Diversifikation und Kapitalmarktgleichgewicht
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Das aktuelle Stichwort<br />
<strong>Diversifikation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kapitalmarktgleichgewicht</strong><br />
Zur Verleihung des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschatten an drei Vertreter<br />
der neoklassischen Finanzierungstheorie<br />
Prof. Dr. Ekkehard Wenger, Würzburg<br />
1. Einleitung<br />
Es mag Zufall sein, daß die Kernwissenschafr des Kepi-<br />
Ldismus gerade zu jenem Zeitpunkt durch einen \obelpreis<br />
aufgewertet wird, in welchem der inteilekruelle<br />
Widerstand gegen kapitalistische Organisarionspnnzipien<br />
vom Bankrott des rcalcn Sozialismus überrollt wird. ,\ber<br />
man wird nicht gerade behaupten können, daß rüe in<br />
Stockholm getroffene Entscheidung zur Linderune von<br />
Schmerzen beiEägt, die mit dcr Zerstörung von Weirbildern<br />
verb<strong>und</strong>en zu scin pflegen. l'fit IIarry lv[. .)l6rkowitz,<br />
Merton I'1. Miller <strong>und</strong> William 17. Slnrpe rrurden<br />
drei Vertreter der modcrnen Finanzierungstheorie ausgezeichnet,<br />
in deren Mittelpunkt die Idee vom rationai h:.ndelnden<br />
Kapitalisten stcht, der durch geschickte Aufteilung<br />
seiner Mittel auf unterschiedliche Möglichkeiren dcr<br />
Geldanlage seinen individuellen Nutzen marimien <strong>und</strong><br />
damit gleichzeitig zu einer gesamtwirtschaftlich eifizienten<br />
Kapitalallokatron beitligt. Geradc die drci Preisriger<br />
haben sich in besonderem Maße um dic Zusammcnhängc<br />
zwischen Kapitalmarktgleichgcwicht <strong>und</strong> individueller<br />
Portfoliooptimierung verdient gemacht, wenngleich sie im<br />
allgemeincn nicht in dcn Vordergr<strong>und</strong> srellten, w.rs für<br />
die neoklassische Ökonomic typisch ist: Die Verknüptung<br />
zwischcn dem Optimierungsverhalten rationaler Indiriduen<br />
<strong>und</strong> der gesamtwirtschaftlichen Effizienz des danus resultierenden<br />
Marktg leichgewichts spieltc in i hren Lrsprün glichen<br />
Arbeiten gar keine Rolle <strong>und</strong> wurde auch s:näter<br />
kaum einmal explizit angesprochen. Dies änden freilich<br />
nichts daran, daß die Erkenntnisse von Markowit:, .){iller<br />
<strong>und</strong> Sharpe zum Kembestand dessen zfilen, was die neoklassische<br />
Finanzierungstheorie aus heutiger Sicht rusmacht.<br />
2. Harry M. Markowitz: Optimale <strong>Diversifikation</strong><br />
Die ülteste der für die Nobelpreisverleihung bedeusamen<br />
Veröffentlichungen ist im Jahre 1952 unter dem Tirel<br />
,,Portfolio Selection" im Journal of Finance erschienen<br />
<strong>und</strong> stammt aus der Feder des damals erst 5jähngen<br />
Ilarry Markowitz. Ausgangspunkt dicses Aufsarzes<br />
waren naive Vorstellungen aus älteren Arbeiten, nach<br />
denen man sich beim Erwerb von Wcrtpapieren oder der<br />
Zusammenstellung eines Investitionsprogmmms von dcr<br />
erwarteten Rendite leiten lassen solle. Markorvi!: erkannte,<br />
daß diese Forderung mit den in der Anlagepreris übli-<br />
cherweise beobachtbaren Portfoliostrukturen nicht zu vereinbaren<br />
war, weil diese gr<strong>und</strong>säzlich auch Beimischungen<br />
von Wertpapieren mit.niedrigerer Renditeerwartung<br />
enthielten. Der entscheidende Durchbruch bestand in dem<br />
Nachweis, daß diese fut von Divenifikation als Optimierungsverhalten<br />
eines rationalen Investors gedeutet werden<br />
kann, wenn sich dessen Risikoeinstellung durch eine Präferenzfunktion<br />
des folgenden Typs darstellen läßt:<br />
,<br />
0= ö(lr, o-) mit ö0/öp > 0 (l)<br />
<strong>und</strong> öO/öo2 < 0;<br />
dabei bezeichnen p <strong>und</strong> o2 den Erwartungswert <strong>und</strong> die<br />
Varianz der Rendite, die das Portfolio am Ende eines einperiodischen<br />
Planungszeiraums abwirft. Die für die ersten<br />
Ableitungen geltenden Ungleichungen bringen zum<br />
Ausdruck, was Markowitz so formuliert: ,,We ... consider<br />
expected return a desirable thing and variance of retum<br />
an <strong>und</strong>esinble thing."<br />
Für den Fall einer Präferenzfunktion des Typs (l) konnte<br />
Markowitz erstmals zeigen, daß das Entscheidungsproblem<br />
des Investon auf ein quadratisches Optimierungsproblem<br />
mit linearen Restriktionen hinausläuft, dessen Lösung in<br />
zwei Schritten angegangen werden kann. Der erste Schritt.<br />
besteht in der Bestimmung des effizienten Rands im<br />
p-o2-Raum; damit sind all jene Kombinationen von p <strong>und</strong><br />
o2 gemeint, die von keiner anderen dergestalt dominiert<br />
werden, daß diese sowohl einen höheren Erwartungswert<br />
als auch eine niedrigere Varianz aufweist. Der effiziente<br />
Rand kann demnach punktweise konstruiert werden, indem<br />
man für gegebenen Erwartungswert p das jeweils<br />
varianzminimale Portfolio ermittelt. Dieses Problem hat<br />
gr<strong>und</strong>säEIich folgende Struktur:<br />
Mino2=i i0.0.o.. I<br />
