br />

c<br />

Fig. 41.<br />

Fig. 40.<br />

wechseln in der Regel mit den S t re C k e r - oder B i e der sc h i c ht e n regelmässig<br />

ab, und jeder hier liegende Stein wird S t re c k er oder B in d er genannt;<br />

werden Backsteine in einer<br />

Mauer auf die hohe Kante gestellt,<br />

wie dies in e e dargestellt<br />

ist, so entsteht eine<br />

Roll s chi c h t und j edel' der<br />

einzelnen Steine ist dann ein<br />

Roller.<br />

Bei den F u gen unterscheidet<br />

man in jedem Backsteinmauerwerk<br />

die Lager ­<br />

f'u gen, d. h. diejenigen Mörtel­<br />

bänder, auf welchen der Stein auf'lagert, und die S tos s fu gen, welche eme<br />

vertikale Stellung haben und die einzelnen Steine seitlich mit einander verbinden;<br />

während man den Stossfugen bei normalem Mörtel eine Stärke von<br />

10 mm giebt, erhält die Lagerfuge wohl solche von 15 mm.<br />

Bei allen B a c k s t ein mau ern ist nun vor allen Dingen darauf zu<br />

sehen, dass in den unmittelbar aufeinander liegenden Steinschichten ein regelmässiger<br />

Ver ban d streng eingehalten wird; hierbei dürfen Stossfugen nie<br />

unmittelbar aufeinander treffen.. Um einen regelmässigen Verband durchführen<br />

zu können, ist es nothwendig, Drciviertelsteine, sogenannte D r e i qua r t i e r e ,<br />

zu besitzen, die meistens vom Maurer mit dem Hammer zugehauen werden,<br />

weit besser und äusserst empfehlenswerth ist es jedoch, solche Dreiquartiere von<br />

den Ziegeleien zu beziehen.<br />

Die Stärke der Backsteinmauern bezeichnet man fast allgemein nach der


46<br />

1. ,Maurer· und Steinmetzarbeiten.<br />

einanderliegenden Schichten dargestellt: und ist das beim Blockverbande gewählte<br />

Beispiel beibehalten.<br />

Der Kreuzverband findet seines guten äussern Ansehens wegen vorherrschend<br />

beim Ziegelrohbau Anwendung. Auf Tafel II ist die vom Bohlenroste<br />

getragene, 4 Stein starke Mauer im Kreuzverband in allen Projektionen dargestellt.<br />

Werden Thür - und Fensteröffnungen in einer Backsteinmauer angelegt,<br />

so erhalten dieselben in der Regel sogenannte ,:Ans eh I ä ge", die dazu<br />

dienen, dem Fenster - oder Thürstocke (Zarge) einen bessern Halt zu geben;<br />

in solchem Falle ergiebt sich die Anordnung, wie sie in der nebenstehenden<br />

Fig. 46 dargestellt wurde, 'wobei der Anschlag einen halben Stein breit um<br />

a<br />

n" Ij<br />

I<br />

" I<br />

" I<br />

" , "1P<br />

" I I: : I<br />

}i--}--<br />

. "<br />

Fig. 48.<br />

Fig. 47,<br />

ct<br />

Fig.46.<br />

ein Viertel des Steins vortritt; hier ergiebt sich der Uebelstand , dass ein<br />

Viertelstein -- ein sogenanntes Quartierstück durch den Hammer zugehauen ­<br />

den betreffenden Anschlag mit zu bilden hat; da die Anwendung so kleiner,<br />

noch dazu mit dem Hammer hergestellter Steinstücke sicher nicht zur Solidität<br />

des Mauerwerks beitragen kann, so ist<br />

auch hier sehr erwünscht, für die Herstellung<br />

von Anschlägen eigens geformte Steine<br />

von den Ziegeleien zu beziehen, und würde sich<br />

dann der Verband von Fenster und Thüranschlägen<br />

nach Fig. 47 gestalten;'die erforderlichen<br />

Anschlagsteine sind mit a bezeichnet.<br />

. An sehr vielen Orten verwendet man,<br />

um einen richtigen Backsteinverband<br />

herstellen zu können, der Länge nach<br />

getheilte Backsteine, die man dann wohl<br />

Kopfstücke (Riemchen) nennt. Um diese<br />

zu beschaffen, ist es nothwendig , einen<br />

Backstein seiner ganzen Länge nach zu<br />

spalten, wie dies die Fig. 48 andeutet; würde<br />

ein solches Spalten auch allemal gelingen, was keineswegs der Fall ist, so<br />

wird solches mit dem Hammer erschüttertes kleines Steinstück nur einen äusserst<br />

geringen Grad von Festigkeit besitzen, und eignet sich demgernäss<br />

in keiner Weise zur Ausführung eines durchaus soliden Mauerwerks;<br />

ganz zu verwerfen ist es für den so wichtigen Eckverband, der mit<br />

Kopfstücken ausgeführt in umstehender Fig. 49 dargestellt ist: Die<br />

schraffirten Stellen geben den Raum an, in welchem die sogenannten


Kopfstücke anzuordnen sind; in Wirklichkeit aber<br />

Quartierstücke eingelegt, oder noch h ä u f i ger<br />

f'r a 0' 111 e nt e . sodass zuletzt dieser schraffirte Theil<br />

Cl ' .<br />

Arbeiten des Rohbaues. 47<br />

Fig. 49.<br />

werden in diesen Raum<br />

allerhand Ziegelals<br />

eine grosse' Mörtelfuge<br />

zu betrachten ist, die meistens äusserst unvollständig mit Backsteingruss ausgefüllt<br />

wird. Hat man es, wie dies bei unsern Miethhäusern nur zu häufig<br />

der Fall ist, mit schmalen Fensterpfeilern<br />

zu thun (siehe Fig. 50),<br />

so wird ein mit Kopfstücken ausgeführter<br />

Verband ein so durchaus<br />

unsolides Mauerwerk involviren, dass<br />

es dringend gerathen erscheint, diese<br />

an und für sich sehr zweifelhafte<br />

Konstruktion aus dem Bereiche<br />

unserer Hochbaukunde ganz auszumerzen.<br />

Fig. 51 giebt zum Vergleich<br />

denselben Fensterpfeiler mit Anwendung<br />

von Dreiquartieren.<br />

Nur wenn die Ziegeleien g e ­<br />

f 0 r m t e Kopfstücke liefern würden,<br />

wäre die Herstellung des Verbandes<br />

Fig. 50.<br />

Fig, 51.<br />

damit zuzulassen ,bei weitem aber erscheint es vortheilhafter , eigens geformte<br />

Dreiquartiere von den Ziegeleien zu beziehen; mit denselben lässt sich nicht<br />

nur in Mauern und Bögen ein vorzüglicher Verband einhalten, sondern es<br />

lassen sich auch damit Mauern herstellen, die eine oft sehr wünschenswerthe<br />

Variation in den zu wählenden Mauerstärken gestatten. Oft liegt dem Baumeister<br />

der VVunsch nahe, diese oder jene Mauer etwas schwächer oder etwas<br />

stärker zu machen, als dies bei dem Vorhandensein von ganzen Steinen mög­<br />

lich ist; beim Vorhandensein von geformten Dreiquartieren liegt sofort die<br />

Möglichkeit vor, neben 1/2 und 1 Stein starken Mauern auch solche von<br />

Steinstärke herstellen zu können, ein Umstand, der unter Umständen als<br />

3/4<br />

äusserst vortheilhaft bezeichnet werden kann.<br />

Auch 11/ 4 , 1 3 / 4 , 2114, 2 3 / 4 Stein starke Mauern sind dann leicht verwendbar<br />

und lässt sich für dieselben ein durchaus normaler Verband erzielen,<br />

wie dies die Figg. 52 und 53 (S. 48) darthun.<br />

Der grösste Vortlieil aber liegt in einer grössern Solidität des Mauerwerks, bei<br />

dem womöglich jedes Zuhauen der Steine zu vermeiden ist; bei der grössorn Solidität<br />

aber geniigt es dann auch, die einzelnen Etagenmauern von oben herab nicht


48 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

um je einen halben Stein zu verstärken) sondern nur um je einen Viertel Stein) wie<br />

dies bei der Besprechung der Mauerstärken spezieller nachgewiesen werden wird.<br />

I.<br />

Fig'. 52.<br />

Fig. 54.<br />

Fig. 53.<br />

Die Anordnung eines richtigen Verbandes ist, wie an den vorstehenden<br />

Figuren gezeigt wurde, höchst einfach, sobald die betreffenden Mauern sich<br />

im rechten "Winkel begegnen; treten uns aber spitze, stumpfe Winkel entgegen,<br />

stossen mehrere Mauern unter verschiedenen 'Winkeln zusammen, so wird die<br />

Anordnung des Verbandes schon schwieriger; ähnliche Schwierigkeiten ergeben<br />

sich bei Herstellung von Pfeilern, besonders solcher, die eine komplizirte Form<br />

besitzen. Um die Lehre vom Verbande spezieller kennen zu lernen, sind zwei<br />

Tafeln (IV und V) beigegeben, die verschiedene in der Praxis auftauchende<br />

Fälle behandeln. Die Tafel IV giebt mehrere Beispiele von Steinverbänden, die<br />

bei zwei' oder drei, im spitzen oder stumpfen Winkel sich treffenden Mauern<br />

nothwendig werden; neben den allgemein zu beachtenden, bereits entwickelten<br />

Regeln über den Verband ist hier vor allen Dingen darauf zu sehr..i, dass die<br />

einzelnen Steine stets im rechten Winkel zur Mauerfront gelegt, und dass die<br />

verhaueneu Steine der Zahl nach auf ein Minimum beschränkt werden.<br />

Treten Vorsprünge oder Lisenen an Mauern auf, so müssen selbstverständlich<br />

auch auf diese die Regeln des Steinverbandes angewendet werden; auch<br />

hierüber giebt dieselbe Tafel mehrere Uebungsbeispiele.<br />

vVeiters folgen einige Verbände von einfachen und komplizirteren quadratischen<br />

und oblongen Pfeilern.<br />

Aeusserst geringen Werth haben für unsere Verhältnisse die immer noch<br />

III den meisten Lehrbüchern mitgetheilten Verbände, wie der go t his ehe,<br />

polnische, holländische<br />

Verband, der Fes tun g s - oder<br />

Strom verband, der Streckerver<br />

ban d und selbst der sogenannte<br />

S ä u 1e n v Ei r ban d.<br />

der gothische<br />

Strecker und<br />

Der go t h i s ehe Ver ban d ,<br />

in der Fig. 54 dargestellt, hätte nur<br />

dann eine Berechtigung, für unsere<br />

Jetztzeit in der Praxis sich zu erhalten,<br />

wenn wir -- wie dies im<br />

Mittelalter vielfach der Fall war ­<br />

auch heute noch sehr dicke Füllmauern<br />

herstellen würden; für solche<br />

leistet, wie das aus nebenstehender<br />

Figur deutlich zu entnehmen ist,<br />

Verband vorzügliche Dienste, da er bei stetem Wechsel von<br />

Läufer am vollständigsten in das Füllmaterial eingreift; diesen


Arbeiten des Rohbaues (Mauern). 49<br />

Verband auf unsere ganz veränderten Bauverhiiltnisse zu übertragen, erscheint<br />

als durchaus unmotivirt und daher verwerflich. Sehr problematisch erscheint<br />

es auch, in sehr starken Mauern, beim Festungs- oder Strombau , sogenannte<br />

Kreuzlagen in dem Winkel von 45 0 anzuordnen, um dadurch einen vermehrten<br />

Fngenwechsel zn erzeugen. Die Fig. 55 ist dazu bestimmt, zn zeigen, WIe<br />

--I' I - I J I I<br />

ITI<br />

1 I I I I I<br />

1 I I I , I I I<br />

I ' I I I I I I I<br />

I I I I I I I I I I I<br />

\ I I I I I I I I I l- I<br />

I I I I I I I I I I I I I<br />

I I I I I I I I I I I ,<br />

Fig. 55.<br />

I I I I<br />

es nothwendig wäre, Formsteine von der Form x x etc. zu besitzen, um solche<br />

Kreuzlagen solid auszuführen; im ändern Fall müssen särnmtliche Frontsteine<br />

dieser Kreuzlagen verhauen und dadurch wesentlich in ihrer Tragfähigkeit beeinträchtigt<br />

werden; kein praktisch denkender Baumeister wird solche Anordnung<br />

für empfehlenswerth bezeichnen können, und demgemäss können wir diesen<br />

nutzlosen Verband wohl zu den Todten verweisen.<br />

Etwas anders verhält es sich mit dem sogenannten S t I' eck e I' ver b a n d ,<br />

der häufig auch bei unsern neusten Festungsbauten Anwendung gefunden hat;<br />

bei diesem Verbande erscheint die Aussenseite als wenn sie ans lauter Streckern<br />

gebildet wäre; verwendet man beim Blockverbande statt der äussern Läufer<br />

z w ei h a l beL ä u fe 1', so ist der beabsichtigte Zweck erreicht, und es möchte<br />

einer so geringen Modifikation keine besondere "Wichtigkeit zuzuschreiben sein:<br />

Prinzipiell erscheint es wohl von vornherein unstatthaft, Sä u I e n ­<br />

schäfte aus Backsteinen a u f'z u m a u e r n ; giebt man es jedoch aus<br />

irgend einem Grunde auf, sich beim Backsteinbau statt des Pfeilers (wie dies<br />

in der Natur der Sache liegt) der Säulenform zu bedienen, so scheint es auch<br />

gerathen zu sein, sich für jeden besondern Fall<br />

die hierzu nöthigen Formsteine anfertigen zu<br />

lassen, wie dies beispielshalber die Fig. 56<br />

angiebt; thut man dies nicht und begniigt<br />

sich mit dem gewöhnlichen Backstein, so<br />

wird der daraus hergestellte Säulenkörper<br />

doch mehr oder weniger als ein leicht zerbrechliches<br />

Flickwerk erscheinen; hat man die<br />

Fig. 56.<br />

Mittel nicht, Säulen aus säulenartigen Werkstücken (Trommeln) herzustellen,<br />

und ist man beim Bau nur auf den Backstein angewiesen, so wird es immer besser<br />

sein, statt der Form der Säule die des Pfeilers zu wählen. Säulenverbände,<br />

wie sie vielfach in unsern "Lehrbüchern empfohlen werden} befinden sich auf<br />

Tafel V Fig, 1 und 2 und lassen erkennen, dass sämmtliche Steine der äussern


I. 1\Iru..ner- um! Rtcinmetzar1)eiten.<br />

:L\oc]: ist hier die Bemerkung anzuknüpfen. dass die porösen Baumaterialil'll<br />

eine grosse Wärmekapazität besitzen; das Material. einmal angeheizt, behält die<br />

Wärme geraume Zeit und lässt sie nur langsam ins Freie gelangen, während<br />

die von aussen eintretende Luft in den Poren des Materials vorgewärmt in den<br />

Innenraum tritt.<br />

Am Schlusse der Besprechung übel' Mauern ans Backsteinen ist noch der<br />

Einfluss hervorzuheben , der sich geltend macht, wenn eine. Mauer aus gut<br />

gebrannten neuen Steinen und gutem Kalkmörtel ausgeführt wird; bei der Erhärtung<br />

des letztem wird sich nämlich die auf der Oberfläche der Backsteine vorhandene<br />

aufgeschlossene kieselsaure Thonerde mit dem Aetzkalk des Mörtels chemisch<br />

verbinden und eine dünne Schicht von kieselsaurem Kalk bilden, die ungemein<br />

fest sich nur durch Aetzung vom Stein entfernen lässt. Je vollständiger sich<br />

diese. .. wenn auch nur sehr dünne Schicht von kieselsaurem Kalk bilden kann. ..<br />

desto fester, tragfähiger und dauerhafter wird sich das Mauerwerk erweisen,<br />

und beim Abbrechen von Mauern ist es diese Schicht, welche meistentheils<br />

eher ein Zerbrechen der Steine als ein Siehtrennen in der Fugongrenze bewirkt.<br />

Bei alten, schon einmal gebrauchte1} Steinen wird sich die erwähnte<br />

Schicht nicht zum zweiten Mal bilden können, und ist dem entsprechend von<br />

Mauern aus schon gebrauchtem Backsteinmaterial kein günstiges no r mal e s<br />

Festigkeitsresultat mehr zu erwarten.<br />

D eberhaupt hat die chemische Beschaffenheit der Bausteinoberflächen auf<br />

die Festigkeit der betreffenden Mauern einen nicht zu unterschätzenden Einfluss,<br />

besonders bei Anwendung von gewöhnlichem Kalkmörtel. vYährend aus der<br />

Lehre der Verbindungsmaterialien bekannt ist) dass gewöhnlicher Kalkmörtel<br />

auf reinen Quarz nicht chemisch umgestaltend wirkt, wohl aber auf den Feldspath<br />

(kieselsaure Thonerde und kieselsaure Alkalien), indem sich hier auch<br />

kieselsaurer Kalk bildet, so wird eine Mauer aus Quarzsandstein keineswegs<br />

eine so innige Verbindung mit dem Kalkmörtel eingehen, wie eine Mauer aus<br />

solchen Gesteinen, in denen Feldspath einen hervorragenden Bestandtheil bildet;<br />

der beste Erfolg würde in dieser Beziehung von den traohytisehen Gesteinen<br />

zu erwarten sein, weil diese vorherrschend aus Feldspath bestehen. Bei Anwendung<br />

von Cementen hat man freilich auf eine so in ni geBindeschicht<br />

zwischen Mörtel und Stein zu verzichten, da in den seltensten Fällen in diesen<br />

Verbindungsmaterialien so viel freier Aetzkalk vorhanden ist und vorhanden<br />

sein darf, tun mit der lösbaren Gesteinsoberiiäche sich wirksam und energisch<br />

verbinden zu können.<br />

Insofern wird bei llerstellung von Mauern ein<br />

Lu f t m ö r tel v o I' a l l e u an d ern 1\1 ö r tel a r t e n d e n Vor zug<br />

d i e n e 11.<br />

b) Mauern aus n a t ü<br />

1. Aus rohen Bruchsteinen.<br />

r<br />

l i c h e n Steinen.<br />

guter<br />

ver -<br />

Gehören die Bruchsteine Gesteinsarten an, die eine natürliche Schichtung<br />

haben, und werden dieselben aus Steinbrüchen gewonnen, so hat man es<br />

meistentheils mit lagerhaftem Material zu thun , bei dem es darauf ankommt,<br />

die einzelnen Gesteinsstücke so in die Mauer zu legen, dass in den einzelnen<br />

Schichten ein vollständis-er Fuaenwechsel sich g'eltenc1 macht. Andrerseits<br />

L L U<br />

hat man dafür Sorge zu tragen, dass an den Ecken des Mauerwerks grössere,


Arbeiten des Rohbaues (Mauern). 57<br />

",Yerden 'Y er k 13 t ü c kein der eben beschriebenen Weise bearbeitet, so<br />

entsteht selbstverständlich durch das Bearbeiten mit verschiedenen Instrumenten<br />

ein Verlust, weshalb der rohe Quader aus dem Steinbruche ringsherum mit dem<br />

sogenannten Ar bei t s zoll geliefert werden muss. Soll dieser Verlust auf<br />

ein Minimum beschränkt werden, wie dies bei allen kostbaren Steinarten.<br />

z. B. den Marmoren, wünschenswerth ist, so verwendet man zur Herstellung<br />

der Quadern die Steinsäge, die jedoch auch bei allen andern Gesteinen, namentlich<br />

bei den weichen, sehr vortheilhafte Verwendung findet.<br />

In neuster Zeit tritt bei Herstellung der Quadern statt der Handarbeit<br />

vielfach die M ase hin e n a I' bei tauf.<br />

Bei jedem Quader unterscheidet man das u nt e l' e und das 0 b er e Lag er;<br />

das Hau pt oder die S ti I' n wird die Seite genannt, mit welcher der Quader in<br />

die äussere Ansicht tritt; F u gen fl ä ehe n sind die, welche vertikal stehend<br />

sich gegen· die seitwärts anliegenden Nachbarquadern richten.<br />

Hinsichtlich des Ver b a n des, der bei Mauern aus Werkstücken einzuhalten<br />

wäre, gelten im allgemeinen jene Regeln, die bei den Backsteinverbänden<br />

entwickelt wurden, es möchte aber wohl schwerlich unter unsern Bauverhältnissen<br />

irgend einem Baumeister einfallen, eine sehr starke Mauer einzig und<br />

allein aus regelrecht gearbeiteten Quadern zusammen zu bauen; man begnügt<br />

sich fast ohne Ausnahme damit, die Aus 13 e n fr 0 n t unserer wichtigsten<br />

Bauten in Haustein auszuführen, während der nach Innen liegende Theil der<br />

Mauer in Bruchstein oder auch in Ziegeln hergestellt wird.<br />

Hat man es mit sehr grossen und schweren Quadern zu thun, die schon<br />

durch ihr bedeutendes Eigengewicht eine nahezu unverrückbare Lage gewinnen,<br />

so kommt es hauptsächlich darauf an, die betreffenden Werkstücke aufs genauste<br />

in allen ihren Fugen zu bearbeiten; ist dies geschehen, so kann die<br />

Anwendung von Mörtel ganz entbehrt werden, wie dies überall bei den griechischen<br />

Tempelbauten der Fall war; wendet man aber Mörtel an, so geschieht<br />

dies nicht, um denselben als Bindeglied zu benutzen, sondern nur zur Ausfüllung<br />

der bei der Bearbeitung etwa noch belassenen Unebenheiten.<br />

Verwendet man vYerkstücke, die trotz ihrer eigenen grossen Schwere<br />

doch nicht als absolut sicher liegend betrachtet werden können, so verbindet<br />

man sie gegenseitig entweder durch hölzerne oder metallene D übe I, oder auch<br />

mitte1st Met a 11 k 1a m m e r n , oder durch steinerne Doll e n.<br />

Die Figg. 63, 64 und 65 geben· von<br />

erklärendes Bild.<br />

diesen drei Verbindungsarten ein<br />

Ftg. 63.<br />

Fig. 64. Fig. 65.<br />

Bleibt das Mauerwerk mit seinen "Yerkstiicken vollkommen trocken, so<br />

verwendet man zum Verdübeln wohl harte Hölzer, z, B. Eichenholz, andrerseits


Arbeiten des Rohbaues (l'iIauern). 61<br />

Läufern wechselnden S tr e c k e r greifen 78 cm (3 Stein) tief in die Mauer<br />

ein und haben eine Breite des Hauptes von 38 cm (11/ 2 Stein); die<br />

Hintermauerung in bezug auf die Läuferschichten besteht aus 3 Steinstärken.<br />

in bezug auf die Streckerschichten aus 2 Steinstärken : die Läuferschicht der<br />

Seitenfront , die gleichfalls mit Streckerschichten , wie sie in der Hauptfront<br />

liegen, wechseln , haben die gleiche Länge wie in der Hauptfront und eine<br />

Breite von 38 cm (1 1 / 2 Stein), wodurch die Hintermauerung in der Seitenfront<br />

3 1 / 2 Stein beziehungsweise 2 Stein stark wird; die zweite niedrigere<br />

Quaderschicht besteht dann aus lauter Läufern; nach der Frontseite haben<br />

diese eine Breite von 38 cm (1 1 / 2 Stein), nach der Seitenfront hin sind sie<br />

Gi cm (2 Stein) breit) so dass die Hintermauerung der Hauptfront 3 1 / 2 Stein,<br />

die der Seitenfront 3 Stein in Anspruch nimmt; die Höhe der zweiten Quaderschicht<br />

entspricht dann unter Rücksichtnahme eines korrekten Ziegelverbandes<br />

der Höhe von 3 Steinschichten oder 22,5 cm.<br />

Der Sockel, der ebenfalls nach der Front zu mit Quadern verblendet ist,<br />

wurde mit Bruchsteinen hintermauert angenommen. . Das . ganze Beispiel<br />

eignet sich für eine Debung im Ermitteln der verschiedenen Steinverbände ;<br />

weiters ist zu bemerken, dass Tafel IIr insofern mit Tafel VI in Verbindung<br />

steht, als die dort vorgeführte Rostkonstruktion sich auf die hier gegebenen<br />

Mauern bezieht.<br />

Eine besondere Aufmerksamkeit beim Verkleidungsmauerwerk aus vVerkstücken<br />

ist stets der Ecke zuzuwenden; die Vorschläge, die in dieser Beziehung<br />

gemacht werden, sind in Fig. 73 dargestellt.<br />

Fig. 73.<br />

Den Läufern, welche bei Verblendungen in Hausteinen Anwendung finden,<br />

giebt man wenigstens 2 G bis 30 cm Breite, während die Binder- oder Streckersteine<br />

80 bis 90 cm tief in die Mauer eingreifen.<br />

Dm eine Trennung der Werksteine von deren Hintermauerung zu verhindern,<br />

verwendet man wohl kleine eiserne Zuganker , welche sowohl in die<br />

Backsteinmauer , als auch in die Quadern eingreifen; ein Beispiel, wie solche<br />

Verankerungen angewendet werden, giebt Fig. 74 (S. 62).<br />

Ein weiteres Beispiel von gemischtem Mauerwerk geben Fig. 75, 76, 77 und 78<br />

(S. 62); die zwei ersten Figuren zeigen die Konstruktion, wie sie am Gebäude<br />

der technischen Hochschule in München von v. Neureuther ausgeführt wurde;<br />

hier besteht die Verkleidung für das ganze Souterrain - und Parterregeschoss<br />

aus vorgesetzten Granitquadern. F'ig. 77 und 78 sind dem von demselben<br />

B8-umeister erbauten Akademiegebände entnommen; die Verkleidung besteht<br />

hier aus oberitalienischem rothen und weissen Marmor.


64 1. Maurer- und Steinmetzurbeiten.<br />

Ausbrüche, Quetschungen und die Ablösung der Strebepfeiler von der Umfangsmauer.<br />

wie auch der Theile des Unterbaues, worauf jene ruhen.<br />

"Diejenigen, welche diese Beschädigungen dem Seitendrucke der Gewölbe<br />

zuschreiben, haben nicht bedacht, dass, wenn derselbe mächtig genug wäre, um<br />

die Umfassungsmauer zu zerbrechen nnd überall zu zertheilen, diese nicht einen<br />

Augenblick, bei dem schwachen Zustande, in welchem sie sich befand, dem<br />

nunmehr durch die Trennune des Gewölbes stärker Q:ewordenen Drucke hätte<br />

I::> '-'<br />

widerstehen können. Ich (Rondelet) habe mir durch genane Untersuchung<br />

aller beschädigten Theile die Ueberzeugung verschafft, dass diese Beschädigungen<br />

eine nothwendige Folge des ungleichen Sichsetzens der verschiedenen Konstruktionsarten<br />

gewesen sind, die auch hätten eintreten müssen , wenn bei der<br />

Ausführung noch so sorgsam verfahren worden "wäre. Ein solches Verfahren<br />

darf man niemals auf Mauern und Unterstützungspnnkte anwenden, welche<br />

eine sehr grosse Last zu tragen haben *)."<br />

Nur in seltenen Fällen hat man es im Hochbau mit geböschten Mauern<br />

zu thun, sind aber solche auszuführen, so vermeidet man auch bei diesen die<br />

Anwendung von Quadern mit spitzen "Winkeln und richtet die Fugen so ein,<br />

dass sie 90 0 zu der Aussenseite bilden. Fig. 80 giebt übel' den betreffenden<br />

Fugenschnitt Aufklärung. Ein ähnliches Verfahren wendet man an, wenn<br />

eine Mauer in einer geneigten Ebene aufgeführt wird, wie dies bei Rampen oft<br />

vorkommt; über den dann zu wählenden Fugenschnitt giebt die Fig. 81 Auskunft.<br />

Fig. 82.<br />

Fig. 81.<br />

Bei der Bearbeitung der Quadern hat man wohl, um Arbeit zu ersparen, denselben<br />

die Form einer abgestumpften Pyramide gegeben, deren Grundfläche die<br />

Stirn oder das Haupt der Quader bildet (Fig. 82). Eine solche<br />

Anordnung ist aber durchaus verwerflich, denn es ist augenfällig,<br />

dass solche Quadern nur mit ihren äussersten Kanten dem<br />

auf sie lastenden Drucke zu widerstehen vermögen. Bei Anwendung<br />

von Quadern lässt es sich umgehen, alle U 11 t e rlag<br />

er durchweg, die Stossfugen aber doch wenigstens 9 cm<br />

voll im Winkel I' ein zu bearbeiten. Hat man es jedoch mit<br />

sehr tragfähigen Steinen und verhältnissmässig geringen Lasten<br />

zu thun, so giebt man den horizontalen Quaderschichten nicht<br />

durchgehends rein bearbeitete Unterlager, sondern begnügt sich<br />

rnit Fugen, die auf 20 cm in die Mauer hineinreichen, von<br />

da ab aber gegen das Innere keilförmig sich erweitern und<br />

dann nach demVersetzen mit Portlandeemerit ausgegossen werden.<br />

Häufige Verwendung finden auch unsere in der Natur vorkommenden<br />

Plattengesteine zur Verkleidung von Bruch- uud Backsteinmauerwerk ; man braucht<br />

sie, um den ordinären Mauern ein besseres Ansehen zu geben, oder um sie gegen<br />

*) Ronc1elet, I'art c1e bMir, tom. Ir, p. 312.


66<br />

1. :.',Lturer- und Steinmetzarbeiten.<br />

der einzelnen Quadern voraussetzt, so muss beim Versetzen darauf Bedacht<br />

genommen werden, dass die fertig gearbeiteten Flächen und Kanten keine<br />

Beschädigung erfahren. Prinzipiell müssen RUe Quadern eine voll e, durchaus<br />

eben gearbeitete Lagerfuge erhalten;<br />

um dies kontrolliren zu können, ist<br />

es rathsam, vor 'dem wirklichen Versetzen<br />

der Quadern in Mörtel zu untersuchen,<br />

ob auch die Obere Lagerfiäche<br />

der untern Schicht genau im "Winkel<br />

mit der Stirnfläche zugerichtet ist,<br />

und ebenso, ob die vertikalen oder<br />

geneigten Stossfugen durchaus ebene<br />

Flächen bilden. Zu dieser Kontrolle<br />

werden die Quadern provisorisch auf<br />

ihr Lager gebracht und wird mit Loth<br />

und Setzwaage geprüft, ob sie nach<br />

allen Seiten hin eine korrekte Arbeit<br />

erfahren haben. Hat man 'sich hiervon<br />

Fig. 86,<br />

überzeugt, so kann man zum wirklichen<br />

Versetzen der Quadern übergehen.<br />

Solches vorherige Probesetzen gewährt<br />

den Vortheil, dass sich etwa vorfindende<br />

Ungenauigkeiten in der Bearbeitung<br />

des zu versetzenden Steines<br />

leichter beseitigen lassen,<br />

als dies nachher durch<br />

Anwendung unverhältnissmassig<br />

grosser Mörtelbänder<br />

oder durchU n terk<br />

eil e n geschehen kann.<br />

Nachdem das vVerkstück<br />

vorher gehörig hil1gepasst<br />

und wieder abgehoben<br />

wurde, lässt es sich dann<br />

mit allerSicherheit schnell<br />

und sicher aufsein Mörtellager<br />

absetzen.<br />

Das Versetzen selbst<br />

erfolgt entweder dadurch,<br />

dass das vVerkstück vorsichtig<br />

auf sein Mörtel­<br />

Fig. 87.<br />

lager herübergekantet<br />

wird, oder man bedient<br />

sich eines eigenen Heb ezeuges,<br />

wobei das Werkstück<br />

während des Ausbreitens<br />

des Mörtellagers<br />

in der Schwebe gehaltenwird ; die letztere Methodeist der erstemdurchaus vorzuziehen.<br />

Mag nun das Versetzen in dieser oder jener Art vorgenommen werden,<br />

so ist es als durchaus verwerflich zu bezeichnen, dass beim Versetzen von..<br />

Quadern allenfallsige Unebenheiten im. Lager durch nntergelegte hölzerne oder


68 1. .l\Iaur6l'- und Steinll1etzarbeiten.<br />

c) :M a u e r n aus S t a m P f - und G u s s wer k.<br />

Mauern aus Stampfwerk werden entweder aus nicht zn magerer Erde hergestellt,<br />

oder aus Lehm, oder auch wohl aus Kalk und Sand, und unterscheidet<br />

man dem entsprechend Erd -, L eh m - und KaI k - Pis e.<br />

Die betreffende Erde wird zwischen Holzwänden in .etwa 15 cm hohen<br />

Lagen verbandartig eingestampft und liefert dann -Wände der primitivsten Art,<br />

die hauptsächlich landwirthschaftlichen Zwecken dienen, und dem entsprechend<br />

Gegenstand der landwirthschaftlichen Baukunde geworden sind. Zum Lehmpise<br />

verwendet man wohl 4- Theile Lehm, 1 Theil Sand und 1 Theil Kies<br />

oder 2 Theile Lehm und 1 Theil Sand, 2 T heile Gartenerde ; Kalkpise stellt<br />

man her nach Art eines sehr mageren Luftmärtels , indem man 1 Theil Kalk<br />

mit 10Theilen Sand vermengt,<br />

Das Spezielle dieser Bauart ist in Fr. EngeFs "Der Kalk- und Sandpisebau"<br />

näher und eingehender beschrieben, und wird hier auf dies sehr fleissig<br />

bearbeitete Schriftehen hingewiesen.<br />

Seitdem die Fabrikation der Cemente eine allgemeine geworden ist, hat<br />

man sich in neuester Zeit wieder mehr und mehr' dem Gussmauerwerkezugewendet,<br />

und stellt dasselbe aus Grobmärtel, Beton oder Konkret her, wie dies<br />

auf Seite 17 besprochen ist.<br />

Mit dieser Bauart, die sich mehr<br />

überraschendsten Resultate nachweisen<br />

Aschenstampfbau verwandt.<br />

Fig. 89.<br />

und mehr einbürgert und vielfach die<br />

kann, ist auch der C end r i n oder<br />

Bei der praktischen Ausführung von Stampf-und Gussmauern werden<br />

noch gegenwärtig hölzerne Bretterformen , wie sie Gilly beschrieben hat, mit<br />

gar keinen oder nur geringen Modifikationen verwendet; sicherer ist es, wenn<br />

auch etwas kostspieliger, den betreffenden Grundriss eines Mauerkomplexes<br />

durch Bretter und Riegel kastenartig zu umbauen; man erhält dann eine konstante<br />

Form,. in welcher dem Gusswerke<br />

vollkommen Zeit gelassen werden kann, um<br />

eine entsprechende Härte vor dem Ausschaalen<br />

anzunehmen. Die nebenstehende<br />

Fig. 89 stellt ein Mauerwerk mit Fensteranschlägen<br />

dar; dasselbe ist mit Brettern und<br />

Riegeln kastenartig umbaut, und lässt sich<br />

somit olme Schwierigkeit mit der vorbereiteten<br />

Betonmasse füllen, wobei entweder<br />

" G u s s oder P a c k u n g" angewendet<br />

wird (siehe S. 18).<br />

. In England , wo vielstöckige Häuser<br />

aus' Konkretmasse hergestellt werden, verwendet<br />

man Formkästen , die mit ihrem<br />

ganzen Zubehör aus Eisen konstruirt sind.<br />

Die eisernen Formplatten befinden sich an<br />

vertikal aufgestellten Eisenstangen ; sie<br />

können an denselben auf- und nieder­<br />

platten vorhanden, für die<br />

letztere mit den Formplatten<br />

geschoben werden und sind mit Schrauben<br />

feststellbar. Für die am Gebäude vorkommenden<br />

Ecken sind eigene 'Winkel­<br />

Fen::tc' und 'I'hüren gleichfalls,' und lassen sich<br />

der :e.1uptmau8rn fest und genau verbinden.


Arbeiten des Rohbaues (Mauern). 69<br />

Die vertikal stehenden Ei.senständer lassen sich bei mehrstöckigen Gebäuden<br />

etagenweise erhöhen; ausserdcm besitzen sie konsolartige Ansätze, die zur<br />

Anbringung eines soliden Gerüstes benützt werden, sodass jedes anderweitige<br />

Gerüst in Wegfall kommt.<br />

Die Benutzung solcher eiserner Gerüste mit verschiebbaren Platten gestattet<br />

ein durchaus präzises und schnelles Bauen; sind die Formplatten auf ihrer<br />

innern Seite glasirt - was sehr zu empfehlen·ist-, so liefern sie eine durchaus<br />

glatte Wandfläche, die eines weitern Verputzens nicht bedarf.<br />

Nachdem ein so grosser Fortschritt bei Herstellung des Gussmauerwerks<br />

feststeht, möchte die bisherige Verwendung von Holzformkästen wohl mehr<br />

und mehr in den Hintergrund treten, um so mehr, als dieselbe viele Unzulänglichkeiten<br />

im Gefolge hat. So ist es nicht zu vermeiden, dass die Bretter, die Pfosten und<br />

Spannhölzer bei dem nassen Material sich stets werfen und dann so ausserordentlich<br />

leiden, dass sie meistentheils nur einmal mit Vortheil verwendet werden können.<br />

Die Herstellung. selbst der höchsten Privatbauten mittelst eiserner Formgerüste<br />

hat sich in England vollkommen bewährt.<br />

Da, wo Gyps in grossen Massen vorhanden ist - wie am Harz -.-, hat<br />

man zur Herstellung von Mauerwerk auch 'den Gypsbeton oder Annalith verwendet.<br />

(Näheres hierüber Gottgetreu, Baumaterialien, Band 11.)<br />

Die staunenswertheste Leistungsfähigkeit des Grobmörtelmauerwerkes hat sich<br />

beim Bau eines Wohnhauses in Holzminden ergeben, dessen Länge 16,30 m, dessen<br />

Tiefe 15,80 m und dessen Höhe von der Oberkante der Kellersohle bis zur<br />

Plattform 15 m. beträgt.<br />

Ein durchaus zuverlässiger Bericht über diesen merkwürdigen Bau theilt<br />

Folgendes mit:<br />

"Alle Konstruktionen dieses umfangreichen Gebäudes sind aus Grobmörtel<br />

hergestellt, und zwar die Aussenmauern 30 cm, die Hauptscheidemauern .25 cm,<br />

die übrigen Scheidemauern 20 cm stark. Im Kellergeschoss haben sämmtliche<br />

Mauern 10 cm Verstärkung erhalten. Das Hauptdach des gruppirten Gebäudes<br />

hat Gewölbeform und ist dessen Gewölbeträger am Fusse 30 cm, in mitten<br />

20 bis 25 cm und im Scheitel 10 bis 12 cm stark. Die Dachrinnen,massiv<br />

aus Grobmörtel , sind durch Erhöhung von Mansardewänden gebildet. Die<br />

Dächer über die vorspringenden Mittelbauten sind im Innern spitzbogig gestaltet<br />

und nur am Fusse bis auf 30 cm Höhe mit horizontalen, dann mit<br />

ra-dialen Fugen hergestellt; inmitten sind sie 12 cm stark.<br />

Zu den Mauern und Dächern sind ausser Cement im Verhältniss von<br />

1 : 7 bezw. 1 : 6 und 1 : 4 Sand und Kies und aussetdem Konglomeratsteine<br />

als Packung verwendet. Die innern Decken und Treppen bestehen aus Cement,<br />

Steinkohlenschlacke und Sand; ihre Stärke beträgt am 'Widerlager 15 bis 18 cm,<br />

im Scheitel 10 bis 12 cm, Auf 1 Theil Cernent sind 4 Theile Schlacke und<br />

2 'I'heile Sand genommen worden. Zu den Decken hat man die verschiedensten<br />

Formen benutzt, z. B. preussische, böhmische und Kreuzkappen. Bei den grossen<br />

Räumen von über 3 m Tiefe dienen Eisenträger zur Verminderung der Spannweiten,<br />

und sind dieselben an den Ecken verankert. Die böhmischen Kappen<br />

über den im Centrum gelegenen Vorplätzen sind jedoch bei 4,30 uncl5,20 m<br />

Weite in drei Geschossen übereinander ohne Eisenträger ausgeführt, da sie in<br />

elen anliegenden Mauern und Gewölben ihr Widerlager finden. Die Aussenmauern<br />

sind verankert, ebenso auch einzelne Innenmauern. Zur Ausführung<br />

derselben ist, soweit sie über dem Boden .liegen,ein stellbarer Holzapparat<br />

benutzt; die Fundament- und Kellermauern sind dagegen ir. Erdgl'äben und die<br />

Keller erst später nach der Erhärtung der Mauem durch Ausschachten her-


1. Maurer- und Steinmetzzrbeiten.<br />

ist; weitaus besser ist es, bei der betreffenden Feuerung die Feuerungsthür<br />

hermetisch schlussfest einzurichten.<br />

Fig. 92.<br />

Fig. 93. Fig. 94.<br />

Die Reinigung aller steigbaren Röhren erfolgt durch den Schornsteinfeger,<br />

wecher in ihnen aufsteigend den sich bildenden Glanz- und Staubruss entfernt;<br />

Glanzruss muss, da er feste Krusten bildet, mit einem Scharreisen beseitigt<br />

werden; in die Rauchröhren tretende Dämpfe, besonders solche, die aus Küchen<br />

herstammen, begünstigen die Glanzrussbildung ; in erhöhtem Grade ist dies der Fall<br />

durch zu starke Abkühlung der Verbrennungsgase, die sich tropfbar flüssig an die<br />

Wandung niederschlagen und unvollkommen verbranntenStaubrussin sich aufnehmen.<br />

Steigbare Schornsteinröhren in Wohngebäuden gehören gegenwärtig zu den<br />

äussersten Seltenheiten, sie sind nach und nach - und auch mit Recht 'verdrängt<br />

worden durch die sogenanntep ru s si s c h e n , engen Rauchröhren.<br />

Solchen Rauchableitungen giebt man I' und e n , qua d r a t i s c h e n oder auch<br />

o b I 0 n gen Querschnitt; im erstem Fall genügt ein Durchmesser von 15 cm<br />

als Minimum, einer von 30 cm als Maximum, was einem Querschnitte von<br />

177 bis 700 Dcm entspricht; in der Regel möchte für unsere (selbst bei hohen<br />

Wohngebäuden) vorkommenden Verhältnisse eine lichte vVeite von 18 bis 19 cm<br />

genügen, nur in Ausnahmsfällen wäre das Mass von 25 cm anzuwenden.<br />

Runde Röhren sind im Prinzip für die bessere Ableitung des Rauches<br />

empfehlenswerther als Röhren mit quadratischem Querschnitt; letztere sind<br />

jedoch solider im Mauerwerk auszuführen, da die Herstellung der runden Röhren<br />

mit Hülfe eines aus Holz hergestellten Cylinders vielfach das Verhauen der<br />

Ziegel nöth!g macht und unverhältnissmässig viel MÖl'tel in Anspruch nimmt.


Arbeiten des Rohbaues (RauChl'ö\l'Em). 73<br />

Oblonge Querschnittformen ergeben sich bei Amvendung des neuen deutschen<br />

Ziegelmasses, wenn die Rauchleitungsröhren in einer Mauer von 1 1/'2 Stein so<br />

liegen sollen, dass nach keiner Seite ein Vorsprung<br />

sichtbar wird; solche Röhren erhalten dann einen Querschnitt<br />

von 12 auf 25 cm, wie dies die nebenstehende<br />

Fig. 95 angiebt, sind aber eben ihrer langgestreckten<br />

Form wegen für einen regulären Rauchabzug am Fig. 95.<br />

ungünstigsten.<br />

Die russischen Röhren erhalten 1/2 Stein starke Wangen resp. Zungen.<br />

Befinden sich die russischen Röhren in verschieden starken Mauern, so müssen sie<br />

so gut wie möglich in den Verband derselben eingepasst werden; die hier folgenden<br />

Figg. 96 und 97 geben hiervon bei 1 und 1 3 /<br />

4 Stein starken Mauern Aufschluss.<br />

Fig. 96. Fig.97.<br />

V ortheilhaft wird es stets sein, für die russischen Röhren solche Stellen im<br />

Mauerwerk zu wählen, die durch Versetzen der Mauern die entsprechenden Stärken<br />

erhalten können, ohne dass vorspringende Mauerkörper nötbig werden. (.Fig. 98.)<br />

Treten die russischen Röhren frei aus der Mauer hervor, so giebt man<br />

denselben den schon vorher erwähnten Schornsteinverband ; das neue deutsche<br />

Ziegelmass macht besonders die nachfolgenden Querschnittformen mit 18 bis<br />

19 cm im Quadrat empfehlenswerth. Die .Figg. 99, 100, 101, 102 (S. 74)<br />

geben die betreffenden Verbände.<br />

Auch das lichte Mass von 25 cm im Quadrat lässt sich vortheilhaft für<br />

russische Röhren mit dem neuen Steinformat zur Ausführung bringen und dienen<br />

.die Figg. 103, 104 und 105 (8. 74) dazu, dies nachzuweisen..<br />

Oblonge russische Röhren verbandrecht auszuführen. zeigt die Fig. 95,


Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 75<br />

Anlage der Oefen, dass auch diese Röhren bald nach dieser, bald nach jener<br />

Seite hin gezogen oder geschleift werden müssen. Ein Beispiel solcher Anlage<br />

giebt die Tafel VII in den Figuren 2 und 3.<br />

In den russischen Rauchröhren bildet sich in den meisten Fällen nur<br />

Staubruss, der mit einer eigens konstruirten Bürstenvorrichtung beseitigt wird;<br />

die Bildung von Glanzruss ist jedoch unter gewissen Umstünden nicht ausgeschlossen,<br />

und dann müssen die Röhren mit Vorsicht und unter Aufsicht der<br />

Schornsteinfeger ausgebrannt werden. Die russischen Röhren erhalten an ihrem<br />

tiefsten Punkte und nahezu an ihrer Ausmündung Putzthürchen, welche soviel<br />

wie möglich luftdicht schliessen müssen.<br />

Da sich in russischen Schornsteinröhren, welche Küchenherden angehören,<br />

häufig Glanzruss bildet, so ist es angezeigt, hier Dampfableitungsröhren anzuordnen.<br />

Das Spezielle über Schornsteinröhren findet weitere Erläuterung bei dem<br />

Kapitel Heizung und Ventilation.<br />

Bö g e n,<br />

Werdon in den massiven Mauern Oeffnungen nothwendig - was sehr<br />

vielfach der Fall ist -, so muss deren obere Begrenzung, welche S tu I' z oder<br />

B og e n genannt wird, eine eigene Konstruktion erhalten;' haben solche<br />

Bögen clie Funktion, mehrere sonst durch Mauern getrennte Räume mit<br />

einander in unmittelbare Verbindung zu bringen, so nennt man sie<br />

- allerdings nur im weitem Sinne - W an d b ö gen; sie sind, bei sehr<br />

bedeutenden Spannweiten, oft sehr stark belastet und müssen daher besonders<br />

sorgfältig ausgeführt werden; andere Bögen dienen dazu, den Fenstern und<br />

Thüren, welche in massiven Wänden angelegt sind, ihre obere Begrenzung zu<br />

geben, und vncnnt man diese Bögen wohl Fenster- und Thürstürze. Sieht man<br />

sich veranlasst, Bögen in Mauern anzuordnen, die einzig und allein tragende<br />

resp. entlastende Funktion haben, so nennt man solche Bögen E n t 1a s t u n g sb<br />

ö gen. Durchbrechen Bögen nicht die ganze Tiefe der Mauer, so entstehen<br />

die Ni s ehe n - oder BI end b ö gen, die hauptsächlich den dekorativen<br />

Zwecken dienen; andererseits ordnet man sie auch wohl, z. B. in Kellern, an, um<br />

Material zu ersparen und Raum zu gewinnen. Auch zur Vertheilung des<br />

Drucks, welchen das Mauerwerk auf seinen Untergrund äussert , ordnet man<br />

häufig Bögen an,'· welche als umgekehrte GI' un d - oder Erd bö gen bei<br />

Fundationen in grossem Masse Verwendung finden.<br />

Kleine Ooffnungcn in Mauern von Stein können wohl mit einem einzigen<br />

Steinstück überdeckt werden, bei grösseren Bögen muss man aber, besonders<br />

wenn sie belastet sind, zu einer regelrechten Bogenkonstruktion schreiten, wobei<br />

prinzipiell k eil f ö I' m i geSteine so aneinander gereiht werden , dass sie sich<br />

gegenseitig vollkommen im Gleichgewichte erhalten. Eine solche B 0 ge nk<br />

0 n s tr u k t i o n , die sehr verschieden in ihrer Form sowohl, als in ihren<br />

Abmessungen sein kann, nennt man W öl b u n g. Eine solche Wölbung in<br />

Halbkreisform ist in Fig. 108 (S. 76) dargestellt.<br />

Die Fläche, mit der eine Bogenwölbung in gleicher Ebene mit der Front<br />

der Mauer liegt, und die von der Bogenlinie a cfe cl b begrenzt ist, heisst die<br />

Stil' n oder das Hau Pt des Bogens; die innere Fläche, von welcher in der<br />

Figur das Stück b cl he g sichtbar ist , nennt man die in n e I' e Lei b u n g ,<br />

die äussere Fläche, von der das Stück c kif sichtbar ist, die ä 11 S se I' e<br />

Lei b u 11 g. Die Entfernung von b nach e ist die Spa 11n w e i t e oder die<br />

S p r e n g U Tl g des Bogens) die Entfernung von l nach cl die P fe i 1- oder


Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 79<br />

richtige Fugenanordnung zu treffen, ist höchst einfach, indem hierzu der Centralpunkt<br />

des betreffenden Kreissegmentes gewählt wird; je nachdem der Halbmesser<br />

dieses Kreises gross oder klein ist, erhält man Segmentbögen, die einerseits<br />

dem scheitrechten Bogen, andererseits dem halbkreisförmigen Bogen sich<br />

nähern. Einen Segmentbogen, dessen Radius gleich der Spannweite der Bogenöffnung<br />

ist, nennt man wohl einen Kr e u z bog e n, und stellt Fig. 118 einen<br />

solchen dar.<br />

Fig. 118.<br />

Ueber die Anordnunz der Fuo"en<br />

o 0<br />

bei halbkreisförmigen Bögen kann im<br />

allgemeinen kein Zweifel bestehen,<br />

weder bei Anwendung vonBacksteinen,<br />

noch bei Anwenclung von vVerkstücken;<br />

alle Wölbfugen laufen in<br />

dem Mittelpunkte des Halbkreises zusammen.<br />

Bei Anwendung von Quadermauerwerk<br />

wird es aber oft wünschenswerth,<br />

die einzelnen Bogensteine<br />

in die Hintermauerung so eingreifen<br />

zu lassen, dass womöglich nur rechtwinklige<br />

Quadern verwendet werden;<br />

hierbei tritt dann der U ebelstand ein,<br />

dass, wenn man - wie dies die Fig.119<br />

zeigt - die horizontalen Quaderschichten<br />

gleich hoch macht, die einzelnen<br />

Bogensteine .ungleich grass<br />

werden; giebt man aber den Bogensteinen<br />

(Fig. 120) gleiche Grösse,<br />

so müssen die horizontalen Quadern<br />

ungleiche Theilung erhalten.<br />

Um diesen Konflikt zu lösen,<br />

theilt man die Bogensteine an der<br />

innern Leibung in gleiche Theile<br />

und verlängert die Centtalfugen so<br />

weit, bis sie die Lagerfugen der gleich<br />

hohen Mauerquadern schneiden, hierdurch<br />

entsteht ein Bogen (Fig. 121)<br />

mit ungleich grossen Centralfugen<br />

und zwar mit wachsender Tendenz<br />

aezen den Schlussstein.<br />

-r-<br />

I<br />

Fig. 119.<br />

Fig". 120.<br />

Fig. 121.<br />

__.L.


konzentrische Kreise aus dem Mittelpunkt c<br />

Kurvenpunkt zu erhalten, einen Durchmesser,<br />

den Punkten e l und eil, schneidet.<br />

Zeichnet man nun über e l eil ein rechtwinkliges<br />

Dreieck, dessen Seiten den<br />

Axen parallel sind: so liegt im Schnitt<br />

der Katheten der gesuchte Kurvenpunkt.<br />

Hat man sich auf diese Art eine<br />

Anzahl Punkte der Ellipse verschafft,<br />

so erhält man die Mittelpunkte der sie<br />

verbindenden Kreisstücke dadurch: dass<br />

man entweder nach Fig. 133 die<br />

Sehnen a e, ee, e l eil ... senkrecht<br />

halbirt und die Schnitte f, f', r ... je<br />

zweier benachbarter Halbirungsperpendikel<br />

sucht, oder indem man nach<br />

Fig. 134 in den einzelnen Punkten<br />

der Kurve die Normalen eI, e l fl etc.<br />

Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 85<br />

und zieht: um einen beliebigen<br />

der die beiden Kreise, z. B. in<br />

Fig. 134.<br />

Fig. 133,<br />

errichtet, deren Schnitte f, fl, t" ... ebenfalls die Krümmungsmittelpunkte des<br />

