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(MfS) der DDR - Deutscher Bundestag

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Sofern die aktive Maßnahme tatsächlich nur darin bestanden haben sollte, eine sozialdemokratisch<br />

aussehende Wahlkampfschrift gegen die Unionsparteien in Umlauf zu bringen, dürfte<br />

ihre Wirkung sehr begrenzt gewesen sein. Denn Wahlkampfmunition konnten die <strong>Bundestag</strong>sparteien<br />

auch ohne Hilfe aus Ostberlin herstellen. Doch so lange diese Schrift nicht identifiziert<br />

ist, kann darüber nur spekuliert werden.<br />

Deutlich wird in dieser HVA-Dissertation erneut das ambivalente Verhältnis des <strong>MfS</strong> zur SPD.<br />

Die SPD wurde hier als Plattform für eine aktive Maßnahme missbraucht. Zugleich ließ die Dissertation<br />

aber keinen Zweifel an <strong>der</strong> grundsätzlichen ideologischen Gegnerschaft zwischen SED<br />

und <strong>MfS</strong> einerseits und <strong>der</strong> SPD an<strong>der</strong>erseits. Gutachter Henri Walther bemerkte hierzu: „Der<br />

Verfasser [<strong>der</strong> Dissertation] war mitunter genötigt, aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> SPD-Führung Positionen zu<br />

vertreten, die unseren marxistisch-leninistischen Überzeugungen nicht entsprechen und durch<br />

die marxistisch-leninistische Theorie und Praxis vielfältig wi<strong>der</strong>legt sind.“ 81<br />

5. Fazit<br />

Die <strong>MfS</strong>-Dissertation von Gailat/Kühn nimmt die SPD als Partei in den Blick und ordnet die<br />

<strong>Bundestag</strong>smitglie<strong>der</strong> in die Parteiströmungen ein. Als eigene Größe nimmt sie die Parlamentarier<br />

nicht wahr.<br />

Ähnlich verfuhren noch 20 Jahre später die <strong>MfS</strong>-Offiziere Ludwig Einicke und Hans-Ulrich<br />

Mühlbauer in ihrer <strong>MfS</strong>-Dissertation über die Grünen. 82 Sie widmeten <strong>der</strong> <strong>Bundestag</strong>sfraktion<br />

<strong>der</strong> Grünen zwar ein kurzes Unterkapitel. Doch sie handelten die Fraktion lediglich als eine <strong>der</strong><br />

Struktureinheiten bzw. Gremien <strong>der</strong> Grünen-Bundespartei ab, neben dem Bundesvorstand, dem<br />

Bundeshauptausschuss, den Bundesarbeitsgemeinschaften und dem „Stiftungsverband Regenbogen“.<br />

83 Sie maßen <strong>der</strong> Fraktion allerdings beson<strong>der</strong>es Gewicht bei, weil die Fraktion ihrer Auffassung<br />

nach das Bild dieser Partei sowie ihre politischen Schwerpunkte maßgeblich bestimmten.<br />

Deshalb schrieben sie in ihrem Resümee, „dass die <strong>Bundestag</strong>sfraktion <strong>der</strong> Grünen [...] als<br />

wichtigstes Parteigremium anzusehen ist“. 84<br />

Diese Perspektive scheint in vielen <strong>MfS</strong>-Dokumenten durch: Die Parlamentsfraktionen und<br />

ihre Mitglie<strong>der</strong> werden nicht als Teil des <strong>Bundestag</strong>es analysiert und in Verbindung mit an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Bundestag</strong>fraktionen gebracht, son<strong>der</strong>n als Teile ihrer Bundesparteien gesehen. Der <strong>Bundestag</strong><br />

als Institution und Versammlung von Parlamentariern verschiedener politischer Richtungen<br />

kommt in diesen grundlegenden <strong>MfS</strong>-Arbeiten nicht vor und stand von daher nicht im Zentrum<br />

<strong>der</strong> <strong>MfS</strong>-Westarbeit. Dieser Befund entspricht dem weiter oben skizzierten Weltbild des <strong>MfS</strong>, das<br />

nur ein eingeschränktes Verständnis vom parlamentarischen System erkennen ließ.<br />

Die zeitgeschichtliche Forschung sollte sich deshalb nicht darauf beschränken, die <strong>MfS</strong>-<br />

Einflussnahme nur auf den Deutschen <strong>Bundestag</strong> zu untersuchen. Sie müsste auch die Strategien<br />

und Maßnahmen des <strong>MfS</strong> gegenüber den bundesdeutschen Parteien in den Blick nehmen. Das<br />

<strong>MfS</strong> unterschied nicht streng zwischen Partei und Fraktion, zwischen Exekutive und Legislative,<br />

son<strong>der</strong>n es beschaffte Informationen o<strong>der</strong> versuchte Einfluss zu nehmen stets dort, wo es Möglichkeiten<br />

fand. Das war durchaus pragmatisch. Denn im politischen Alltag zerfließen die Grenzen<br />

zwischen den verschiedenen Institutionen ohnehin, wenn beispielsweise ein Politiker gleichzeitig<br />

(herausgehobene) Aufgaben in Partei, Fraktion und Regierung innehat.<br />

Dieses Gutachten ist entsprechend des zugrunde liegenden Auftrages gleichwohl begrenzt auf die<br />

Institution des <strong>Bundestag</strong>es und seine Abgeordneten. Aufgrund dieser Perspektive tritt allerdings<br />

81 BStU, <strong>MfS</strong>, JHS, MF, Nr. 940, S. 35.<br />

82 Einicke, Ludwig; Mühlbauer, Hans-Ulrich: Die Grünen im politischen System <strong>der</strong> BRD und ihre Positionen<br />

zu den Grundfragen <strong>der</strong> Gegenwart. Politische und politisch-operativ bedeutsame Differenzierungsprozesse<br />

und Tendenzen. Die Arbeit wurde am 20.1.1989 abgeschlossen und umfasste 441 Seiten.<br />

BStU, <strong>MfS</strong>, JHS 20007.<br />

83 Ebenda, Bl. 285–329, zur <strong>Bundestag</strong>fraktion Bl. 293–304.<br />

84 Ebenda, Bl. 304.<br />

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