i=lj=l<br />
J u<br />
unter den Nebenbedingungen<br />
)u.=1, (3)<br />
l '<br />
i=l<br />
n<br />
I a,F,=ll.<br />
i= I<br />
(2)<br />
(4)<br />
Gesucht wird dabei nach der varianzminimalen Ausprägung<br />
der Enscheidungsvariablen cr,, die angeben, welcher<br />
Bruchteil der anzulegenden Mittel auf Wertpapier i<br />
verwendet werden soll. Gemäß Gl. (3) muß sich bei Sum-<br />
WiSt Hett 2 Februar 1991 81
Wenger, <strong>Diversifikation</strong> <strong>und</strong> Kapitalmarktgteichgewicht<br />
Harry M. Markawitz<br />
Fotoi dpa<br />
Freilich liefert die doch recht einfache Lösung des Gleichungssystems<br />
(2)-(4) nicht notwendigcrweise dcn effizicnten<br />
Rand, auf welchcm der einzelne Investor nach<br />
einem Berührpunkt mit sciner nutzenmaximalen Indiffcrenzkurve<br />
suchen muß. Marknwitz haLLe von Anfang an<br />
kompliziertere Fällc im Auge, weil er weitere Nebenbcdingungen<br />
in das Problcm cinführtc. Wiihrcnd cr in spä-<br />
mierung dieser Bruchteile über alle n Wertpapicre der teren Arbeiten sogar mit bcliebigen linearen Nebenbedin-<br />
Wert I ergeben; ihrc Verwendung als Gewichte für die gungon operierte, cnthielt schon scin ursprünglicher Auf-<br />
wertpapierspezifischen Erwartungswerle pr führt gcmäß satz aus dem Jahre 1952 die Nichtncgativitätsbcdinsun-<br />
Gl. (4) zum vorgegebenen Erwartungs*ert p. Die Elcgcnmente der Kovarianzmatrix für die Wertpapierrenditcn sincl<br />
mit o,, bezeichnet, wobei sich ftA i = j die wertpapicrspc-<br />
a.>0 für i = 1, ... n.<br />
r5\<br />
zifischen Varianzen <strong>und</strong> für i * j die Kovarianzen zwi- Dicsc Restriktionen cntsprechen aus ökonomischer Sicht<br />
schen Wertpapier i <strong>und</strong> Wertpapier j ergeben.<br />
einem Verbot. von Leerverkäufen. Sie haben die Konsequcnz,<br />
daß die k)sung des Gleichungssysrems (2){4)<br />
Wenn zu<br />
dann<br />
dem Gleichungssystem (Z)-(4) keine wcirörcn nicht realisiert werden kann, wenn zumindest<br />
Restriktionen<br />
ein cr. einen<br />
hinzutreten, ist seine Lösung dcnkbar ein- ncgafiven Wert annimmt.ln Abb.1 ist<br />
fach.<br />
dies der Fall,<br />
Ist<br />
so-<br />
die Kovarianzmatrix invertierbar, führt ein bald ein Erwartungswcrt. rcchts vom<br />
I-agrange-Ansatz<br />
Punkt T angestrebt<br />
zur läsung eines Minimicrungsproblems<br />
wird. Von hier an müßte Wertpapicr I leerverkauft<br />
unter zwei Nebenbedingungen<br />
wer-<br />
nach wenigcn Rechenschritden,<br />
wcnn man sich weiterhin auf<br />
ten zu<br />
der 123-Kurve<br />
den optimalen<br />
nach<br />
Werten der Entscheidungsvariablen<br />
rechts obcn bewegen wollte. Sind Leerverkäufe ausge-<br />
cri; andernfalls muß man die Invertierbarkeit der Koschlosscn,<br />
so ist man gezwungen, die 123-Kurve<br />
varianzmatrix<br />
im Punkt<br />
dadurch herstellen, daß man eine hinreichende<br />
Anzahl von Wertpapieren wegläßt, weil sie von<br />
ihrer Renditeentwicklung her als Mischportfolio aus anderen<br />
Wertpapieren aufgefaßt werden können <strong>und</strong> damit<br />
gewissermaßen überflüssig siäd. Danach kann die lösung<br />
wie zuvor ermittelt werden, indem man von der Inverscn<br />
der Kovarianzmatrix Gebrauch macht.<br />
o'z Iri------\-<br />
\ \ r<br />
\\\<br />
\\<br />
\<br />
\<br />
I / ,tzt<br />
Variiert man das vorgegebene p <strong>und</strong> rägt die jeweils zugehörigen<br />
Varianzminima über der p-Achse auf, so ergibt<br />
sich aufgr<strong>und</strong> des quadratischen Zusammenhangs zwischen<br />
den beiden Variablen eine Parabel zweiter Ordnung. In<br />
Abb. I ist dies für ein Beispiel mit drei Werrpapicren<br />
dargestellt, mit denen der Investor jeweils die punkte l, 2<br />
oder 3 eneicht, wenn er seine Mittel ausschließlich in ein<br />
einziges der zur Wahl stehenden Papiere investiert. Stellt<br />
man aus ihnen dagegen ein varianzminimales portfolio<br />
zusarnmen, das den Gleichungen (2)-(4) genügt, so erhält<br />
82<br />
WSt Heft 2 Februar 1 991<br />
man in Abhängigkcit vom vorzugcbcndcn Erwartungswert<br />
eincn Punkt auf dcr mit 123 gekcnnzeichnetcn<br />
Kurvc. Dic Punkte links von ihrcm Minimum M sind offensichtlich<br />
nicht effizicnt. im oben angegcbenen Sinne,<br />
wcil sich durch Überwcchseln auf dcn rechten Ast der<br />
Kurve PunkLe findcn lasscn, bci denen ein höherer Erwartungswert<br />
mit einer niedrigcrcn Varianz verb<strong>und</strong>en ist;<br />
der effiziente Rand cntspricht also der Kurve 123 vom<br />
Punkt M an.<br />
Der zweite Schritt der Portfolio-Optimicrung isr nun zumindest<br />
im Falle einer graphischen Lösung sehr leicht<br />
nachzuvollziehen. Für einen risikoaversen Investor ergibt.<br />
sich cinc Schar von Indifferenzkurvcn mit. positiver Steigung,<br />
wie sie beispiclhaft. arn unteren rechten Bildrand<br />
cingetragcn sind; das Optimum liegt dort, wo die Indiffercnzkurve<br />
mit dcm höchstcn encichbaren Nutzenniveau<br />
dic Kurvc 123 bcrührt.<br />
Abb. I: Etfizieruer Rand <strong>und</strong>. zulitssiger Bereich<br />
