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(MfS) der DDR - Deutscher Bundestag

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gerung nahe, dass die HV A bis 1962 über einen ausgesprochen guten Informationszugang zum<br />

Auswärtigen Ausschuss verfügte, <strong>der</strong> dann im Laufe des Jahres 1962 für einige Zeit versiegte. Die<br />

Berichte lassen allerdings keine direkten Rückschlüsse darauf zu, wer die Informanten waren. Sie<br />

zeigen aber, dass die HV A zwischen 1959 und 1962 Inhalt und Verlauf von Diskussionen nicht<br />

öffentlicher Ausschusssitzungen kannte und darüber innerhalb weniger Tage Walter Ulbricht,<br />

Otto Grotewohl und an<strong>der</strong>e <strong>DDR</strong>-Spitzenfunktionäre informierte.<br />

Auch schon vor 1959 scheint die HV A kontinuierlich Informationsberichte an Empfänger innerhalb<br />

und außerhalb des <strong>MfS</strong> verschickt zu haben. Darauf deutet ein Schreiben von HVA-Chef<br />

Markus Wolf vom 2. Oktober 1954 hin. Er kündigte darin an, dass ab sofort zweimal im Monat<br />

ein „Informationsdienst zur Beurteilung <strong>der</strong> Situation in Westdeutschland und Westberlin“ erarbeitet<br />

werde. 203 Zum Charakter des Informationsdienstes führte er aus: „Er ist aufgrund interner<br />

Informationen zusammengestellt und daher als streng geheim nur zur persönlichen Information<br />

des Empfängers. Nach Kenntnisnahme ist er in einem verschlossenen Umschlag an die HA XV<br />

zurückzuschicken. Ich bitte, diese Regel im Interesse <strong>der</strong> Sicherheit <strong>der</strong> Informatoren unbedingt<br />

zu beachten.“ 204<br />

Doch mit dem Quellenschutz scheinen es einige Empfänger <strong>der</strong> HVA-Informationsberichte nicht<br />

so genau genommen zu haben. Vielmehr gaben sie die von <strong>der</strong> HV A bzw. <strong>der</strong> damaligen Hauptabteilung<br />

XV erarbeiteten Spionageinformationen weiter o<strong>der</strong> verwerteten sie sogar publizistisch.<br />

Dadurch drohten einige Quellen im Westen enttarnt zu werden, manche beendeten aus<br />

diesem Grunde die Spionagetätigkeit. Hierüber beklagte sich Markus Wolf 1957 in einer Information<br />

an die Mitglie<strong>der</strong> des Kollegiums <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>-Staatssicherheit. 205 Unter an<strong>der</strong>em schil<strong>der</strong>te er<br />

einen Vorfall aus dem <strong>Bundestag</strong>:<br />

„Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im <strong>Bundestag</strong> Hoogen erklärte in einer Sitzung, dass<br />

<strong>der</strong> Deutschlandsen<strong>der</strong> 206 geheimes Zahlenmaterial <strong>der</strong> Amnestieberatung veröffentlicht<br />

habe. Diese Äußerung bezieht sich auf Unterlagen, die Anfang Februar im Rechtsausschuss<br />

den Ausschussmitglie<strong>der</strong>n zu Beginn <strong>der</strong> Sitzung ausgehändigt und am Schluss <strong>der</strong> Sitzung<br />

wie<strong>der</strong> eingesammelt wurden. Die Quelle hatte ausdrücklich darum gebeten, von diesen Unterlagen<br />

öffentlich keinen Gebrauch zu machen und betrachtet diese Tatsache als ernsten<br />

Vertrauensbruch. Seit dieser Zeit ist bei dieser Quelle eine Inaktivität festzustellen.“ 207<br />

Diese Schil<strong>der</strong>ung zeugt zum einen von einem vorübergehend guten Zugang <strong>der</strong> HV A in den<br />

Rechtsausschuss, zum an<strong>der</strong>en von einem leichtfertigen Umgang mit Spionageinformationen,<br />

wie er in <strong>der</strong> Frühzeit <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>-Spionage offenbar häufiger vorkam. Markus Wolf kündigt in dieser<br />

Beschwerde abschließend an, auch den Vorsitzenden <strong>der</strong> Sicherheitskommission – das war<br />

Walter Ulbricht – über diese Probleme zu unterrichten. 208 Möglicherweise könnte dieser Vorfall<br />

durch eine Zusammenschau weiterer Archivüberlieferungen (Sitzungsprotokolle des Rechtsausschusses<br />

des <strong>Bundestag</strong>es, Akten <strong>der</strong> Sicherheitskommission im Bundesarchiv, Unterlagen im<br />

Deutschen Rundfunkarchiv) noch besser ausgeleuchtet werden.<br />

In den späten fünfziger Jahren scheint die HV A Sitzungsprotokolle aus mehreren <strong>Bundestag</strong>sausschüssen<br />

auch vom tschechoslowakischen Geheimdienst Státní bezpečnost (StB) erhalten zu<br />

203 Hauptabteilung XV, 2.10.1954: Betrifft: Informationsdienst zur Beurteilung <strong>der</strong> Situation in Westdeutschland<br />

und Westberlin, gez. von Markus Wolf; BStU, <strong>MfS</strong>, SdM 1909, Bl. 219. Zum damaligen<br />

Zeitpunkt trug die spätere HV A die Bezeichnung „Hauptabteilung XV“.<br />

204 Ebenda. Hervorhebung im Original.<br />

205 Generalmajor Wolf, 25.4.1957: Information für die Mitglie<strong>der</strong> des Kollegiums. Betr.: Erschwerung <strong>der</strong><br />

operativen Arbeitsbedingungen durch teilweise Dekonspirierung; BStU, <strong>MfS</strong>, SdM 1909, Bl. 209 f.<br />

206 Deutschlandsen<strong>der</strong>: <strong>DDR</strong>-Rundfunksen<strong>der</strong> mit gesamtdeutschem Anspruch.<br />

207 Information für die Mitglie<strong>der</strong> des Kollegiums (wie Anm. 205), Bl. 209.<br />

208 Ebenda, Bl. 210. Zu Walter Ulbrichts Eigenschaft als Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sicherheitskommission beim<br />

Politbüro <strong>der</strong> SED siehe Wagner, Armin: Walter Ulbricht und die geheime Sicherheitspolitik <strong>der</strong> SED.<br />

Der Nationale Verteidigungsrat <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> und seine Vorgeschichte (1953–1971). Berlin 2002, insbes.<br />

S. 84–87.<br />

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