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(MfS) der DDR - Deutscher Bundestag

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Strafarbeitslager Workuta. 1227 Von dort kam er in die Bundesrepublik. Dem <strong>Bundestag</strong> gehörte er<br />

als SPD-Abgeordneter vom 13. Dezember 1972 bis zu seinem Tod am 13. Oktober 1979 an. In<br />

dieser Zeit registrierte das <strong>MfS</strong> auf zwei Karteikarten sein Engagement für die „Vereinigung <strong>der</strong><br />

Opfer des Stalinismus“ (VOS): Koblitz unterstütze die VOS und interessiere sich zudem für Material<br />

über Entführungsfälle aus <strong>der</strong> Bundesrepublik einschließlich Westberlins in die <strong>DDR</strong>. 1228<br />

Koblitz hatte die stalinistische Willkür demnach nicht vergessen, son<strong>der</strong>n sich in seiner politischen<br />

Arbeit auch von diesen Erfahrungen leiten lassen.<br />

Der spätere CDU-Abgeordnete Herbert Helmrich lehnte sich bereits 1950 als 16-jähriger Schüler<br />

in <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> gegen die neue politische Ordnung auf. Helmrich selbst charakterisierte später das<br />

erste offene Aufbegehren gegen den FDJ-Leiter seiner Schule als „halbpolitischen Wi<strong>der</strong>stand“,<br />

<strong>der</strong> indes rasch „zu einer hochpolitischen Angelegenheit geworden“ sei. 1229 Vor <strong>der</strong> ersten Volkskammerwahl<br />

am 15. Oktober 1950 riss er in seinem Wohnort Osterburg Wahlplakate ab, später<br />

verteilte er mit Freunden zusammen immer wie<strong>der</strong> Flugblätter, die sich gegen die SED richteten.<br />

Am 10./11. April 1952 wurden er und seine Freunde deshalb verhaftet, nachdem Polizei und <strong>MfS</strong><br />

ihnen durch eine Indiskretion auf die Spur gekommen waren. Rund eineinhalb Jahre lang blieb<br />

Helmrich inhaftiert, und ihm wi<strong>der</strong>fuhr – wie er schreibt – die für einen politischen Häftling<br />

damals typische Behandlung: „Einzelhaft, Vernehmungen nur abends o<strong>der</strong> nachts, Prügel bei den<br />

verschiedensten Gelegenheiten, als Folge davon eiternde und stinkende Platzwunden, zeitweilig<br />

Kellerhaft in kleinen Löchern ohne Liege und am Fußboden ständig nachgefüllt bis zu 5 cm Wasser<br />

usw.“ 1230 Dank einiger politischer Erleichterungen nach dem Volksaufstand vom 17. Juni<br />

1953 kam er im Herbst 1953 vorzeitig frei und ging noch im selben Jahr nach Westberlin. 1231<br />

Knapp 30 Jahre später veröffentlichte er eine Broschüre mit seinen damaligen Erlebnissen und<br />

charakterisierte die <strong>DDR</strong> als „totales Überwachungs- und Einschüchterungssystem“. 1232 Dem<br />

<strong>Bundestag</strong> gehörte er von 1976 bis 1992 an. Nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung Deutschlands bekleidete<br />

er von 1992 bis 1994 das Amt des Justizministers in Mecklenburg-Vorpommern und engagierte<br />

sich in dieser Zeit für die Aufarbeitung <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>-Vergangenheit und die Rehabilitierung von<br />

SED-Opfern.<br />

Diese vier Lebenswege zeigen, dass Menschen aus ihrer zu Unrecht erlittenen Haft in <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />

und <strong>der</strong> Sowjetunion verschiedene Schlussfolgerungen zogen und als politisch Handelnde in<br />

verschiedenen Parteien aktiv waren. Wie sehr die Hafterlebnisse ihr Handeln als Politiker konkret<br />

beeinflussten, müsste noch genauer untersucht werden.<br />

Weitere Abgeordnete mit <strong>DDR</strong>-Hafterfahrung sind bei den Arbeiten für das vorliegende Gutachten<br />

nicht bekannt geworden. Allerdings wurde nach dieser Frage nicht systematisch recherchiert.<br />

In den Akten befindet sich noch ein Vorgang, in dem das <strong>MfS</strong> die Verschleppung eines bundesdeutschen<br />

Politikers in die <strong>DDR</strong> beabsichtigte. Dies betraf den nordrhein-westfälischen SPD-<br />

Politiker Hermann Runge, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> entsprechenden Zeit allerdings schon aus dem <strong>Bundestag</strong><br />

ausgeschieden war und als SPD-Landtagsabgeordneter in Düsseldorf wirkte. Runge, <strong>der</strong> wegen<br />

seines frühen Wi<strong>der</strong>stands gegen die Nationalsozialisten von 1935 bis 1945 im Gefängnis saß,<br />

begann rasch nach Kriegsende eine parlamentarische Karriere: 1946 bis 1947 Landtagsabgeordneter<br />

in Nordrhein-Westfalen (und erneut 1958 bis 1962 und 1965 bis 1966), 1948 bis 1949 Mitglied<br />

des Parlamentarischen Rates und 1949 bis 1957 SPD-<strong>Bundestag</strong>sabgeordneter. 1233 Die <strong>MfS</strong>-<br />

Objektdienststelle „Wismut“ in Karl-Marx-Stadt bearbeitete Runge seit November 1959 in dem<br />

1227 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> (Hg.): Amtliches Handbuch des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es. 8. Wahlperiode, biografischer<br />

Eintrag zu Koblitz.<br />

1228 BStU, <strong>MfS</strong>, ZKG-VSH-Karteikarte zu Koblitz.<br />

1229 Helmrich, Herbert; Ahrndt, Bernd: Schüler in <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>. Zwei Erlebnisberichte (1945–1952/1964–1977).<br />

München u. a. 1980, S. 25.<br />

1230 Ebenda, S. 34–48, Zitat S. 48.<br />

1231 Ebenda, S. 48.<br />

1232 Ebenda, S. 7.<br />

1233 Siehe die biografischen Angaben zu Runge in Schumacher (Hg.): M.d.B., 2000, S. 350.<br />

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