in der ys,-d-Ebene
T zu verlassen <strong>und</strong> auf die sie dort von innen berührende<br />
23-Kurve überzuwechseln; statt eines varianzminimalen<br />
Portfolios aus allen drci Wertpapieren kommt jetzt nur<br />
noch eine Mischung aus den Wertpapieren 2 <strong>und</strong> 3 in<br />
Beuacht. Rechts von T deckt sich der effiziente Rand<br />
also zunächst mit der 23-Kurve; er endel im punkt 3, in<br />
welchem nur noch das Wertpapier 3 gehalten wird.<br />
Die ebenfalls eingetragenen Kurven mit den Bezeichnungen<br />
12 <strong>und</strong> 13 geben an, welche Kombinationen von Erwartungswert<br />
<strong>und</strong> Varianz sich realisieren lassen, wenn<br />
jeweils dasjenige Wertpapier nicht gehalten wird, dessen<br />
Nummer in der Kurvenbezeichnung nicht vorkommt. Sie<br />
begrenzen den realisierbaren Bereich im p-o2-Raum nach<br />
Maßgabe der durchgezogenen Kurvenabschnitte. Im abgebildeten<br />
Beispiel sind sie für den Verlauf des effizienten<br />
Randes zwar durchweg irrelevant, vermitteln aber<br />
einen Eindruck davon, welche Komplikationen sich im<br />
n-Wertpiipierfall ergeben können. Prinzipiell muß hier für<br />
jede Teilmenge von Wertpapieren geprüft werden, ob die<br />
zugehörige Parabel irgendwo einen Abschnitt des elfizienten<br />
Randes erzeugt.<br />
Man kann sich leicht vorstellen, daß diese nicht mehr<br />
ganz triviale hoblemstellung den Ehrgeiz des angewandten<br />
Mathematikers weckt, möglichst schnell <strong>und</strong> sicher<br />
zur Optimallösung gelangende Algorithmen zu entwikkeln.<br />
Diese Aufgabe hat Markowirz Zeit seines Lebens intensiv<br />
beschiiftigt. Hiervon zeugt auch scin erst vor drei<br />
Jahren erschienenes Buch ,,Mean-Variance Analysis in<br />
Portfolio Choice and Capital Markets", das unter anderem<br />
der ausführlichen Beschreibung eines Computerprogramms<br />
zur Portfolio Selection gewidmet ist. Diese <strong>und</strong><br />
andere einschlägige Arbeiten sind lezten Endes mehr für<br />
den Liebhaber rechentechnischer Feinheiten gedacht, als<br />
daß sie noch die Entwicklung eines Faches hätlen vorantreiben<br />
können, dem Markowitz 1952 einen entscheidenden<br />
Impuls gegeben hat.<br />
3. Merton H. Miller: Gleichgewichtsüberlegungen<br />
<strong>und</strong><br />
Irrelevanztheoreme<br />
Während ki Markowilz das individuelle Optimierungsverhalten<br />
bei gegebenen Wertpapierkursen untersucht. wird,<br />
steht bei den beiden anderen Preisträgern die Frage im<br />
Vordergr<strong>und</strong>, welches Kapiralmarkrgleichgewicht sich als<br />
Folge individueller Optimierungsüberlegungen einstellr.<br />
Die Gleichgewichtsbedingung erscheint dabei in der Form,<br />
daß die Gesamtheit der von allen Unternehmen angebotenen<br />
Finanztitel gerade dann mit der aggregierten Nachfrage<br />
der Anleger übereinstimmen muß, wenn diese sich<br />
für jene Portfoliostrukturen entscheiden, die nach Eneichen<br />
der Gleichgewichtskurse ihren individuellen Oprima<br />
entsprechen.<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser Überiegung kann man nun<br />
versuchen, Bedingungen aufzustellen, denen dic Preise<br />
<strong>und</strong> Renditen der am Markt umlaufenden Finanztitel genügen<br />
müssen, wenn eine Gleichgewichtssituation<br />
erreicht<br />
Wenger, <strong>Diversifikation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kapitalmarktgleichgewicht</strong><br />
Merton H. Miller<br />
ist. Je nachdem, wie umfassend im Rahmen eines solchen<br />
Denkansatzes die individuellen Optimierungsüberlegungen<br />
berücksichtigt werden, kann das System der Gleichgewichtskurse<br />
mehr oder weniger vollstlindig beschrieben<br />
werden. Auf halbem Wege stehen bleibt der 1958 im<br />
American Economic Review erschienene Aufsatz ,,The<br />
Cost of Capital, Corporate Finance and the Theory of<br />
Investment", den Merton H. Miller gemeinsam mit Franco<br />
Modigliani, dem Nobelpreisträger des Jahres 1985, verfaßt<br />
hat. Diese Arbeit dürfte für die jeuige preisverleihung<br />
an Miller wohl die wichtigsre Rolle gespielt haben.<br />
Ihr wichtigstes <strong>und</strong> aus damaliger Sichr revolutiondres<br />
Ergebnis besteht in der Aussage, daß der Marktwert eines<br />
Unternehmens von der Art seiner Finanzierung unabhängig<br />
ist, wenn am Kapiulmarkt besrimmte Arbitrageprozesse<br />
ablaufen können, die etwaige Wertdifferenzen zwischen<br />
unterschiedlich fi nanzierten, ansonsten aber identischen<br />
Unternehmen ausgleichen würden. Dieses ,,Inelevanztheorem<br />
der Finanzierung" erlaubt freilich noch<br />
keine vollstjindige Beschreibung der am Kapitalmarkt henschenden<br />
Rendite- <strong>und</strong> Preisstruktur, weil im Rahmen der<br />
erwogenen Arbitrageprozesse nur solche portfolioanpassungen<br />
zugelassen werden, bei denen die Anleger zwischen<br />
Finanztiteln mit perfekt korreliertem Risiko hin<strong>und</strong><br />
herwechseln. Modigliani <strong>und</strong> Miller sprechen in<br />