Bogens geben. Die Normale erhält man bei dieser Konstruktion für irgend einen<br />

Punkt g dadurch, dass<br />

man mit dem Radius<br />

gleich der halben grossen<br />

plus halben kleinen Axe<br />

aus dem Mittelpunkt c<br />

einen Kreis beschreibt,<br />

und den Schnitt h dieses<br />

Kreises mit dem Durchmesser<br />

Cgl (der zur K9 nstruktion<br />

des Punktesg<br />

benutzt wurde) bestimmt;<br />

es ist dann hg die Riebtung<br />

der Normalen im<br />

Punkte g.<br />

Bei dem in Fig. 133<br />

gezeichneten Fall liegt im<br />

allgemeinen der Mittel­<br />

punkt f des Stückes der<br />

Kurve am Widerlager<br />

ausserhalb der Linie a c , und es hat dann in einem solchen Fall der Korbbogen<br />

in a und b keine vertikale Tangente. Es ist jedoch diese Abweichung<br />

für alle Fälle sehr gering. Sollte in einem bestimmten Fall die Bedingung,<br />

dass der Mittelpunkt f in ac liegen .solle , aufrecht erhalten werden, so dürfte<br />

man nur nach Fig. 130 (S. 84) zwischenaund f auf a c einen Punkt annehmen,<br />

aus ihm das erste Bogenstück ziehen und die neue Lage des Mittelpunktes<br />

f nach der dort angegebenen Methode bestimmen.<br />

Ueberhöhte Bögen.<br />

Bei denselben ist die PfeiD-öhe grösser als die halbe Spannweite; . die<br />

Kurve, welche den überhöhten Be'gen bildet, ist eine Ellipse, deren kleine Axe


96 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

Werden in vielstäckigen Gebäuden im Keller- oder Parterregeschoss sehr<br />

starke Mauern nothwendiz, so ordnet man. wohl um Raum und Material zu<br />

b, '<br />

ersparen, sogenannte Blendbögen an; solche Blendbögen werden ferner angewendet,<br />

um Mauerflächen durch Anordnung von Bogenstellungen architektonisch<br />

zu zergliedern; sie finden häufig Platz in Vestibülen, Treppenhäusern etc, und<br />

sind dann stilentsprechend auszubilden.<br />

G run d b ö gen oder um g e k ehr t e Bö gen sind bereits bei den Fundationen<br />

besprochen worden, und wird deshalb auf die Figg. 6 und 7 verwiesen.<br />

)Vas die Stärke der Wandbögen anbetrifft, so kann die Bestimmung einer<br />

solchen, trotz der unendlich verschiedenen Verhältnisse, die hier obwalten<br />

können, ermittelt werden und verweisen wir in dieser Beziehung auf das betreffende<br />

Kapitel; im allgemeinen aber lehrt die Erfahrung, dass den Bögen,<br />

welche in den Umfassungs - und Mittelmauern 2 und 3 .Stockwerk hoher<br />

Häuser vorkommen, die folgenden Bogenstärken gegeben werden:<br />

bei einer Spannweite<br />

"<br />

"<br />

Stärke der Bögen im Scheitel<br />

halbkreisförmig:<br />

überhöht:<br />

gedrückt bis zu<br />

1/8 Pfeilhöhe:<br />

bis nahezu 1,75 m 1 Stein 112 Stein 1 1 / 2 Stein<br />

von 2 bis 3 m 1 1 / 2 " 1 " 1 1 /2 bis 2 "<br />

" 3,5 " 5,75m 2" 1 1 / 2 " 2 bis 2 1 / 2 "<br />

" 6 ,,8,5 m 2 1 / 2 " 1 1 / 2 bis 2" 2 1 / 2 bis 3 "<br />

Bögen, welche eine noch grössere Spannweite besitzen, giebt man 1/ 12<br />

bis 1/15 ihrer Spannweite zur Stärke.<br />

Die Stärke der Widerlager lässt sich gleichfalls für jeden einzelnen Fall<br />

theoretisch ermitteln, und muss diese so gross sein, dass sie dem Seitenschube<br />

des Bogens nicht allein widersteht, sondern ausserdem noch einen bedeutenden<br />

Ueberschuss besitzt, um möglicher Weise bei späteren Umgestaltungen, z, B. Erhöhungen,<br />

auf keine Hindernisse zu stossen.<br />

Erfahrungsgemäss giebt man<br />

den Widerlagern von Rundbögen 1/4 ihrer Spannweite,<br />

" "überhöhten oder Spitzbögen 1/5 bis 1/6 ihrer Spannw.,<br />

Pfeilhöhe 1/4 bis 1/3 ihrer Spannw.,<br />

" "gedrückten bis zu 1/8<br />

"<br />

"<br />

"Segmentbögen bis 1/12 Pfeilhöhe 1/ 2 ihrer Spannw.,<br />

'1 scheitrechten Bögen 2/3 ihrer Spannw.<br />

Eine starke Belastung der Widerlager von. oben, ebenso ein gegen das<br />

Widerlager geführter Seitendruck kann unter Umständen zur bedeutenden Einschränkung<br />

dieser eben gegebenen Masse hinleiten ; aus diesem Grunde kann<br />

das gemeinschaftliche Widerlager zweier nur durch einen schwachen Pfeiler<br />

getrennten Bögen sehr verschwächt sein, da der hier sich geltend machende<br />

Schub sich gegenseitig vollständig aufhebt; in dem eben vorgeführten Falle<br />

lässt man wohl zur Verstärkung des Widerlagers den Bogen nicht mit der<br />

Kämpferschichte beginnen, sondern bildet einen Theil des Bogens durch<br />

U e b er kr a gun g. Solche Anordnung bei Rund- und Segmentbögen geben<br />

unter Rücksichtnahme auf Backstein- und Hausteinkonstruktionen die Figg. 160<br />

und 161 (S. 97).<br />

Schreitet man zur p r akt i s c h e n Aus f ü h r U n g d e r W a n d b ö gen,<br />

so bedient man sich, je nach der Grässe ihrer Spannweiten, hölzerner Rüstungen,<br />

welche entweder als 'Y ö<br />

zu konstruiren sind.<br />

1b s ehe i b e 11, L ehr b iJgen oder L ehrger i.i s t e


Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 97<br />

Die W öl b s c he i ben, nur für Bögen von Spannweiten bis zu 3 m<br />

verwendbar, bestehen in der Regel aus einzelnen, nach einer Bogenlinie<br />

Fig. 160.<br />

Fig. 162.<br />

Fig. 161.<br />

zugeschnittenen Brettern, welche durch darüber genagelte Leisten ihren Halt<br />

bekommen; zur Unterstützung dienen Bohlstücke und' Riegelhölzer , während<br />

für die innere Leibung des Bogens eine Schalung aus Brett- oder Lattstücken<br />

hergestellt werden muss; die<br />

vertikalen Stützen der 'Wölbscheibe<br />

werden durch einen<br />

Spannriegel auseinander gehalten;<br />

in Fig. 162 sind beirrzwei<br />

übereinander greifende Keile<br />

angebracht, die vor dem vVegnehmen<br />

der Bogenrüstung es<br />

gestatten, dieselbe etwas zu<br />

"lüften".<br />

Bei grösseren Spannweiten<br />

werden L ehr b ö gen meistens<br />

aus doppelten Brettlagen nach<br />

Art der Bohienbögen hergestellt; befindet sich der Bogen in einer sehr starken<br />

Mauer, so dass mehrere Lehrbögen nebeneinander aufgestellt werden müssen,<br />

so wird zu ihrer gemeinsamen Unterstützung ein sogenanntes Rahmstück Cl Fig. 163<br />

Fis:. 163.


Arbeiten des Rohbaues (Gesimse). 101<br />

willkürliche Formen in eich aufgenommen hat.<br />

erfuhren, im Gegensatze zu der rein griechischen<br />

viel derbere Bildung, und häuften<br />

sich unter Hinzuziehung VOll reich<br />

c1ekorirten Konsolen und Zahnschnitten<br />

zu einer Gesammtgliederung,<br />

die in bezug auf formalen Reichthum<br />

nicht wohl mehr übertroffen werden<br />

konnte, ohne dabei dem Barock­<br />

Uebertriebenen zu verfallen. Charakteristisch<br />

bei fast allen korinthischen<br />

Hauptgesimsen ist der reiche Rosettenschmuck,<br />

den die untere Geisonplatte<br />

stets in quadratischen stark vertieften<br />

Füllungen aufnimmt, sowie die reiche<br />

Skulptirung fast aller vorhandenen<br />

Glieder, wobei, wie dies an dem ge-,<br />

gebenen Beispiele der Fall ist, selbst<br />

die Hängeplatte nichtausgeschlossenist.<br />

VVurde bei den Griechen bei<br />

jeder Formenbildung die feinste Rücksicht<br />

auf die Funktion eines jeden<br />

Baugliedes gewissenhaft im Auge<br />

Die einzelnen Gliederungen<br />

einfachen Gefübls"veise. eine<br />

I<br />

Fig. 167.<br />

behalten, so war es den Römern mehr auf die Erzielung eines äussern Effektes<br />

zu thun, eine Richtung, der sich vielfach die spätere und auch die Jetztzeit<br />

(oft auf die rücksichtsloseste Weise) in die Arme geworfen hat. Immerhin<br />

aber erhielt sich die hochtormale Bedeutung der dorischen, jonischen und<br />

korinthischen Hauptgesimse für unsere Zeit ungeschwächt und möchten diese<br />

Formen für alle Zeiten als mustergiltige zu betrachten sein; dabei dürfen wir<br />

freilich doch nie vergessen, dass alle diese Hauptgesimse ihre Entstehung dem<br />

Quaderbau, meistentheils dem edlen Marmor zu verdanken hatten, und dadurch<br />

einen Aufwand von Material und Arbeit erforderten, würdig den höchsten<br />

idealen Zwecken, wie beispielsweise dem Tempelbau, gerecht zu werden, unsern<br />

Verhältnissen jedoch kaum entsprechen möchten.<br />

Halten wir dennoch an diesen Formen fest, so lässt sich dies prinzipiell<br />

nur dann gut heissen, wenn einerseits das zur Verfügung stehende Material<br />

dies gestattet, andererseits das mit dem Hauptgesimse zn krönende Bauwerk<br />

Mauerstärken besitzt, welche die weit auskragenden schwerwuchtigen Steinmassen<br />

mit Sicherheit zu tragen vermögen.<br />

Das Streben, eine mächtige, nie dagewesene Wirkung durch ein krönendes<br />

Hauptgesims zu erzielen, hat in den ersten Epochen der Renaissancezeit zu<br />

ganz ausserordentlichen konstruktiven. Anstrengungen beim Bau des Palazzo<br />

Strozzi geführt. Dieses mächtige, durch seine schönen Verhältnisse imponirende<br />

Bauwerk wurde von Benedetto Majano 1489 erbaut, das Hauptgesims aber<br />

nach dem Plane des Simone Palajuolo ausgeführt.<br />

Fig. 168 (S. 102) giebt eine Zeichnung davon; dieses einzig in seiner<br />

Art" 2,245 m ausladende Gesims ist in allen seinen Theilen ans italienischem<br />

Marmor herausgearbeitet; die reich gegliederten, dekorirten Konsolen bestehen<br />

aus einem nahezu 0,90 m langen, 0,25m hohen und 0,65 m breiten Quaderstück<br />

und unterstützen kräftig das weit ausladende Geison nebst Sima,


104 I. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

nur als Blasphemie im wahrsten Sinne des 1Vortes bezeichnet werden, und<br />

ist zu bekämpfen!<br />

Bei freistehenden Gebäuden, bei welchen aus Holz konstruirte Gesimse<br />

nicht mit feuersicherem Material verkleidet werden müssen, werden oft die<br />

Hauptgesimse in der reichsten Ausbildung der korinthischen Ordnung ganz aus<br />

Holz ausgeführt; die Hängeplatte erhält dann wohl vertiefte Kassettenfelder.<br />

in welchen Rosetten von Gyps ihren Platz finden, oder es wird wohl auch<br />

das ganze durch Holzvertäfelung gewonnene Gesims polyehremisch dekorirr.<br />

Ein solches, die Steinkonstruktion freilich<br />

nur imitirendes Hauptgesims giebt die Fig.l 72.<br />

Stehen beim Baue von VVohngebäuden<br />

dem Baumeister keine grässern Hausteinquadern<br />

zur Verfügung, und ist er nur auf die Verwendung<br />

von Backsteinen und auf den Backsteinrohbau<br />

angewiesen, so wäre wohl prinzipiell<br />

die eigentliche traditionell-antike Form<br />

bei Bildung der Hauptgesimse auszuschliessen,<br />

da bei Verwendung von Ziegeln von vorn<br />

herein weit ausladende Hängeplatten unzuträglich<br />

sind, auch dann noch, wenn eigene<br />

grässere Gesimssteine dem Konstrukteur zur<br />

Verfügung stehen; konstruktive Schwierigkeiten<br />

möchten bei Herstellung sämmtlicher Gesimse<br />

Fig. 172. im Ziegelrohbau sich niemals ergeben, dagegen<br />

liegt das Schwergewicht für diese Gesimse<br />

in dem Erstreben schöner dekorativer Effekte durch U eberkragnng, Vor- und<br />

Rücksprünge, Gruppirungen, Verwendung von verschiedenfarbigen Steinen etc. etc.<br />

und ist ja in dieser Beziehung sowohl in der Zeit des Mittelalters, als auch<br />

in der unseren Vieles geschehen, was darauf hinweist, dass das Formal-Schöne<br />

des Ziegelrohbaues sich recht wohl kultiviren lässt *).<br />

Sollen weit ausladende aus Backsteinen gemauerte Gesimse aber verputzt<br />

werden, wie dies in äusserst vielen Fällen gefordert wird, so ist man genäthigt,<br />

zu Eisenkonstruktionen seine Zuflucht zu nehmen; bisher bediente man sich eines<br />

aus Bandeisen konstruirten Rostes, der, in der Unterfläche der Hängeplatte<br />

liegend, den Backsteinen ein sicheres Auflager gewährte; den Haupthalt erhielt<br />

dieser Eisenrost wohl an den Balkenköpfen oder andern Holztheileu, an die er<br />

durch Nagelung befestigt wurde! Solche Konstruktionen oft sehr komplizirter<br />

Art sind vielfach ausgeführt und empfohlen worden und machen sich auch<br />

heute noch in vielen Handbüchern breit; wir halten sie für durchaus verwerflich,<br />

und gehen deshalb nicht spezieller darauf ein. .<br />

Jedenfalls möchte der Zweck, eine weit ausladende Hängeplatte durch Ziegelmauerwerk<br />

herzustellen, sich weit leichter und einfacher erreichen lassen durch Anwendung<br />

gezogener eiserner .L Träger, wie dies Fig. 173 (S. 105) näher darstellt.<br />

Hierbei leisten die im Profil mit ab, in der Ansicht mit ce c bezeichneten<br />

ganz leichten, durch die ganze Mauerstärke hindurch greifenden .L Schienen<br />

einen vorzüglichen Dienst,indem man sie wohl auf die Läuferlänge der zur<br />

Disposition stehenden Steine von einander entfernt legt; das übrige Gesims<br />

wird dann mit Hülfe von Streckerschichten , Dachplatten - und Rollschichten,<br />

. *) In dieser Beziehung wird auf das vorzügliche Werk: Der Backsteinrohbau in<br />

semem ganzen Umfange, von A. F. Fleischirger und A. VV. Becker, Berlin, bei Ernst<br />

&, Korn, verwiesen. '


Arbeiten des Rohbaues (Gesimse). 107<br />

Bei 8,11en Hauptgesimsen , ob aus Stein, oder Holz gebildet, hat man<br />

eine besondere Aufmerksamkeit der Ableitung des Regen- und Schneewassers<br />

zuzuwenden. Werden die sogenannten<br />

Dachrinnen aus Blech<br />

hergestellt, was ja meistentheils<br />

der Fall ist, .so müssen die<br />

selben allenfallsiger Reparaturen<br />

wegen leicht herausgehoben und<br />

wieder an ihre Stelle gebracht<br />

werden können. Die Dachrinnen<br />

aber mit andern Bautheilen so<br />

zu verbinden, dass sie nicht<br />

für sich ablösbar sind, hat stets<br />

etwas Bedenkliches und ist<br />

durchaus zu vermeiden.<br />

Eine sehr geeignete Lage<br />

für die Dachrinnen ist die oberhalb<br />

der Hauptgesimse, wo sie<br />

vielfach dem Auge des Beschauers<br />

durch ihr Zurückliegen<br />

.sich entziehen oder auch durch<br />

verschiedene Mittel maskirt wer-<br />

.. den können. Hierdurch geräth<br />

man aber möglicher Weise in<br />

Konflikt mit den meisten baupolizeilichen<br />

Vorschriften, nach<br />

welchen auf die Strasse hin<br />

kein Traufwasser abfallen darf;<br />

und bleibt in solchen Fällen<br />

nichts Anderes, übrig, als zu<br />

einer ähnlichen Konstruktion<br />

zu schreiten, wie solche in Fü,. 178.<br />

Fig. 178 dargestellt ist.<br />

Diese Anordnung giebt zugleich Anlass zu einer empfehlenswerthen Verwerthung<br />

des Regenwassers; andererseits wird durch die hier gegebene Konstruktion<br />

auch vermieden, dass das reich dekorirte Hauptgesims in störender<br />

"Weise durch die sogenannte Stell- oder Abfallrinne verunstaltet wird. Die auf<br />

dem Dachboden sich befindende Sammelrinne für das Rcgenoder<br />

Schneewasser lässt sich nämlich ohne irgend welche<br />

Schwierigkeit mit einer Stellrinne in Verbindung bringen, die<br />

unterhalb des" mit dem Hauptgesimse verbundenen Gebälks<br />

in einen vertieften Falz eingelegt ist, .wie dies die Fig. 179<br />

im Grundriss und Querschnitt andeutet.<br />

J<br />

Um das Abrutschen des Schnees vom Dache ungefährlicher<br />

zu machen, sind aber Schneegitter anzuordnen, die sich hin und<br />

wiedermitin dieDekoration desHauptgesimseshereinziehenlassen,<br />

Von der Konstruktion romanischer und gothischer Hauptgesimse<br />

kann hier insofern Umgang genommen werden, weil Fig. 179.<br />

diese, wie dies auch bei den meisten Hauptgesimsen des<br />

Ziegelrohbaues der Fall ist, mcistentheils sehr geringe Ausladungen besitzen;<br />

dip, zu konstruktiven Schwieriakeiten nicht den g


Arbeiten des Rohbaues (Stärke der Mauern). 115<br />

geordneten Verankerungen etc, immerhin, trotz der trefflichen neuern Arbeiten,<br />

sehr unsicher und spielt dabei der Er fa h l' U n g s - K 0 e ffi ci e n t eine sehr<br />

bedeutende Rolle; die gewissenhafteste theoretische Berechnung unserer Gebäudemauern<br />

führt uns übrigens auch meistentheils zu Resultaten, die für die<br />

praktische Ausführung nicht brauchbar sind, sie müssen rektifizirt werden und<br />

hierzu dient jene Erfahrung, die sich aus einer mehr als tausendjährigen Praxis<br />

herausgebildet hat; immerhin wird uns die Theorie stets ein höchst geschätzter<br />

Regulator für alle unsere Konstruktionen bleiben!<br />

Die Mauerstärken in unsern Gebäuden sind übrigens noch abhängig von<br />

dem uns zur Verfügung stehenden Steinmaterial , besonders von den Ab­<br />

messungen der Backsteine, endlich bestehen in fast allen Staaten Bau g e set z e ,<br />

nach welchen s ä<br />

si n d.<br />

m m t l i c h e Mauerstärken vorgeschrieben<br />

Es würde zu weit führen, hier auf die grosse Verschiedenheit aufmerksam<br />

zu machen, die sich in den verschiedenen Bauordnungen in bezug auf die Mauerstärken<br />

geltend macht; es möge das Brauchbarste hier übersichtlich geordnet Platz<br />

finden:<br />

Die Mauern, welche ein massives Gebäude bilden, lassen sich zergliedern:<br />

1. in U m fa s s u n g s mau ern und<br />

2. in Mit te 1- und Sche i dem aue r n.<br />

Die Um fa s s u n g s mau ern sind entweder tr a gen deoder nur Raum<br />

umschliessende; die ersteren nehmen die Gebälke in sich auf, die letzteren<br />

repräsentiren sich oft als Kommunmauern ; auch die Giebelmauern sind in den<br />

meisten Fällen durch kein Gebälk belastet.<br />

Für die Um fa s s u n g s mau ern uns e r erG e b ä u d e gelten allgemein<br />

folgende Annahmen: Bei ein e r Stockwerkshöhe von 3,3 bis 4,5 m, einer<br />

Zimmertiefe von 7 m und einer freien Frontlänge der Zimmer von 9,5 bis<br />

10m ist die äussere belastete Umfassungsmauer 1 1 / 2 Stein stark auszuführen;<br />

ist jedoch die Stockwerkshöhe bei sonst gleich bleibenden Verhältnissen geringer<br />

als 3,3 m, so kann den statischen Verhältnissen vollkommen durch eine 1 Stein<br />

starke Mauer genügt werden, wobei jedoch ein d u r c hau ss 0 I i d e s Mau e rwerk,<br />

unter Anordnung einer aus r eie he n den Ver a n k e run g der<br />

gegenüber stehenden Mauern vorausgesetzt wird. Da eine 1 Stein starke Umfassungsmauer<br />

aus Vollsteinen unseren klimatischen Verhältnissen nicht wohl<br />

entspricht, so wählt man aus hygeischen Rücksichten diese letztere Mauerstärke<br />

nur für solche Gebäude (Werkstätten , Magazine, Fabriken), die nicht VVohnzwecken<br />

dienen*).<br />

Dienen Bruchsteine als Material, so können Umfassungsmauern unter den<br />

erst angegebenen Verhältnissen 0,45 m , in letzterem Falle 0,35 m stark gemacht<br />

werden.<br />

Die belasteten Umfassungsmauern sind jedoch im obersten Stockwerke<br />

2 Stein stark zu machen bei Stockwerkshöhen über 4,5 m , bei Zimmertiefen<br />

über 7 mundbei freien Frontlä.ngen der Zimmer über 10m.<br />

Bei den oben angegebenen geringem Zimmerhöhen giebt man den belasteten<br />

Umfassungsmauern zweier Stockwerke gleiche Mauerstärke und ver-<br />

*) Auf dem Lande erhalten einstöckige Gebäude unter Zustimmung der meisten<br />

Bauordnungen meistens nur eine 1 Stein starke Umfassungsmauer; werden dieselben<br />

aus Hohlsteinen hergestellt, und Verkleiclungen mitte1st schlechter Wärmeleiter zum<br />

Schutz gegen die äussere Winterkälte zu Hülfe genommen, so genügt dies auch vollkommen.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 123<br />

Gewölbe gehören Kanälen an; der eine im Rundbogen mit regelrechten Keilsteinen<br />

und Centralfugen gewölbte Kanal zog sich unter der Terrasse des<br />

Nordwestpalastes von Nimrod fort, eines Baues, der wahrscheinlich aus der<br />

Zeit 900 v, ChI'. herrührt und als dessen Erbauer nach den gefundenen Inschriften<br />

der König .Asohurakbal (Sardanapal 1.) gilt *).<br />

Aber nicht nur rundbogige Tonnengewölbe sind unserer Zeit erhalten,<br />

sondern auch solche mit dem Spitzbogen ausgeführte; ein solcher Kanal Wurde<br />

in dem Terrassenbau des etwas jüngern Südostpalastes von Nimrod entdeckt.<br />

Dieses Kanalgewölbe zeigt die Fig. 2 **) im Querschnitt und in der Oberansicht.<br />

Die Spannweite beträgt nahezu 1 m; das Spitzbogengewölbe ist aus keilförmigen,<br />

sehr gut gebrannten, 30 cm hohen und 10 cm dicken Backsteinplatten in bestem<br />

Verbande ausgeführt. ,Yährend der einen Schicht der Schlussstein, welcher<br />

eine scharfe Kante hätte erhalten müssen, fehlt, zeigt die zweite Schicht einen<br />

solchen und greift derselbe etwas in das spitzbogige Gewölbe ein; die Gewölbeschichten<br />

selbst stehen nicht lothrecht und macht dies die Oberansicht kenntlich,<br />

sondern weichen um nahezu 10 0 von der Vertikalen ab, wie dies zu weiterer<br />

Deutlichkeit die Profillinie a bc angiebt; diese Neigung ist dem Kanalgewölbe<br />

wohl deshalb gegeben, um dem Erddrucke besser widerstehen zu können.<br />

In den Kanal münden auch mehrere vertikal stehende Schächte, die zur<br />

Aufnahme von Wasser bestimmt ge\vesen zu sein scheinen; das aufgenommene<br />

Wasser wird durch niedrige, 0,50 m hohe Kanäle in den Hauptkanal , der<br />

ein sehr starkes Gefälle hat, eingeleitet.<br />

Dr, Reber hat die Ansicht, es sei nicht unwahrscheinlich, dass diese<br />

Bogenform des eben erwähnten Kanals von Mesopotamien aus in ununterbrochener<br />

Tradition an die Araber gelangte, und von diesen nach Europa gebracht<br />

wurde, wo sie, den romanischen Rundbogen umformend, nach nahezu<br />

2000 Jahren den Anstoss zur Gothik gab.<br />

So vollendet die Technik der in den Palast-Ruinen von Nimrod aufgefundenen<br />

Kanalgewölbe auch war, so beschränkte man sich in Assyrien doch<br />

meistens nur darauf, / die T h 0 r e in der Form vom Rundbogen einzuwölben.<br />

Ein solches Beispiel stellt die Fig. 3 dar.<br />

Wir haben es hier mit dem bereits erwähnten Portale des Palastes von<br />

Kisir-Sargon (Korsabad) zu thun ; als Erbauer gilt König Sargon (720 v. Chr.),<br />

Der drei Stein starke Schalenbogen ist von flach gelegten Steinen eingefasst,<br />

und setzt sich überhöht auf den Rücken von geflügelten Stieren mit Menschenköpfen<br />

auf,' die als heilige Thürhüter alle grösseren Eingangsportale zu flankiren<br />

pflegten und die zu den äusserst charakteristischen Erscheinungen der ninivitischen<br />

Skulptur zu rechnen sind.<br />

Die äussere Stirnseite des Bogens ist mit emaillirten Ziegeln verkleidet<br />

und zeigt einen äusserst reichen musivischen Schmuck von abwechselnden<br />

Rosetten, zwischen welchen ähnliche Cherubim-Gestalten sich angebracht finden,<br />

wie solche bereits besprochen und in Fig. 1 im Detail dargestellt sind.<br />

Dieser Bogen macht in technischer wie in künstlerischer Hinsicht einen<br />

so überaus befriedigenden Eindruck, dass man wohl geneigt sein dürfte, besonders<br />

wenn man Diodor's Mittheilungen dabei berücksichtigt, die Erfindung des<br />

Wölbens endgiltig den Altbabyloniern zuzuschreiben; faktische .Beweise für<br />

eine solche Behauptung beizubringen, ist freilich nicht möglich, jedenfalls<br />

lässt aber die Sage vom Thurmbau zu Babel vermuthen , dass überhaupt<br />

*) Kunstgeschichte des Alterthums von Dr. Fr. Reber.<br />

**) Ninive et L'Assyrie, par Vietor Place, PI. 38.


126 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

position, welche das Prinzip des Wölbans mit Keilsteinen zweifellos vordeutet.<br />

Wenn auch nicht dazu bestimmt, eine frei schwebende Decke abzugeben, hatten<br />

doch jene Steinkreisschichten in sich diejenige Struktur, die sie geeignet machte,<br />

dem seitwärts andrängenden Drucke des Erdreichs mit allem Erfolge zu widerstehen<br />

, wie dies beispielsweise sehr deutlich bei dem Solratshause des Atreus<br />

zn Mykenae nachzuweisen ist.<br />

Im griechischen Alterthum konnte die Gewölbekonstruktion noch weniger,<br />

als wie dies in Aegypten der Fall gewesen war, sich Geltung verschaffen;<br />

das vorzügliche Marmormaterial Griechenlands gestattete es, weite Räume mit<br />

Steinbalken zu überdecken, und machte in allen monumentalen Bauten die Anwendung<br />

von Gewölben durchaus unnöthig; überdem war der Tempelbau einer<br />

streng hierarchischen Tradition unterstellt, so dass eine konstruktive Neuerung<br />

nicht wohl Platz greifen konnte.<br />

Anders verhielten sich die Verhältnisse bei den Etruskern; wenn auch in<br />

ihren erhaltenen Mauerresten eine grosse Aehnlichkeit mit den aus der pelasgisehen<br />

Zeit stammenden sich kund giebt, so zeigt sich doch bei ihren Bauten<br />

schon frühzeitig das so wichtige Element der "Wölbung mit durchaus regelgerechtem<br />

Steinschnitt.<br />

Zu den ersten" auf unsere Zeit gekommenen Gewölbebauten gehört die<br />

Cloaca maxima, welche unter der Herrschaft der Tarquinier im alten Rom von<br />

etruskischen Baumeistern ausgeführt wurde (Tafel X Fig. 1). Das aus vulkanischem<br />

Tuffstein bestehende Gewölbe hat einen geregelten Fugenschnitt und<br />

ist als Schalenbogen 3 Schichten stark konstruirt. Die Sicherheit und Kühnheit,<br />

mit welcher der G e w ö I beb a u hier bei ziemlich beträchtlicher, nahezu<br />

7 m nachweisender Spannweite durchgeführt ist, die Festigkeit, mit welcher<br />

derselbe seit mehr als 2000 Jahren dem ungeheuern Gewichte, das auf ihm<br />

lastet, zu trotzen wusste, ist für die Gewölbetechnik der römischen Frühzeit<br />

äusserst beachtenswerth.<br />

Die Etrusker waren es aber auch, die der Bogenkonstruktion eine künstlerische<br />

vVeihezu geben suchten; den ersten Versuch hierzu glauben wir am<br />

Thore von Voltera, der sogenannten Porta del Arco zu erblicken. Dieses<br />

Thor zeigt ein halbkreisförmiges Bogengewölbe mit der freilich nur sehr bescheidenen<br />

Spannweite von 3,75 m; an dem beide Gewölbeanfänger- wie Schlussstein<br />

mit frei aus dem Stein heraustretenden Köpfen dekorirt sind, und welches<br />

den Beweis liefert, dass man sich über deren konstruktive Bedeutung vollständig<br />

klar war.<br />

Die frühzeitige Vertrautheit in der Kunst des Gewölbebaues hat denn<br />

auch die Veranlassung dazu gegeben, dass die Etrusker lange Zeit als die Erfinder<br />

der Gewölbe bezeichnet wurden; mehrere Schriftsteller des Alterthums<br />

aber schrieben dem bekannten Philosophen Democritos von Abdera (470 v. Chr.)<br />

die Erfindung zu, was Seneca zu widerlegen suchte. Fassen wir aber die<br />

Notizen ins Auge, die uns Diodor *) und Strabo *) geben, nach welchen der<br />

lachende Abderite sich 5 Jahre lang in Aegypten aufhielt, und andererseits<br />

seine Reisen bis nach Aethiopien, ja selbst nach Indien ausdehnte, um dem<br />

Drange seiner lVissbegierde gerecht zu werden, so liegt es wohl nicht allzu fern,<br />

die Annahme zu machen, Democrit habe bei den Aegyptern die Gewälbetechnik<br />

kennen gelernt und die Griechen darüber belehrt; so viel ist sicher, dass die<br />

Griechen in der Zeit ihrer höchsten perikleischen Glanzpel'iode die Kenntnisse<br />

*) Diodor, I. Buch, Cap. 98.<br />

**) Strabo, Cap. XVI.


128 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

in der "Art (ähnlich dem glatten Mauerwerke) ausgeführt, dass nur die Stirnbögen<br />

von aussen massiv, entweder aus Hausteinen oder gebrannten Ziegeln<br />

ausgeführt erscheinen; zwischen den Stirnbögen, förmlich von diesen eingefasst:<br />

befindet sich dann das El:nplekton: eine Art Beton. Bei den grossen Mass ­<br />

verhältnissen , die vielfach den römischen Bauten eigen sind, tritt sowohl in<br />

den Mauern , als auch in den Gewölben eine auffällige Masscnhaftigkeit auf',<br />

und würde vman eine solche, namentlich bei der' Ausführung der Gewölbe, um<br />

mit Hülfe einer sehr starken und aufmerksam konstruirten Gewölberiistnng<br />

bewältigen können.<br />

Solche VOll starkem Bauholz gezimmerte Gerüste wurden aber d u r c h weg<br />

von den praktischen römischen Baumeistern, schon der grossen Unkosten wegen,<br />

vermieden, und so bildete sich bei denselben eine Gewölbetechnik aus, wie eine<br />

solche sonst nirgends wieder gefunden wird: dabei aber äusserst beachtenswerth<br />

erscheint.<br />

Zur näheren Erläuterung dient die Tafel IX.<br />

Bei der praktischen Ausführung der Ton n eng e w ö 1be benutzten die<br />

römischen Baumeister entweder eine S t ein s c h ale, oder sie verwendeten<br />

dazu Zell e n b ö gen.<br />

Bei der K 0 n S t I' U k t ion der Ton n eng e IV Ö1b e mit tel s t S t ein ­<br />

sc h a l e (siehe Fig. 10) stellte man ein leichtes, bewegliches Bretter - oder<br />

Lattengerüst in dem zu wölbenden Raume auf, und wurde auf diese ganz leichte<br />

Schalung eine Art von Pflasterung aufgebracht. Die beigegebene Zeichnung*)<br />

stellt ein Gewölbe aus den Thermen des Caracalla dar, bei welchem die unterste<br />

Lage der Steinschale aus 0,6 Om im Quadrat messenden gebrannten Steinplatten<br />

bestand; die in Gyps oder auch in guten Puzzolanmörtel gelegten<br />

Platten waren 0,12 bis 0,15 m dick; bei grossen Spannweiten wurde die<br />

Schale, wie solches das hier gewählte Beispiel zeigt, durch eine zweite Lage<br />

von kleineren Plättchen mit 0,20 m Seite im Quadrat verstärkt"; in dieser<br />

zweiten Schalenlage wurden, im ganzen Gewölbe vertheilt ,einzelne Plättchen<br />

aufrecht gestellt, um einen bessern Halt für den später auf die schnell erhärtete<br />

Doppelschale aufzubringenden Beton zu gewinnen. Dieser Beton ist aber<br />

keineswegs -- wie das bisher angenommen wurde - auf die Steinschale aufgegossen,<br />

sondern in einzelnen horizontalen Schichten sorgfältig als "Packung"<br />

vom 'Widerlager anfangend, bis in den Schluss hinein aufgebracht, wobei das<br />

ganze Gewölbe nach oben hin vollständig horizontal abgeglichen wurde. Bei<br />

Gewölben von geringen Spannweiten genügte eine einfache Schale. War ein<br />

Theil des Tonnengewölbes ausgeführt, so. wurde das Gerüst verschoben und<br />

der neue Gewölbetheil, stumpf, also ohne Verband, gegen den bereits ausgeführten<br />

gestessen.<br />

Es versteht sich wohl von selbst, dass das Aufbringen der einzelnen<br />

Betonmörtelschichten und das Einbetten der vorbereiteten Steinfragmente von<br />

heiden Widerlagern aus gleichmässig erfolgte. Bis zur Brechungsfuge konnte<br />

das schnell erhärtende Füllmaterial die Steinschale nur in geringem Grade<br />

belasten, während die Schale selbst hierdurch in ihrer Tragfähigkeit so verstärkt<br />

wurde, dass ein vollkommenes Schliessen des Gewölbes ohne alle Gefahr eines<br />

Dnrchbrechens vorgenommen werden konnte.<br />

Der "eigentliche Begriff "G e w Ö 1b e" wird freilich durch eine solche<br />

Konstruktion vollständig illusorisch gemacht und beruht die ganze Festigkeit<br />

*) L'art de bätir chez les Romains, par A. Choisv. Paris 1873.


130 I. Maurer- und Steinmetz arbeiten.<br />

Schalenbögen erscheinen. Sämmtliche Zellen sowohl, als auch sämmtliche<br />

Kassettenfelder sind aus Beton hergestellt und im Scheitel horizontal abgeglichen.<br />

Auch bei der Ausführun lY der Kreuzgewölbe, die in elen<br />

b .<br />

Thermenpalästen des Caracalla und Diocletian so vielfache Anwendung fanden,<br />

wurden trotz ihrer sehr' bedeutenden Spannweiten nur die Schild- und Grat­<br />

bölY8n als Zellenbösren aus o'ebrannten Steinen ausgeführt , während die dab<br />

0 0<br />

zwischen liegenden Gewölbefelder auf römische :Art mittelst Betonpackung ausgefüllt<br />

wurden.<br />

Fig. 4 zeigt ein Kreuzgewölbe, wie ein solches in der Galerie des Palatinischen<br />

Palastes ausgeführt ist.<br />

Die Schildbögen bestehen hier aus vier Zellenbögen mit vollständig<br />

geschlossenen Stirnseiten; die 2 Stein starken Schalenbägen zeigen Centralfugen.<br />

Die Gräte sind bei der grossen diagonalen Spannweite von 12,40 m<br />

dieses Gewölbes aus d l' ei mit einander verbundenen Zellenbögen hergestellt<br />

und giebt die Fig. 5 Aufschluss über deren Verband. Zu diesen Gräten<br />

wurden entweder quadratische Steine von 0,45 m Seite, oder häufiger solche<br />

von 0,60 m Seite, bei 0,05 m Dicke benützt.<br />

Ihre Ausführung erforderte nur das Behauen der unmittelbar den Grat<br />

bildenden Steinseiten, und war die Form hierzu in der leichten Bretterschalung<br />

gegeben, die aus der Durchdringung zweier cylindrischer Tonnengewölbe sich<br />

ergab. Bei der Kreuzung der Gräte im Scheitel des Gewölbes half man sich<br />

wahrscheinlich dadurch, dass der eine der Gratbögen ununterbrochen durchgeführt<br />

wurde, während der andere Gratbogen in zwei Hälften sich dagegen<br />

spannte; um hier im Scheitel die Gefahr des Zerdrückens der leeren und hohlen<br />

Zellenbögen zu vermeiden, wurde der durchgreifende Bogen nach seiner Herstellung<br />

sofort mit Beton ausgefüllt, und konnte so dem betreffenden Drucke<br />

den nöthigen Widerstand leisten.<br />

Bei Gewölben von geringern Spannweiten wurde die Konstruktion der<br />

Gräte insofern vereinfacht, dass der Bogen, welcher unmittelbar den Grat<br />

bildete, fortblieb und der Zellenbogen selbst, dann nur aus zwei Bögen bestand;<br />

bei noch weiterer Vereinfachung der Gräte, die Kreuzgewölben mit<br />

geringen Spannweiten angehörten, wurden dieselben nur aus ein e m Bogen hergestellt,<br />

dem in gewissen Abständen ein grösserer Stein eingefügt wurde, wie<br />

dies die Fig. 6 deutlich ersehen lässt.<br />

Alle diese Gratkonstruktionen sind auch nur als ein gewöhnliches Hülfsmittel<br />

für die praktische Ausführung der Kreuzgewölbe anzusehen; ihre<br />

konstruktive Bedeutung hörte sofort nach der Betonirung beziehungsweise<br />

Erhärtung des Ganzen auf, und verlor damit, wie dies beim Tonnengewölbe<br />

hervorgehoben wurde, ebenfalls den eigentlichen Charakter eines<br />

Gewölbes.<br />

Aeusserst beachtenswerth ist es, wie die praktisch begabten römischen.<br />

Baumeister ihre Kuppelgewölbe, denen sie oft so kolossale Spannweiten gaben,<br />

auszuführen pflegten. Ueber die Ausführung der Pantheonkuppel hat Pi l' an es i<br />

der Nachwelt nähere Aufschlüsse hinterlassen.<br />

Diesem durch seine schätzbaren vVerke allgemein bekannten Künstler war<br />

Gelegenheit geboten, das Gewölbe des Pantheons bei einer Ausbesserung von<br />

einem beweglichen Gerüste aus eingehend zu studiren.<br />

Fig. 7 stellt das ineinander sich verspannende Bogensystem dar, durch welches<br />

die mächtige Kuppel in 16 Felder getheilt wird und das Gerippe für die Aufnahme<br />

des Betons bildet. Zwei Reihen ineinander greifender halbkreisfönniger<br />

Zellenbögen mit massiven Stirnen, und eingelegten Tuffsteinqnadsrn bilden den


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 131<br />

untern Theil der Kuppel; auf diese setzen sich die nach dem Scheitel der<br />

Kuppel aufstrebenden 16 Theilungsbögen auf und laufen, mit flachen Bögen verspannt,<br />

wie dies Fig. 8 zeigt, gegen den das Gewölbe im Scheitel schliessenden<br />

Kranz an, welcher den Rahmen und das Futter der Laterne bildet.<br />

vVährend die Zellenbögen und die frei gebliebenen Räume mit Beton ausgefüllt<br />

wurden, machte sich, nach (Ln Berichten A. Ghoisy's, ein sehr bedenklicher<br />

Druck gegen den Laternenkranz geltend, so dass man sich genöthigt sah, den<br />

ursprünglichen Konstruktionsplan, der in Fig. 8 gegeben ist, zu verlassen, und<br />

wurde dann der obere Theil des Gewölbes nach Fig. 9 ausgefiihrt; hiernach<br />

erhielten die zuerst angelegten flachen Bogenverspannungen noch Gegenbögen,<br />

und auch diese wurden weiters mit vollen Halbkreisbögen gestützt, welche zugleich<br />

die Funktion zu übernehmen hatten, die nach dem Scheitel aufstrebenden<br />

Haupttheilbögen ebenfalls gegen ein Verschieben zu schützen; die Ausführung<br />

dieser Bögen konnte selbstverständlich dann erst erfolgen, nachdem die Widertagshöhe<br />

derselben durch die Betonirnng erreicht und die vollständige Erhärtung<br />

r<br />

des Betons erfolgt war. 19 Jahrhunderte haben den Beweis gegeben, dass<br />

die Römer mit ä u s s e r S t ger i n gen Mit tel n die grössten Aufgaben zu<br />

lösen im Stande waren, und möchte es wohl hier am Platze sein, ihre eigenthümliehe<br />

Bauart den heutigen Baumeistern zum näheren Studium aufs Wärmste<br />

zu empfehlen *).<br />

"Während die römischen Bauten überall eine auffällige Massenhaftigkeit an<br />

den Tag legten - das Emplekton brachte dies schon mit sich -, so gelang<br />

es erst der altchristlichen Zeit ,sich von dieser Massenheftigkeit zu befreien,<br />

und besonders machte sich von jetzt ab im Gewölbebaue ein schwungvoller<br />

. Fortschritt geltend.<br />

Hier tritt zunächst die byzantinische Baukunst beachtenswerth auf und<br />

entwickelt eine reiche und äusserst kombinirte Kuppelarchitektur von hoher<br />

ästhetischer Wirkung, Die dieser Zeit entstammenden Centralbauten weisen<br />

fast durchgängig, einen hochemporragenden mittleren Kuppelbau auf, der entweder<br />

von niedrigem Halbkuppeln oder ganzen Nebenkuppeln umgeben ist;<br />

der sehr bedeutende Gewölbeschub der Hauptkuppel wird hierbei auf wenige<br />

Pfeiler - auf 4 oder 8 - abgeleitet; weiters angelegte Neben - oder Halbkuppeln<br />

(Apsiden) geben dem byzantinischen Gewölbesystem das umsichtig<br />

erwogene Gleichgewicht.<br />

Der hervorragendste Repräsentant dieser altchristlichen Bauepoche ist ohne<br />

Zweifel die So phi e n kir c hein Konstantinopel; sie ist in Fig. 5 dargestellt<br />

und wurde unter der Regierung des Kaisers J ustinian um das Jahr 530 durch<br />

die Baumeister Anthemios v. Tralles und Isidor v. Milet erbaut. Die Hauptkuppel<br />

besitzt einen Durchmesser von 33 m, während ihre Höhe vom Boden<br />

bis zum Scheitel der Kuppel gemessen 57,5 m nachweist, so dass das Verhältniss<br />

dieses innern Kuppelraumes von Breite zur Höhe sich nahezu wie 1 : 1 3 /<br />

4<br />

verhält, Die Hauptkuppel wird von zwei mächtigen Halbkuppeln gestützt, die<br />

wiederum durch zwei, beziehungsweise drei kleinere Halbkuppeln mit getragen<br />

werden; der ganze Schub dieses mächtigen Kuppelgewölbesystems wird von. vier<br />

kräftigen Pfeilern aufgenommen und haben wir es hier mit einem nicht mehr übertroffenem<br />

grossartigen Beispiel einer äusserst komplizirten Gewölbeanlage zu thun,<br />

Die Kuppeln haben k ein e besondere Bedachung, sondern zeigen im Aeussern<br />

*) A. Choisy h2t nicht blas die römischen Steinarbeiten einer eingehenden<br />

Forschung unterworfen , er giebt auch interessanJee Aufschlüsse über die Zimmerarbeiten.


132 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

ihre konstruktive Form. Die zuerst gewölbte Kuppel stürzte nach wenigen Jahren<br />

in folge eines Erdbebens zusammen. Man verwendete bei der Wiederherstellung<br />

eine verdoppelte Aufmerksamkeit; so wurden nach Berichten die Gewälbesteine<br />

auf der Insel Rhodos gefertigt und waren nach den Nachrichten fünf mal, wie<br />

Andere behaupten zwölf mal leichter als gewöhnliche Ziegel. Ein äusserst<br />

beachtenswertlies Beispiel für den byzantinischen Kuppelbau bietet St. Vitale<br />

in Ravenna*). Diese Kirche wurde im -Iahre 526, in welchem Kaiser Theoderich<br />

starb, zn bauen begonnen und im Jahre 547 vollendet; die Hauptkuppel,<br />

15,70 m im Durchmesser, wird mit Ausnahme der Seite, wo sich die Apsis<br />

befindet, von sieben Halbkuppeln gestützt; die Umfassungsmauern bilden ein<br />

regelmässiges Achteck, von 36,70 m Durchmesser.<br />

In der altchristlichen Basilika findet sich meistens nur die Absis mit einer<br />

Halbkuppel, die Krypten mit Kreuzgewölben versehen; aber auch ihre Bauanlage<br />

ist, wie die der byzantinischen Kirchen, durch und durch neu gedacht<br />

und von jener der griechiscllen und römischen Gebäude sehr verschieden. Bei<br />

den Römern finden wir zwar ausserordentlich grosse Räume mit augenfällig sicher<br />

konstruirten Decken überspannt, überall aber zeigen dieselben, den späteren<br />

Bauten gegenüber, ein mehr gedrücktes Hauptverhältniss ; die altchristliche Zeit<br />

dagegen schaffte Räume mit sichtlich emporstrebendem Charakter, und wurden<br />

hier die Decken durch hohe Mauern getragen, welche kühn aufluftigen Säulenstellungen<br />

aufgesetzt sind.<br />

Die altchristliche Basilika bildete im Verein mit dem byzantinischen Centralbau<br />

die V orläuferin für den romanischen Kirchenbaustil, der sich in der zweiten<br />

Hälfte des 11. Jahrhunderts auszubilden begann, und in der vollständigen<br />

U eherwölburig des dreischifflgen Kirchenraumes gipfelte.<br />

Der romanische Stil, der mit Vorliebe den römischen Rundbogen acceptirte,<br />

wählte auch für seine Gewölbeform das halbkreisförmige Kreuzgewölbe. Das<br />

Mittelschiff theilt sich dabei regelmässig nach Quadraten ab, sodass immer zwei<br />

Abtheilungen des Seitenschiffs einer Abtheilung des doppelt so breiten Mittelschiffs<br />

entsprechen; die Hauptgewölbefelder, wurden durch kräftige Gurtbögen<br />

gebildet und fügen sich zwischen diese und, von ihnen gehalten und getragen,<br />

die Kreuzgewölbe oft 'von 0,60 m Dicke ein.<br />

Als die Repräsentanten des romanischen Kirchenbaustils lassen sich in<br />

Deutschland wohl die Dome von Speyer, Mainz und VVorms bezeichnen, alle<br />

drei stimmen in ihrem konstruktiven Charakter und in ihren räumlichen V erhältniesen<br />

so ziemlich überein.<br />

Fig. 6 stellt ein Stück des Mittelschiffs vom Dom zu Speyer dar, der, von<br />

Kaiser Konrad H. 1030 erbaut, nach dem Brande von 1137 seine Vollendung<br />

erhielt; das 12 m weite Mittelschiff erreichte im Verhältniss seiner Breite zur<br />

Höhe das Mass von 1 : 2 1 / 3 , während beim Mainzer Dom ,1


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 133<br />

welllg vortretende Lisenen bemerkbar machen. An den ältern Kirchen wurde<br />

dieser Gewölbeschub zum grÖBsten Theil den Mittelpfeilern allein überlassen,<br />

und mussten dieselben desshalb sehr dick angelegt werden; um aber dann<br />

schlankere Pfeiler zu ermöglichen, wurde in den spätem Kirchenanlagen der<br />

Seitenschub über die Nebenschiffe hinweg und auf deren niedrige Umfassungsmauer<br />

geleitet; andererseits wurde der Gewölbeschub aber auch theils von den<br />

meist durch Thürrne verstärkten Schlussmauern , theils von den kräftig entwickelten<br />

Eckpfeilern der Vierung, und elen Mauern von Querschiff' und Chor<br />

aufgenommen; jedenfalls aber erscheinen die Mittel, die beim romanischen Dom<br />

angewendet wurden, um der Stabilität des gewölbten Mittelschiffs Rechnung zu<br />

tragen, als äusserst gering gewählte.<br />

Die romanisch gewölbte Basilika wurde lange Zeit aufs strengste von dem<br />

Rundbogen beherrscht und besteht daher in ihrem Grundrissschema nur aus<br />

quadratischen Räumen; sobald. aber durch maurische Einflüsse der Spitz­<br />

bogen sich mit in die spätere Architektur hinein verflocht, - wie dies in dem<br />

- oder Na ehr 0 man i sc he n S t i 1 der Fall war, befreite<br />

sogenannten S P ä t<br />

man sich von der Fessel, den Grundriss der Kirche aus lauter Quadraten zu<br />

gestalten und wurden diese dann meistentheils nur zur Bildung der N ebenschiffe<br />

verwendet ,während das Mittelschiff' entschieden ausgesprochene hingliehe<br />

Vierecke erhielt.<br />

Dieses neue Grundrisssystem wurde dann auch besonders charakteristisch<br />

für den gothischen Kirchenbau, als dessen Repräsentant hier der Köhler Dorn<br />

in Fig. 7 vorgeführt wird.<br />

Findet sich auch selbst am .Kölner Dome, der im .Iahre 1248 begründet<br />

wurde, ein nicht so bedeutend weit gespanntes Mittelschiffgewölbe, wie an dem<br />

von Mainz, so beträgt dessen Breite doch immerhin 13,2 m, bei einer Scheitelhöhe<br />

von 48 111, was nahezu das Verhältniss von 1. : 3 1 / 2 ergiebt und in bezug<br />

auf den Eindruck überwältigender Kühnheit das Höchste erreicht, was irgend<br />

wie durch die Gewölbetechnik geschaffen worden ist.<br />

Die gothischen Rippen -, die Stern - oder N etzgewälbe unterscheiden sich<br />

wesentlich von den bisher üblichen romanischen Massengewölben ; während<br />

diese als Hauptkonstruktiouslinie dcn Rundbogen zeigen, tritt bei jenen vorherrschend<br />

der Spitzbogen auf und verwandelt sich das frühere oft 0,60 m<br />

dicke Gewölbe in ein System von selbstständig auftretenden, unter sich verspannten<br />

schwachen Rippen mit äusserst dünnen Gewölbefeldern.<br />

Die den einzuwölbenden Raum vielfach zertheilenden Rippen bilden häufig<br />

im Grundriss einen mehr oder weniger reichen Stern, und aus diesem Grunde<br />

werden diese Gewölbe auch wohl Sterngewölbe genannt.<br />

Das c: vielfach aus dem Widerlager bis in den Scheitel des Gewölbes<br />

emporschiessende Rippenwerk setzt sich auf die vielzertheilten , einen Bündel<br />

von Dünnsäulen bildenden Pfeiler auf, und wird das Auge durch ihr reiches<br />

Formenspiel förmlich wie durch ein statisches Wunder überrascht!<br />

Sehr komplizirt aber und in die ä u s s e r e Architektur formal ungemein<br />

reich eintretend, erweist sich der Apparat, durch den das statische Moment<br />

für die Gewölbe gewonnen wurde; breite und kräftig nach aussen vorspringende,<br />

reich gegliederte Strebepfeiler nehmen einerseits die konzentrirte Last der vielfach<br />

getheilten Gewölbefelder der Seitenschiffe in sich auf, andererseits schwingen<br />

sich von diesen Stützpfeilern, bei fünfschiffigen Kirchen, doppelt über einander<br />

angeordnete und in der Mitte nochmals getheilte Schwibbögen über die Seitenschiffe<br />

hinweg gegen das Mittelschiff, um auch hier stützend und strebend zu<br />

wirken. Das so entstehende massenhafte, mehr dekorative als konstruktiv noth-


ArlJeiten cle::, Hohbaues (Gewölbe}. 135<br />

sie eine Scheitelhöhe von 87 m , steigt. in Spitzbogenform auf und schliesst<br />

mit einer bis zur Spitze 25 111 hohen Laterne ab.<br />

Die Kuppel in Florenz ist als D 0 p p el k u p p e 1 konstruirt , d. h. sie<br />

besitzt ein zweischaliges Gewölbe mit 1,50 m Zwischenraum ; beide Schalen<br />

sind kräftigst mit einander verbunden, und waren an ihren 8 Ecken starke<br />

aufsteigende Hauptrippen angebracht, die sich im Scheitel der Kuppel an einen<br />

starken, zugleich die Laterne tragenden Gewölbekranz anschliesson. Die so<br />

entstandenen 8 Hauptgewölbefelder wurden, ähnlich den altrömischen Gewölben,<br />

durch ein förmliches Netz vonkleinel'n sich gegenseitig verspannenden Gurtbögen<br />

zertheilt.Die Kuppel ohne Lehrgerüst ausgeführt, gilt immer noch als<br />

ein Werk , das an Kühnheit seines Gleichen nicht besitzt und hat sich<br />

Bruneleschi durch dieses Werk in der Baukonstruktion einen der hervorragendsten<br />

N amen erworben *).<br />

Da man als· den Vorlä nfer der florentiner Kuppelwölbnng das Gewälbe<br />

des Baptisteriums San Giovanni in Fonte aus dem 4. oder 5. Jahrhundert<br />

zu betrachten pflegt, so ist dies interessante Bauwerk hier allfgenommen und<br />

giebt Fig. 9 einen Grundriss und Querschnitt.<br />

Hübsch **) erwähnt hierüber: Die bewundernswerth konstruirte Kuppel<br />

wurde ohne Zweifel die ermuthigende Lehrerin der berühmtesten Architekten.<br />

Arnolfo di Lapo hätte gewiss nicht den Muth gehabt, eine so grossartige<br />

Kuppelanlage , wie die vom Florenzer Dorn ist, zu projektiren, wenn er nicht<br />

die gegenüberstehende Kuppel von St. Giovanni täglich betrachtet hätte.<br />

Bruneleschi wagte aber darauf hin, die Domkuppel im 15. Jahrhundert wirklich<br />

zu beginnen und auszuführen.<br />

Die Kuppel von St. Giovanni erhebt sich über einen achteckigen Grundriss<br />

in Spitzbogenform , nach Art der Klostergewälbe, und hat 26,6 m im<br />

Durchmesser. Die Umfassungsmauern sind im Innern durch übereinander<br />

liegende Gallerien sehr stark durchbrechen und gewähren verhältnissmässig<br />

geringe Widerlagsmassen.<br />

Die Kuppel ist nur in ihrem unteren Theile doppelt; in ihrem oberen<br />

Theile verbindet sie sich mit der schräg aufsteigenden Dachfläche , die in ihrer<br />

Trauflinie hochliegend, eine ziemlich bedeutende Aufmauerung der Widerlagsmauern<br />

nothwendig macht.<br />

In dem untern Theile der verdoppelten Kuppel befinden sich an den<br />

acht Ecken je eine Zungenmauer und an jeder Achteckseite wieder je zwei<br />

solcher, welche, den Raum zwischen der innern Kuppel und der Aussenmauer<br />

ganz ausfüllend, die äussere Umfassungsmauer mit der innern Gewölbekuppel<br />

fest miteinander verbinden und zugleich das Steindach unterstützen; diese<br />

24 Zungen oder Sporen sind es hauptsächlich, die dem ganzen Gewölbe das<br />

statische Gleichgewicht bei höchster Einfachheit und Massenökonomie, verbunden<br />

mit bedeutender Sicherheit, verleihen, und so als Musterkonstruktion gelten können.<br />

N ach den Errungenschaften, die sich in bezug auf Gewälbetechnik schon<br />

im 13. Jahrhundert geltend machten, muss es geradezu Wunder nehmen, wie<br />

einige 100 Jahre später in dieser Hinsicht viel eher Rückschritte als Fortschritte<br />

nachweisbar sind, Betrachten wir in dieser Beziehung das "VVunder<br />

der vVelt, die gewaltige, alle andern Bauten an Grässe weit übertreffende<br />

*) Leider mussten wir es uns versagen, näher hier auf diesen interessanten<br />

Kuppelbau einzugehen, wir verweisen auf: Isabelle, les edifices circulaires et Ies<br />

dörnes. Paris 1843.<br />

*") Hübsch: Die altchristlichen Kirchen.


