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(MfS) der DDR - Deutscher Bundestag

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„Leiterinformation über einige Maßnahmen <strong>der</strong> Regierung <strong>der</strong> BRD und <strong>der</strong> dazu beauftragten<br />

feindlichen Abwehr- und Untersuchungsorgane zur weiteren Verbesserung des Geheimschutzes<br />

bei geheimen Regierungsmaterialien und -dokumenten und zur Verhin<strong>der</strong>ung des<br />

Missbrauchs von gezielten, gegen die ‚Ostpolitik’ <strong>der</strong> Brandt/Scheel-Regierung gerichteten<br />

Indiskretionen“. 197<br />

Der lange Titel dieser Information deutet den Inhalt schon an: Die HV A wusste um die vielen<br />

vergeblichen Bemühungen insbeson<strong>der</strong>e des Geheimschutzreferats des Auswärtigen Amtes sowie<br />

<strong>der</strong> Staatsanwaltschaft Bonn, Veröffentlichung geheimer Unterlagen zur Ostpolitik in bundesdeutschen<br />

Medien zu unterbinden. Die HVA-Leiterinformation unterzog einen Bericht des<br />

Stern vom 18. Januar 1972 einer kritischen Prüfung, wonach die SPD-Mitglie<strong>der</strong> im Auswärtigen<br />

Ausschuss Willy Bartsch und Franz Seume (Seume trat im März 1972 zur CDU über und schied<br />

aus dem Auswärtigen Ausschuss aus) vertrauliche Papiere an die Presse weitergegeben hätten.<br />

Der Stern habe in seiner Berichterstattung zwar übertrieben, so die HVA-Information. Doch<br />

müsse aus „intern bekannt gewordenen Äußerungen Wehners und an<strong>der</strong>er SPD-Funktionäre [...]<br />

geschlussfolgert werden, dass [...] Seume und Bartsch tatsächlich Indiskretionen begangen“ hätten,<br />

lautete <strong>der</strong> Erkenntnisstand <strong>der</strong> HV A. 198 Wichtiger als die Vermutungen über bestimmte<br />

Abgeordnete war aus HVA-Sicht jedoch das Wissen darüber, dass die Bundesregierung und vor<br />

allem das Auswärtige Amt den Geheimschutz konsequenter durchsetzen wollten.<br />

Exkurs: Überlieferungen, die zeitlich hinter die Überlieferungen <strong>der</strong> SIRA-Datenbank zurückgehen<br />

Zwischen 1959 und 1989 fertigte die HV A rund 23 000 Informationsberichte für die Partei- und<br />

Staatsführung in <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> an. Sie informierte darin über alle möglichen Erkenntnisse, die sie aus<br />

<strong>der</strong> weltweiten Spionage erlangte. Ein weitgehend vollständiges Verzeichnis mit den Titeln <strong>der</strong><br />

Informationsberichte hat das Archiv des BStU im Februar 2011 in einer ersten Version erstellt. 199<br />

Die Informationsberichte selbst sind zu einem größeren Teil erhalten geblieben und stehen <strong>der</strong><br />

Forschung zur Verfügung. 200 Drei davon werden in diesem Gutachten exemplarisch veröffentlicht.<br />

201 Dem Gutachten sind als Anhang außerdem die Titel solcher Informationsberichte beigefügt,<br />

die erkennbar einen Bezug zum Deutschen <strong>Bundestag</strong> haben. 202 Analysiert man diese Berichte<br />

nach den in den Überschriften angegebenen Inhalten, so fällt auf, dass die HV A in gewissen<br />

Zeiträumen gehäuft über bestimmte Sachverhalte und Institutionen berichtete. Das erklärt<br />

sich teilweise mit den tagespolitischen Interessen bzw. dem Informationsbedarf <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>-<br />

Führung. Es kann aber auch auf vorhandene o<strong>der</strong> nicht vorhandene Möglichkeiten <strong>der</strong> HV A<br />

hindeuten, an bestimmte Informationen zu gelangen. So fällt für den Zeitraum von 1959 bis 1968<br />

beispielsweise auf, dass die HV A 1959 und 1960 gehäuft Berichte über Sitzungen des Auswärtigen<br />

Ausschusses für die <strong>DDR</strong>-Führung anfertigte (1959: fünf Berichte, 1960: sieben Berichte), in<br />

den Jahren 1961 und 1962 etwas weniger (je drei Berichte), danach aber nicht einmal mehr jedes<br />

Jahr auch nur einen einzigen Bericht (1963, 1965 bis 1967 kein Bericht, 1964 ein Bericht, 1968<br />

zwei Berichte). Es ist indes unwahrscheinlich, dass das Interesse <strong>der</strong> HV A an <strong>der</strong> Arbeit des Auswärtigen<br />

Ausschusses nach 1962 plötzlich erloschen sein sollte. Deshalb liegt eher die Schlussfol-<br />

197 Diese Leiterinformation vom 10.2.1972 wurde von <strong>der</strong> Abteilung VII <strong>der</strong> HV A, das war die Auswertungsabteilung,<br />

verfasst. BStU, <strong>MfS</strong>, ZAGG 1564, Bl. 3–10.<br />

198 Ebenda, Bl. 4 f.<br />

199 Konopatzky, Stephan: Verzeichnis <strong>der</strong> Ausgangsinformationen <strong>der</strong> HV A des Ministeriums für Staatssicherheit<br />

<strong>der</strong> <strong>DDR</strong> (Version 3.2. v. 9.2.2011). Hg. BStU, Abteilung Archivbestände. Berlin 2011. Das Verzeichnis<br />

kann im Internet eingesehen werden unter http://www.bstu.bund.de/DE/Archive/<br />

Findmittel/Findbuch/ausgangsinformationen-hva.pdf?__blob=publicationFile. Es ist außerdem auf <strong>der</strong><br />

CD veröffentlicht, die dem 10. Tätigkeitsbericht <strong>der</strong> BStU aus dem Jahre 2011 beigelegt wurde. An dem<br />

Verzeichnis wird weiterhin gearbeitet.<br />

200 Aus <strong>der</strong> Aufstellung in Konopatzky: Verzeichnis <strong>der</strong> Ausgangsinformationen, 2011, S. 6 f., ergibt sich,<br />

dass rund 54 % <strong>der</strong> knapp 23 000 HVA-Informationsberichte für die Partei- und Staatsführung im Archiv<br />

des BStU vorhanden sind.<br />

201 Siehe die Dokumente auf den Seiten 60 ff., 160 f. u. 321 ff.<br />

202 Siehe S. 326–371.

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