diesem Zusammenhang von Unternehmenderselben<br />
,,Risikoklasse". Beispielsweise kann die überbewertung<br />
eines fremdfinanzierten Unternehmens dadurch beseitigt<br />
werden, daß die Anleger ihre Anteile verkaufen, im gleichen<br />
Verhdltnis wie das betreffende Unternehmen Kredite<br />
aufnehmen <strong>und</strong> den Kreditbetrag samt dem Erlös aus<br />
dem Anteilsverkauf in Anteilen eines unverschuldeten Unternehmens<br />
derselben Risikoklasse anlegen. Auf diese<br />
Weise können sie den Erfag ihrer Anlagen steigern, so-<br />
WiSt Hett 2 Februar 1991 83
Wenger, <strong>Diversifikation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kapitalmarktgleichgewicht</strong><br />
lange Eigen- <strong>und</strong> Frcmdkapital dcs vcrschuldctcn Untcrnehmens<br />
in der Summe mchr wert. sind als das unvcrschuldete<br />
Unternehmen. Erst. wenn sich dic Marktwcrrc<br />
angeglichen haben, entf,Zillr für die Anleser dcr Anrciz.<br />
ihre Portfolios zugunsten des letzteren umluschichten.<br />
Da bei Modigliani <strong>und</strong> Miller nur Umschichtungen inner_<br />
halb einer Risikoklasse berücksichtigt werden, ist einc<br />
Bewertung unterschiedlicher Risiken noch nicht möglich.<br />
Dies gelingt erst sechs Jahre spärer dem drit,ten<br />
Nobelpreisträger William Sharpe, indem er diebei Modi_<br />
gliani <strong>und</strong> Miller noch ausgeblendelen Opdmicrungsüberlegungen<br />
des Markowjrz-Modclls in seine Glcichgewichtsbetrachrung<br />
einbez ieht. M o di g ti a ni <strong>und</strong>, M il I e r sind<br />
deshalb lediglich in der Lage, dic erwarrer.e Rcnditc dcr<br />
Aktien verschuldeter <strong>und</strong> unverschuldeter Untcmchmen<br />
derselben Risikoklasse zueinander in Bezichuns zu scr_<br />
zen:<br />
!r,(s) = F,(0) + [U,(0) - rJ 's.<br />
(6)<br />
modcllmäßig abgclcitcte Irrclcvanz dcr Kapitalstruktur<br />
zcrsl.ört. Da vor allcm Miller die IrrclevanzLheoreme nicht<br />
nur als Modellaussagcn, sondern als Ergcbnissc von hohcr<br />
cmpirischcr Relevanz bcgrcift, ist schon im Originalaufsatz<br />
aus dcm Jahrc 1958 versucht wordcn. den Nachwcis<br />
anzutrcten, daß dic Vorteiic aus dcr steucrlichcn<br />
Bcgünstigung der Frcmdlinanzicrung nur gcring seien. Dic<br />
Begründung hierfür war freilich fehlcrhaft, <strong>und</strong> so mußten<br />
dic Autoren in ciner 1963 erschienenen Berichtigung<br />
einräumen, daß dic Vorteilc dcr Fremdfinanzierung doch<br />
ctwas größcr sind, als sie zunächst geglaubt hatten.<br />
Nach dicscm parricllen Rückzug hat Miiler später dic<br />
Flucht. nach vorn angctrctcn <strong>und</strong> im Rahmen seincr Ansprachc<br />
ais Prüsidcnt dcr American Finance Association<br />
im Jahre 1976 mit ncucr Bcgründung den St;andpunkt vcr-<br />
Lrctcn, nicht. cinmal dic stcucrlichc Doppclbclastung dcr<br />
Erträgc dcs Eigcnkapirals schlicßc aus, daß das Thcorcm<br />
von der Irrclcvanz dcr Finanzierung strenge empirischc<br />
Gcltung beanspruchen könne. In dcr 1977 untcr dcm Titcl<br />
,,Dcbt and Taxcs" im Journal of Finance abgedrucktcn<br />
Rcdc wird wie folgt argumcnticrr: Bci ciner hinrcichcnd<br />
progrcssivcn Einkommcnsbcs[cucrung, wic sic in dcn USA<br />
damals praktizicrt wurdc, ist cs durchaus möglich, daß<br />
dic Vczinsung von Frcmdkapiuritrteln aus dcr Sicht des<br />
marginalcn Aktion:irs dcrsclbcn cffckLivcn S lcucrbclastung<br />
unterworfcn ist wie die cinbchaltcncn Gewinnc dcr Kör_<br />
pcrschaften; in cincm solchcn,,Miller-Gleichgewicht,.<br />
wiiren die marginalcn Kapitrlkostcn dcr Untcrnchmen !at_<br />
sächlich unabhängig vom Finanzierungsweg. Allerdings<br />
Dabei bezeichnen p (s) <strong>und</strong> p.(0) den Erwarrungswert der<br />
Rendite für die Aktien des vcrschuldeten bzw. unvcrschuldeten<br />
Unternehmens. Der Indcx i steht für dic jcwciligc<br />
Risikoklassc, r ist der Zinssatz für als sicher unterstellte<br />
Krcdite <strong>und</strong> dcr Vcrschuldungsgnd s ist als Vcrhällnis<br />
der Marktwertc von Fremd- <strong>und</strong> Eigcnkapital dcfinicrt.<br />
Wie man sich leicht überzeugt, gewährleistct Bedingung<br />
(6), daß in venchuldeten <strong>und</strong> unverschuldcten Untcrnchmen<br />
derselben Risikoklasse die erwartete Rendite auf das<br />
G esamtkapi tal überein stim m L Andcrs formuliert hei ßt dies.<br />
daß die im Durchschnitt aller Finanzierungswcge anfai-<br />
müßte sich in<br />
lenden Kapitalkosten<br />
diesem Fall cin<br />
nicht<br />
dramatischcr<br />
vom Verschuldungsgrad<br />
Klientelab<br />
Effckt bemerkbar machcn:<br />
hZingen. Dies<br />
All<br />
ist nichts<br />
diejcnigcn Anlegcr,<br />
anderes als eine gewcndctc<br />
dcrcn<br />
Form<br />
marginaler Einkommenstcucrsatz<br />
der These, daß die Art<br />
untcr demjenigen<br />
der Finanzierung für<br />
dcs<br />
dic Höhe des<br />
marginalcn Akrionürs licgt,<br />
Marktwerts<br />
dürften nur<br />
der Unternehmung<br />
Frcmd.kapitaltitcl<br />
irrelevant ist; wenn näm-<br />
<strong>und</strong> kcinc Aktien<br />