136 1. Muurer- und Steil1l11etZtlrbciten.<br />

Peterskirche in Rom, so müssen wir zwar gestehen; dass an Kolossalität diesem<br />

Riesenbaue Nichts an die Seite zu stellen ist; dass dies aber auch nur auf<br />

Kosten von Baumassen möglich ward; die bis dahin nahezu in das Bereich des<br />

Unmöglichen versetzt wurden; und auch jetzt noch unser grösstes Erstaunen<br />

herausfordern. Dabei macht die gr ö s s t o Kirche der ,Velt nicht annähernd<br />

den Eindruck, der zu ihren ungeheuren Dimensionen nur einigermassen im<br />

Verhältniss steht. Nirgends übersieht man die Gesammtheit der verschiedenen<br />

Räume und das System der konstruktiven Formen ist kein an sich grosses<br />

oder mannigfach gegliedertes.<br />

Die meisten Formen gehören streng genommen kleinem Dimensionen an,<br />

und sind in der Peterskirke oft nur kolossal vergrössert, und zwar in einem<br />

Grade, der unser Augenmass weit übersteigt.<br />

Michel Angelo, der 1546 den Riesendom zum Fertigbauen übernahm,<br />

gab demselben - wie Bruneleschi das in Florenz gethan hatte- eine Doppelkuppel,<br />

aber von überhöht elliptischer Form; der Durchmesser dieses Gewölbes<br />

misst '.12,5 m ,' die Höhe vom Boden bis zum Gewölbescheitel beträgt<br />

101 rn , so dass sich ein Verhältniss nahezu wie 1: 2 1 / 2 ergiebt. Die<br />

gewaltige Kuppel stützt sich unten auf vier mächtige Pfeiler; diese Pfeiler<br />

haben quadratische Grundform mit 19 m Seite, sie sind gegen das Centrum<br />

zur Hälfte abgestumpft und hier mit vertieften Nischen versehen; mächtige<br />

halbkreisförmige Rundbögen, mit Kassetten geziert, verbinden die vier Stützpfeiler,<br />

und wird durch Vermittelung von Pendentifs ein Uebergang in den<br />

hohen runden Tambour gewonnen. Da, wo dieser nahezu 9 m in seiner<br />

v.Vandstärke habende Tambour aus der Vierung des Langschiffs mit den Querschiffen<br />

frei heraustritt, bildet er ein kräftiges Podium, auf das sich 16 doppelt<br />

gekuppelte, je 12 m hohe Säulen aufsetzen, welche mit ihren Gebälken sich<br />

gegen die Aussenseite der Tambours anlegen und neben ihrer ästhetischen Erscheinung<br />

den Zweck haben, die vViderstanc1sfhhigkeit der stark belasteten, von<br />

nun ab nur 3 m dicken Tambourmauer zu erhöhen. In der Höhe von 6 m<br />

über den eben erwähnten Gebälken setzt sich die gewaltige Kuppel auf einen<br />

gemeinschaftlichen Gewölbefuss auf, und theilt sich dann in zwei Schalen, die<br />

innen und aussen durch vortretende Rippen verstärkt sind. Nahezu am Scheitel<br />

entfernt sich die äussere Schale um 3 m von der innern und legen sich beide<br />

an einen 7 m im Durchmesser besitzenden kräftigen Steinkranz , auf den sich<br />

dann krönend die 2'7 m hohe, säulenumgebene und reich' gegliederte Laterne<br />

aufsetzt.<br />

Der ganzen Anordnung der St. Peterskuppel scheinen mehr ästhetische<br />

Rücksichten zu Grunde zu liegen, indem bei der Formgebung vor allem die<br />

Wirkung im Innern sowohl als die im Aeussern in Betracht gezogen wurde.<br />

Das Verhältniss des Hauptschiffs von St, Peter, das nur ein und einhalbmal so<br />

hoch als breit ist, macht einen um so gedrückteren Eindruck, weil sich für<br />

das Auge die Höhe schon mit dem schweren und stark ausladenden antiken<br />

Hauptgesimse , worauf das Tonnengewölbe aufsitzt, abschliesst; überhaupt tritt<br />

in diesem Riesendom an die Stelle. der kühnen Geräumigkeit, der an den<br />

romanischen, besonders aber an gothischen Kirchen so wohlthuend wirkt, eine<br />

plumpe Anhäufung von riesenmässigen dicken Mauerklötzen und riesenmässigen<br />

antiken Details; jedenfalls bleibt es unbestritten, dass die St. Peterskirche in<br />

Rom den bleibenden Ruhm besitzt, die grösste Kirche der Welt zu sein.<br />

Der Flächeninhalt ihres Grundrisses ist dreimal grösser als der des Kölner<br />

Doms, die Mittelschiffhöhe des Speyrer Doms wird von ihren korinthischen<br />

Pilastern erreicht, elie im Hauptschiffe von St. Peter das Gebälk, auf welchem das


138 1. Maurer- und Steinmetzmbeiten.<br />

Allgemeines und Einthelluug der G-ewölbe.<br />

Unter Gewölbe versteht man eine in Bogenform ausgeführte Steindecke<br />

über einem theilweise oder ganz von Mauern umschlossenen Raum; eine solche<br />

Decke ist aus einzelnen keilförmigen Steinen derart zusammengesetzt, dass sie,<br />

vermöge des im Gleichgewichte stehenden Druckes und ·Widerstandes derselben,<br />

in schwebender Lage sich erhält.<br />

Wenn auch zwischen einem Wandbogen und einem Gewölbe wesentliche<br />

Unterschiede bestehen, so sind doch beide ihrem innern Wesen nach sehr verwandt,<br />

und nennt man deshalb auch wohl einen Bogen ein Gewölbe; auf<br />

diesem Umstand beruhen denn auch die gemeinsamen Bezeichnungen, wie: innere<br />

und äussereLeibung, Spannweite, Pfeilhöhe etc. etc., wie dies bei der Bogenkonstruktion<br />

erörtert wurde.<br />

Alle Gewölbe spannen sich entweder zwischen geschlossene, oder zwischen<br />

mitte1st Bögen durehbrochene Mauern ein; haben diese dem Schube des Gewölbes<br />

zu widerstehen, so nennt man sie 1V i der 1a g s m a u e r n, im Gegensatze<br />

zu den Sc h i 1d m a u e rn, die nqr eine Raum umschliessende Funktion<br />

haben und zur Stabilität des Gewölbes nichts beitragen.<br />

Nach der grossen Verschiedenheit der Form , der Konstruktion und des<br />

Materials haben die Gewölbe auch verschiedene Benennungen erhalten und<br />

unterscheidet man:<br />

1. das Ton n e n - oder K u fe 11 g e w ö I b e ,<br />

2. das Kap pe n - oder Gur t ge w öl be (Preussische Gewölbe),<br />

3. das Klo s tel' g e w ö 1b e ,<br />

4. das Kr e u zg e w ö I b e ,<br />

5. das g 0 t h i s c h e oder S tel' n g e w ö 1 b e ,<br />

6. das no r m ä n n i sc h e oder an gel säe h s i s c h o Ge IV öl b e (Fächergewölbe),<br />

7. das Ku P P e 1g e w ö I b e ,<br />

8. das K 11g e 1- und e 11i P s 0 'i d i 8 C he Ge IV Ö1b e,<br />

9. das böhmische Gewölbe,<br />

10. das M u 1den -, S pie g e 1-, sc h e i t I' e c h t e Ge IV öl b e.<br />

Verwendet man Eisenkonstruktionen zur Herstellung von Gewölben, um<br />

einzelne Widerlagssteine in der Schwebe zu erhalten, 80 entstehen die h ä n genden<br />

Ge w öl be; verwendet man zur ·Wölbung Töpfe, Hohlsteine oder irgend<br />

ein G u s s m a t e r i a l , so erhält man die Top f g e w ö 1b e, die G e w ö 1b e<br />

a u s H 0 h l s t ein e n und endlich die sogenannten G u s 13 g e w öl b e, bei<br />

denen freilich im strengen Sinn der Begriff des Wölbans ganz fehlt.<br />

Wenden wir uns nach diesen allgemeinen Bemerkungen zu den einzelnen<br />

Gewölbekonstruktionen selbst.<br />

1. Das Ton n e n - 0 der K u fe n g e w Ö1b e.<br />

Die meisten Tonnengewölbe bestehen der Form nach aus einem h a 1ben<br />

C y 1i n der mit ho r i z 0 n t a l li e gen der A xe; der Cylinder kann ein<br />

kreisförmiger, aber auch ein elliptischer sein, und ergeben sich so die gedriickten<br />

und die überhöhten Tonnengewölbe. Im Mittelalter hat man sich oft der spitzbogigen<br />

Tonnengewölbe bedient; wurde deren innere Leibung mit netzförmigen<br />

Rippen dekorativ behandelt, so entstanden die sogenannten N etz g e w ö1b e.<br />

Denkt man sich ein Gewölbe in der Form eines halben Cylinders mit geneigter,


140 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

Gewölbe bis zur halben Höhe hintermauert und von hier bis zum Scheitel<br />

1<br />

VC1jÜllgt (F'ig. 107)" so ist s = -. l am Schlussstcin , ,yiderlager ;<br />

48<br />

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Fig. 194.<br />

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Fig'. 195. Fig, 196, Fig. 197.,


150 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

gewirkt ist; nach Vollendung des Gewölbes wurden die Gewölbewinkel bis 3/4<br />

der Höhe des Gewölbes mit Bruchsteinabfällen und Gussmörtel ausgeglichen.<br />

Fig. 210.<br />

Ein interessantes Tonnengewölbe, das von Moller beim Kirchenbau in<br />

Bensheim ausgeführt wurde, ist mitgetheilt von B. Harres*); auch dem Oberbaurathe<br />

Görz in "Wiesbaden haben wir eine Aufnahme und Beschreibung der<br />

Peterskirche in Mainz zu verdanken, die beachtenswerthe Mittheilungen über<br />

das dortige sehr weit gespannte Tonnengewölbe giebt **) und worauf hier<br />

verwiesen wird.<br />

Um Tonnengewölbe mitte1st Backsteine auszuführen,<br />

verwendet man gegenwärtig überall (da, wo man es haben<br />

k a n n) Ho h l s t ein e; die V ortheile , die dadurch erreicht werden, sind so<br />

augenfällig, dass darüber kein Wort weiter zu verlieren ist.<br />

Sind Tonnengewölbe aus Quadern oder Schnittsteinen<br />

herzustellen, so tritt die Lehre vom Steinschnitt in ihr vollstes Recht und<br />

muss auf diese verwiesen werden; in neuerer Zeit möchten solche Ausführungen<br />

nur noch im Bereiche der Ingenieurarbeiten zu finden sein, und zwar beim<br />

Brücken-, Eisenbahn- und Tunnelbaue. Irr städtischen Gebäuden solche schwer<br />

lastende und kostspielige Gewölbe auszuführen, gehört wohl den überwundenen<br />

Standpunkten an, und möchte sich der Architekt nur aus nah m s w eis e in<br />

die Lage versetzt sehen, dergleichen Gewölbe auszuführen; Als solche Ausnahme<br />

sind die Gewölbe zu bezeichnen, die sich an dem durch König Ludwig 1.<br />

erbauten Siegesthore in München befinden. Dieses Thor wurde nach den<br />

Plänen Gaertners im Jahre 1850 vollendet; die Gewölbe, in weissem Jurakalk<br />

ausgeführt, sind nach römischer Art mit Kassetten ausgestattet, in welchen<br />

ornamental reich durchgebildete Rosetten sich befinden.<br />

*) Die Schule des Maurers von B. Harres.<br />

**) Förstersehe Bauzeitung, Jahrgang 1876.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 151<br />

Bei Tonnengewölben aus Bruchsteinen sind alle jene Punkte,<br />

die bereits beim Bruchsteinmauerwerk Erwähnung fanden, beachtenswerth ; beim<br />

Wölben selbst ist es erforderlich, dass die einzelnen Schichten womöglichst<br />

parallel mit der Axe - des Gewölbes laufen und normal auf die Schalung gerichtet<br />

sind; die nicht zu vermeidenden stark klaffenden Gewölbefugen an der<br />

äussern Leibung des Gewölbes müssen mit passenden Steinstücken ausg<br />

e k eil t werden; die einzelnen Wölbsteine selbst sollen durch die ganze<br />

Stärke des Gewölbes hindurch reichen. Damit Bruchsteingewölbe nach dem<br />

Ausschalen sich gleichmässig setzen, muss den Mörtelfugen eine besondere<br />

Aufmerksamkeit in bezug auf gleiche Dicke zugewendet werden.<br />

Die zweckmässigste Anordnung für<br />

Tonnengewölbe aus Bruchsteinen giebt<br />

die Fig. 211; das Gewölbe ruht hier<br />

auf einem durch U eberkragung gebildeten<br />

Gewölbefuss, wodurch das Widerlager<br />

nicht unwesentlich verstärkt, die Spannweite<br />

des Gewölbes aber verringert wird.<br />

Sehr cmpfehlenswerth ist es auch, die<br />

Bruchsteingewölbe erst dann auszuführen,<br />

nachdem der ganze Bau unter Dach<br />

gebracht ist; eine Nichtbeachtung dieses<br />

Umstandes kann zu grossen Unzukömmlichkeiten<br />

führen !<br />

So einfach die Tonnengewölbe im<br />

Grunde genommen auch sind, so können<br />

sie doch durch vielfache Anlagen von<br />

Stichkappen ziemlich komplizirt werden.<br />

Sehr fatal aber ist der Umstand,<br />

dass die meisten durch Tonnengewölbe<br />

überdeckten Räume, wegen "der verhältnissmässig niedrig liegenden Kämpfer,<br />

nur wenig senkrechte Wandflächen darbieten, um daran Schränke, Regale etc.<br />

aufstellen zu können. In unseren meisten mit Tonnengewölben versehenen<br />

Kellerräumen gestatten nur die vertikal aufsteigenden Schildmauern eine unbehinderte<br />

Benützung, während die Widerlagsmauern in den meisten Fällen<br />

eine so verschwindend geringe Höhe besitzen, dass sie in ihrer Nähe selbst<br />

das Aufrechtstehen unmöglich machen, ein Uebelstand, der sich nur durch eine<br />

sehr grosse Höhe der Räume beseitigen lässt. Handelt es sich aber darum,<br />

einen verhältnissmässigniedrigen Raum so einzuwölben , dass seine ihn um-.<br />

schliessenden Wandungen eine möglichst ungehinderte Benützung zulassen, so<br />

ist es gerathen , von der Verwendung des Tonnengewölbes ganz abzusehen,<br />

und sich dem Kap p eng e w ö 1b e zuzuwenden. Diese Gewölbe bürgerten sich<br />

namentlich in Norddeutschland da ein, wo man die Kellerräume vielfach für<br />

Wohnzwecke, Werkstätten, Bierkneipen etc. benützte; sie gewähren einen freien<br />

Raum, gute Beleuchtung, meistens unter Ausschluss von Stichkappen, und sind<br />

endlich ohne alle Schwierigkeiten auszuführen. Da sie fast ausnahmslos in<br />

Preussen zu Kellergewölben verwendet werden, haben sie auch den Namen<br />

preussische Gewölbe erhalten.<br />

2. Das Kap pe 11- oder Gur t ge w ö1b e (prouseisches Gewölbe).<br />

Die Kappengewölbe bestehen ihrer Form nach aus flachen Segmentbögen,<br />

um sich so viel wie möglich cler flachen Decke J zu nähern; dies macht es von


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 153<br />

spannt sich jede einzelne Schicht in sich selbst und drückt nicht so stark auf die<br />

Einschalung , wie dies bei der erst erwähnten Wölbmethode der Fall ist, - es<br />

muss aber der Stirnmauer ein etwa 5 cm tiefer Falz gegeben werden, in dem<br />

sich die einzelnen Schichten einfügen lassen. Eine erhöhte Sicherheit ge\vinnt<br />

auch das Kappengewölbe , wenn man demselben einen Stich, wenn auch nur<br />

von wenigen Contimetern Höhe giebt.<br />

Sämmtliche Kappengewölbe sollen eine Hintermauerung erhalten, und<br />

werden nach dem Einsetzen des Schlusssteines mit einem dünnflüssigen Mörtelguss<br />

überzogen.<br />

Nur in seltenen Fällen werden bei den Kappengewölben Stichkappen nothwendig;<br />

ist dies jedoch der Fall, so werden dieselben wie bei den Tonnengewölben<br />

behandelt.<br />

Eine detaillirte Konstruktion für ein preussisches Kappengewölbe ist auf<br />

Tafel -XII dargestellt. Für diese Konstruktion sind im Souterrain eines Gebäudes<br />

mehrere sich aneinander reihende Räumlichkeiten angenommen; der<br />

Hauptraum hat eine Abmessung von 5,38 m Länge und 5 m Tiefe, an welchen<br />

sich nach rechts ein Raum VOll 3 m Frontlänge und [) m Tiefe anschliesst,<br />

während sich gegen die Tiefe an beide Räume ein anderer von 2 m Breite<br />

anlegt. Nur der Hauptraum ist in seiner ganzen Ausdehnung dargestellt, die<br />

beiden Nebenräume aber nur zur Hälfte. Sämmtliche Räume wiederholen sich<br />

im Erdgeschosse. Im Grundrisse Fig. 1 sind die äussern Mauern des Souterrains<br />

2 Stein stark, die andern Scheidemauern 2 beziehungsweise 1 1 / 2 Stein<br />

stark gewählt.<br />

Der 5,38 m grosse Hauptraum wurde mm, um ihn mittelst flacher Kappen<br />

einwölben zu können, durch einen 1 1 / 2 Stein starken, mit Widerlagsverstärkungon<br />

versehenen Gurtbogen in zwei kleinere Räume zerlegt, die je 2,50 m Spannweite<br />

zulassen. Um ferner sämmtliche Räume im Souterrain so viel wie möglich<br />

mit einander zu einem Raume zu verbinden, sind alle andern Scheidemauern<br />

durch Bögen raumöffnend durchbrechen, und ebenfalls mit den nöthigen<br />

Widerlagsverstärkungen versehen.<br />

Für die Deckeneinwölbung ergeben sich hierdurch Räume von :3 m, 2,50 m<br />

und 2 m Spannweite; wählt man für erstere 1/ 10 ihrer Spannweite zur Stichhöhe<br />

, so ergiebt dies eine flache Kappe von 3/ 1 0 = 30 cm Stichhöhe , welche<br />

dann für alle ändern Räume mit den Spannweiten von 2,50 und 2 m beibehalten<br />

werden 111USS.<br />

Fig. 4 giebt den Fall an, wie bei allenfallsigem hochgelegenen Terrain<br />

die Beleuchtung durch einen Lichtkasten beschafft werden kann; dem Boden<br />

des Lichtschachtes ist für die Ableitung von Regen - und Schneewasser ein<br />

passendes Gefälle zu geben. Alles Weitere möchte hinreichend durch die vorliegende<br />

Darstellung erklärt erscheinen.<br />

In neuester Zeit ersetzt man die Gurtbögen wohl durch eiserne I Träger,<br />

zwischen welche die Kappengewölbe mit einem Minimum von Spannweite eingefügt<br />

werden; solche Deckenkonstruktionen machen sich für Fabrikräume,<br />

Stallungen etc. immer mehr geltend, und werden ihre spezielle Behandlung bei<br />

den "E i sen k 0 n s t r U k t ion e n " finden.<br />

Eine eigenthümliche Konstruktion, die jedoch der Beachtung unserer Baumeister<br />

ganz besonders zu empfehlen ist, hat seiner Zeit der Oberbaudirektor<br />

Moller ausgeführt und in seinen Beiträgen zur Backsteinkonstruktion veröffentlicht<br />

*).<br />

*) Beiträge zu der Lehre von den Konstruktionen von Dr. G. Moller etc.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 155<br />

diagonal laufenden Fugen; die zuletzt eingesetzten Steine, die sich unmittelbar<br />

gegen das Widerlager anspannen, müssen dann aber mit besonderer Sorgfalt verhauen<br />

und eingepasst werden; rathsam ist, diesen nur<br />

sehr flach ausführbaren Kappengewölben einen Stich zu<br />

geben, damit' eine Verspannung gegen alle vier Umfassungsmauern<br />

statthaben kann.<br />

Das Kappengewölbe wird sehr häufig auch als<br />

steigendes Gewölbe besonders beim massiven Treppenbau<br />

zur Ausführung gebracht und wird in dieser Beziehung auf<br />

das betreffende Kapitel verwiesen.<br />

Zur Ausführung der Kappengewölbe verwendet man Fig. 213.<br />

mit Vorliebe Backsteine von sehr geringem Gewicht, wie<br />

Hohlsteine, Loch- oder Tuffziegel; auch werden da, wo man sie haben kann,<br />

poröse Eisenschlacken genommen; 'Kappengewölbe aus Bruchsteinen zu konstruiren<br />

, möchte niemals vorkommen, während die Verwendung von Quadern<br />

zu den seltensten Ausnahmsfällen zu zählen ist.<br />

3. Klo s t 6 r g 6 W Ö1b 6,<br />

Dieses Gewölbe ist insofern dem Tonnengewölbe sehr verwandt, als es<br />

aus der Durchdringung zweier gleicher Halbcylinder entsteht, und zwar in der<br />

Weise, dass sämmtliche Umfassungswände Wiclerlagsmauern bilden; in Fig. 214<br />

gehören die Gewölbefelder a a<br />

dem Halbcylinder a' an, die Gewölbefelder<br />

b b dem Halbcylinder<br />

b'; in 'Fig. 215 ist die<br />

Durchdringung beider Halbcylinder<br />

in isometrischer Projektion dargestellt,<br />

und ergiebt zwei diagonal<br />

sich schneidende Ellipsen, welche<br />

im Grundrisse (der Horizontalprojektion)<br />

gerade Linien bilden;<br />

Schildmauern fehlen diesem Ge­<br />

wölbe ganz.<br />

Das Klostergewölbe lässt sich,<br />

wie über dem quadratischen Raum,<br />

über jedes andere regelmässige<br />

Vieleck ohmlweitere SChwierigkeit<br />

ausführen; denken wir uns das<br />

reguläre Vieleck mit unendlich<br />

vielen Seiten, so entsteht die<br />

Grundrissform des Kreises und die<br />

Gewölbeform der Kuppel, als<br />

Halbkugel.<br />

.Obwohl sich die Klostergewölbe<br />

auch über jedem andern<br />

Raum ausführen lassen, so vermeidet<br />

man dies, da solche Gewölbe<br />

kein schönes Aussehen gewähren.<br />

Interessant lassen sich die<br />

'.<br />

\<br />

, ,<br />

6<br />

FLg 214.<br />

Fig. 215.<br />

, '<br />

t ,


Arbeiten des Puohbaues (Gewölbe). 157<br />

Gewölbe erfolgt auf einer Brettereinschalung , die nach und nach, je nachdem<br />

die Gewölbearbeit vorrückt, hergestellt wird ; hat man nämlich die erste Reihe<br />

Bretter angenagelt, so legt man rings herum eine oder zwei Reihen flach gelegter,<br />

mit Gyps verbundener Backsteine, die man dann durch eine Lage mit<br />

wechselnden Fugen verdoppelt; weitere Schichten werden diesen erst dann angereiht,<br />

wenn die vorhergehenden ganz vollendet sind. Die Arbeiter stehen auf<br />

leichten Gerüsten, die unmittelbar unter der Gewölberüstung angebracht sind,<br />

und erhält die Gewölbeeinschalung erst dann ihre Vollendung, wenn der Raum<br />

nicht mehr gross genug ist, um darin stehen zu können. Der Schluss des<br />

Gewölbes wird von oben bewirkt; eine Hauptsache bleibt, die einzelnen Backsteine<br />

gut in ihren Fugen und Lagern mit Gypsmörtel zu verbinden, denn<br />

hiervon hängt die Festigkeit und Dauer des Gwölbes besonders ab. Ist das<br />

Gewölbe gänzlich vollendet, so wird es entweder mit kleinen Backsteinen bis<br />

in den Scheitelpunkt der oberen Leibung abgeglichen, oder man bringt solche<br />

Hintermauerung nur in Entfernungen von nahezu 1 m)n der Form kleiner<br />

Spornmauern von auf die breite Seite gelegten Backsteinen an.<br />

. Die Tragfähigkeit sowohl als auch Widerstandsfähigkeit solcher Gewölbe<br />

ist nach Rondelets Ausspruch eine ausserordentlich 'grosse und wird von ihm auf<br />

eine Abhandlung des Grafen d'Espie verwiesen, welche derselbe 1759 über<br />

diese Art von Gewölben herausgegeben hat. Unter den Erfahrungen, welche<br />

der Graf s e l b s t an einem Gewölbe a imperiale gemacht hat, führen wir nur<br />

ein Beispiel vor:<br />

Ein eben fertig gewordenes Gewölbe über einen Raum von 7 m im<br />

Quadrat wurde in der Mitte mit 1750 grossen Backsteinen, von denen jeder<br />

12,5 kg wog, also mit einem Gewichte von 21 875 kg, belastet; als das<br />

Gewölbe nach zweitägiger Belastung wieder entlastet wurde, zeigte sich nicht<br />

die geringste Veränderung ,obwohl das Gewölbe eine Hintermauerung noch<br />

nicht erhalten hatte. '<br />

Die vorzüglichen Erfahrungen, die man namentlich im südlichen Frankreich<br />

mit dem dort vorhandenen Gyps als Mörtel machte, führte auch dazu,<br />

ganze Dachungen aus übereinander gelegten und verdoppelten gebrannten Fliesen,<br />

meistens in der Grösse von 0,24 m im Quadrat und 0,03 m dick auszuführen.<br />

Auch diese Dachungen bewährten sich so vollständig, dass man sie bei der<br />

bekannten Halle im ble in Paris in grossartigem Mass stabe zur Anwendung<br />

brachte *).<br />

4. D a s K r e u z g e w Ö1b e.<br />

Das Kreuzgewölbe bildet sich wie das Klostergewölbe, indem zwei gleich<br />

hohe Cylinder sich so durchdringen, dass sämmtliche Umfassungsmauern zu Schildmauern<br />

werden; in der Fig. 217 (S. 158) ist ein quadratischer Raum dargestellt,<br />

dessen Gewölbefelder a a und bb beziehungsweise durch die umgelegt gedachten<br />

Cylinder a l und b l gebildet sind; die Durchdringungskurven, die hierdurch sich<br />

ergeben, bilden in der Horizontalprojektion gerade Linien, stellen jedoch in<br />

Wirklichkeit Ellipsen dar, welche die sogenannten Gräte bilden. Fig. 218 (S. 158)<br />

giebt hievon eine isometrische Zeichnung. Die 'Widerlager liegen in den<br />

vier Ecken entweder in der Richtung der Diagonalen bei c oder in der<br />

Richtung der zerlegten Kräfte nach Cl Cl. Zur Darstellung der Kreuzgewölbe<br />

*) Weitere Erstaunen erregende Resultate über diese Art der Gewölbe finc1en sich<br />

in Puondelet. Band H. S. 32'10-327 mit Tn,1el LXVII u. LXVIII.


158 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

werden auch wohl elliptische oder auch Spitzbögen gewählt; bei Anwendung<br />

von flachen (Segment-)Bögen entstehen die Kr e u z kap p eng e w ö 1b e.<br />

Den Kreuzgewölben giebt man, wenn sie nur geringe Spannweite besitzen,<br />

eine gleiche Gewölbestärke von 1/2 Stein, ohne weitere Gratverstärkung ; eine<br />

solche tritt in der Regel erst bei Gewölben ein, die über 4 m weite Räume<br />

gespannt sind;<br />

bis zu 6 m Spannweite giebt man den Gewölbefeldern durchgängig 1/2 Stein<br />

Stärke,<br />

bis zu 9,5 m Spannweite erhalten die Gewölbefelder im Scheitel 1/2 Stein,<br />

werden aber nach den Kämpfern zu um 1/2 Stein verstärkt,<br />

bei Spannweiten bis zu 18 m wird eine solche Verstärkung nach den<br />

Kämpfern zu bis auf 1 1 /<br />

2 Stein gewählt.<br />

Den 1 1 /<br />

2 Stein breiten Gräten<br />

giebt man 1 Stein Stärke und<br />

verstärkt sie nach den Kämpfern<br />

zu bei grössern Spannweiten um<br />

1/2 beziehungsweise um 1 Stein.<br />

Für die 'Widerlager wählt<br />

man bei gedrückten elliptischen<br />

und halbkreisförmigen Kreuzgewölben<br />

zur Stärke 1/4 bis 1/6 der<br />

Diagonallänge; bei überhöhten<br />

und spitzbogigen 1/5 bis 1/7;' bei<br />

i "<br />

\ /<br />

\ /<br />

\, '<br />

/<br />

'."....... ,--'<br />

".,........ __..._--------_.///<br />

Fig. 217.<br />

Fig. 218.<br />

'Widerlagern, die höher als 2,5<br />

bis 3 m sind, ist die Stärke um<br />

1/ 8 bis 1/ 10 der Widerlagshöhe zu<br />

vermehren.<br />

Die graphische Darstellung<br />

eines einfachen Kreuzgewölbes ohne<br />

Stich und ohne verstärkten Grat<br />

hat keine Schwierigkeiten; in den<br />

Grundriss (Fig. 219 S. 15D) werden<br />

die Gratlinien einpunktirt;<br />

die Durchschnitte nach der Linie<br />

a bund d c sind in sofern leicht<br />

zu zeichnen, als wir es hier nur<br />

mit der einfachen horizontalliegenden<br />

Cylinderform zu thun haben;<br />

dennoch möchte hier noch bemerkt<br />

werden, dass in diesen Schnitten<br />

der Wandbogen ef g durch die<br />

beiden halben Gratbögen e bund<br />

bg vollständig gedeckt erscheint;<br />

auch der Diagonalschnitt, welcher<br />

die eine der Gratlinien in ihrer<br />

wirklichen Gestalt, die andere als gerade Linie giebt und ausserdem die<br />

Hintermauerung erkennen lässt, verursacht in seiner Darstellung keine Schwierigkeiten,<br />

wie dies die beigegebenen Schnitte erkennen lassen.<br />

In den meisten Fällen giebt man den Kreuzgewölben aber " ein e n<br />

S ti eh", d. h. man bildet das Kreuzgewölbe aus vier gegen die Mitte hin<br />

aufsteigenden Cylinc1erstücken, und wählt als Mass dieses Aufsteigens wohl den


160 I. Maurer- und Steinmetzal'beiten.<br />

Um das Wesen eines solchen Kreuzgewölbes mit Stich vollständig klar<br />

zu machen, dient die in isometrischer Darstellung beigegebene Fig. 221; als<br />

Stich ist die Höhe von X angenommen, und ergeben sich hieraus die aufsteigenden<br />

Cylinderaxen ab, c b, d bund e b mit den Punkten 1, 2, 3, 4 als<br />

Mittelpunkte der diese Cylinder bildenden und eingezeichneten Halbkreise mit<br />

ihren Halbmessern 11', 22', 33', 44'; wo diese Kreisbögen sich gegenseitig<br />

schneiden, bilden sich die entsprechenden Punkte für die Gräte; dieselben<br />

Punkte lassen sich auch ermitteln aus den gleich hoch liegenden Mantellinien,<br />

welche selbstverständlich parallel der Cylinderaxe laufen; solche Mantellinien<br />

sind f 9 und hg, i kund l k , m11, und 0 n, endlich p q und r q und ergeben<br />

in g, k ,n, q Punkte der Gratlinie ; diese Punkte entsprechen auch wieder<br />

der Lage von g', k", n', q' der in die Figur eingetragenen Horizontalprojektion.<br />

Die Mantellinien im Scheitel des Gewölbes p qp und r q r bestimmen zu<br />

gleicher Zeit den Scheitelpunkt des steigenden Kreuzgewölbes in q und<br />

bilden eine gegen den Scheitelpunkt aufsteigende Schnittlinie; ein Schnitt nach<br />

der Linie 0 n n 0 bildet im mittleren Gewölbefeld eine Kreisbogenlinie n n,<br />

während 0 n und no parallel r q und qr sind.<br />

Nach dieser Darstellung möchte der wirkliche Schnitt in Fig. 220 hinreichend<br />

erklärt sein, und ergiebt sich für die richtige und leichte Darstellung<br />

der Gratlinie , dass die Stichhöhe bei x angetragen wird und die betreffenden<br />

Ordinaten 1', 2', 3', 4' um die sich ergebende Stichhöhe verlängert werden.<br />

)"Vas die praktische Ausführung der einfachen Kreuzgewölbe ohne Stich<br />

anbetrifft, so lässt sich dieselbe sehr leicht mit einer vollständigen Gewölbeeinschalung<br />

bewerkstelligen; hierzu sind für die vier -VVandbögen VV ö 1b ­<br />

s c h e i b e n , wie solche auf Seite 97 beschrieben wurden, aufzustellen, und<br />

bilden zwei derselben das Auflager für eine vollständige Schalung nach Art


164 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

dies ist III der Fig. 2 geschehen, woselbst der Diagonalgrat in der Horizontalund<br />

Vertikalprojektion genau in seiner Form entwickelt wurde.<br />

Die innere Gratlinie ABC in der Horizontalprojektion ist in der Vertikalprojektion<br />

in der zusammengesetzten Kurve AI BIO' ersichtlich, und gehört<br />

der halbe Gratbogen A' BI einer Ellipse an, welche die Linie aß y, mit den<br />

Brennpunkten Y Va zur grossen Axe und die Linie ß0 zur kleinen Axe hat;<br />

der andere halbe Gratbogen BI 0' hat dagegen a' ßy', mit den Brennpunkten<br />

yl Vlo zur grossen Axe, ß0 1 zur kleinen Axe; die Stichhöhe des Gewölbes<br />

ist 0 ß.<br />

Bei Anwendung von Backsteinen wird nun der Grat in der Regel<br />

1 1/ Stein breit und 1 Stein hoch gemacht, und sind diese Masse auch in der<br />

2<br />

in Rede stehenden Konstruktion gewählt; an diesen Grat als Widerlager<br />

müssen sich nun die einzelnen Gewölbschichten normal anlegen. Um die<br />

Fugenrichtungen für den gewölbten elliptischen Grat bestimmen zu können,<br />

sind die Brennpunkte V Va respektive yl Ya I von wesentlichem Nutzen, denn durch<br />

sie und mit Hülfe der einpunktirtcn Linien werden die Fugenrichtungen D AI,<br />

ab, cd, ef, g h, i k, i' k', gl h', e l [', Cl d', a l b' und D' 0 1<br />

leicht gewonnen.<br />

Denkt man sich in allen diesen Fugenrichtungen nicht nur den Grat, sondern<br />

auch das Gewölbe geschnitten, so ergiebt sich eine Reihe von Norrnalschnitten,<br />

durch welche es klar wird, dass die Form des Grates eine stets variable sein<br />

muss, da in jeder anderen Gratschicht die Gewölbeschicht sich in verändertem<br />

Winkel anlegt.<br />

Betrachtet man beispielsweise den Normalschnitt des Grates in d' d in der<br />

Vertikalprojektion, so wird diese Schnittlinie auf der inneren Leibung des Gewölbes<br />

die Kurve n n l n" in der Horizontalprojektion geben; diese Kurve lässt<br />

sich .ermitteln mit Hülfe der angenommenen Mantellinien rnm, mi m', m" m",<br />

welche alle durch dl Cl geschnitten werden; hier sinc1in beiden Projektionen<br />

für die betreffenden Hülfslinien gleiche Buchstaben gewählt. Diese Mantellinien<br />

laufen in der Vertikalprojektion parallel der Cylinderaxe, hier m m,<br />

m' 111/, m't m" parallel mit ß0°. Wird endlich der Grat-Normalschnitt in dl c'<br />

umgeklappt gedacht, wobei die Hülfslinien n n, n' n', n" n" in der Vertikal­<br />

projektion eine zu dl Cl normale Lage annehmen, so lässt sich an diese um­<br />

geklappte Schnittlinie die wirkliche 1/2 Stein starke Gewölbeschicht antragen<br />

und auch die Gratform . kann leicht ermittelt werden, da diese sich der Grösse<br />

von, 1 1 / 2 Stein Breite und 1 Stein Höhe anpasst, und zwar in der Art, ßass<br />

sich, wie bereits erwähnt, die Gewölbschicht normal an den Grat anlegt.<br />

Hierbei ist zu bemerken, dass in den umgeklappten Normalschichten des Grates<br />

inder Vertikalprojektion jedesmal die ganze Grösse von 1 1 / 2 Stein Breite und<br />

1 Stein Höhe einpunktirr ist.<br />

Wie nun der Normalschnitt dl Cl . in seiner wirklichen Form durch Umklappung<br />

mittelst angenommener Mantellinien gefunden wurde, so werden auch<br />

die andern Normalschnitte des Grates in 0 1 DI, b' o', f' e', h l gl, i l k' in gleicher<br />

Weise ermittelt, wie dies mit Hinweglassung der Hülfslinien an den betreffenden<br />

Stellen in der Vertikalprojektion geschehen ist. Das Uebertragen dieser<br />

Normalschnitte in die Horizontalprojektion ist mit besonderen Schwierigkeiten<br />

nicht verknüpft, und sind auch hier bei Schnitt cl l c' übereinstimmende Buchstaben<br />

für die nothwendigen Hülfslinien gewählt (n n, n' n', n" n'I).<br />

Betrachtet man nun den Grat-Normalsohnitt cl' Cl in seiner wirklichen Form<br />

in der Umklappung, wie auch in seiner Horizontalprojektion, so tritt der Grat,<br />

sich nach oben stark verjürgend, um nahezu 1/3seiner Höhe über das 1/2Stein starke Gewölbe hervor; im Normalschnitt ccl b' dr.gegen versenkt sich der sonst


166 1. Maurer- und Steinmetearbeiten.<br />

N ach dieser Entwickelung des rundbogigen Kreuzgewölbes mit verstärkten<br />

Gräten und Stich über einem quadratischen Raum kann es wohl keine<br />

Schwieriakeit mehr haben, solche Gewölbe auch über andere reguläre Grund-<br />

'" '<br />

rissformen, wie Sechs- und Achtecke etc. zu konstruiren.<br />

Tafel XIV stellt ein solches Gewölbe über einem regulären achtseitigen<br />

Raum in den Figg. 1, 2 und 3 dar.<br />

Im Grundrisse Fig. 1 ist der 5,50 m (im Schnitte AB) messende achtseitige<br />

Raum in seinen 2 Stein starken, mit Strebepfeilern verstärkten Umfassungsmauern<br />

allseits mitte1st Rundbögen durchbrechen, zu welchen die Wandbögen<br />

des Gewölbes parallel sind.<br />

In Fig. 2, dem Durchschnitte nach der Linie AB, erscheint nur der<br />

Wandbogen über a a in seiner wirklichen Rundbogenform , und ergiebt sich<br />

die Form des Gratbogens, die im Grundrisse mit der dazu gehörenden Stichhöhe<br />

von x einpunktirt ist, am einfachsten dadurch, dass diese Stichhöhe unmittelbar<br />

in Fig. 2 von b nach b', von b' nach a übergetragen wird. Theilt man ab<br />

sowohl in Fig. 1 als auch in Fig. 2 in beliebig viele Theile, welche im gegebenen<br />

Falle mit 4, 3, 2 und 1 bezeichnet sind, so geben die betreffenden<br />

Ordinaten der dazu<br />

linie ab' a (Fig. 2).<br />

gehörenden Stichhöhen die spitzbogig aufsteigende Grat­<br />

In ganz gleicher Weise lässt sich die Gratlinie b Ct' sofort darstellen, wenn<br />

auch hier die Stichhöhe x von b nach b' (Fig. 2) aufgetragen, und in ihrem<br />

weiteren Verlauf von hier nach a' einpunktirr wird; die Linie ba' im Grund:<br />

risse und im Durchschnitte mit gleicher Theilung 4', 3', 2/ und 1/ versehen,<br />

giebt die gleich hohen Ordinaten mit den betreffenden Stichhöhen der ersten<br />

Gratzeichnung , da selbstverständlich in einem achtseitigen regulären Raume<br />

sämmtliche Gräte ein und dieselbe Form haben, die sich nur in den verschiedenen<br />

Lagen verschieden projiciren.<br />

In Fig. 3, dem Durchschnitte des Raumes nach 0 D (Fig. 1), ist das<br />

Gewölbe in einer der Gratlinien selbst geschnitten, und zeigt dieser Schnitt<br />

die wirkliche Gestalt des Grats, während die Gratlinie, die im rechten Winkel<br />

zum Schnitte steht, in dieser Projektion eine gerade Linie bildet; in Fig. 3<br />

wird auch ein Theil der äussern Leibung des Gewölbes sichtbar.<br />

Bei der graphischen Darstellung eines solchen Gewölbes hat' man es, wie<br />

bei den meisten Gewölben, mit einer mehr oder weniger schwierigen Aufgabe<br />

der darstellenden Geometrie zu thun; nur durch wirkliche Uebungen im<br />

Zeichnen von verschiedenen Gewölbekonstruktionen kann ein vollständiges Verständniss<br />

dafür gewonnen werden!<br />

Eine eigenthümliche Behandlung der Kreuzgewölbe findet man in den<br />

beiden Abteikirchen St. Trinite und St e- Stephan in Caen; beide stammen aus<br />

dem Anfange des XII. Jahrhunderts,<br />

angelsächsischen Stile an.<br />

und gehören dem normännischen oder<br />

Die Kreuzgewölbe des Mittelschiffs von St. Trinite sind ohne vorspringende<br />

Diagonalrippe und ohne Stich ausgeführt und nur die Wand- und<br />

Quergurten besitzen in ihrer untern Leibung breite und ziemlich kräftig vorspringende<br />

Profile. Fig. 226 (S. 167) stellt ein Stück eines solchen Kreuzgewölbes<br />

im Grundrisse und Durchschnitte dar. Das ziemlich weit gespannte Gewölbe wird<br />

in seinem Scheitel, in a a , . mitte1st einer rundbogigen Quergurtrippe , die eine<br />

vertikale Aufmauerung bb erhalten hat, unterstützt. Fig.227 (S. 167) möge<br />

durch ihre isometrische Darstellung diese eigenartige Konstruktion weiter<br />

erklären.


