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II - CCA Monatsblatt

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Seine Hotelangestellten bezahlt er auch nicht (was ihre Neigung zu<br />

nebenerwerblichen Tätigkeiten erklären könnte) und verweigert ihnen unter<br />

fadenscheinigen Vorwänden ordentliche Arbeitsverträge.<br />

Unter den Angestellten brach am Morgen so etwas wie Endzeitstimmung aus:<br />

Wenn es mit dem Hotel jetzt sowieso den Bach runtergeht, nehme sich jeder,<br />

was er kriegen kann. Bei einer anderen Cabaña, in der eine Kolumbianerin mit<br />

ihrem Enkel wohnte, wurden am helllichten Tage die Bambuswand<br />

aufgeschnitten und 300.000 Pesos gestohlen (etwa 100 Euro). Dafür bot uns das<br />

Hotelpersonal freundlicherweise an, wir könnten aus dem Hotel alles<br />

mitnehmen, was wir wollten.<br />

Und nun? Kolumbien doch kein sicheres Reiseland? Wir haben’s ja schon<br />

immer gewusst! Nein, ich bleibe dabei: Wenn man bestimmte Regionen meidet,<br />

ist Kolumbien, insbesondere das ländliche Kolumbien, ein sicheres Reiseland.<br />

Man sollte nur nicht gerade der unseligen Kombination aus betrügerischem<br />

Norweger und diebischen Insulanern zum Opfer fallen.<br />

Und deshalb darf diese Episode auch nicht die letzte in diesem Reisebericht<br />

sein. Den Abschluss muss die Stadt bilden, die symbolisch für die<br />

Drogengeschichte Kolumbiens steht, der, wie dem ganzen Land, dieser Ruf<br />

immer noch nachhängt, die den Wandel geschafft hat und die Hoffnung und Mut<br />

geben könnte, nicht nur für Kolumbien, sondern für den halben Kontinent:<br />

Medellín.<br />

Nein, Medellín ist keine schöne Stadt. Die Lage ist schön, das ja, in einem lang<br />

gestreckten Tal, mit Bergen außenrum, und mit einem angenehmen Klima<br />

gesegnet. Städtebaulich dagegen hält sich der Reiz in Grenzen. Und deswegen<br />

braucht man auch ein paar Tage, um mit Medellín warm zu werden. Dann aber,<br />

wenn einen die Atmosphäre dieser Zweieinhalb-Millionen-Metropole erfasst<br />

hat, ist man begeistert und möchte am liebsten bleiben. Es ist die Dynamik, die<br />

fasziniert.<br />

Moderne Kunst ist überall, mitten in der Stadt, auf öffentlichen Plätzen, in<br />

Metro-Stationen. Bibliotheken und Museen werden bewusst gerade in einstmals<br />

unsichere Stadtviertel gesetzt, und die unteren drei „Estratos“<br />

(Einkommensschichten) haben freien Eintritt. Eine Seilbahn bildet einen Teil<br />

des öffentlichen Verkehrssystems, kann mit den gleichen Tickets wie die Metro<br />

benutzt werden. Sie führt hinauf in einen Stadtteil, in dem es früher am<br />

helllichten Tag Schießereien in den Straßen gab und die Eltern es kaum wagten,<br />

ihre Kinder allein in die Schule gleich um die Ecke gehen zu lassen. Heute<br />

flanieren Anwohner und Besucher durch die Straßen des Viertels, als hätte es<br />

diese Vergangenheit nie gegeben. Spanien hat bei der Endstation der Seilbahn<br />

eine große Bibliothek gestiftet – es ist kein Zufall, dass sie genau dort steht. Und<br />

diese Einrichtungen werden von den Menschen genutzt, so als wollten sie jeden<br />

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