lich<br />
erwerben;<br />
die Diskontierung<br />
letztcrcs würde<br />
der für die Kapitalgcber<br />
sich nur für<br />
insgcsimt<br />
diejcnigcn Anlcger lohncn,<br />
anfallenden Zahlungsüberschüsse<br />
dercn Einkommcnsrcucrsav<br />
unabhängig von der<br />
mindestcns dcn<br />
Finanzierung<br />
dcs marginalen Aktionärs<br />
denselben<br />
erreichl<br />
Unternchmenswcrt ergeben soll,<br />
muß der im Durchschnitt aller Finanzierungswegc<br />
Dicsc aus<br />
in<br />
cmpirischcr<br />
dic<br />
Sicht kaum bcstätigrc Implikation<br />
Diskontierung eingehende Kapiudkostensatz<br />
hal. dcm<br />
notwcndigcr- ,,Millcr-Glcichgcwicht" von Anfang an vicl bcweise<br />
übereinstimmen.<br />
rrchtigte Skepsis eingctragcn; nachdem dcr Einkommensteuerspitzensatz<br />
in den USA heute niedriger licgt als dcr<br />
Dcm Theorem von der Irrelevanz der Finanzierung haben Körpcrschafsteuersatz, ist die wcscn tliche Voraussevun s<br />
Modigliani <strong>und</strong> Miller vier Jahre später das Thcorem von für dic Existcnz cines solchcn Glcichgcwichr" ,uro**.nl<br />
der Irrelevanz der Dividendenpolitik hinzugefügt. Ebenso gcbrochcn. Immcrhin ist. bemcrkenswert, daß dcr massivc<br />
wie das ältere Theorem beruht auch dieses auf der Tat- Trcnd zur Frcmdfinanzierung, dcr in den USA im abge_<br />
sache, daß bci perfekt funktionierendem Kapiralmarkt kei- laufenen Jahrzehnt mit scincn umfangreichcn Eigenkapine<br />
Möglichkeit, besteht, einem gegebenen Investitionsprotrlauskchrungen zu beobachtcn war, crst. nach drasrischcn<br />
gramm mit gegebenen Liquiditlirsüberschüssen durch gc- Senkungcn des Einkommensteuerspitzensatzes richtig in<br />
schickte Aufteilung der Zahlungsansprüche auf unter- Gang gekommen ist. Einerseits wird man also sicherlich<br />
schiedliche Kapitalgeber oder unrerschiedlichc Zahlungs- davon ausgehen müssen, daß das ,,Miller-Gleichgewicht,.<br />
zeitpunkte zu einem höheren Marktwert zu verhelfen. niemals in strenger Form vcrwirklicht war; andererseits<br />
Die Frage nach der Bedeutung<br />
sieht<br />
der Irrelevanztheoreme<br />
es so aus, als sei unter<br />
für<br />
bestimmten steuerlichen Rand-<br />
die untemehmerische Finanzpolitik ist<br />
bedingungen<br />
naturgemäß<br />
durchaus<br />
unrenn-<br />
damit zu rechnen, daß sich jene<br />
bar mit der empirischen Geltung<br />
ökonomischen<br />
der zugr<strong>und</strong>e<br />
Kräfte<br />
gelegten<br />
bemcrkbar machen, die in einer idea_<br />
Modellvoraussetzungen verknüpft.<br />
lisicrten<br />
Von Anfang<br />
Modellwelt<br />
an sahen<br />
zu der von Miller beschriebencn<br />
sich die Auloren mit der Tatsache konfrontiert,<br />
Gleichgewichtssitrn[ion<br />
daß im<br />
führen würden.<br />
amerikanischen Körperschaftstcuerrecht eine Doppclbela- Das ändcrt freilich nichs daran, daß man die lrrelevanz_<br />
stung der Erträge des Eigenkapitals angelegt ist, dic die theoreme von Modigliani <strong>und</strong> Miller aus heutiger Sicht<br />
B4 WiSt Hett 2 Februar 1991
nur als lvlodellaussagen akzeptiercn kann. Man muß sich<br />
auch darüber im klaren sein, daß ihre empirische Geltung<br />
nicht nur durch sreuerliche Effekte bceinrächtigt wird.<br />
Miller selbst setzt sich unter anderem mit dem Einfluß<br />
von Konkurskosten auseinander, kommt aber auch in diesem<br />
Punkt zu dem Ergebnis, daß gravierende Verletzungen<br />
der Inelevanz nicht zu erwarten seien. Unter dcn Bedingungen<br />
des amerikanischen Konkursrechts wird man<br />
dieser Ansicht im großen <strong>und</strong> ganzen zustimmen können.<br />
Wichtiger dürften die Einflüsse sein, die die Finanzierung<br />
auf das. Investitionsprogramm einer Untemehmung ausübt.<br />
In der Modellwelr von Modigliani <strong>und</strong> Mitler ist das<br />
optimale Investitionsprogramm der Unternehmung natürlich<br />
unabhlingig von der Finanzierung; offensichtlich handelt<br />
es sich hier um einen Speziallall eines allgemeineren<br />
Inelevanztheorems von Coase, welches besagt, daß Allokationsentscheidun<br />
gen unter bestimmten Modellannahmen<br />
unabhängig davon getroffen werden können, wie die<br />
Eigentumsrechte vertcilt sind. Indessen verliert diese Aussage<br />
ihre Gültigkeir, sobald man jene Probleme ins Spiel<br />
bringt, die den Strukturkem der modernen Agency-Theorie<br />
ausmachen. Stehen die Parteien eines Finanzierungsvertrags<br />
beispielsweise vor dem hoblem, daß dem Kapitalgeber<br />
der Zugang zu bestimmten Informationen verschlosscn<br />
ist, können sich in Abhängigkeit von der gewiihlten<br />
Kapilalstruktur ganz unterschiedliche Investitionsanreize<br />
ergeben; damit gewinnt die Art der Finanzierung<br />
Einfluß auf das Investitionsprognmm der Unternehmung,<br />
<strong>und</strong> das zugehörige Irrelevanztheorem wird außer Kraft<br />
gesetzt.<br />
Die wissenschaftliche Bedeutung der von Modigliani <strong>und</strong><br />
Miller abgeleiteten Modellergebnisse unterliegt trorz<br />
allem keinem Zweifel. Mit einiger Berechtigung läßt sich<br />