170 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

in höherem Grade zu betonen, während Fig. 233 (S. 169) wohl nur dann<br />

Anwendung finden dürfte, wenn die Grösse des zu überwölbenden Raumes die<br />

Vieltheilung motivirt,<br />

Eine eigenthümliche Anordnung der Sternrippen giebt Fig. 234 (S. 16'9);<br />

dieselbe ist dem Seitenschiffe der Frauenkirche in München entnommen; trotz der<br />

scheinbaren Willkürlichkeit tritt uns hier doch eine Form entgegen, die einer<br />

strengen Konstruktion ihr Dasein verdankt. Fig. 235 ist aus der Durchdringung<br />

zweier Dreiecke entstanden, während bei Fig. 236, 237 und 238 die achtzackige<br />

Sternform sich geltend macht.<br />

Fig. 235.<br />

Fig. 237.<br />

Fig. 239.<br />

Fig. 236.<br />

Fig. 238.<br />

Fig. 240.<br />

Fig. 239 und 240 giebt das Rippenwerk , das in den Seitenschiffen des<br />

Ülmer Münsters eine so überraschend reiche Wirkung hervorruft; hier finden wir<br />

den ganzen Raum in sehr viele, aber ziemlich gleichgrosse Felder zerlegt, so<br />

dass deren Rippen das ,Ansehen eines den Raum überspinnenden Netz 3S &8/-


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 171<br />

winnen und daher auch wohl Ne t z g ew öl be genannt werden. Fig.241, 242,<br />

243 und 244 gehören dem Dome von St. Stephan in 'Wien an; erstere sind<br />

den Seitenschiffen, die beiden andern dem Mittelschiffe entnommen, während<br />

die Figg. 245 und 246 Gewölbefelder darstellen, wie sie in der interessanten<br />

Fig. 241.<br />

Fig. 243.<br />

Fig. 245.<br />

. Fig. 242.<br />

Fig.24-1.<br />

Fig. 246.<br />

Domkirche von Kaschan aus der Mitte des 14. Jahrhunderts zur Ausführung<br />

gebracht wurden.<br />

Die hier vorgeführten Beispiele geben den 'Beweis, wie unendlich mannigfach<br />

die Stern- und Netzgewölbe sich gestalten lassen, und nimmt diese Mannigfaltigkeit<br />

einen noch erhbateren Grad an, wenn man bedenkt, dass bei diesen


176 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

die, um sie in ihrer natürlichen Form darstellen zu können, um den Punkt a<br />

nach af' (im Grundrisse) gedreht wird. Da sämmtliche Hauptrippen normal aus<br />

I<br />

I:<br />

I<br />

/<br />

;/<br />

Fig. 251.<br />

ihrem "Widerlager heraustreten sollen, 'so müssen dieselben in den meisten Fällen<br />

eine S tel z e erhalten; ·für die fingirte Rippe ist diese Stelze durch das Bogenstück<br />

a y mit x als Mittelpunkt gewonnen, sie selbst aber wurde durch yf"<br />

mit dem Mittelpunkte v in der Weise ermittelt, dass durch sie gleichzeitig die<br />

konformen Hauptrippen gegeben erscheinen. Dreht man die Hauptrippen um<br />

a so, dass (im Grundriss) der Punkt c nach c' fällt, so ergiebt sich durch<br />

eine Normale Cl c' die Bogenlinie a y" Cl als wirkliche Form für die Hauptrippen,<br />

während die Höhendifferenzen von b, Cl, f" die entsprechenden Stiche für die<br />

Gewälbefelder, beziehungsweise für die Liemen abgeben. Der Mittelpunkt für<br />

den Bogenstich, den die Liernen erhalten, befindet sich in unserer Figur in «'.<br />

N achdem die wirklichen Bogenformen für d.ie Hauptrippen ermittelt sind,<br />

lassen sie sich leicht in ihren Verkürzungen graphisch richtig darstellen, wie<br />

I,<br />

f<br />

I<br />

l<br />

c


178 1. Maurer- und Steinmetz arbeiten.<br />

seiner Zerlegung in kleinere Gewölbefelder wurde das Mittelfeld durch die<br />

Rippen x b und X cl und die Liernen bc und cl e und durch das dazu gehörige<br />

Kranzstück begrenzt; durch die fingirt angenommene Diagonalrippe x f wird<br />

der 'Winkel b x d in zwei gleiche Theile getheilt.<br />

Die nächste Aufgabe 1st es nun, die wirkliche Form der einzelnen Rippen<br />

und Liernen festzustellen, und dies hat zu geschehen für die Wandrippen x a<br />

und xe, für die Hauptrippen X b und X cl, dann für die fingirt angenommene<br />

Diagonalrippe x f. Um von vornherein die Bedingung zu erfüllen, dass sämmtliehe<br />

Bogenlinien normal aus ihrem Widerlager aufsteigen, ist eine Stelze in<br />

dem Bogenstücke x' 0 mit dem Centtalpunkte y angenommen, und ist diese<br />

Stelze bei allen andern Rippenbögen ein und dieselbe. Giebt man der Wandrippe<br />

x e die gewünschte Spitzbogenform x' 0 e' , mit der Stelze x' 0 und dem<br />

Bogen 0 e, aus dem Mittelpunkte Z gezogen, so ist es nothwendig, für die<br />

Hauptrippen X d und X b einen Bogen zu wählen, in welchem die Punkte cl<br />

und b zwar auf gleicher Höhe) jedenfalls aber höher als der Punkt e' liegen,<br />

d. h. diesen Bögen muss ein sogenannter Stich gegeben werden;' von dieser Stichhöhe<br />

hängt aber die spätere Einwölbung der Gewölbefelder in der Art ab,<br />

dass bei unrichtiger Wahl dieser Stichhöhe das Gewölbefeld nur zu leicht eine<br />

gebrochene Fläche erhält; um dies von .vorneherein zu vermeiden, dient die<br />

fingirt angenommene Diagonalrippe, deren Punkt g (siehe Grundriss) die gleiche<br />

Höhe von b und cl zu geben ist. Dreht man den Punkt g nach g' und konstruirt<br />

für X g' den betreffenden Spitzbogen Xl 0 g" (im Durchschnitt), wobei die<br />

Höhendifferenz von g" und e' der Stich für das Gewölbefeld B ist, so besteht<br />

dieser Bogen aus der Stelze x' 0 und dem Bogen 0 q", dessen Mittelpunkt sich<br />

in z' ermitteln lässt; wird der Punkt f (im Grundriss) der fingirten Diagonalrippe<br />

nach f' gedreht und dann die wirkliche Form dieser Diagonalrippe entwickelt,<br />

so erhält man den Bogen x' 0 f" (im Durchschnitt), wobei die Höhendifferenz<br />

von g" und f" die Stichhöhe ergiebt, die den beiden Liernen, die an<br />

den Schlusskranz . sich anschliessen , zu geben ist. Das Feststellen der wirklichen<br />

Form der Hauptrippen X b und x cl ergiebt sich im erstern Fall im<br />

Drehen der Linie X b nach x b', im zweiten Fall im Drehen der Linie x cl<br />

nach x cl'; von b' beziehungsweise cl' erglebt eine Normale die Scheitelpunkte<br />

der betreffenden Spitzbögen in b" und cl", deren Stelze wiederum x' 0, und<br />

deren Mittelpunkte in e" und beziehungsweise in z zu ermitteln sind. Endlich<br />

wird es sich noch darum handeln, .die wirkliche Form für den Wandbogen X a<br />

zu bestimmen. Ehe man hierzu schreitet, ist in Erwägung zu ziehen, in<br />

welcher Weise die Gewölbefelder A A am vortheilhaftesten einzuwölben sind.<br />

Die zweckmässigste Lage der einzelnen Gewölbeschichten in den Feldern A A<br />

ist im Grundriss durch Strichlagen angedeutet, und dementsprechend ist es<br />

wünschenswerth , dass die Punkte hund h , h' und h', a und h" je gleiche<br />

Höhe besitzen, nach welcher Bedingung dann der Wandbogen x a seine Form<br />

erhält. Dreht man die Linie X a in die Lage x a'', so giebt eine Normale in<br />

a'" den Scheitelpunkt des zu ermittelnden Wandbogens mit der Stelze x' 0 und<br />

dem Centralpunkt Z".<br />

Sind sämmtliche Rippenbögen in ihrer wirklichen Form und Grösse ermittelt,<br />

so lassen sich dieselben leicht in die betreffende Projektion überführen.<br />

Die Form der Liernen , ergiebt sich aus deren Stichhöhe (der Höhenunterschied<br />

von den auf gleicher Höhe liegenden Punkten b" g" cl" und dem<br />

Punkte f") und ihrer Spannweite mit dem Centralpunkte in r,<br />

Die Enhyickelung der wirklichen Form von sämmtlichen Rippen und<br />

Liernen ist bei iedem Sterngewölbe schon deshalb zu ermitteln, weil nach der-


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 181<br />

deren Scheitelpunkt in der Linie cl cl' und zwar in der Höhe von c' liegen, und<br />

ist dieser Punkt mit cl' bezeichnet. Der obere Theil der ,Yanclrippe Cl eist<br />

mitte1st des Radius a' b= c+ C' dargestellt; dieser einmal gewählte Radius wird nun<br />

für sämmtliche andere Rippen in der Art beibehalten, dass seine Länge beispielsweise<br />

für den Bogen Ci cl von cl' auf die Kreislinie nach d+ aufgetragen wird;<br />

d+ ist dann der Mittelpunkt für den Bogen 0 cl', dem die Stelze a' 0 angehört.<br />

In gleicher Weise werden die Hauptrippenbögen a c und Cl f in wirklichen<br />

Grössen gefunden, wobei die betreffenden Stichhöhen zu berücksichtigen sind.<br />

Im gegebenen Falle ist e nach eO und f nach (0 (im Grundriss) gedreht, in<br />

elen Senkrechten eO e' Leziehungsweise in t" f' liegen dann die Scheitelpunkte<br />

dieser Rippenbögen und zwar mit einem Höhenunterschiede von c' e', beziehungsweise<br />

cl' f'; wird von e' beziehungsweise f' mit dem ursprünglich angenommenen<br />

Radius a' b die Kreislinie in e+ und t: geschnitten, so ergiebt sich für<br />

die Hauptrippe a e der Bogen a' e e', und für die Hauptrippe Cl f 'der Bogen a,' Cf f';<br />

ersterer mit der Stelze a' e, letzterer mit der von Cl' p.<br />

Soll endlich die Diagonalrippe a' g in ihrer wirklichen Grösse ermittelt<br />

werden, so dreht man g nach gO und bestimmt auf der Senkrechten gO g' deren<br />

Scheitelpunkt unter Rücksichtnahme der diesem Punkte zu gebenden Stichhöhe<br />

in g'; von g' der gleiche Radius c' c+ auf die Kreislinie übergetragen, ergiebt<br />

dann mit den Mittelpunkten g+ und y die gestelzte Hauptdiagonalrippe a' yg'.<br />

Sind sämmtliche Rippen in ihrer wirklichen Grösse und Form ermittelt, so<br />

lassen sie sich leicht für die Darstellung verschieden angenommener Schnitte<br />

verwerthen.<br />

Die hier vorgeführten Beispiele, das Rippensystem bei Sterngewölben<br />

richtig anzuordnen, lassen leicht erkennen, dass es vor Allem darauf ankommt)<br />

sämmtlichen Rippen eine durchaus sichere Verspannung<br />

zug e b e n , und aus diesen Gründen sind die sogenannten geraden Stiche<br />

fast ausnahmslos unverwendbar , und müssen durch Bogenstiche ersetzt werden;<br />

immerhin gehört eine grosse Umsicht und eine durch viele Konstruktionsübungen<br />

gewonnene Klarheit dazu, in allen Fällen, besonders bei sehr kompIizirten<br />

N e t z g e w ö I b e n , sofort das Richtige zu treffen.<br />

Beschränken sich jedoch die N e t z g e w ö I b e, wie das sehr häufig der<br />

Fall ist, in ihrer Hauptform auf das 'I'onnengewölbe, so treten alle Schwierigkeiten<br />

in bezug auf ihre Anordnung sowohl, als auch in bezug auf ihre leichte<br />

und praktische Ausführung zurück. In vielen Fällen erhalten die Netzgewölbe die<br />

spitzbogige Tonnengewölbeform, mit grössern oder kleinem spitzbogigen Schildern,<br />

mit oder ohne Stich.<br />

Fig. 255 (S. 182) stellt das Liniensystem eines solchen Netzgewölbes<br />

im Grundriss, Quer- und Längenschnitt dar. Die im Grundriss angeordneten<br />

Re i h u n gen, dann die Schild- und Wandrippen. wie ab, b Cl', Cl c, ca', c bete.<br />

sind bei der gegebenen Querschnittform leicht im Längenschnitt zu ermitteln<br />

und wenn nöthig, in ihrer wirklichen Grösse und Form herauszutragen. Solche<br />

Reihungen werden dann, wie dies die Fig. 256 (S. 183) weiters darstellt,<br />

mitteist Rippenformsteine ausgeführt, und die zwischen den Rippen freigebliebenen<br />

Felder später mit flachem Busen eingewölbt. Zur leichteren Orientirung<br />

sind in den verschiedenen Projektionen sämmtliche Kreuzungspunkte der<br />

sich gegenseitig verspannenden Rippen mit gleichen Buchstaben bezeichnet,<br />

während der Bogen Cl" c" d' eilf" die Schablone für die nothwendigen Lehrbögen<br />

abgiebt. .<br />

Eine weitere Erörterung möchte unnöthig erscheinen!<br />

Nach diesen E'.l'l1terungsn wird es wohl statthaf] sein j auf die spezielle


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 189<br />

vielfach mit einander verspannt, am Gewölbe eine Formenfülle zeigte, wie sie<br />

bei keiner andern Art der Gewölbe wieder anzutreffen ist. Geradezu staunanswerth<br />

ist aber die Art und Weise,<br />

in der wir einzelne dieser Gewölbe<br />

ganz in Hausteinen mit dem routinirtesten<br />

Steinschnitt ausgeführt finden,<br />

während das dekorirende reiche<br />

Masswerk erst später in die Gewölbedecke<br />

eingemeisselt zu sein scheint;<br />

solche Anordnungen treten freilich<br />

aus dem Rahmen der eigentlichen<br />

Rippengewölbe heraus, da bei ihnen<br />

der konstruktive Charakter der ein<br />

selbstständiges Netzwerk bildenden<br />

Rippen vollständig illusorisch wird.<br />

Auf Tafel XIX Fig. 4 ist eine<br />

Skizze gegeben, in welcher Weise in<br />

englischen Kathedralen, KlÖstern und<br />

Colleges die Fächergewölbe häufig<br />

zu gleicher Zeit h ä n gen d e G e ­<br />

w ö 1b e bildeten, indem die sonst<br />

wohl das mittlere Gewölbe stützende<br />

Rundsäule fortblieb. In diesem Falle<br />

wurde ein oft tiefherabhängender reich<br />

dekorirter Schlussstein von kräftigen,<br />

das Gewölbe. weit überragenden Spitzbögen<br />

mittelst starker Eisenstangen<br />

in Schwebe gehalten, eine Konstruktion,<br />

die in ihrer formalen Erscheinung<br />

geradezu den Eindruck des<br />

Wunderbaren hervorzurufen im Stande<br />

Fig. 259.<br />

ist. Mit welcher echt englisch - nationalen Zähigkeit die einmal beliebte Form<br />

unter U eberwindung der grössten Schwierigkeiten zur Ausführung gebracht wurde,<br />

möge die Fig. 260 (S. 190) andeuten.<br />

Wir haben es hier mit der Lady - Kapelle in der Kirche von Candebed<br />

nördlich von Rouen gelegen zu thun*); das hier stark gothisirte Fächergewölbe<br />

mit seinem tief sich herabsenkenden Widerlagsknauf ist aus einem kräftigen<br />

Steinstück herausgearbeitet, allseitig von Spitzbögen oberhalb des Gewölbescheitels<br />

getragen und durch Anordnung weiter Bögen vollständig verspannt.<br />

Aus diesem' Beispiele routinirtester Steinmetzenkunststücke geht weiters die<br />

interessante Thatsache hervor, dass sich die Fächergewölbekonstruktion bis in<br />

die Mitte des 15 . Jahrhunderts erhalten hat; aber auch in diesem Beispiele ist<br />

die konstruktive Bedeutung der Rippe durchaus in den Hintergrund getreten.<br />

Wir können die Besprechung über das Fächergewölbe nicht schliessen,<br />

ohne noch zu erwähnen, dass die formale Erscheinung dieser zierlichen Gewölbe<br />

Veranlassung dazu gegeben hat, im Schlosse von Babelsberg , das im<br />

englisch-gothischen Stile von Persius erbaut wurde, die Decke des Bibliothekzimmers<br />

nach den Motiven der Fächergewölbe durchzubilden, auf Tafel XIX<br />

*) Pugin and Le Eeux's Specimens of the Architectural antiquities of Normandy;<br />

Plate LXIV u. LXV.


190 I. Maurer- und Steinmetz arbeiten.<br />

Fig. 6 u. 7 ist ein Stück dieser Decke im Grundrisse und einer isometrischen Ansicht<br />

dargestellt; die herabhängenden Knäufe sind frei durchbrochen, das andere<br />

Rippenwerk ist weiss, mit hellblauen Füllungen*).<br />

Fig. 260.<br />

Das Ku p p e1g e w Ö1b 8.<br />

Die ältesten K u p p el g e w ö I b e wurden über Räumen konstruirt, welche<br />

im Grundrisse die Kreisform besassen, und wählte man dazu die einfache Form<br />

der Halbkugel; die den kreisrunden Raum umschliessende Ringmauer ist demgemäss<br />

ihrem ganzen Umfange nach Widerlagsmauer, und lässt sich das ganze<br />

Gewölbe von seinem Mittelpunkte aus leicht in eine beliebige Anzahl Ringschichten<br />

zerlegen, wobei jeder sich bildende Kranz seine vollständige Verspannung<br />

erhält; die Fig. 261 (S. 191) giebt hiervon ein erklärendes Bild.<br />

Sämmtliche Lagerfugen sind gegen den Mittelpunkt .der Halbkugel gerichtet,<br />

während die Stossfugen in senkrechten Ebenen liegen, die gleichfalls<br />

durch den Kugelmittelpunkt gehen.<br />

Statt der Halbkugel verwendet man für das Kuppelgewölbe auch wohl<br />

ein halbes Ellipsoid, in der Regel mit vertikal gerichteter grosser Axe, wie dies<br />

in Fig. 262 angedeutet ist; auch der Spitzbogen findet hier Anwendung.<br />

Grösseren Kuppeln giebt man wohl, statt eines Schlusssteines im Scheitel,<br />

oder Nabels, eine Lichtöffnung und sichert dieselbe durch die Anordnung eines<br />

*) Das Schloss Babelsberg bei Potsdam , von Strack und M. Gottgetreu heraus-<br />

NONOhOYl 'R1"Yl


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 193<br />

Tambour, in unserer Figur in der Höhe von a h, ((I b l ein , dessen Höhe sehr<br />

verschieden gewählt werden kann.<br />

Soll ein mit einem Kuppelgewölbe überdeckter Raum durch eine Fenster­<br />

.reihe beleuchtet werden, die höher als der Anfang der Kuppel liegt, so erfordert<br />

dies die Anlage von S ti c h k a p P e n, ähnlich wie wir sie früher beim<br />

Tonnengewölbe kennen gelernt haben. Als Form dieser Stichkappen wird<br />

man bei dem centralen Charakter dergleichen räumlicher Anordnungen wohl<br />

immer die Kegelform wählen und zwar häufig so, dass die Axen der den<br />

Lichteinfall vermittelnden Stichkappen nach dem Kuppelmittelpunkt geh en.<br />

Fig. 265.<br />

Auf Tafel XXII sind zwei derartige Konstruktionen dargestellt,. und zwar<br />

ist in Fig. 1 und 2 der Fall behandelt, wo ein Kuppelgewölbe über einem<br />

kreisrunden Raume durch Fenster beleuchtet werden soll, die auf dem zwischen<br />

Kuppel und Tambour gelegten Gesimse stehen. Die Fenster erscheinen in der<br />

äussern Flucht halbkreisförmig geschlossen und sind mit der Kuppel durch<br />

Kegelkappen vermittelt , welche die Fortsetzung der innern Fensterleibung<br />

bilden; die Axen derselben liegen horizontal und gehen selbstverständlich durch<br />

die Mittelpunkte der halbkreisförmigen Fensterstürze.<br />

Es entsteht sonach die Aufgabe, den Schnitt eines senkrechten Kreiskegels<br />

mit horizontaler Axe und zweier denselben tangirender Vertikalebenen<br />

mit der Kuppel zu suchen. Zur Bestimmung der betreffenden Durchdringungskurve<br />

bedient man sich wieder am besten vertikaler Schnittebenen, welche die<br />

gegebenen Raumfiguren nach Kreisen schneiden; im Schnitt der so zu erhaltenden<br />

beiden Schnittkurven erhält man dann jedesmal einen Punkt der<br />

gesuchten Durchdringungslinie. Zur vollständigen Bestimmung dieser Schnitt-<br />

Go t t g e t r e u, Hochbaukonst-uktioucn. 13


194 1. Maurer- und. Steinmetzarheitell.<br />

kurve ist aUSSeI' dem Grundriss und dem Querschnitte auch eine Ansicht senkrecht<br />

zur Axe des Kegels nothwendig, welch letztere im Durchschnitt Fig. 2 mit<br />

eingezeichIl;et ist. Die angenommenen Schnittebenen sind Vertikalebenen senkrecht<br />

zur Kegelaxe und ihre Spuren in den betreffenden Projektionen mit 1, 2 ... 5<br />

bezeichnet; sie sind zwischen den Punkten 0" 0" an der 'I'ambourwand, welche<br />

sich durch Eintragen der inneren Fensterleibungen in den Grundriss von selbst<br />

ergeben: undc1en Scheitelpunkten der Stichkappen (6") beliebig eingeschaltet.<br />

Die Schnittkurven dieser Ebenen mit der Kuppel (welche eine vollständige<br />

Halbkugel ist) sind Parallelkreise der letzteren: deren Mittelpunkte in 1, 2 ... 5<br />

liezen und deren Radien die Höhen 1 1+, 2 2+ ... 5 5+ (Fig. 2) sind; die<br />

b •<br />

Schnittlinien mit dem Kegel werden Kreise, mit den auf der Kegelaxe hegenden<br />

Mittelpunkten 10, 2°... 5° und den Halbmessern 1°1', 2°2' ... 5 05';<br />

für den unterhalb der Kegelaxe liegenden Theil;ler Durchdringungskurve<br />

erhält man hier als Schnitt der Vertikalebenen und der Fensterleibung gerade<br />

Linien, welche die Parallelkreise des Kegels tangiren. In der auf der Axe ce<br />

sitzenden Stichkappe sind die einzelnen Schnittfiguren an den sich durchdringenden<br />

Gewölben verzeichnet, und hierdurch die Durchdringungskurve<br />

1", 2", 3" .... 6" erhalten worden. Der den vertikalen Leibungsfiächeri der<br />

Stichkappen angehörende Theil der Schnittfigur projicirt sich im Grundriss<br />

gerade (Spur der Leibungsebene) und geht tangential in den elliptischen Theil<br />

über. Ist die Kurve für die über cc stehende Stichkappe gefunden, so erhält<br />

man die andern im Schnitt Fia. 2 am einfachsten dadurch. dass man durch<br />

v I<br />

die Punkte 1", 2" .... 6" Parallelkreise legt und auf diese die betreffenden<br />

Kurvenpunkte aus dem Grundriss projicirt,<br />

Die Figg. 3 und 4 Tafel XXII stellen ein Pendentifgewölbe über quadratischem<br />

Raum dar, dessen oberes Kuppelgewölbe ebenfalls wieder als Halbkugel<br />

angenommen ist. Die Beleuchtung soll durch aussen vollkommen kreisförmige<br />

Fenster erfolgen, die ganz in der oberen Tambourwand liegen. Es<br />

ergeben sich hierdurch Durchdringungen von elliptischen Kegeln mit kreisförmigem<br />

Vertikalschnitt mit dem Kuppelgewälbe. Die Methode zur Auffindung<br />

der Schnittlinien ist genau dieselbe wie im vorigen Fall. Es sei hier nur<br />

bemerkt, dass die Schnitte der Hülfeebenen mit der Kuppel wieder Parallelkreise<br />

mit den Mittelpunkten 1, 2 ... 5 und den Radien 1 1', 2 2' ... 5 5',<br />

diejenigen mit dem Kegel ebenfalls Kreise mit den Mittelpunkten x o , Xl •.. x 4<br />

und den Halbmessern x 0 xo, X 1 Xl ••• X 4 x 4 bilden, die in einer zweiten<br />

Projektion in Fig. 4 in ihrer wirklichen Lage dargestellt sind und in ihren<br />

Durchdringungen Anhaltspunkte für die Zeichnung der wirklichen Schnittkurve<br />

ergeben.<br />

Der linksseitige Theil der Fig. 4 giebt einige Anhaltspunkte für die<br />

praktische Konstruktion dieses Gewölbes, elie einer weiteren Erläuterung wohl<br />

nicht bedürfen.<br />

Was nun die Anordnung der Kassetten anbetrifft, so ist diese bei der<br />

Wichtigkeit einer solchen Konstruktion sowohl auf Tafel XXIII, wie auch auf<br />

Tafel XXIV spezieller dargestellt.<br />

Die Figg. 1 und 2 Tafel XXIII stellen ein Stück des Grundrisses und<br />

des Querschnitts eines Kuppelgewälbes dar, dessen innere Gewölbefiäche mit<br />

24 Kassetten in 4 übereinanderliegenden Reihen dekorirt ist; da in der Regel<br />

jedes Kassettenfeld eine kreisförmige Rosette so in sich aufzunehmen hat,<br />

dass sie vollkommen harmonisch das betreffende Feld ausfüllt, die einzelnen<br />

Felder aber gegen den Scheitel des Gewölbes immer kleiner werden, so<br />

haben sämmtliche Kassetten eine annäherungsweise quadratische Form zu erhalten.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 195<br />

Für die Anordnung der Kassetten wurden von den französischen Architekten<br />

Brunet und Rondelet einige mehr oder weniger komplizirte Verfahren<br />

angegeben, auf die hier verwiesen wird*); einfacher und schneller zum Ziele<br />

führend ist die Methode, die der französische Oberst A. R. Emy zuerst aufgestellt<br />

hat, und auf die hier näher eingegangen werden soll **).<br />

In Fig. 1 (dem Grundrisse) ist die Linie ab ein Theil des grossen<br />

horizontalen Kreises, welcher die Kämpferlinie des Kuppelgewölbes bildet und<br />

die der Kassettenanzahl entsprechend, unter Berüchsichtignng der Kassettenstege<br />

, eingetheilt werden muss. Diese Theilung ist im Grundrisse auf einer<br />

angenommenen Htilfslinie ef in der Weise vorgenommen, dass die grässeren<br />

Kreise mit den Mittelpunkten h, die kleineren Kreise mit den Mittelpunkten iden<br />

Kassetten - beziehungsweise den Steggrössen entsprechen. Sämmtliche Breiten<br />

der aufsteigenden Kassettenfelder sind dann durch gleiche Linien, wie g x gl<br />

begrenzt, und gilt dasselbe von den Stegbreiten, die sich durch Linien ergeben,<br />

wie solche die Figur in gl X gil ergiebt.<br />

Sind die Kassetten mit ihren Stegen im Grundrisse festgestellt, so lassen<br />

sich dieselben auch im Durchschnitte auf der Kreislinie al bl unter Zuhülfenahme<br />

derselben Kreise ermitteln.<br />

Zu diesem Zweck dienen die Axenlinien ee' (im Grundriss) und deren<br />

Verlängerung e" e'" (im Durchschnitt); auf der Linie e" e'" werden dann die<br />

im Grundrisse angenommenen Kreise aus hund i geschlagen, in der Weise<br />

verzeichnet, dass die Linien y Xlyl, yl Xly", y" Xl yl" . . . . . zu denselben<br />

Tangenten bilden. Diese Tangenten ergeben dann auf der Linie Cl i b l<br />

in den<br />

Punkten z e' Z" :/'1 . . . . . die Höhen sämmtlicher Kassetten und Stege, lassen<br />

sich von hier ab in den Grundriss herab projiciren , wo sie ebenfalls mit<br />

z e' e" z'" .... bezeichnet sind, und gestatten es, das gesammte Kassettennetz<br />

ohne weitere Schwierigkeit in dem Grundriss und Durchschnitt zu vollenden.<br />

Um allen Kassetten eine verhältnissmässig übereinstimmende Vertiefung zu<br />

geben, lässt sich mit Vortheil die Pyramidenform benützen, indem man sich über<br />

die annäherungsweise quadratischen Kassettenfelder Pyramiden von gleichen<br />

Höhenverhältnissen verzeichnet denkt. Sämmtliche Spitzen der unter sich<br />

ähnlichen vier übereinander liegenden Kassettenfelder liegen dann auf einer<br />

leicht zu ermittelnden Kreislinie a" b" (im Durchschnitt) und lassen sich von<br />

dort auch in den Grundriss für sämmtliche andere Kassetten übertragen. So<br />

lassen sich alle Kassetten als ein Stück einer abgestumpften Pyramide betrachten,<br />

deren Tiefe' genau nach dem Verhältnisse ihrer Höhe regulirt werden kann;<br />

im vorliegenden Beispiele verhalten sich die Kassettentiefen zur Höhe der betreffenden<br />

Pyramide wie 1 : 5.<br />

Da die angenommenen Hülfspyramiden sich sowohl in dem Grundriss als<br />

wie auch in dem Durchschnitt verzeichnen lassen, so ergeben sich hieraus fast<br />

von selbst die sonst schwierig zu ermittelnden "G ehr u n gen" für sämmtliche<br />

Kassettenfelcler.<br />

Wird aber von der strengen antiken Kassettenform abgewichen, so ist es<br />

vorzuziehen, ein zwischen zwei Meridianen der Halbkugel oder des Ellipsoides<br />

liegendes Kassettenfeld in seiner wirklichen Grösse herauszutragen (abzuwickeln),<br />

um dann zur Austheilung der einzelnen Gewölbefelder zu schreiten. U eber<br />

solche Anordnung giebt die Tafel XXIV (Kelheim) nähere Auskunft. Ist ein<br />

ganzes Kassettenfeld , abc des Grundrisses, in Fig. 3 in seiner wirklichen<br />

*) Ronc1elet: T'0111. 11, p. 211.<br />

**) A.R. Emy: Traite c1e la charpenterie, 'rom. II, pag. 41.


196 1. nI::\urer- und Steinmetzarbeiten.<br />

Grösse a l b' Cl dargestellt, so lässt sich für die entwickelte Fläche leicht eine<br />

Dekoration entwerfen, wie dies in der betreffenden Figur geschehen ist; es<br />

bleibt dann nur die freilich ziemlich mühsame Arbeit übrig, diesen geometrisch<br />

dargestellten Entwurf in den Grundriss Fig. 1 und in den Durchschnitt Fig. 2<br />

überzutragen.<br />

Eine musterhafte Anordnung der Kassetten findet sich am Pantheon zu<br />

Rom, und möge diese hier eine nähere Erörterung finden t die Figg. 3 und 4<br />

Tafel XXIII stellen die Hälfte dieses interessanten Gewölbes dar.<br />

Bei den kolossalen Dimensionen dieses gewaltigen Bauwerks können die<br />

das Gewölbe schmückenden Kassetten nur von einem sehr entfernten und tiefliegenden<br />

Standpunkte aus vom Beschauer gesehen werden; hei einer gl e i c h ­<br />

m ä s s i gen Umrahmung der sehr vertieften Kassetten würde, besonders bei<br />

den unteren Reihen, die untere Umrahmung dem Auge nicht sichtbar werden<br />

und somit würde die Kassettirung den beabsichtigten Effekt nicht erzielen.<br />

Diesem Umstande entsprechend sind sämmtliche Kassetten so angeordnet,<br />

dass sie von unten gesehen gleichmässig umrahmt erscheinen, und wurde dies<br />

erreicht durch die Anordnung, welche die Fig. 6 im Detail ersichtlich macht;<br />

die durchschnittene Kassette ist in ihrer Umrahmung nach drei Seiten hin<br />

scharf unterschnitten, um schattenreich zu wirken, während die vierte untere<br />

Seite aus überhöhten Abstufungen besteht, um auch diese dem Beschauer<br />

sichtbar zu machen.<br />

In Fig. 5 ist ein ganzes Kassettenfeld abgewickelt dargestellt; in Fig. 4<br />

sind dieselben Kassetten im Durchschnitt ersichtlich, und erkennt man in beiden<br />

Darstellungen das Streben, dem Beschauer den beabsichtigten perspektivischen<br />

Effekt der Kassettirung zu sichern; dies ist auch vollständig gelungen und sind<br />

ähnliche Anordnungen bei den meisten späteren Kuppelgewölben, die kassettirt<br />

wurden, zu konstatiren.<br />

Das auf Tafel XXIII mitgetheilte Gewölbe des Pantheons ist in seiner<br />

ganzen Anordnung, . in seiner Stärke, in seinen Widerlagern etc, nach den<br />

besten Quellen dargestellt und steht in bezug auf seine Gewölbekonstruktion<br />

mit der auf Tafel X gegebenen Darstellung in Uebereinstimmung.<br />

Das Kugelgewölbe<br />

entsteht, wenn man sich über einem quadratischen Raum, wie ein solcher beispielsweise<br />

in Fig. 266 (S. 197) zur Hälfte dargestellt ist, eine Halbkugel in der<br />

Art aufgestellt denkt, dass deren grösster Kreis durch die Eckpunkte bund c<br />

hindurchgezogen ist; unter dieser Bedingung liegt der Mittelpunkt der Halbkugel<br />

in e. Wird nun alles, was ausserhalb des quadratischen Raumes der<br />

Halbkugel liegt, weggeschnitten, so bleibt eine Fläche zurück, die, massiv ausgeführt,<br />

ein Kugelgewölbe ergiebt; ein solches Gewölbe hat vier durchaus<br />

gleiche Wandbögen ; in der beigegebenen Durchschnittsfigur zeigt sich der eine<br />

der Wandbögen in der Linie b't Cl und hat dieser die gleiche Scheitelhöhe<br />

wie die durchschnittenen Bögen über ab und d c , nämlich b' a' und Cl d l •<br />

Wird durch die Scheitelpunkte Ct l fl d' ein horizontaler Schnitt gedacht, so ergiebt<br />

dieser die in den Grundriss eingezeichnete Kreislinie af d, die in den<br />

Bauplänen als punktirre Linie eingezeichnet wird, um anzudeuten, dass diebe,<br />

treffenden Räume mit Kugelgewölben versehen werden sollen. Durch diese<br />

Schnittlinie theilt sich das Gewölbe in die Kalotte und in die vier Lünetten<br />

und wird diese Theilnnzslinie wohl durch ein leichtes Gesimseliedehen deutu<br />

. b<br />

Iiche- markirt , besonders dar.n , wenn, wie das häufig der Fan ist, diese


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 197<br />

Gewölbe mit Malereien versehen werden. Das Kugelgewölbe spannt sich entweder<br />

zwischen geschlossene, oder mit Gurtbögen durchbrochene Mauern ein; letzteres<br />

ist in der beigegebenen Figur der Fall. Ohne Zweifel ist das Kugelgewölbe ein<br />

äusserst verwendbares, indem es ähnlich dem Kreuzgewölbe ziemlich freie<br />

Wandflächen darbietet.<br />

Bei der Ausführung erleichtert man den Maurern die Arbeit wohl dadurch,<br />

dass ausser den vier ,Vandbögen noch zwei Diagonalbögen in dem Raum als<br />

Lehrbögen aufgestellt werden 1 um für die Wölbung ganz bestimmte Fixpunkte<br />

zu erhalten j nothwendig sind diese Hülfsmittel aber keinen Falls 1 und dient<br />

sehr häufig für die praktische Ausführung ein in der Mitte des Raumes 11n-<br />

,<br />

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Fig, 266.<br />

I<br />

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I '<br />

verrückbar aufgestellter Ständer, an welchem e111 In sein Kopfende eingeschlagener<br />

Stift das Centrum der Gewölbehalbkugel markirt ; an diesem<br />

befestigten Stift befindet sich für jeden Arbeiter eine mit der Länge des Kugelhalbmessers<br />

markirte Schnur, die sogenannte Lei er, die bewegt und angezogen<br />

alle Fugenlagen des Gewölbes angiebt. Bei der Ausführung werden wohl die<br />

sämmtlichen Lünetten durch Ueberkragung (am besten von Hausteinen) gebildet,<br />

und erhält dann nur die Kalotte die eigentliche Wölbung, die wie beim<br />

Kuppelgewölbe aus lauter sich selbst verspannenden Ringschichten besteht, und<br />

deshalb auch statt eines vollen Schlusses, häufig, wie dieses, eine offene Lichtöffnung<br />

erhält, die dann mit einem Holz - oder besser Steinkranze geschlossen<br />

wird.<br />

Das U eberkragen der Lünetten gewährt, ohne das es gerade nothwendig<br />

ist, zu solcher Konstruktion zu greifen, den grossen Vortheil, dass die Spannweite<br />

des wirklichen Gewölbes dadurch sehr verringert wird, und dem entsprechend<br />

eine verhältnissmassig sehr geringe Widerlagsstärke beEöthjgt, be-<br />

, ,\


198 I. Maurer- und Steimnetzarbeiten.<br />

sonders dann, wenn - wie das mit Vorliebe geschieht - zur Ausführung<br />

der Gewölbe ein ganz leichtes Material gewählt werden kann.<br />

Eine interessante Anwendung von diesen Gewölben hat der Oberbaudirektor<br />

Moller") bei seinem Theaterbau in Mainz gemacht; Fig. 267 giebt im Grund-<br />

Fig. 267.<br />

risse den 8 m im Geviert messenden Treppenraum , mit der dreiarmigen<br />

(punktirten) Treppe. "Nach der gewöhnlichen Art der Ausführung - sagt<br />

Moller -- würden die Lünetten des Gewölbes so konstruirt worden sein, dass<br />

die Steine derselben nach dem' Centrum geneigt wären; sie würden dadurch<br />

als Keile auf die Umfassungsmauern wirken, ihren Verband unterbrechen und<br />

sie auseinander drücken, oder die Umfassungsmauern hätten sehr dick werden<br />

müssen, um den Druck jenes Gewölbes aushalten zu können. Um dies zu<br />

verhindern, und die erforderliche Festigkeit ohne Verstärkung der Mauern und<br />

ohne eiserne Anker zu erreichen, wurde das Kugelgewölbe auf folgende Weise<br />

ausgeführt: die Lünetten bestehen aus horizontalen Schichten aus Bruchsteinen,<br />

welche mit den ebenfalls aus diesem Material bestehenden Mauern in Verband<br />

ausgeführt sind und mit diesen, eine einzige feste Masse bilden. Anstatt<br />

also die Umfassungsmauern auseinander zu treiben, dienen die Lünetten nur<br />

zur Verbindung und Verankerung derselben. Dieses aus horizontalen Schichten<br />

von Bruchsteinen bestehende Mauerwerk ist bis zum Scheitel der halbkreisförmigen<br />

Wandbögen fortgesetzt, sodass dasselbe oben einen vollen horizontalen<br />

Kreis bildet (siehe die Grundrissfigur , wo dieser im Durchschnitt dargestellt<br />

ist); die Steine sind - wie hier zu ersehen' - nach dem Fngenschnitte<br />

gegen das Centrum der Kugel zugehauen und bilden so die "Widerlager der<br />

Kalotte. Letztere ist dann von Backsteinen ausgeführt und hat eine Dicke<br />

von 0,25 m. Denkt man sich - so fährt Moller fort - die vier Lünetten<br />

*) Beiträge zu der Lehre von den Konstruktionen von Dr. G. Moller, Blatt XVII,


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 199<br />

des Kugelgewölbes jede als feste Masse, so wird der Schwerpunkt der überhängenden<br />

Lünetten sich mehr nach der innern Seite des Treppenraumes befinden<br />

und werden dieselben, wenn eine Bewegung stattfinden sollte, eine<br />

Neigung haben, nach innen zu fallen. Diese Neigung der Lünetten nach innen<br />

wird aber durch das Bestreben der mittleren Kugelkalotte , sie nach aussen zu<br />

schieben, kompensirt , und man darf daher annehmen, dass das ganze Kugelgewölbe<br />

nur senkrecht wirkt; die Kalotte kann nämlich auf die Umfassungsmauern<br />

keinen Druck ausüben, bevor die sie umgebenden Lünetten nicht zerrissen<br />

sind. Da nun der 'Widerstand, den diese leisten, weit grösser ist als<br />

der Druck, den die Kalotte ausübt, so bleibt das Gewölbe im Gleichgewicht.<br />

Die Erfahrung hat dies bestätigt, indem diese Widerlager, welche eine Höhe<br />

von 15,50 m über der Oberfläche des Theaterplatzes und oben nur 0,85 m<br />

Stärke haben und durch keine eisernen Anker zusammengehalten werden, seit<br />

der Ausführung im Jahre 1831 durchaus fest und unverändert geblieben sind."<br />

Ein verhältnissmässig noch kühneres Kugelgewölbe führte Moller über<br />

der Haupttreppe des Hauses des Prinzen Üarl v. Hessen in Darmstadt aus,<br />

welches die Fig. 268 im Grundrisse und Durchschnitte mittheilt; es ist<br />

Fig. 268.<br />

gleichfalls nach den eben entwickelten Grundsätzen ausgeführt, die nur 0,25 111<br />

starken Umfassungsmauern aber bestehen hier aus Backsteinen ohne alle<br />

weitere Verankerung. Ein Schnitt Cl b durch das Gewölbe gemacht und in der<br />

Horizontalprojektion dargestellt, giebt die einzelnen Schichten an, mit welchen<br />

die vier Lünetten aus dem ursprünglich quadratischen Raum heraus gehagt<br />

wurden und wie diese Schichten in einen innigen Verband mit den Umfassungsmauern<br />

treten; auch diese Konstruktion hat sich durchaus bewährt, und<br />

hat niemals zu irgend einem Anstande Veranlassung gegeben.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe).<br />

B ö h ID i s ehe n G e w ö 1b e.<br />

Solche Gewölbe lassen mehrere Lösungen zu,' von welchen die interessantesten<br />

hier näher erläutert werden sollen:<br />

a) Das e l l i ps 0 i d i s c h e Gewölbe, in der Fig. 271 zur Hälfte dargestellt,<br />

entsteht, wenn über dem einzuwölbenden Raum ein Ellipsoid so aufgestellt<br />

gedacht wird, dass dessen grösste Ellipse die vier Eckpunkte des<br />

Grundrisses enthält.<br />

Fig, 271.<br />

Das betreffende Ellipsoid wird in folgender Weise bestimmt:<br />

Es sei ca b cl die Hälfte des zu überwölbenden Raumes, dessen vier Wandbögen<br />

gleiche Höhe zu erhalten haben; wählt man für die Schmalseite den<br />

halbkreisförmigen Bogen, so erhält die Langseite eine diesem Bogen entsprechende<br />

elliptische Gestalt, wie dies der Quer- und der Längenschnitt dieser<br />

Figur deutlich nachweist. Die gleich hohen Wandbögen bedingen dann für<br />

den Schnitt durch c cl einen Rundbogen, der genau durch den Scheitelpunkt<br />

des elliptischen Wandbogens geht,' der im Querschnitte mit 1 1 bezeichnet ist<br />

und dessen Projektion im Grundriss die Linie 1 c l' cl1 darstellt. Die<br />

Diagonalen l' a und l' b über a und b hinaus verlängert, schneiden die mit<br />

a c und bd parallel laufenden Linien 1 1, und ergeben im Grundrisse das<br />

Oblongum, in welches das Ellipsoid mit seiner grössten Ellipse 1 alb 1 sich<br />

leicht einzeichnen lässt, da in der grässern Seite des Oblongumszugleich die<br />

grosse Axe, in der kleinem Seite die kleine Axe gegeben ist, und sich die<br />

Brennpunkte zur genauen Darstellung dieser elliptischen Linie leicht finden<br />

lassen.<br />

Das über dem einzuwölbenden Raum aufgestellt gedachte und in den<br />

Grundriss -einptmktirte Ellipsoid ergiebt, parallel zur kleinen Axe in 1, 2, 3, 4<br />

und Cl, also in vier gleiche Theile ge3chnitten, laute" Halbkreisbögen, und sind<br />

diese in den Querschnitt eingetragen; wird das Ellipsoid dann parallel seiner<br />

201


202 1. Maurer- und St.eil1llletzarbeiten.<br />

grossen Axe in die gleichen vier Theile zerlegt, wie dies unter Beibehaltung<br />

der Bezeichnungen von 1 2 3 4 Cl geschehen ist, so ergeben diese Schnitte die<br />

den Rundbögen in ihren Höhen entsprechenden Linien, wie solche im Längen.<br />

schnitte der Fig. 271 eingezeichnet sind.<br />

Dementsprechend lässt sich jeder Punkt im Gewölbe sofort in seiner Lage<br />

bestimmen; ein Horizontalschnitt durch die Scheitel der Wandbögen gelegt,<br />

ergiebt die in dem Grundriss einpunktirte, die innern Kanten des Raums tangenti-rende<br />

kleine Ellipse, und wird hierdurch ähnlich wie beim Kugelgewölbe<br />

das ellipsoidische Gewölbe in Kalotte und vier Lünetten zerlegt; diese<br />

Treimung wird wohl auch durch eine leichte Gliederung deutlich zum Aus­<br />

'druck gebracht. Sollte das Gewölbe nach den Diagonalen geschnitten werden,<br />

so hat dies keine Schwierigkeit, unel sind die betreffenden Diagonallinien im<br />

Grundriss sowohl als wie auch in beiden Schnitten in den Punkten l' 2' 3' 4'<br />

leicht zu ermitteln.<br />

Das ellipsoidischeGewölbe ist noch lange nicht genug gewürdigt worden,<br />

und kann häufig in Wechselfolge .mit dem Kugelgewölbe kaum entbehrt werden,<br />

besonders wenn es sich darum handelt, beide Gewölbe harmonisch mittelst<br />

Malerei oder Skulptur, unter Anordnung von Kalotten und Lünetten, zu dekoriren<br />

; kein Gewölbe über oblongen Räumen möchte eine so gesetzmässige und<br />

regelmässige Gestalt besitzen, und so vorzügliche Benutzung der Seitenwandungen<br />

gewähren, wie gerade das ellipsoidische Gewölbe. Deshalb geben<br />

wir auf Tafel XX dies Gewölbe in ausführlicher Darstellung.<br />

Fig. 1 stellt einen Theil eines Vestibüls dar, dessen Langseite 6 m,<br />

dessen Breitseite 4 m misst; nach den Langseiten hin ist der Raum durch<br />

Blendbögen erweitert, an den Breitseiten sind die Wände durch offene Mauerbögen<br />

durchbrechen. Diese offenen Mauerbögen haben gleich den sich hier<br />

befindenden Wandbögen die, Halbkreisform ) woraus für die Blendbögen der<br />

Langseiten und der sich daselbst befindenden Wandbögen des Gewölbes<br />

elliptisch gestaltete Bögen sich ergeben.<br />

In Fig. 4 ist der im Grundriss mit 6 6 bezeichnete Wandbogen umgelegt,<br />

und ergiebt hier einen Halbkreisbogen , dessen Scheitel dieselbe Höhe besitzt,<br />

als wie der Scheitel des Wandbogens, der gerade im Durchschnitte der Langseite<br />

liegt; aus dieser Bedingung ergiebt sich für den Schnitt 1 l' 1 (im Grundriss)<br />

ein Halbkreisbogen , welcher den Scheitelpunkt des Wandbogens in seine<br />

Peripherie aufnimmt, und in Fig. 4 mit 1 l' bezeichnet ist; zugleich giebt dieser<br />

Bogen den grössten der das Ellipsoid nach dieser Richtung hin mit bildenden<br />

Kreise, dessen Durchmesser zu gleicher Zeit. elas Mass für die kleine .Axe repräsentirt.<br />

Mit Hülfe der Diagonallinie l' 6 und der aus 1 1 parallel dem<br />

Schnitte A B (im Grundrisse) gezogenen Linien ergiebt sich dann das Rechteck,<br />

in welches mitteist der grossen Axe AB und der kleinen Axe 0 D<br />

die grösste aller dem Ellipsoid angehörenden elliptischen Linien so eingetragen<br />

werden kann, dass die Eckpunkte des zu überwölbenden Raumes in ihrer<br />

Peripherie Platz finden. 'Wird dann das ermittelte Ellipsoid parallel OD von<br />

1 nach 6 in beziehungsweise gleiche Theile getheilt , die mit 2 3 4 5 6 bezeichnet<br />

sind, so ergeben diese Schnitte Halbkreisbögen , wie sie mit g'leicher<br />

Bezeichnung in die Umklappung Fig. 4 eingetragen sind.<br />

Sämmtliche Schnitte parallel der grossen Axe ergeben dann Ellipsen, die<br />

den Schnitten parallel der kleinen Axe, den bereits in Fig. 4 dargestellten<br />

Halbkreisbögen , in allen ihren Höhen vollständig entsprechen und daher ohne<br />

Schwierigkeit in Fig. 2 übergetragen werden können ..<br />

Ebenso leicht wird es sein, nach dem bish er übel' dies Ci ewölhe Gesagten


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 203<br />

die diagonalen Schnittlinien des Gewölbes und dessen Kalottenlinie zu ermitteln;<br />

letztere bildet, in elen Grundriss eingetragen, eine durchaus gesetzmässig<br />

sich entwickelnde Ellipse. 'Vürde dem auf unserer Tafel dargestellten oblongen<br />

Raume nach A zu ein quadratischer folgen, so würde ein solcher unter den<br />

gleichen Bedingungen mitteist eines Kugelgewölbeszu überdecken sein.<br />

Bei der praktischen Ausführung sind ausser den Wandbögen am vortheilhattesten<br />

die beiden Scheitelbögen in der Richtung der grossen und kleinen<br />

Axe und bei sehr sorgsamer Arbeit auch wohl die Diagonalbögen als Lehrbögen<br />

aufzustellen, während die Gewölbescbichten selbst, ähnlich wie beim<br />

Kugelgewölbe, aus den Ecken gleichmässig heraus gearbeitet werden, und zwar<br />

geschieht dies aus freier Hand.<br />

Ein horizontales U eberkragen der Lünetten ist auch hier in bezug auf<br />

eine Verminderung der Spannweite beziehungs weise ein Verschwächen der<br />

Widerlager sehr empfehlenswerth.<br />

Das eigentliche b ö h mi sc he Ge w öl b e, das bis jetzt nach ganz<br />

empirischen Vorschriften ausgeführt wurde, erhielt dadurch nur zu häufig eine<br />

mehr zufällige, hin und wieder sogar unschöne Form.<br />

Die bisher übliche<br />

Anordnung der böhmischen<br />

Gewölbe bestand<br />

darin, dass dem ei'nzuwölbenden<br />

oblongen<br />

Raume gleich hohe Wandbögen<br />

gegeben wurden,<br />

für welche man behufs<br />

Ausführung des Gewölbes<br />

besondere Lehrbögen anfertigte<br />

und an den betreffenden<br />

Stellen aufstellte.<br />

In der Höhe der A<br />

Scheitel der Wandbögen<br />

wurde dann in der Richtung<br />

von aal (Fig. 272)<br />

ein Lehrbogen in Segmentform<br />

mit 1/6<br />

B<br />

Fig. 272.<br />

bis 1/ 8 seiner<br />

Spannweite aufgestellt,<br />

während ein gleich hoher,<br />

jedoch zweitheiligerBogen<br />

seine Stellung in x c angewiesen<br />

bekam;<br />

genommen ist<br />

streng<br />

dieser<br />

Bogen aus der Vergatterung<br />

des in aal<br />

aufgestellten Segmentbogens<br />

zu ermitteln.<br />

Sind sämmtliche<br />

Lehrbögen vollständig<br />

sicher aufgestellt, so wird<br />

bei der praktischen Ausführung die Wölbarbeit gleichmassig aus den Ecken<br />

b"gonnen, so dass sämmtlicho Gewölbeschichten parallel mit ac, wie dies im<br />

Grunclri2.3 beispielsweise in 1 1; 2 2, 3 3 ersichtlich ist, jedoch unter Anwendung


204 I. Maurer- und SteimnetzarlJeiten.<br />

eines geringen Busens aus' freier Hand hergestellt werden. Da nun die einzelnen<br />

Punkte 1 und 1, 2 und 2, 3 und 3, 4 und 4, C6 und c, 5 und 5, 6 und 6,<br />

7 und 7 je auf gleicher Höhe liegen, und ihre Stützpunkte auf dem Lehr-<br />

gerüste haben so handelt es sich nur mehr darum', welche Stichhöhen diesen<br />

" ,<br />

Gewölbeschichtenbei ihren stets wechselnden Spannweiten zu geben sind.<br />

Gewöhnlich wird der Schichte in a c ein Stich von 15 cm gegeben; diese<br />

Stichhöhe wird nach und nach zu 0, je nachdem die Gewölbeschichten zuletzt<br />

nach b sowohl wie nach X mit °Spannweite sich verlaufen; so würde z, B.<br />

eine Gewölbschichte, die sich wie die von 3 3 in der halben Entfernung von<br />

15<br />

e nach b befindet, eine Stichhöhe von - = 7,5 cm erhalten; dasselbe ist der<br />

2<br />

Fall bei der Schichte 6 6, sobald sie sich in der halben Entfernung von e<br />

nach x befindet.<br />

Eine solche rein empirische Annahme ist nun der Grund, weshalb ein<br />

Gelingen in bezug auf eine schön sich verlaufende Gewölbefläche rein dem<br />

Zufalle anheim fällt.<br />

Um diesem U ebelstande aber abzuhelfen, ist zu untersuchen', welche gebrochene<br />

Fläche sich ergiebt, wenn die Bogenlinien CL bund bc, beziehungsweise<br />

die von a x und c X als Leitlinien, eine Horizontale VOn b ab in der<br />

Richtung nach 1 1, 2 2 .... 6 6, 7 7, endlich bis X als Erzeugende gedacht<br />

. wird. Ein Diagonalschnitt b X dieser so entstandenen Fläche stellt die gebrochene<br />

Linie bl' 2' 3' 4' e 5' 6' 7 X dar, die dann, in eine stetige Linie verwandelt, die<br />

genaue Stichhöhe für jede einzelne Gewölbeschicht ermitteln lässt.<br />

In der beigegebenen Skizze würde danach die Schichte a ec die grösste<br />

Stichhöhe bei e erhalten, während der Schichte 3 3 der Stich bei 3', der von<br />

4 4 der von 4' etc, gegeben werden muss.<br />

Ausdrücklich ist hierbei darauf aufmerksam zu machen, dass von der Wahl<br />

der Ausgleichunglinie die Korrektheit der Gewölbefläche abhängig ist; je nachdem<br />

die Ausgleichungslinie nach A oder B (vergleiche die beiden Grundrissfiguren)<br />

gewählt wird, ändert sich auch die Form der Gewölbefläche ; so wird<br />

für A eine in das böhmische Gewölbe gelegte Schnittfläche durch die Scheitelpunkte<br />

der Wandbögen im Grundrisse eine Kalottenlinie ergeben, die in den<br />

Grundriss einpunktirt gegen c hin sehr spitz verläuft; wählt man aber die<br />

Ausgleichungslinie nach B, so ergiebt sich eine Kalottenlinie von viel regelmassigerer<br />

Form. Diese Betrachtung führt endlich zu dem Schluss, dass ebenso<br />

wie die Ausgleichungslinie auf die Form der Kalottenlinie einen entschiedenen<br />

Einfluss ausübt, umgekehrt eine von vorn herein angenommene Kalottenlinie<br />

auf die Form der Ausgleichungslinie einwirkt; je mehr sich die Kalottenlinie<br />

der streng elliptischen Form nähert,' desto gesetzmässiger wird sich die Gewölbefläche<br />

des böhmischen Gewölbes regeln lassen.<br />

Das hier über das böhmische Gewölbe Gesagte möge in einem durchgearbeiteten<br />

Beispiele auf Tafel XXI Anwendung finden.<br />

Gegeben ist ein oblonger Raum von 5,25 m Länge und 3,45 m Tiefe;<br />

derselbe ist einerseits von zwei 3 Stein starken Frontmauern , anderseits von<br />

zwei 2 Stein starken Scheidemauern begrenzt, die jedoch alle gegen das Innere<br />

durch Blendbögen um 1/2 Stein verschwächt wurden, um sowohl dem Raume<br />

ein lebendiges Ansehen zu geben, als auch um Raum. zu gewinnen und<br />

Mauerwerk zu ersparen. Als Wandbogen für die, Tiefe des Raumes wurde<br />

ein voller Halbkreisbogen gewählt, woraus für die Langseite ein elliptischer<br />

