Der Weg zum Anschluss. Burgenlandschicksal 1928 ... - Burgenland.at
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DIE MACHTERGREIFUNG DER NATIONALSOZIALISTEN<br />
den ersten politischen Häftlingen Österreichs.<br />
Landeshauptmann Hans Sylvester,<br />
Landesst<strong>at</strong>thalter Graf Max Coreth, der<br />
Abgeordnete des Bundeskulturr<strong>at</strong>es Adalbert<br />
Riedl und Landesr<strong>at</strong> Franz Strobl wurden<br />
in den Räumlichkeiten des Landeshauptmannes<br />
verhaftet und unter Hausarrest<br />
gestellt. Landesr<strong>at</strong> Dr. Karl Posch und<br />
der Landesführer-Stellvertreter der V<strong>at</strong>erländischen<br />
Front Walter Riebl wurden<br />
ebenfalls noch am 11. März inhaftiert.<br />
Nur wenige Stunden später wurden sie in<br />
<strong>Burgenland</strong>s erstes „Anhaltelager“ – der<br />
ehemaligen Kaserne der Frontmiliz im früheren<br />
Eisenstädter Bürgerspital – eingeliefert<br />
und Mitte März der Gestapo übergeben.<br />
<strong>Der</strong> aus Triest stammende Führer des<br />
SS-Gaues <strong>Burgenland</strong>, Helmut Breymann,<br />
wurde neuer Sicherheitsdirektor. Er war<br />
der Regisseur der nun folgenden Terrorund<br />
Verhaftungswelle und als solcher auch<br />
maßgeblich an den ersten Vertreibungen<br />
der jüdischen Burgenländer beteiligt.<br />
Als Breymanns Stellvertreter fungierte<br />
SA-Brigadeführer Josef Palham aus Eisenstadt<br />
und danach SS-Hauptsturmführer<br />
Martin Gabriel. Alle sicherheitspolizeilichen<br />
Angelegenheiten waren in den Händen<br />
der SS und SA konzentriert. Noch in<br />
der Nacht des 11. März erfolgte die Vereidigung<br />
der in der Sicherheitsdirektion und<br />
im Landhaus anwesenden Gendarmerieund<br />
Polizeibeamten auf das neue Regime.<br />
Auf Befehl Josef Palhams wurden alle öffentlichen<br />
Gebäude und die Dienststellen<br />
der V<strong>at</strong>erländischen Front sofort besetzt<br />
und die Funktionäre der VF und der Frontmiliz<br />
verhaftet.<br />
67<br />
In der Nacht vom 11. auf den 12. März<br />
1938 erfolgte die erste große Verhaftungswelle<br />
in allen Bezirken des Landes. In Jennersdorf<br />
schwärmten beispielsweise bereits<br />
um 4.00 Uhr morgens die Gendarmen<br />
aus, um die Anhänger des alten Regimes<br />
zu arrestieren. Dazu griff man auf<br />
bereits vorgefertigte Namenslisten zurück,<br />
welche um die Strafkarteien der Bezirksgerichte<br />
ergänzt wurden. Die Listen wurden<br />
per Fernschreiber aus Eisenstadt an<br />
die einzelnen Bezirksgerichte gesendet.<br />
Die Verhaftungen führten die örtlichen<br />
Gendarmerieposten durch, die von der lokalen<br />
SA und der SS unterstützt wurden.<br />
Mangels Dienstfahrzeuge mussten die<br />
Häftlinge oftmals mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
in ihre Gefängnisse transportiert<br />
werden.<br />
Eine Auswertung der im Burgenländischen<br />
Landesarchiv befindlichen Opferfürsorgeakten*<br />
ergibt folgendes Bild: Annähernd<br />
60% der ersten politischen Häftlinge<br />
wurde in die Bezirksgerichte gebracht. Von<br />
den 100 politisch Verfolgten kamen dreizehn<br />
in Gewahrsam der Gestapo und<br />
mussten oft stundenlange Folterungen und<br />
Verhöre über sich ergehen lassen. Dreizehn<br />
Personen wurden in Konzentr<strong>at</strong>ionslager<br />
deportiert. Ein Burgenländer, Andreas<br />
Thüringer aus Nickelsdorf, wurde auf dem<br />
<strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> Lager erschlagen.<br />
Mehr als ein Drittel (36%) der nachgewiesenen<br />
Verhaftungen im März erfolgte<br />
in Eisenstadt. In den Bezirken Jennersdorf<br />
waren 19%, M<strong>at</strong>tersburg 12%, Oberpullendorf<br />
und Güssing je 10% und in Neusiedl<br />
7% der Verhaftungen zu registrieren.