sogar sagen, daß die aufgestellten Irrelevanztheoreme erst<br />
dann ihre volle theorctische Fruchtbarkeit entfalten, wenn<br />
man nach Erklärungen dafür sucht, warum ein Finanzierungsweg<br />
besser sein sollte als ein anderer. Eine gehaltvolle<br />
Theorie der Unternehmensfinanzierung, wie sie etwa<br />
im Rahmen der modernen Agency-Theorie angesrrebt wird,<br />
ist nicht denkbar ohne jenen Ausgangspunkt, den Modigliani<br />
<strong>und</strong> Miller mit ihren Inelevanztheoremen definiert<br />
haben.<br />
4. William F. Sharpe: Risikobewertung im Kapitatmarktgleichgewicht<br />
Der für die Verleihung des Nobelpreises an Wiltiam F.<br />
Sharpe entscheidende Beirag ist im Jahre 1964 im Journal<br />
of Finance erschienen <strong>und</strong> rrägt den Tirel ,,Capital Asset<br />
Prices: A Theory of Market Equilibrium <strong>und</strong>er Conditions<br />
of Risk". In diesem Aufsatz hat der damals dreißigjiihrige<br />
Autor das <strong>Diversifikation</strong>smodell seines akademischen<br />
Lehrers Harry Markowitz in eine Gleichgewichtstheorie<br />
eingebaut, mit deren Hilfe sich Kurse <strong>und</strong> Renditen<br />
von Wertpapieren mit unterschiedlicher Risikostruktur<br />
zueinander in Beziehung setzen lassen. Wie zuvor<br />
W e nge r, Dive rsif ikatio n u nd Kap it alm arktg Ie ichg ew icht<br />
Williarn F. Sharpe<br />
Fon: dpa<br />
schon angedeutet, ist dieser Fortschritt im Vergleich zum<br />
Risikoklassen-Konzept von Modigliani <strong>und</strong> Miller darauf<br />
zurtickzuführen, daß sich Sharpe nicht darauf beschränkt,<br />
dic Konsequenzen möglicher Portfolio-Umschichtungen<br />
allcin für den Fall von Wenpapieren derselben Risikoklassc<br />
zu untersuchen; denn der Einbau des Markowitz-<br />
Motlclls in eine Analyse des <strong>Kapitalmarktgleichgewicht</strong>s<br />
impliz-iert, daß die Anleger genau dieses Entscheidungsmotlcll<br />
zugr<strong>und</strong>e legen, wenn sie hypothetische Ungleichgervichtssituationen<br />
zum Anlaß nehmen, ihre Portfolios<br />
umzustrukturieren. Da Markowitz seinem rationalen Anlegcr<br />
keine Beschränkungen nach dem Muster des Risikoklassenkonzepts<br />
auferlegt, kann dieser zwischen Wertpapicren<br />
unterschiedlicher Risikostruktur umschichten;<br />
demzufolge können auch Gleichgewichtsbedingungen formulicrt<br />
werden, die eine Bewertung unterschiedlicher<br />
Risikcn erlauben.<br />
Ausgangspunkt für die Ermittlung von Gleichgewichtskurscn<br />
oder -renditen ist der effiziente Rand, der sich aus<br />
dem Markowitz-Modell ergibr. Sieht man von Leerverkaufsbeschränkungen<br />
zunächst einmal ab, so ergibt sich<br />
jencr aufsteigende Parabelast, der in Abb. l zunächst mit<br />
123 gekennzeichnet wurde. Er repräsentiert die Gesamtheir<br />
aller effizienten Portfolios, die sich durch Mischung<br />
riskrnter Wertpapiere bilden lassen. In Abb. 2 ragt die<br />
enßprechende Kurve der Einfachheit halber die Nummer<br />
2. rVas Abb. 2 von Abb. 1 untencheidet, ist die zusäeliche<br />
Möglichkeit, sich ftir eine sichere Anlage mit<br />
der Rendite r zu entscheiden; deshalb kann der Investor<br />
jetzt auch den Punkt mit den Koordinaten lt = r <strong>und</strong> oi2 =<br />
0 rcalisieren, wenn er sein gesamtes Vermögen in die<br />
WiSt Heft 2 Februar 1991 85
W e nge r, D ive rs il ikatio n u nd Kapit alm arktg I e ichg ewicht<br />
noch übcr dcsscn Gcwichtuns im Verh:iltnis zur sichcrcn<br />
Anlage entscheidet.<br />
Mögliche Lccrverkaufsbcschränkungen für Risikopapiere<br />
lasscn diescs Ergcbnis unbcrührq wcnn dic Anlcger Bruchteile<br />
des lvlarktportfolios erwerben, gibt es im <strong>Kapitalmarktgleichgewicht</strong><br />
ohnehin keine Lccrverkaufspositioncn.<br />
Lediglich für die sicherc Anlage d:rf keine Lccrverkaufsbeschrünkung<br />
gclten. Ohne die Möglichkeit, zum sichcrcn<br />
Zinssatz gcgcbenenlalls auch cincn Kredit aufzunchmen,<br />
wiiren verschuldungswiiligc Marktteilnehmer nicht<br />
bercit, das Berührpunktportfolio zu halten; dann aber<br />
gingc die strukturelle Übercinstimmung der Portfolios verschicdencr<br />
Anlegcr verlorcn.<br />
A b b. 2 : M is c hp o r tfu I i o s<br />
.#::"-^fr<br />
ne b e i Ex is ! e nz e i rw r<br />
f;e<br />
Slnrpe hat nun auf schr einlachc Wcisc gczcigt, wic man<br />
Gleichgcwichtsbcdingungcn frir Kurse <strong>und</strong>Rcnditcn<br />
einzelncr Wertpapicre ablcitcn kann, wenn die Anlcgcr<br />
sichere Anlage investiert. Mischt er die sichere Anlagc ncbcn dcr sichercn Anlage taßächlich nur Bruchtcilc clcs<br />
mit riskanten Wertpapieren, so verlagcrt sich der cffizien- Marktportfolios haltcn. Zu dicscm Zwcrk wcrdcn lvlite<br />
Rand in dcn aufsteigenden Ast dcr Parabcl l. Er muß<br />
die bei Fehlen einer sichercn Anlage maßgcblichc paraschungen<br />
dcs Marktportfolios mit. einzclncn Wcrtpapicrcn<br />
untcrsucht. Wic Aä0. 2 zcigt, licgcn dic mit solchcn<br />
bel 2 von außen berühren, weil sich dcr Invcstor auf kei- lvlischungcn crrcichbarcn Kornbinationcn von Erwart ungsnen<br />