Bogen (bier durch Vergattenmg dargestellt) benöthigt wird, sobald die Be-


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 205<br />

dingung, gleich hohe Wandbögen zu erhalten, gegeben ist; diese beiden Wandbögen<br />

sind in der Fig. 1 (dem Grundrisse) in der Umklappung dargestellt,<br />

und in die betreffenden Durchschnitte übergetragen.<br />

Der im Grundrisse umgeklappte Segmentbogen ab, dessen Stichhöhe X<br />

beliebig gewählt werden kann, ergiebt im Schnitt AB der Fig. 3 die gleiche<br />

Segmentbogenform, und zwar so, dass die Punkte a' c b' mit den Scheitelpunkten<br />

der Wandbögen zusammenfallen J und die drei Punkte a' c' b' mussgebend für<br />

die Konstruktion der Bogenlinie sind.<br />

Ganz konform mit dem Bogen ab ist durch Vergatterung der im Grundriss<br />

umgeklappte Bogen d e zu konstruiren, und erhält er dementsprechend auch<br />

die gleiche Stichhöhe von x; auch dieser Bogen ist im Schnitte CD der Fig. 2<br />

so darzustellen, dass die Punkte cl l f e' konform den Punkten a' c b' beziehungsweise<br />

a l c'b' zu liegen kommen.<br />

Bei der Ausführung werden nun sowohl die Wandbögen als auch die<br />

Bögen ab und c cl als Lehrbögen in dem einzuwölbenden Raum aufgestellt,<br />

und die dazwischenliegenden vier Gewölbefelder aus freier Hand eingewölbt.<br />

Soll diese Wölbung aber die bestmöglichste Form erhalten, so hat man sich<br />

einen Diagonalschnitt E F Fig. 4 aufzutragen. Denken wir uns aber zuvörderst<br />

die Punkte der umgeklappt gedachten Wandbögen 1 2 3 4 5 (Fig. 1)<br />

in die entsprechenden Punkte des Grundrisses 1/ 2' 3' 4/ 5' zurückgetragen,<br />

so werden alle diese Punkte, wenn je zwei mit einer geraden Linie verbunden<br />

werden, auf der Diagonale oder im Schnitte E F Punkte ergeben<br />

mit den gleichen Höhen; dem entsprechend liegen die Punkte l' 1 0 l' in der<br />

Höhe von l' 1; 2 12° 2' in der Höhe von 2' 2; 3' 3 ° 3' in der Höhe von<br />

3' 3 etc.; trägt man nun die Punkte 1 ° 20 30 40 50 in den betreffenden Höhen<br />

in den Diagonalschnitt ein, so ergeben sich dortselbst die gleich bezeichneten<br />

Punkte mit 1 ° 20 30 40 50.<br />

Werden dann auch die entsprechenden Punkte 6 7 8 9 der umgeklappt<br />

gedachten Scheitelbögen in die entsprechenden Punkte des Grundrisses 6 1 7' 8 1 9'<br />

zurückgetragen, so ergeben die geraden Verbindungslinien von 6' 6', 7' 7' ....<br />

auf der Diagonale beziehungsweise die gleichen Höhenpunkte 60, 7 0, 8 ° und 9°,<br />

die sich ohne alle SChwierigkeit gleichfalls in den Diagonalschnitt Fig. 4 übertragen<br />

lassen. Ist dies geschehen und hat sich durch diese Manipulation die<br />

gebrochene Diagonalbogenlinie (Fig. 4) 0 1 0 2 0 3 0 4 ° 5 ° 6 ° 7 0 8 ° 9 ° ergeben,<br />

so handelt es sich darum, diese gebrochene Linie in eine stetige umzuwandeln,<br />

und dies lässt die verschiedensten Varianten zu; von der richtigen Wahl<br />

dieser Ausgleichskurven aber hängt wesentlich das Gelingen in bezug auf tadellosen<br />

Gewölbeschwung ab, wie dies durch die Textfigur 272 und die an<br />

diese geknüpften Erörterungen bereits erläutert wurde.<br />

In Fig. 4, dem Diagonalschnitte , ist. die Ausgleichskurve mit<br />

0+ 1+ 2+ 3+ 4+ 5+ 6+ 7+ 8+ 9+ bezeichnet, und geben die Höhendifferenzen<br />

zwischen 1 ° und 1+, 2° und 2+, 30 und 3+, 40 und 4+ 7° und<br />

7+, 8° und 8 + die Stichhöhen an, welche den einzelnen Gewölbeschichten<br />

gegeben werden müssen ,um die sonst .entstehenden unschönen Bruchflächen<br />

zu vermeiden.<br />

Von der richtigen Wahl der Ansgleichskurve ist auch die horizontal gedachte<br />

Schnittlinie abhängig, die durch eine Schnittebene durch die höchsten<br />

Punkte sämmtlicher Wandbögen sich ergiebt; hierdurch entsteht in· Fig. 2 die<br />

punktirte Linie cl' f e' , in Fig. 3 die punktirte Linie a' c b' als Kalottenlinie,<br />

die in den Grundriss übergetragen annäherungsweise sich als ziemlich regelmässige<br />

Kurve ergeben wird, die keineswegs eine streng elliptische Form ergiebt J


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 207<br />

gewölbt werden soll, so bestimme man, wie dies in Fig. 274 geschehen ist,<br />

die dem Gewölbe im Schnitte a cl zu gebende Stichhöhe , hier zu 1/8 der<br />

Spannweite angenommen;<br />

für diesen Bogen ergiebt<br />

'sich der Centralpunkt x<br />

mit dem Radius x d, welcher<br />

auch als Halbkugeldurchmesser<br />

gedacht werden<br />

kann, sodass der Bogen<br />

a d dem grössten Kreise<br />

der Halbkuzel angehört ;<br />

b b<br />

wird dieselbe Halbkugel<br />

in den Grundriss vom<br />

Punkte x aus eingetragen,<br />

so erhält man die Darstellung<br />

der ganzen Halbkugel<br />

in zwei Projektionen.<br />

vVird nun Alles, was<br />

von der Halbkugel ausserhalb<br />

des einzuwölbenden<br />

Raumes liegt, fortgeschnitten<br />

gedacht, so erglebt<br />

das U ebrigbleibende die<br />

gewünschte Form der<br />

Kugelkappe, die im Durchschnitt<br />

nur noch durch<br />

Eintragung des Wandbogens<br />

von bc ergänzt zu<br />

werden. braucht. Dieser<br />

Wandbogen gehärt dem<br />

Kugelschnitte an, dessen<br />

Halbmesser = Xl C ist und<br />

sich sofort aus dem Grundriss<br />

entnehmen lässt, um<br />

in den Durchschnitt als<br />

Linie b c übertragen zu<br />

werden. . Nehmen wir<br />

auch hier einen Horizontalschnitt<br />

in den höchsten<br />

Punkten der Wandbögen<br />

an, so ergiebt ein solcher<br />

eine Kreislinie, welche die<br />

inneren Seiten des quadratischen<br />

Raumes tangirt<br />

und welche die Kugelkappe<br />

in die bereits bekannten<br />

Lünetten und Kalotte zertheilt.<br />

Fig. 274.<br />

Fig. 275.<br />

Ist statt eines quadratischen Raumes ein oblonger gegeben, wie dies in<br />

der Fig. 275 angenommen wurde, so kann die über demselben zu konstruirende<br />

Kugelkappe gleichfalls als eine Fläche betrachtet werden , welche einer Halb-<br />

I<br />

____ 2


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 211<br />

Die Verwendung von Hohlsteinen in der Gestalt förmlicher Töpfe ist<br />

besonders an den Grabgewölben der heiligen Helena, der Mutter des Kaisers<br />

Konstantin, und bei der grossen Kuppel von St. Vitale zu Ravenna nachweisbar;<br />

bei letzterer besteht die 10,7 In im Durchmesser weite.Kuppel aus kleinen<br />

an einer Seite geschlossenen Röhrenstücken , 'welche ineinander geschoben sind<br />

und eine mächtige Spirale (wie dies die Fig. 281 nachweist) bilden; die Stärke<br />

des Gewölbes setzt sich am Kämpfer aus drei übereinander liegenden Spiralen,<br />

gegen den Scheitel zu aus zwei solchen zusammen, Fig. 282; während die<br />

Hintermauerung mit hohlen Gefässen von der Form Fig. 283 ausgeführt ist,<br />

sind an der' Kuppel der Grabeskirche der heiligen Helena bei Rom Töpfe<br />

von der Form Fig. 284 angewendet. Eine ähnliche Gewölbeausführllng findet<br />

sich an der Kirche St. Stephan, früher Tempel des Fauns, in Rom.<br />

Fig. 281.<br />

Fig. 283.<br />

Fig. 282.<br />

Fig. 284..<br />

In neuerer Zeit, wo die Hohlsteine in den verschiedensten Formen, fabrikmässig<br />

ohne besonderen Kostenaufwand, hergestellt werden können, nimmt ihre<br />

Verwendung zur Ausführung der Gewölbe immer grössere Dimensionen an,<br />

und zwar mit Recht.<br />

Was schliesslich die sogenannten G u s s g e w ö 1b e anbelangt, so hört<br />

streng genommen bei diesen der Begriff der 'Wölbung auf. Wenn Gussgewölbe<br />

auch meistentheils die Form der Gewölbe besitzen, so bilden sie doch nur eine<br />

aus Steintrümmern und einem vorzüglichen Bindemittel hergestellte Steimlecke,<br />

welche nach dem Austrocknen und Erhärten als eine einzige feste monolithe<br />

Masseanzl1sehen ist. Ein Schub kann von solcher Decke gegen ihre vYi4er­<br />

Iagsmanern nicht ausgeübt werden, solange die Masse ihren vollständigen Zusummenhalt<br />

behält. In neuester Zeit macht man virlfach von solchen' Guss-<br />

14*


,212 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

decken Anwendung, wie man denn ja auch vielfach das ganze Mauerwerk<br />

unter Verwendunz von vorzüalichen Portlandcementen .aus Beton herstellt, und<br />

ob<br />

hierdurch, wie das bereits auf S. 69 des Näheren ausgeführt wurde, staunenswerthe<br />

Resultate erzielt hat.<br />

U e b e r die S tab i 1i t ä t der Ge w ö<br />

1b<br />

e und der e n S t ü tz e n.<br />

Die Stabilitätsuntersuchungen der Gewölbekonstruktionen bilden ein wichtiges<br />

Kapitel der angewandten Mechanik und sind seit langer Zeit Gegenstand der<br />

empirischen und theoretischen Forschungen der namhaftesten Techniker und<br />

Baumeister gewesen, ohne dass ein Resultat erzielt worden wäre, das allen in<br />

einem gegebenen Falle vorhandenen BedingUIlgen vollständig entspricht. Dies<br />

gilt namentlich von den Gewölben des Hochbaues, für welche die eigentliche<br />

Belastungsweise der Gewölbe (durch die zufälligen Lasten) in den meisten<br />

Fällen von vornherein gar nicht gen au bekannt ist, WO ausserdem das Bindemittel,<br />

der Mörtel, eine Rolle spielt, die schwer in die theoretische Untersuchung<br />

einzuführen ist, und schliesslich eine Mannichfaltigkeit von Gewölben<br />

auftritt, welche, nicht selten schwierig in ihren konstruktiven Details zu entwickeln,<br />

noch grössere Schwierigkeiten einer erschöpfenden statischen Untersuchung<br />

bereiten. Anders gestaltet sich die Sache bei den Gewölben des<br />

Ingenieurfaches : Die Form der auftretenden Gewölbe ist meistens eine sehr<br />

einfache, der Steinschnitt der einzelnen Gewölbsteine so exakt, dass der Einfluss<br />

des Mörtels mehr zurücktritt, und ausserdem sind die zufälligen oder Ve1'kehrslasten<br />

neben dem Eigengewicht der Konstruktion meistens genau bekannt.<br />

Die jetzt zur statischen Untersuchung der Bögen und Gewölbe angewendeten<br />

Methoden laufen auf die Zeichnung der sogenannten Stütz- oder Mit tel d r U c k s­<br />

I in i e hinaus, welche als Res u 1tat g e m a c h tel' A n nah m e n b e ­<br />

züglich des Angriffs und der Zusammensetzung der im<br />

Bogen thätigen Kräfte erhalten wird und die gegenseitige<br />

Einwirkung der einzelnen Elemente der Bogenkollstruktion<br />

auf ein a 11 der g I' a p h i s c h ver ans c hau 1ich e n s o l l. vVenn auch die<br />

daraus gewonnenen Resultate, da sie auf Voraussetzungen gründen, die der<br />

Wirklichkeit vielfach nicht entsprechen, nicht unbedingt angenommen werden<br />

können, so kann das Verfahren doch sehr gut dazu benutzt werden, für ein<br />

in der Praxis vorliegendes Gewölbe, das erfahrungsgemäss unter den obwaltenden<br />

Umständen haltbar ist, die Mitteldruckslinie zu zeichnen und hieraus in<br />

später zu erörternder vVeise die Grösse des Widerlagerapparates zu bestimmen.<br />

Die T h e 0 I' i e der S t ü t z I i nie soll hier nicht Gegenstand der Betrachtung<br />

sein; dieselbe ist in den zu diesem Werke als Ergänzung erschienenen<br />

"statischen Untersuchungen der Hochbaukonstruktionen von Dr. Wittmann'"<br />

sowie sonst vielfach in technischen Zeitschriften und Werken*) entwickelt.<br />

Es sollen hier vielmehr nur einige Eigenschaften dieser Linie soweit<br />

*) Schwedler, Theorie d, Stützlinie (Zeitschrift für Bauwesen 1859).<br />

Dr. Scheffler, Theorie der Gewölbe etc.<br />

Frauenholz, Steinkonstruktionen.<br />

r v. Ott, Vorträge über Baumechanik.<br />

Holzhey,,, " "<br />

Dr. Heinz.erling : Theorie, Konstruktion u. statische Berechnung der Brückengewölbe.<br />

Allgemeine Bauzeitung. Wien 1872.<br />

ete. etc.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 217<br />

und untere Begrenzung der Vertikalkstreifen als gerade Linien, die Lamellen<br />

mithin als Trapeze ansehen kann, olme einen grossen Fehler zu begehen. Die<br />

Gewichte Pl bis Po dieser Lamellen sind dann den Mittellinien dieser Trapeze<br />

proportional. Man darf also nur diese Stücke oder aliquote Theile derselben (wozu<br />

man sich geeignet eines Reduktionsdreieckes nach Fig. 288b (S. 216) bedienen<br />

kann) in den Kräfteplan eintragen, um in diesen Stücken 0 1, 1 2 ... 5 6 die<br />

graphische Darstellung der einzelnen Lamellengewichte zu erhalten. Durch<br />

eine einfache Rechnung lässt sich dann, wenn nöthig, der dem Kräfteplan zu<br />

Grunde liegende Mass stab leicht finden. Um ferner die Grösse des Horizontalschubs<br />

, welcher in a die Scheitelfuge angreift, auf graphischem vVege zu erhalten,<br />

ist es nöthig, vorerst das in der Schwerlinie der ganzen Gewälbehälfte<br />

liegende Gesammtgewicht P, also die Mittelkraft aus den Gewichten .P 1 bis<br />

P6 der Lage nach zu bestimmen. Dies geschieht durch Zeichnung eines Seilpolygons<br />

aus dem beliebigen Pol u' über den Kräften P 1 •••••• Po' Verlängert<br />

man dann die erste und letzte Seite dieses Polygons bis zum Schnittpunkt n, so<br />

ist damit ein Punkt der Schwerlinie der ganzen Bogenhälfte einschliesslich deren<br />

Belastung und damit die Lage der Kraft P gefunden. Da nun von dem gesuchten<br />

Seilpolygone (Mitteldruckslinie) die Lage der ersten Seite '(durch den Angriffspunkt<br />

Cl des Horizontalschubs) und damit der Schnittpunkt m gegeben ist, .so darf<br />

man nur m mit b verbinden, um auch die Richtung und Lage der letzten Polygonsseite<br />

der gesuchten Mitteldruckslinie zu erhalten. Zieht man nun durch den<br />

Endpunkt 6 des Kräfteplans zu bm die Parallele 6 1;l , so schneidet diese auf<br />

der Horizontalen 01;l die Grösse der Horizontalkraft H ab. Die aus dem<br />

Pol u mit u 0 als Horizontalschub konstruirte Mitteldruckslinie geht durch die<br />

Punkte Cl und b und ist somit die gesuchte Gleichgewichtskurve.<br />

Mit Rücksicht auf das Gleichgewicht des Bogens hat nun die Mitteldruckslinie<br />

dieselben Bedingungen zu erfüllen, welche oben für die Stützlinie aufgestellt<br />

worden sind i es m)lss nämlich:<br />

1. Die Mitteldruqkslinie ganz innerhalb der Gewölbe-<br />

I' ä n der I i e g e rici" .<br />

2. darf an keiner Stelle des Bogens die Ab w ei c h u n g der I' e s u 1t<br />

i r e n d e n Einwirkung von der Normalen zur Fugenfläche<br />

gr ö s s e r als der R ei b u n g s w i n k e 1 sei n.<br />

Ist es für ein Gewölbe nicht möglich, die letzte Bedingung zu erfüllen,<br />

so ist dessen Stabilität anzuzweifeln, weil bei dem möglichen Abgleiten und<br />

Herausfallen einzelner Steine ein Zusammenbruch der ganzen Konstruktion zu<br />

befürchten wäre. Da aber die Reibung zwischen den einzelnen Steinschichten<br />

in allen Fällen eine sehr beträchtliche ist<br />

und die zulässige Grösse des Abweichungsoder<br />

Reibungswinkels bei doppelter Sicherheit<br />

noch zu 17 0 angenommen werden<br />

kann, so ist ersichtlich, dass in den<br />

meisten Fällen das G 1 e ich g e w ich t<br />

ge gen G 1e i t e n der Steine vorhanden<br />

sein wird; weshalb in der Regel nur die<br />

Untersuchung des Gewölbes<br />

ge g e n K an te n der Steine übrig bleiben<br />

wird.<br />

Fig. 289.<br />

Das Gleichgewicht gegen Drehen der Gewölbestücke ist aber nach Obigem<br />

erhalten, wenn die Linie des Druckes an keiner Stelle die Gewölberänder verlässt.<br />

An den Stellen , wo die Mitteldruckslinie die Gewölbe-Mantelfläeh« be-


218 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

rührt oder durchschneidet, liegen die BI' e c h u n g s fu gen des Gewölbes, und<br />

tritt das Oeffnen der Fugen natürlich immer an der dem Berührungspunkte<br />

entgegengesetzten Seite ein (Fig. 289 S. 217).<br />

Tritt die Mitteldruckslinie an irgend einer Stelle aus dem Gewölbemantel<br />

heraus, so sucht man durch Aenderung des Angriffs der Horizontalkraft oder<br />

des Drehpunktes an der Kämpferfuge, oder beider Punkte zugleich eine andere<br />

Kurve zu erhalten, welche den gestellten Anforderungen genügt. Je nach der<br />

Lage der beiden Punkte ergeben sich verschiedene mögliche Werthe des Horizcntalschubs,<br />

deren Grenzwerthe sich leicht bestimmen lassen. Nach der früher<br />

erhaltenen Gleichung für den Horizontalscliub:<br />

H=p.L h<br />

erhält man, nämlich ein M a x i !TI U m des S c hub es, wenn bei gegebener<br />

t Anordnung des Gewölbes p seinen grössten und h seinen kleinsten Werth<br />

hat (siehe Fig. 290); also wenn H im Scheitel (B) der inneren Gewölbefläche<br />

angreift und der Drehpunkt C an dem äussern Punkt C der Widerlagerfnge<br />

liegt. Der hierbei erhaltene Horizontalschub ist durch tlO im Kräfteplan,<br />

Fig. 290a, bestimmt; die zugehörige Drucklinie ist das Polygon B C.<br />

Fig. 290.<br />

Fig. 290a.<br />

Dagegen erhält man das M in i m u m der H 0 r i z 0 n talkr a f t , wenn<br />

p seinen kleinsten und h. seinen grösstmöglichen vVerth erreicht; d. h. wenn<br />

die Mitteldruckslinie durch die Punkte A und D geht und sonst ganz<br />

innerhalb der Gewölbdicke verläuft. Bei der in Fig. 290 gegebenen Anlage<br />

kommen für den Verlauf der Mitteldruckslinie des kleinsten Horizontalschubs<br />

blos die Lamellen 1 bis 4 in Betracht; durch Hinzutreten der 5. Lamelle<br />

rückt der Angriffspunkt der letzten Mittelkraft auf der Widerlagerfuge von D<br />

nach D'. Der für A D erhaltene Horizontalschub tl' 0 ist aber hier deswegen<br />

.das zulässige Minimum, weil für einen näher an D liegenden Drehpunkt (als<br />

es der Punkt D' ist) die Mitteldruckslinie die Gewölberänder verlassen würde.<br />

Zwischen den beiden Grenzen 1lJ 0 und u' 0 liegen also die Werthe der<br />

Horizontalkraft für alle möglichen Drucklinien. Ver I ä u ft von all e n<br />

diesen nur eine ganz innerhalb des GewÖlbes, so ist die<br />

S t a b i 1i t ä t des s e l ben als g e sie her t zu er ach t e n.<br />

Es ist hierbei vorausgesetzt, dass als geometrischer Ort des Angriffs der<br />

im Bogen thätigen Druckkräfte die ganze an der treffenden Stelle liegende<br />

JTuge angesehen werden kann, so dass also die Drucklinie in den Prechungs-


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 221<br />

Gewölbe aber immer auch nach dem Losschlagen des Lehrgerüstes, bei dem<br />

Sichsetzen des Gewölbes ein. Die S t ü tz I in i e des G e w ö 1b e s wir d<br />

als 0 in al l e n Fäll e n ei ne n Pu n k t mi t der in n er n Ge w öl befl<br />

ä eh e ge m ein hab e n. Erstreckt sich der Bogen nur auf den oberhalb<br />

dieses Brechungspunktes .liegenden Theil (B (tB Fig. 1 Tafel XXVII), so geht<br />

die Stützlinie offenbar immer durch ßen innern Punkt der Kämpferfuge. Diese<br />

Gesichtspunkte sind auch im Folgenden den Konstruktionen der Stützlinie zu<br />

Grunde gelegt.<br />

Die Lag e der BI' u c h fu ge (aB Fig. 1 Tafel XXVII) kann Inan ausser<br />

in der vorhin angegebenen vVeise mit Hülfe eines provisorischen Seilpolygons<br />

auch direkt bestimmen, sobald man über die Lage der Horizontalkraft eine<br />

Annahme gemacht hat. Es muss offenbar im Brechungspunkte die Resultante<br />

aus dieser Kraft und dem Gewichte des oberhalb der Brechungsfuge liegenden<br />

Gewölbestückes die innere Gewölbelinie tangiren. Man erhält also die Lage<br />

des Brechungspunktes, wenn man sich aus dem Seilpolygon (0, 1, 11. . . VIII,<br />

Fig. 292), das über den Einzelkräften konstruirt ist, die Lage der Gewichte<br />

m I<br />

Fig. 292.<br />

PI-2, PI-3 ••• PI-7 auf die bekannte vVeise verschafft und dann nachsieht,<br />

bei welcher Fuge die Tangente zur innern Gewölbelinie durch den Schnitt der<br />

Horizontalkraft und der jener. Fuge entsprechenden Gewichtsresultante geht.<br />

In Fig. 292 ist dies ungefähr bei der Fuge efder Fall. Die durch m gezogene<br />

Tangente zur innern Wölblinie berührt genauer im Punkte g. Es ist<br />

also hier mg die Richtung der Seite V VI des definitiven Seilpolygons , zu<br />

welcher der Strahl 5 '/;{ parallel ist. Die mit dem Horizontalschub 'U°gezeidmete<br />

Stützlinie geht dann bei hinreichend genauer Zeichnung durch den<br />

Bl'echungspunkt f. .


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 225<br />

dieses erlaubt keine kleineren Unterschiede in den Gewölbestärken als die<br />

Backsteinbreite, und man wird daher meistens 1/2 oder 1 Stein starke Gewölbe<br />

auszuführen 'haben. Für die am meisten vorkommenden Gewölbe, die Fussböden<br />

zu tragen haben, wird man, M a t e r i alu n dAr bei t mit t elgut<br />

vor aus g e set z t , bis zu 4 bis 5 m S pan n w e i t e 1/2 S te i nun d<br />

dar übe r 1 S t ein S t ä r k e annehmen dürfen.<br />

Näheres darüber ist noch in den einzelnen Kapiteln über die Konstruktion<br />

der Gewölbe mitgetheilt.<br />

Haben die Gewölbe nichts als ihre eigene Last zu tragen (Kirchen, Säle),<br />

so reicht man mit 1/2 Stein im Scheitel, selbst bei sehr gros sen Spannweiten,<br />

wobei man dann aber das Gewölbe gegen die Anfänge hin bis 1 1 /<br />

2 Stein<br />

Stärke anwachsen lässt.<br />

B e s tim m u n g der W i der 1a ger s t ä r k e.<br />

. Die "dem Gewölbe zur Stütze dienenden Mauern oder Pfeiler erleiden von<br />

demselben eine Einwirkung, die sich als Resultante aus dem Horizontalschub<br />

des Gewölbes und dein Gewichte desselben, inklusive Belastung, ergiebt und<br />

durch die letzte Seite des für den Bogen gezeichneten Kräfteplans nach Richtung<br />

und Grösse dargestellt wird. Diese Kraft äussert sich gegen das vViderlager<br />

in zweifacher Weise, indem sie einmal ein Verschieben der horizontalen<br />

Schichten des Widerlagers und ferner ein U mkanten desselben um die äussere<br />

Kante der Fundamentsohle anstrebt. Die. erste Wirkung wird aufgehoben durch<br />

G<br />

Fig. 297.<br />

die in den Fugenflächen thätige Reibung und die Adhäsion des Bindemittels,<br />

welche in allen Fällen ausreichend erscheinen. Die Bedingung der S ta ­<br />

b i 1i t ä t des VV i d e r l a ger s g e gen Um k a n t en ist die, dass die statischen<br />

Momente des Angriffs und der Stütze einander gleich sind. Graphisch<br />

drückt sich dies S0 aus" dass die Resultante aus allen Kräften die Sohle des<br />

Widerlagers noch durchschneiden muss. Da in den Gewölben des Hochbaues<br />

die Festigkeit des Mörtels gegeIlliber der des Materials (Backsteines) eine so<br />

hervorragende Rolle spielt, so lf::,st sich immer das Widerlager als eine einzige


230 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

Ist die so erhaltene Grösse f grösser als die Fugenfläche D EI, so ist es<br />

nothwendig, das Verschieben der Schichten dadurch zu verhindern, dass man<br />

auch im vViderlager die Lagerfugen der Steine annähernd. normal zur Mittellinie<br />

des Druckes macht.<br />

Der Adhäsionskoefficient für Schub beträgt für Backsteine verbunden mit<br />

Cement nach nahezu 30tägiger Erhärtung 0,4 bis 0,5 kg; für Backsteine mit<br />

Luftmörtel verbunden 0,05 kg per qcm. (Siehe Baukonstruktionslehre f. Ingenieure<br />

v. VY. Frauenholz, 1. Thl., S. 241.)<br />

Die gewöhnlich in der Praxis bei den Gewölbekonstruktionen angewendeten,<br />

aus der Erfahrung bestimmten Abmessungen der Widerlager sind in den<br />

Kapiteln über die konstruktive Anordnung der einzelnen Gewölbearten enthalten.<br />

S t a b i 1i t ä t s u n t e r s u oh u n gen für ein z e 1n e s p e z i e 11 e F ä 11 e.<br />

Die in dem Vorstehenden gegebene Theorie der Gewölbe und Widerlugsmauern<br />

dürfte in allen Fällen, wo Tonnengewölbe auf ihre Stabilität zu untersuchen,<br />

oder die Stützen für solche Gewölbe zu bestimmen sind, Anhaltspunkte<br />

genug für die graphische Lösung dieser Aufgaben bieten. Es soll hier nur<br />

noch die praktische Venverthung der Mitteldrncks - oder Stützlinie an einigen<br />

Beispielen gezeigt werden.<br />

Die Figg. 2 und 3 Tafel XXVII stellen einen häufig vorkommenden<br />

Fall, zwei Gewölbe übereinander, dar.<br />

Das Gewölbe in Fig. 2 hat 2,5 m Spannweite, eine Stärke von 1/2 Stein<br />

und ist bis zur Hälfte hintermauert; eine Auffüllung sei nicht vorhanden, so<br />

dass der darüber liegende Dachboden auf einer vollständigen Balkenlage ruht.<br />

Dieses Gewölbe ist durch Vertikalebenen in fünf Lamellen getheilt, deren<br />

Gewichte proportional ihren mittleren Höhen in den Kräfteplan Fig. 2a eingetragen<br />

sind. Die Ermittlung der Bruchfuge ergab den Punkt t als Berührungspunkt<br />

der Drucklinie ; der Strahl 4 u 11 mit t ml-4 schneidet dann den<br />

Horizontalschub u h auf der durch h gehenden Horizontalen ab. Die mit<br />

diesem Schub und den Einzelgewichten konstruirte Mitteldruckslinie verläuft<br />

vollständig innerhalb der Gewölberänder, das Gewölbe ist also stabil.<br />

Der von diesem Gewölbe auf die äussere Umfangswand übertragene schräge<br />

Druck ist durch u 5 im Kräfteplan gegeben, und setzt sich mit dem Gewichte<br />

dieser Wand und ihrer Belastung durch das Dach zu einer Resultirenden zusammen.<br />

Dabei kann man am einfachsten das Gewicht G 1 des Stockmauerwerks<br />

vom Fussboden bis zur Mauerlatte des Dachgebälks für sich in der<br />

Schwerlinie 8 1 wirkend annehmen und dann andrerseits den Druck der Dachkonstruktion,<br />

das Gewicht der Aufmauerurig zwischen den Balkenköpfen und<br />

das des vortretenden Hauptgesimses auf bekannte 'Veise zu einem Gewicht G 2<br />

vereinigen, dessen Schwerlinie 8 2 ist.<br />

Für die Zeichnung des Kräftezugs im Widerlager sind zuvor alle Kräfte<br />

auf einen einheitlichen Massstab zu bringen; dieser ist in Fig. 2 b so gewählt,<br />

dass 1 cm = 300 kg repräsentirt; die Resultante (R) aus allen Kräften schneidet<br />

dann die in der Höhe des Fussbodens liegende Schichte aß im Punkte e, der<br />

im innern Drittel der Mauerstärke liegt; der Druck verbreiteresich also noch<br />

über die ganze Fläche a (3 und ist somit die angenommene Stärke der obern<br />

Stockmauer (2 St. = 0,51 m) vollständig ausreichend.<br />

Für das Gewölbe im Parterregeschoss (Fig. 3) ist eine Ausfüllung zur<br />

Aufnahme des Fussbodens von usgesetzt und eine zufällige Belastuug durch ein


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 235<br />

sprung so zu bemessen ist, dass die Vereinigung ihres Gewichts Q mit S<br />

(Fig. 8) eine Resultante giebt, deren Druckmittelpunkt in der \Yiderlagersohle<br />

eine hinreichende Festigkeit gegen Zerdrücken des Materials sowohl, als auch<br />

gegen Umkanten der Pfeiler gewährt. Dieser Druckmittelpunkt e fällt für die<br />

angenommene Länge der Strebepfeiler zu 0,76 m ziemlich nahe an die Kante [',<br />

Es ist deshalb angezeigt, den Pfeiler durch einen Absatz und vortretenden<br />

Sockel zu verstärken, so dass sich der Druck auf eine grässere Fläche<br />

tt" = 3 e( verbreiten kann.<br />

o) Das Kup.pelgewölbe.<br />

Das Kuppelgewölbe entsteht, wenn ein kreisförmiger Raum mit einer<br />

sphärischen Fläche überdeckt wird, die man im allgemeinen als Rotationsfläche<br />

um eine vertikale, durch den Mittelpunkt des' Raums gehende Axe bezeichnen<br />

kann. In den meisten Fällen bestehen die Kuppelgewälbe aus Halbkugelflächen<br />

oder Abschnitten von diesen.<br />

Die statische Anordnung eines solchen Gewölbes erfordert als Lagerflächen<br />

der Steine Kegelflächen , deren Spitzen im Mittelpunkte ° der Kugel<br />

liegen, so dass die Mantellinien 02 ]( 02 ](' • • • senkrecht zur Wölblinie stehen,<br />

und als Stossflächen Meridianebenen , welche den Kugelmittelpunkt enthalten<br />

und mit 0;1. lVI, OlM' •


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 237<br />

Lamellengrenzen die Ecken eines Polygons, das die S t ü tzli nie des<br />

Ku p P e 1g e w Ö 1b es darstellt. Diese Linie kann dann in bekannter Weise<br />

zur Bestimmung der Stärke des Tambours benutzt werden.<br />

Stabilitätsuntersuchung für e i n einfaches, unbelastetes,<br />

1 m S c 11 ei tel g e s c 11 los sen es Ku P p el g e w Ö 1b e.<br />

Fig. 303 zeigt die Konstruktion der Stützlinie für den Streifen 0 A B<br />

einer F 1ach k u p P el , deren Meridian der Segmentbogen ab c d von der<br />

konstanten Dicke Clb = c d ist. Derselbe ist durch eine Anzahl normaler<br />

Ebenen in 7 Lamellen (Gewölbesteine) getheilt, deren Einzelgewichte in der<br />

Fig. 303a.<br />

Fig. 303.<br />

mittleren Meridianebene 0 C, in welcher auch die Horizontalkräfte h 1 , h 2 •••<br />

liegen, wirken. Die Schwerpunkte der Lamellen können mit den Schwerpunkten<br />

ihrer in dieser mittleren Meridianebene liegenden Qncrcchnittsfläohen


238 1. Maurer- und Stemmetzarbeiten.<br />

zusammenfallend gedacht werden, mit Ausnahme der ersten .Lamelle, die als<br />

Keil zu betrachten ist, so dass der Schwerpunkt Si im Drittel des mittleren<br />

Abstandes der ersten Lamellengrenze von der Kante abliegt. Die Gewichte<br />

.der Lamellen können dann den Querschnitten in Fig. 303 und ihren mittleren<br />

Dicken proportional gesetzt werden. Ist nun die Eintheilung der.cLamellen<br />

auf dem mittleren, die Gewölbedicke halbirenden Meridianbogen eine gleichheitliehe,<br />

so können diese mittleren Dicken 11', 22', 33' ..• 7 7' oder aliquote<br />

Theil dieser Stücke als Repräsentanten der Lamellengewichte in den Kräfteplan<br />

Fig. 303 a eingetragen werden. Die in den oberen Schichten zur Erhaltung<br />

des Gleichgewichts nothwendig werdenden Horizontalkräfte hv h 2 ••• b« sollen<br />

immer in den oberen Endpunkten der zugehörigen Fugen liegen, so dass sie<br />

also ihre kleinste zulässige Grösse erhalten.<br />

Die Horizontalkraft für die erste Lamelle bestimmt sich nun aus der<br />

Forderung, dass die in C cl liegende Resultante B 1 aus dem Gewichte I und h<br />

mit der Normalen zur Fuge 0 b 1 keinen grösseren Winkel als den Reibungswinkel<br />

(Cf = 17°) einschliesse. Man darf also nur zu dieser Richtung durch<br />

den Endpunkt 1 (Fig. 303a) des Gewichts I eine Parallele 1 u 1 ziehen, so ist<br />

in u 1 h 1 die Grösse der ersten horizontalen Kraft bestimmt. In cl setzt sich<br />

mit R das Gewicht 11 zusammen, die Resultante 2 u 1 = 8 1 schneidet zwar<br />

noch die Fuge 0 b 2 innerhalb der Gewölberänder , weicht aber um den zulässigen<br />

Betrag vom Loth zu dieser Fuge ab; es ist deshalb eine horizontale<br />

Kraft i; nothwendig, die, in Cl mit 8 1 zusammengesetzt, eine Resultante B 2<br />

giebt, welche die gestellte Bedingung erfüllt. Hieraus ergiebt sich der Schub<br />

u 2 h = h 2 • Aehnlich erhält man B s und damit U s h = h s und die folgenden<br />

horizontalen Kräfte.<br />

In den unteren Fugen kommt es vor, dass die Mittelkräfte S die zulässige<br />

Abweichung von den Normalen zu den Fugen zwar nicht überschreiten, wohl<br />

aber die Fugenflächen nicht mehr durchschneiden. Dies ist hier bei der durch :<br />

c 4 gehenden Resultante B o ' = 'u 4 ' 5 der Fall; der Horizontalschub h o bestimmt<br />

sich daher aus der Bedingung '. dass Bö = U ö 5 die Fuge 0 b" noch innerhalb<br />

der Gewölberänder schneide. Verfolgt man in dieser Weise den Kräftezug<br />

weiter, so kommt schliesslich eine Fuge 0 6, von welcher ab eine Vergrösserung<br />

des Horizontalschubs nicht mehr nothwendig erscheint y so dass das<br />

Maximum der horizontalen Kräfte u 6 h für die noch folgenden Schichten konstant<br />

beibehalten wird. Diese Fuge kann als die BI' e c h u n g sJ u g e des<br />

Ku p p e I g e w ö I b e s bezeichnet werden.<br />

Bleibt die Stützlinie von der Bruchfuge abwärts ganz in Gewölbe, wie in<br />

Fig. 303, so kann dasselbe als stabil bezeichnet werden. Durchschneidet in<br />

einem Gewölbe die Stützlinie in dem unterhalb des Brechungspunkts liegenden<br />

Theil die innere Gewölbelinie , so kann das Gewölbe durch blosse Vergrösserung<br />

der Horizontalkräfte stabil gemacht und die Drncklinie ins Innere des<br />

Gewölbes verlegt werden; durchschneidet dagegen die Stützlinie in den unteren<br />

Schichten die äussere Begrenzungsfläche , so muss, wenn, wie oben geschehen,<br />

die Minimalwerthe der Horizontalkräfte der Untersuchung zu Grunde gelegt<br />

wurden, und die Stützlinie in der Brechungsfuge die innere Gewölbelinie berührt,<br />

das Kuppelgewölbe als uns tab i I bezeichnet werden.<br />

In Fig. 303 ist die Stützlinie a cl des Gewölbes noch durch das niedrige<br />

Widerlager fortgesetzt, und hierdurch dessen Breite 111/ n erhalten worden, so<br />

zwar, dass m' v = 1/2v n, also eine Verbreitung des Druckes über die ganze<br />

Fnndamentfläche m' n stattfindet.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 241<br />

Räume gezwungen sah, behufs besserer Beleuchtung die J\Iehrschiffigkeit derselben<br />

einzuführen, entstanden die für die byzantinische Architektur charakteristischen<br />

Kuppelbauten,<br />

welche, hoch über elen<br />

Decken der Abseiten erho<br />

ben, mit einer ungemeinen<br />

Kühnheit und Fertigkeit in<br />

der Wölbtechnik hergestellt<br />

wurden. Hervorragende Beispiele<br />

bieten sich in den<br />

Baptisterien vonNocer<br />

a und F 1 0 l' e n z, in<br />

den Kir c h e n San L 0 ­<br />

r e n z 0 zuM a i 1a n d und<br />

San Vitale zu Rav<br />

e n n a sowie in der S 0 ­<br />

p h i e n kir c h e z u K,« n -<br />

stantinopel.<br />

Die Kuppelgewölbe erheben<br />

sich dabei sowohl über<br />

kreisförmigen, als auch achteckigen<br />

und selbst quadratischen<br />

Räumen; in den<br />

letztem Fällen sind U ebergänge<br />

zur runden Kuppel mit<br />

kreisförmigem Horizontalschnitt<br />

nothwendig, wenn<br />

man nicht statt der Rundkuppel,<br />

wie z, B. bei<br />

S. Giovanni zu Florenz<br />

geschehen, das a c h t ­<br />

eckige Klostergewölbe<br />

substituiren will. Die Wirkungsweise<br />

eines solchen<br />

Polygonalen Klostergewölbes<br />

ist im Prinzip dieselbe, wie<br />

die der Rundkuppel , indem<br />

sich im ersteren Falle wie<br />

im 'letzteren die einzelnen<br />

horizontalen Schichten des<br />

Gewölbes für sich verspannen,<br />

das Gewölbe also<br />

in beliebiger Weise offen<br />

bleiben, oder mit einem<br />

Laternenaufsatz geschlossen<br />

werden kann. 'I'hatsächlich<br />

gehen solche Klostergewölbe<br />

bei einer sehr vermehrten<br />

Fig. 305.<br />

Fig. 306.<br />

Seitenzahl des Horizontalschnitts in die runde Kuppel über. Es wird daher<br />

im Folgenden die Bezeichnung "K'ppel" sowohl für die aus Umdrehungsflächen<br />

als aus polygonalen Klostergewölben bestehenden Gewölbe gebraucht.<br />

G 0 t t g e t re u, Hochbaukonstruktion. . 16 .


Arbeiten des Rohbaues (Ge\völbe). 245<br />

mittels begründet. Ans der Herstellungsweise ergiebt sich neben dem geringen<br />

Gewicht auch die nrhältnissmässig sehr geringe Scheitelstärke dieser Kuppel<br />

von 0:30 m "), welche sich bis zur Hintermauerung nur um wenige Contimeter<br />

vermehrt. Das 'Widerlager der Kuppel, deren Schub auf das geringste Mass<br />

reduzirt erscheint, wird wieder von Sporen s s gebildet: welche in den<br />

Ecken der Grundrissfigur liegen und bis zum Anfang des Gewölbes hinaufreichen.<br />

Diese Strebebögen, deren statisches Profil die linke Hälfte der Fig. 308<br />

zeigt, sichern nicht nur den Bestand der Kuppelpfeiler in vollkommen ausreichender<br />

Weise, sondern sie dienen auch den Kreuzgewölben der Seitenräume<br />

als tragende Gurtbögen nicht minder, wie der nur 1 m starken Umfangswand<br />

als verstärkende Pfeiler. In sekundärer Weise wird die Kuppel auch durch<br />

die zwischen den Hauptpfeilern liegenden Nischengewölbe unterstützt; doch ist<br />

die Wirkung dieser Halbkuppelgewölbe hier nicht sehr hoch anzuschlagen, weil<br />

deren Fähigkeit, Horizontalkräfte aufzunehmen, durch die Durchbrechung derselben<br />

mit Arkaden in den beiden Geschossen auf ein Minimum reduzirt ist.<br />

Nur bei einem so kühn und mit so wenig U eberschuss .an statischen Mitteln<br />

konstruirten Gewölbe, wie es die frühere Laurenrinskirche zu Mailand war<br />

(Hübsch nennt sie das non plus ultra von Kühnheit), konnte es 'geschehen, dass<br />

der Einsturz ein e I' solchen Nische die Zerstörung des ganzen Bauwerks nach<br />

sich zog.<br />

Die Kuppel von S. Vitale sitzt nicht unmittelbar auf den die Pfeiler verbindenden<br />

Archivolten, sondern es schiebt sich zwischen den Kuppelanfang<br />

und die Scheitel dieser Bögen ein niedriger achteckiger Tambour, der mit<br />

kleinen Nischengewölben , welche in Fig, 308 angedeutet und in Fig. 305<br />

(S. 241) grösser dargestellt sind, allmählich zur Runclform des Kuppelgewölbes<br />

übergeführt wird.<br />

Sahen wir an dem eben betrachteten Bauwerke die Aufgabe, das Widerlager<br />

einer Kuppel herzustellen, deren Kämpfer in der ziemlich bedeutenden<br />

Höhe von 21 m liegt, in statisch vollkommen korrekter vVeise, wenn auch für<br />

eine nicht sehr bedeutende Spannweite gelöst, so finden wir in der<br />

So p h i e n k i r c h e zu K 0 n s t an t i 11 0 Pel ein Beispiel, wie es der<br />

Technik früherer Jahrhunderte möglich war, derselben Aufgabe bei den grc)ssten<br />

Mussverhältnissen und einer denkbar geringsten Zahl von Unterstützungspunkten<br />

gerecht zu werden, VVährenc1 die Kuppel von Sa. Maria maggiore zu N ocera<br />

auf 15 gekuppelten Säulenpaaren , die von San Vitale auf 8 Pfeilern sich<br />

erhob, wird hier noch ein Schritt weiter gethan und das dominirende Gewölbe<br />

des Mittelraums auf 4 durch mächtige Gurtbögen verbundene Pfeiler gestellt.<br />

An das centrale Gewölbe schliessen sich in der Richtung der Hauptaxe<br />

zwei halbkreisförmige Nebenkuppeln an, die. mit ihrem Scheitel bis zum Anfang<br />

jenes Gewölbes reichen, während die in der Richtung der Queraxe sich<br />

anschliessenden Seitenräume in zwei Geschosse getheilt und mit Kreuzgewölben<br />

eingewölbt sind. Es entsteht so im Ganzen ein überwölbtes Oblongum von<br />

70,3 zu 75,5 m Seite, welches den eigentlichen Raum der Kirche bildet;<br />

Fig. 5 Tafel X giebt hiervon den halben Grundriss.<br />

Die Hauptkuppel hängt über einem quadratischen Raum von 31,5 m<br />

Seite, der durch die erwähnten Gurtbögen gebildet wird. Auf der Scheitelhöhe<br />

dieser Bögen, 42 m über dem Fussboden der Kirche, beginnt das Gewölbe;<br />

es hat einen Durchmesser von 33 m und ist keine vollständige Halbkugel,<br />

sondern eine dieser Form nahekommende Kalotte von 15 m Höhe. Die<br />

*) Isabelle, les edifices circulaires etc... PI. L18.


