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II - CCA Monatsblatt

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In Bolivien steht die Volksjustiz vor der Tür<br />

Die Regierung will Gleichberechtigung der Justicia comunitaria<br />

Die bolivianische Regierung will die traditionelle Justiz in der Verfassung<br />

verankern. Das könnte die Menschenrechte bedrohen oder Ausdruck<br />

indigener Selbstbestimmung sein.<br />

Vier von der Regierung Morales angeklagte Verfassungsrichter sind in einer<br />

turbulenten Senatssitzung am 4. September freigesprochen worden und können<br />

ihre Funktionen wieder ausüben. Die Regierung hatte den vier Richtern<br />

Amtsmissbrauch vorgeworfen und sie zeitweise ihrer Ämter enthoben. Diese<br />

Entscheidung hat das Oberhaus, in dem die Opposition über die Mehrheit<br />

verfügt, nun aufgehoben. Dabei kam es wie bereits im Unterhaus am 22. August<br />

zu Handgreiflichkeiten und verbalen Ausfällen. Die Regierungspartei<br />

Movimiento al Socialismo anerkennt die Entscheidung des Senats nicht.<br />

Tiefe Krise des Rechtssystems<br />

Der Streit um die Verfassungsrichter ist Ausdruck einer tiefen Krise der<br />

bolivianischen Justiz. Die vier Richter sehen sich als Opfer einer politischen<br />

Kampagne der Exekutive, die der Destabilisierung des Verfassungsgerichtes als<br />

Organ des demokratischen Rechtsstaats westlicher Prägung dient. Es gab zwei<br />

landesweite Proteststreiks der Gerichte. Die Justiz geniesst allerdings in der<br />

Bevölkerung kein Vertrauen. Sie gilt als intransparent, ungerecht, langsam und<br />

korrupt. Zwei Drittel aller Gefängnisinsassen befinden sich in<br />

Untersuchungshaft, von ihnen wartet ungefähr die Hälfte nach Ablauf der<br />

gesetzlichen Maximalfristen immer noch auf ein rechtskräftiges Urteil.<br />

Im Hintergrund des gegenwärtigen Konfliktes der staatlichen Gewalten steht die<br />

Debatte innerhalb der Verfassunggebenden Versammlung über die Einführung<br />

der traditionellen Justiz in die Verfassung des Landes als gleichberechtigte<br />

Rechtsform neben der formalen Justiz. Die Justicia comunitaria wird in Bolivien<br />

vor allem auf dem Land von der indigenen Bevölkerung, zu der sich mehr als 60<br />

Prozent zählen, bereits angewandt. Dorthin reicht der Arm der Justicia ordinaria<br />

oftmals nicht: Nur 55 Prozent der Munizipien haben Richter, nur 23 Prozent<br />

Staatsanwälte. Ein eigenes System von Normen, Werten, Autoritäten,<br />

Institutionen und Abläufen regelt das Zusammenleben innerhalb einer indigenen<br />

Gemeinschaft. Im Zentrum jeder Konfliktlösung soll die Wiederherstellung des<br />

Rechtsfriedens innerhalb der Gemeinschaft stehen, der ein friedliches<br />

Zusammenleben zu aller Vorteil und Sicherheit ermöglicht. Die Verhandlung ist<br />

- entsprechend der überwiegend mündlich geprägten Kultur der indigenen<br />

Gruppen Boliviens - ebenfalls in der Regel mündlich.<br />

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