Fall verschlechtern kann, wenn ihm eine zusätzliche wcrt. <strong>und</strong> Varianz auf eincr Kurve des Typs 3; sie berührt<br />
Investitionsmögiictrkeit in Form der sicheren Anlage angeboten<br />
wird. Der Berührpunkt B repr:isentiert jene<br />
die bciden andcrcn Kurvcn von innen, weil sie abgesehen<br />
vom Berührpunkt nur incffizicnte Mischungen repriisen-<br />
Situation, in welcher die sichere Anlage im Portfolio des tiercn kann. Im Bcrührpunkt sclbst wird nur das Markt-<br />
Investors einen Anteil von Null aufweist. Er muß zwangsportfolio gehalten; ansonsten wrd der anzulegendc Bcläufig<br />
auf beiden Parabeln liegen <strong>und</strong> trennt die Kurve I trag zu einem Bruchteil von a in das jeweilige Wertpa-<br />
in zwei Bereiche. Links von ihm wird dic sichcre Anlagc<br />
mit jencm riskanten Portfolio gemischt, welchcs im Bcpier<br />
i investiert <strong>und</strong> dcr Rest auf das Marktportfolio verwcndct.<br />
Die jewciiigcn Erwartungswerte <strong>und</strong> Varianzen<br />
rührpunkt selbst realisiert wird; rechts von ihm nimmt die sind mit p <strong>und</strong> t5, bzw. o.. <strong>und</strong> o,*, bezeichnct; für dic<br />
sichere Anlage einen negativen Wert ein, verwandclt sich Kovarianz dcr Renditcn wird das Symboi o* verwendet.<br />
also in einen sicheren Kredit, der zusammen mit dem Bei bcliebigcm cr nehmen Erwartungswcrt <strong>und</strong> Varianz<br />
Anfangsvermögen in das Berührpunktportfolio investiert dcr Portfoliorendite folgende Werte an:<br />
wird. Somit kann jede effiziente Anlagestrategie dürch<br />
die Struktur des Berührungsportfolios <strong>und</strong> desscn Mischungsverhältnis<br />
mit der sicheren Anlage erschöpfend<br />
It<br />
beschrieben werden.<br />
Stimmen nun die Erwartungen der Anlcger hinsichtlich<br />
der Renditeentwicklung saimtlicher Wertpapiere übcrein,<br />
so sind die Parabeln i <strong>und</strong> 2 für allc Marktteilnehmer<br />
dieselben <strong>und</strong> die Struktur ihrer Berührungspunktportfolios<br />
ist gr<strong>und</strong>sätzlich identisch. Nur wenn die Kovarianzmatrix<br />
nicht invertierbar ist, sind Strukturunterschiede<br />
möglich; aber auch dann.sind alle Berührpunkrporrfolios<br />
perfekt korreliert, so daß aus ökonomischer Sicht<br />
kein Unterschied zu einer Situation mit einheitlichen Strukturen<br />
besteht.<br />
Abgesehen von solchen ökonomisch belanglosen Mehrdeutigkeiten<br />
ist das Gleichgewicht am Kapitalmarkt also<br />
dadurch gekennzeichnet, daß die riskanten Wertpapierc<br />
bei allen Anlegern im gleichen Verhältnis gemischt werden.<br />
Dieses MischungsverhZiltnis muß zwangsläufig mit<br />
der Zusammensetzung des sogenannten Marktporfolios<br />
übereinstimmen, welches die Gesamtheit aller am Markt<br />
plazierten Risikopapiere umfaßt; dies bedeutet, daß jeder<br />
Anleger einen Bruchteil des Markrportfolios häIt <strong>und</strong> nur<br />
= glti + (1-4,)p,<br />
62 = a.2 o. + (1-a)1r*l + 2o.(1-o)o*<br />
e)<br />
(8)<br />
Für die Formulierung der Gleichgewichrsbcdingungen ist<br />
dic Stcigung dcr Parabcl 3 im Bcrührpunkt B von en[schcidcnder<br />
Bedcutung. Um sie zu crmiu.eln, lsr es am<br />
einfachsten, Gl. (7) nach u aufzulösen <strong>und</strong> das Ergebnis<br />
in Gl. (8) einzusctzcn. Leitet man die daraus resulLicrende<br />
Gleichung für o2 nach p ab <strong>und</strong> bcrücksichtrgt, daß im<br />
Berührpunkt p = 1r* gilt, so erhält man die gesuchtc Steigung<br />
der Parabel 3:<br />
2(o o"r<br />
do2 ipr )<br />
(9)<br />
dp ri-rpr<br />
Sie muß mit der Steigung der Parabel 1 übereinstimmen,<br />
die im Punkt (r, 0) ein Minimum hat <strong>und</strong> durch den Berührpunkt<br />
(th, o*o) gehen muß. Diese beiden Bedingungen<br />
sind genau dann erfüllt, wenn Parabel I der folgenden<br />
Glcichung genügt:<br />
)<br />
2 ( p-r \<br />
o =llr--.-l 'o,,,<br />
(10)<br />
MM<br />
\trv-'J<br />
l-eitet man ab nach p <strong>und</strong> setzt p = t\r, so erhii.lt man für<br />
dic Parabel I im Berührpunkt folgende Seigung:<br />
86 WiSt Heft 2 Februar 1991
't<br />
do-<br />
1a --<br />
NIr.t<br />
dp Fv-.<br />
Da die Sreigungen von Prnbcl 1 untl parabi:l 3 im Berührpunkt<br />
übereinstimmen müssen, dürfcn die rcchren<br />
Seiten de r Cl. (9) <strong>und</strong> (l l) glcichgescrzr werde n. Dic der_<br />
aus resulderende Gleichung muß noch nach p aufgelöst<br />
werden; dann ergibt sich für Wcrrpapier i folgende Gleich_<br />
gewichtsrendite:<br />
P*.r-t<br />
Fi=r*ft-oir"r<br />
(11)<br />
(12)<br />
Wie man erkennt, wird zur sichcren Rcnditc r noch eine<br />
Risikoprämie hinzugerechnet, in die nur eine einzige w,en_<br />
papierspezifische Einflußgröße eingeht, nijmlich die Ko_<br />
varianz zwischen Werrpapier- <strong>und</strong> lvfarktrenditc. Diescr<br />
wertpapierspezifische Kovarianzterm wird noch mit den<br />
Quotientcn aus Risikopnimie <strong>und</strong> Varianz dcs \luklncrr_<br />
folios mulriplizicrt.<br />