246 1. Maurer- und Steinmetzürbeiten.<br />

Gewölbedicke beträgt im Scheitel ungefähr 0,70 m und ist für den grössten Theil<br />

der Kalotte beibehalten; nur am Fuss der Kuppel, ""IVO dieselbe mit 40 Fenster­<br />

öffnuuzen durchbrechen ist, tritt rasch eine Vergrösserung der Gewölbedicke<br />

/:)<br />

und eine V erstärkung derselben durch aufgesetzte Pfeiler ein, so dass sich das<br />

Gewölbe mit einer Dicke von 2,3 m auf die Gurtbögen aufsetzt. Das runde<br />

Auflager der Kuppel, oder die Vermittlung des quadratischen Grundrisses der<br />

Archivolten zur Kreisform wird durch Pendentifs hergestellt, die von den<br />

Kämpfern der Gurtbögen bis zum Gesimskranz über den Scheiteln der letzteren<br />

aufsteigen. Die in das Lichte des Kuppelraums geneigte Masse der Gewölbezwickel<br />

bildet ein wirksames Gegengewicht gegen den Schub der Kuppel,<br />

welche in dem Streben nach möglichster Leichtigkeit mit Backsteinen von sehr<br />

gerin rrem spezifischen Ge,vicht einzewölbt worden sein soll, nachdem das erste<br />

o . 0 '<br />

von den Erbauern der Kirche, von Anthemios Y. Tralles und Isidor v, Milet<br />

ausgeführte Gewölbe 21 Jahre nach der Vollendung eingestürzt war.<br />

Die statische Unterstützung der jetzigen Kuppel bilden ausser den 4 m<br />

dicken Gurtbögen noch vier kolossale, 7,5 m dicke, 20 m breite Sporen, die,<br />

im Innern der Kirche mit Bogenöffnungen durchbrcchen , über das Dach der<br />

Emporen vortreten und bis dicht an den Anfang der grossen Kuppel reichen.<br />

Die Masse dieser Strebepfeiler ist jedenfalls mehr als hinreichend, um den<br />

Schub der Kuppel gegen die Seitenräume, also .nach der Queraxe aufzunehmen.<br />

In der Richtung der Längsaxe werden die Gurtbögen durch Halbkuppeln<br />

von gleichem Durchmesser wie der des mittleren Gewölbes unterstützt<br />

und in ihrer Lage erhalten. Diese Halbkuppeln sind (ähnlich wie in Ravenna<br />

die Hauptkuppel) auf zwei kräftige Pfeiler gestellt, zwischen welche sich wieder<br />

halbkreisförmige mit Arkaden durchbrochene Exedren einstellen. Der östlichste<br />

dieser Ausbauten bildet zugleich die Altarapsis , während an der entgegengesetzten<br />

Seite die Nische ganz fehlt und durch einen breiten Gurtbogen ersetzt<br />

wird, der den Eingang zwischen sich aufnimmt.<br />

Ein Vergleich dieses Bauwerks mit dem von Ravenna ergiebt, dass hier<br />

eine Grossräumigkeit und eine Kühnheit der "Wölbung herrscht, die vordem<br />

nicht versucht worden war, dass aber der Widerlagerapparat weder in der<br />

einfachen und korrekten Art, noch in derselben Oekonomie in der Masse, wie<br />

zu Ravenna, angewendet worden ist. Die Kühnheit der Konstruktion ist bei<br />

der Sophienkirche mehr in der Herstellung der U eberwölbung selbst, als in<br />

der statischen Anordnung der Stützen zu suchen.<br />

Das Ba ptist e r i umSan Gi 0 v anni zu F lo r e n z. Figg. 309 (S. 247)<br />

u.309a (S. 248), Fig. 9 Tafel X. Das jetzige Baptisterium zu Florenz, vermuthlieh<br />

im 4. oder 5. Jahrhundert als Hauptkirche für Florenz gebaut"), ist ein einsclliffiger<br />

achteckiger Bau von 25,6 m Weite, der mit einer achtseitigen Kuppel<br />

(achteckiges Klostergewölbe) geschlossen ist. Dieses Kuppelgewölbe beansprucht<br />

ein besonderes Interesse, weil seine Stabilität in sehr genialer Weise mit<br />

ungemein geringen Massen hergestellt ist, und ferner das hier angewendete<br />

Konstruktionssystem den Fingerzeig für die später in der Renaissancezeit entstandenen<br />

Doppelkuppeln giebt, deren hauptsächlichste Vertreter die Kuppeln<br />

der Kirchen Sa. Mariadel flore zu Florenz und St. Peter zu Rom sind.<br />

Das Konstruktionssystem der byzantinischen Kuppelbautcn, den Schub des<br />

Hauptgewölbes durch Sporen oder Strebebögen auf das äussere Widerlager<br />

überzuführen , eine Anordnung, die für die mit Kreuz - oder Tonnengewölben<br />

überdeckten Basiliken durch das ganze Mittelalter beibehalten worden ist, wird<br />

*) Dr. Hübsch: Die altchristlichen Kirchen, S. 44.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe), 249<br />

dürfte aus dem Querschnitt in Fig. 9 Tafel X wohl hinlänglich zu erkennen<br />

sein.<br />

Wie der Grundriss C Fig. 309 zeigt, wird das vertikale Gewicht der<br />

Gallerie und der zwischen den Sporen eingespannten Füllungswand , sowie ein<br />

Thsil der Zwischenzungen selbst, unten durch je zwei 0,70 III starke Säulen<br />

in jeder Achtecksseite aufgenommen. Diese Säulen, aus rothem orientalischen<br />

Granit, stehen jedoch nicht unter der Axe der Sporen s, sondern haben ein<br />

zrösseres mittleres Intercolumnium als die letzteren. Es ist deshalb der über<br />

den Säulen liegende Architrav durch flache Bögen, die sich auf kurze von den<br />

Säulenschäften nach der äussern Wand gelegte Quaderstücke stützen, entlastet.<br />

Dass auf diese Säulen auch ein Antheil der aus der Kuppel- und Dachlast<br />

und dem Schub der Kuppel resultirenden schrägen Kraft übertragen wird, ist<br />

unwahrscheinlich. da sich in der Höhe des Architravs die Drucklinie schon so<br />

/<br />

weit von der inneren Mauerflucht entfernt haben dürfte, dass eine Inanspruchnahme<br />

der Säulen durch diese Kraft kaum vorhanden ist. Im wesentlichen<br />

werden wohl die acht in den Ecken liegenden, 3,70 m starken Sporen, deren<br />

Profil der Diagonalschnitt Fig. 309a giebt, sowie die in der äusseren, im unteren<br />

Geschoss auf 1,85 m verstärkten Mauer liegenden Zwischenzungen den Druck<br />

der Kuppel auf das Fundament des Bauwerks übertragen.<br />

D 0 p p e1k u Pp e l n,<br />

Den Schluss der konstruktiven Entwickelung des Kuppelbaues bilden die<br />

zu Ausgang des Mittelalters und in der Renaissancezeit entstandenen Doppelkuppeln<br />

der Dome von Florenz und Rom. Als Vorläufer dieser grossartigen<br />

Bauwerke wurde das oben beschriebene Gewölbe über dem Baptisterium zu<br />

Florenz bezeichnet. In der TImt ist von dieser Vorstufe zur vollständigen Doppelkuppel<br />

nur mehr ein Schritt. Bei letzterer tritt das steinerne Dach, welches<br />

im Baptisterium noch die geradlinige Form des Zeltes beibehielt, als eine zweite<br />

Kuppelschale (sogenannte Schutzkuppel) auf, welche mit der Hauptkuppel annähernd<br />

parallel und durch eine Anzahl Zungen oder Sporen verbunden ist.<br />

Diese Sporen, welche häufig an der innern und äussern Kuppelfläche als profilirte<br />

Rippen vortreten, liegen in Meridianebenen der Kuppel und sind die<br />

eigentlichen tragenden Elemente der Gewölbekonstruktion. Zwischen .dieselben<br />

fügen sich die beiden Gewölbemäntel ein, von denen meistens der innere von<br />

beträchtlicherer Stärke als der äussere ist. Der Vortheil , den eine solche<br />

Konstruktion in statischer Beziehung mit sich bringt, ist der, dass hier das<br />

Gewicht der einzelnen Elementarstreifen im Verhältniss zur Dicke ihres Querschnitts<br />

ein sehr kleines ist, und dass bei den bedeutenden Höhen der arn<br />

Scheitel liegenden Fugen eine relativ günstigere Lage der Mitteldruckslinie als<br />

bei den einschaligen Gewölben möglich ist; im engsten Zusammenhange damit<br />

stehen aber die Grössen der Horizontalkräfte, welche zum Gleichgewicht des<br />

Gewölbes nothwendig sind. Wie sich aus der früher mitgetheilten Theorie<br />

der Kuppelgewölbe leicht ergiebt, erhält man nämlich um so kleinere Werthe<br />

der Horizontalkräfte , je grösser der Querschnitt des Gewölbes und je kleiner<br />

das Gewicht der Lamellen ist.<br />

Die Dom k u P pe I von S a, MaI' i ade I fi 0 I' e erhebt sich über der<br />

Vierung der Kathedralkirche zu F 10 r e n z, deren Grundriss ein lateinisches Kreuz<br />

bildet und in einem kleinen '1'11eil in Fig. 8 Tafel X dargestellt ist. Der<br />

Bau der Kirche wurde 1296 von Amolfo di Cambio (Arnolfo cli Lapo) begonnen<br />

und nach dessen Tod durch Giotto weitergeführt; die Kur pel wurde


250 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

aber erst im 15. J ahrhundert durch Bruneleschi dem Bau .angefügt. Im<br />

Jahre 1420 legte Brunelcschi die Entwürfe hiezu einer Versammlung der bedeutendsten<br />

Baumeister aller Nationen. welche nach Florenz einberufen worden<br />

war, die Vollendung des Doms zu be'rathen, vor und erklärte, die Kuppel ohne<br />

Lehrgerüst als Doppelkuppel ausführen zu wollen. Dies geschah denn auch,<br />

und 1461, 15 Jahre nach Bruneleschi's Tod, war die Kuppel vollendet.<br />

Die Domkuppel von S. Marin del fiore ist, wie ihre V orläuferin von<br />

S. Giovanni in fonte, ein achteckiges Klostergewölbe, das über einem regulären<br />

Achteck sich erhebt, dessen eingeschriebener Kreis 42,6 m Durchmesser hat,<br />

Fig. 310 (S. 251). Das Gewölbe ruht auf vier schon VOll Arnolfo di Cambio<br />

begonnenen mächtigen Pfeilern; dieselben tragen durch Gurtbögen zunächst einen<br />

17,25 m hohen, 5 m dicken Tambour, der mit vier grossen Rundfenstern durchbrochen<br />

ist und ungefähr in der Höhe des äussern Hauptgesimses in die Doppelkuppel<br />

übergeht. Das eigentliche Kuppelgewölbe ist nach einem ziemlich steilen<br />

Spitzbogen gewölbt und hat bis zur Oeffnung der Laterne eine Höhe von 31,5 m;<br />

die Kämpferlinie des Gewölbes liegt ca. 55 m über dem Fussboden des Kirchenschiffes,<br />

so dass sich eine Gesammthöhe bis zum Scheitel von 86,5 m ergiebt.<br />

Die beiden Kuppelschalen trennen sich 2,6 m über dem Anlauf des innern<br />

Gewölbes und laufen parallel mit einander bis zum Plateau im Scheitel, das<br />

die Laterne _trägt. Die untere Dicke des äussern Mantels beträgt 0,85 .m,<br />

die der innern Kuppel 2,15 m; das äussere Gewölbe verjüngt sich nur schwach<br />

gegen den Scheitel hin, während die Stärke der Hauptkuppel konstant bleibt.<br />

Die beiden Gewölbeschalen sind durch 24 Zungen zu einem sich verspannenden<br />

Ganzen verbunden. Von den Zungen liegen, wie am Baptisterium, acht<br />

stärkere in den Gräten des Klostergewölbes, und je zwei schwächere zwischen<br />

den acht Mantelflächen. Diese Zwischenzungen sind mit den Eckzungen durch<br />

kleine Strebebögen verbunden, die ziemlich gleichheitlieh auf dem Profil der<br />

Kuppel verbheilt sind; in Fig. 310 giebt die rechte Seite des Querschnitts den<br />

Durchschnitt nach ce, welcher diese Strebebögen, im Scheitel durchschnitten,<br />

zeigt und zugleich ersehen lässt, dass die Ebene derselben ungefähr normal<br />

auf der 'Wölbung der Doppelkuppel steht. Diese Verspannungsbögen sind<br />

ausserdem auf derselben Seite der Fig. 310 im Grundriss und in Fig. 310a in<br />

ihrer wirklichen Gestalt nach Schnitt f g dargestellt; hieraus dürfte die Anordnung<br />

derselben vollkommen zu entnehmen sein. Gegen die Mitten der<br />

Polygonsseiten hin sind die mittleren Zungen nicht verspannt, sondern es ist<br />

hier der Zwischenraum beider Gewölbe frei und der Rücken der innern Kuppel<br />

in Stufen abgetreppt, wodurch man in jedem dieser Zwischenräume vom Tambour<br />

der Kuppel bis zur Laterne emporsteigen kann. Um das Begehen der Kuppel<br />

besser zu ermöglichen, sind ferner in verschiedener Höhe Podeste zwischen die<br />

Gewölbemäntel gelegt,. welche durch Treppen verbundene Umgänge bilden;<br />

dieselben sind in der linken Seite der Fig. 310 im Durchschnitt nach cd angegeben.<br />

Die Sporen sind dabei, damit diese Umgänge ringsherum laufen<br />

können, mit Thüröffnungen durchbrochen. Im Scheitel der Kuppel schliessen<br />

sich die Zungen an eine Gallerie an, deren innere vertikale Wand den Aufsatz<br />

der 25,5 m (incl. Kreuz) hohen Laterne trägt. Diese ist ebenfalls im Achteck<br />

gebaut und mit einem kleinen achteckigen Klostergewölbe von 5,6 m Durchmesser<br />

geschlossen. Das "Widerlager des Laternengewölbes wird durch acht in<br />

den Ecken der Wand liegende, bis nahe an den Rand des Plateaus vortretende,<br />

mit Durchgangsöffnungen versehene Strebepfeiler gebildet.<br />

Das ganze Bauwerk, mit Ausnahme des innern GewölbBs, ist aus Haustein<br />

(Marmor) konstruirt und das Mauerwerk mit grosser Sorgfalt hergestellt. Am


252 I. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

um dadurch dem Schub der Kuppel entgegenzuwirken oder grössere Abtrennnngen<br />

und Risse zu verhindern. Dass sich trotzdem bald an der Kuppel Risse und<br />

Sprünge zeigten, ist einmal, wie noch näher dargethan werden soll, in der<br />

Natur der Sache gelegen, anderntlieils in dem Umstande begründet, dass das<br />

U eberführen so grosser Kuppellasten auf einzelne getrennt stehende Stützen<br />

oder Pfeiler immer zu einem ungleichen Sichsetzen der Fundamente derselben<br />

Anlass giebt, wodurch Abtrennungen an einzelnen Theilen des Aufbaues<br />

unvermeidlich sind.<br />

In noch höherem Grade als bei dem eben betrachteten Kuppelgewölbe<br />

sind solche Risse und Sprünge an der<br />

Kuppel derPeterskirche zuRom (Eig. 311 S.253u.10TafelX)<br />

aufgetreten und haben Anlass zu Bedenken bezüglich der Stabilität dieses Gewölbes<br />

und zu einer in Folge dessen nachträglich vorgenommenen umfangr,eichen Armirung<br />

der Kuppel gegeben. Die Kuppel, welche ca. 130 Jahre nach Erbauung der<br />

Florentiner entstand, zeigt die Doppelkuppel in vollkommener Gestalt mit kreisförmigem<br />

Horizontalschnitt. Das Gewölbe ist bei gleicher Spannweite bedeutend<br />

einfacher konstruirt als die Kuppel von S. Maria del fiore, indem hier bei der<br />

Kreisform des Horizontalschnitts stärkere Eckzungen sich nicht aussprechen<br />

können, vielmehr alle Sporen in gleicher Stärke ganz gleichheitlich arn Umfang<br />

des Gewölbes vertheilt sincl. Es werden dadurch auch die von den Eckzungen<br />

gegen die Zwischenzungen in Florenz angeordneten kleinen Verspannungsbögen<br />

gegenstandslos, und erfolgt hier die Verspannung der 16 Sporen<br />

lediglich durch den äussern und innern Kuppelmantel selbst. Die Spannweite<br />

der Kuppel beträgt 52,50 m, die Scheitelhöhe , gemessen vom Fussboden des<br />

Schiffs, 101 m und die Höhe bis zur Kämpferlinie 72 m. Das Widerlager<br />

liegt ca. 6,5 m tiefer als der Anfang des Bogenprofils und besteht nach<br />

Fig. 311 (rechte Seite) aus einer 3 m breiten Tambourmauer , welche durch<br />

16 Strebepfeiler verstärkt wird. Diese Strebepfeiler bilden, nach aussen vortretend,<br />

eine Säulenordnung mit verkröpftem Gebälk und stehen mit der<br />

Tambourwand auf einem 9 m dicken Podium, das selbst wieder von den ebenso<br />

breiten Gurtbögen, welche die 4 mächtigen, die Unterstützung der Kuppel<br />

bildenden Pfeiler verbinden, aufgenommen wird. Der Uebergang der quadratischen<br />

Form der Gurten zur Rundform der Kuppel ist durch die bekannten<br />

dreieckigen Zwickelgewölbe bewerkstelligt. Eine grössere Darstellung des<br />

Kuppelquerschnitts enthält Tafel XXIX, welche zu der folgenden statischen<br />

Untersuchung des Gewölbes gehört.<br />

Nach Erbauung der Kuppel von S. Peter seben wir zwar allerorts mit<br />

Kuppeln geschmückte Kirchen entstehen, allein es bleiben diese Gewölbe<br />

Nachahmungen der ersteren in kleinerem Mass stab, welche selten auf die Kon-:<br />

struktionsweise der Doppelkuppeln eingehen. So ist beispielsweise die<br />

Ku p p eId es I n v a l i den d o m s zu Par i s zwar als doppeltes Kuppelgewölbe<br />

konstruirt, allein die beiden Gewölbeschalen bestehen iselbstständig für<br />

sich und entbehren des sie verbindenden Sporens. Das obere Gewölbe ist hierbei<br />

auf .der Hintermauerung der innern Kuppel jziemlich weit ausgekragt, so dass<br />

sich dessen Spannweite bedeutend vermindert. Die Kir c h e S t. Gen e vi e v.e<br />

zu Paris (franz, Pantheon) besitzt eine Kuppel, welche aus 3 Schalen besteht,<br />

von welchen die beiden oberen die Laterne tragen. Hier wie bei der Kuppel<br />

des Invalidendoms scheint die Anlage einer zweiten resp. dritten Kuppelschale<br />

nur aus malerischen Rücksichten bewirkt worden zu sein. Das innere Gewölbe<br />

ist in beiden Tällen mit einer grossen Scheitelöffnung versehen, die den Ein-


254 1. "Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

erbaut) von grösserem Interesse. Es ist auf Tafel XXIV im Grundriss und<br />

Durchschnitt dargestellt und besteht aus einer einmanteligen halbkreisförmigen<br />

Schale von 30 m Spannweite ; der Scheitel ist mit einem Oberlicht versehen,<br />

dessen Unterkante 41,5 m über dem Fussboden liegt. Das -Widerlager ist nur<br />

wenig über den Anfang der Kuppelfläche massiv aufgeführt, sonclern zum<br />

grössern Theil aus Sporen s gebildet, die bis zu 1/s der äussern Gewölbeleibung<br />

aufgeführt sind; sie übertragen den Schub der Kuppel auf die äussere<br />

"\Vand und das vertikale Gesvicht derselben zunächst auf einen Säulenk.ranz<br />

von 36 gekuppelten Säulenpaaren , die vollständig frei stehen und deren quer<br />

zur äussern Wand reichende Architrave durch ein Spitzbogengewölbe entlastet<br />

sind. Im untern Geschoss nehmen kräftige, durch Segmentbögen verbundene<br />

Pfeiler den Druck auf. Die Einzelheiten der interessanten Anlage werden aus<br />

der auf Tafel XXIV gegebenen Darstellung ,wohl ohne weitere Beschreibung<br />

zu entnehmen sein. '<br />

Um die statische Wirksamkeit und Bedeutung der Sporen näher kennen<br />

zu lernen, soll hier noch die Untersuchung eines Doppelkuppelgewölbes folgen.<br />

Als Beispiel ist das oben beschriebene Kuppelgewölbe der Peterskirche in Rom<br />

gewählt, dessen Stabilität aus früher erwähnten Gründen lange angezweifelt<br />

und als von der eisernen Armatur abhängig betrachtet wurde, eine Meinung,<br />

welcher Dr. Scheffler in folge einer statischen Untersuchung dieses Gewölbes<br />

beigetreten ist. Wenn nun in der folgenden Stabilitätsuntersuchung ein hiervon<br />

etwas abweichendes Resultat erhalten wird, so ist dies auf Rechnung der genaueren<br />

Pläne zu setzen, welche uns in Letarouilly's Vatikan zur Verfügung<br />

gestanden haben.<br />

S tab i I i t ä t s u n tel' s u c h u TI g der Pet e r s k u P P e I zuR 0 m,<br />

Der Querschnitt dieses Kuppelgewölbes mit Weglassung des Tambours ist<br />

in den Figg. 2 und 3 Tafel XXIX im Massstabe 1 : 200 dargestellt. Das<br />

Profil der Kuppelflächen ist ein stumpfer Spitzbogen, der Scheitel des Gewölbes<br />

ist offen und trägt auf seinem oberen Kranze die Laterne. Die beiden Kuppelschalen<br />

vereinigen sich im unteren Drittel zu einer einzigen Masse, während<br />

sie sich nach oben von einander mehr und mehr entfernen, so dass der<br />

Zwischenraum zwischen beiden Mänteln unter dem Ansatz der Laterne ca. 5 m<br />

beträgt. Diese beiden Kuppelflächen werden von 16 Sporen durchdrungen,<br />

die nach innen und aussen als profilitte Rippen vortreten und ausser den<br />

zwischen sie eingespannten Gewälbeschalen hauptsächlich noch die Laterne zu<br />

tragen bestimmt sind. Die letztere sitzt auf einer Gallerie, die hauptsächlich<br />

durch zwischen den Zungen gespannte kleine Gurtbögen und die<br />

innere Kuppel getragen wird. Die Laterne wird gebildet durch einen 7 m im<br />

Lichten weiten Mauercylinder , der mit Fenstern durchbrochenund mit einem<br />

halbkreisförmigen Kuppelgewölbe geschlossen ist. Das Widerlager dieses Gewölbes<br />

wird, die Konstruktion des Widerlagsapparates der Hauptkuppel wiederholend,<br />

durch 16 Doppelsäulen mit verkröpftem Gebälk und Säulenstuhl gebildet,<br />

welche mit der verhältnissmässig sehr schwachen Umfangswand des<br />

Cylinders durch ebensoviel sporenartige Mauerkörper (Fig. 1) verbunden sind.<br />

Ueber dem Gewölbe der Laterne beginnt ein steinerner Helm, welcher Knopf<br />

und Kreuz trägt.<br />

Die Darstellung des Gewölbes auf Tafel XXIX ist nach Letarouilly's Aufnahmen")<br />

gezeichnet, und gewährt ein ziemlich genaues Bild des konstruktiven<br />

*) "Le Vaticul1" par P. Letarouilly,


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 255<br />

Aufbaues des Bauwerks, Leider lassen aber jene sonst vorzüglichen Darstellungen<br />

die Zusammensetzung des Mauerwerks hinsichtlich der verschiedenen<br />

Materialien nicht erkennen. Es ist deshalb im folgenden durchgehends ein<br />

gleichartiges Material vorausgesetzt) was für die Genauigkeit des zu erreichenden<br />

Resultats indess von keinem grossen Belang sein dürfte. Einen ungleich<br />

grösseren Einfluss auf das Schlussresultat. hier auf den Verlauf der Stützlinie,<br />

üben elle Annahmen und Hypothesen) welche) wie bekannt, allgemein und auch<br />

bei der Stabilitätsuntersuchung der einfachsten Gewölbe gemacht werden müssen,<br />

und die sich natürlich bei so komplizirten Gewölben, wie es die Doppelkuppeln<br />

sind, noch in weit höherem Grade bemerkbar machen. Wenn nun auch bei<br />

Abfassung der folgenden statischen Untersuchung der Werth einer lediglich<br />

theoretischen Spekulation für die Erkenntniss der thatsächlichen Lage der<br />

Dinge nicht zu hoch geschätzt wurde, so darf doch andrerseits behauptet<br />

werden, dass, wen n e s u n t e r i r g'end ein e T m Ö g 1ich e n A n nah m e<br />

gelingt, eine Drucklinie für das Gewölbe der Kuppel so zu<br />

zeichnen, dass sie nirgends a u s den Gewölberändern tritt,<br />

von ein er Uns t a b i 1i t ä t der Ku pp e I des wohl bedeutendsten Bauwerks<br />

der neuen Zeit k ein e Red e m ehr sei n k an n. Dies letztere ist aber bei der<br />

Petcrskuppel thatsächlich der Fall.<br />

Bevor mit der Untersuchung der Hauptkuppel begonnen werden kann, ist<br />

es nothwendig, die von der Laterne auf die Anfänge des grossen Gewölbes<br />

iibertragene Kraft nach Grösse und Richtung zu bestimmen; es ist dies eine<br />

besondere Untersuchung für sich, deren Resultat in Fig. 4 dargestellt ist. Der<br />

Massstab des Kräfteplans ist so gewählt, dass 0,5 cm dem Gewicht eines<br />

Kubikmeters Mauerwerk entspricht. Es ist dann 0 1 der Horizontalschub des<br />

Kuppelgewölbes in der Laterne für einen Meridianstreifen JYIo 0'; 1 2, die von<br />

dem Laternenhelm incl. Knopf und Kreuz übertragene schräge Kraft; 2 3 das<br />

Gewicht einer Lamelle der Laterne (1/16 des ganzen Gewichts) von der<br />

Horizontalebene A A' abwärts bis zum Plateau am Scheitel der Hauptkuppel.<br />

Der ungefähre Verlauf der Gleichgewichtskurve für den Querschnitt der Laterne<br />

ist in Fig. 3 eingezeichnet. Der Punkt a, in welchem diese Kurve die obere<br />

Begrenzung der grossen Kuppel schneidet, ist der Angriffspunkt der von der<br />

Laterne auf die Hauptkuppel übertragenen Einwirkung, welche durch 0 3 (Fig. 4)<br />

nach Grösse und Richtung dargestellt wird. -<br />

Um die Stützlinie für das Hauptgewölbe zu bekommen, ist es nöthig, die<br />

Doppelkuppel wieder erst in einzelne Meridianstreifen und diese in einzelne<br />

Lamellen zu zerlegen. Die Art der Zerlegung der Doppelkuppel in einzelne<br />

Streifen ergiebt sich aus ihrer konstruktiven Anordnung von selbst. Es bilden<br />

offenbar die 16 aus dem Tambour aufsteigenden Zungen die Hauptträger der Kon- .<br />

struktion, zwischen welche sich die beiden Gewölbeschalen, um Halt und Widerlager<br />

zu gewinnen, einspannen. Man kann deshalb am vortheilhattesten einen<br />

Sporen, z, B. MN, herausgreifen und mit dem Gewichte desselben die der anstossenden<br />

Gewölbefelderhälften M NI 0 und M N 2 0' vereinigen, so dass sich also<br />

das Gewicht eines Streifens auf 1/16 des Gesammtgewichts der Kuppel beziffert.<br />

Die Gewichte der halben Gewölbefelder M N 1 0 und M N 2 0 lassen sich zu<br />

einem einzigen in der Meridianebene des Sporens MN wirkenden Gewicht<br />

vereinigen, so dass also wieder alle Gewichte in einer und derselben Vertikalebene<br />

liegen. Die weitere Eintheilung des von den Meridianebenen JYIO und<br />

]If0' begrenzten Streifens in einzelne Lamellen lässt sich am besten mit Rücksicht<br />

auf die Konstruktion der Gewölbmäntel und Sporen bewerkstelligen.<br />

Fig. 2 zeigt den Meridianschnitt MN durch den Sporen und in der,


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 257<br />

Vereinigt man nun die in den Schwerlinien der einzelnen Stücke liegenden<br />

Gewichte des äussern und innern Mantels, sowie des Sporens , zu einem einzigen<br />

Gewicht (am einfachsten durch Zeichnung eines Seilpolygons über den<br />

drei Einzelgewichten). so erhält man hierdurch die Lage des Gcsannntgewichts<br />

jeder einzelnen Lamelle. So stellt Fig. 9 den Kräfteplan für die Bestandtheile<br />

der ersten Lamelle vor; das über den Schwerlinien derselben gezeichnete<br />

Seilpolygon giebt im Schnitt der ersten und letzten Seite die Lage des Gesammtgewichts<br />

1. Aeimlich ist mitte1st Fig. 10 die Schwerlinie 2 erhalten<br />

worden und ähnlich alle folgenden: 3, 4 ... 10. Die Gewichte der Lamellen<br />

X bis XV erhält man dann aus je zwei Kräften: dem Gewichte des Sporen und<br />

des zwischen je zwei Rippen liegenclen Leibes des Gewölbes. Sind so die einzelnen<br />

Lamellengewichte auch nach ihrer Lage festgestellt, so erübrigt es nur<br />

noch, über die Lage der auftretenden Horizontalkräfte eine Annahme zu<br />

machen. Die grosse ;Dicke .des Gewölbes am Scheitel lässt hier die verschiedensten<br />

Annahmen dieser Kräfte zu, je nachdem man sich die Verspannung<br />

der Rippen mehr durch den innern oder äussern Gewölbemantel erfolgt denkt.<br />

Um hier eine ziemlich in der Mitte liegende Annahme z,u bekommen, betrachte<br />

man vorerst die zwischen den Rippen liegenden Gewölbefelder bezüglich ihres<br />

Gleichgewichtszustandes für sich, ohne Rücksicht auf die Laterne und die<br />

Sporen des Gewölbes. Es muss dann für jeden Mantel eine Stützlinie möglich<br />

sein, die ganz im Gewölbe liegt und aus der man die durch jeden Mantel<br />

ausgeübte Horizontalverspannung bestimmen kann. Beide Horizontalkräfte vereinigt,<br />

geben dann eine Mittelkraft, die das Mi n i m u m der auf den Sporen<br />

ausgeübten Horizontalverspannung vorstellt. Für die einzelnen Mäntel sind<br />

die Angriffspunkte der zum Gleichgewichte erforderlichen Horizontalkräfte<br />

h 1 ' , h 1 "', h 2 ' , h 2 ,,, etc.... in den oberen Grenzpunkten der bezüglichen Lamellen<br />

angenommen. Der Kräfteplan für den innern Mantel ist in Fig. 5, der für<br />

den äussern Mantel in Fig. 6 nach dem beigeschriebenen Mass stab aufgetragen.<br />

Die Stützlinien wurden in früher angegebener Art unter der Annahme erhalten,<br />

dass die grösste Abweichung der Resultanten von den Lothrechten zu den<br />

zugehörigen Fugen 17 0 nicht übersteigen darf. Die beiden Drucklinien liegen<br />

nach Fig. 2 grösstentheils dicht an den innern Wölblinien. Die Punkte b'<br />

und b"', in denen sie die Ebene der Aufmauerung zwischen den beiden Kuppelschalen<br />

treffen, liegen so günstig, dass sie auch für einen vermehrten Horizontalschub<br />

noch innerhalb der Gewölbedicke bleiben. Jeder der beiden Gewölbemäntel<br />

hat also für sich den wünschenswerthesten Grad von Stabilität.<br />

Je. zwei in einer Lamelle liegende Horizontalkräfte, deren resp. Grössen durch<br />

die für die Stützlinie beider Gewölbeschalen gezeichneten Kräftepläne bestimmt<br />

sind, lassen sich nun mit Hülfe der Flg. 11 zu einer Resultante vereinigen,<br />

wodurch man die Lage der auf den Sporen wirkenden seitlichen Verspannungen<br />

1-1 1 , H'J' Ha .... H s erhält. Aus diesen Horizontalkräften und den Totalgewichten<br />

der einzelnen Lamellen, die in dem Kräfteplan Fig. 7 für die<br />

Lamellen I bis X und in Fig. 8 für die Lamellen X bis XIV eingetragen<br />

sind, lässt sich nun eine Stützlinie für den ganzen Kuppelsektor MO 0' ziehen.<br />

Durch das Hinzutreten des Gewichts der Laterne, der Gallerie und des Sporens<br />

in dem Kräfteplan Fig. 7 wird natürlich eine Vergrösserung der gefundenen<br />

Horizontalkräfte H nothwendig werden müssen; allein dieselbe sei derart, dass<br />

dabei der Mittelpunkt dieser Kräfte in den einzelnen Lamellen beibehalten<br />

bleibt, so dass nach wie vor die Gesammthorizontaldrücke der einzelnen Lamellen<br />

mit den Linien 1]1 bis Hf: zusammenfallen. Die Grösse dieser Horizontalwirkungen<br />

ergiebt sich dann durch die Zeichnung der definitiven Mittel-<br />

Go t t g e t r e 11, Hochbaukonstruktion. 1'7


2GO 1. Maurer- und Steimnetzarbeiten.<br />

Der unterste Ring liegt über dem Tambour, auf welchem die das 'Widerlager<br />

der Kuppel verstärkende Säulenordnung steht; der zweite Ring liegt über<br />

dem Kranzgesims dieser Strebepfeiler) vor dem Sockel der Attika (Fig. 2<br />

Tafel XXIX); der dritte Ring wurde über der Attika, arn Anfang der<br />

äussern Kuppel eingelegt, der vierte liegt auf der äussern Kuppel ungefähr<br />

30 cm unter der Stelle, wo die A ufmauerung zwischen den Gewölbeschalen<br />

aufhört; der fünfte in der halben Höhe der äussern Kuppel, der sechste<br />

über dem Podium der Laterne. Diese Ringe liegen dicht an der Leibung<br />

des Gewölbes, gehen also unter den Vorsprüngen der Rippen durch und sind<br />

mit ihrer ganzen Dicke in die Gewölbefläche eingelassen. Die. Ringe wurden<br />

in den Jahren 1743 bis 1748 gelegt, und bei dieser Gelegenheit (1747)<br />

entdeckte man, dass der ursprüngliche bei der Erbauung der Kuppel über das<br />

innere Gewölbe gelegte Ring an zwei Stellen gerissen war. Es ist mit<br />

Sicherheit anzunehmen, dass auch der in der Aufmauerung gelegene Ring,<br />

welcher nicht blossgelegt werden konnte, gerissen ist, sowie dass die Zerstörung<br />

dieser Ringe bald nach der Vollendung der Kuppel erfolgte und wohl<br />

erfolgen musste, als eine Mauermasse von ca. 14000 kbm mit einem Gewichte<br />

von ca, 28 000 000 kg anfing, sich zu setzen. Seit jener Zeit 'bis zur Mitte<br />

des 18 . Jahrhunderts, also durch 15 5 Jahre, ist daher die Kuppel ohne Armirung<br />

gewesen und ihr Bestand lediglich durch den von vorneherein vorhanden ge7<br />

wesenen Stützapparat erhalten worden.<br />

Es ist in hohem Grade interessant, Vergleiche zwischen der von Domenico<br />

Fontana ausgeführten Kuppel und dem Michel Angelo'schen Projekte anzustellen.<br />

Dies ermöglicht die Fig. 311 (S. 253), in welcher beide Gewölbe in demselben<br />

Mass stabe dargestellt sind; rechts die heutige Peterskuppel, links die Form nach<br />

dem Modell Michel Angelo's. Es ist hierbei der gewaltige Fortschritt bei der<br />

jetzigen Gestalt nicht blas in ästhetischer Hinsicht, sondern noch vielmehr in<br />

statischer Beziehung unverkennbar. Zeigt uns der Verlauf der für die jetzige<br />

Kuppel gezeichneten Stützlinie, dass die Kuppel Fontana's zwar stabil ist, zu<br />

gleicher Zeit aber die Erhebung des Kuppelscheitels über den Widerlagerapparat<br />

durch das stumpfe spitzbogige Kuppelprofil in ungemein kühner1Veise erfolgt<br />

ist, so dürften wohl für das Projekt Michel Angelo's, welche für die Form<br />

der inneren Gewölblinie den weniger stabilen Halbkreis setzt) Bedenken bezüglich<br />

seiner Ausführbarkeit rege werden; namentlich da auch der Vorsprung<br />

der Rippen ein bedeutend geringerer und die Last der Laterne verhalmissmässig<br />

noch viel grösser als bei dem heutigen Bestande ist. VVürde man indessen<br />

heutzutage eine Petcrskuppel bauen, so dürfte es gerathen sein, den Spitzbogen<br />

des Kuppelprofils etwas steiler und die Last der Laterne etwas geringer anzunehmen.<br />

S e h l u s s b e t r a c h tun g.<br />

Aus den vorstehenden über die Stabilität der Gewölbe angestellten Betrachtungen<br />

dürfte sich zur Genüge ergeben, dass die Baumechanik nach<br />

ihrem heutigen Stande noch weit entfernt ist, dem ausführenden Bautechniker<br />

in allen Fällen als sichere Richtschnur für die Stärkebestimmung der Steinkonstruktionen<br />

des Hochbaues dienen zu können. Der unmittelbare praktische<br />

Werth der theoretischen Untersuchungen müsste aber noch mehr schwinden<br />

und die Mängel der Theorie würden noch bemerkbarer werden, wenn man<br />

darauf ausgehen wollte, aus dieser 'Wissenschaft die zukünftigen Fortschritte<br />

der Baukonstruktion abzuleiten. Für die Hochbaukonstruktionen besitzen die


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 261<br />

statischen U ntersuchunzen der Gewölbe desweaen keinen hohen 'Yerth. weil<br />

u u ,<br />

dabei ein wesentlicher Faktor des gewöhnlich hier angewendeten Backsteinmauerwerks<br />

, der M ö I' tel, bis jetzt nicht in Rechnung gezogen werden<br />

konnte. Denkt man sich aber den Märtel ganz hinweg , oder an Stelle desselben<br />

ein Bindemittel, dessen Bindekraft, d. h. Widerstand gegen Trennen<br />

der verbundenen Steine gleich Null ist, so wird damit der Begriff des Mauerwerks,<br />

wie es bei jenen Konstruktionen angewandt ist, vollständig aufgehoben.<br />

Thatsächlich äussert sich die Vernachlässigung des Bindemittels in den<br />

zu grossen Resultaten, welche man nach blasser Anleitung der Theorie erhält.<br />

Dies tritt namentlich ein, wenn man nach der Na v i er' s c h e n T h e 0 r i e<br />

annehmen wollte, dass alle Druckmittelpunkte innerhalb der Kernränder (mittlere<br />

Drittel) der widerstehenden Flächen liegen müssen.<br />

Die grosse Differenz der den jeweils bezüglich des Bindemittels gemachten<br />

Annahmen entsprechenden Resultate zeigt sich am besten in den Angaben über<br />

die Gewälbestärken von Rondelet. Während er die Minimalstärke eines Halbkreisbogens<br />

aus glatt bearbeiteten Hausteinen , ohne Bindemittel, auf 1/ 18 der<br />

Spannweite setzt (pag. 218), giebt er andrerseits die geringste Dicke eines<br />

halbkreisförmigen Backsteingewälbes zu 1/100 und die ge b r ä u c h I'i ehe Stärke<br />

zu I/ 5 4 bis 1/ 90, also im Mittel zu 1/ 72 der Spannweite (pag. 221) an. Da<br />

in ein solches Gewölbe durch kein Mittel eine Stützlinie gelegt werden kann,<br />

so ergiebt sich, dass bei fest bindendem Märtel die Drucklinie selbst eines<br />

stabilen Gewölbes die Gewälberänder wohl verlassen kann. Im Backsteingewälbe<br />

müssten also die vor dem Bruche auftretenden Zugkräfte der Mörtelbänder<br />

berücksichtigt und in Rechnung gezogen werden. Theoretisch bleibt<br />

dies immer sehr prekär, da die Festigkeit des Mörtels gegen Zug namentlich<br />

von der grässeren oder geringeren Sorgfalt bei der Bereitung desselben und<br />

bei der Mauerung abhängen, also den grössten Schwankungen unterliegen<br />

würde. Das Einfachste, wenn auch nicht das Richtigste, bleibt es daher unter<br />

allen Umständen, die Zugfestigkeit des Märtels ganz zu vernachlässigen und<br />

die Drucklinie so zu legen, dass sie selbst bei einem etwa eintretenden Bruche<br />

des Gewölbes noch innerhalb der Gewälbedicke liegt, wozu genügt, wenn diese<br />

Linie in den Brechungspunkten der Gewölbe tangirt.<br />

Sind wir also auch weit entfernt, der Mit tel d r U c k s - 0 der S t ü t z «<br />

linie vollständiges Vertrauen zu schenken, s 0 ist sie d 0 eh an d r e r sei t s<br />

das beste bis jetzt bekannte Mittel, die Art der v'\Tirkung<br />

und Zusammensetzung der Kräfte in den Konstruktionen<br />

er k en ne n zu las s e n , und jeder Techniker wird sich in schwierigen, das<br />

Gewöhnliche übersteigenden Fällen mit ihrer Hülfe von der theoretischen<br />

Möglichkeit seiner Massnahmen überzeugen!<br />

Ein Feld der praktischen Bauthätigkeit wird freilich noch lange der theoretischen<br />

Behandlung sich entziehen: nämlich der Ce m e n t- 0 der K 0 n k l' e t­<br />

Ge w ö I beb a u. Lässt sich schon das gewöhnliche Ziegelmauerwerk nUT<br />

schwer als Zusammenfügung einzelner verschiedenartiger Theile betrachten,<br />

indem vielmehr hier schon durch die Bindekraft des Luftmörtels das Ganze<br />

als homogene Masse aufzufassen ist, so ist dies um so mehr bei Verwendung<br />

von Cementen der Fall. Hier erfolgt eine Vereinigung zwischen Stein und<br />

Bindemittel, deren Intensität oft grösser als die Festigkeit des Steinmaterials ist,<br />

so dass ein Bruch ebenso oft mitten im Stein, als an den Fugen eintreten<br />

kann. Diese bedeutende Bindekraft des hydraulischen Märtels hebt den Charakter<br />

des Gewölbes vollkommen auf, und sind in folge dessen Steinc1ecken<br />

in Cementmörtel als Y 0 11 ;c: t ä n d i g e m 0 11 0 1i t h e M a s s e n z u den k e n ,


264 I. Maurer- und Steinmotzal'beiten.<br />

Steigung:<br />

bei<br />

" ""..<br />

u<br />

"<br />

""".. u<br />

".. u<br />

"<br />

""""""""""<br />

A uf'tri tt:<br />

0,120 m *) (0,60 - :2 . 0,120) = 0,36 m<br />

0,125" (0,60 - 2 . 0,125) = 0,35 "<br />

0,130" (0,60 - 2 . 0,130) = 0,34 "<br />

0,135 ,,**) (0,60 - 2.0,135) = 0,33 "<br />

0,140 u (0,60 -- 2 . 0,140) = 0,32 "<br />

0,145.. (0,60 - 2 .0,145) = 0,31 "<br />

0,150" (0,60 - 2 . 0,150) = 0,30 "<br />

0,155" (0,60 - 2.0,155) = 0,29 "<br />

0,160" (0,60 - 2 . 0,160) - 0,28 "<br />

0,165" (0,60 - 2 . 0,165) = 0,27 "<br />

0,170" (0,60 - 2.0,170) = 0,26 "<br />

0,175" (0,60-2.0,175)=0,25"<br />

0,180" (0,60 - 2 . 0,180) = 0,2 L1 "<br />

0,185" (0,60 - 2.0,185) = 0,23 "<br />

0,190" (0,60 - 2 . 0,190) = 0,22 »<br />

0,195" (0,60 - 2 . 0,195) = 0,21 "<br />

0,200" (0,00' - 2 . 0,200) = 0,20 "<br />

0,205" (0,60 - 2 . 0,205) = 0,19 "<br />

0,210" (0,60 .- 2 . 0,210) = 0,18 "<br />

0,:215" (0,60 -- 2.0,215) = 0,17 "<br />

0,220" (0,60 ..- 2 . 0,220) = 0,16 "<br />

0,225" (0,60 - 2 . 0,225) = 0,15 "<br />

0,230" (0,60 - 2 . 0,230) = 0,14 "<br />

0,235" (0,60 - 2 . 0,235) = 0,13 "<br />

0,240" (0,60 - 2 . 0,240) :.- 0,12 u<br />

Im allgemeinen nimmt mit der grässern Höhe der Steigung das Mass des<br />

Auftrittes ab.<br />

Von den vorstehenden Verhältnissmassen finden Anwendung:<br />

die Steigung von 0,120 bis 0,135 m für Prachttreppen ; die Steigung<br />

von 0,140 bis 0,165 m für Haupttreppen; die Steigung von 0,170 bis 0,220 m<br />

für Nebentreppen ; noch höhere Steigungen und zwar bis zu 0,240 m finden<br />

sich wohl nur bei den in Kaufläden, Bibliotheken etc. benützten transportablen<br />

Trittleitern.<br />

Nach dem Ingenieur-Obersten A. R. Emy in seiner l'art de charpenterie,<br />

Tom. II, soll die Summe der Höhe und Breite einer Treppenstufe 0,487 m<br />

sein und begründet er diese Regel darauf, dass die Länge des Schrittes einer<br />

Person von mittlerem W uchse, die sich nach gewöhnlichem und am wenigsten<br />

ermüdenden Gange bewegt, nur 0,487 111 beträgt, und dass die Höhe, in welcher<br />

ein Fuss sich .vertikal über den andern erheben kann, bei dem Besteigen einer<br />

senkrecht stehenden Leiter nicht wohl 0,487 111 übersteigen dürfe; hiernach<br />

sei es nicht nöthig, beim Durchlaufen einer Treppe nach horizontaler und nach<br />

vertikaler Richtung Anstrengungen zu machen, deren Summe grässer ist als<br />

die, um horizontal fortzuschreiten oder vertikal in die Höhe zu steigen.<br />

"') Eine Prachttreppe aus weissem Marmor mit 12 cm Steigung und 36 cm<br />

Auftritt befindet sich im Vatiean zu Rom.<br />

*''') Die Haupttreppe aus Granit in der techn. Hochschule in München, hat 13,5 cm<br />

Steigung und 35 cm Auftritt; diese Stufenbreite seLzt sich zusammen aus der wahren<br />

Stelnbreite und einem 2,5 em vorspringenden Profile,


Arbeiten des Eohbuues (Treppen). 265<br />

Demgemäss entspräche den Steigungen von<br />

0,12 m der Auftritt von 0,487 - 0,12 = 0,367 m<br />

0,15. ,. " ,. 0,487 - 0,15 = 0,337 "<br />

0,18" u •. 0,487 - 0,18 = 0,307 /,<br />

0,20" 11 " u 0,487 - 0,20 = 0,287 " etc.<br />

Vergleicht man beide Resultate , so' ergiebt das französische Verfahren<br />

verhältnissmassig bedeutend grässere Auftritte, und möchte dem deutschen<br />

Verfahren keineswegs vorzuziehen sein. Der effektive Auftritt unserer Treppenstufen<br />

wird übrigens fast ohne Ausnahme durch eine vortretende Gliederung um<br />

2,5 bis 3 cm verbreitert.<br />

Sind einmal die Masse für Steigung und Auftritt festgestellt, so sollten<br />

dieselben auch für die ganze Treppenanlage d u r c hall e S t 0 c k wer k e beibehalten<br />

werden, wie dies besonders bei Neubautell ohne alle Schwierigkeit sich<br />

erreichen lässt. Beispielsweise sollten bei einer Treppe mit 0,15 m Stufenhöhe<br />

(Steigung) die einzelnen Etagenhöhen inkl. der Balkenstärke ein Vielfaches<br />

von 0,15 m sein; so würden 23 Stufen einer Etagenhöhe von 3,45 m,<br />

26 Stufen einer solchen von 3,90 mete. entsprechen.<br />

Werden die Etagenhöhen 'bestimmt ohne diese Rücksichtsnahmo, so erhält<br />

man sehr häufig Zahlen von mehreren Dezimalstellen, die für den praktischen<br />

Gebrauch immer sehr unbequem sind; so würden, um eine Höhe von 4,25 m<br />

zu ersteigen, 28 Stufen, jede mit 0,1518 m Steigung nothwendig werden, eine<br />

Grösse, die sich weder genau messen, noch genau auftragen lässt; dieser Umstand<br />

macht es nothwendig , die betreffenden Stufenhöhen auf einer die<br />

ganze Etagenhöhe messenden Latte dadurch zu bestimmen, dass man sie eben<br />

in 28 Theile gleichmässig eintheilt.<br />

Aus der Zahl der Steigungen einer Treppe ergiebt sich die Zahl der<br />

dazu gehörigen Auftritte, und hieraus lässt sich weiters der Raum entwickeln,<br />

der im Grundplane für die ganze Treppenanlage erforderlich ist.<br />

Da die Austrittsstufe stets in der Oberfläche des Fussbodens selbst liegt,<br />

so beträgt die Anzahl der Auftritte um Eins weniger als die Anzahl der<br />

Steigungen. Die Länge (a) eines geraden Treppenlaufes im Grundrisse wird<br />

gefunden, indem man die Grösse des Auftritts eb) mit der um Eins verminderten<br />

Anzahl der Steigungen (n) multiplizirt, oder auch durch die Formel<br />

a = b(n-l).<br />

Die Podestbreite ist im allgemeinen so anzuordnen, dass sie mit der<br />

Schrittweite in Einklang steht und dabei das sogenannte Schrittwechseln vermieden<br />

wird; bei gewöhnlichen Treppen genügt eine, . bei grössern Treppen<br />

zwei, bei ganz grossen Prachttreppen drei Schrittweiten<br />

; in den meisten Fällen jedoch giebt man den C'_-,---r---r--.-­<br />

Podesten, wenn dies möglich ist, eine quadratische,<br />

oder wenn dies nicht möglich ist, eine annäherungsweise<br />

quadratische Form.<br />

Bei gewundenen Treppen muss das Mass des<br />

normalen Auftritts in der Mitte der Stufenbreite sich<br />

befinden; so dass, wie dies die Fig. 313 verdeutlicht,<br />

die Schrittlinie (I b in gleiche Theile zu theilen ist,<br />

wobei die Breite bei c nicht zu grass und die bei cl<br />

nicht zu gering ausfallen darf; überhaupt sind solche<br />

,y i n k e I s t u f e n , wenn möglich, zu vermeiden. Die<br />

Fig-. 313.<br />

Breite eines Treppenlaufes sollte nicht wohl geringer als 0,G0 m gewählt werden,<br />

denn diese genügt wohl für eine Person; um zwei Personen neben einander das


266 J. "\Lull'er- und Steil1metzarbeiten.<br />

Begehen einer Treppe zu ermöglichen) ist eine Breite von 2. 0, G0. = 1,20. m<br />

benöthigt , die man "wohl bei anständigen ,Yohngcbäuden bis auf 1,50. m vermehrt.<br />

Bei Prachttreppen in öffentlichen monumentalen Gebäuden wählt man<br />

die Breite der Treppenarme doppelt und dreifach so breit. Für K ebentreppen<br />

(Keller- und Dachbodentreppen) g-eni.igt in den Ineisten Fällen das Mass von<br />

1 m Breite.<br />

Eintheilung der massiven Treppen.<br />

Treppen aus Steinmaterial dienen bei Anwendung sehr verschiedener<br />

Materialien den verschiedensten Zwecken, und werden ihrer Konstruktion nach<br />

unterschieden:<br />

1. unterstützte Treppen, bei welchen die Stufen entweder<br />

a) durch U n t e r mau er u n g, entweder so, dass die Stufen ihrer<br />

2.<br />

ganzen Länge nach unterstützt sind, oder nur an ihren Enden;<br />

b) durch U n tel' IV Ö I b u n godel'<br />

c) durch w 3: n gen getragen werden; auch können die Stufen<br />

d) von vollen oder offenen Mauerbögen unterstützt sein;<br />

freitragende Treppen, bei welchen die Stufen<br />

a) nur mit einem Ende ihr Auflager in<br />

e r h a l t e nadel'<br />

der Mauer<br />

b) si c h u m ein e S p in d e l w in den. In beiden Fällen unterstützen<br />

sich die einzelnen Stufen gegenseitig und leiten den Gesammtdruok<br />

auf die Antrittsstufe über, die durch ein festes Fundament<br />

eine durchaus gesicherte Lage erhalten haben muss.<br />

Sind die S t u fe n e i 11 e r Hau s t ein t l' e P p e u n t e r mau e r t, so<br />

wählt man wohl für sie den einfachen r echteckizen Ouerschnitt , wie er in<br />

_ b "" I<br />

Fig. 314 dargestellt ist, und greifen dann ,die Stufen 3 bis 4 cm übereinander<br />

fort; eine Verbindung jedoch, die nicht so leicht eine Verschiebung der Stufen<br />

gestattet, geben Figg. 315 und 316, wobei im ersten Fall ein einfaches Profil<br />

die Stufe an ihrer Auftrittskante begrenzt, im zweiten Falle die sichtbare Stirn<br />

Fig. 314.<br />

Fig. 316. Fig. 317.<br />

der Stufe mit einem Profile eingefasst erscheint. Soll verhindert werden, dass<br />

das hin und wieder auf die Stufen gebrachte Wasser nicht in die Fugen eindringe)<br />

SO" wählt man wohl eine Verbindung wie in F'ig. 317.


Arbeiten des Rohbaues (Treppen). 267<br />

Die Fig. 318 deutet an, wie bei kostspieligem Material aus einem rechteckigen<br />

Querschnitt (bei a) 2 Stufen durch Sägen und Spalten gewonnen werden<br />

können.<br />

Bei unterwölbten Treppen benützt man ausser den eben gegebenen Stufenformen<br />

auch wohl die in Fig. 319 dargestellte, 'wobei selbstverständlich die<br />

Rückseite rauh bleibt, wie dies überhaupt bei den nicht isichtbaren Flächen<br />

aller Steinstufen der Fall ist.<br />

Fig-. 318. Fig-. 319.<br />

Bei Verwendung VOll Backsteinen bestehen wohl die einzelnen Stufen aus<br />

Rollschichten, die dann mit Portlandcement oder irgend einem andern widerstandsfähigen<br />

Kitt.") überzogen werden; besser ist es jedenfalls, solche aus Backsteinen<br />

konstruirten Stufen mit einem Material zu belegen, das widerstandsfähig<br />

genug ist, dem "A u s tr e te n " zu widerstehen. Hierzu wählt man dann<br />

wohl dünn geschnittene Steinplatten oder Belege von hartem Holz.<br />

Geschieht das letztere; so sind Mittel und Wege zu ergreifen, die hölzerne<br />

Trittstufe aufs innigste mit dem Stein zu verbinden.<br />

Verwendet man Holzbelege , und zwar solche von 6 bis 7,5 cm Stärke,<br />

so lässt man dieselben wohl nach drei Seiten hin um 3 bis 4 cm in die<br />

Mauer eingreifen; dabei erscheint es zweckmässig, diese Holzbelege je nach<br />

ihrer Längenabmessung ein - oder zweimal so mit ihrer Untermauerung zu<br />

verbinden, dass ein aHenfallsiges Werfen ausgeschlossen erscheint. Vor<br />

dem Verlegen ist es räthlich , die untere Seite der hölzernen Trittstufe satt<br />

mit Leinöl zu tränken) damit sie der Feuchtigkeit und dem Werfen nicht<br />

unterworfen sei. Zur energischen Befestigung verwendet man wohl auch seitlich<br />

Bankeisen und an der Stirnseite der Stufen Winkeleisen oder anderweitige<br />

Verbolzungen, wie dies die Figg. 320 und 321 andeuten. Das Einlassen von<br />

Fig. 320. Fig. 321.<br />

Dübeln auf den Trittstufen selbst ist unter allen Umständen zu vermeiden.<br />

Eine sehr sorgsame Konstruktion, die es ermöglicht, die Holzstufe zum Reinigen<br />

herauszunehmen, geben die Figg. 322 und 323 (S. 268), die erste Einrichtung<br />

besteht darin, dass an der untern Seite der Stufe 2 bis 3 eiserne Haken befestigt<br />

werden, und schieben sich diese Haken in die gleiche Anzahl von Ringschrauben<br />

*) Kreye'scher Cement.


270 1. Maurer- und Steinl11etzarbeiten.<br />

Arbeit aber fällt fort, wenn zur U n tel' w öl b u n g der Treppenarme geschritten<br />

wird, hierbei haben die Stufen, dem aufsteigenden Gewölbe entsprechend, an<br />

der Rückseite nur rauhe Bearbeitung zu erfahren, und zeigt Fig. 319 die entsprechende<br />

Profilform.<br />

b) Durch Ilnterwölbung unterstützte Treppen.<br />

Bei den vollständig unterwölbten Treppen lassen sich aber auch die Stufen<br />

mitte1st Backstein - Rollschichten und Holzbelag , oder durch einen Belag von<br />

Marmor, Schieferplatten , hartem Sandstein konstruiren ; weniger empfehlenswerth<br />

ist hier der Cementverputz auf die nur vorgemauerte Backsteinstufe.<br />

Eine solche Mitbetheiligung des Holzes an einer sonst massiven Treppe<br />

wird aber auch von sämrntlichen Bauordnungen als "f e u e I' sie her" anerkannt.<br />

Bei der unanzuzweifelnden Solidität aller unterwölbten Treppen ist auf<br />

Tafel XXV eine solche, für sehr bescheidene Verhältnisse eingerichtete Treppenkonstruktion<br />

mitgetheilt.<br />

Fig. 1 stellt im Grundriss zwei gerade Treppenarme mit je 13 Stufen<br />

bei einer Breite von 1,70 m dar; in den halben Etagenhöhen befinden sich<br />

Doppelpodeste je mit 2 Fenstern, während, um möglichst viel Raum zu ersparen<br />

und mit den einfachsten Mitteln zum Zweck zu gelangen, eine 1 1 / 2 Stein<br />

starke Wangenmauer mit Blendbögen die beiden Treppenläufe von einander<br />

trennt. Die Wangenmauer ist mit sämmtlichen das Treppenhaus umschliessenden,<br />

ebenfalls mit Blendbögen versehenen Wänden mitte1st Rundbögen verspannt.<br />

Die Treppenarme sind mit flachen aufsteigenden Kappengewölben , die<br />

Podeste mit Bogenstich besitzenden Kreuzkappen , die Treppenvorplätze mit<br />

Kugelkappen überwölbt gedacht, und ist hierzu ein möglichst leichtes·Wölbmaterial<br />

zu wählen; bei Anwendung von gutem Cementmörtel und gut gebranntem<br />

Ziegelmaterial genügt es, den aufsteigenden Kappengewölben die<br />

Stärke eines flach gelegten Steines zu geben, während in den meisten Fällen<br />

dafür 1/2 Stein Anwendung findet, eine Stärke, die man auch wohl den<br />

Podest- und Vorplatzgewölben giebt.<br />

Auf die eventuell mit Hohlsteinen vorgemauerten Stufen sind 6 em starke<br />

Eichenbolzbeläge aufgebracht. Die Podeste und Vorplätze können eichene<br />

Parkettböden erhalten. In Fig. 2 ist<br />

ein solcher nach CD dargestellt.<br />

ein Durchschnitt nach AB, in Fig. 3<br />

An und für sich bietet die hier angeführte Treppenanlage in ihrer Konstruktion<br />

auch nicht die geringsten Schwierigkeiten dar, und ist dies besonders<br />

dann der Fall, wenn man davon absieht, die stützenden Stirnpfeiler mit Kapitäl<br />

und Basis zu versehen. Geschieht dies aber und stellt man sich die Aufgabe,<br />

sämmtlichen Stirnpfeilern einen gleich hohenPfeilerschaft zu geben, so wird<br />

man in den meisten Fällen die hierbei nothwendigen steigenden Bögen nach<br />

.Eig. 140 (S. 87) konstruiren müssen.<br />

Solche Treppenkonstruktionen sind keineswegs neu, sie gehören aber ohne<br />

allen Zweifel mit zu den solidesten und dabei billigsten Ausführungen, und<br />

lassen auch in bezug auf architektonische stilgerechte Ausbildung die weitgehendsten<br />

Variationen zu; das Beengende der hier näthigen Wangenmauer<br />

lässt sich bei geringem Opfer an Raum durch offene, aufsteigende Bögen ersetzen,<br />

wobei dann auch die schweren Steinpfeiler leichteren Säulen Platz<br />

machen können; die hier angedeutete Anordnung zeigt im Grundrisse Fig. 327<br />

(S. 271).


