Der Weg zum Anschluss. Burgenlandschicksal 1928 ... - Burgenland.at
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DIE MACHTERGREIFUNG DER NATIONALSOZIALISTEN<br />
deren jüdischen Hilfsorganis<strong>at</strong>ionen aufgenommen<br />
und betreut.<br />
Ende April/Anfang Mai verließen die<br />
Juden von Neusiedl das Land. Bis <strong>zum</strong><br />
17. Mai 1938 wanderten die ersten 30 Juden<br />
von Eisenstadt ab. Mitte Juni befanden<br />
sich die Juden von Deutschkreutz, Lackenbach<br />
und Rechnitz in der Betreuung der<br />
Wiener Kultusgemeinde. Im Juli und August<br />
folgte die Abwanderung aus den Gemeinden<br />
Frauenkirchen und Kobersdorf.<br />
Die M<strong>at</strong>tersburger Juden verließen im September<br />
und die letzten Eisenstädter Juden<br />
im Oktober 1938 das <strong>Burgenland</strong>. Die<br />
Zahl der burgenländischen Juden in Wien<br />
sprang sprunghaft an: von 799 am 17. Juni<br />
auf 1700 Ende November 1938.<br />
Am 1. November 1938 meldete der Leiter<br />
der Israelitischen Kultusgemeinde von<br />
Wien, Dr. Josef Löwenherz, „sämtliche<br />
Kultusgemeinden des <strong>Burgenland</strong>es (7<br />
größere und 4 kleinere) mit einer jüdischen<br />
Bevölkerung am 12.3.1934 von<br />
3.632 Seelen“ als aufgelöst.<br />
Die Grenzland-Zeitung, das Organ des<br />
n<strong>at</strong>ionalsozialistischen <strong>Burgenland</strong>es, berichtet<br />
Anfang Dezember voller Euphorie<br />
unter der Schlagzeile „Die Entjudung des<br />
ehemaligen <strong>Burgenland</strong>es“, dass alle 4000<br />
Juden des <strong>Burgenland</strong>es abgewandert<br />
seien.<br />
T<strong>at</strong>sächlich befanden sich noch etliche<br />
Juden, als „jüdisch Versippte“, „jüdische<br />
Mischlinge“ oder „Halbjuden“ bezeichnete<br />
Personen bzw. solche, die mit „Ariern“<br />
verheir<strong>at</strong>et waren, im Land.<br />
Auch im <strong>Burgenland</strong> kam es in der<br />
Nacht vom 9. auf 10. November 1938, der<br />
79<br />
„Reichskristallnacht“, zu Verwüstungen.<br />
Marodierende Nazi-Banden zertrümmerten<br />
die Einrichtungs- und Kulturgegenstände<br />
des Eisenstädter Tempels. Dieser<br />
Ausbruch blanken Judenhasses war für das<br />
<strong>Burgenland</strong> umso bemerkenswerter, da<br />
wie bereits erwähnt, das <strong>Burgenland</strong> seit<br />
dem 1. November als „judenrein“ galt. Mit<br />
dem Pogrom vom 9./10. November 1938<br />
manifestierte sich ein grundsätzlicher Wandel<br />
in der NS-Judenpolitik.<br />
In einer zweiten Phase der Auswanderung<br />
wurden die Ausreisen von der im August<br />
1938 von Adolf Eichmann gegründeten<br />
„Zentralstelle für jüdische Auswanderung“<br />
in Wien gesteuert. Eichmann gest<strong>at</strong>tete<br />
begüterten Juden die Ausreise in bestimmte<br />
Länder, falls sie auf ihr Vermögen<br />
zu Gunsten des Reiches verzichteten – ein<br />
Modell, das auch schon von Gauleiter<br />
Portschy äußerst gewinnbringend angewendet<br />
wurde.<br />
Über diese Zwischenst<strong>at</strong>ion in Wien gelang<br />
bis 31. Dezember 1938 1286 jüdischen<br />
Burgenländern die Ausreise. Bevorzugte<br />
Ziele waren die Tschechoslowakei (24,8%),<br />
Palästina (20,1%), Ungarn (9,3%), England<br />
(7,1%), Italien (6,7%), die USA (6,0%) und<br />
Frankreich (5,5%). Tragischer Weise gerieten<br />
einige der Exilländer dennoch unter deutsche<br />
Herrschaft. Wie viele burgenländische<br />
Opfer die Judenverfolgung in Ungarn, der<br />
Tschechoslowakei, Italien oder in Frankreich<br />
kostete, ist nicht bekannt.<br />
Mit der Verschärfung der weltpolitischen<br />
Lage kurz vor Beginn des Krieges begann