Gleichung (12) ist die heure übliche Sclrreibwcisc l'ir cJic<br />
Gleichgewichsbedingung des sogenannten Capitr.l Asse I<br />
Pricing Models (CAP\|). Sie impliziert offensichrtich<br />
einen lineeren Zusammenhanq zwischen erwartetcr \\'r-rtpapierrendite<br />
<strong>und</strong> dcm Kovarianzrisiko in bezug auf tjls<br />
lvlarktportefeuille. Sie läßt sich ohne Schwierigkciren in<br />
eine Bedingung für die Gleichgewichtskurse umrvlnCcln,<br />
wenn man die Renditen als Quotienten von Kursänri::..titgen<br />
<strong>und</strong> Anfangskunen schreibt. Auf diese Weisc kenn<br />
nicht nur frir Wertpapicrc sondcrn für bcliebisc Invcsii-<br />
Glossar<br />
Mimetisches Marketing<br />
Alnc ear<br />
tionsobjcktc mit unsichercn Zahlungssrömen eine marktkonforme<br />
Bewertung durchgeführt werden. Dabei ist entscheidend,<br />
daß im Kapiurlmarktgleichgewicht immer nur<br />
d:rs Kovarianzrisiko o* bewertun gsrelevan t ist; hi n gegen<br />
sind alle nicht mit dern lvlarktportefeuiile korrelierten<br />
Risiken bedeutungslos, weil sic aus der Sicht des Anlegers<br />
durch <strong>Diversifikation</strong> beseitrgt werden können.<br />
|vlit der Ableitung der Gl. (12) hat Sharpe nicht nur die<br />
erste gehdtvoile Theorie der Marktbewenung von riskanten<br />
Investitionsobjekten entwickelt, sondem auch die Praxis<br />
der professionellen Krpitalmarktrnlage revolutioniert.<br />
Seine eigenen Aktiviuiten auf diesem Gebiet <strong>und</strong> seine<br />
rveltw'eit gelesenen Lehrbücher haben entscheidend dazu<br />
beiqerrrlren. drß der Finanzsektor wie kaum ein anderer<br />
Bereich der Wirschalt auf Erkennrnisse der ökonomischen<br />
The orie zunick grei ft. G leichze itig bildet S har p es B ewertungsmodell<br />
den Ausgangspunkt für eine Vielzahl von<br />
Arbeiten auf den Gcbiet der empirischen Kapitalmarktforschung,<br />
das von ihm selbst maßgebiich geprägt wurde.<br />
Dabei durfie man selbstverständlich nicht envarten, daß<br />
Cic Tcsts der lezren 2,5 Jahre das CAPII durchgingig<br />
bestütrgen würden. Anniicn wie bei den Irrelevanztheoremen<br />
von Modigli.ani unC ,)tiiler lißt sich scine theorerische<br />
Fruchtbarkeit aber e öt dann richtig einschätzen, wenn<br />
mln den Gründcn nrchgcht, aus denen die Bcf<strong>und</strong>e empirischer<br />
Untersuchungen vcn den lvlcdellergebnissen ab-<br />
*cichen. Nicht zui::: dltrk drr.{rt'ciren der jeur sewürdigten<br />
drci Preisricrr isr die modernc Krpinlmarkr- unC<br />
Finrnz ierun cs th c c nc- i n di c ser Hin s ich t wei ter fortgeschri rtcn<br />
rls ieder enCc:': Z'*,e is cier Wirrschaftsrvissenschaften.<br />
Software-Ergonomie<br />
strebt nach weitestgehender Anpassung tit-s Untcrnch- benuuc:orienriene Vorgehensweise bei der Einführung<br />
mens an seine Umwclt. Ensprechcnd dcrn biologischen <strong>und</strong> CcsClung von rechnergestützlen Systemen. An der<br />
Konzept der Mimesis können nur solchc Organismcn den TL' \ I ü n c he n durchgefükte organ i sati onspsychologische<br />
fortwährenden Selektionsprozcß übcrlcben, denen es ge- Siudicn haben gezeigt, daß die zumeist geübte haris, den<br />
lingt, in ihrer Umgebung ,,aufzuge hcn". Nach Ansicht der Srchb,carbcitern bzw. dem unteren lvlanagement. keinen<br />
Vertreter des New Marketing sind angesichts des immer cde r wcnig Einfluß auf die Gestrlrung der Software ein-<br />
schneller ablaufenden gesellschafrlichen Wandcls dic zuriumen, häufig zu einer gefühlsmäßigen Ablehnung<br />
Prinzipien des klassischen Straregiedenkens überholt. des Arbeitsgerätes Computer führq denn allzu oft müssen<br />
Nunmehrgelte: Vision vor Strategie. Das New tvlrrkertng sich die zu dem als ,,learning on the job" verbrämten<br />
begreift sich als eine ganzheirlichc Unternehmcnsauf- ,,Sprung ins kalte Wasser" Gezwungenen mit unzureigabe,<br />
die nicht in dem üblichen Sinn delegiert oder auf chenden Bedienungsanleitungen begnügen. Dies er-<br />
die Abteilungs- bzw. Bereichsebene beschränkt werden schwert ihnen den Zugtng zu dem oft angstbesetzten<br />
darf. Jeder einzelne müsse von der Unternehmensvision Ivlcdium zusätzlich. Wird indessen das sog. ,,rapid proto-<br />
erfüllt sein <strong>und</strong> untemehmerisch, d.h. ,,verschmelzend" typing" berieben, sind sehr rasch positive Folgen, wie<br />
handeln, was insbesondere eine konsequente Adaption an z.B. eine Steigerung der hoduktivitlit, durch die Einfi.ih-<br />
K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Mtukte meint.<br />
rung der EDV zu erwarten. Der Schlüssel zum Erfolg ist<br />
dabei eine llingere Eryrobungsphase, in der die Program-<br />
Llteratur: Volk, Il. Was Mimerisches Markering lcisrcr. Die<br />
Biologie als Vorbild fi.ir ein neues Konzept, in: Bick durch die<br />
Wirtschaft, 32. Jg. (1989), Nr. 161, S. t.<br />
me nicht von Experten, sondern von den künftigen<br />
Nutzern erprobt <strong>und</strong> entsprechend deren Verbesserungswünschen<br />
um gestaltet werdcn.<br />
WiSt Heit 2 Februar'1991<br />
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