Arbeiteri des Rohbaues (Treppen). 271<br />

Vor allen Dinzen aber o'e'ivährt der Stufenbelag von Eichenholz eine grosse<br />

o b "-'<br />

Annehmlichkeit in bezug auf das Begehen der Treppe sowohl. wie auch auf<br />

ein angenehmeres Aussehen. Kein Stein<br />

hat unpolirt eine klare Farbe, während<br />

eingelassenes Eichenholz einen äusserst<br />

warmen Ton besitzt und überdem durch<br />

andere eingelegte Hölzer in seiner<br />

Wirkung erhöht und stets rein erhalten<br />

werden kann; so schätzenswerth wegen<br />

des soliden Materials unsere in letzterer<br />

Zeit vielfach angewendeten Granittreppen<br />

sein mögen, so dürfen WIr uns<br />

darüber doch nicht täuschen, dass sie<br />

anderntheils in ästhetischer Beziehung<br />

einen höchst ungünstigen Eindruck hervorbringen.<br />

Sucht man diesen aber<br />

durch theures Poliren des Steinmaterials<br />

zu beseitigen, so hat dies wiederum<br />

wegen der dadurch entstehenden Glätte<br />

das Belegen der Treppenläufe mittelst<br />

kostspieliger Teppiche zur folge und<br />

drängt zu Ausgaben, die mit der häufig<br />

so dringend gebotenen Sparsamkeit nicht<br />

111 Einklang zu bringen sind.<br />

Das Streben, mitteist vorherrschen­<br />

Fig. :327.<br />

der Anwendung von Cement Treppen zu konstruiren , die den Holztreppen 111<br />

bezug auf elegante Anlage nahe stehen, hat zu Ausführungen geführt, die<br />

theilweise den Beweis geliefert haben, welche ungemein grosse Bindekraft einzelne<br />

Cemente unter Umständen besitzen; solche Bestrebungen, so anerkennenswerth<br />

.sie immer sind, haben aber doch etwas äusserst Bedenkliches und<br />

erscheint es ganz gerechtfertigt, in fast allen unsern neueren Bauordnungen<br />

den Satz aufgenommen zu wissen, das s all e K 0 n s t r u k t ion e n, der e n<br />

Sicherheit lediglich auf derBindekraft des Mörtels beruht,<br />

für ge mau er t e T r e P P e nunstatthaft s in d.<br />

Treppen haben ausser der Funktion des vermittelnden Verkehrs in einem<br />

mehrstöckigen Gebäude durch die Bewohner hin und wieder und besonders<br />

beim Transport sehr schwerer Einrichtungsgegenstände , z. B. bei feuerfesten<br />

Geldschränken, sehr harte Proben zu bestehen, denen unter Umständen nur<br />

ganz solide Konstruktionen gewachsen sind l Auch ist nicht aus den Augen<br />

zu lassen, welche gesteigerte Funktion Treppen in stark bewohnten Gebäuden<br />

bei ausgebrochenen Feuersbrünsten möglicherweise zu übernehmen haben!<br />

Solchen Verhältnissen gegenüber ist beim Treppenbau doppelt geboten, durchaus<br />

solide Konstruktionen zu wählen. Handelt es sich darum, der Treppenanlage<br />

einen grössern Raum zuzuweisen, so werden wohl dreifach gebrochene Treppenarme<br />

angelegt, die in ihrer Ausführung sich der Konstruktion auf Tafel XXV<br />

durchaus anschmiegen lassen; die betreffende Grundrissanlage zeigt die Fig. 328<br />

(S. 272).<br />

Um unterwölbte Treppen herzustellen, sind flache Kappengewölbe besonders<br />

geeignet, obwohl steigende Kreuzgewölbe und steigende einhüftige Tonnengewölbe<br />

nicht ausgeschlossen sind; alle lassen sich durchaus sicher zwischen<br />

die vorher angeordneten G'1l'tbögen einspannen; will man diese letztern jedoch


272 I. Maurer- und Steinmetzarbeiten,<br />

beseitigen: so lässt sich das flache Ge-wölbe auch nach der aufsteigenden Richtung<br />

des Treppenarmes anordnen: wie dies die Fig. 329 darstellt. Der auf-<br />

Fig. 328.<br />

Fig. 329.<br />

steigenden Kappe giebt man wohl 1/ 1 0 der Sl)annweite zur Pfeilhöhe, so dass<br />

die Sehne des Stichbogens parallel der Steignngslinie zu liegen kommt; diese


Arbeiten des Roll1)cLues (Treppen). 273<br />

Anordnung hat aber den Nachtheil , dass die Podeste eine ungemein hohe<br />

Auffüllung erfordern und die betreffenden Höhenverhältnisse unvortheilhaft<br />

beeinträchtigen.<br />

Sind solche Treppen nicht über 2 m breit, so ist 1/2 Stein als Gewölbestärke<br />

ausreichend, erreicht dagegen die Breite das Mass von 3 bis 4 m, so<br />

ist eine Gurtverstärkung an beiden Seiten und auch in der Mitte von 1/2 Stein<br />

zweckmässig.<br />

Bei diesen Konstruktionen lassen sich die Gurtbögen an den Podesten<br />

nicht wohl entbehren, da sie dem aufsteigenden Gewölbe als 'Widerlager zu<br />

dienen haben. 'Will man auch diese beseitigen, um der Treppe ein luftigeres<br />

Ansehen zu geben, so hat man vorgeschlagen, nach der Längenrichtung der<br />

Podeste 1111d unter dieselben ein 1 bis 11/2 Stein starkes, sehr flach gehaltenes<br />

Kappengewölbe einzuspannen, welches dann der aufsteigenden Kappe zum<br />

"Widerlager zu dienen hat. Selbstverständlich ist hierbei das Vor h an den ­<br />

sein der n o t h w e n d i g e n vViderlagsstärken für das Podestge<br />

w ö I be; fehlen aber bei Treppenanlagen die für Gewölbe nothwendigen<br />

Widerlagsstärken, so ist man genäthigt, sich der Eis e n k 0 n s tr u k t ion zuzuwenden,<br />

und wird hier auf diese verwiesen.<br />

Das Unterwölben von Treppen mit geraden Treppenarmen verursacht in<br />

keiner Weise irgend eine Schwierigkeit, was aber der Fall ist, wenn es sich<br />

um gewundene oder theilweis gewundene Treppen handelt; solchen Schwierigkeiten<br />

gegenüber ist es leicht, sich durch Anwendung anderer Konstruktionen<br />

zu entziehen. Bei S p in d e I t re pp e n mit massiven Spindeln, wie solche in<br />

Thürmen sehr häufig Anwendung finden, werden die von Backsteinen hergestellten<br />

Stufen in der Regel durch ein einfaches, schraubenförmig aufsteigendes<br />

Kappengewölbe unterstützt.<br />

Das U n tel' s t ü t<br />

c. Durch Wangen unterstützte Treppen.<br />

z e n von Treppenstufen mitte1st sogenannter vV an gen<br />

oder Zar gen ist offenbar der Holzkonstruktion entnommen, und möchte<br />

durchaus entbehrt werden können, da 'e i n e sol ehe K 0 n s t r u k t ion ein e n<br />

übe r g r 0 s sen Au f'w an d von M 8. tel' i alu n d Ar bei t er f 0 r der t,<br />

Die Zargen sind sehr häufig nach<br />

Fig. 330 gebildet und dienen sowohl den<br />

massiven Stufen zur Unterstützung, als auch<br />

zur Begrenzung; zu ihrer Herstellung sind<br />

prismatische Quaderstücken von grosser<br />

Länge nothwendig; vorherrschend hat die<br />

Anwendung von Steinwangen eine etwaige<br />

Drehung der Stufen zu verhindern, und<br />

dem entsprechend greifen diese mit ihren<br />

Stirnflächen in eine 3 bis 4,5 cm tiefe Nuthe<br />

des Zargensteins ein, Zum besseren Auf- Fig, 330.<br />

lagern der Stufen" sind die Wangen an<br />

ihren untern Theilen breiter gehalten, so dass sich hier ein Auflager der<br />

Stufc. i von 6 bis 7,5 cm ergiebt.<br />

Die Herstellung von Wangen bei geraden Treppenläufen erheischt keine<br />

besondere Geschicklichkeit, was aber in hohem Grade dann der Fall ist, wenn<br />

man es mit gewund-enen Treppen zu thun hat. Die Wangenstücke müssen<br />

in solchen Fällen aus ungemein starken YVerkstücl:n heraus gearbeitet werden,<br />

Gottg e t r eu, Hochbankonstruktion. 18


274 1. Maurer- und Steinmetzaroeiten.<br />

und hat man es dann mit ziemlich komplizirten Steinschnittkonstruktionen zu<br />

thun , bei welchen die erforderlichen cylindrischen Flächen mitteist besonders<br />

an Q'efertiO'ter Schablonen ö 0<br />

können. Die einzelnen<br />

nur von O'eschickten Arbeitern hergestellt werden<br />

0<br />

Wangenstücke werden dann meistens mittelst gebI'O<br />

ehe n e r S tos s fl ä ehe n , bei denen jeder zu spitze Winkel zu vermeidenbunden.<br />

ist, und mitte1st eingelassener Steinklammern zu einem Ganzen ver­<br />

Die aus Stein herzestellten o Treppenwangen werden entweder an beiden Stirn-<br />

J. 0<br />

seiten des Stiegenarmes ganz frei oder auch beiderseits oder nur einerseits zur<br />

Hälfte oder zu Zweidrittel in die die Treppe umgrenzende Mauer eingelassen.<br />

Sie stehen ferner in schiefer Richtung mit ihrem einen Stirnende auf der untersten<br />

Stufe oder auf dem festen Boden u n ver r Ü c k t auf, und stützen sich mit dem<br />

andern Ende auf den Podest oder auf die massive Austrittsstufe, welchen beiden<br />

eine unverrückbare Lage zu geben ist. Das Material, aus welchem die<br />

Wangenstücke bearbeitet werden, muss ein besonders festes sein; der Zargenstein<br />

selbst erhält bei besonders eleganten Treppen sowohl vielfache seitliche als<br />

untere Profilirungen.<br />

auch<br />

Ein besonders in früherer Zeit vielfach beliebtes Steinmetzenkunststück<br />

bestand sogar darin, den sonst freitragenden Treppen den Anschein von Wangentreppen<br />

zu geben, wobei das betreffende Wangenstück als Appendix an jede<br />

Stufe angearbeitet wurde; solches Vorgehen erhöht die Kosten einer Treppe in<br />

g an z u n n ö t h i ger vV eis e, ohne dass dabei irgend etwas erreicht wird;<br />

im Gegentheil, die benutzbare Breite der Treppe wird durch die beiderseits<br />

angeordneten Steinwangen b e d e u te n d be ein t r ä c h ti g t und dabei ein<br />

schöneres Ansehn sicher nicht erzielt und dem e n t s P I' e c he n d m ö eh tel' 0 n<br />

den sogenannten Wangentreppen wohl nur in den seltensten<br />

Fällen Gebrauch gemacht werden, da es überhaupt im<br />

Prinzip unstatthaft erscheint, eine Konstruktion, die in<br />

Holz ganz gerechtfertigt erscheint, ohne weiteres in Stein<br />

z u übe r set zen.<br />

Weitaus die grösste Ausbreitung haben<br />

bei welchen die Stufen<br />

2. die freitragenden Treppen,<br />

a) nur mit einem Ende ihr Auflager In der Mauer erhalten.<br />

Bei diesen Treppen wird nur eine Stirnseite der Stufe fest in die Mauer<br />

eingefügt, während. die andere ganz frei liegt, jede Stufe aber findet auf der<br />

nächst untern ihrer ganzen Länge nach in der Vorderkante ein durchaus sicheres<br />

Auflager, und ist besonders der Antritts- sowohl wie der Austrittsstufe beziehungsweise<br />

dem Podeste eine ganz besondere Aufmerksamkeit in bezug auf ihre<br />

durchaus sichere Lage zu schenken. Diese Stufen sind sogenannte BIo c ks<br />

tu fe n, erhalten im allgemeinen einen rechteckigen Querschnitt, .die andern<br />

Stufen dagegen, wohl HaI b b l o c k s tu fe n genannt, sind in ihrer untern Fläche<br />

schräg abgearbeitet, so dass die Unterfläche des Treppenarmes eine schräg aufsteigende<br />

Ebene bildet. Jede Stufe wird an ihrer der Stirn entgegengesetzten<br />

Seite eben und lothrecht zur Tlnterfläche abgearbeitet und greift an der vordern<br />

untern Stufenkante in einen 2 bis 3 cm vertieften und 6 cm breiten Falz genau<br />

ein j wodurch jede Stufe ihrer ganzen Länge nach ein gutes Auflager erhält.<br />

Diese' Falz ist bei freitraganden Treppenstufen mit aller Sorgfalt auszuführen,


Arbeiten des Hohbaues (Treppen). 279<br />

da bei diesen keine weiteren Schwierigkeiten sich geltend machen können;<br />

dasselbe ist auch der Fall bei den sogenannten \Y e n d e 1t I' e P P e n mit<br />

ho h 1e n S pi n d e l n , die ihrer Grundrissform nach in der Regel geschlossene<br />

Kreise bilden, 'wobei jedoch die Ellipsen nicht ausgeschlossen sind; in den<br />

meisten Fällen setzen solche Treppen einen nicht unbedeutenden Durchmesser<br />

voraus. Ist ein solcher nicht vorhanden, so tritt an die Stelle der hohlen<br />

Spindel sehr häufig die m ass i v 0 S P i 11 d e l oder der "M ö n c h " und es entstehen<br />

dann<br />

b) Treppen, bei welchen die Stufen sich um eine Spindel winden,<br />

oder die sogenannten Sc h n eck e 11 s ti e gen, deren Stufen so gestaltet sind,<br />

dass an jeder Stufe die Spindelform angearbeitet wird. Zur Erleichterung der<br />

Ausführung trägt es viel dazu bei, wenn für sämmtliche Stufen ein und<br />

dieselbe Schablone verwendet werden kann. Zur Verbindung der Stufen geht<br />

wohl durch die ganze Spindel eine eiserne Stange hindurch, oder es erfolgt in<br />

den einzelnen Spindelstücken eine sich bei jeder Stufe wiederholende Verdübelung.<br />

Die Konstruktion solcher in ihrer Anwendung ziemlich beschränkten Schneckentreppen<br />

ist höchst einfach; die Figg. 337 und 338 geben die zweifache Art<br />

an, in der die Stufen geformt werden.<br />

--Tl<br />

Fig.337. Fig.338.<br />

Zum Schluss der Abhandlung über den Bau der massiven Treppen ist<br />

noch binzuweisen auf die vielfachen Eonstruktionen, die mittelst der Ceraente


280 1. ::\Lmrcr- und Steinmetzarbeiten.<br />

ins Leben gerufen wurden) und die so eingehende und gründliche Besprechung<br />

von "\Y. A. Becker gefunden haben*); diese Konstruktionen sind vielfach in<br />

andere, selbst in die allerneuesten Lehrbücher übergegangen und zur Ausführung<br />

warm empfohlen. Auf Seite 271 wurde bereits darauf hingewiesen.<br />

welchen Zufälligkeiten Treppen ausgesetzt sein können, und 'wie geboten es<br />

erscheint: solchen Eventualitäten mit aller Sicherheit entgegen sehen zu können;<br />

aus diesen Gründen kann sich der Verfasser nicht entschliessen, den mehrfach<br />

äusserst wenig 'Widerstand darbietenden Treppenkonstruktionen auf sc hab I o nartigen<br />

Zurüstungen oder unmittelbar auf Rüstung und<br />

S c h a l u n g, d u r c h U n t e l' IV Ö I b u n g mit tel s t fl ach e r S t ein e etc.,<br />

das Wort zu reden: auch warnt 81', W e i t fr ei t r a gen d e Treppen mitteIst<br />

aus Cement hergestellter Stufen auszuführen. Werden jedoch Treppenstufen<br />

aus künstlichen Steinen (Beton oder Cement und Ziegel) hinreichend unterstützt,<br />

sei es durch Stein- oder Eisenkonstruktionen , so können sie unbedenklich<br />

Verwendung finden, und schmiegen sich dann aber den vorn besprochenen<br />

Konstruktionsbedingungen an.<br />

Die baupolizeiliche Bedingung: die Haupttreppe so viel wie möglich gegen<br />

Feuer zu schützen und zwar durch ein massives Treppenhaus und vollständigen<br />

Abschluss gegen das Dach mitte1st feuersicherer massiver Decke ist mit so<br />

wenigen konstruktiven Schwierigkeiten verknüpft, dass hier darauf nicht weiter<br />

eingegangen wird.<br />

*) Der feuerfeste 'l\eppenban nach den nenesten Erfindungen und Ausführungen,<br />

von ,V. A. Becker, Berlin, Ernst & Korn.


u Die Arbeiten des Ausbaues<br />

erstrecken sich der Hauptsache nach:<br />

1. auf die Arbeiten des Putzes und dessen weitere<br />

ästhetische Behandlung,<br />

2. auf die Herstellung derFussböden aus Steinmaterial.<br />

1. Die Arbeiten des Putzes.<br />

Die an unsern Gebäuden vorkorr;menden Pu t z a r bei t e n haben die<br />

Aufgabe, alles nicht witterungsbeständige und zugleich für das Auge unschön<br />

wirkende Rohmauerwerk mit einer Mörtelschichte zu umhüllen, und unterscheidet<br />

man hierbei den ä u 13 13 ern und den in ne r n Ver P u t z. .Bevor zur<br />

speziellen Besprechung dieser wichtigen Arbeiten geschritten wird, mägen hier<br />

vorerst einige geschichtliche Notizen Platz finden.<br />

Geschichtliche Notizen.<br />

Den Putzarbeiten wurde von den Alten eine grosse Aufmerksamkeit zugewendet;<br />

Vitruv*) giebt darüber einen ausführlichen Bericht, und wir entnehmen<br />

demselben, dass die rohen Wände zuerst sehr grob berappt wurden und dann<br />

nach dem Trocknen einen weiteren Putz von feinem Kalkmörtel, nach Schnur<br />

und Richtscheit abgeglichen, erhielten. Fing dieser Abputz zu trocknen an,<br />

so wurde, um die Bekleidung recht fest und dauerhaft zu machen, noch ein<br />

zweiter und dritter Bewurf aufgetragen.<br />

Nach dieser Vorarbeit überzog man den so erhaltenen Untergrund mit<br />

einem Teige aus grob gestossenem Marmor, der so durchgearbeitet und gemischt<br />

war, dass an der Kelle nichts hängen blieb; bevor dieser Ueberzug völlig<br />

trocken geworden war, machte man einen zweiten etwas feineren, den man mit<br />

Stöcken schlug und mit dem Reibbrette gut verrieb; schliesslich wurde eine<br />

dritte noch feinere Mörtellage darüber gebracht, so dass die Wände mit drei<br />

Aufträgen von feinem Kalkmörtel und mit eben so vielen von Marmorstuck<br />

versehen waren.<br />

Ein so behandelter Verputz - behauptet Vitruv - ist vor Rissen und<br />

andern Gebrechen gesichert, besonders wenn er mit Stöcken dicht geschlagen,<br />

mit hartem Marmorstaub geschliffen, und beim Poliren mit Farben über-<br />

*) Vitruv, VII. Buch, 2. 3. und 4. Kapitel.


Arbeiten des Ausbaues, 283<br />

Beton, der sehr dick in drei Lagen autgetragen wurde; die erste Lage bestand<br />

aus einem Mörtel von Steinschutt. , 9 bis 12 cm dick. , die zweite aus zel'stossenen<br />

Ziegeln und Puzzolanerde, und zuweilen aus beiden gemengt, von 3 cm Dicke,<br />

die dritte endlich wurde aus feinem und durchgesiebtem Ziegelmehl hergestellt.<br />

Diese Lagen wurden jede für sich olme Unterbrechung aufgetragen, um Ansätze<br />

oder Streifen zu vermeiden ; sie wurden ferner gut abgeglichen, geschlagen<br />

und geglättet; nicht eher brachte man eine neue Lage auf, bevor nicht die<br />

erste vollständig trocken war. Durch ein sorgfältiges Glätten wurde die Oberfläche<br />

des Putzes ausserordentlich hart und gegen Wasser undurchdringlich.<br />

Auch hatte man die Vorsicht, alle einwärts gehenden "Winkel durch Abrundung<br />

von nahezu 18 cm Halbmesser wegzuschaffen, und alle Böden konkav zu gestalten.<br />

J edel' Verputz wurde aber mit Ruthen ge s c h l a gen, hierdurch<br />

wurde dessen Fe u eh ti g k ei t an d i e 0 b e r f 1 ä ehe g e b r a c h t , w e 1c h e<br />

dann später als das Innere trocknete, und dadurch w e s e n t ;<br />

lich da z u<br />

bildeten.<br />

beitrug, dass beim Trocknen sich keine Risse<br />

Das ga n z e Geh ei m n iss der alten Römer aber, schöne, dauerhafte,<br />

feste, vom Wasser undurchdringliche Anwürfe zu machen, liegt einzig und<br />

allein i n der SOl' g fa I t , mit der sie ihr e n Ver P u t z her s tell t e n.<br />

Plinius*) erwähnt in bezug auf den Putz, dass ein Bewurf mit Kalk, der<br />

nicht d I' e im a 1 mit Sand und z w ei mal mit gepulvertem Marmor gemischt<br />

sei, nie einen hinreichenden Glanz besitze. "In Griechenland stösst man<br />

sogar den mit Sand gemischten Kalk, mit welchem man bewerfen will, in<br />

Mörsern mit hölzernen Stampfern. Der angeriebene Kalk aber ist um so besser,<br />

je älter er ist, und findet man in den alten Gesetzen über das Bauen die<br />

V orschrift , dass der Unternehmer keinen unter d r ei Ja h r e alten Kalk dazu<br />

nehmen darf; daher entstellen denn auch keine Risse die alten Gebäude."<br />

Betrachtet man die Pu tz a r bei t end erg e gen w ä r tigen Z ei t, so<br />

hat der ä u s s er e Ver Pu t z dem ersten Anprall der Witterung zu widerstehen,<br />

und muss deshalb besonders aufmerksam behandelt werden. Je nach<br />

der Behandlung des Verputzens unterscheidet man<br />

verschiedenen Putzmaterialien :<br />

wohl, abgesehen von den<br />

a) Rap P pu t z , B es e n p u t z , S P r i t z - und R i e s e l b e w u r f,<br />

b) 0 r d in ä r e n gl at te n Pu t z.<br />

Der ä u s s e r e Ver p u t z.<br />

Ehe überhaupt zu den Pu tz ar bei t engeschritten werden kann, muss<br />

sich das zu verputzende Mauerwerk vollständig gesetzt haben; ein Umstand,<br />

der es auch verhindert, dass der Anwurf nicht unmittelbar auf eine Mauer<br />

gebracht wird, die noch ganz frischen und unerhärteten Mörtel an ihrer Oberfläche<br />

zeigt.<br />

Die zu verputzende Mauerfläche ) ob aus Bruch- oder Backsteinen, muss<br />

vorher aufs sorgfältigste, in der Regel mit stumpfen Besen, gereinigt werden,<br />

wobei zugleich die locker gewordenen Mörteltheile in den Fugen zu beseitigen<br />

sind, auch darf eine Mauer nicht verputzt werden, bevor die zu verputzende<br />

Fläche nicht vollständig mit Wasser angenässt wurde.<br />

Der Rap p P u t z besteht aus einem Mörtel, der dem. zum Mauern an Konsistenz<br />

und Mischung ähnlich ist, er hat nur den Zweck, die Unebenheiten des<br />

Mauerwerks , besonders aber die Fugen auszufüllen und das Mauerwerk gegen<br />

*) Phnius, XXXVI. Eue'., 55. KaI),


284<br />

1. }\LHll't'r- 1111(1 Steinmetzurbciien.<br />

die Einwirkung der Atmosphärilien zu schützen. Der einmalige Bewurf wird<br />

dabei so dünn aufgetragen, dass die Mauerflächen nur nothdürftig bedeckt sind;<br />

ein Glätten dieses Verputzes findet nicht statt. Der Rappputz findet häufig<br />

Platz an den Mauern, die später hinterfüllt werden, an Kommunmauern. Giebeln,<br />

Kniewänden, aber auch in Keller- und Speicherräumen ete.<br />

Wird der rauhe Putz etwas stärker auf die Mauer aufgetragen und dann<br />

mit einem stumpfen Reisigbesen gestupft, so entsteht der sogenannte Be s e n ­<br />

p u t z oder g e s t e P P t e P u t z.<br />

"Wird nach dem Füllen der Fugen mit gewöhnlichem Mörtel die Oberfläche<br />

einer Mauer mit ganz dünnflüssigem Mörtel mitteIst der Mauerkelle überspritzt,<br />

wodurch eine mit lauter kleinen Erhabenheiten versehene rauhe Fläche<br />

hergestellt wird, so entsteht der S P l' i t z w ur f, der mit glatten Putzflächen<br />

abwechselnd auch ein äusserst einfaches Mittel gewährt, grässere geputzte<br />

Flächen in einzelne kleinere Felder zu theilen , und dadurch die allzu grosse<br />

Monotonie zu heben.<br />

Vermischt man den Mörtel mit gesiebten Rieseln von der Grösse einer<br />

kleinen Haselnuss, und trägt denselben auf einen vorher gemachten Rappputz<br />

auf, 'so erhält man den R i e s e l b e w u r f , der sich als ganz besonders widerstandsfähig<br />

gegen die Witterung bewährt, da er, wie dies auch beim Rapp-,<br />

Besenputz und Spritzwurf der Fall ist, nach dem Auftragen in keiner Weise<br />

in seiner Erhärtung durch Abreiben mit dem sogenannten Reibebrette gestört<br />

wird.<br />

Der 0 r d i n ä I' e gl a t t e Putz wird meistens aus zwei oder auch aus<br />

drei Lagen gebildet. Die erste kommt unmittelbar auf die Fläche der Bruchstein-<br />

oder Backsteinmauer, nachdem die Fugen gereinigt und die Flächen angenetzt<br />

wurden. Diese erste Lage bleibt rauh, und nimmt man dazu - wie<br />

zu allen Putzarbeiten - einen Mörtel von gelöschtem Kalk, der längere Zeit<br />

eingesumpft war, und der mit dem beigemischten Sande eine gründliche Durcharbeitung<br />

erfahren hat; ist der rauhe Bewurf gehörig getrocknet, so trägt man<br />

die zweite Lage auf und nimmt dazu einen etwas magerem Mörtel, der mit<br />

der Kelle möglichst eben aufgetragen, dann aber mit einem Reibebrette unter<br />

fleissigem Annetzen mit vVasser vollständig geebnet wird. Ist der Verputz<br />

nahezu trocken, so weisst man ihn mit Kalkmilch ab, die sich mit dem Mörtel<br />

vollständig verbindet und sich nicht verwischen lässt.<br />

Soll dem Verputze eine noch grössere Aufmerksamkeit zugewendet werden,<br />

so wird die zweite Lage noch mit einem Mörtel aus ganz feinem reinen Sande<br />

dünn überzogen und mit dem Reibbrette geglättet; wird für diese dritte Lage<br />

ein Mörtel verwendet, dem Kreide, ungebrannter, aber gemahlener Kalk oder<br />

Gyps beigemengt wird, so erhält man einen Putz von Marmorstuck ähnlichem<br />

Ansehn.<br />

Zum Facadenputz wählt man Mörtelmischungen , die weder zu fett noch<br />

zu mager sind; im erstem Falle bekommt der Mörtel beim Erhärten Sprünge,<br />

wie dies, freilich in viel grösserem Mass stabe , beim gelöschten Kalk in der<br />

Kalkgrube der Fall ist, sobald derselbe mit der atmosphärischen in Verbindung<br />

tritt. Solche Sprünge aber geben Veranlassung, dass sie, mit Wasser erfüllt,<br />

bei eintretendem Frost erweitert werden und endlich die vollständige Zerstörung<br />

des Anwurfs zur folge haben. Wird jedoch ein zu magerer Mörtel<br />

gewählt, so reicht das beigemischte Kalkhydrat nicht aus, den vorhandenen<br />

Sand fest zu verbinden; cler Mörtel bleibt dann locker und bröckelt leicht ab.<br />

Als Die k e des ordinären glatten Aussenputzes wählt man wohl 13 bis<br />

15 mm ; dickere Mörtellagen haben die N eigung, bei der mit ihrer Erhärtung


286 1. Maurer- und Steinmetzal'beiten.<br />

Zeit, den aufgetragenen Putzmörtel gehijrig verarbeiten zu können, ohne dessen<br />

Bindekraft zu zerstören.<br />

Neuere Versuche haben aber den äusserst wichtigen Beweis geliefert, dass<br />

ein Gemisch von 1 Theil Portlandcement, 7 Theilen Sand und 1/2 Theil Kalkhydrat<br />

einen Mörtel geben, der in bezug auf seine Adhäsion zum Stein einem<br />

Cementmörtel nahezu gleichsteht, welcher aus 1 Theil Cement und 3 Theilen<br />

Sand besteht! Es liegt hier die interessante Thatsache vor , dass mag e r e<br />

Cementmörtel, die sich nur schwer verarbeiten lassen, durch einen Zusatz von<br />

gelöschtem Kalk sehr gute Eigenschaften annehmen, und sind solche Mörtel<br />

zum Verputzen äusserer 'Wände vorzüglich geeignet*).<br />

Sind Gesimse oder Gliederungen im Aeussern von Gebäuden aus Putz<br />

herzustellen, so werden diese in der Regel mitte1st eisenbeschlagener Brettschablone<br />

"gezogen", wobei man sich häufig eines gut erhärtenden und wetterbeständigen<br />

Cementmörtels bedient; solche Arbeiten bieten besondere Schwierigkeiten<br />

in keiner IVeise dar.<br />

Handelt es sich darum, einer verputzten Facade ein besseres Ansehn<br />

durch Farbentöne und Anstri c h e zu geben, so erscheint es stets rathsam,<br />

dass der Verputz vorher vollständig ausgetrocknet ist, was bei starken Mauern<br />

2 bis 3 Jahre in Anspruch nimmt. Kommt der Anstrich auf eine noch nasse<br />

Wand , so wird er durch deren Feuchtigkeit nur zu oft verdorben, während<br />

ein wasserdichter Anstrich die Nässe in der Mauer zurückhalten würde, ein<br />

Umstand, der nach verschiedenen Seiten hin vielfache Schäden zu verursachen<br />

im Stande wäre; namentlich würde die Permeabilität der Mauer dadurch sehr<br />

beeinträchtigt.<br />

Das einfachste Mittel. Aussenmauern anzustreichen. besteht in der An-<br />

I ,<br />

wendung der gewöhnlichen KaI k fa I' b e. Die Wände werden dabei in der<br />

Regel dreimal mit Kalkmilch geweisst , dann kommen zwei weitere Anstriche,<br />

die ebenfalls aus Kalkmilch bestehen, der -irgend eine Erdfarbe beigemischt<br />

ist; solche Farbenanstriche sollen der betreffenden Wand eine vollständige Steinfarbe<br />

geben.<br />

Als Kalkfarben sind verwendbar: Antimongelb , Barytgelb, Barytweiss,<br />

Kadmiumgelb, Chromgriin, Chromorange, Eisenorange, Englischroth, grüne Erde,<br />

Kobaltblau, Kobaltgrün , Bronners Freskokrapplack , Marsbraun , Neapelgelb,<br />

Ocker, Frankfurter Schwarz, Russ, Sienaerde, Ultramarin, Umbra, Vandyckbraun,<br />

Zinkgrau, Zinkweiss. .<br />

Bei allen Wänden , die sich durch besondere Trockenheit auszeichnen,<br />

nimmt man zur Herstellung der Kalkmilch vYassel', in welchem etwas Alaun<br />

aufgelöst sich befindet.<br />

Um solche oberflächliche, leicht zu beschädigende Anstriche durch bessere<br />

zu ersetzen, hat man wohl den zum Putzen verwendeten Mörtel in seiner<br />

ganzen Masse gefärbt und wählte hierzu einen von der Natur schön grün,<br />

roth oder gelb gefärbten Sand; eine Färbung durch anderweitige Farbe aber<br />

zu geben, ist immerhin mit nicht unerheblichen Kosten verbunden; andererseits<br />

gelingt es selten, der ganzen Faeade auf diese Weise eine durchaus gleichmässige<br />

Farbe zu ertheilen , da die Mörtelmischungen nie ganz gleiche Zusammensetzung<br />

besitzen.<br />

*) Rud. Dyckechof-Amöneburg hat auch nachgewiesen, dass Mörtel aus 1 Theil<br />

Cement, 5 Theilen Sand, 1/2 bis 3/-1 Theilen Kalkhydrat in bezug auf Dichtigkeit und<br />

Druckfestigkeit eine höhere Stellung einnehmen, wie Mörtel aus 1 Theil Cement und<br />

5 Theilen Sand, und sich besonders zur Herstellung von Mauerwerk eignen. (Verhandlung<br />

der Ceneralversammlung des Vereins deutscher Cementfabrikanten, 1879.)


288 1. Maurer- und Steinmetzal'beiten.<br />

Soll dies durch Malerei geschehen; so hat man die Wahl zwischen<br />

a) derF I' e s k o m ale I' 8 i ,<br />

b) der S t e I' 8 0 ehr 0 m i e ,<br />

c) dem Sgraffito,<br />

d) der 8 n kau s t i sche n oder der Te m per a 111 a I e I' e i.<br />

Die al fresco - Malerei bedarf einer frischen (fresco) Kalkmörtelunterlage,<br />

die aus feinem Sand und altem gut abgelagerten Kalkbrei besteht; sie muss<br />

so lange feucht sein, dass die darauf aufgetragenen Farben ohne Anwendung<br />

von Leim oder eines andern Bindemittels mit der Wandfläche sich vollständig<br />

zu emem Ganzen verbinden. Die 'Wand selbst aber muss aus gutem und<br />

besonders trockenem Steinmaterial , z. B. aus gut gebrannten Ziegelsteinen,<br />

bestehen.<br />

Nach den in Deutschland gegenwärtig aus sehr kostspieligen Erfahrungen<br />

geschöpften Regeln verfährt man wie folgt: Der Kalk wird wenigstens 1 Jahr<br />

vorher gelöscht, und in einer Grube, gegen Regen und Schnee geschützt, aufbewahrt.<br />

Beim ersten groben, womöglich mit kleinen Kieselsteinen untermischten<br />

Bewurf der Mauer müssen alle Fugen vorsichtig ausgefüllt werden, damit<br />

nirgends Luftblasen zurückbleiben. N ach gänzlicher Trocknung kratzt man die<br />

Mauer auf, um die obere bereits Kohlensäure in sich aufgenommen habende und<br />

fest gewordene Rinde zu zerstören; nach erfolgtem Anfeuchten wird ein zweiter<br />

Bewurf aufgetragen. Ist auch diese Schichte gehörig ausgetrocknet, so wird der<br />

letzte Bewurf, der eigentliche Malgrund hergestellt. Zu diesem Malgrund<br />

nimmt man eine hinlängliche Quantität von altem Kalk, mit dem - wenn<br />

kein Quarz vorhanden ist - ein feingesiebter , rein gewaschener und geschlämmter,<br />

dann wieder getrockneter Sand vermischt wird. Von der Mauerfläche<br />

muss dann allemal so viel, als an einem Tage bemalt werden soll, mit<br />

einem hölzernen Handhobel recht trocken abgearbeitet werden; hierauf befeuchtet<br />

man die Stelle, und zwar um so ausgiebiger, je dicker der Malgrund aufgetragen<br />

wird. Es versteht sich von selbst, dass das Auftragen dieser letzten<br />

Mörtelschichte mit aller Sorgfalt ausgeführt werden muss; ein gleichmässiges<br />

Aufziehen und ein Beseitigen auch der geringsten Unebenheit ist durchaus<br />

geboten.<br />

Hat der Malgrund sein wässeriges Ansehn verloren, so kann er zu<br />

Malereien, die nur von grösserer Entfernung sichtbar sind, unmittelbar verwendet<br />

werden; im anderen Falle, bei naher Betrachtung, muss der Malgrund<br />

mit einer Polirkelle nach allen Seiten hin geglättet werden j um die obere<br />

Fläche aber nicht durch das unmittelbare Abreiben zu alteriren , wird dabei<br />

glattes Papier auf den Malgrund gelegt.<br />

Gemälde auf so geglättetem Grunde sind aber viel weniger dauerhaft als<br />

auf nicht geglättetem, weil die aufgetragenen Farben nicht energisch genug<br />

in den geglätteten Malgrund eindringen.<br />

Der am Schluss einer Tagesarbeit nicht bemalte Malgrund wird mit einem<br />

Messer eben abgeschnitten, wobei man gerade, mit dem Lineal gemachte<br />

Schnitte den bewegten vorzieht, weil im erstem Falle der frische Verputz leichter<br />

zu bewerkstelligen, ist.<br />

Den ersten Mörtelanwürfen hat man auch wohl lange Schweinsborsten<br />

beigemengt, die man vorher mit siedendem Leinöl übergoss, trocknete und<br />

wieder auseinander zupfte; hierdurch wird der betreffenden Mörtelschichte ein<br />

besonderer Zusammenhang gesichert.


Arbeiten des Ausbaues. 201<br />

Die Farben zum Malen, ähnlich den Freskofarben. 'werden nur mit ,\Yassel'<br />

angemacht und ohne weitere Schwierjgkeit auf den Malgrund aufgetragen; und<br />

zwar unter öfterem Anspritzen der Mauer' mit reinem\Yasser.<br />

Ist das Gemälde hergestellt, so wird es fixir t , und hierzu verwendet<br />

man das Fixirungswasserglas, das mit 1/2 Theil 1)Tasser verdünnt wird. Zum<br />

Fixiren selbst dient eine von Professor Schlottauer erfundene und von Geheimrath<br />

v. Pettenkofer verbesserte Staubspritze; die das Wasserglas nebelartig auf<br />

das Gemälde wirft, und wird diese Operation unter abwechselndem Anspritzen<br />

und Austrocknen so lange fortgesetzt, bis die Farben derart festhalten, dass sie<br />

.sich mit dem Finger nicht fortwischen lassen. '<br />

Als stereochromische Farben verwendet man: Zinkweiss, Chromgrün<br />

(Chrornoxyd), Kobaltgrün (Reinmannsgrün), Chromroth (basisches Bleichromat),<br />

Zinkgelb. Eisenoxyd (hellroth, dunkelroth, violett und braun), Schwefelkadmium,<br />

Ultramarin, Ocker (Hell-, Fleisch-, Goldocker) , Terra de Siena, Umbra etc.<br />

Zinnober aber ist zu verwerfen, weil es im Lichte braun und zuletzt ganz<br />

schwarz wird; Kobaltultramarin zeigt sich nach dem Fixiren merklich heller<br />

und ist daher in der Stereochromie nicht zu empfehlen.<br />

Die S tel' e 0 c h r 0 m i e mit ihrer vollständig verkieselten Bildfläche widerv<br />

steht allen schädlichen Einflüssen, wie dem Rauch, sauren Dämpfen, dem<br />

grellsten Wechsel der Temperatur, Regen, Schnee und Hagel, welche alle den<br />

Fresken so verderblich sind.<br />

Bei diesen in die Augen springenden Vorzügen der stereochromischen<br />

Malerei liegt es nahe, die verkieselnde Wirkung des \IVasserglases auch bei<br />

Anstrichen sowohl im Aeussern, wie auch im Innern unserer Wohnhäuser in<br />

Anwendung zu bringen.<br />

Man hat in dieser Beziehung zu wiederholten Malen stereochromische<br />

Anstriche 'warm empfohleni*), aber es wurde hiervon noch wenig Gebrauch<br />

gemacht, sei es, weil man nicht gern vom Althergebrachten ablässt, oder weil<br />

man bei dahin abzielenden Versuchen dieselben nicht mit der nöthigen Saehkenntniss<br />

ausführte, wobei selbstverständlich dann nur ungünstige Resultate<br />

erzielt werden konnten. Vielfach war aber auch der Umstand von Einfluss,<br />

dass man sich einbildete, die Anstriche mit viV asserglas seien schwierig herzustellen,<br />

indem sie einer ganz eigenthümlichen Behandlung, oder eines eigens zusammengesetzten<br />

Mörtels als Malgrund, oder der nachherigen Anwendung einer<br />

Spritze zum Fixiren der Farben bedürfen.<br />

Nachdem im Kaiserhofe der Residenz Münchens stereochromische Anstriche<br />

in umfassender Weise hergestellt wurden und dieselben sich vollkommen bewährt<br />

haben, möge hier das beobachtete Verfahren mitgetheilt werden.<br />

Der Grund, auf dem gemalt wurde, war gewöhnlicher Kalkmörtel. Die<br />

Farben kamen bereits im Wasserglas angerührt zur Verwendung, wurden aber<br />

vor dem Auftragen auf die Wand noch mit Wasserglaslösung so verdünnt,<br />

dass sie mitteist eines Pinsels sich gut auftragen lassen.<br />

Die mit Wasaorglaslösung angeriebenen Farben hatten die Konsistenz,<br />

ungefähr wie die mit Oel angeriebenen Farben für die Oelmalerei im Handel<br />

*) Das 'Wasserglas und seine Verwendung in der Bautechnik von Wagner, Gewerbeblabt<br />

für (Ls Grossherzcgthum Hessen, 1872, NT. 18.<br />

19*


292 1. Manrer- und. Steimnetzarbeiten.<br />

yorkommen; das darin vorhandene 'Vasserglas ergab nach , der Analvse des<br />

01<br />

Dr. Feichtinger*) eme Zusammensetzung von<br />

Kieselerde 51,79,<br />

Kali 39,05,<br />

Natron 9,16.<br />

Ein Wasserglas von dieser Zusammensetzung kann erhalten werden durch<br />

Zusammenschmelzen von<br />

4:<br />

4:<br />

1<br />

oder auch durch Auflösen<br />

entsprechendem Gehalte.<br />

Gewichtstheilen Quarzsand,<br />

" Pottasche,<br />

" Soda,<br />

von Infusorienerde in natronhaltiger<br />

Kalilauge von<br />

Die 'Vasserglaslösung, welche zum Verdünnen der Wasserglasfarben verwendet<br />

wurde, hatte ein spezifisches Gewicht von 1,20, war weisslich trübe<br />

und setzte bei ruhigem Stehen einen Bodensatz von kohlensaurem Kalk ab;<br />

diese 'Yasserglaslösung war zusammengesetzt aus:<br />

Kieselsäure 66,14,<br />

Kali 25,64,<br />

Natron 8,22,<br />

und kann gewonnen werden aus dem Zusammenschmelzen von<br />

5 Gewichtstheilen Kieselsäure (Quarzsand),<br />

3 " Pottasche,<br />

1 " Soda;<br />

der Gehalt an kohlensaurem Kalk in der untersuchten Wasserglaslösung scheint<br />

darauf hinzudeuten, dass dieselbe auf nassem 'Yege durch Kochen einer natronhaltigen<br />

Kalilauge mit Infusorienerde bereitet wurde.<br />

Wenn nun die Zusammensetzung beider Wasserglassorten verglichen werden,<br />

so ist hervorzuheben, dass das Wasserglas, womit die Farben bereits angerührt<br />

sind, weniger Kieselsäure und mehr Alkali enthält als dasjenige, welches<br />

zum Verdünnen der Farben verwendet wird; hierdurch wird offenbar das den<br />

Farben zugesetzte Wasserglas nicht so schnell durch die Kohlensäure der Luft<br />

zersetzt, und die Kieselsäure gallertartig abgeschieden.<br />

Ganz kann übrigens auch bei den in Rede stehenden Farben durch das<br />

alkalireiche Wasserglas das Ausscheiden von gallertartiger Kieselerde bei<br />

längerem Stehenlassen an der Luft nicht verhütet werden, und erscheint es<br />

daher nothwendig, die Luft von den mit Wasserglaslösung angemachten Farben<br />

soviel wie möglich, besonders wenn man sie aufbewahren will, abzuhalten.<br />

Die Farben, die beim Bemalen des Kaiserhofes Anwendung fanden, waren<br />

weiss, hellgelb, rothbraun, dunkelbraun und schwarz, und ergaben sich aus dem<br />

Vermischen derselben die weiteren verschiedenen Nüancirungen.<br />

Die weissen Farben bestanden aus einem Gemisch von Zinkoxyd und<br />

Schwerspath, die gelben, rothen und braunen Farben bestehen aus Eisenoxyd,<br />

kohlensaurem Kalk, kohlensaurer Magnesia, Thon, Sand und Wasser in verschiedenen<br />

quantitativen Verhältnissen gemengt; man hatte es dem entsprechend<br />

mit kalkhaltigen Ockerfarben zu thun, Die schwarze Farbe bestand aus einem<br />

Gemenge von Braunstein und Kienruss.<br />

In bezug auf die praktische Ausführung von stereochromischen Anstrichen<br />

sei noch erwähnt: der Verputz muss gut und sorgfältig hergestellt werden, muss<br />

'k) Ueber Verwendung des Wasserglases in der Bautechnik von Dr. G. Feicht,jngel')<br />

Bayer. Industrie- und GewerbeblaH 1873, S. 222,


294 I. Maurer- und Steiumetzarbeiteu.<br />

weitere Mitthailungen nenern Forschern, von denen hier Gnmer*), E. Lange<br />

und Bühlmann **) sowie 11. Lohde**'*) zu nennen sind.<br />

U eber das t e c h n i s e h e Verfahren der Sgraffitodekoration macht Vasari<br />

folgende Mittheilung:<br />

..Man nimmt auf eewöhnliche Art mit Sand versetzten Kalk. mischt damit<br />

Ji b /<br />

gebranntes Stroh, welches diesem Mörtel thonsehwarze Färbung giebt. Ist dies<br />

geschehen, so bringt man ihn auf die Mauerfläche auf. Nachdem derselbe vollständig<br />

geebnet ist, wird ein Anstrich von Kalkmilch über ihn gedeckt. Auf<br />

diese geweisste Fläche trägt man die Umrisse der darzustellenden Gegenstände<br />

auf, und fixirt dieselben mittelst einer Eisenspitze , die durch Aufritzen der<br />

weissen Oberfläche das Schwarz des Mörtelgrundes zur Erscheinung bringt.<br />

Schliesslich vollendet man das Ganze im Reliefeindruck durch Schraffirung."<br />

Nach einer Mittheilung des Professors an der Akademie zu Florenz,<br />

de Fabris , verfährt man in Italien bei Herstellung des Sgraffito's wie folgt:<br />

Auf die zur Aufnahme einer Sgraffitodekoration bestimmten Mauer wird ein<br />

gewöhnlicher roher Mörtelputz aus Sand und Kalk aufgetragen und glatt gestrichen;<br />

in diesem Zustande verbleibt der Verputz nahezu 6 Monate der<br />

'Witterung ausgesetzt. Dann wird der für den dunklen Untergrund des Sgraffito<br />

bestimmte und gefärbte Putz (intonaco colorito) in der Dicke von 3 bis 4 mm<br />

aufgesetzt, durch ein Streichbrettehen mit entsprechender 1Yasserbefeuchtung<br />

eben gestrichen.<br />

Die Bestandtheile dieses Verputzes sind: fr i s c h gel ö s c h t e r Kalk,<br />

gut ausgewaschener, von allen Schlamm- und Staubtheilen befreiter Fluss sand<br />

und eine dunkle Farbe, z; B. grüne Erde, Umbra, Terra de Siena etc.<br />

Von der gut e n Qua I i t ä t des K i es s a n des hängt die Dauer und<br />

die Vollkommenheit der Arbeit ab.<br />

Vor allen Dingen ist darauf zu achten, dass jedesmal nur das Flächenstück<br />

verputzt werden darf, das der Zeichner in einem Tage, bevor der Verputz<br />

trocknet, ausführen (schrafflren) kann; bei Ausführung der Arbeit verfährt<br />

man in dieser Beziehung wie beim al fresco.<br />

Auf die frisch verputzte farbige Fläche werden dann z w e i Anstriche von<br />

Kalkmilch möglichst gleichmässig aufgetragen.<br />

Nach Semper setzt man der auf die rohe Mauer aufgebrachten Berappurig<br />

1/ 10 grob gestossene Steinkohlenschlacke bei, um dieser ersten Unterlage mehr<br />

Festigkeit und schärfere Rauheit zu geben; nachdem dieser Untergrund trocken<br />

geworden ist, giebt man als ersten Mörtelbelag eine Mischung von 5 'I'heilen<br />

gepulvertem Wetterkalk , langsam unter Sand abgelöscht, 6 Theilen schwarzem<br />

scharfen Flusssand, 2 Theilen gesiebten grob gekörnten Steinkohlenschlacken,<br />

3 Theilen schwarzem Sand, 4 Theilen gemahlenen Schlacken, fein wie Sand,<br />

1 Theil Holzkohlenstaub und endlich Frankfurter Schwarz nach Belieben; ist<br />

die festangedrückte und wohlgeebnete Mörtelschichte noch nicht ganz getrocknet,<br />

so erhält sie einen weitem dünnen Auftrag) der zusammengesetzt ist aus:<br />

3 1 / 4 Theilen Kalk (wie oben), 2 Theilen Sand, 4 Theilen Schlacken; 1 Theil<br />

Holzkohlenstaub , 1/8 Theil Frankfurter Schwarz; Alles wird vorher mitte1st<br />

eines Haarsiebes durchgesiebt, Zum Abglätten dieses Auftrages verwendet<br />

man eine Mörtelmischung von 1 Theil Sand statt 2.<br />

Die aufs sorgfältigste abgeglättete Fläche wird schliesslich , noch nicht<br />

*) The terracotta architecture of North Italie.<br />

**) Die Anwendung des Sgraffito für Facadendekoration.<br />

***) B '.(. ,. üb S ffit I ' Z it 1 ift T p 18 M 1 18<br />

' elun1,ge u er gra orna e1'e18n: el sc rnrt J.tL· riauwesen 6/ unc 63.


Arbeiten des Ansbaues. 299<br />

den und deren Färbung entweder unter- oder oberhalb der sie überdeckenden<br />

Bleiglasur liegt. Diese Plättchen lassen die grässte<br />

Mannigfaltigkeit und Schönheit von farbigen Mustern zu.<br />

4. M 0 s a i k P1a t t e 11, deren Farben nicht blas dünn auf der Oberfläche<br />

angebracht sind, sondern 2 bis 3 mm die Masse durchdringen<br />

und förmlich plattirt erscheinen; hierher gehören hauptsächlich die<br />

weltbekannten Met tl a c h e r M 0 s a i k P 1a t t e n, welche aus hartgebrannter<br />

Steinmasse gefertigt sind, am Stahle Feuer geben, und<br />

allen erdenklichen Einflüssen der Witterung , sowohl als auch sehr<br />

bedeutenden mechanischen Angriffen Trotz bieten. Dabei sind sie<br />

schön in der Zeichnung und harmonisch in der oft farbenreichsten<br />

Ausstattung.<br />

Wie diese Platten in umfangreichster Weise zu Fussbodenmosaiken Verwendung<br />

finden, so werden sie auch in gleicher Weise zur ästhetischen Ausstattung<br />

unserer Faoaden verwendet ; zum letzteren Zweck aber genügt es,<br />

Verkleidungsplättchen herzustellen, die aus einer gleichmässig gebrannten Thonmasse<br />

bestehen, auf welche eine verschieden sich brennende Engobe in irgend<br />

einem Muster mit dem Pinsel aufgetragen und aufgebrannt ist; solche Platten<br />

sind dann mit allem Recht e n kau s ti s ehe F 1i e sen zu nennen, können<br />

aber ihrer dünn aufgetragenen Farbenschichtewegen nicht gut als Fussbodenplatten<br />

dienen. Einen vorzüglich schönen, nahezu 1 m hohen enkaustischen<br />

Fries, reich an Zeichnung und Farbe, mit Fruchtfestons ausgestattet, hat die<br />

Mettlacher Fabrik nach München geliefert und befindet sich derselbe unterhalb<br />

des krönenden Hauptgesimses am Gebäude des Polytechnikums.<br />

Auch anderweitige Terrakotten lassen sich vielfach zur Ausstattung unserer<br />

Facaden verwenden, entweder in ihrer natürlichen Ziegelfarbe , oder, was bei<br />

der heutigen, ungemein vorgeschrittenen Technik leicht zu erreichen ist, in<br />

täuschender Imitation aller möglichen Naturgesteine.<br />

Für solche Zwecke liefern besonders die Fabriken von Villeroy & Bloch<br />

in Mettlach , March in Berlin, die Nymphenburger Porzellanfabrik etc. ein<br />

ganz vorzügliches Material, das nicht blos in seiner äussern Erscheinung den<br />

Granit, den Kalk- und Sandstein nachbildet, sondern auch durch seine erhöhte<br />

Widerstandsfähigkeit gegen Verwitterung unbedenklich mit in den Kreis derjenigen<br />

Mittel zu ziehen ist, durch welche unsere Bauwerke im Aeussern zu<br />

würdigster architektonischer Erscheinung emporgehoben werden.<br />

Zu diesem Zwecke liefern diese Fabriken die formal reichst ausgestatteten<br />

Konsolen, Zahnschnitte , Kymatien mit Reliefverzierungen , Kapitäle, Friese,<br />

ornamentirte Füllungen mit Reliefköpfen , ja selbst Statuen. Auch gothisches<br />

Masswerk, Kreuzblumen, Krabben etc, in der Imitation des schönen rothen,<br />

grünen oder gelben Sandsteins geben dem Baumeister Gelegenheit, den theuer<br />

herzustellenden Bildhauerarbeiten gegenüber für eine reiche Ausstattung seiner<br />

Bauwerke mit verhältnissmässig geringen Geldmitteln Sorge zu tragen.<br />

Endlich muss hier noch hervorgehoben werden, dass unter gewissen Umständen<br />

bei Ausstattung unserer Facaden auch Hausteinimitationen aus Portlandcement<br />

nicht ausgeschlossen bleiben, besonders wenn sie in so vorzüglicher<br />

1Veise hergestellt sind, wie dies von der bekannten Fabrik von Dyckerhoff &<br />

Söhne in Amöneberg zu konstatiren ist. Dieses Etablissement liefert alle möglichen<br />

ornamentirten Bautheile in stilgemässen Formen, und lassen sich dieselben<br />

nicht wohl von den besten Sandsteinarbeiten in rothen , gelben, grünen<br />

Tönen unterscheiden. Durch jahrelange Erfahrungen haben auch diese Steinimitationen<br />

aus Cement sich als durchaus witterungsbeständig erwiesen.


Arbeiten des Ausbaues'. 301<br />

und Rauch eine schmutzige: unter Einwirkung der darauf wachsenden Algen<br />

ins Dunkelgraue spielende Färbung an: so dass die ursprüngliche N aturfarbe<br />

so zut wie verloren aeht·, mözen solche altehrwürdize . verräucherte und<br />

b t 0 . C /<br />

bemoste Gebäude den stets frisch übertünchten Häusern auch bei weitem vor-<br />

zuziehen sein. so ist damit Q'ewiss nicht ausaeschlossen , darnach zu streben,<br />

I v (.,.; I<br />

auch unsern Hausteinfacadon eine bleibendere Farbenwirkung zu geben.<br />

Dies liesse sich freilich selbst bei den Graniten, dem "Marmor etc, nur<br />

durch Schleifen und Poliren der Steinhäupter erreichen; aber welche Mittel<br />

wären hierzu erforderlich 1<br />

Um die Farbenmonotonie solcher Faeaden zu beseitigen: empfehlen sich<br />

stellenweise Inkrustationen von geschnittenen und polirten Gesteinen, namentlich<br />

Serpentin, der sich von allen witterungsbeständigen Steinen am leichtesten<br />

poliren lässt; in gleicher Weise können Terrakotten: enkaustische Fliesen etc,<br />

dazu dienen 7 eine sonst eintönig aussehende Facade anmuthig durch wohlgewählten<br />

Farbenwechsel zu beleben.<br />

In gleicher vVeise liegen uns ähnliche Mittel zur Hand, den Ziegelrohbau<br />

auszustatten, und verweisen wir in dieser Beziehung auf die hervorragenden<br />

Leistungen des Mittelalters in Italien sowohl, als im Norden Deutschlands, verweisen<br />

weiters auf die Bestrebungen unserer Gegenwart*).<br />

Das Kapitel über den äussern Schmuck von Facaden lässt sich nicht wohl<br />

schliessen , ohne der plastischen, aus sogenanntem S tue k ausgeführten Ausstattung<br />

zu gedenken , "welche sich hauptsächlich im Anfange des 18. Jahrhunderts<br />

in der Zeit des Zopfstils geltend machte, und die vorherrschend durch<br />

italienische Arbeiter ausgeführt ward.<br />

Die unmittelbar auf den halbgetrockneten Unterputz aufgebrachten, oft sehr<br />

reichen Reliefdekorationen wurden mit einem stumpfen Stift in den Untergrund<br />

vorgezeichnet und dann mittelst einer lange plastisch bleibenden Masse mit dem<br />

Bossirholze oder dem Bossireisen unmittelbar darauf heraus modeUirt; hierbei<br />

war es freilich nicht ausgeschlossen, Verzierungen, Rosetten, Reliefköpfe etc.<br />

einzeln in der vVerkstätte herzustellen und sie im Gypsabguss an den betreffenden<br />

Ort einzusetzen.<br />

Als S tu c km a s s e wurde meistentheils ein gut abgelagerter Kalkbrei mit<br />

Ziegelmehl , Kreide oder mit feinem reinen Sande am besten mit Marmorstaub<br />

vermischt gewählt. Unter solchen Stuck gebrannten Gyps zu mischen, ist unthunlich,<br />

weil er dann im Freien nicht hält.<br />

Einige Stuckarbeiter wählen als Unterlage für den Stuck ein Gemenge<br />

von 6 Theilen Kalk: 3 Theilen Sand, 2 Theilen Hammerschlag, 1 Theil Ziegelmehl<br />

und 1 Theil Weinstein ; das Ganze wird mehrfach tiichtig verrührt ; dies<br />

Gemenge widersteht der Feuchtigkeit und dem Wechsel jeder Witterung.<br />

Der auf die unterlegte Schichte gebrachte Stuck muss äusserst fleissig<br />

abgeglättet werden) so dass keine Löcher oder Unebenheiten verbleiben, in<br />

welche Regen oder Schnee eindringen kann; durch fleissiges Glätten wird die<br />

Oberfläche des Stucks auch an Härte gewinnen.<br />

Viele solcher Arbeiten aus der Mitte und dem Ende des vorigen J ahrhunderts<br />

haben sich bis heute gut erhalten und erscheinen meistens durch eine<br />

mehr oder weniger starke Schichte von kohlensaurem Kalk, der sich über diesen<br />

barocken Stukkaturarbeiten gebildet hat, gegen die Zerstörung durch die<br />

Atmosphärilien geschützt; da jedoch solche mit Stuckdekorationen ausgestatteten<br />

'J ver p u t z t e n " "Facaden im Laufe der Zeit oftmals erneute Anstriche er-<br />

*) DeI' Backstein, eine Stuc1ie von R. Neumann (Emst & Korn in Berlin).


302 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

fuhren, so sind ihre ursprünglich scharfen Formen oft bis .zur Stumpfheit, Ja<br />

bis zur Verschwommenheit entstellt.<br />

D e r i n n e r e V e r P u t z.<br />

Bei diesem haben wir zuvorderst zn unterscheiden:<br />

a) den ,Yandputz,<br />

b) den Deckenputz (die Weissdecken).<br />

Der innere ,Yandputz zerfällt in:<br />

1 den gewöhnlichen mnern Wandputz.<br />

2 den vYeiss stuck,<br />

3 den Stuckmarmor,<br />

4 den Stuekolustro,'<br />

Zum ge w ö h n 1ich e n in n ern Ver P u t z verwendet man fast ausnahmslos<br />

nur Luftmörtel - nur ,in gftllZ besondern Fällen Cementmörtel ­<br />

und trägt denselben ebenfalls in drei Schichten auf; zur obersten, dünnsten<br />

Schichte verwendet man einen Mörtel von sehr feinem reinen Sande, und behandelt<br />

denselben wohl mit Reibebrettern, die mit Filz überzogen sind.<br />

Sollen Holzwände eine Verkleidung von Mörtel erhalten, so schlägt man<br />

dieselben wohl mit einem Spitzhammer vielfach so an, dass sie mit Löchern<br />

ganz übersäet erscheinen, oder man s c hup p t sie mit einem Beile auf; an<br />

den so entstehenden Unebenheiten hat der Mörtelbewurf dann einen bessern<br />

Halt. Ist der erste sehr rauh aufgetragene Bewurf vollständig getrocknet, folgt<br />

ein dünner Anwurf, der, wenn er gut angezogen hat, mit dem Reibebrette geglättet<br />

wird. Bei solchen, in primitivster Art hergestellten Bewürfen werden<br />

Risse nie ausbleiben, da das Holz stets schwindet und wieder quillt, und den<br />

dadurch entstehenden Deformationen der Putz nicht folgen kann.<br />

Aus diesen Gründen ist es zweckmässig, die zu verputzende Holzfläche<br />

vorher zu berohren.<br />

Dieselbe Behandlung erfahren sehr häufig auch die VV ei s s d eck e n.<br />

Der sogenannte Roh r P u t z besteht darin, dass man mit abgeschälten<br />

trockenen Rohrstengeln, 7 mm von einander entfernt, die an die Balken befestigte<br />

Bretterschalung mitteIst Eisendraht und Rohrnägel überzieht. Zur<br />

Bretterschalung wähle man möglichst schmale und gut ausgetrocknete Bretter<br />

und lasse dieselben in ihren Stössen gehörig wechseln; die Rohrstengel erhalten<br />

selbstverständlich zu der Brettschalung eine entgegengesetzte Lage. Räthlich<br />

ist es, den Eisendraht sowohl wie die Rohrnägel durch irgend eine Fettsubstanz<br />

gegen Rosten zu schützen.<br />

Dem ersten Bewurf setzt man des schnellen Anziehans wegen Gyps zu;<br />

ist derselbe getrocknet, wird er genässt und ein zweiter rauher Bewurf gemacht,<br />

wobei einige Fixpunkte (Lehren) dazu dienen, eine durchaus ebene und horizontale<br />

Fläche zu gewinnen. Ist aus diesem zweiten Ueberzuge das Wasser<br />

zum theil verdunstet, so erfolgt ein dritter Bewurf aus feinerem Mörtel, der,<br />

sehr dünn aufgetragen, mit dem Reibebrette sauber und vorsichtig abgerieben<br />

wird. Soll der Verputz sehr fein ausfallen, so wird derselbe noch mit einem<br />

mit Filz überzogenen Reibebrette nachgearbeitet.<br />

Da Rohrstengel nicht die Eigenschaft besitzen, wie Holz ihr Volumen zu<br />

verändern) so wird das aHenfallsige Werfen der Bretterschalung nur in seltenen


Arbeiten des Ausbaues, 303<br />

Fällen die Putzschichte der Art alteriren , dass sich an der ",Yeissdecke Risse<br />

zeigen. ",Yill man sich noch mehr gegen solche Risse schützen, wie das bei<br />

Anbringung von reichen Deckenmalereien wohl räthlich ist, so bedient man<br />

sich der doppelten Berohrung, indem man über der ersten, ehe sie mit Mörtel<br />

beworfen ist, eine zweite Berohnmg herstellt, deren Rohrstengel mit denen der<br />

unteren Lage sich rechtwinklig kreuzen.<br />

Da, wo langes Schilfrohr schwer zu haben ist, wie z. B. in München,<br />

verwendet man zur Herstellung der Weissdecken die sogenannten 1Y 11 r f ­<br />

1a t t e n , oder andern Orts Spalierlatten genannt; dieselben sind meistens<br />

24 111111 breit, 12 mm dick, und besitzen eine konische, nach oben hin<br />

schmälere Form. Beim Annageln an die Balken bringt man zwischen die<br />

Wurflatten und von diesen gehalten dünne Strohhalmbüschel , die von beiden<br />

Seiten von der Decke herabhängen, und sich mit den von der Nachbarlatte<br />

gehaltenen Strohhalmen vielfach kreuzen.<br />

Beim ersten Bewurf mit dünn wässrigem Mörtel (Spritzwurf') werden die<br />

von der Decke hingenden Strohhalme gegen die Wurflatten gedrückt und<br />

verrieben, so dass eine Art Strohfilz entsteht, der, vollständig getrocknet, eine<br />

vorzügliche Zwischenlage zwischen den 1Vurflatten und dem dann später ausgeführten<br />

Deckenpntz gewährt; hierbei kommt Brettschalung, Rohr, Nägel und<br />

Draht in vVegfall.<br />

Werden Hohlkehlen unter der Decke angebracht, so nagelt man in den<br />

Ecken schräge Bretter oder VVurflatten ein, die dann berohrt, beziehungsweise<br />

mit einem Strohfilz versehen und mit der dazu gehörenden Decke verputzt<br />

werden.<br />

Anderweitige weit ausladende Gesimse werden mit Hülfe von Holzkohlen,<br />

Draht, Nägeln etc. hergestellt und mit gewöhnlichen Gesimslehren gezogen,<br />

oder auch wohl nachträglich, fertig aus Gyps hergestellt, an die betreffende<br />

Stelle versetzt.<br />

Zum innern Verputz verwendeten schon die Alten einen lange zuvor abgelöschten<br />

Kalk, dem sie Kreide oder den Staub von weissem Marmor beimengten;<br />

Vitruv nennt solchen Putz "opera albaria et marmoratav , wir bezeichnen ihn<br />

mit VV eis s s tue k.<br />

Der Bereitung des lang abgelagerten gelöschten Kalkes wurde die grösste<br />

Aufmerksamkeit gewidmet und verwendete man dazu die Abfälle des edlen<br />

weissen Marmors. Solchem Kalkbrei setzte man dann wohl wieder im Mörser<br />

zerstossenen weissen Marmor bei, der vorher gesiebt wurde. So erhielt man nach<br />

Vitruv*) drei Sorten; das gröbste Korn diente dazu, um mit Kalk die erste Lage<br />

auf dem Anwurf von Kalk und Sand zu bilden, das mittlere Korn wurde zur<br />

zweiten Lage genommen, und endlich war es der Staub, womit die Oberfläche<br />

vollendet ward. Aus solchem Stuck verfertigten die Römer auch Gesimse an<br />

Wänden, Verzierungen auf Plafonds und Gewölben und verwendeten ihn auch<br />

zum Verputzen von Holzdecken.<br />

Bei den modernen innern Stuckarbeiten verwendet man auch vielfach statt<br />

des Weisskalks den Gyps, und besonders bildet dieses Material bei weit vorspringenden<br />

Gesimsen, Trophäen, Kapitälen die Unterlage, der wohl durch<br />

grosse und kleinere Nägel, durch Eisenstücke nach Verhältniss ihrer Vorsprünge<br />

ein besserer Halt gegeben wird.<br />

Ist diese erste grobe Arbeit gemacht, so werden 1 Theil Gyps und<br />

3 Theile Kalkmörtel gut untereinander gemischt und damit die Hauptformen<br />

'I,) Vibruv, VII. Buch, 6. Kai:',


304 I. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

mehr im Detail heraus bossirt ; bei der Geschwindigkeit, mit welcher<br />

hier zu IVerke gegangen 'werden muss, ist es nicht zu vermeiden, dass hie und<br />

da zu viel aufgetragen wurde; dies zu Viel muss wieder entfernt werden und<br />

man bedient sich dazu eines gekrümmten und gezähnten Spatels.<br />

In diesem Stadium lässt man die gefertigten Massen so lange trocknen,<br />

bis keine Feuchtigkeit im Innern zurückgeblieben ist, und überzieht sie dann<br />

zum Schlusse noch mit einer Stuckmasse, die man auf folgende IVeise zubereitet:<br />

Man verwendet nur den besten weissen , gut durchgebrannten Kalkstein,<br />

löst denselben, indem man den Bedarf an Wasser nur nach und nach in dem<br />

Verhältniss. wie er sich auflöst, zugiesst und ihn dabei aufs sorfältigste durcharbeitet.<br />

Hierauf findet eine Reinigung dadurch statt, dass der gelöschte Kalk<br />

auf einer Marmorplatte förmlich verrieben wird, um alle unlöslichen Theile<br />

daraus zu entfernen. Den so gereinigten Kalk lässt man dann meistens fünf<br />

und zuweilen noch mehr Monate lang ruhen.<br />

Das beste Material, welches dann dem so zubereiteten Kalke beigesetzt<br />

wird, um einen festen, dauerhaften und schönen Stuck zu erhalten, bleibt stets<br />

der gepulverte carrarische Marmor; ist ein solcher nicht zu haben, so nimmt<br />

man wohl Champagner-Kreide oder auch ungebrannten gepulverten Alabastergyps,<br />

Fraueneis oder Fasergyps; in letzterm Falle soll jedoch der Stuck der<br />

Feuchtigkeit weniger Widerstand entgegensetzen.<br />

Zum Fertigmachen der aus Stuck herzustellenden Ornamente wird nur<br />

stets so viel Stuckmasse zubereitet, wie der Stuckateur in kürzester Zeit verarbeiten<br />

kann und nimmt man dazu gleiche Theile von Marmorpulver und<br />

Kalk, die so lange miteinander vermengt werden, bis die Masse rein von 'der<br />

Kelle abrutscht.<br />

Um den Stuck zu verarbeiten, benetzt man zuvor die gemachte Anlage<br />

so lange, bis kein Wasser mehr eingesogen wird, und bestreicht die fertig zu<br />

machende Stelle mit einem Pinsel, indem etwas Stuckmasse unter Zusatz von<br />

Wasser streichfähig gemacht ist.<br />

Hierauf wird schnell mit einem Spatel eine Lage Stuck aufgetragen, und<br />

giebt man demselben, fängt er an zu trocknen, mit einem verstählten Bossireisen<br />

und etwas rauher und um den Finger gewickelter Leinwand die letzte Facen,<br />

ähnlich als wie man in Thon modellirt,<br />

Während des Modellirens muss die Vorsicht gebraucht werden, den Stuck<br />

vou Zeit zu Zeit zu benetzen, um sein zu schnelles Erhärten zu verhindern.<br />

Um innern Wandflächen eine erhöhte Eleganz zu geben, belegt man sie<br />

wohl ganz oder theilweise mit<br />

Stue k m arm 0 r,<br />

Die Wände, auf die Stuckmarmor gelegt werden soll, müssen, wenn sie<br />

massiv sind, einen rauhen Grundputz erhalten, der zur Hälfte aus gewöhnliehem<br />

Gyps, zur Hälfte aus scharfem Sand mit schwachem Leimwasser besteht.<br />

Statt des gewöhnlichen Gypses verwendet man in neuerer Zeit den<br />

mit Alaun oder Borax präparirten Gyps, ersterer unter dem Namen Keene'scher<br />

Cement, letzterer unter dem Namen Parian-Cement in den Handel kommend.<br />

Den Stuckmarmor selbst stellt man auf folgende IV eise dar: Man durcharbeitet<br />

den rein gesiebten Gyps, mit Leimwasser angemacht, mittelst einer flachen<br />

Kelle zu einem Teig. Dies geschieht am leichtesten, indem man auf einem<br />

Arbeitstisch den Gyps aufhäuft, in der Mitte eine Höhlung macht und in dieselbe<br />

das Leimwasser g3sst, alsdann mit der Kelle den Gyps ins Leimwasser ein-


Arbeiten des Ausbaues. 305<br />

rührt und ihn tüchtig durcharbeitet. Zu diesem Gyps bringt man eine mit<br />

Wasser gut geriebene Farbe hinzu, die den Grundton des nachzuahmenden<br />

Marmors bildet; um dem Stuckmarmor die gehörige Farbennüancirung zu geben,<br />

werden mehrere Abstufungen des Grundtons, heller und dunkler von Gypsmasse,<br />

wie· eben beschrieben, angefertigt. Aus diesen verschiedenartig nach<br />

Abstufungen gemischten Massen macht man von jeder einen besonderen Kloss.<br />

Will man dem Grundton helle weisse Fleckchen geben, so bestreut man die<br />

Klösse mit Gyps und drückt ihn trocken ein. Ist diese Vorbereitung getroffen,<br />

werden die eben erwähnten Klösse zerrissen und in bunter Unordnung neben<br />

einander ausgebreitet, die Zwischenräume mit kleinem verschieden gefärbten<br />

Gypsteigkugeln ausgestreut; ist dies geschehen, so übergiesst oder bespritzt man<br />

die Klösse mit der sogenannten Sauce, welche die Adern bildet und aus Leimwasser<br />

, Gyps und Farbe bereitet ist. Sollen mehrfach gefärbte Adern im<br />

Stuckmarmor vorkommen, rührt man die entsprechend gefärbten Saucen an und<br />

übergiesst die vorbereiteten Gypsmassen auch mit diesen; eine neue Lage von<br />

Klössen, Kügelchen und Saucen kommt auf die erste zu liegen, und wird dann<br />

die Masse zu einem grossen Ballen geformt. Dieser Ballen wird mit einem<br />

breiten Messer in Scheiben geschnitten, die Scheiben taucht man, sie mit der<br />

Hand fassend, in Wasser ein, legt sie auf den vorher gut genässten Untergrund<br />

auf und streicht sie mit der Kelle fest; indem man so mit dem Belegen<br />

der Mauer fortfährt, sucht man stets durch Streichen eine möglichst ebene und<br />

dichte Fläche zu gewinnen. Sollen die Adern eine bestimmte Richtung erhalten,<br />

so zeichnet man sie auf der Mauer vor und lässt hier beim Belegen<br />

entsprechende Zwischenräume, die später mit der gefärbten Adermasse aus­<br />

gedrückt werden.<br />

Beim Anfertigen von künstlichem Granit<br />

gefärbte Gypsmassen in Scheiben geschnitten<br />

geklopft und so' mit in die Masse eingesetzt.<br />

man wohl in gleicher Weise.<br />

oder Porphyr werden verschieden<br />

und getrocknet, dann in Stücke<br />

Auch Alabasterstücke verwendet<br />

Sobald die belegte Fläche vollkommen erhärtet ist, wird sie mit einem<br />

Hobel von den stärksten Unebenheiten befreit, und dies geschieht arn bequemsten,<br />

indem man zuerst einzelne Richtungsstreifen hobelt und nach diesen die einzelnen<br />

Flächen abarbeitet.<br />

Hierauf beginnt das Rauhschleifen mit einem ziemlich groben Sandsteine von<br />

markigem Korn, und reibt man damit die Oberfläche, welche mitteist eines<br />

Schwammes stets nass gehalten wird, vollkommen eben ab. Hierauf lässt man<br />

den Marmor einige Tage austrocknen und beginnt dann die weitere Schleifarbeit<br />

mit einem Grünstein (Schweizersandstein) , indem man die Flächen mit<br />

einem Schwamm nässt und die Risse, die der Sandstein gelassen, fortbringt;<br />

dann wird die Fläche von allem Schliff gereinigt, sämmtliche Poren und<br />

Löcher werden ausgestrichen, unreine Stellen ausgestochen und wieder ergänzt,<br />

wozu ein Theil der zurückbehaltenen Grundmasse, zu dünnem Teig angemacht,<br />

dient; um auch die geringsten Unebenheiten zu beseitigen, trägt man eine<br />

dünne Gypsmasse mit dem Pinsel auf die vorbereitete' Stuckmasse auf und<br />

spachtelt sie mit einem breiten und dünnen Holzspachtel, am besten aus Weissbuchenholz,<br />

ab und wiederholt dies Verfahren wohl zwei bis drei mal, bis der<br />

Zweck vollständig erreicht ist. Ist die Masse durch und durch getrocknet, wird mit<br />

dem Schleifen unter fortwährendem Annässen und U eberspachtein fortgefahren,<br />

wobei der Schliff selbst stets sorgfältig entfernt wird : dabei wählt man mit<br />

dem Fortscheiten des Schleifons stets feinere Schleifsteine, so dass auf den<br />

grünen ein schwarzer folgt (eine Art Thonschiefer), dann zwei rothe, ein rother


314 1. Maurer- und Steinllletzclorbeiten.<br />

tesselatum anscliliesst , und eine weitere ästhetisch höhere Ausbildung erreicht<br />

in der Verwendung von e n kau s t i s ehe n F 1i e s e n , und in der Herstellung<br />

von :M 0 s a i k bö den aus ge b r an 11te m T h o n.<br />

Wird zur Anfertizuns von Fliesen. Estrichplatten oder Flurziegeln überall<br />

ö ö , •<br />

eine feinere und steifer bearbeitete Masse nothwendig , auf deren Formen und<br />

Brennen eine erhöhte Aufmerksamkeit gerichtet werden muss; so ist dies in<br />

noch erhöhterem Grade der Fall bei den sogenannten enkaustischen Ziegeln.<br />

Bei sol ehe n e n kau s ti s ehe n Z i e gel n möchte zu unterscheiden<br />

sein zwischen eng 0 b i r t e n und p l a t ti r t e n F 1i e s e n.<br />

Die engobirten Fliesen erhalten auf ihrer oberen Fläche einen Anstrich<br />

von dünnem Thonschlamm , der sich je nach seiner natürlichen Beschaffenheit<br />

in den Nüancen von hellgelb bis tiefroth brennt; oder auch durch Mengung<br />

verschiedener Metalloxyde nach dem Brennen alle anderen Farben annehmen<br />

kann.<br />

Durch das Auftragen verschiedener Farben nach bestimmten Dessins lassen<br />

sich Thonplättchen herstellen, die in bezug auf Zeichnung und Farbe eine<br />

geradezu brillante Farbenwirkung ermöglichen, und zusammengesetzt im Stande<br />

sind, selbst die reichsten Gemälde von unverwüstlicher Dauer zu liefern.<br />

Erfüllen solche engobirten Fliesen auch vollständig den Zweck, Wandflächen,<br />

besonders solche von Faoaden , mit farbenreichen Friesen, Füllungen<br />

dekorativ zu schmücken, wie dies bereits erwähnt wurde, so möchten sie wegen<br />

der nur dünnen Farbschicht weniger dazu geeignet sein, zu Fussbodenbelägen<br />

verwendet zu werden.<br />

Für diese Zwecke werden p l a t t ir te Fussbodenplättchen hergestellt, bei<br />

welchen die eingelegt farbig sich brennende Thonmasse mehrere Millimeter<br />

Stärke erhält, und sich nicht so leicht abtreten lässt.<br />

Die vorzüglichen Fabriken von Villeroy und Boch in Mettlach , Minton<br />

und Hollins & Comp. in Stoke-upon-Trente , March in Charlottenburg liefern<br />

in dieser Beziehung ein Material, das selbst den höchsten Anforderungen entspricht,<br />

und so recht dazu geeignet wäre, auf die Ausbildung der Ziegelrohbau­<br />

Architektur einen segensreichen Einfluss zu üben.<br />

Die Mettlacher Platten sind härter als Stahl, und werden von demselben<br />

nicht angegriffen, so dass sie der Abnutzung durch noch so häufige Berührung<br />

mit harten Körpern, wie Schuhnägel etc., nicht unterworfen sind; nicht minder<br />

trotzen sie dem Ein fl u s s e j e der W i t ] e r u n g , so dass sie ebensogut<br />

im Freien als in bedeckten Räumen verwendbar sind*).<br />

Wie die ältesten Kulturvölker Fussböden aus kleinen farbigen Marmorstücken<br />

zusammen setzten, so bedient man sieh gegenwärtig dazu wohl kleiner<br />

farbiger Thonstücke ; die Thonmosaik wird sich bei der fortschreitenden Vervollkornmnung<br />

in der Bearbeitung : der Thone immer mehr geltend machen,<br />

denn sie gestattet die Anwendung schöner, lebhafter Farben; ist nahezu unverwüstlich<br />

und jedenfalls gegenüber von Marmor bei weitem billiger. .<br />

In Ermangelung schöner natürlicher Gesteine bedienten sich bereits die<br />

Künstler des 12. Jahrhunderts zur Herstellung der Mosaik des gebrannten<br />

*) Die Mettlacher Fabrik besitzt ein in Farbendruck hergestelltes Musterbuch<br />

überclie von ihr bereits ausgeführten Bodenbeläge; viel über hundert Muster treten<br />

uns darin entgegen, und zeichnen sich alle durch geschmackvolle Zeichnung und<br />

harmonische Farbengebung aus; alle Stilarten sind in ihm vertreten. Bereitwillig<br />

arbeitet die Fabrik auch nach gelieferten Zeichnungen, insofern diese sich in die<br />

feststehende Form und die Masse der Platten einfügen lassen, nämlich in Quadrate<br />

von 116 mm Seite, d, h. 36 Stück auf einen Quadradmeter.


Arbeiten des Ausbaues. 315<br />

Thones, dem durch Metalloxyde die mannigfaltigsten Farben gegeben wurden,<br />

und deren Etfekt wohl durch einen emailleartigen Ueberzug erhöht wurde.<br />

Als die ältesten Fragmente von Thonmosaiken entdeckte man vor mehreren<br />

Jahren solche in der Kapelle der Kirche von St. Denis; Streifen VOll verschiedenen<br />

Mustern sind hier durch schmale Bänder von einander getrennt und<br />

bestehen grösstentheils aus sehr kleinen gebrannten 'I'Iionstücken, welche schwarz,<br />

gelb, dunkelgrün, roth gefärbt und emaillirt sind. Der Form nach sind sie<br />

im Querschnitte dreieckig, viereckig, rautenförmig, rund oder polygonal; die<br />

kleinsten Stücke in Dreiecksform haben nicht mehr als 3 mm Seitenlänge.<br />

Wie die antike Marmormosaik zeichnet sich diese Thonmosaik nicht allein<br />

durch die vortreffliche Zeichnung, sondern auch durch die Anordnung und<br />

Zusammenstellung der Farben aus, die - wie berichtet wird - bestimmter<br />

und schöner als Marmor die Zeichnung der Muster beleben.<br />

In England 1vird die Fabrikation der Thonmosaiken im Grossen durch<br />

Wyat, Parker u. Cornp., dann durch Minton betrieben; nach Prosser's Patent<br />

wird eine Mischung von feinem Thon und Kieselerde in trocknem und gepulvertem<br />

Zustande durch starke Pressung in Würfelform gebracht; dieselbe<br />

liefert nach dem Brennen eine Masse, die sich härter als das gewöhnliche<br />

Porzellan erwiesen hat. Man giebt der Masse auch wohl die verschiedensten<br />

Formen und Farben und hat durch die neuesten Fabrikationsmethoden es dahin<br />

gebracht, dass man selbst das Vollkommenste um ziemlich billigen Preis zu<br />

liefern im Stande ist.<br />

Bei Herstellung von Thonmosaiken, die selbstverständlich auch zu Facadendekorationen<br />

verwendet werden können, verfährt man wie folgt:<br />

Auf einem in der unteren Fläche mit eingeschobenen Leisten versehenen<br />

Reissbrette werden zur Begrenzung der anzufertigenden Platten Leisten von<br />

etwa 40 mm Breite und 32 bis 40 mm Höhe mit Holzschrauben befestigt.<br />

In diesen so umgrenzten Rahmen wird die Zeichnung, nach welcher die Mosaik<br />

ausgeführt werden soll, gelegt und darüber eine Glasplatte. Letztere dient<br />

insbesondere zur Schonung der Zeichnung, jedoch auch um eine durchaus ebene<br />

Unterlage für die Mosaiksteine zu gewinnen.<br />

Auf diese Glasplatte werden nun die kleinen, verschiedenartig gefärbten<br />

Mosaikthonsteine von quadratischer oder rautenfönniger Gestalt von 18 bis<br />

20 mm Seitenlänge und 10 mm Stärke nach Massgabe der Zeichnung gelegt.<br />

Ist so die Glasplatte mit Steinen, die glatte Oberfläche derselben nach unten<br />

belegt, so wird der innere Raum über diesen bis zum oberen Rande der Einrahmungsleisten,<br />

also 22 bis 28 mm hoch, zuerst mit dünnflüssigem Portlandcementmörtel,<br />

ohne Beimischung von Sand, und dann mit steiferem Mörtel ausgefüllt,<br />

in welchen eine oder auch zwei Lagen Dachziegel oder besser Dachschiefer<br />

im Verbande eingedrückt werden. Die obere Lage wird dann mit<br />

Cement abgeglichen und mit einem Lineal über die Einrahmungsleisten glatt<br />

abgestrichen.<br />

Die so erhaltenen Platten haben eine Stärke von 32 bis 40 mm, jedoch<br />

können auch Platten von geringerer Stärke verwendet werden.<br />

Zum besseren Anhaften des Mörtels beim Verlegen pflegt man auch wohl<br />

in den Cement einige rinnenartige Streifen zu machen. Ist die Cementfüllmasse<br />

erhärtet, so werden die vorher eingefetteten Umfassungsleisten beseitigt und die<br />

Mosaikplatte dann von der Glasplatte abgehoben.<br />

Diese Methode bietet zugleich die Annehmlichkeit, dass Kunstliebhaber<br />

beliebige Muster mit leichter Mühe selbst zusammensetzen können und nur<br />

das Verlegen der fertigen Platte dem Arbeiter verbleibt.


316 I. MaUTer- und Steinmetzarbeiten.<br />

S O anaefertizte Thonmosaiken zestatten selbst die .komplizirtesten Dar-<br />

C 0 o'<br />

stellungen, sowohl ornamentalen als figürlichen; in tadellosester Ausführung,<br />

scharf und klar treten alle Muster aus der vollkommen ebenen Fläche hervor<br />

und sind nicht durch unschöne Fugen, welche in römischen Vertäfelungen oft<br />

störend wirken; durchzogen.<br />

Auch die Thonwaarenfabrik von March in Charlottenburg liefert sowohl<br />

fertige Thonmosaikplatten in verschiedenen Grössen, als auch die Mosaiksteine<br />

in verschiedenen Formen und Farben*).<br />

N eben den gebrannten Steinen finden auch Cementplättchen vielfache Verwendung<br />

zu Fussbodenbelägen; sie erscheinen dabei entweder in ihrer natürlichen<br />

Farbe oder verschieden gefärbt, wobei sehr häufig die Farbe der gelben,<br />

grünen und rothen Sandsteine glücklich imitirt wird; auch schwarz lassen sich<br />

die Cemente ziemlich intensiv färben.<br />

Nachdem uns durch die Normen bei Lieferung von Cementen eine nahezu<br />

unangezweifelte Garantie für deren Güte geboten ist, möchten Fussböden aus<br />

Cementplatten (sowohl aus Mörtel, als auch aus Beton) sich mehr und mehr<br />

geltend machen, denn sie sind nicht nur dauerhaft, sondern gewähren auch ein<br />

äusserst gefälliges Ansehen, welches durch die gewählte Form der Plättchen,<br />

durch mancherlei Zeichnung und Färbung zu hoher Eleganz sich steigern lässt.<br />

Wo Magnesiacemente zur Disposition stehen, werden auch diese zu Fussbodenbelägen<br />

verwendet; dasselbe gilt von den englischen Viktoria - Steinen<br />

Ransome's, den Marmormosaik-Bodenbelagplatten des Freiherrn v, Löwenstein<br />

in Oberalm , dem Kajalith etc., auf welche hier nicht näher eingegangen werden<br />

kann **).<br />

Die zur Bildung von Fussböden verwendeten E s tri c h e bestehen aus<br />

einer ursprünglich weichen Mörtelmasse , welche über eine horizontal liegende<br />

Unterlage ausgebreitet wird und nach dem Erhärten eine zusammenhängende,<br />

von keiner Fuge unterbrochene Fläche bildet. Je nach der Verschiedenheit<br />

des Materials unterscheidet man: L e h m e s tri c h e , K a l k m Ö r tel e s tri ehe,<br />

G y p ses tri c h e, Asp h a l t e s tri ehe.<br />

Bei Herstellung von nahezu sämmtliehen Estrichen ist vor allen Dingen<br />

darauf zu sehen, dass ihnen eine a b sol u tun ver ä n der t e U n te r 1a ge<br />

gegeben wird. Bei den unteren Geschossen und über gewölbten Kellerräumen<br />

ist dies leicht erreichbar, indem hier die Estriche meistentheils auf eine horizontal<br />

abgeebnete trockene Sandschichte , mit der die Gewölbe hinterfüllt beziehungsweise<br />

aufgefüllt sind, zu liegen kommen.<br />

Sollen aber in den oberen ungewölbten Stockwerken oder auf dem Dachboden<br />

Estriche hergestellt werden, so ist die Balkendecke mit einem dichten<br />

Bretterbelag zu versehen; hierüber wird dann eine 3 bis 4 cm dicke Lage<br />

Lehm ausgebreitet, um die Brettfugen vollständig zu dichten; auf die vollständig<br />

getrocknete Lehmlage kommt eine dünne, vollständig wagrecht abgeebnete<br />

Lage Sand zu liegen, die zuletzt die unmittelbare Unterlage für die aufzubringenden<br />

Estriche bildet. Um die Bretter gegen Verstocken und Faulen zu<br />

schützen, wäre es angezeigt, einen Luftzutritt zu denselben zu ermöglichen.<br />

*) Sehr ausführlieh sind die steinernen F'u s s b ö d e n behandelt in Fleischinger<br />

u. Becker's: Systematische Darstellung der Baukonstruktion , Lieferune 6 mit 5 poly..<br />

chromischen Tafeln und 49 Holzschnitten. 0<br />

**) Näheres siehe: Ungebrannte künstliche: Steine in R. Gottgetreu, Baumaterialien,<br />

III. Auflage, 1. Band, S. 400 u. m.


Arbeiten des Ausbaues. 317<br />

Die L eh m e s tri ehe finden hauptsächlich Anwendung bei landwirthschaftliehen<br />

Bauten.<br />

Der Lehmestrich für Tennen muss besonders widerstandsfähig sein, und<br />

stellt man denselben aus nicht zu magerem reinen Lehm her, der möglicherweise<br />

gut "a u s g e w i n te r t" ist; gehörig durchgearbeitet, wird er 50 cm<br />

hoch aufgeschüttet, geebnet und dann mehrere Stunden lang getreten.<br />

Ein weiteres Komprimiren und Ebenen der Lehmmasse geschieht durch<br />

Schlagen mit hölzernen SChlägeln (Pritschbläueln) ; hierauf lässt man die Tenne<br />

48 Stunden ruhig stehen, um sie dann zum zweiten Male mit dichten gleichmässigen<br />

Schlägen mit dem Dreschflegel zu bearbeiten. Nach weiterem Verlauf<br />

von 24 Stunden werden allenfallsige Risse zugestampft und dann das<br />

Ganze mit Rindsblut oder Theergalle dick überstrichen und zuletzt mit Hammerschlag<br />

überstreut; ein weiteres Komprimiren durch Schlagen der Masse erhöht<br />

den -Widerstand des Estrichs in hohem Grade.<br />

N ach anderer Vorschrift werden als Unterlage für den Lehmestrich zusammengestampfte<br />

Geröllsteine gewählt; auf diese Steinschichte kommt eine<br />

12 cm hohe Lage von fettem trocknen Lehm in klein zertheilten Stücken;<br />

diese Lage wird dann fest eingestampft und mit einem in Wasser gelösten<br />

dünnflüssigen Lehm übergossen. Die beim Trocknen entstehenden Risse werden<br />

durch Schlägel geschlossen, wie überhaupt ein Komprimiren der Lehmlage<br />

durch gleichmässig geführte Schläge immer die Hauptsache bleibt. Ist der<br />

Estrich mit möglichster Sorgfalt bereitet, so dass keine Risse mehr entstehen,<br />

so wird er mit einer Mischung bepinselt, die aus 1 Theil Rindsblut, .2 Theilen<br />

Wasser, 2 Theilen fettem Lehm besteht; oder man wählt auch wohl: 2 Theile<br />

Rindsblut, 1 Theil feingesiebten Hammerschlag und 2 Theile Pferdeurin ; auch<br />

soll - wie man annimmt - ein Anstrich von Zuckerwasser und Syrup hier<br />

gute Dienste leisten!<br />

Ein sehr fest werdender Lehmestrich wird auch wohl aus noch nicht<br />

völlig trockenen, hochkantig gestellten Lehmsteinen gebildet. Die einzelnen<br />

Fugen werden mitte1st einer Mischung von verdünntem Lehm und frischem<br />

Kuhmist eingeschlämmt ; nach Verlauf von einigen Tagen streut man über die<br />

Oberfläche Portlandcemeut, aber nicht dicker, als dass eine gleichmässige U eberdeckung<br />

erzielt wird. Diese U eberstreuung schlägt man mit Holzschlägeln<br />

tüchtig ein und bringt nach eingetretenem Trocknen einen Anstrich von Theer<br />

auf, ähnlich wie man dies bei Steinpappdächern zu thun pflegt.<br />

Es tri ehe fü I' -K e gel b a h n e n erhalten eine gut zusammengeschlagene<br />

Lehmlage von nahezu 30 cm Dicke und werden übersiebt mit Hammerschlag,<br />

der mit feinem weissen Sand oder Steinkohlenasche vermischt ist.<br />

Zu den KaI k m ö r tel e s tri ehe n gehören vor allen die alt e n I' Ö m i ­<br />

sc h e n Es tri ehe, wie sie Vitruv und Plinius beschreibt").<br />

Der vitruvianische bestand der Hauptsache nach aus 3 Theilen neuen<br />

Ziegelbrocken und 1 Theil Kalk, oder aus 5 Theilen Brocken von gebrauchten<br />

Ziegeln und 2 Theilen Kalk; die Masse wurde gerammt, bis sie nur 3/ 4 ihrer<br />

ursprünglichen Dicke erhalten hatte. Hierauf wurde eine Mischung von<br />

3 Theilen Ziegelmehl und 2 Theilen Kalk aufgebracht; die Stärke eines solchen<br />

Estrichs wird auf 18 cm angegeben, häufig wurde derselbe noch mit Stein<br />

platten belegt.<br />

Der gr ä c a n i sehe Es tri c h wurde nach Plinius in der Art hergestellt,<br />

*) Vitruv, VII. Buch, 1. Eap. Plinius XXXVI. Euel1, 61., 62., 63., 64. Kap.


318 1. Maurer- und Steinll1etzarbeiten.<br />

dass man den Boden zuvor feststampfte und ihn dann mit Kalk- oder Muschelestrich<br />

überzog; hierauf bedeckte man die Unterschichte mit dichtgetretenen<br />

Kohlen, welche mit grobem Sand, Kalk und Asche gemischt waren. Diese<br />

Masse wurde 15 cm hoch aufgeschichtet, gestampft und ge,ebnet und hatte das<br />

Ansehen von Erde; wird sie alsdann noch mit einem Schleifsteine geglättet,<br />

so ähnelt sie ganz dem schwarzen Estrich.<br />

Der ru S S i s ehe M ö r tel es tri eh hat eine ans Steinen festgestampfte<br />

Unterschichte und besteht aus 1 Theil an der Luft zerfallenem Kalk, vermischt<br />

mit 2 Theilen Kies und angefeuchtet mit möglichst wenigem Rindsblut ; durch<br />

fortgesetztes Stampfen erhält dieser Estrich Steinhärte. Soll die Masse sehr<br />

fein ausfallen, so nimmt man zur nächsten Lage 10Theile fein gesiebten Kalk,<br />

1 Theil Roggenmehl und etwas Rindsblut, stampft dies zu zähem Märtel, ebnet<br />

. . ,<br />

mit der Kelle. wiederholt dies nach 24 Stunden und fährt so fort. bis Alles<br />

trocken ist, worauf man den fertigen Estrich wohl nochmals mit Rindsblut oder<br />

mit Oelfarbe (?) anstreicht.<br />

Die C e m e nt es tri ehe müssen vor all e n Dingen eine gesichert feste<br />

Unterlage besitzen, und möchte hier der Beton eine bevorzugte Verwendung<br />

zu finden haben. Der beste Cementestrich ist jedenfalls ein solcher aus gutem<br />

Portlandcement, dem man 3 Theile rein gewaschenen Sand von mittlerem Korn<br />

zusetzt. Ist die Unterlagsschichte bereits getrocknet, so ist sie vor dem Aufbringen<br />

der oberen Schichte satt zu nässen, wie überhaupt jeder Cementestrich<br />

auf einen nassen Untergrund aufgebracht werden darf. Der Cementmörtel<br />

wird, nachdem er mit der Kelle aufgebracht und geebnet ist, mit einem Reibebrette<br />

gut und gleichmässig verrieben;<br />

2 cm stark.<br />

den Cementüberzug macht man nahezu<br />

Man unterscheidet u n g e gl ä t t e t e n und g e gl ä t t e te n Cementestrich.<br />

Das Glätten wird dadurch bewirkt, dass, sobald der aufgetragene und geriebene<br />

Märtel zu binden beginnt, man die Fläche mitteist eines Glätteisens so lange<br />

durch Hin- und Herbewegen überfährt, bis sich ein vollständiger Glanz zeigt.<br />

Bei diesem Glätten, wobei die Sandkörner niedergedrückt werden, wird reiner<br />

Cement, in Wasser aufgelöst, zum Anfeuchten auf die zu glättende Fläche<br />

aufgetragen*).<br />

Die Glätteisen sind von verschiedener Form und Grösse und bestehen aus<br />

. einer Eisen- oder Stahlplatte, welche mit einem Griff versehen ist; auch benutzt<br />

man Platten aus Glas, Schiefer, feinem Sandstein etc. zu diesen Zwecken.<br />

Der ungeglättete Estrich möchte dem geglätteten vorzuziehen sein, besonders<br />

wenn der erstere mit verdünnter Wasserglaslösung einige Male behandelt<br />

wird.<br />

Der Tl' ass e s tri c h , welcher am Rhein in der Nähe von Andernach<br />

vielfach Anwendung findet, besteht in der Regel aus 3 Theilen Kalk, 8 Theilen<br />

Trass und 6 Theilen Kohlenasche, mit Wasser zu einem dicken Brei angemacht;<br />

diese Masse wird nahezu 25 cm hoch aufgetragen und bis auf 15 cm zusammengestampft<br />

; kurz vor dem Fertigstampfen bestreut man die Oberfläche<br />

wohl mit Eisenfeilspälmen und Kalkstaub.<br />

Der Gy ps es tri c h ist überall da zu Hause, wo der Gyps 111 Massen<br />

·/orkommt, so in Frankreich, in Italien, am Harz etc.<br />

*) Das Verfahren ist speziell geschildert in der Systerüatlschen Darstellung der<br />

Baukonstruktionen von Fleischinger u. Becker,


Arbeiten des Ausbaues. 319<br />

Bei Herstellung von Fussböden aus Gypsestrich wird derselbe durch genau<br />

wagrecht gelegte Latten in Streifen von ungefähr 1 m Breite zertheilt; die Sandunterlage<br />

dazwischen, 3 bis iS cm tiefer als die Oberkante der Latten, sorgfältig<br />

geebnet. In dies so entstandene seichte Becken wird dann der mit<br />

Wasser dünn angemachte Gyps vorsichtig eingegossen und mit einer Lehrlatte<br />

glatt gestrichen.<br />

Nach kurzer Zeit, wenn der Cyps angezogen hat, lässt sich die das Gussfeld<br />

begrenzende Latte fortnehmen, um damit das nächste wieder zu bilden etc.<br />

Hat der fertige Guss eine solche Festigkeit gewonnen, dass man ihn mit<br />

Brettern belegen und diese Bretter begehen kann, ohne den Guss zu schädigen,<br />

so beginnt die Arbeit, den Estrich mitteist hölzerner Schlägel (Gypshölzer)<br />

sorgfältig und wiederholt durch Schlagen zu dichten; nach viermaligem, alle<br />

4 bis 5 Stunden erfolgenden Klopfen wird der Estrich zuletzt mittelst kleiner<br />

eiserner Kellen vollständig geglättet. '<br />

Um dem nicht sehr widerstandsfähigen Gypsestrich eine grössere Festigkeit<br />

zu geben, tränkt man denselben, nachdem er vollständig ausgetrocknet ist,<br />

dreimal mit heissem Leinöl.<br />

In neuerer Zeit werden Gypsestriche vielfach in Berlin vom Gypswerke<br />

zu Lütheen hergestellt; bei Anfertigung dieser Estriche genügt eine nahezu<br />

30 mm starke Sandschichte, welche direkt entweder auf die Gewölbe, oder auf<br />

die Erdsghichte selbst gebracht wurde; vorherige Pflasterung oder Betonirung<br />

ist dabei vollkommen entbehrlich. Der d i c k fl ü s si g e Gypsbrei wird nach<br />

den durch die Erfahrung bewährten Handgriffen auf der Sandschichte ausgebreitet,<br />

dann geebnet, geschlagen und geglättet; als Stärke für die Gypsschichte<br />

genügt eine solche von 3 cm,<br />

In Paris verfertigt man in Gyps die Estriche, welche man anderwärts in<br />

Mörtel ausführt, wie die zu ebener Erde und über Gewölben, und belegt dieselben<br />

wohl mit Steinplatten oder gut gebrannten Backsteinen.<br />

Soll der Gypsestrich durch farbige Streifen in Felder getheilt werden, so<br />

stellt man diese durch Brett- oder Leistenschablonen her. Nach erfolgtem Guss<br />

werden dieselben wieder herausgenommen und durch irgend einen ändern gefärbten<br />

Gyps ersetzt.<br />

Asp h a l t e s t r i ehe leisten oft zu Trottoirs, Pferdeställen , Terrassen,<br />

Malztennen etc. sehr gute Dienste.<br />

Auf den geebneten und gestampften Boden legt man am vottheilhaftesten<br />

eine 9 bis 12 cm dicke Betonschichte , die jedem Pflaster aus Ziegelsteinen<br />

vorzuziehen ist. Nachdem die Betonschichte vollständig trocken geworden,<br />

werden dünne eiserne Schienen oder Richtscheite von der Höhe der aufzubringenden<br />

Asphaltschichte in Entfernungen von höchstens 1 m aus einander<br />

aufgelegt. Zwischen diese Schienen wird dann die in einem Kessel geschmolzene,<br />

gut gemischte Estrichmasse mit eisernen Kellen aufgegossen und dann der<br />

Raum zwischen je zwei Richtscheiten geebnet. Die Estrichmasse besteht aus<br />

geschmolzenem Asphaltmastix, dem man etwas Bitumen und rein gewaschenen<br />

Sand, oder sehr kleinkörnigen Kies unter stetem Umrühren zusetzt.<br />

Die ungefähr 10 bis 15 111m starke Estrichschichte wird auch wohl, um<br />

sie körnig zu machen, mit gesiebtem Sande gleichmässig überstreut. Um<br />

farbige Muster zu bilden, verwendet man zerstossene Porzellankapselscherben,.<br />

Sn1altepulvel' etc., welche. wie der eben erwähnte Sand. mit hölzernen Schläseln<br />

I / I e<br />

in die Masse eingeldopft werden.


320 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.<br />

Bei P fe r d e s t ä 11 e n wählt man als obere Estrichschichte eine etwa<br />

2 cm starke Asphaltmärtelschichte aus 40 Theilen Asphaltmastix 60 Theilen<br />

Riesel von der Grässe einer kleinen Haselnuss und 4 Theilen Steinkohlentheer ;<br />

ist diese durch Schlagen gehörig kornprimirt, so überzieht man sie mit einer dünnen<br />

Schicht von Asphaltmastix.<br />

Pflasterungen mittelst Asphalt comprime , dann mittelst Macadam gehören<br />

zu speziell in das Gebiet der Ingenieurkunde, als dass hier näher auf sie eingegangen<br />

werden kann.<br />

Druck VOll Oskar Bonde in Altenburg.

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